mixed reality adventures - artecLab - Universität Bremen
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Nach einer Kurzgeschichte des Cyberspace-Autors William<br />
Gibson aus dem Jahre 1980 entstand der Film<br />
„Johnny Mnemonic“(1995). Der Fim spielt im 21.Jahrhundert,<br />
wo Wirtschaftkonzerne die Weltherrrschaft<br />
übernommen haben und die Datennetze kontrollieren.<br />
Datenschmuggel ist ein subversives Vergehen, gegen das<br />
die „LoTeks“ verschwörerisch angehen. Johnny ist einer<br />
dieser Schmuggler, der Daten von Beijing nach Newark<br />
bringt und in seinem Gehirn einen Chip implantiert hat,<br />
mit dessen Hilfe er die Daten und Bilder an den Wächtern<br />
vorbeischmuggelt. Schließlich erleidet der Computer<br />
in seinem Kopf einen Overflow und droht ihn selbst<br />
zu vernichten. Wie in den meisten dieser Filme sieht die<br />
künstliche Wirklichkeit um so faszinierender aus, wie die<br />
„wirkliche“ Wirklichkeit unbewohnbar geworden ist!<br />
BR: Künstliche Welten faszinieren, weil die reale Welt<br />
nicht mehr zu ertragen ist?<br />
AT: „In dieser Phase der Filmgeschichte trat neben die<br />
Angst erzeugende Phantasie eines künstlichen Menschen<br />
in einer wirklichen Welt das genaue Gegenbild: der wirkliche<br />
Mensch, der sich in einer künstlichen Realität verläuft.<br />
Erst als Eindringling, dann als Gefangener eines<br />
Labyrinths. Wieder führt uns indes die Angstvision in die<br />
alten Albträume zurück: Hänsel und Gretel verlaufen sich<br />
im Cyberwald. Und wir sind nicht mehr eins, begegnen<br />
unseren eigenen Doppelgängern, spalten uns endlos,<br />
sind hier und woanders gleichzeitig. Das Eintauchen in<br />
die Cyberworld, das uns in so simplen Erzählungen wie<br />
TRON als schiere „Verwechslungen“ von Wirklichkeit und<br />
Simulation begegnete, ist nichts anderes als die elektronische<br />
Wiederkehr eines Syndroms, das wesentlich<br />
älter ist als jenes „Stendhal Syndrom“, von dem in Dario<br />
Argentos gleichnamigen Film (1994) die Rede ist: Georg<br />
Seeßlen spricht vom Eintauchen des Blicks in das Bild,<br />
das keine Rückkehr, keine Distanz mehr kennt.<br />
BR: Das heißt, wir sind in der virtuellen Welt gefangen?<br />
AT: Damit sind wir im Jahr 1998 angelangt, bei „MATRIX“.<br />
Mit MATRIX sind alle bisher in Filmen noch erkennbaren<br />
realen Grenzen endgültig aufgehoben. MATRIX hat die<br />
seit langem unwahrscheinlichste Geschichte, die zum<br />
Plot eines Science Fiction-Films wurde: Die Menschheit<br />
ist versklavt von intelligenten Maschinen, die ihre Energie<br />
aus menschlichen Embryonen ziehen, die in gigantischen<br />
Zuchtstationen gehalten werden. Man begegnet<br />
im Film einer der bislang radikalsten Ausformulierungen<br />
eines Phänomens, das seit einiger Zeit durchs Hollywood-Kino<br />
(und nicht nur dort) geistert: einer Art kollektiver<br />
Verschwörungsparanoia, in der sich ein tiefes<br />
Misstrauen gegenüber der Welt, wie wir sie kennen, artikuliert.<br />
Die Umsetzung folgt gnadenlos den Gesetzen<br />
des Unterhaltungskinos – und hat funktioniert, wie man<br />
an Filmen wie Lara Croft, Final Fantasy, A.I., Resident<br />
Evil und so weiter sieht.<br />
BR: Worin liegt das umwälzend Neue dieser Generation<br />
von Science Fiction-Filmen?<br />
AT: In der grenzüberschreitenden Art der Verknüpfung<br />
von virtuellen und wirklichen Welten: Der auslösende<br />
Skandal des Phantasmas vom künstlichen Parallel- und<br />
Nachmenschen beginnt etwa bei Cronenberg damit, dass<br />
ein Inneres nach außen tritt. So wird der Roboter mit<br />
seiner stählernen Haut, die Vollendung jenes Panzers,<br />
mit dem sich der Krieger seit Urzeiten vor allem semio-<br />
LEGENDEN VOM ENDE DER KINOZEIT<br />
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