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50 Jahre Abitur der O I s 1962 - Hermann-Lietz-Schulen

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<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Abitur</strong> <strong>der</strong> O I s <strong>1962</strong><br />

Bieberstein. Nicht mehr jedem wird geläufig sein, welches Gebilde sich da<br />

vor einem halben Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>Abitur</strong>prüfung gestellt hat. Nun, "O" steht<br />

für "Ober", "I" für "prima" und "s" für "sprachlicher Zweig". <strong>1962</strong> verließen wir<br />

Bieberstein, überwiegend mit stolzgeschwellter Brust, vereinzelt aber auch mit<br />

dem Ticket nach Spiekeroog zum erneuten - und dann auch gelungenen -<br />

Versuch in <strong>der</strong> Tasche.<br />

Unser Jubiläumsklassentreffen sollte aus den an<strong>der</strong>en herausragen, zu denen<br />

wir alle seither in - mit nur zwei Ausnahmen - fünfjährigem Turnus<br />

zusammenkommen. Deshalb verlängerten wir vor allem die Dauer von<br />

üblicherweise zwei auf drei Tage.<br />

So trafen wir uns bereits am Donnerstag, dem 29. Juni 2012, abends in<br />

unserem Standquartier, <strong>der</strong> Fohlenweide. Wir, das sind Justus Boehncke<br />

(Berlin), Michael Döhmann (Zürich), Bodo Finger (Velen), Peter Groch<br />

(Berlin), Michael Güthe (Witten-Bommern), Michael Herbst mit Frau Wendy<br />

(Wicklow/Irland), Jürgen Liebach (Bad Arolsen), Peter Mertmann mit Frau<br />

Monika (Dortmund), Ulrich Müller-Herold (Zürich), Michael Pieper mit Frau<br />

Sylvia (Wesseling-Urfeld), Daniela Schaede-Roh (Berlin, als Gastschülerin in<br />

<strong>der</strong> Unterprima "kooptiertes" Mitglied unsere Klasse) und Christian Türck<br />

(Bayrischzell). Burkhard Budde (Münster) konnte wegen einer Erkrankung<br />

seiner Frau lei<strong>der</strong> nicht teilnehmen, Günter Weinland (Hamburg) musste<br />

wegen einer Borreliose absagen, die ihm ein Zeckenbiss eingebracht hatte.<br />

Hajo Dörholt (Nor<strong>der</strong>ney) schließlich vermochte seine Insel in dieser hohen<br />

Zeit des Inselsommers nicht zu verlassen. Immerhin haben sich 80 Prozent<br />

<strong>der</strong> noch Erreichbaren zusammengefunden - eine durchaus bemerkenswerte<br />

Quote.<br />

Der Donnerstag Abend verlief so wie <strong>der</strong> erste Abend aller Klassentreffen<br />

weltweit; vielleicht waren wegen <strong>der</strong> Regelmäßigkeit unserer<br />

Zusammenkünfte Beschnuppern und überraschte Reaktionen etwas weniger<br />

intensiv als an<strong>der</strong>weit üblich. Wir waren uns ja nicht fremd geworden. Es war<br />

aber ein gutes Gefühl, sich wie<strong>der</strong> zu sehen und erneut die Vertrautheit zu<br />

spüren, die uns bei allen Gegensätzen stets begleitet hatte. Daran konnte an<br />

jenem Abend auch die Nie<strong>der</strong>lage gegen Italien im Rahmen <strong>der</strong> Fußball -<br />

Europameisterschaft nichts än<strong>der</strong>n...<br />

Das Programm am Freitag stand unter dem Motto "Nostalgie und<br />

Information". In einem vor Ort gemieteten Kleinbus fuhren wir zunächst nach<br />

Hofbieber, wo wir ein Gespräch mit dem Bürgermeister vereinbart hatten.<br />

Allerdings war <strong>der</strong> kurz nach <strong>der</strong> Terminabsprache zurückgetreten - uns<br />

wurde indes glaubwürdig versichert, dass dies nicht im Zusammenhang mit<br />

unserem Besuch zu sehen sei. Für den Bürgermeister sprangen sehr engagiert<br />

die beiden Altbürgermeister Josef Quasebarth und Eberhardt Lauer ein, die<br />

uns ein lebendiges Bild ihrer stark vergrößerten und mo<strong>der</strong>nisierten<br />

Gemeinde vermittelten. Die Beziehungen zu Bieberstein, die uns beson<strong>der</strong>s<br />

interessierten, sind zwar ungetrübt, aber, das war nicht zu verkennen, von


keiner herausgehobenen Bedeutung. Die hat allenfalls das Schloss als<br />

touristische Attraktion. Allerdings spielt auch die intensive Diskussion über<br />

den Missbrauch im Bereich <strong>der</strong> Jugen<strong>der</strong>ziehung in den Augen <strong>der</strong> örtlichen<br />

Bevölkerung in Bezug auf Bieberstein keine Rolle - aus unserer Erfahrung<br />

durchaus zu Recht (wir haben darüber natürlich auch eingehend<br />

untereinan<strong>der</strong> gesprochen).<br />

Nach dem freundlichen Empfang in Hofbieber wurden wir nicht min<strong>der</strong><br />

herzlich in Hohenwehrda begrüßt. Die Leiterin, Frau Sabine Hasenjäger,<br />

konnte uns eine Schule präsentieren, die sich von dem etwas dunklen<br />

Waldschlösschen unserer Erinnerung doch deutlich abhob ( es soll damals<br />

übrigens Mitschüler gegeben haben , die zur Tanzstunde o<strong>der</strong> zum Chorsingen<br />

nicht wegen <strong>der</strong> Mädchen nach Hohenwehrda - damals ein reines<br />

"Mädchenpensionat", während Bieberstein den Buben vorbehalten blieb -<br />

gefahren sein wollen, son<strong>der</strong>n nur wegen des dortigen besseren Essens. Die<br />

kamen aber wohl nicht aus unserer Klasse...). Was in Hohenwehrda seit jener<br />

Zeit errichtet wurde und die selbstverständliche Art des Umgangs miteinan<strong>der</strong><br />

haben uns beeindruckt, und allzu gerne wären wir bei <strong>der</strong> Hitze des Tages in<br />

das einladende Schwimmbad gesprungen, wenn die Zeit nicht gedrängt hätte.<br />

So fuhren wir nach dem (immer noch guten) Mittagessen nach Buchenau<br />

weiter, wo seinerzeit noch die "Kleinen" und damit auch einige unserer<br />

Klassenkameraden vor ihrem Wechsel nach Bie untergebracht waren. Das<br />

Schloss schied vor langen <strong>Jahre</strong>n aus dem HL-Verband aus und dient heute<br />

nach einer Zwischenfunktion als Asylbewerber-Heim als "Gruppen- und<br />

Konferenzhotel". Herr Klaus Göbel, <strong>der</strong> jetzige Eigentümer, <strong>der</strong> uns mit<br />

sichtbarem Stolz durch sein Schloss führte, scheint auf einem guten Weg zu<br />

sein, auch wenn es an diesem Kleinod noch Einiges zu tun gibt. Wir wünschen<br />

ihm gutes Gelingen.<br />

Im Landratsamt Fulda, unserer nächsten Station, empfing uns für den<br />

Landrat - trotz des Freitag-Nachmittags freundlich und glaubhaft erfreut -<br />

einer seiner Stellvertreter, Herr Kreisbeigeordneter Alfred Metz. Er stellte uns<br />

anhand einer von ihm selbst verfassten Dokumentation den Landkreis Fulda<br />

vor, unser damaliges "Revier", das uns durchaus auch geprägt hat.<br />

Allenthalben augenfällig ist hier <strong>der</strong> Wandel vom unmittelbaren und<br />

strukturschwachen Zonengrenzgebiet zu einer aufstrebenden Region mitten<br />

im Herzen Deutschlands. Wer allerdings meint, dass Bieberstein im Landkreis<br />

eine ganz beson<strong>der</strong>e Rolle spielt, so wie wir es uns mit unseren dunkelblauen<br />

Blazern und <strong>der</strong> HL-Nadel seinerzeit eingebildet hatten, muss sich getäuscht<br />

sehen. Sicher, die Schule ist eine anerkannte Institution, auf die man stolz ist -<br />

allerdings nur neben vielem an<strong>der</strong>en.<br />

Dem Besuch im Landratsamt schloss sich eine Führung durch das Fuldaer<br />

Barockviertel an, diesem wohl einmaligen Ensemble. Schon seinerzeit hatten<br />

wir hier ein Gefühl des Beson<strong>der</strong>en, aber an<strong>der</strong>e Ziele, wie beispielsweise das<br />

Café Flamme, genossen Vorrang... Gewissen Vorrang genoss nun aber auch<br />

<strong>der</strong> Drang "nach Hause", <strong>der</strong> Fohlenweide. Nach einer Stunde <strong>der</strong> Ruhe, die<br />

man entwe<strong>der</strong> auf dem Bett o<strong>der</strong> bei einem Glas Bier verbrachte, fuhren wir<br />

mit unserem Bus - die Bustour vermittelte zunehmend das Gefühl einer<br />

echten "Klassenfahrt" - nach Langenbieber, wo wir im Gasthof "Zur Linde"


sehr ordentlich bewirtet wurden. Ein "Absacker" in <strong>der</strong> Fohlenweide bildete<br />

den Abschluss eines erlebnis- und ergebnisreichen Tages. Beson<strong>der</strong>s<br />

bemerkenswert war die Disziplin, mit <strong>der</strong> alle das doch recht eng getaktete<br />

Programm absolvierten. "Disziplin" und "OIs" - diese Begriffe hätte man<br />

seinerzeit wohl kaum miteinan<strong>der</strong> in Verbindung gebracht...<br />

Der folgende Samstag war - wie stets - Bieberstein gewidmet. Bei wie<strong>der</strong>um<br />

schönstem Wetter bummelten wir zunächst über das Gelände; Fuldaer und<br />

Milseburger Dreieck, Schwalbennest, Andreesen-Grab - die Zeit schien<br />

stehengeblieben zu sein. Beson<strong>der</strong>s deutlich wurde dies bei den Sportanlagen<br />

am Kugelberg, die den Eindruck vermittelten, dort sei seit Jahrzehnten<br />

tatsächlich niemand mehr gerannt o<strong>der</strong> gesprungen. Zufällig begegnete uns<br />

vor <strong>der</strong> ihrerseits hochmo<strong>der</strong>nen Turnhalle Herr Lange, <strong>der</strong> für den Sport auf<br />

Bieberstein verantwortlich ist. Er klärte uns über das breitgefächerte Angebot<br />

auf, in dem allerdings tatsächlich die Leichtathletik im Gegensatz zu früher<br />

eine allenfalls untergeordnete Rolle spielt. Die Schüler wollen mehr "Action",<br />

mehr Trendsportarten. Klettern, Paragliding, Golf usw. Man mag das<br />

begrüßen o<strong>der</strong> auch nicht; entscheidend ist, dass <strong>der</strong> Sport überhaupt wie<strong>der</strong><br />

eine wichtige Rolle spielt.<br />

Auch im Schloss selbst waren die alten Zeiten sofort wie<strong>der</strong> gegenwärtig; auch<br />

wenn es zahlreiche - positive - Neuerungen gibt, so hat doch vieles die <strong>Jahre</strong><br />

unverän<strong>der</strong>t überstanden. Sogar die seinerzeit neuen Möbel in unserem<br />

letzten Klassenzimmer sind noch da - warum auch nicht?<br />

Dann aber ein Zeitensprung: Frau Mathilde Luxemburger, die uns anstelle<br />

von Herrn Liersch empfing, präsentierte uns nach einem Überblick über das<br />

heutige Leben auf Bieberstein das vor zwei <strong>Jahre</strong>n eingeführte und von ihr<br />

mo<strong>der</strong>ierte "<strong>Lietz</strong>-Bildungsjahr". Dieses zwischen Mittel- und Oberstufe<br />

eingebettete Schuljahr bietet für freiwillige Teilnehmer ein breites Spektrum<br />

an Bildungsmöglichkeiten für "Kopf, Herz und Hand", von denen man nur<br />

träumen kann. Unser einhelliges Fazit angesichts dieser beispielgebenden<br />

Einrichtung, die man gerne allen Kultusministern nahebringen möchte: Man<br />

müsste nochmal sechzehn sein...<br />

Nach dem Mittagessen konnten wir das dort begonnene Gespräch mit<br />

Schülerinnen und Schülern in <strong>der</strong> Teestube, <strong>der</strong> ehemaligen Krankenstube,<br />

fortsetzen; die Opa- und die Enkelgeneration hörten einan<strong>der</strong> interessiert zu.<br />

Auch hier gefiel beson<strong>der</strong>s die offene und freie Art unserer Gegenüber. Gegen<br />

15 Uhr aber Unruhe und Aufbruch: Eine ganze Klasse musste nachsitzen.<br />

Erinnerte uns das an etwas...?<br />

Wir wan<strong>der</strong>ten indes nach Hofbieber, wo wir in <strong>der</strong> "Kiesbergquelle", <strong>der</strong><br />

seinerzeitigen "Sophie", einkehrten. Diesmal ohne die Gefahr, bei<br />

unerlaubtem Tun entdeckt zu werden; Alkoholgenuss stand seinerzeit unter<br />

Strafandrohung bis hin zum Verweis von <strong>der</strong> Schule.<br />

Am Abend fand in <strong>der</strong> Fohlenweide unser traditioneller "Festakt" statt, <strong>der</strong><br />

sich von an<strong>der</strong>en Abendessen im Wesentlichen nur dadurch unterscheidet,<br />

dass die männlichen Teilnehmer mit Krawatte erscheinen. Zu Beginn<br />

gedachten wir in einer Schweigeminute unserer bereits so früh verstorbenen


Klassenkameraden Walter Hari, Wilfried "Hoppel" Hoffmeister und Hubert<br />

Himmelsbach. Wir haben sie nicht vergessen.<br />

Die <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> for<strong>der</strong>ten sodann zu ein paar kurzen Reden heraus, die sich<br />

letztlich dahingehend zusammenfassen lassen, dass unsere Generation viel<br />

Glück hat: Kein Krieg, keine materielle Not (sieht man jeweils von unseren<br />

ersten <strong>Jahre</strong>n ab), freie Berufswahl usw. Und jede Menge Zeitgeschichte. Auf<br />

jene im <strong>Jahre</strong> <strong>1962</strong> wies in einem sorgfältig recherchierten und<br />

nachdenklichen Beitrag Daniela Schaede-Roh hin: Ob beispielsweise<br />

Hamburger Flutkatastrophe, Kuba-Krise, II. Vatikanisches Konzil o<strong>der</strong><br />

Spiegel-Affäre - unser <strong>Abitur</strong> war nicht das einzige Großereignis jenes <strong>Jahre</strong>s<br />

und wir vielleicht auch nicht die Größten... Als Gäste konnten wir Alfred Metz<br />

sowie zu vorgerückter Stunde Helmut Liersch begrüßen, <strong>der</strong> gerade von einer<br />

internatsspezifischen Veranstaltung aus Düsseldorf zurückgekehrt war. Beide<br />

plau<strong>der</strong>ten auch ein wenig aus ihrem jeweiligen "Nähkästchen" und fanden in<br />

uns höchst aufmerksame Zuhörer, bis uns ein heftiges Gewitter kurz vor<br />

Mitternacht auseinan<strong>der</strong> trieb.<br />

Der Sonntagmorgen sah uns deshalb gut ausgeruht und fit für die Heimreise.<br />

Bei einem ausführlichen Frühstück ließen wir die vergangenen Tage an uns<br />

vorbeiziehen. Nach allem, was wir gesehen und gehört hatten, sind die<br />

<strong>Hermann</strong>-<strong>Lietz</strong>-<strong>Schulen</strong> und natürlich vor allem "unser" Bieberstein weiterhin<br />

auf einem guten Weg. <strong>Lietz</strong> lebt! Das war nicht immer so, und wir wünschen<br />

allen Beteiligten auf diesem Weg viel Glück, Freude, Erfolg und Gottes Segen.<br />

Da wir uns untereinan<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um bestens verstanden haben und unser<br />

Alter voranschreitet, beschlossen wir, die Klassentreffen künftig im Rhythmus<br />

von zweieinhalb <strong>Jahre</strong>n durchzuführen. Alle fünf <strong>Jahre</strong> im Bereich<br />

Bieberstein und dazwischen im "Revier" eines o<strong>der</strong> mehrer Freunde; das<br />

nächste Mal bei Bodo Finger in Velen - wir werden auf <strong>der</strong> Landkarte<br />

beizeiten suchen, wo das ist...<br />

Christian Türck

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