Festkörperphysik II - Technische Universität Wien
Festkörperphysik II - Technische Universität Wien
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Kapitel 1<br />
Einleitung<br />
Das Ihnen vorliegende Skriptum <strong>Festkörperphysik</strong> <strong>II</strong> baut auf den Inhalten der Vorlesungen<br />
Materialwissenschaften und <strong>Festkörperphysik</strong> I auf. Weiters sind zum Verständnis des<br />
abgehandelten Stoffes Grundkenntnisse der Quantenmechanik und der Statistischen Physik<br />
von Nutzen. Ziel der Vorlesung ist es, von diesem Grundstock ausgehend eine Brücke zur<br />
aktuellen Festkörperforschung zu schlagen und Ihnen damit einen Einstieg in eigene<br />
Forschungsaktivitäten zu erleichtern.<br />
Aufgrund der kleinen Abstände der Atome im Festkörper (im Vergleich zur Flüssigkeit<br />
oder zum Gas) spielen Wechselwirkungen eine zentrale Rolle und sind daher auch das<br />
Kernstück der Vorlesung. Als Beispiel sei die Bewegung eines Atoms im Festkörper genannt.<br />
Sie ist keinesfalls unabhängig von der aller anderer Atome. Die Auslenkung eines einzelnen<br />
Atoms aus seiner Ruhelage zieht auf Grund der starken Wechselwirkung der Atome miteinander<br />
eine Bewegung der anderen Atome im Festkörper nach sich. Man spricht von einer kollektiven<br />
Anregung (Phonon). Dass das Modell des freien Elektronengases (Sommerfeld-Theorie,<br />
<strong>Festkörperphysik</strong> I), das Wechselwirkungen zwischen den Elektronen völlig vernachlässigt,<br />
viele Eigenschaften einfacher Metalle relativ gut beschreibt ist eigentlich ein Wunder, denn<br />
die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen sind keinesfalls klein. Dieses Wunder“ kann<br />
”<br />
mit der Landau’schen Theorie der Fermiflüssigkeit (s.u.) verstanden werden. Auch magnetische<br />
Momente im Festkörper, die auf die Spins der Elektronen zurückgehen, sind nicht unabhängig<br />
voneinander. So beruht z.B. das Phänomen der magnetischen Ordnung eben gerade<br />
auf der Wechselwirkung zwischen den Momenten. Wechselwirkungen zwischen verschiedenen<br />
” Teilchenarten“ führen zu einer Vielzahl von interessanten Effekten wie z.B. der konventio-<br />
nellen Supraleitung (Elektron-Phonon-Wechselwirkung), der unkonventionellen Supraleitung<br />
(Elektron-Paramagnon-Wechselwirkung) oder dem Schwere-Fermionen-Verhalten (Elektron-<br />
Spin-Wechselwirkung). Derartige Wechselwirkungseffekte werden meist erst bei tiefen Temperaturen<br />
beobachtet, da die thermische Energie, die jeder Art von Ordnung entgegenwirkt,<br />
hier reduziert ist. Moderne experimentelle <strong>Festkörperphysik</strong> ist daher oft Tieftemperaturphysik.<br />
Die theoretische Beschreibung eines Ensembles wechselwirkender Teilchen, die sog.<br />
Vielteilchenphysik, stellt eine der bedeutendsten Herausforderungen der modernen Physik<br />
dar. Da die Anzahl der zu beschreibenden ” Teilchen“ im Festkörper gigantisch ist (von der<br />
Größenordnung der Avogadrozahl NA ≈ 6×10 23 mol −1 ), ist eine exakte quantenmechanische<br />
iii