02.03.2013 Aufrufe

Silicat- und Oxidkeramik Skript zur Vorlesung

Silicat- und Oxidkeramik Skript zur Vorlesung

Silicat- und Oxidkeramik Skript zur Vorlesung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Silicat</strong>- <strong>und</strong> <strong>Oxidkeramik</strong><br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong><br />

Prof. Christian Rüssel<br />

Otto-Schott-Institut<br />

Universität Jena<br />

1


Inhalt<br />

1. Einführung -4-<br />

1.1. Einteilung Nichtmetallische Anorganische Werkstoffe -4-<br />

1.2. Einteilung Keramik -6-<br />

1.2.1. Einteilung nach chemischen Kriterien -6-<br />

1.2.2. Einteilung nach Verwendungszweck -7-<br />

1.3. Allgemeine Herstellungsverfahren für Keramik -8-<br />

2. Allgemeine Eigenschaften von Keramiken -9-<br />

3. <strong>Silicat</strong>ische Rohstoffe <strong>zur</strong> Keramikherstellung -14-<br />

3.1. Zusammensetzung der Erdkruste -14-<br />

3.2. Natürliche silicatische Rohstoffe -15-<br />

3.2.1. Inselsilicate -15-<br />

3.2.2. Gruppensilicate -15-<br />

3.2.3. Ketten- <strong>und</strong> Bändersilicate -16-<br />

3.2.4. Blattsilicate -16-<br />

3.2.5. Gerüstsilicate -18-<br />

4. Formgebungsverfahren -24-<br />

4.1. Aufbereitung -24-<br />

4.2. Allgemeines <strong>zur</strong> Formgebung -25-<br />

4.3. Schlickergießen -26-<br />

4.4. Pressen -26-<br />

4.5. weitere Verfahren -27-<br />

5. Herstellung von Porzellan -27-<br />

5.1. Keramische Masse -27-<br />

5.2. Trocknen -28-<br />

5.3. Brennen -32-<br />

5.3.1. Sintern von kristallinen Phasen -33-<br />

5.3.2. Sintern einer nichtkristallinen Phase -34-<br />

5.3.3. Sintern unter Auftreten fester <strong>und</strong> flüssiger Phasen -35-<br />

2


5.4. Abwandlungen beim Werkstoff Porzellan -36-<br />

6. Elektrokeramik -38-<br />

6.1. Isolationskeramik -38-<br />

6.1.1. Isolatoren aus <strong>Silicat</strong>keramik -38-<br />

6.1.2. Aluminiumoxid als Isolationskeramik -41-<br />

6.1.3 weitere Substratmaterialien -45-<br />

6.2. Kondensatorkeramik -49-<br />

6.2.1. Allgemeines über Kondensatoren -49-<br />

6.2.2. Polarisationsmechanismen -51-<br />

6.2.3. Ferroelektrizität -52-<br />

6.2.4. Typ I – Kondensatoren -57-<br />

6.2.5. Typ II – Kondensatoren -58-<br />

6.2.6. Typ III – Kondensatoren -61-<br />

6.3. Piezokeramik -63-<br />

6.3.1. Der Piezoeffekt -63-<br />

6.3.2. Piezoelektrische Werkstoffe -66-<br />

6.3.3. Bleizirkonattitanat -67-<br />

6.3.4. Herstellung von Bleizirkonattitanatkeramik -69-<br />

6.3.5. weitere Piezokeramiken -73-<br />

6.3.6. Anwendungen von Piezokeramiken -75-<br />

3


1. Einführung<br />

1.1. Einteilung Nichtmetallische Anorganische Werkstoffe<br />

Nichtmetallisch Anorganische Werkstoffe werden aufgr<strong>und</strong> ihrer Kristallinität<br />

unterschieden<br />

1. Einkristalline Werkstoffe<br />

2. Polykristalline Werkstoffe<br />

3. Amorphe Werkstoffe<br />

Einkristalline Werkstoffe sind von stark wachsender Bedeutung.<br />

1. Halbleiter: Si, Ga, As, InP, SiC etc.<br />

2. Diamant, kubisches Bornitrid<br />

3. Oxide : Al2O3, ZrO2, LiNbO3<br />

4. Chalcogenide: ZnSe etc.<br />

5. Halogenide : NaCl, CaF2<br />

Halbleiter werden vorwiegend in der Elektrotechnik verwendet. Neben Silicium sind<br />

auch Galliumarsenid <strong>und</strong> SiC (aufgr<strong>und</strong> der hohen Temperaturstabilität) von<br />

wachsender Bedeutung. Diamant <strong>und</strong> kubisches Bornitrid werden u. a. als Schleif-<br />

<strong>und</strong> Poliermittel, ZnSe für Infrarot-Optiken, CaF2 für UV-Optiken verwendet.<br />

Amorphe Nichtmetallische Anorganische Werkstoffe sind neben oxidischen <strong>und</strong><br />

nichtoxidischen Gläsern auch amorphe Halbleiter.<br />

Polykristalline Werkstoffe werden aufgr<strong>und</strong> ihres Herstellungsprozesses<br />

unterschieden:<br />

1. Keramiken<br />

2. Glaskeramiken<br />

3. Bindemittel<br />

4


Bei der Herstellung von Glaskeramik wird zunächst ein Glas erschmolzen <strong>und</strong> dieses<br />

durch nachträgliche Temperung kristallisiert.<br />

Bei der Herstellung von Bindemitteln (Gips, Mörtel, Beton etc.) erfolgt zunächst eine<br />

Temperaturbehandlung (z. B. Brennen von Kalk: CaCO3 CO2 + CaO),<br />

anschließend die Zugabe von Wasser <strong>und</strong> dann die Formgebung. Die Zugabe von<br />

Wasser führt zum Abbinden, was mit Verfestigung verb<strong>und</strong>en ist. Die<br />

Temperaturbehandlung erfolgt somit vor der Formgebung.<br />

Keramik wird meist über einen Sinterprozess hergestellt, die Formgebung erfolgt<br />

nach der Temperaturbehandlung.<br />

Zur Keramik gehören alle nichtmetallisch anorganischen, weitgehend<br />

wasserbeständigen, zum großen Teil (wenigstens 30 %) oder ganz kristallisierten<br />

Stoffe oder Stoffgemische, wenn diese auf entsprechend hoher Temperatur erhitzt<br />

wurden oder bei Gebrauch erhitzt werden.<br />

Keramische Werkstoffe enthalten neben kristallinen Phasen oft auch Glasphase. Der<br />

Anteil der kristallinen Phase (≥ 30 %) stellt eine Abgrenzung zu den Emails dar.<br />

Der englische Begriff „Ceramics“ ist mit Keramik nicht deckungsgleich, sondern<br />

umfassender. Unter „Ceramics“ wird auch Glas, Glaskeramik <strong>und</strong> Emails verstanden.<br />

5


1.2. Einteilung Keramik<br />

1.2.1. Einteilung nach chemischen Kriterien<br />

Alle Keramiken, die SiO2 enthalten werden als <strong>Silicat</strong>keramiken bezeichnet.<br />

Alle Keramiken, die kein SiO2 enthalten <strong>und</strong> ausschließlich oxidisch sind, werden als<br />

<strong>Oxidkeramik</strong>en bezeichnet.<br />

Enthalten Keramiken als elektronegativen Bestandteil nicht nur Sauerstoff, sondern<br />

auch beispielsweise Kohlenstoff oder Stickstoff, werden sie als Nichtoxidkeramiken<br />

bezeichnet.<br />

Zu den <strong>Silicat</strong>keramiken gehören beispielsweise:<br />

Porzellan, Steinzeug, Steatit, Mullit, Cordierit<br />

sowie die meisten Feuerfestmaterialien<br />

Zu den <strong>Oxidkeramik</strong>en gehören u. a.:<br />

Aluminiumoxid, Zirkonoxid, Bariumtitanat, Bleizirkonattitanat, Ferrite, Zinkoxid<br />

Zu den Nichtoxidkeramiken gehören:<br />

Siliciumcarbid, Siliciumnitrid, Aluminiumnitrid, Bornitrid, Titanborid<br />

<strong>und</strong> Molybdänsilicid<br />

Hartstoffe, wie TiC, TiN oder Wolframcarbid werden auch Hartmetalle genannt <strong>und</strong><br />

bilden eine gewisse Grauzone zu den Metallen.<br />

6


1.2.2. Einteilung nach Verwendungszweck<br />

Bei der Einteilung nach Verwendungszweck sind völlige andere Kriterien<br />

maßgeblich, beispielsweise ist hier Aluminiumoxid bei der Elektrokeramik,<br />

Biokeramik, Chemokeramik, Thermo- <strong>und</strong> Mechanokeramik zu nennen.<br />

1. Geschirr- <strong>und</strong> Zierkeramik Porzellan<br />

2. Baukeramik Ziegel, Bodenplatten, Steinzeugrohre<br />

3. Elektrokeramik<br />

Isolatoren Porzellan, Steatit, Al2O3, AlN, BeO<br />

Kondensatoren Steatit, TiO2, BaTiO3<br />

Piezokeramik Bleizirkonattitanat, LiNbO3<br />

keram. Widerstände BaTiO3, TiO2<br />

Ionenleiter ZrO2, ß-Al2O3, Nasicon<br />

Varistoren ZnO<br />

4. Magnetokeramik Ferrite<br />

5. Biokeramik Al2O3, ZrO2, Phosphate<br />

6. Chemokeramik Porzellan, Al2O3, SiC, Si3N4<br />

7. Thermokeramik Feuerfestmaterialien (<strong>Silicat</strong>e bis SiC)<br />

8. Mechanokeramik Al2O3, SiC, Si3N4<br />

9. Optokeramik -<br />

<strong>Silicat</strong>keramik kann beispielsweise als Geschirr- <strong>und</strong> Zierkeramik, Baukeramik,<br />

Elektrokeramik, Biokeramik, Chemokeramik <strong>und</strong> Thermokeramik verwendet werden.<br />

7


1.3. Allgemeine Herstellungsverfahren für Keramik<br />

Die meisten keramischen Produkte werden an Pulvern hergestellt. Aus den Pulvern<br />

wird eine formbare Masse (z. B. knetbar oder gießbar) erzeugt. Hierzu wird der<br />

gewünschte Körper geformt, dessen Rohfestigkeit so hoch ist, dass er gehandhabt<br />

werden kann. Seine endgültige Festigkeit erhält er dann in einem nachfolgenden<br />

Brennprozess.<br />

Rohstoff (Pulver<br />

<br />

Masseaufbereitung<br />

<br />

Formgebung<br />

<br />

Sintern<br />

<br />

Endbearbeitung<br />

8


2. Allgemeine Eigenschaften von Keramiken<br />

Keramiken unterscheiden sich von Polymeren <strong>und</strong> Metallen primär durch die Art der<br />

chemischen Bindung.<br />

Organische Polymere besitzen primär Kettenstrukturen, die u. a. aus C – C –<br />

Bindungen aufgebaut sind; die Ketten sind meist nur wenig miteinander vernetzt.<br />

Keramiken bestehen aus oxidischen oder nichtoxidischen Phasen, die Bindungen<br />

sind kovalent, besitzen aber insbesondere im Fall der <strong>Silicat</strong>keramiken erheblichen<br />

Ionenbindungsanteil. Allerdings sind auch bei <strong>Silicat</strong>keramiken die gebildeten<br />

Strukturen hochvernetzt.<br />

Hieraus sind allgemeine Eigenschaften von Keramiken im Vergleich zu Metallen im<br />

wesentlichen ableitbar:<br />

- hohe Härte<br />

- hohe Festigkeit<br />

- hohe Hochtemperaturfestigkeit<br />

- hohe Korrosionsbeständigkeit<br />

- hohe Verschleißfestigkeit<br />

- niedrige Dichte<br />

- niedriger thermischer Ausdehnungskoeffizient<br />

- niedrige Wärmeleitfähigkeit<br />

- niedrige elektrische Leitfähigkeit<br />

Die hohe Korrosionsbeständigkeit ist primär darauf <strong>zur</strong>ückzuführen, dass in ihnen<br />

Metalle bereits in hohen Oxidationsstufen vorliegen. Die Aufstellung gibt nur eine<br />

allgemeine Tendenz wider, die von speziellen Keramiken durchbrochen wird. Als<br />

Beispiele seien keramische Supraleiter (höchste elektrische Leitfähigkeit), die<br />

Wärmeleitfähigkeit von Berylliumoxid (mit 360 W / (m . K) höher als von Aluminium<br />

oder die hohe Dichte von Zirkonoxidkeramik (≈ 6 g / cm 3 ) genannt.<br />

9


Abbildung 2.1. zeigt die Biegefestigkeit heißgepresster Siliciumnitrid- (HP – Si3N4)<br />

<strong>und</strong> Siliciumcarbidkeramiken als Funktion der Temperatur im Vergleich zu<br />

Superlegierungen höchster Festigkeit. Während bei letzteren die<br />

Raumtemperaturfestigkeit mit Werten > 1 GPa wesentlich höher liegt als bei den<br />

Keramiken, sinkt sie mit steigender Temperatur rasch ab, bis ab etwa 800 – 900 °C<br />

die Festigkeit der Keramiken weit höher liegt. Bis über 1000 °C fällt die Festigkeit<br />

dieser beiden Keramiken kaum ab.<br />

Abb. 2.1. Biegefestigkeit einer Superlegierung im Vergleich zu heißgepressten<br />

Siliciumnitrid <strong>und</strong> Siliciumcarbid.<br />

Abb. 2.2. zeigt die Härte einiger Keramiken im Vergleich zu Metallen. Borcarbid, die<br />

härteste aller Keramiken (nach Diamant <strong>und</strong> kubischem Bornitrid der härteste Stoff)<br />

besitzt die etwa 30fache Härte von austenitischen Stahl. Auch Siliciumcarbid <strong>und</strong><br />

Aluminiumoxid liegt noch wesentlich über Hartmetallen <strong>und</strong> oberflächenvergüteten<br />

Stählen.<br />

10


Abb. 2.2. Härte einiger Keramiken im Vergleich zu Metallen<br />

Die Dichte einiger Keramiken im Vergleich zu Metallen ist in Abb. 2.3. gezeigt.<br />

Siliciumnitridkeramiken (RBSN <strong>und</strong> HPSN), sowie Siliciumcarbidkeramiken liegen mit<br />

Dichten < 4 g / cm³ um mehr als den Faktor zwei unterhalb von Stahl <strong>und</strong> erreichen<br />

nur ein Viertel des Wertes von Hartmetallen.<br />

Abb. 2.3. Dichte von Keramiken im Vergleich zu Metallen.<br />

11


Abb. 2.4. zeigt lineare Ausdehnungskoeffizienten verschiedener Keramiken.<br />

Während der Ausdehnungskoeffizient von Al2TiO5 bei etwa 2 . 10 -6 K -1 liegt, haben<br />

andere Keramiken wie Si3N4 oder SiC Ausdehnungskoeffizienten um 4 . 10 -6 K -1 .<br />

Typische Werte für Metalle liegen zwischen 10 <strong>und</strong> 15 . 10 -6 K -1 .<br />

Abb. 2.4. Thermische Ausdehnungskoeffizienten einiger Keramiken in Vergleich<br />

zu Metallen.<br />

Abb. 2.5. zeigt Wärmeleitfähigkeiten einiger Keramiken im Vergleich zu Metallen.<br />

Während der Wärmeleitfähigkeiten von ZrO2-Keramik bei etwa 3 W / (m . K) liegt,<br />

erreichen SiC-Keramiken Werte > 100 W / (m . K). Es sein angemerkt, dass<br />

Aluminiumnitridkeramiken (theoretisch: 320 W / (m . K)) <strong>und</strong> Beryllliumoxid ( 360 W /<br />

(m . K)) nahezu ebenso hohe Wärmeleitfähigkeiten besitzen wir Kupfer (400 W / (m .<br />

K)).<br />

12


Abb. 2.5. Wärmeleitfähigkeiten einiger Keramiken im Vergleich mit Metallen.<br />

Die Eigenschaften von Keramiken hängen ganz wesentlich von ihrem Gefügeaufbau<br />

<strong>und</strong> somit von der Herstellungstechnologie ab. Dies sei in Abb. 2.6. anhand von drei<br />

verschiedenen Siliciumnitridkeramiken gezeigt (HPSN: heißgepresstes Siliciumnitrid,<br />

SSN: gesintertes Siliciumnitrid, RBSN: reaktionsgeb<strong>und</strong>enes Siliciumnitrid).<br />

Abb. 2.6. Festigkeiten einiger Siliciumnitridkeramiken<br />

13


3. <strong>Silicat</strong>ische Rohstoffe <strong>zur</strong> Keramikherstellung<br />

3.1. Zusammensetzung der Erdkruste<br />

Tab. 3.1. Zusammensetzung der Erdkruste im Vergleich zu Tonmineralien<br />

Erdkruste in Ma % Tonmineralien in Ma %<br />

SiO2 59,1 58,9<br />

Al2O3 15,2 16,7<br />

Fe2O3 3,1 2,8<br />

FeO 3,7 3,7<br />

MgO 3,45 2,6<br />

CaO 5,10 2,2<br />

Na2O 3,71 1,6<br />

K2O 3,11 3,6<br />

H2O 1,30 5,0<br />

TiO2 1,03 0,7<br />

Tabelle 3.1. zeigt die mittlere Zusammensetzung der Erdkruste im Vergleich zu einer<br />

typischen Zusammensetzung eines Tonminerals. Wie man sieht, ist die<br />

Zusammensetzung weitgehend identisch (± 2 %), der prozentual höchste Anteil<br />

entfällt auf SiO2, gefolgt von Al2O3.<br />

14


3.2. Natürliche silicatische Rohstoffe<br />

<strong>Silicat</strong>ische Mineralien sind aus SiO4 – Tetraedern aufgebaut. Die Si – O Bindung<br />

besitzt einen Ionenbindungsanteil von ca. 50 %. Die Si – O Bindungslänge beträgt<br />

0,163 ± 0,003 nm. Die Strukturen von silicatischen Mineralien werden aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

Verknüpfungen miteinander unterschieden. Die Verknüpfungen erfolgen fast<br />

ausschließlich über die Ecken (nicht über Kanten oder Flächen).<br />

3.2.1. Inselsilicate<br />

Die<br />

4<br />

SiO4 − - Tetraeder sind isoliert voneinander, d. h. sind nicht miteinander verknüpft,<br />

sondern über Kationen miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />

Beispiele: Zirkon ZrSiO4<br />

3.2.2. Gruppensilicate<br />

Forsterit Mg2SiO4 – Oliin (Mg,Fe)2SiO4 – Fayalit Fe2SiO4<br />

Die SiO4 – Tetraeder sind über eine Ecke miteinander ([Si2O7] 6- ) oder aber über zwei<br />

Ecken zu Ringen miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />

Beispiel: Berryll Al2Be3[Si6O18].<br />

Abb. 3.1.: Insel- <strong>und</strong> Gruppensilicate<br />

15


3.2.3. Ketten- <strong>und</strong> Bändersilicate<br />

Bei Kettensilicaten ist jeder SiO4 – Tetraeder über zwei Ecken mit weiteren SiO4 –<br />

Tetraedern verb<strong>und</strong>en, ohne jedoch Ringstrukturen auszubilden. Beispiele hierfür<br />

sind Enstatit Mg2[Si2O6] <strong>und</strong> Ferrosilit Fe2[Si2O6] sowie Mischkristalle hiervon. Diese<br />

Mineralien gehören beide zu den Pyroxenen. Weitere Beispiele sind Diopsit<br />

CaMg[Si2O6] <strong>und</strong> Wollastonit Ca2[Si2O6].<br />

Bei Bändersilicaten ist im Mittel jeder SiO4 – Tetraeder mit 2.5 weiteren verb<strong>und</strong>en.<br />

Hierdurch bilden sich Ringstrukturen aus 6 SiO4 – Tetraedern aus. Die Bandstruktur<br />

entspricht zwei parallelen miteinander verb<strong>und</strong>enen Kettenstrukturen. Beispiele für<br />

Bändersilicate sind Amphibole z. B. Tremolit Ca2Mg3[Si4O11].<br />

Abb. 3.2. links: Kettensilicat; rechts: Bändersilicat.<br />

3.2.4. Blattsilicate<br />

Bei Blattsilicaten ist jeder SiO4 – Tetraeder mit drei weiteren verb<strong>und</strong>en. Diese<br />

Struktur entspricht der von miteinander verb<strong>und</strong>enen Ketten, die so eine<br />

zweidimensional unendliche Struktur ausbilden.<br />

16


Ein Beispiel hierfür ist Talk Mg(OH)3[Si4O10]. Daneben besitzen zahlreiche<br />

Alumosilicate Blattstruktur, wie beispielsweise Kaolinit Al2O3 . 2 SiO2 . 2 H2O oder<br />

Glimmer. Hierbei sind die SiO4 – Tetraeder zum Teil durch AlO4 – Tetraeder ersetzt.<br />

Abb. 3.3. Zweidimensional unendliche Struktur der Blattsilicate<br />

Bei den Tonmineralien wird zwischen Zweischicht- <strong>und</strong> Dreischichtmineralien<br />

unterschieden. Zweischichtmineralien bestehen aus zweidimensional unendlichen<br />

Tetraederschichten, deren Spitze alle in dieselbe Richtung weisen (in Abb. 3.4. nach<br />

unten). Die Sauerstoffatome der Spitzen sind in eine darunter liegenden<br />

Oktaederschicht mit einbezogen. Bei den Dreischichtmineralien ist unterhalb der<br />

Oktaederschicht eine weitere Tetraederschicht angeordnet, die mit der Spitze nach<br />

oben zeigt.<br />

17


Abb. 3.4. links: Struktur eines Zweischichtminerals; rechts: Struktur eines<br />

Dreischichtminerals<br />

Beispiele für Dreischichtmineralien sind Montmorillonit Al2O3 . 4 SiO2 . H2O. Im<br />

Gegensatz zu Kaolinit kann dieser nahezu beliebige Mengen Wasser zwischen den<br />

Schichten einlagern. Glimmer wie Muskovit K2O . 3 Al2O3 . 6 SiO2 . H2O oder Biotit<br />

K2O . 6 MgO . Al2O3 . 6 SiO2 . 2 H2O sind ebenfalls Dreischichtmineralien. Zwischen<br />

den Schichtpaketen werden Alkalien eingebaut.<br />

3.2.5. Gerüstsilicate<br />

Bei Gerüstsilicaten ist jeder SiO4 – Tetraeder mit vier weiteren verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bildet<br />

somit eine dreidimensionale Struktur aus. Die hierbei gebildeten Strukturen<br />

entsprechen denen der SiO2 – Modifikationen Quarz, Tridymit <strong>und</strong> Cristobalit, die<br />

jeweils in einer Hoch- <strong>und</strong> einer Tieftemperaturmodifikation auftreten.<br />

18


Abb. 3.5. Hochquarz – Struktur (hexagonal)<br />

Abb. 3.6. Hochtridymit – Struktur (hexagonal)<br />

19


Abb. 3.7. Hochcristobalit – Struktur (kubisch)<br />

Die Phasenumwandlung von den jeweiligen Tief- in die Hochtemperatur-<br />

modifikationen erfolgt sehr rasch, da nur geringe displazive Umwandlungen<br />

notwendig sind. Dies ist in Abb. 3.8. exemplarisch für Hoch- <strong>und</strong> Tiefquarz (trigonal)<br />

gezeigt.<br />

20


Abb. 3.8. links: Hochquarz (β – Quarz); rechts: Tiefquarz (α - Quarz)<br />

Die Umwandlung von Quarz in Tridymit <strong>und</strong> Cristobalit ist mit einer tiefgreifenden<br />

Strukturänderung verb<strong>und</strong>en. Hierzu ist die Trennung von chemischen Bindungen<br />

<strong>und</strong> die Knüpfung neuer Bindungen notwendig. Oftmals treten die<br />

Phasenumwandlungen beim Aufheizen stark verzögert <strong>und</strong> beim Abkühlen gar nicht<br />

auf. Quarz wird fast nie durch Umwandlung von Cristobalit oder Tridymit erhalten.<br />

Abb. 3.9. zeigt ein Phasendiagramm (P – T – Diagramm) von SiO2 mit den<br />

thermodynamisch stabilen Modifikationen. Es sei darauf hingewiesen, dass bei<br />

hohem Druck weitere Modifikationen, Keatit, Coesit <strong>und</strong> Stishovit stabil sind.<br />

21


Abb. 3.9. P – T – Diagramm von SiO2<br />

In Abb. 3.10. sind die Umwandlungstemperaturen der SiO2 – Modifikationen gezeigt.<br />

Die Umwandlungen von β - Quarz in Tridymit erfolgt bei reinem SiO2 nicht.<br />

Stattdessen wandelt sich β - Quarz bei höheren Temperaturen direkt in Cristobalit<br />

um. Beim raschen Abkühlen der Schmelze erfolgt keine Kristallisation <strong>und</strong> es wird<br />

Kieselglas gebildet.<br />

22


Abb. 3.10. SiO2 – Modifikationen unter Normaldruck<br />

Die displaziven Umwandlungen der jeweiligen Hochtemperatur- in die<br />

Tieftemperaturmodifikation ist mit erheblichen Volumenänderungen verb<strong>und</strong>en. Bei<br />

Quarz beträgt diese 0.8 % (bei 573 °C). Dies wird als „Quarzsprung“ bezeichnet <strong>und</strong><br />

führt oftmals zu ausgepräten Gefügeverspannungen. Bei Cristobalit ist dieser<br />

Volumensprung mit 2.8 % noch weit größer. Wird SiO2 durch Kristallisation in β -<br />

Cristobalit überführt, tritt beim Abkühlen bei 270 °C die Umwandlung in α - Cristobalit<br />

ein. Die hohe Volumenänderung führt zu großen inneren Spannungen <strong>und</strong> <strong>zur</strong><br />

Zerstörung des Werkstückes.<br />

23


Abb. 3.11. Volumen der SiO2 – Modifikationen als Funktion der Temperatur<br />

Auch bei den Gerüstsilicaten können SiO4 – durch AlO4 – Tetraeder ersetzt werden.<br />

Hierbei trägt der AlO4 – Tetraeder eine negative Ladung, die durch Anwesenheit<br />

eines Kations kompensiert werden muss. Beispiele hierfür sind Feldspäte NaAlSi3O8<br />

(Albit), KAlSi3O8 <strong>und</strong> CaAl2Si2O8 (Anorthit).<br />

4. Formgebungsverfahren<br />

4.1. Aufbereitung<br />

Keramische Rohstoffe müssen aufbereitet werden um eine keramische Masse<br />

herzustellen, die für den späteren Formgebungsprozess optimal geeignet ist.<br />

Die Hauptforderung ist hierbei zunächst die Homogenität. Hierunter ist zu verstehen:<br />

- homogene Verteilung der Versatzkomponenten<br />

- homogene Verteilung der Korngrößen<br />

- homogene Verteilung der Feuchtigkeit <strong>und</strong>/oder Additiven.<br />

Zur Aufbereitung von Rohstoffen gehört grobes Zerkleinern, Trocken- oder<br />

Feuchtmahlen. Oftmals schließt sich hierbei eine Klassierung beispielsweise durch<br />

24


Windsichten an. Plastische Rohstoffe wie Kaolin werden meist in feuchtem Zustand<br />

verarbeitet.<br />

Bei der ausschließlichen Verwendung nicht plastischer (auch synthetischer)<br />

Rohstoffe werden vielfach organische Additive verwendet, die gewährleisten sollen,<br />

dass die geformte Masse handhabbar ist.<br />

4.2. Allgemeines <strong>zur</strong> Formgebung<br />

Hierbei soll die keramische Masse in eine Form gebracht werden, die dem späteren<br />

Bauteil bzw. Produkt entspricht. Hierbei ist die Schwindung beim ansschließenden<br />

Trocknen <strong>und</strong> Sintern zu berücksichtigen. Entsprechend der Geometrie der<br />

herzustellenden Form wird das Formgebungsverfahren gewählt. Eine Übersicht über<br />

verschiedene Formgebungsverfahren ist in Tab. 4.1. gegeben.<br />

Tab. 4.1. Übersicht über gängige Formgebungsverfahren<br />

Hohlkörper mit gleichmäßiger<br />

Wandstärke<br />

Körper beliebig komplizierter<br />

Geometrie<br />

Typisches Produkt Verfahren<br />

Kaffeekannen Hohlguss<br />

Sanitärkeramik Vollguss<br />

kleine Teile aus <strong>Oxidkeramik</strong> Fadenführer Spritzguss<br />

Rotationssymmetrische Vollkörper Langstabisolatoren Abdrehen<br />

Rotationssymmetrische Körper<br />

geringer Wandstärke<br />

Tassen, Teller Ein- <strong>und</strong> Überdrehen<br />

plattenförmiger Körper Fliesen, Teller Trockenpressen<br />

Teile gleichmäßigen Querschnitts Mauerziegel, Rohre,<br />

komplizierte Körper auf<br />

Bohrungen, Gewinden etc.<br />

Stäbe<br />

Formteile für die<br />

Elektrotechnik<br />

25<br />

Strangpressen<br />

Feuchtpressen<br />

kleine Teile hoher Homogenität isostatisches<br />

Pressen<br />

große geometrisch einfache Teile Feuerfeste Steine Einstampfen


4.3. Schlickergießen<br />

Beim Schlickergießen wird eine gießbare wässrige Suspension (Schlicker) in eine<br />

Gipsform gegossen. Durch die Porosität der Gipsform wird dem Schlickern Wasser<br />

entzogen. Dieser verfestigt sich <strong>und</strong> setzt sich auf der Gipsform ab. Die Schichtdicke<br />

des „Scherbens“ wächst mit der Zeit.<br />

Da dieser Vorgang diffusionskontrolliert ist (geschwindigkeitsbestimmend ist die<br />

Diffusion von Wasser durch den wachsenden „Scherben“) wächst die Dicke des<br />

Scherbens mit der Wurzel aus der Zeit.<br />

Beim Hohlguss wird der nach Erreichen der gewünschten Wandstärke der Schlicker<br />

wieder ausgegossen. Beim Antrocknen schwindet der Scherben von der Form ab<br />

<strong>und</strong> löst sich. Beim Vollguss wird laufend Schlicker nachgegossen damit schließlich<br />

ein massives Werkstück erhalten werden kann.<br />

Beim traditionellen Schlickerguss <strong>zur</strong> Herstellung von <strong>Silicat</strong>keramik (meist<br />

Porzellan) wird ein wässriger Schlicker mit ca. 25 % Wasserzusatz verwendet. Beim<br />

Schlickerguss <strong>zur</strong> Herstellung von Oxid- oder Nichtoxidkeramiken werden zahlreiche<br />

organische Additive verwendet. Ein Spezialverfahren wird hier bei der Herstellung<br />

von Substraten für die Elektrotechnik (doktor – blade – Verfahren) angewandt.<br />

4.4. Pressen<br />

Pressen ist ein Formgebungsverfahren, bei dem Pulver unter Druck verdichtet wird.<br />

Man unterscheidet hier zwischen Nasspressen (8 – 15 % Wasser) <strong>und</strong><br />

Trockenpressen (0 – 4 % Wasser). Zur Verminderung der Reibung am<br />

Presswerkzeug wird der Masse oftmals etwas Mineralöl zugegeben. Eine<br />

gleichmäßige Druckverteilung ist hier Voraussetzung für eine gleichmäßige<br />

Verdichtung. Beim isostatischen Pressen wird das Pulver in eine Kautschukform<br />

gefüllt <strong>und</strong> anschließend in einen mit Öl gefüllten Druckbehälter eingebracht.<br />

Hierdurch wird ein von allen Seiten gleichmäßiger Pressdruck erzeugt.<br />

26


Beim Strangpressen verwendet man einen Extruder, der die keramische Masse<br />

durch ein Formstück drückt. Auf diese Weise werden Mauerziegel, Rohre <strong>und</strong><br />

Stangen hergestellt. Bei der Verwendung nichtplastischer Rohstoffe sind größere<br />

Mengen an organischen Additiven erforderlich.<br />

Noch höhere Konzentrationen an organischen Additiven (Thermoplasten) werden<br />

beim Spritzguss verwendet. Hier wird die keramische Masse unter hohem Druck in<br />

eine Stahlform gespritzt. Der Rohling muss anschließend sorgfältig getrocknet <strong>und</strong><br />

von organischen Bestandteilen befreit werden.<br />

4.5. weitere Verfahren<br />

Zur Herstellung von Langstabisolatoren wird ein dicker zylinderförmiger Körper<br />

(Hubel) durch Strangpressen hergestellt. Nach dem Antrocknen wird ein lederharter<br />

Zustand erreicht. Dann wird der Hubel auf einer Drehbank ähnlichen Maschine quasi<br />

spanabhebend bearbeitet <strong>und</strong> ein rotationssymmetrischer Rohling hergestellt. Dieses<br />

Verfahren nennt man Abdrehen.<br />

Heißpressen <strong>und</strong> Heißisostatisches Pressen sind keine Formgebungsverfahren im<br />

engeren Sinne, da sie bei Temperaturen durchgeführt werden, bei denen<br />

Verdichtung durch Sinterprozesse erfolgt.<br />

5. Herstellung von Porzellan<br />

5.1. Keramische Masse<br />

Bei der Herstellung von Porzellan wie auch bei allen anderen <strong>Silicat</strong>keramiken geht<br />

man von natürlichen Rohstoffen aus.<br />

Bei Hartporzellan sind dies:<br />

25 % Quarz (Sand), 25 % Feldspat, 50 % Kaolin.<br />

Die Rohstoffe werden aufbereitet <strong>und</strong> mit der für das jeweilige<br />

Formgebungsverfahren erforderlichen Menge Wasser angerührt. Der strukturelle<br />

27


Aufbau des Kaolinits verleiht diesem plastische Eigenschaften. Nach der<br />

Formgebung erfolgt die Trocknung.<br />

5.2. Trocknen<br />

Wasser liegt in keramischen Massen in verschiedener, unterschiedlich stark<br />

geb<strong>und</strong>ener Form vor.<br />

1. Hüllenwasser<br />

Die einzelnen Kaolinitplättchen werden von einer Wasserhülle<br />

umgeben.<br />

2. Porenwasser<br />

Dieses befindet sich zwischen den Kaolinitplättchen bzw. in den Poren<br />

zwischen den Pulverpartikeln.<br />

3. Adsorptionswasser<br />

Dies ist das unmittelbar an der Oberfläche der Teilchen adsorbierte<br />

Wasser.<br />

4. Zwischenschichtwasser<br />

Tritt nur bei Dreischichtmineralien auf (siehe Kap. 3.2.4.)<br />

5. Kristallwasser<br />

Die Kristallstruktur von Tonmineralien (beispielsweise Kaolinit) enthält<br />

Wasser in geb<strong>und</strong>ener Form als OH - - Gruppen.<br />

Abb. 5.1. zeigt thermogravimetrische Analysen verschiedener Schichtmineralien.<br />

28


Abb. 5.1. 1: Montmorillonit, 2: Halloysit, 3: Illit, 4: Fire Clay, 5: Kaolinit, 6: Illit,<br />

7: Muskovit.<br />

Bei allen Tonmineralien ist eine Gewichtsabnahme bei ca. 100 °C zu verzeichnen,<br />

dies entspricht dem Entweichen von Hüllen- <strong>und</strong> Porenwasser. Weiterhin ist eine<br />

Gewichtsabnahme bei hoher Temperatur zu verzeichnen (400 – 900 °C), die stark<br />

abhängig vom jeweiligen Tonmineral ist. Muskovit ist kein Tonmineral sondern ein<br />

Glimmer.<br />

Bei Montmorillonit als Dreischichtmineral ist der Gewichtsverlust bei 100 °C<br />

besonders ausgeprägt, da zusätzlich zum Hüllen- <strong>und</strong> Porenwasser auch das<br />

Zwischenschichtwasser entweicht.<br />

Abb. 5.2. zeigt Differenzthermoanalysen einiger Schichtmineralien. Bei ca. 100 °C ist<br />

ein starker endothermer Peak zu verzeichnen, der dem Entweichen von Hüllen-,<br />

Poren-, <strong>und</strong> Zwischenschichtwasser entspricht. Weitere endotherme Vorgänge, die<br />

mit dem Entweichen von Wasser verb<strong>und</strong>en sind, finden bei höherer Temperatur<br />

statt. Bei einigen Mineralien treten bei noch höherer Temperatur exotherme Peaks<br />

auf, die der Umwandlung von thermodynamisch instabilen Phasen entsprechen<br />

29


(Phasenumwandlungen bei währendem Gleichgewicht sind beim Aufheizen immer<br />

endotherm !)<br />

Abb. 5.2. Differenzthermoanalysen einiger Schichtmineralien<br />

Beim in der keramischen Technologie angewandten Trocknungsprozess werden<br />

Hüllen-, Poren- <strong>und</strong> Zwischenschichtwasser entfernt, nicht jedoch das<br />

Adsorptionswasser, (nötige Temperaturen > 300 °C) <strong>und</strong> das Kristallwasser. Von<br />

besonderer Bedeutung ist die Entfernung des Hüllenwassers, da dies zu einer<br />

Volumenkontraktion des Wasserfilms zwischen den Tonmineralteilchen führt <strong>und</strong><br />

diese stärker zusammenrücken können.<br />

Abb. 5.3. zeigt ein sogenanntes Bourry – Diagramm für die Trocknung von<br />

Tonmineralien. Es lassen sich drei Abschnitte erkennen. In Abschnitt I wird<br />

ausschließlich Hüllenwasser abgegeben. Die Volumenabnahme entspricht der<br />

abgegebenen Wassermenge. In Abschnitt II, verläuft die Schwindung nicht mehr<br />

proportional <strong>zur</strong> Wasserabgabe, es bilden sich somit bereits Poren. In Abschnitt III ist<br />

das Hüllenwasser bereits vollständig abgegeben, es tritt keine weitere Schwindung<br />

ein, aber es entweichen noch größere Mengen an Porenwasser.<br />

30


Abb. 5.3. Bourry – Diagramm<br />

Die kritischen Phasen der Trocknung sind nur die Abschnitte I <strong>und</strong> II, da nur diese<br />

mit Schwindung verb<strong>und</strong>en sind. Ungleichmäßige Trocknung führt zu<br />

ungleichmäßiger Schwindung, dem Auftreten von Spannungen <strong>und</strong> schließlich <strong>zur</strong><br />

Bildung von Rissen. Der Trocknungsprozess muss daher so geführt werden, dass<br />

die Wasserabgabe <strong>und</strong> die Schwindung im ganzen Volumen gleichmäßig erfolgt. Um<br />

dies zu Erreichen, können die Trocknungsparameter Temperatur <strong>und</strong> Luftfeuchtigkeit<br />

wie folgt gesteuert werden: eine höhere Temperatur beschleunigt sowohl die<br />

Diffusion des Wassers im Trockengut als auch die Abdampfrate von Wasser von der<br />

Oberfläche. Durch eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit kann die Abdampfrate<br />

vermindert werden.<br />

Optimale Bedingungen zu Beginn des Trocknens sind hohe Luftfeuchtigkeit <strong>und</strong><br />

hohe Temperatur (aber < 100 °C), am Ende des Trocknungsprozesses hohe<br />

Temperaturen <strong>und</strong> niedrige Luftfeuchtigkeit.<br />

In der keramischen Industrie wird heute im allgemeinen in Gegenstromtrockenöfen<br />

getrocknet. Hierbei wird auf der einen Seite heiße trockene Luft (aus dem Brennofen)<br />

in den Trockentunnel eingeleitet. Das Trockengut wird in Gegenrichtung durch den<br />

31


Trockentunnel gefahren. Die Luft nimmt zunehmend Luftfeuchtigkeit auf <strong>und</strong> kühlt<br />

sich dabei ab. Zu Beginn des Trocknungsprozess umstreicht daher feuchte warme<br />

Luft das Trockengut.<br />

5.3. Brennen<br />

Nach dem Trocknen hat der Formkörper eine ausreichende Festigkeit um ihn<br />

handhaben zu können. Die endgültige Verfestigung erfolgt beim Brennen. Die<br />

Temperatur muss hierbei ausreichend hoch sein um eine Verfestigung<br />

herbeizuführen, darf aber nicht so hoch sein, dass eine Deformation des<br />

Formkörpers eintritt. Diesen Prozess nennt man Sintern. Es tritt hierbei eine<br />

Abnahme der Porosität, eine Erhöhung der Dichte sowie eine (Sinter-) Schwindung<br />

ein. Für das Sintern sind je nach den verwendeten Rohstoffen unterschiedliche<br />

Mechanismen maßgeblich.<br />

Man unterscheidet zwischen<br />

1. Sintern von kristallinen Phasen<br />

ohne Auftreten von Flüssigphasen<br />

2. Sintern einer einheitlichen nichtkristallinen Phase<br />

(Bsp.: Sintern von Glaspulver)<br />

3. Sintern unter Auftreten einer festen <strong>und</strong> einer flüssigen Phase<br />

(meist mit chemischen Reaktionen zwischen den Phasen)<br />

Für das Brennen von Porzellan ist der Mechanismus III maßgeblich. Trotzdem sollen<br />

die anderen Mechanismen an dieser Stelle beschrieben werden, da sie zum<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen Verständnis von Sinterprozessen erforderlich sind.<br />

32


5.3.1. Sintern von kristallinen Phasen<br />

Die Triebkraft für Sinterprozesse ist stets die Verringerung der Oberflächen- bzw.<br />

Grenzflächenenergie. Der Sinterprozess von kristallinen Phasen wird in drei Bereiche<br />

geteilt:<br />

Frühbereich<br />

- Frühbereich<br />

- Hauptbereich<br />

- Spätbereich<br />

Die vom Formgebungs- <strong>und</strong> Trocknungsprozess vorhandenen Spannungen werden<br />

abgebaut. Die Pulverteilchen bilden an den Berührungsstellen Brücken aus.<br />

Hierdurch kann die Oberflächenenergie effektiv vermindert werden. Der hierzu<br />

notwendige Stofftransport wird durch Diffusion im Volumen oder an der Oberfläche<br />

ermöglicht.<br />

Hauptbereich<br />

Die Materialbrücken werden größer, es tritt gleichzeitig Verdichtung ein. Zunächst<br />

entsteht eine offene Porosität, die im Laufe des Sinterprozesses geschlossen wird<br />

(die Poren sind nicht mehr miteinander verb<strong>und</strong>en). Schließlich werden die<br />

geschlossenen Poren immer kleiner. Hierzu ist auch die Diffusion des Blaseninhalts<br />

nach außen erforderlich (das geschieht bevorzugt entlang der Korngrenzen, da hier<br />

die Diffusionsgeschwindigkeit größer ist. Gleichzeitig findet Kristallwachstum statt.<br />

Für die Kristallitwachstumsgeschwindigkeit gilt:<br />

⎛ ⎞<br />

dr 1 1<br />

= c ⎜ − ⎟<br />

(5.1.)<br />

( )<br />

r<br />

dt r t r 0<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

mit c = Radius der Teilchen (Kugel), r0 = mittlerer Teilchenradius, cr = Konstante<br />

(T – abhängig).<br />

33


Für die Porenschwindung gilt:<br />

ds<br />

dt<br />

2 =− c p /s<br />

(5.2.)<br />

mit s = Porenradius, cp = Konstante (T – abhängig)<br />

Spätbereich<br />

Es sind nur noch geschlossene Poren vorhanden, die entweder auf Kosten kleinerer<br />

wachsen (Diffusion des Poreninhalts von den kleinen in die großen Poren) oder ganz<br />

verschwinden (Diffusion nach außen). Die meisten Poren befinden sich innerhalb der<br />

Körner, was eine beschleunigte Diffusion des Poreninhalts entlang der Korngrenzen<br />

verhindert. Das Kristallwachstum schreitet fort. Mitunter tritt Riesenkornwachstum<br />

ein, was sich meist negativ auf Werkstoffeigenschaften auswirkt.<br />

Üblicherweise tritt während des Sintervorgangs eine Verdichtung auf 95 – 100 % der<br />

theoretischen Dichte ein.<br />

5.3.2. Sintern einer nichtkristallinen Phase<br />

Im Prinzip können auch hier die drei in 5.3.1. beschriebenen Bereiche unterschieden<br />

werden. Naturgemäß spielt Kristallwachstum hier keine Rolle, da nur eine amorphe<br />

Phase vorliegt. Solange Poren groß sind <strong>und</strong> eingeschlossene Gase keine Rolle<br />

spielen, erfolgt die Verdichtung durch viskoses Fließen. Der Porenradius nimmt<br />

gemäß Gleichung 5.3. ab.<br />

ds 3σ<br />

=− (5.3.)<br />

dt 10η<br />

mit η = Zähigkeit, σ = Oberflächenspannung.<br />

Die kleinen Poren mit eingeschlossenen Gasen ist auch hier die Ausdiffusion der<br />

Gase geschwindigkeitsbestimmend.<br />

34


5.3.3. Sintern unter Auftreten fester <strong>und</strong> flüssiger Phasen<br />

Zwischen den Teilchen befindet sich eine Flüssigphase. Ist die Benetzung gut, dringt<br />

diese in die Hohlräume ein <strong>und</strong> umhüllt die Teilchen auch wenn sie in nur geringen<br />

Mengen vorhanden ist. Der Transport geschieht durch Lösungs- <strong>und</strong><br />

Ausscheidungsvorgänge, durch viskoses Fließen sowie durch<br />

Festkörpersintervorgänge.<br />

Beim Sintern von <strong>Silicat</strong>keramiken treten oft große Mengen an Flüssigphasen auf,<br />

die den Sinterprozess ganz wesentlich beeinflussen. Das Sintern von Porzellan<br />

verläuft wie folgend:<br />

- zunächst wandelt sich bei ca. 650 °C Kaolinit in Metakaolinit um<br />

Al O ⋅ 2SiO ⋅ 2H O Al O ⋅ 2SiO + 2H O<br />

650° C<br />

2 3 2 2 ⎯⎯⎯⎯→ 2 3 2 2<br />

Kaolinit Metakaolinit<br />

Hierbei wird die plättchenförmige Morphologie des Kaolinits beibehalten<br />

- bei ca. 950 °C wandelt sich das Metakaolinit in Mullit <strong>und</strong> amorphes SiO2 um<br />

( )<br />

3Al O ⋅ 2SiO ⎯⎯⎯→ 3Al O ⋅ 2SiO + 4SiO<br />

950C °<br />

2 3 2 2 3 2 2<br />

Metakaolinit Mullit amorph<br />

Gleichzeitig schmilzt der Feldspat auf. Die Schmelze löst etwas amorphes<br />

SiO2 auf. Hierdurch erhöht sich der SiO2 – Gehalt der Schmelze <strong>und</strong> hierdurch<br />

auch deren Viskosität. Die gebildeten Mullitkristalle besitzen im Wesentlichen<br />

die gleiche Morphologie wie die Kaolinitplättchen, aus denen sie entstanden<br />

sind.<br />

- bei weiterer Erhöhung der Temperatur wird zunächst das amorphe SiO2<br />

aufgelöst. Später wird auch der Sand <strong>und</strong> wesentliche Teile des Mullits<br />

aufgelöst. Bei 1400 °C, der maximalen Brenntemperatur liegen 90 – 95 % als<br />

Schmelze vor. Durch die kontinuierliche Konzentrationszunahme an SiO2 <strong>und</strong><br />

35


Al2O3 in der Schmelzphase erhöht sich ihre Viskosität der Schmelze stark <strong>und</strong><br />

die Form des Werkstücks bleibt erhalten.<br />

Beim Abkühlen der Schmelze treten Kristallisationsprozesse auf. Hierbei wird<br />

nadelförmiger Mullit erhalten (Nadel- oder Sek<strong>und</strong>ärmullit). Bei Zimmertemperatur<br />

sind etwa 40 % kristalline Phase (Sek<strong>und</strong>ärmullit, Schuppen- (oder Primär-) Mullit<br />

sowie Quarz festzustellen. Der Rest bildet eine Glasphase.<br />

5.4. Abwandlungen beim Werkstoff Porzellan<br />

Abbildung 5.4. zeigt ein (Pseudo-) Dreistoffsystem Quarz, Feldspat, Tonmineral. Je<br />

nach Variation der keramischen Masse, werden Steinzeug, Steingut, Hart- oder<br />

Weichporzellan erhalten. Dentalkeramik enthält hauptsächlich Feldspat, Porzellan für<br />

chemisch-technische Anwendungen enthält in der keramischen Masse wesentlich<br />

höher Anteil an Tonmineralien.<br />

weitere Abwandlungen:<br />

- Tonerdeporzellan:<br />

Hier ist ein Teil des Quarzes durch Al2O3 ersetzt. Hierdurch werden erhöhte<br />

Festigkeiten erhalten, allerdings geht die Transluzenz verloren.<br />

- Knochenporzellan:<br />

Hier wird ein hoher Anteil an Knochenasche als Rohstoff verwendet. Der<br />

anorganische Bestandteil des Knochens ist in erster Näherung Hydroxylapatit<br />

Ca5(PO4)3(OH). Knochenporzellan ist hoch transluzent <strong>und</strong> wird als Geschirr-<br />

<strong>und</strong> Zierkeramik verwendet (Bone China).<br />

36


Abb. 5.4. Pseudo-Dreistoffsystem Quarz, Feldspat <strong>und</strong> Tonmineral.<br />

37


6. Elektrokeramik<br />

Elektrokeramik ist ein sehr weites Gebiet. Hierzu gehören:<br />

- Isolationskeramik<br />

- Kondensatorkeramik<br />

- Piezokeramik<br />

- elektronenleitende Keramik<br />

- ionenleitende Keramik<br />

- keramische Supraleiter<br />

- Varistoren<br />

Die Einteilung geschieht zumeist nach den Hauptanforderungen, die für die<br />

betreffende Keramik bestehen. Daneben gibt es aber noch weitere Anforderungen.<br />

Beispielsweise sind für die Isolationskeramiken neben dem Isolationswiderstand<br />

auch die relative Dielektrizitätskonstante sowie die Festigkeit von Bedeutung.<br />

6.1. Isolationskeramik<br />

Das Hauptkriterium für den Einsatz verschiedener Isolationskeramiken ist die<br />

anliegende Spannung.<br />

Hierbei wird unterschieden:<br />

Hochspannung > 1 kV - Höchstspannung: 220, 380 kV<br />

- Hochspannung: 110 kV<br />

- Mittelspannung: 10, 20 kV<br />

Niederspannung - Drehstrom 380 V<br />

- Wechselstrom 220 V<br />

- Gleichstrom 12 / 24 V<br />

Das öffentliche Netz wird in Deutschland mit 50 s -1 , bei der Bahn mit 16 2/3 s -1<br />

(15 kV) betrieben.<br />

38


Stromtransport über weitere Strecken führt in Deutschland außerhalb von<br />

Ortschaften üblicherweise durch Freileitungen statt.<br />

Hierbei werden die Leitungen mit den Hochspannungsmasten durch<br />

Langstabisolatoren verb<strong>und</strong>en. Üblicherweise hängt eine Leitung an mehr als einem<br />

Isolator. Hierbei treten verschiedene Verluste auf:<br />

1. Gleichstromverluste<br />

der Widerstand ist nicht unendlich hoch, eine gewisse Ionenleitfähigkeit<br />

ist in der Keramik vorhanden<br />

2. Dielektrische Verluste<br />

verursacht durch nicht unendlich kleine Kapazität der<br />

Langstabisolatoren<br />

3. Oberflächenkriechströme<br />

diese sollen durch Bauform vermieden werden <strong>und</strong> durch die Glasur auf<br />

einen gewissen Wert eingestellt werden<br />

Bei Erdverlegung von Hochspannungsleitungen treten hohe kapazitive Verluste auf.<br />

6.1.1. Isolatoren aus <strong>Silicat</strong>keramik<br />

Herstellung von Langstabisolatoren<br />

1. keramische Masse: Tonerdeporzellan<br />

2. Formgebung: Extrudieren, anschließendes Abdrehen der Hubel<br />

3. Trocknen<br />

4. Tauchglasieren<br />

5. hängend brennen<br />

6. Anzementieren der Armaturen<br />

39


Die Glasur ist halbleitend <strong>und</strong> hat folgende Zusammensetzung:<br />

5 % CaO, 1.5 % MgO, 2 % K2O, 1.2 % Na2O, 8 % Al2O3, 72 % SiO2,<br />

10 % Farboxide (Cr2O3, Fe2O3, MuO2)<br />

Die nach oben gewölbten Rippen der Langstabisolatoren sollen verhindern, dass<br />

sich durchgehende Feuchtigkeitsfilme (auch in Verbindung mit Pflanzenbewuchs)<br />

bilden können. Die halbleitende Glasur soll bewirken, dass ein gewisser Stromfluss<br />

über der Oberfläche stattfindet, der ein Abtauen eventueller Eisschichten ermöglicht.<br />

Die keramische Masse setzt sich wie folgt zusammen:<br />

Tonmineral 40 – 60 %, Feldspat 18 – 28 %, Quarz 10 – 20 %, Al2O3 10 – 30 %<br />

Langstabisolatoren erfüllen die Norm KER 118 <strong>und</strong> werden bei 1420 °C gebrannt, als<br />

kristalline Phasen treten auf: Mullit, Kor<strong>und</strong>, Quarz sowie Glasphase.<br />

Tonerdeporzellan ist wesentlich fester als Hartporzellan (Biegefähigkeit: 190 MPa,<br />

gegenüber 60 MPa bei Hartporzellan). Dies ist wesentlich für den Einsatz als<br />

Langstabisolatoren, da die mechanische Belastung zuweilen (z. B. Eisregen,<br />

Windlast) beträchtlich ist.<br />

Für den Niederspannungsbereich wird üblicherweise kein Tonerdeporzellan<br />

verwendet, hier ist Steatit neben Polymeren (PVC) gebräuchlich. Typische Bauteile<br />

aus Steatit sind Steckersätze, Heizleiterträger, Schutzrohre, auch für den Einsatz bei<br />

mäßig hohen Temperaturen ≤ 600 °C. Steatit wird hergestellt aus Speckstein<br />

3MgO⋅4SiO2⋅ HO 2 unter Zugabe von 10 % Ton <strong>und</strong> 8 % BaCO3 (KER 220, KER<br />

225). Die Masse ist gut formbar <strong>und</strong> erlaubt feine Strukturen durch Feuchtpressen<br />

herzustellen. Die Brenntemperatur beträgt 1350 – 1370 °C. Die Keramik enthält<br />

keine Poren, etwa 70 – 80 % Enstatit (MgO . SiO2) als kristalline Phase, daneben 20<br />

– 30 % Glasphase.<br />

40


6.1.2. Aluminiumoxid als Isolationskeramik<br />

Auch für den Niederspannungsbereich, aber auch für den Einsatz bei hohen<br />

Temperaturen (bis 1600 °C) wird Al2O3-Keramik verwendet. Dies weist neben hoher<br />

Festigkeit <strong>und</strong> höher Wärmeleitfähigkeit einen sehr hohen spezifischen Widerstand<br />

auf. Tab. 6.1. zeigt einige Materialkenngrößen der Isolationskeramiken<br />

Tonerdeporzellan, Steatit <strong>und</strong> Aluminiumoxid.<br />

Tab. 6.1. Einige Materialkenngrößen von Isolationskeramiken<br />

Porzellan Steatit Aluminiumoxid<br />

Biegefestigkeit in MPa 190 150 400<br />

Zähigkeit MN . m -3/2<br />

1.5 – 2 1.5 – 2 2 – 5<br />

Spez. Elektr. Widerstand W cm 10 11 5 . 10 11<br />

41<br />

10 12<br />

Wärmeleitfähigkeit W/(m . K) 2.8 – 4.6 2 – 4 25 – 35<br />

Al2O3-Keramik ist wesentlich aufwendiger herzustellen als Tonerdeporzellan oder<br />

Steatit <strong>und</strong> ist entsprechend teurer. Außer für Hochtemperaturanwendungen wird es<br />

heute hauptsächlich für Substrate <strong>und</strong> Gehäuse in der Mikroelektronik verwendet.<br />

Gehäuse sind schützende Einbettungen für Chips aus Silicium-Einkristallen. Sie<br />

haben außer der schützenden Wirkung die Aufgabe zu isolieren, <strong>und</strong> auch die an<br />

den Chips anfallende Wärme abzutransportieren. Die allgemeinen Anforderungen an<br />

Substratmaterialien sind:<br />

1. hoher Widerstand<br />

2. niedrige relative Dielektrizitätskonstante<br />

3. niedriger Verlustfaktor<br />

4. hohe mechanische Festigkeit<br />

5. hohe Wärmeleitfähigkeit<br />

6. hohe Temperaturwechselbeständigkeit<br />

7. keine strahlenden Komponenten<br />

40 K ist γ - Strahler (natürliche Häufigkeit 0.012 %)<br />

daher Kalium freie Rohstoffe


8. gute Metallisierbarkeit<br />

9. hohe Maßhaltigkeit<br />

All diese Anforderungen werden von Aluminiumoxidkeramik gut erfüllt. In einigen<br />

Punkten, insbesondere der Wärmeleitfähigkeit gibt es jedoch andere Keramiken<br />

(Aluminiumnitrid, Berylliumoxid) die Aluminiumoxidkeramik weit überlegen sind.<br />

Die Eigenschaften von Aluminiumoxidkeramiken hängen aber stark von der in der<br />

vorhandenen Glasphase ab. Während hochreines Al2O3 höchste Festigkeit (~ 450<br />

MPa), niedrigste relative Dielektrizitätskonstante <strong>und</strong> höchste Wärmeleitfähigkeit (~<br />

35 W / (m<br />

. K) aufweist, werden die Eigenschaften mit zunehmenden<br />

Glasphasenanteil zunehmend schlechter.<br />

Für die Herstellung von Substraten <strong>und</strong> Gehäusen werden meist Keramiken mit ca.<br />

94 % Al2O3 verwendet; die restlichen 6 % sind Glasphase.<br />

Herstellung von Substraten<br />

Typische Substrate für die Mikroelektronik haben Abmessungen von 5.08 cm x 5.08<br />

cm <strong>und</strong> sind 0.63 mm dick. Zu ihrer Herstellung wird zunächst ein Gießschlicker<br />

hergestellt. Eine typische Zusammensetzung hierfür ist:<br />

1. keramisches Pulver (ca. 50 %)<br />

2. Lösemittel: Ethanol <strong>und</strong> Propanol<br />

3. Plastifizierer: Octylphtalat<br />

4. Binder: Hydroxypropylcellulose<br />

5. Entflockungsmittel: Triton X oder Brij etc.<br />

6. Netzmittel: Polyglycole<br />

7. Fischöl (Menhadenöl)<br />

Heute werden auch in zunehmendem Maße wässrige Schlicker verwendet, die<br />

allerdings wesentlich aufwendiger zu optimieren sind. Eine typische<br />

Zusammensetzung eines wässrigen Schlickers ist:<br />

42


1. keramisches Pulver (ca. 50 %)<br />

2. Lösemittel: Wasser<br />

3. Plastifizierer: Glycerin, Glycol<br />

4. Binder: Acryl-Polymere<br />

5. Entflockungsmittel: Na – Cl Arylsulfonsäure<br />

6. Netzmittel: Octylphenoxyethanol<br />

Die genaue Zusammensetzung von Schlickern muss auf das jeweils verwendete<br />

Pulver genau abgestimmt sein. Hier spielt die Korngröße, Korngrößenverteilung <strong>und</strong><br />

auch die Oberflächenchemie der Pulver eine entscheidende Rolle. Im Allgemeinen<br />

gilt hier: je feiner das Pulver, umso höher muss der Anteil an Netzmitteln <strong>und</strong><br />

Entflockungsmitteln sein.<br />

Folien ziehen<br />

Der hergestellte Schlicker ist gießfähig. Er wird nach dem sog. Doktor-Blade-<br />

Verfahren zu einer keramischen Folie verarbeitet. Hierbei wird der Schlicker (siehe<br />

Abb.) mit Hilf einer Doppelschneiden-Ziehvorrichtung auf ein Stahlband aufgetragen.<br />

Anschließend durchläuft das Band eine Trockenstrecke, innerhalb derer ein Grossteil<br />

der Lösemittel entweicht.<br />

Abb. 6.1. Doktor-Blade-Verfahren <strong>zur</strong> Herstellung von keramischen Folien<br />

43


Nach erfolgter Trocknung wird die keramische Folie vom Stahlband abgelöst. Es<br />

befindet sich dann in einem elastischen <strong>und</strong> handhabbaren Zustand. Anschließend<br />

wird die Folie geschnitten <strong>und</strong> mit Löchern versehen, was heute größtenteils unter<br />

Verwendung von CO2 - Lasern geschieht. Anschließend wird die Folie oft unter<br />

Wasserstoff bei ca. 1600 °C gebrannt. Die weitere Bauteilfertigung schließt sich dann<br />

an.<br />

Werden Gehäuse gefertigt, schließt sich an das Schneiden <strong>und</strong> Lochen der Folien<br />

zunächst ein Metallisierungsschnitt an. Bei ihm werden mit Hilfe von<br />

Siebdrucktechniken sog. Pasten aufgedruckt. Diese Pasten bestehen aus<br />

Refraktärmetallpulver (W oder Mo / Mn) <strong>und</strong> Siebdrucköl von druckbarer Konsistenz.<br />

Nach dem Bedrucken werden die Folien laminiert. Hierbei werden bis zu 48 Folien<br />

aufeinandergelegt <strong>und</strong> passgenau bei 150 bis 200 °C verpresst. Hierbei wird der<br />

Binder weich <strong>und</strong> die Folien werden somit über die organische (thermoplastische)<br />

Phase miteinander verb<strong>und</strong>en. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf<br />

Durchführungen zu legen. Hierbei verläuft eine Leiterbahn von der Oberfläche durch<br />

sie hindurch <strong>und</strong> kontaktiert die Leiterbahn auf der darunter liegenden Folie.<br />

Hierdurch können dreidimensionale Zuführungen aufgebaut werden.<br />

Herstellung von Gehäusen<br />

1. Herstellung des Gießschlickers<br />

2. Herstellung der keramischen Folie durch das Doktor-Blade-Verfahren<br />

3. Ablösen der Folie vom Stahlband<br />

4. Schneiden <strong>und</strong> Lochen der Folie mit Hilfe von CO2 – Lasern<br />

5. Bedrucken der Folien mit Hilfe mit Pasten<br />

(die Pasten bestehen aus ca. 90 % Metallpulver + 10 % Glaspulver)<br />

6. Laminieren der Folien<br />

7. Brennen der Folien unter Wasserstoff<br />

8. weitere Bauteilfertigung<br />

44


Das Brennen von mit Refraktärmetallen bedruckten Folien muss stets <strong>zur</strong><br />

Vermeidung von Oxidation unter Wasserstoff erfolgen.<br />

Die weitere Bauteilfertigung beinhaltet die Montage der Silicium-Chips, das Bonden<br />

(Gold-Draht) des Substrates mit dem Chip, das Aufbringen <strong>und</strong> Verfügen des<br />

Deckels, das Anbringen der Füßchen sowie das Kapseln in Polymeren.<br />

6.1.3. Weitere Substratmaterialien<br />

Durch die zunehmende Komplexität von Halbleiterbauelementen nimmt die Dicke der<br />

Leiterbahnen ab <strong>und</strong> ihre Gesamtlänge auf dem Chip zu. Hierdurch steigt die<br />

Wärmeproduktion im Halbleiterbauelement. Zunächst muss die Bildung von „Hot –<br />

Spots“ im Halbleiter unterb<strong>und</strong>en werden, indem die Wärme auf das Substrat<br />

übertragen <strong>und</strong> von diesem abgeführt wird. Weiterhin soll auch die gesamte<br />

Wärmeproduktion auf das Substrat übertragen <strong>und</strong> abgeführt werden. Für manche<br />

Anwendungen ist die Wärmeleitfähigkeit von Aluminiumoxid hierfür nicht<br />

ausreichend. Weitere Anforderungen an ein ideales Substratmaterial sind hierbei:<br />

- möglichst hohe Wärmeleitfähigkeit<br />

- Ausdehnungskoeffizient ähnlich dem von elementarem Silicium.<br />

Als Keramiken mit hoher Wärmleitfähigkeit kommen vor allem Berylliumoxid <strong>und</strong><br />

Aluminiumnitrid in Frage. Die an sich idealen Werkstoffe, Diamant <strong>und</strong> kubisches<br />

Bornitrid sind thermodynamisch bei Normaldruck nicht stabil, entsprechend<br />

aufwendig herzustellen <strong>und</strong> somit teuer. Die theoretische Wärmeleitfähigkeit von<br />

Diamant (1000 W / (m . K), höchste Wärmleitfähigkeit überhaupt), Berylliumoxid (360<br />

W / (m . K), Aluminiumnitrid (320 W / (m . K) sind entscheidend höher als die von<br />

Aluminiumoxidheramik (17 – 35 W / (m . K)).<br />

45


Wärmeleitfähigkeit von Werkstoffen, man unterscheidet:<br />

- Wärmetransport durch Elektronen<br />

(Wärmetransport proportional <strong>zur</strong> elektrischen Leitfähigkeit)<br />

Bsp.: Silber: 480 W / (m . K)<br />

- Wärmetransport durch Phononen (Gitterschwingungen)<br />

ideal: feste kovalente Bindungen<br />

kleine leichte Atome<br />

einfacher Bindungstyp<br />

- Wärmetransport durch Strahlung<br />

(nur bei höheren Temperaturen maßgeblich)<br />

- Wärmetransport durch Konvektion<br />

(spielt zuweilen bei porösen Werkstoffen eine gewisse Rolle)<br />

Substratwerkstoff Aluminiumnitrid<br />

Herstellung <strong>und</strong> Bearbeitung von Berylliumoxidkeramik sind mit enormen<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Risiken bzw. enormen Sicherheitsauflagen verb<strong>und</strong>en.<br />

Berylliumoxid wird daher in Europa heute nicht mehr hergestellt.<br />

Bei Aluminiumnitridkeramik ist ein allgemeines Problem, dass diese bei weitem nicht<br />

die theoretisch berechnete Wärmeleitfähigkeit von 320 W / (m . K) aufweist. Dies ist<br />

auf „Phononenstreuung“ <strong>zur</strong>ückzuführen. Im Prinzip kann die phononische<br />

Wärmeleitfähigkeit eines Festkörpers durch folgende Effekte gegenüber der<br />

theoretisch berechneten vermindert sein:<br />

- Auftreten von Fremdphasen niedriger Wärmeleitfähigkeit<br />

- Korngrenzen<br />

- Liniendefekten (Versetzungen)<br />

- Punktdefekten<br />

46


Nichtoxidkeramiken enthalten mehr oder weniger hohe Mengen an oxidischen<br />

Verunreinigungen, die im Prinzip als Fremdphasen, Linien- oder Punktdefekte<br />

eingebaut sein können, oder an den Korngrenzen konzentriert auftreten können.<br />

Wird in ein Aluminiumnitridgitter Sauerstoff eingebaut, so geschieht dies, auf<br />

Stickstoffplätzen. Dies bedeutet, dass für ein dreifach negativ geladenes Anion (N 3- ),<br />

ein doppelt negativ geladenes Anion (O 2- ) eingebaut wird. Da die<br />

Elektronenneutralität erfüllt sein muss, werden gleichzeitig Kationenleerstellen<br />

geschaffen, für drei eingebaute O 2- entsteht eine Kationenleerstelle. Das Fehlen<br />

einzelner Kationen im Wurzitgitter des Aluminiumnitrids führt zu einer drastischen<br />

Abnahme der Wärmeleitfähigkeit, da die Gitterschwingungen hier effektiv gestreut<br />

werden. Andere Defekte haben bei geringen Mengen an eingebautem Sauerstoff<br />

vergleichsweise geringen Einfluss auf die Wärmeleitfähigkeit.<br />

Herstellung von Aluminiumnitridkeramik<br />

Die chemischen Bindungen in Aluminiumnitrid sind stark <strong>und</strong> kovalent. Entsprechend<br />

niedrig ist – wie bei allen Nichtoxidkeramiken – die Beweglichkeit. Entsprechend<br />

schwierig gestaltet sich der Sintervorgang. Aluminiumnitrid kann – wie alle Nichtoxide<br />

– ohne Additive oder Anwendung von Druck – aus konventionellen Pulvern nicht<br />

dicht gesintert werden.<br />

47


Eigenschaften <strong>und</strong> Herstellung von Nichtoxidkeramiken<br />

wichtige Nichtoxidkeramiken sind: SiC, Si3N4, AlN, BN <strong>und</strong> B4C<br />

Bindungstyp: stark <strong>und</strong> kovalent<br />

Thermisches Verhalten: kein Schmelzpunkt (bei Normaldruck)<br />

Sublimieren<br />

Thermodynamisch an Luft nicht stabil<br />

Sintern: schwierig ohne Additive <strong>und</strong> Druck aus konventionellen<br />

Pulvern<br />

- Verwendungen von Additiven<br />

- Heißpressen<br />

- Verwendung hochaktiver Pulver<br />

Pulver: müssen synthetisch hergestellt werden<br />

Carbothermische Verfahren:<br />

MOx + xC→ xCO+ MCx/2<br />

Direktsynthesen<br />

M+ x/2C →MC<br />

M+ x/3N →MN<br />

48<br />

x/2<br />

2 2x/3<br />

Eigenschaften (bis auf BN): - hohe Härte<br />

- hohe Festigkeit<br />

(auch bei hohen Temperaturen)<br />

- hohe Abriebbeständigkeit<br />

Bei der Herstellung von Aluminiuminitridkeramik wird folgende Strategie verfolgt: es<br />

werden Oxide zwei- oder dreiwertiger Metalle zugegeben (CaO, MgO, Y2O3 oder<br />

La2O3). Diese bilden mit den oxidischen Verunreinigungen (formal: Al2O3)<br />

Flüssigphasen, in denen in begrenztem Umfang auch Aluminiumnitrid löslich ist. Das


Auftreten von Flüssigphasen, beispielsweise der Zusammensetzungen CaO . x Al2O3<br />

oder Y2O3<br />

. x Al2O3 ermöglicht eine effektive Sinterung über Lösungs- <strong>und</strong><br />

Abscheidungsvorgänge <strong>und</strong> somit eine schnelle Verdichtung. Gleichzeitig reichern<br />

sich die Sauerstoffverunreinigungen in der Flüssigphase an <strong>und</strong> werden somit aus<br />

dem Inneren der Körner entfernt, was zu einer Abnahme der Punktdefekt–<br />

Konzentration führt. Nach dem Abkühlen der Keramik werden die entstandenen<br />

oxidischen Phasen an den Korngrenzen oder in den Zwickeln<br />

(Yttriumaluminiumgranat, Calciumaluminate) konzentriert. Die auf diese Weise<br />

erzielbaren Wärmeleitfähigkeiten liegen bei bis zu 200 W / (m . K)<br />

Eigenschaften <strong>und</strong> Herstellung von Aluminiumnitridkeramik<br />

Wärmeleitfähigkeit: 100 – 200 W / (m . K)<br />

Spezifischer Widerstand: 10 13 Ω cm<br />

Biegefestigkeit: 350 – 450 MPa<br />

Sauerstoffgehalt: 1 – 2 Ma %<br />

Sinteradditive (CaO, Y2O3) 1 – 4 Ma %<br />

Sintertemperatur: 1800 – 1850 °C<br />

Der Sinterprozess von AlN – Keramik wird üblicherweise in Graphitöfen bei 1800 –<br />

1850 °C unter Stickstoffatmosphäre durchgeführt. Durch Anwesenheit von Graphit<br />

als „Sauerstoffgitter“ wird der Sauerstoffpartialdruck der Sinteratmosphäre drastisch<br />

herabgesetzt. Zu Vermeidung der Absublimation von AlN werden die Rohlinge in AlN<br />

– Pulver eingebettet.<br />

6.2. Kondensatorkeramik<br />

6.2.1. Allgemeines über Kondensatoren<br />

Die Kapazität eines Plattenkondensators C hängt von der relativen<br />

Dielektrizitätskonstante εr, der Größe der Platten A <strong>und</strong> deren Abstand d ab.<br />

49


A<br />

C =ε⋅ε r 0⋅<br />

d<br />

Die Temperaturabhängigkeit von εr wird durch ihren Temperaturkoeffizienten TKε<br />

gekennzeichnet. TKε ist oftmals nicht im gesamten interessierenden<br />

Temperaturbereich konstant.<br />

1 dεr<br />

TKε=<br />

⋅<br />

ε dT<br />

r<br />

Bei einem idealen Kondensator tritt zwischen Strom <strong>und</strong> Spannung eine<br />

Phasenverschiebung von 90 ° auf. Bei einem realen Kondensator ist die beobachtete<br />

Phasenverschiebung (90° - δ). Hierbei ist δ der Verlustwinkel, der zumeist als tan δ<br />

angegeben wird. Bei Einführung einer komplexen Dielektrizitätskonstante ε=ε+ε ′ i ′′<br />

ist tan δ = ε′′ / ε ′ . Der Verlustwinkel δ (bzw. tan δ) ist eine wichtige Kenngröße für<br />

Dielektrika.<br />

Typen von Kondensatoren<br />

- Verstellbare: - Drehkondensatoren Metall<br />

- Trimmerkondensatoren Keramik<br />

- Festkondensatoren - Massekondensatoren Keramik<br />

- Vielschichtkondensatoren Keramik<br />

- Wickelkondensatoren oxidierte Al – Folie<br />

„Elco“<br />

Die relativen Dielektrizitätskonstanten der meisten Keramiken liegen zwischen 4 <strong>und</strong><br />

10, bei TiO2 bei ca. 110, bei BaTiO3 > 1000.<br />

50


6.2.2. Polarisationsmechanismen<br />

Befindet sich zwischen den Platten eines Kondensators Wasser, so werden sich die<br />

Dipolmoleküle (der Sauerstoff trägt eine negative, der Wasserstoff eine positive<br />

Partialladung) im elektrischen Feld ausrichten. Wir die Polarisationsrichtung<br />

geändert, so drehen sich die Wassermoleküle <strong>und</strong> orientieren sich neu. Wird die<br />

Frequenz der an den Platten anliegenden Spannung erhöht, wird die Reorientierung<br />

der Wassermoleküle ab einer bestimmten Frequenz aufgr<strong>und</strong> ihrer Trägheit nicht<br />

mehr möglich sein. Der Mechanismus der „Molekülpolarisation“ wird daher oberhalb<br />

einer bestimmten Frequenz keinen Beitrag <strong>zur</strong> Dielektrizitätskonstante mehr liefern.<br />

Abb. 6.1. zeigt die relative Dielektrizitätskonstante <strong>und</strong> tan δ eines Kondensators als<br />

Funktion der Frequenz. Die relative Dielektrizitätskonstante sinkt mit steigender<br />

Frequenz. Zunächst fällt die Orientierungspolarisation (Molekülpolarisation oder<br />

Bereichspolarisation) aus, dann (im Bereich der Infrarotfrequenzen) die<br />

Ionenpolarisation <strong>und</strong> schließlich bei Frequenzen, die UV-Licht entsprechen, auch<br />

die Elektronenpolarisation (hier wird εr < 1 !).<br />

Abb. 6.1. Relative Dielektrizitätskonstante <strong>und</strong> tan δ als Funktion der Frequenz<br />

51


Ändert sich die relative Dielektrizitätskonstante, nimmt gleichzeitig tan δ zu.<br />

Polarisationsmechanismen<br />

Elektronenpolarisation Deformation der Elektronenhülle<br />

Ionenpolarisation Verschiebung von Ionen<br />

Orientierungspolarisation<br />

Molekülpolarisation Dipolmoleküle richten sich aus<br />

Bereichspolarisation „Domänen“ im Gefüge richten sich aus<br />

Nicht alle Stoffe zeigen alle Polarisationsmechanismen, beispielsweise zeigt<br />

molekularer Wasserstoff (H2) ausschließlich Elektronenpolarisation, Kochsalz Ionen-<br />

<strong>und</strong> Elektronenpolarisation, Molekülpolarisation wird nur bei Dipolmolekülen<br />

beobachtet, Bereichspolarisation nur bei Ferroelektrika (siehe 6.2.3.).<br />

Temperaturabhängigkeit<br />

Elektronenpolarisation: εr sinkt mit steigender Temperatur TKε < 0<br />

(weniger Elektronen pro Volumenanteil)<br />

Ionenpolarisation<br />

Im Allgemeinen wächst εr mit steigender Temperatur TKε > 0<br />

Bei TiO2: TKε < 0<br />

(bei Mischungen mit TiO2 kann TKε ≈ 0 erreicht werden).<br />

6.2.3. Ferroelektrizität<br />

Ferro- oder ferrimagnetische Festkörper zeigen eine ausgeprägte Hysterese<br />

zwischen angelegtem magnetischem Feld <strong>und</strong> magnetischer Induktion (siehe Abb.<br />

6.2 a). Bei ferroelektrischen Festkörpern tritt eine ganz analoge Hysterese zwischen<br />

dem elektrischen Feld <strong>und</strong> der Verschiebungsdichte ein.<br />

52


Abb. 6.2 a: Hystereseschleife bei Ferromagnetica <strong>und</strong> b: bei Ferroelektrika<br />

Die in Abschnitt 6.2.2. beschriebene Bereichspolarisation tritt aber bei<br />

ferroelektrischen Phasen auf. Notwendige Voraussetzung für ferroelektrisches<br />

Verhalten ist das Vorliegen mindestens einer polaren Achse, d. h. das Fehlen eines<br />

Inversionszentrums in der Kristallstruktur. Es sei darauf hingewiesen, dass dies keine<br />

hinreichende Bedingung ist; beispielsweise hat Quarz eine polare Struktur, ist aber<br />

keineswegs ferroelektrisch, da die Struktur nicht leicht hinsichtlich ihrer Polarität zu<br />

ändern ist <strong>und</strong> bei Anliegen eines elektrischen Feldes nicht „umklappt“.<br />

Die strukturellen Vorraussetzungen für ferroelektrisches Verhalten ist im folgenden<br />

am Beispiel BaTiO3 erläutert. Bariumtitanat hat eine Perovskit-ähnliche Struktur. Die<br />

Perovskitstruktur (CaTiO3) ist in Abb. 6.3. gezeigt. Im Zentrum der kubischen<br />

Elementarzelle sitzt ein Titanatom, das oktaedrisch von Sauerstoffatomen umgeben<br />

ist. Diese sitzen somit in der Mitte der Flächen eines Würfels. Die Ecken des Würfels<br />

werden von Calciumionen besetzt. Da diese Struktur wie beschrieben kubisch ist,<br />

kann sie nicht polar <strong>und</strong> somit auch nicht ferroelektrisch sein.<br />

53


Abb. 6.3. Perovskitstruktur: im Zentrum: Ti 4- , in der Mitte der Flächen: O 2- , an den<br />

Ecken: Ca 2+ .<br />

Bei BaTiO3 liegt eine Perovskitstruktur nur oberhalb der Curietemperatur vor,<br />

unterhalb dieser Temperatur ist BaTiO3 tetragonal. Abb. zeigt links drei<br />

übereinanderliegende Elementarzellen der Perovskitstruktur (Erdalkaliionen sind<br />

weggelassen) <strong>und</strong> rechts ebenfalls drei übereinanderliegende Elementarzellen der<br />

tetragonalen Struktur. Während bei der kubischen Struktur das Titanatom in der<br />

durch die vier Sauerstoffatome aufgespannten Ebene liegt, ist es bei der<br />

tetragonalen Struktur in eine Richtung ausgelegt. Die Richtung der Auslenkung ist in<br />

übereinanderliegenden (<strong>und</strong> auch weiteren benachbarten) Elementarzellen die<br />

gleiche. Bereiche, in denen diese Auslenkung gleich ist, werden Domänen genannt.<br />

54


Abb. 6.4. links: drei übereinanderliegende Elementarzellen der Perovskitstrukur,<br />

rechts: tetragonale Struktur von BaTiO3 unterhalb der Curietemperatur.<br />

Abb. 6.5. zeigt schematisch eine Domänenstruktur eines nicht polarisierten <strong>und</strong> eines<br />

polarisierten Ferroelektrikums. Innerhalb eines Kristallits befinden sich mehrere<br />

Domänen. Diese haben in der nicht polarisierten Keramik statistische Orientierung.<br />

Wird ein elektrisches Feld angelegt, d. h. polarisiert, dann tritt Vorzugsorientierung<br />

ein, die Domänen sind dann entsprechend der Richtung des elektrischen Feldes<br />

ausgerichtet.<br />

55


Abb. 6.5. Gefüge <strong>und</strong> Domänenstruktur einer nicht polarisierten (links) <strong>und</strong> einer<br />

polarisierten (rechts) ferroelektrischen Keramik<br />

Abb. 6.6. zeigt die Temperaturabhängigkeit der relativen Dielektrizitätskonstante von<br />

Bariumtitanat. Die relativen Dielektrizitätskonstanten bei Temperaturen < 130 °C, der<br />

Curie-Temperatur sind richtungsabhängig. Unterhalb von – 90 °C liegt BaTiO3 in<br />

rhomboedrischer Kristallstruktur vor. Diese wandelt sich bei höherer Temperatur in<br />

eine orthorhombische Struktur um. Im Bereich von ca. 90 °C bis 0 °C sinkt εr in<br />

Richtung der kristallographischen a- <strong>und</strong> b-Achse leicht ab, während sie in c-<br />

Richtung ansteigt. Bei ca. 0 °C tritt eine Phasenumwandlung in die tetragonale<br />

Modifikation ein. Dies ist mit einem starken Ansteigen von εr in a, b-Richtung <strong>und</strong><br />

einem Absinken von εr in c-Richtung verb<strong>und</strong>en. Bei weiterer Temperaturerhöhung<br />

sinkt εr in a, b-Richtung wieder ab <strong>und</strong> steigt in c-Richtung an. Bei Erreichen der<br />

Curie-Temperatur von 130 °C tritt Umwandlung in die kubische Struktur ein, vorher<br />

ist ein starkes Ansteigen von εr zu beobachten, nach Erreichen der Curie-Temperatur<br />

ein rascher Abfall.<br />

56


Abb. 6.6. Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten in a, b- sowie in<br />

c-Richtung.<br />

6.2.4. Typ I – Kondensatoren<br />

Typ I – Kondensatoren basieren nicht auf ferroelektrischen Keramiken. Diese<br />

Keramiken werden auch NDK – Keramiken (niedrige Dielektrizitätskonstante), εr ist<br />

kleiner 1000, meist < 100.<br />

Bariumsteatit<br />

εr = 6 – 8, tan δ < 6 . 10 -4 , TKε ≈ 130 . 10 -6 K -1<br />

wird verwendet für kleine Kapazitäten wenn niedrige Temperaturkoeffizienten <strong>und</strong><br />

Verlustwinkel dringend erforderlich sind<br />

Bariumsteatit (siehe Abschnitt 6.1.1.) besitzt vorzügliche Formgebungs- <strong>und</strong> auch<br />

Bearbeitungseigenschaften.<br />

57


Titanoxid<br />

besitzt ein anisotropes Rutil – Gitter<br />

εr (c – Achse) = 173, εr (a, b – Achse) = 89<br />

hieraus resultiert für statistische Orientierung: ε = 117<br />

Der Temperaturkoeffizient ist mit – 1000 . 10 -6 / K negativ, der Absolutwert deutlich<br />

über dem vom Steatit aber deutlich niedriger als der von Typ II – Kondensatoren.<br />

Calcium- <strong>und</strong> Strontiumtitanat<br />

Calciumtitanat εr = 169, TKε = - 1600 . 10 -6 K -1<br />

Strontiumtitanat εr = 210, TKε = - 3700 . 10 -6 K -1<br />

Hier ist die Änderung von εr mit der Temperatur bereits deutlich stärker.<br />

Mischdielektrika<br />

verschiedenste Arten:<br />

TiO2 / BaTiO3 / ZnO / BeO / Ca2O3<br />

Eigenschaften sehr variabel.<br />

6.2.5. Typ II – Kondensatoren<br />

Werden auch HDK – Keramiken (hohe Dielektrizitätskonstante) genannt. Die<br />

basieren auf ferroelektrischen Keramiken. Sie besitzen den Vorteil hoher Kapazitäten<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig hohem Isolationswiderstand (Unterschied zu Typ III)<br />

Dem stehen eine Reihe von Nachteilen gegenüber:<br />

1. nichtlineare T-Abhängigkeit von εr<br />

2. r f( E)<br />

ε = ̃ εr steigt mit der Wechselfeldstärke an<br />

3. r f( E)<br />

ε = εr sinkt mit steigender Gleichfeldstärke ab<br />

4. f ( )<br />

r<br />

(permanente Dipole orientieren sich in Richtung des<br />

Gleichfelds)<br />

ε = υ bei relativ hohen Frequenzen sinkt εr mit steigender<br />

Frequenz ab (Umorientierung der Domänen nicht mehr<br />

möglich)<br />

58


5. Alterung langsame temperaturinduzierte Wanderung der<br />

Domänenwände<br />

εr = konst. . log t + konst.´<br />

6. tan δ ist hoch 30 – 300 . 10 -4<br />

tan δ ist Funktion von E,E, ̃ υ <strong>und</strong> T<br />

Gefahr des Wärmedurchschlages <strong>und</strong> der Änderung der<br />

Eigenschaftswerte<br />

BaTiO3: εr ≈ 1000 – 5000, Curietemperatur: 120 – 130 °C<br />

BaTiO3 Mischkristalle:<br />

Barium wird teilweise gegen Ca, Sr, Pb substituiert<br />

Titan wird teilweise gegen Zr, Sn substituiert<br />

(aber Anteil BaTiO3 > 70 %)<br />

Auswirkungen: - Verschiebung von TC<br />

- Veränderte Temperaturabhängigkeit<br />

Abb. 6.7. zeigt die Verschiebung der Curie-Temperaturen bei Substitution von Ba 2+<br />

oder Ti 4+ . Während bei Einbau von Pb 2+ , z. T. auch von Ca 2+ ein Ansteigen der<br />

Curietemperatur zu beobachten ist, sinkt TC bei Einbau von Sr 2+ , Zr 4+ <strong>und</strong> Sn 4+ ab.<br />

Abb. 6.7. Einfluss der Substitution von Ba 2+ bzw. Ti 4+ auf die Curie-Temperatur.<br />

59


Weitere Kondensatorkeramiken<br />

Niobate <strong>und</strong> Tantalate haben oftmals sehr hohe Curietemperaturen (LiNbO3: 1210<br />

°C). Es sind oftmals sehr hohe Feldstärken erforderlich um Bereichspolarisation<br />

herbeizuführen.<br />

Oftmals weisen Mischkristalle bessere Eigenschaften auf.<br />

- (Li, Na, K) (Nb, Ta)O3 Perovskit-ähnliche Strukturen<br />

(LiNbO3: rhomboedrisch)<br />

- (Ca, Sr, Ba, Pb) (Nb, Ta)2O6 Perovskit-ähnliche Strukturen<br />

- (Cd, Pb)2 (Nb, Ta)2O7 Pyrochlorstruktur<br />

Herstellung von BaTiO3 – Keramik<br />

Es werden fast ausschließlich teilweise substituierte Keramiken hergestellt.<br />

1. Rohstoffe: BaCO3, SrCO3, TiO2, ZrO2 etc.<br />

2. Reaktionsbrand:<br />

BaCO + TiO ⎯⎯⎯→ BaTiO + CO<br />

1100° C<br />

3 2 3 2<br />

3. Mahlen (beim Reaktionsbrand entstehen viel zu grobe Partikel)<br />

4. Plastifizieren (zahlreiche organische Additive)<br />

5. Formgebung - Pressen ⇒ Scheibchenkondensatoren<br />

6. Sintern 1350 – 1450 °C<br />

7. mechanische Nachbearbeitung<br />

- Schlickerguss, Eindrehen ⇒ Topfkondensatoren<br />

- Extrudieren ⇒ Röhrchenkondensatoren<br />

- Folienguss ⇒ Vielschichtkondensatoren<br />

60


Vielschichtkondensatoren<br />

Enthalten eine alternierende Folge von Schichten aus Keramik <strong>und</strong> Metall<br />

Herstellung: Herstellung von BaTiO3 – Folien (Doktor – Blade – Verfahren)<br />

Metallisieren der Folien mit Pd / Ag – Pasten<br />

Laminieren der Folien<br />

Gemeinsamer Brand<br />

6.2.6. Typ III – Kondensatoren<br />

(gelingt es die Sintertemperatur zu senken, kann der Pd – Anteil<br />

der Paste vermindert werden (Kostenvorteil)).<br />

Typ III – Kondensatoren weisen bezogen auf die Baugröße die weitaus höchsten<br />

effektiven relativen Dielektrizitätskonstanten auf (bis > 100 000).<br />

Die Erdalkalien in BaTiO3 <strong>und</strong> SrTiO3 können Ba 2+ <strong>und</strong> Sr 2+ durch dreiwertige Ionen<br />

(z . B. La 3+ ), das Titan durch 5-wertige Ionen (Nb 5+ , Ta 5+ , Sb 5+ ) substituiert werden.<br />

Reduzierende Atmosphäre während oder nach dem Sintern führt zu hoch<br />

elektronenleitenden Keramiken. Der Aufbau von Typ III – Kondensatorkeramik ist<br />

schematisch in Abb. 6.8. gezeigt.<br />

61


Abb. 6.8. Schematischer Gefügeaufbau von Typ III – Kondensatorkeramik<br />

Die Kondensatorkeramik besteht aus elektronisch leitfähigen Körnern, die<br />

Korngrenzen (<strong>und</strong> eine dünne Schicht um die Korngrenzen) ist isolierend. Hierdurch<br />

vermindert sich die effektive Dichte des Kondensators auf die der isolierenden<br />

Korngrenzen.<br />

Herstellung von Typ III – Kondensatoren<br />

- Dotieren mit z. B. 1 % Nb2O5<br />

- Reaktionsbrand<br />

- Mahlen<br />

- Formgebung<br />

- Ausbrennen des Binders<br />

- Sintern bei 1300 – 1400 °C<br />

- reduzieren bei 1000 – 1300 °C<br />

62


- Anlegen einer oxidierenden Atmosphäre<br />

hierbei diff<strong>und</strong>iert Sauerstoff entlang der Korngrenzen ein <strong>und</strong> oxidiert<br />

diese, ebenso wie eine dünne Schicht um die Korngrenzen. Die<br />

Diffusion von Sauerstoff entlang der Korngrenzen ist um<br />

Größenordnungen schneller.<br />

Die effektiven relativen Dielektrizitätskonstanten, berechnet aus den Abmessungen<br />

des Bauteils betragen ca. 100 000. Typ III – Kondensatoren sind schwierig zu<br />

fertigen, besonders hinsichtlich reproduzierbarer εeff – Werte. Sie haben niedrige<br />

Spannungsfestigkeit (< 30 V) <strong>und</strong> hohen tan δ.<br />

Etwas leichter ist die Produktion wie folgt:<br />

- Das Ausgangspulver aus SrTiO3 + Nb2O5<br />

wird bei 1300 – 1400 °C gesintert.<br />

- reduzieren bei 1300 – 1400 °C<br />

- Eindiffusion von Bi2O3 – B2O3 – Glas bei 1000 – 1200 °C.<br />

Das Bi2O3 – B2O3 diff<strong>und</strong>iert entlang der Korngrenzen ein <strong>und</strong> bildet die Sperrschicht<br />

aus. Die effektiven Dielektrizitätskonstanten liegen ebenfalls bei ca. 100 000, obwohl<br />

die Ausgangskeramik (SrTiO3) nicht ferroelektrisch ist.<br />

6.3. Piezokeramik<br />

6.3.1. Der Piezoeffekt<br />

Unter Piezoeffekt versteht man die Eigenschaft bestimmter Kristalle oder auch<br />

polykristalliner Festkörper unter Einwirkung mechanischer Kraft eine elektrische<br />

Spannung an den Enden aufzubauen. Man kennt auch den umgekehrten Effekt, den<br />

Aufbau mechanischer Spannungen bzw. Deformationen bei Anlegen eines<br />

elektrischen Feldes.<br />

63


Piezoeffekt <strong>und</strong> inverser Piezoeffekt<br />

Piezoeffekt: mechanische Kraft ⇒ elektrische Spannung<br />

Inverser Piezoeffekt: elektrische Spannung ⇒ mechanische Kraft<br />

Der Piezoeffekt wurde erstmals 1880 von den Geschwistern Curie an natürlichen<br />

Einkristallen (Turmalin) beobachtet. Quarz ist heute der bekannteste piezoelektrische<br />

Einkristall, der als mechanischer Schwinger weit verbreitet ist (Quarz – Uhr !)<br />

Voraussetzung für das Auftreten von Piezoelektrizität ist das Vorliegen mindestens<br />

einer polaren Achse.<br />

Piezokeramiken<br />

Werden heute sehr vielseitig für eine breite Palette von Anwendungen eingesetzt:<br />

- Druck <strong>und</strong> Kraftsensoren (Reifendruck, Antiklopfsensoren)<br />

- Funkengeber (Piezofeuerzeuge)<br />

- Schall- <strong>und</strong> Ultraschallerzeuger<br />

- Aktoren, Stellglieder<br />

- Piezomotoren<br />

- „smarte Keramik“<br />

S= sT ⋅ + dE ⋅<br />

S = mechanischer Dehnungstensor,<br />

T = mechanischer Spannungstensor,<br />

Feldstärkevektor.<br />

∂S<br />

s =<br />

∂T<br />

⎛ ⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

64<br />

E<br />

∂S<br />

d =<br />

∂E<br />

: Elastizitätskoeffizient<br />

⎛ ⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

T<br />

= Piezomodul, E = elektrischer


D= dT ⋅ + ε⋅ E<br />

D = elektrischer Verschiebungsvektor, ε = Dielektrizitätskonstante.<br />

Bei kleinen Änderungen sind s, d <strong>und</strong> ε konstant.<br />

Der Kopplungsfaktor k ist ein Maß für den Wirkungsgrad<br />

W W<br />

k =<br />

bzw.<br />

W W<br />

2 mech. elektr.<br />

k =<br />

2 d<br />

ε⋅s<br />

elektr. mech.<br />

Je nach elektrischer Anregung <strong>und</strong> mechanischer Verformung unterscheidet man<br />

fünf verschiedene Moden mit fünf verschiedenen Kopplungsfaktoren <strong>und</strong><br />

Frequenzkonstanten<br />

kp planare Gr<strong>und</strong>schwingung<br />

k31 Gr<strong>und</strong>schwingung eines transversal<br />

angeregten langen Stabes<br />

k33 Gr<strong>und</strong>schwingung eines longitudinal<br />

angeregten langen Stabes<br />

k51 Dickenscherschwingung<br />

kt Dickenschwingung einer dünnen Platte<br />

Den fünf Kopplungsfaktoren sind fünf Frequenzkonstanten zugeordnet:<br />

Ni = fi ⋅ ri<br />

mit Ni = Frequenzkonstante, fi = Eigenfrequenz der jeweiligen Schwingung, ri =<br />

Ausdehnung (z. B. Nt = ft . Dicke der Platte).<br />

65


6.3.2. Piezoelektrische Werkstoffe<br />

Bei einem piezoelektrischen Bauteil muss die polare Achse der Kristalle bzw. des<br />

Kristalls ausgerichtet sein. Bei Einkristallen ist dies durch entsprechendes Schneiden<br />

möglich (z. B. bei Quarz). Bei Keramiken ist nach dem Sinterprozess zunächst keine<br />

Vorzugsorientierung der Kristallite in Bezug auf ihre polare Achse vorhanden. Die<br />

Vorzugsorientierung der polaren Achse muss daher nach dem Sinterprozess<br />

herbeigeführt werden. Dies geschieht durch Einwirkung eines elektrischen Feldes.<br />

Da, wie in Abschnitt 6.2. beschrieben, die meisten polaren Kristallstrukturen ihre<br />

Orientierung in polykristallinen Materialien nicht mit dem elektrischen Feld ändern, ist<br />

man hier auf ferroelektrische Materialien angewiesen.<br />

Ursprünglich wurde auch für Piezokeramiken hauptsächlich der Werkstoff<br />

Bariumtitanat verwendet. Heute ist BaTiO3 fast vollständig von Bleizirkonattitanat<br />

(PZT) verdrängt. Die bei PZT beobachtete Trennung der Ladungsschwerpunkte ist<br />

ca. um den Faktor 10 höher als bei BaTiO3.<br />

Abb. 6.9. a zeigt die bekannte Polarisationskurve eines ferroelektrischen<br />

Werkstoffes, daneben ist die sog. Schmetterlingskurve (Abb. 6.9. b) gezeigt, die die<br />

mit der Polarisation verb<strong>und</strong>ene Dimensionsänderung der Keramik beschreibt.<br />

Abb. 6.9. a: Polarisationskurve einer ferroelektrischen Keramik<br />

b: „Schmetterlingskurve“, sie beschreibt die mit der Polarisation<br />

verb<strong>und</strong>enen Dimensionsänderungen<br />

66


Nach dem Sintern besitzen die Kristallite keinerlei Vorzugsorientierung (Punkt 0).<br />

Wird nun ein elektrisches Feld wachsender Stärke angelegt, orientieren sich die<br />

Domänen, bis schließlich am Punkt A eine Sättigung eintritt. Dies bedeutet, dass alle<br />

Domänen ausgerichtet sind. Dies bedeutet aber auch, dass sich die<br />

makroskopischen Dimensionen der Keramik ändern, in Richtung des angelegten<br />

Feldes wird die Keramik länger. Wird das elektrische Feld weggenommen (Punkt B),<br />

bleibt ein großer Teil der Polarisation erhalten, die meisten Domänen sind nach wie<br />

vor ausgerichtet <strong>und</strong> die makroskopischen Dimensionen der Keramik ändern sich nur<br />

wenig. Wird nun ein Feld in entgegengesetzter Richtung angelegt, wird mit<br />

wachsender Feldstärke ein Punkt erreicht (Punkt C) bei dem die Polarisation wieder<br />

aufgehoben ist. Die Domänen weisen keine Vorzugsorientierung mehr auf <strong>und</strong> die<br />

makroskopischen Dimensionen sind die gleichen wie nach dem Sintern, d. h. im<br />

unpolarisierten Zustand. Bei weiterer Erhöhung des elektrischen Feldes (Punkt D)<br />

wird wieder eine Sättigung erreicht, die Domänen sind alle entsprechend dem Feld<br />

ausgerichtet <strong>und</strong> die makroskopische Dehnung ist wieder maximal, d. h. besitzt den<br />

gleichen Wert wie bei Punkt A. Bei Wegnehmen des Feldes (Punkt E) bleibt die<br />

Polarisierung weitgehend erhalten, auch die Dehnung verkleinert sich nur wenig.<br />

Wird wieder ein Feld in die Gegenrichtung angelegt, wird zunächst die Polarisation<br />

aufgehoben (Punkt F) <strong>und</strong> schließlich die Sättigung erreicht (Punkt A).<br />

Polarisierte Piezokeramiken können depolarisiert werden durch:<br />

1. hohe Gegenfelder<br />

2. hohe mechanische Belastungen<br />

3. Temperaturen höher als die Curie – Temperatur<br />

6.3.3. Bleizirkonattitanat<br />

Bleititanat <strong>und</strong> Bleizirkonat bilden Mischkristalle, die bei einem hohen Ti / Zr –<br />

Verhältnis (> 1 : 1) tetragonal, bei niedrigerem Ti / Zr – Verhältnis orthorhombisch<br />

sind. Beide Phasen sind ferroelektrisch. Die Curie – Temperatur steigt kontinuierlich<br />

mit steigender Titankonzentration von ca. 270 auf ca. 480 °C (siehe Abb. 6.10.).<br />

67


Abb. 6.10. die Kopplungskonstante kp, sowie die relative Dielektrizitätskonstante εr<br />

als Funktion des Ti / Zr - Verhältnisses<br />

PZT – Keramiken hängen in ihren Eigenschaften stark von Dotierungen ab. Diese<br />

liegen <strong>zur</strong> Verbesserung der Eigenschaften in den meisten PZT – Keramiken in<br />

Konzentrationen zwischen 0.05 bis 5 % vor.<br />

Im einzelnen sind folgende Dotierungen möglich:<br />

Ti 4+ , Zr 4+ Donordotierungen: Nb 5+ , Ta 5+ , Sb 5+<br />

Akzeptordotierungen: Co 3+ , Fe 3+ , Sc 3+ , Ga 3+ , Cr 3+ , Mn 3+/2+ , Cu 2+ ,<br />

Mg 2+<br />

Pb 2+ Donordotierungen: Ca 3+ , Bi 3+ , Nd 3+<br />

Akzeptordotierungen: K + , Rb +<br />

68


Akzeptordotierungen führen zu Sauerstoffleerstellen. Sauerstoffionen formen ein<br />

kontinuierliches Gitter, die Ionen können sich daher leicht auf benachbarte<br />

Leerstellen begeben <strong>und</strong> sind daher mobil.<br />

Donordotierungen führen zu Bleileerstellen. Diese sind getrennt durch<br />

Sauerstoffionen <strong>und</strong> daher weit stabiler, d. h. können sich weniger gut bewegen.<br />

Akzeptordotierung:<br />

2Fe , V•• +′<br />

3<br />

Ti<br />

0<br />

Fe 3+ nimmt Ti 4+ -Plätze ein <strong>und</strong> ist daher gegenüber dem ungestörten Gitter einfach<br />

negativ geladen. Für zwei eingebaute Fe 3+ - Ionen bildet sich eine<br />

Sauerstoffleerstelle; diese ist gegenüber dem ungestörten Gitter zweifach positiv<br />

geladen.<br />

Donordotierung:<br />

•<br />

2La , V<br />

3+<br />

Pb ′<br />

Pb<br />

La 3+ nimmt Pb 2+ -Plätze ein <strong>und</strong> ist daher gegenüber dem ungestörten Gitter einfach<br />

positiv geladen. Für zwei eingebaute La 3+ -Ionen bildet sich eine Bleileerstelle; diese<br />

ist gegenüber dem ungestörten Gitter zweifach negativ geladen.<br />

Sowohl bei Akzeptor als auch bei Donordotierung bilden sich Dipole aus. Da<br />

Bleileerstellen beweglicher sind als Sauerstoffleerstellen sind die gebildeten Dipole<br />

bei Donordotierung stabiler. Stabile Dipole stabilisieren die Domänenstruktur; dies<br />

führt zu einer Abnahme von dielektrischen <strong>und</strong> mechanischen Verlusten <strong>und</strong> zu<br />

einem steigenden Kopplungsfaktor (Wirkungsgrad).<br />

69


6.3.4. Herstellung von Bleizirkonattitanatkeramik<br />

Die Herstellung von Bleizirkonattitanatkeramik erfolgt zunächst analog zu der von<br />

BaTiO3. Zu beachten ist hierbei stets, dass Bleiverbindungen relativ niedrigen<br />

Dampfdruck haben, d. h. <strong>zur</strong> Verflüchtigung neigen <strong>und</strong> weiterhin leicht zum Metall<br />

reduziert werden.<br />

1. Reaktionsbrand (auch inkl. Dotierung)<br />

PbO, Pb3O4, PbO2, PbCO3 + ZrO2 + TiO2<br />

2. Mahlen<br />

3. plastifizieren (organisch)<br />

4. Formgebung<br />

5. Ausbrennen des Plastifizierers<br />

6. Sintern bei 1150 – 1300 °C<br />

70<br />

900° C<br />

⎯⎯⎯⎯→ Pb(Zr, Ti)O3<br />

7. Metallisierung: Aufdrucken von Silberpaste oder Sputtern (Ni, Ni / Cu oder<br />

Au)<br />

8. Polarisieren: 1 – 4 MV / m bei 100 – 150 °C in Öl, dann bei<br />

angelegtem Feld abkühlen.<br />

Bereits bei dem Reaktionsbrand spielt die Bleiverdampfung eine erhebliche Rolle.<br />

0.01La O + Pb(Zr,Ti)O → (Pb La V′′<br />

)(Ti,Zr)O + 0.03PbO<br />

2 3 3 0.97 0.02 O0.01<br />

3<br />

Der PbO Überschuss von 0.03 wird dabei durch die Bleiverdampfung kompensiert.<br />

Traditionell geht man beim Sintern folgendermaßen vor:<br />

Ein großer kompakter, isostatisch gepresster PZT Grünling mit einem PbO-<br />

Überschuss von 2 – 3 % wird in PZT-Pulver eingebettet <strong>und</strong> bei 1300 °C zu<br />

einer Dichte > 95 % gesintert. Hierbei erhält man Kristallitgrössen von 5 – 20<br />

µm. Die kompakte Keramik wird mit einer Innenlochsäge zerteilt.<br />

Heute kann durch Verwendung sinteraktiver Pulver die Sintertemperatur auf 1150 °C<br />

abgesenkt werden. Hierdurch wird die Bleiverdampfung minimiert (siehe Abb. 6.11.).<br />

Dies ermöglicht auch die Herstellung von PZT – Folien.


Abb. 6.11. Dampfdruck von PbO. A: reines PbO, B: PbZrO3, C: Pb(Zr, Ti)O3, D:<br />

PbTiO3.<br />

71


Sinteraktive PZT – Pulver<br />

Können im Prinzip mit einer Vielzahl von chemischen Verfahren hergestellt werden<br />

1. TiO2 aus Flammpyrolyse<br />

(großtechnische Herstellung von Pigmenten kleinster Partikelgröße (20 nm)<br />

ZrO2 aus Präzipitation<br />

2<br />

(ZrCl4 HO<br />

2<br />

⎯⎯⎯→ ZrOCl2 −2HCl<br />

HO<br />

−2HCl<br />

2. Kopräzipitation<br />

Lösung aus Bleiacetat, Zirkonylacetat, Titanylsulfat<br />

Kopräzipitation mit Oxalsäure (gemeinsame Füllung)<br />

3. Sol-Gel-Verfahren<br />

72<br />

⎯⎯⎯→ Zr(OH)4 → ZrO2<br />

Alkoholische Lösung aus Bleiacetat, Titan- <strong>und</strong> Zirkonalkoholaten,<br />

dann Hydrolyse <strong>und</strong> Polykondensation<br />

Herstellung von Multilayer Piezokeramik<br />

- Herstellung sinteraktiven Pulvers<br />

- Foliengießen (Doktor-Blade-Verfahren)<br />

- Siebdruck von Elektroden mit Silber / Palladium – Pasten<br />

- Laminieren der Folien<br />

- Ausbrennen des Binders<br />

- Sintern bei Temperaturen ≤ 1150 °C<br />

Der Preis von Silber / Palladium Pasten steigt sehr stark mit steigendem<br />

Palladiumgehalt (1 g Pd: 10 EURO, 1 g Ag: 0.1 EURO). Gleichzeitig steigt der<br />

Schmelzpunkt linear mit dem Pd – Gehalt (Tm (Ag): Pd, Tm(Pd): Pd). Da deutlich<br />

unterhalb des Schmelzpunktes der Legierung gesintert werden muss, kann durch<br />

Absenkung der Sintertemperatur, eine Legierung mit niedrigerem Pd-Gehalt<br />

verwendet werden, was erhebliche Kostenvorteile bringt. Gleichzeitig ist dann mehr<br />

Aufwand bei der Pulversynthese nötig.


Die tetragonale Verzerrung des Gitters ist bei PZT viel größer als bei BaTiO3<br />

(c-Achse länger als a, b-Achse). Typische Werte für elektrische Eigenschaften sind:<br />

PZT: εr: 730, TC: 386 °C, kD = 0.53<br />

Pb0.94 Sr0.06 Zr0.53 Ti0.47: εr = 1300, TC = 328 °C, kD = 0.58<br />

Eisendotierungen führen zu kleineren Verlusten <strong>und</strong> verbessern das<br />

Hochfrequenzverhalten, Chromdotierungen das Alterungsverhalten (Wanderung der<br />

Domänenwände). Beste Eigenschaften zeigt Nd-dotiertes PZT.<br />

6.3.5. Weitere Piezokeramiken<br />

Es gibt zahlreiche weitere Piezokeramiken, die gegenüber dem weit verbreiteten <strong>und</strong><br />

gut optimierten PZT-System vor allem den Vorteil weit höherer Curie-Temperaturen<br />

haben.<br />

Bleiniobat<br />

Bleiniobat hat Wolframbronzenstruktur, eine Curie-Temperatur von 560 °C ist aber<br />

thermodynamisch nicht stabil. Durch Zugabe von 2 % ZrTiO4 <strong>und</strong> schnelles Abkühlen<br />

kann es dennoch nahezu phasenrein erhalten werden.<br />

LiNbO3, LiTaO3<br />

LiNbO3 hat eine Curie-Temperatur von 1210 °C, LiTaO3 von 665 °C. Beide haben<br />

Ilmenitstruktur.<br />

LiNbO3 hat als einkristalliner Werkstoff Bedeutung <strong>und</strong> wird nach dem Czochralski-<br />

Verfahren aus der Schmelze gezogen, was Probleme bereitet, da LiNbO3<br />

inkongruent schmilzt. Es muss in Iridiumtiegeln bei T > 1600 °C unter Schutzgas<br />

(sonst oxidiert Iridium) gearbeitet werden. Hierbei entsteht elektronenleitendes<br />

LiNbO3, welches später bei 1400 °C an Luft getempert wird <strong>und</strong> wieder Sauerstoff<br />

aufnimmt. Einkristallines LiNbO3 wird vor allem für die Optoelektronik hergestellt.<br />

Bleimagnesiumniobat PMN<br />

Ist eigentlich nicht piezoelektrisch, sondern elektrostriktiv. Es ist ein Mischkristall aus<br />

Pb (Mg1/3Nb2/3)O3 <strong>und</strong> PbTiO3. ( )<br />

0.9Pb(Mg Nb O ⋅ 0.1PbTiO ). Elektrostriktion,<br />

73<br />

1/3 2/3 3 3


d. h. die Veränderung der makroskopischen Dimensionen bei Anlegen eines<br />

elektrischen Feldes ist eine allgemeine Eigenschaft vieler Festkörper <strong>und</strong> hat mit<br />

Piezoelektrizität nichts zu tun. Bei PMN ist diese Eigenschaft besonders ausgeprägt<br />

(es sind eine Längenänderung von ca. 10 % der von PZT möglich).<br />

Abbildung 6.12. zeigt Längenänderungen als Funktion des angelegten elektrischen<br />

Feldes bei PZT <strong>und</strong> PMN.<br />

Abb. 6.12. Längenänderungen als Funktion des angelegten elektrischen Feldes<br />

bei PZT <strong>und</strong> PMN.<br />

Bei PMN tritt keine Hysterese auf, da keine permanente Polarisierung <strong>und</strong> kein<br />

Umklappen von Domänen erfolgt.<br />

74


6.3.6. Anwendungen von Piezokeramiken<br />

Es sollen im Folgenden einige Anwendungen von Piezokeramiken kurz besprochen<br />

werden:<br />

1. Wandler mechanisch → elektrisch<br />

Durch Aufbringen einer mechanischen Kraft wird eine mechanische Spannung<br />

erzeugt, die zu einer elektrischen Spannung führt. Hierbei wird entweder ein<br />

Impuls (Funke: Zünder, Feuerzeug) oder ein periodisches Signal<br />

(Tonabnehmer, Klopfdetektor, Mikrophon) erhalten.<br />

In Abb. 6.13. ist ein Wandler schematisch dargestellt. Er besteht aus zwei<br />

entgegengesetzt polarisierten Piezokeramiken, die übereinander angeordnet<br />

<strong>und</strong> durch eine Metallisierungsschicht getrennt sind. Es werden Spannungen<br />

von ca. 10 kV erzeugt, die <strong>zur</strong> Funkenentladung führen.<br />

Abb. 6.13. Mechanisch / elektrischer Wandler <strong>zur</strong> Erzeugung von Funken<br />

75


Bewegungs- <strong>und</strong> Beschleunigungssensoren<br />

Hier treten vergleichsweise kleine Kräfte auf, die aufgr<strong>und</strong> der Konstruktion des<br />

Sensors, größere elektrische Signale liefern sollen. Diese Sensoren sind oftmals<br />

bipolar aufgebaut.<br />

Abb. 6.14. Beschleunigungs- <strong>und</strong> Bewegungssensoren<br />

76


2. Wandler elektrisch → mechanisch<br />

Diese haben primär die Aufgabe kleine Bewegungen exakt auszuführen. Sie<br />

werden beispielsweise eingesetzt für:<br />

- Rastertunnelmikroskop<br />

- hochpräzise Positionier- <strong>und</strong> Bearbeitungsmaschinen<br />

- Ink – Jet Drucker<br />

- Teleskopspiegel<br />

Oftmals wird hierbei ein Vielschichtaufbau eingesetzt (geringere Spannungen nötig)<br />

3. Piezoelektrische Umformer<br />

werden als kleinste Transformatoren eingesetzt<br />

Abb. 6.14. Piezoelektrischer Umformer<br />

77


4. Lautsprecher<br />

Piezolautsprecher haben bisher vergleichsweise niedrige Tonqualität. In<br />

Ultraschallbereich in Resonanz (Ultraschallgeber) sind sie aber anderen<br />

Bauprinzipien überlegen)<br />

Abb. 6.15. Piezoelektrischer Lautsprecher<br />

78


5. Hydrophone<br />

Hydrophone detektieren niederfrequente Druckänderungen in Flüssigkeiten<br />

oder aber sie werden für die Ultraschalldiagnostik eingesetzt.<br />

Abb. 6.16. Piezoelektrisches Hydrophon (Mooney)<br />

Daneben gibt es auch zahlreiche andere Konstruktionen, beispielsweise solche aus<br />

periodisch angeordneten (parallelen) piezoelektrischen Fasern, die in elastische<br />

Polymere eingebettet sind.<br />

79


6. Stoßdämpfer<br />

Piezoelektrische Stoßdämpfer sind aus einem Sensor <strong>und</strong> einem Aktor<br />

aufgebaut. Meldet der Sensor Druck, wird der Aktor angesteuert. Dieser wirkt<br />

dem Druck entweder entgegen (harte Dämpfung) oder er gibt ihm nach<br />

(weiche Dämpfung). Zwischen diesen beiden Varianten kann je nach<br />

Anforderung gewählt werden.<br />

Abb. 6.17. Piezoelektrischer Stoßdämpfer mit variablen Eigenschaften<br />

80


7. Piezomotor<br />

Das Prinzip eines Piezomotors ist in Abb. 6.18. gezeigt. Es basiert auf einer<br />

akustischen Oberflächenwelle (SAW), die den Rotor antreibt.<br />

Abb. 6.18. Prinzip des Piezomotors<br />

81

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!