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Zusammenfassung Nachweise - Institut für Ur- und Frühgeschichte ...

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<strong>Zusammenfassung</strong><br />

Sylvia Ulrich: Der Teppich von Bayeux. Ein Kunstwerk des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

<strong>und</strong> seine Bedeutung als Quelle <strong>für</strong> die Archäologie des Mittelalters.<br />

Der Teppich von Bayeux: Einführende Aspekte<br />

Der Teppich von Bayeux schildert auf einer erhaltenen Länge von 68,50 Metern die<br />

Vorgeschichte der Schlacht bei Hastings am 14. Oktober 1066, sowie die Eroberung<br />

Englands durch die Normannen unter Wilhelm dem Eroberer. Obwohl die Bezeichnung<br />

„Teppich von Bayeux“, die erstmals im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert fassbar ist, sich mittlerweile sowohl in<br />

der Forschung als auch unter den interessierten Laien durchgesetzt hat, handelt es sich<br />

nicht um einen Teppich oder Wandteppich im eigentlichen Sinne, da die Motive nicht gewebt<br />

sondern gestickt sind. Trotzdem wird im Folgenden der geläufige Begriff „Teppich“<br />

verwendet.<br />

Die Motive sind mit verschiedenfarbigen Wollfäden auf den leinenen Untergr<strong>und</strong> aufgestickt<br />

<strong>und</strong> werden von Bordüren mit teils figürlichen Darstellungen eingefasst, sowie von<br />

lateinischen Inschriften begleitet <strong>und</strong> erläutert. Die Inschriften weisen keinerlei wertende oder<br />

moralisierende Inhalte auf. Sie wirken lediglich als Unterstützung des bildlich Dargestellten<br />

<strong>und</strong> verdeutlichen das Geschehen. Wer die Stickerei in Auftrag gab, ist umstritten, vermutlich<br />

handelte es sich jedoch um den normannischen Bischof Odo von Bayeux (1032-1097), den<br />

Halbbruder Herzog Wilhelms. Der wohl maßgeblichste Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> diese Annahme ist die<br />

populäre Darstellung Odos auf dem Teppich von Bayeux, wo er sowohl als weltlicher als<br />

auch geistlicher Mann hohen Ranges erscheint. Aufgr<strong>und</strong> der Identifikation Odos als<br />

Auftraggeber, kann eine engere Datierung der Stickerei vorgenommen werden. Terminus<br />

post quem <strong>und</strong> Terminus ante quem stehen anhand der dargestellten Ereignisse (1066)<br />

einerseits <strong>und</strong> dem Tod Bischof Odos (1097) andererseits zur Verfügung. Eine jahrgenaue<br />

zeitliche Einordnung ist bisher nicht möglich, aufgr<strong>und</strong> der Lebensgeschichte Odos <strong>und</strong><br />

anderer Faktoren (wie mutmaßlich an der Entstehung beteiligte Personen) kann der<br />

Entstehungszeitraum der Stickerei jedoch zwischen 1072 <strong>und</strong> 1082 (Inhaftierung des<br />

Bischofs in Rouen mit anschließender Abschiebung) festgelegt werden.<br />

Die Mehrheit der modernen Forscher sieht Canterbury (Grafschaft Kent, Großbritannien), zu<br />

Odos Herrschaftszeit kirchliches <strong>und</strong> künstlerisches Zentrum des Landes, als Entstehungsort<br />

des Teppichs von Bayeux an. Als Produktionsstätte kann die Abtei St. Augustinus, gegründet<br />

um 597, angesprochen werden, die in gutem Kontakt mit Odo von Bayeux stand. Daneben<br />

sprechen stilistische Parallelen zwischen dem Teppich von Bayeux <strong>und</strong> dem St. Augustinus<br />

Evangelium (6. Jahrh<strong>und</strong>ert) <strong>für</strong> diese Vermutung. Eine normannische Herkunft, wie sie


esonders in der Vergangenheit angenommen wurde, konnte durch stilistische Vergleiche,<br />

Anglizismen in den Inschriften <strong>und</strong> die fehlende Legitimation der normannischen Invasion<br />

weitgehend widerlegt werden.<br />

Die Geschichte des Teppichs von Bayeux<br />

Die gute Erhaltung des Teppichs von Bayeux ist, besonders bezüglich der Entstehungszeit<br />

<strong>und</strong> des textilen Materials, erstaunlich. Doch betrachtet man die bewegte<br />

„Lebensgeschichte“ der Stickerei, so erscheint es noch verblüffender, dass sie nicht mehr<br />

Schaden davongetragen hat. Bereits ab 1476 wurde der Teppich nachweislich beim jährlich<br />

wiederkehrenden Fest der Reliquien vom ersten bis zum achten Juli in der Kathedrale von<br />

Bayeux aufgehängt <strong>und</strong> der Bevölkerung zur Schau gestellt. Sowohl unter Napoleon<br />

Bonaparte zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, als auch in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

wurde die Stickerei als Propagandawerk missbraucht, um Abstammung <strong>und</strong> Vorgehen zu<br />

legitimieren. Besonders in den Jahren 1939 bis 1945 war der Teppich von Bayeux<br />

zahlreichen Gefahren durch die Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.V. unter<br />

der Leitung von Reichsführer-SS Heinrich Himmler ausgesetzt, deren erklärtes Ziel es war,<br />

eine deutsche Herkunft des Werkes nachzuweisen.<br />

Der geschichtliche Hintergr<strong>und</strong><br />

Vergleicht man die dargestellten Ereignisse auf dem Teppich von Bayeux mit schriftlichen<br />

Quellen des 11. <strong>und</strong> 12. Jahrh<strong>und</strong>erts, so zeigt sich, dass diese die Begebenheiten mitunter<br />

anders überliefern. Ein Beispiel hier<strong>für</strong> ist der Eid auf die Reliquien von Bayeux, den Harald<br />

Wilhelm gegenüber leistet. Es besteht kein Zweifel, dass sich die Szene in Bayeux abspielt,<br />

da der Ort in der Inschrift genannt wird. Aus den Schriftquellen hingegen sind andere Orte<br />

als Schauplatz der Eidesleistung bekannt. So leistet Harald den Schwur in der Gesta<br />

Guillelmi ducis Normannorum et regis Anglorum des Wilhelm von Poitiers (verfasst zwischen<br />

1071 <strong>und</strong> 1077) in Bonneville-sur-Touques; in Ordericus Vitalis‘ Werk The Ecclesiastical<br />

History of Orderic Vitalis aus dem 12. Jahrh<strong>und</strong>ert wird Rouen als Ort des Schwurs<br />

angegeben. Es gibt verschiedene Mutmaßungen bezüglich der Verlegung der Szene nach<br />

Bayeux. Vermutlich sollte die Bedeutsamkeit <strong>und</strong> der Rang gerade dieser Reliquien<br />

besonders hervorgehoben werden, um den später folgenden Schwurbruch Haralds in<br />

direkten moralischen Zusammenhang mit seiner Niederlage in der Schlacht bei Hastings zu<br />

stellen.<br />

Auch die auf dem Teppich von Bayeux geschilderten zeitlichen Abläufe können nicht in allen<br />

Fällen als historisch korrekt angesehen werden. Die Ereignisse auf der Stickerei scheinen<br />

dichter aufeinander zu folgen, als dies in Wirklichkeit der Fall war. Eine genaue Chronologie<br />

ist jedoch aufgr<strong>und</strong> des Fehlens jeglicher Zeitangaben in den Inschriften kaum zu erstellen.


Ein Beispiel <strong>für</strong> ein zeitlich falsch eingeordnetes Ereignis ist die Darstellung des Halley’schen<br />

Kometen. Betrachtet man die zeitlichen Zusammenhänge, in denen der Komet auf der<br />

Stickerei erscheint, so entsteht der Eindruck, der Himmelskörper sei bereits im Januar des<br />

Jahres 1066, bei der Krönung Haralds, in England sichtbar gewesen. Moderne<br />

astronomische Untersuchungen des Astronomen Dr. Donald K. Yeomans vom Jet<br />

Propulsion Laboratory (California <strong>Institut</strong>e of Technology), die im April 2007 veröffentlicht<br />

wurden, belegen jedoch, dass der Komet erst ab März in Asien <strong>und</strong> Europa sichtbar war <strong>und</strong><br />

am 24. April 1066 die optimale Sichtbarkeit erreichte 1 . Es ist davon auszugehen, dass es<br />

sich hierbei nicht um ein Versehen des Künstlers handelt, sondern dass der<br />

„unheilbringende“ Charakter des Kometen als böses Omen eingesetzt wurde, um <strong>für</strong> die<br />

bevorstehenden Geschehnisse einen dramatischeren Effekt zu erzielen.<br />

Die archäologische Bedeutung des Teppichs von Bayeux<br />

In der Vergangenheit wurden meist Übersichtswerke über den Teppich von Bayeux verfasst,<br />

die die gesamte Bandbreite der bisherigen Forschung behandeln, so unter anderem die<br />

Datierung, die Frage nach dem Auftraggeber <strong>und</strong> die Handlung. Archäologische Ansätze<br />

finden sich häufig nur in Aufsätzen, die sich allgemein mit einer bestimmten F<strong>und</strong>gruppe des<br />

11. Jahrh<strong>und</strong>erts, beispielsweise mit Waffen, beschäftigen, <strong>und</strong> in denen der Teppich als<br />

ergänzende <strong>und</strong> vergleichende Quelle herangezogen wird. Erst im Jahr 2005 erschien mit<br />

The Archaeological Authority of the Bayeux<br />

Tapestry von Michael John Lewis der erste<br />

umfassende, archäologische Überblick, der<br />

auch quellenkritische Aspekte nicht außer<br />

Acht lässt 2 . Betrachtet man die bisherigen<br />

Publikationen, so kann gesagt werden,<br />

dass viele Forscher den Teppich von<br />

Bayeux als Primärquelle <strong>für</strong> die<br />

unterschiedlichsten Artefakttypen des 11.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts verwendeten, meist jedoch<br />

ohne eine ausreichend kritische Position<br />

einzunehmen.<br />

Die Quellenkritik ist selbstverständlich auch<br />

Die Streitaxt aus Marley Lane, East Sussex (Foto zur<br />

Verfügung gestellt vom Battle Museum of Local<br />

History). © Battle Museum of Local History.<br />

bei Bildquellen anzuwenden. Im Falle des Teppichs von Bayeux stellen sich besonders<br />

1 Yeomans, D. K.: Great Comets in History, http://ssd.jpl.nasa.gov/?great_comets Stand April 2007 (Abgerufen:<br />

27.04.2010).<br />

2 Lewis, M. J.: The Archaeological Authority of the Bayeux Tapestry. BAR British Series 404 (Oxford<br />

2005).


Fragen nach der künstlerischen Phantasie <strong>und</strong> eventuell angewandter Topoi, aber auch das<br />

relativ kleine Format der Stickerei sollte nicht unterbewertet werden, insbesondere wenn<br />

Detailfragen zu klären sind.<br />

Die Ermittlung geeigneter Vergleichsf<strong>und</strong>e gestaltet sich in einigen Bereichen schwierig,<br />

besonders wenn sich die Frage nach charakteristischen Details stellt, wie etwa bei den<br />

Alltagsgegenständen. Direkt mit den Darstellungen des Teppichs von Bayeux in<br />

Zusammenhang stehende Objekte, wie die in der Schlacht bei Hastings eingesetzten Waffen<br />

<strong>und</strong> Ausrüstungsgegenstände der englischen <strong>und</strong> normannischen Krieger, sind leider nicht<br />

überliefert. Auf dem Schlachtfeld in Battle, East Sussex, selbst fanden bis heute keine<br />

eingehenden archäologischen Ausgrabungen statt, lediglich zwei Zufallsf<strong>und</strong>e sind bekannt.<br />

Im Jahre 1935 wurden in der Nähe der St. Mary´s Church, die sich auf dem Gelände des<br />

Schlachtfelds befindet, menschliche Gebeine entdeckt, die jedoch bereits bei der Freilegung<br />

zerfielen. 1951 schließlich konnte in unmittelbarer Nähe des Schlachtfelds eine Streitaxt<br />

geborgen werden, die sich heute im Battle Museum of Local History befindet 3 .<br />

Bewaffnung<br />

Im Hinblick auf die kriegerische Ausrüstung erweist sich der Teppich von Bayeux in vielen<br />

Punkten insofern als authentische Quelle, als dass die Darstellungen mit tatsächlich<br />

überlieferten Objekten in Einklang zu bringen sind. Ein Problem stellt sich jedoch hinsichtlich<br />

der zeitlichen Einordnung der dargestellten Waffen <strong>und</strong> Rüstungsteile, da diese häufig<br />

früheren Formen entsprechen, wie etwa die mehrlappigen Schwertknäufe, die überwiegend<br />

Ein Nasalhelm auf dem Teppich von Bayeux. <strong>und</strong> ein<br />

Vergleichsf<strong>und</strong> aus Mähren (11. Jh.). Links: Raven banner<br />

(Bayeux Tapestry)¹ aus Wikimedia² Autor= Brianann<br />

MacAmhlaidh³ Lizenz: PD 4 . Rechts: Moravian Nasal Helmet, 11th<br />

Century 5 aus Wikimedia 2 Autor= Sandstein 6 Lizenz: CC 7 .<br />

dem 9. <strong>und</strong> 10. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zugeordnet werden können,<br />

sowie die dargestellten kleinen<br />

Bögen, die im 11. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

bereits durch die Langbögen<br />

abgelöst waren. Doch auch aus<br />

der zeitgenössischen Kunst<br />

übernommene Elemente sind<br />

erkennbar, etwa die<br />

Kettenhosen. Ausnahmen bilden<br />

die abgebildeten Helme mit<br />

Nasal <strong>und</strong> die drachenförmigen<br />

Schilde, hier ist die Entwicklung<br />

in der Bewaffnung<br />

wiedergegeben, wie sie im 11.<br />

3 E-Mail-Korrespondenz mit F. Carver (I.T. Development Battle Museum) vom 17.12.2008.


Jahrh<strong>und</strong>ert tatsächlich stattgef<strong>und</strong>en hat. Besonders die Tatsache, dass das Nasal erst ab<br />

dem 12. Jahrh<strong>und</strong>ert in der Buchmalerei erscheint, <strong>und</strong> dieses Element somit kaum aus<br />

zeitgenössischen Quellen bekannt gewesen sein kann, spricht <strong>für</strong> die Wiedergabe einer<br />

tatsächlich gebräuchlichen Form. Insgesamt kann gesagt werden, dass der Künstler<br />

Ausdrucksschemata übernahm, daneben jedoch auch die Ausrüstung des zeitgenössischen<br />

Kriegers darstellte, die er möglicherweise sogar mit eigenen Augen sah. In welchem<br />

Verhältnis dies geschah, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten, da verschiedene<br />

Komponenten, beispielsweise die kleinen Flügel einiger Speerspitzen, sowohl in der Kunst<br />

des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts, als auch im archäologischen Bef<strong>und</strong> vorkommen.<br />

Die Unterschiede in der Darstellung der sowohl von Normannen als auch von Engländern<br />

genutzten Angriffswaffen sind gering. Schwerter beispielsweise weisen keine<br />

charakteristischen Merkmale auf, die eine Zuordnung zu einer der Armeen erlauben. Die<br />

Ausrüstung der Engländer mit Streitäxten ist ein Attribut, das zahlreiche Übereinstimmungen<br />

in anderen Quellen findet. Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Künstler<br />

diese Waffe gezielt dazu einsetzte, die Engländer in der Schlacht zu kennzeichnen. Es ist<br />

somit fraglich, ob die Normannen die Axt tatsächlich nicht gebrauchten, oder ob sie aufgr<strong>und</strong><br />

dieser Unterscheidung nicht abgebildet wurde.<br />

Eine eindeutige Zuweisung zu den beteiligten Nationen ist auch bei den Schutzwaffen nicht<br />

problemlos möglich. Der R<strong>und</strong>schild 4 , auf dem Teppich von Bayeux Teil der<br />

angelsächsischen Ausrüstung, war zum Teil sicherlich auch bei den Normannen im Einsatz.<br />

Hier muss demnach mit einer Differenzierung zugunsten der visuellen Klarheit, in diesem<br />

Fall der Unterscheidung der beiden Heere, gerechnet werden. Dies geht auch aus anderen<br />

zeitgenössischen Quellen hervor, die sich mit der Darstellung des Schlachtgeschehens<br />

beschäftigen, <strong>und</strong> bei denen eine derartige Unterscheidung anhand der Waffengattungen<br />

nicht erkennbar ist.<br />

Eine deutliche Abweichung sowohl von zeitgenössischen schriftlichen Quellen als auch von<br />

den Ergebnissen der archäologischen Forschung stellt die große Zahl von Helmen <strong>und</strong><br />

Kettenhemden auf dem Teppich von Bayeux dar. Während die Schriftquellen diese<br />

Bestandteile der kriegerischen Ausrüstung als besonders kostbar <strong>und</strong> somit der militärischen<br />

Elite vorbehalten schildern, sind auf der Stickerei nahezu alle Soldaten mit Helm <strong>und</strong><br />

Kettenhemd gerüstet. Dies dürfte kaum der Fall gewesen sein, viel eher kann davon<br />

ausgegangen werden, dass tatsächlich lediglich die Krieger der höheren sozialen Schichten,<br />

wie etwa die englischen Housecarls, eine Art persönliche Leibwache des Königs, über<br />

4 R<strong>und</strong>schilde sind auf dem Teppich von Bayeux konvex dargestellt, wohl um eine bessere<br />

Seitenansicht zu gewährleisten. F<strong>und</strong>e, beispielsweise vom Gokstadschiff (um 900) zeigen, dass der<br />

R<strong>und</strong>schild flach war, was erhebliche Vorteile hatte. So wurde etwa der Schlag des Gegners nicht<br />

gegen den Schildträger geleitet, wie es bei der konvexen Form der Fall wäre.


derartige Panzerungen verfügten, der Rest des Heeres hingegen mit einfachen, gepolsterten<br />

Gewändern ausgestattet war.<br />

Kleidung<br />

Die textilen Fragmente, die aus archäologischen Ausgrabungen bekannt sind, eignen sich<br />

zumeist lediglich zur Bestimmung verwendeter Materialien, im Falle der späten<br />

angelsächsischen Zeit primär Wolle, daneben jedoch auch Leinen <strong>und</strong> Seide, sowie zum<br />

Nachweis angewandter Herstellungstechniken. Sie geben jedoch kaum Aufschluss über das<br />

Aussehen des ehemaligen Kleidungsstückes selbst. Hier<strong>für</strong> stehen uns Bildquellen zur<br />

Verfügung. Der Teppich von Bayeux eignet sich in dieser Hinsicht sehr gut als<br />

Informationsquelle, da er überwiegend die reale Kleidung des späten 11. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

(ausgenommen einiger Details wie Verzierungen oder Schmuck) wiedergibt. Dies zeigt sich<br />

bei der Betrachtung der einzelnen Kleidungsstücke, die zwar sowohl „altertümliche“<br />

Elemente wie die Phrygischen Kappen beinhalten, ebenso jedoch Bestandteile der typischen<br />

spätangelsächsischen Kleidung, beispielsweise die Gewänder der Geistlichen. Zusätzlich<br />

finden sich auf dem Teppich Hinweise auf modische Veränderungen <strong>und</strong> Neuerungen, die<br />

uns als primärer Anhaltspunkt <strong>für</strong> die Authentizität des Werks dienen. Die Form der Tuniken<br />

mit ger<strong>und</strong>etem Halsausschnitt, geschlitztem Vorderteil <strong>und</strong> v-förmig eingefassten Säumen<br />

kann hier ebenso genannt werden wie die Kleidung der Frauen mit langen, weiten Ärmeln,<br />

die als typisch <strong>für</strong> die Zeit nach der normannischen Eroberung angesehen werden kann 5 .<br />

Auch bei der Betrachtung der Fibeln zeigen sich Parallelen zu archäologisch überlieferten<br />

Stücken. Zwei<br />

spätangelsächsische<br />

Scheibenfibeln aus Quidenham<br />

(Norfolk) <strong>und</strong> Micheldever<br />

(Hampshire) weisen verblüffende<br />

Übereinstimmungen mit einer<br />

Darstellung auf dem Teppich von<br />

Bayeux auf 6 . Sowohl die bildlich<br />

wiedergegebene Fibel als auch die<br />

überlieferten Objekte sind in<br />

mehrere Segmente unterteilt, ein<br />

Detail, das in kaum einer anderen<br />

zeitgenössischen Abbildung zu<br />

finden ist. Dieser Umstand könnte<br />

5 Vgl. hierzu auch Lewis 2005, S. 74ff.<br />

6 Vgl. auch Lewis 2005, S. 79.<br />

Die unterteilte, mehrfarbige Fibel auf dem Teppich von Bayeux im<br />

Vergleich mit einer ebenfalls segmentierten Scheibenfibel aus<br />

Micheldever, Hampshire (Foto zur Verfügung gestellt vom Portable<br />

Antiquities Scheme). Links: Harold Bayeux Tapestry 8 aus Wikimedia 2<br />

Autor= LadyofHats 9 Lizenz: PD 4 . Rechts: © Portable Antiquities<br />

Scheme.


durchaus darauf hindeuten, dass dem Künstler ein solches Stück aus erster Hand bekannt<br />

war, er es mit eigenen Augen sah <strong>und</strong> diese Beobachtung in sein Werk einfließen ließ.<br />

Architektur<br />

Da die Gebäude zur Zeit der Entstehung des Teppichs von Bayeux hauptsächlich aus Holz<br />

bestanden, sind uns kaum Bauten überliefert, ein Umstand, der die Bedeutung von<br />

schriftlichen <strong>und</strong> bildlichen Quellen zur Rekonstruktion der damaligen Bauweise beträchtlich<br />

erhöht. Leider kann auch der Teppich von Bayeux nicht in allen Fällen als geeignete Quelle<br />

betrachtet werden, da selbst die namentlich genannten Bauwerke zumeist keinerlei<br />

Übereinstimmungen mit den überlieferten Strukturen aufweisen <strong>und</strong> somit – im Vergleich mit<br />

archäologischen Bef<strong>und</strong>en – lediglich allgemeine Informationen, etwa über Befestigungen,<br />

gewonnen werden können. Auch die überwiegend stilisierte Wiedergabe der ländlichen<br />

Wohnhäuser, die vom Entwerfer wohl als typische englische Gebäude seiner Zeit angesehen<br />

wurden, erlaubt keine detaillierte Interpretation, es ist nicht mit Sicherheit festzustellen, in wie<br />

weit künstlerische Konventionen <strong>und</strong> die Abbildung realer Bauwerke ineinandergreifen. Da<br />

uns, bezogen auf die ländlichen Wohnhäuser, auf dem Teppich von Bayeux lediglich<br />

Außenansichten zur Verfügung stehen, können wir nur gr<strong>und</strong>legende Aussagen über die<br />

wiedergegebenen Bauten treffen. Fragen nach der Raumaufteilung <strong>und</strong> der<br />

Innenausstattung können ohne weitere Anhaltspunkte nicht beantwortet werden.<br />

Die Darstellungen auf dem Teppich von Bayeux weisen, bezogen auf die Kirche in Bosham<br />

<strong>und</strong> den Mont-Saint-Michel, kaum Übereinstimmungen mit den erhaltenen oder<br />

nachweisbaren Strukturen auf. Hier scheint der Künstler Kirchenbauten in symbolischer<br />

Weise anhand von Vorlagen wiedergegeben zu haben. Die Platzierung des Mont-Saint-<br />

Michel auf der Erhebung ist ein Hinweis, dass dem Künstler die Lage des Klosters bekannt<br />

war, dies bedeutet jedoch nicht, dass er auch tatsächlich das genaue Aussehen des Baus<br />

abbildete. Vielmehr muss hier, wie auch im Falle Boshams, von der Darstellung eines<br />

allgemein als Kirche interpretierbaren Bauwerkes ausgegangen werden, der konkrete<br />

Standort erschließt sich demnach erst durch die beigefügten Inschriften. Vermutlich haben<br />

die Bauwerke auf dem Teppich eher eine kompositorische als eine repräsentative Funktion.<br />

Die einzige Ausnahme bildet die Westminster Abbey, die in einigen Punkten mit der<br />

ergrabenen <strong>und</strong> erhaltenen Bausubstanz in Einklang gebracht werden kann 7 , <strong>und</strong> deren<br />

Darstellung wohl tatsächlich das zeitgenössische Gebäude wiederspiegelt. Besonders die<br />

Tatsache, dass es sich bei dieser Kirche um einen der ersten romanischen Bauten Englands<br />

handelte, wie auch aus der Darstellung auf der Stickerei ersichtlich wird, ist ein Hinweis auf<br />

7 Siehe hierzu auch Blockley, K.: Westminster Abbey: Anglo-Saxon Masonry below the Cosmati<br />

Pavement. Archaeological Journal 160 (2003) 223-233.


die Wiedergabe ebendieser Kirche. Andere Bauwerke dieses Stils, die dem Künstler als<br />

Leitbild gedient haben könnten, existierten praktisch nicht.<br />

Die Außenansicht der Westminster Abbey auf dem Teppich von Bayeux. Ein Mann bringt soeben den Wetterhahn<br />

an, über der Kirche ist die Hand Gottes zu sehen, die die Weihe versinnbildlicht. Rechts eine<br />

Rekonstruktionszeichnung der Westminster Abbey im 11. Jh. (Zur Verfügung gestellt von Dom Andrews). Links:<br />

Bayeux Edward Funeral 10 aus Wikimedia 2 Autor= Magnus Manske 11 Lizenz: PD 4 . Rechts: © Dom Andrews.<br />

Der Palast in Westminster wurde, wie auch die anderen Residenzen, sehr stark stilisiert. Es<br />

scheint, als ginge es dem Künstler nicht so sehr<br />

darum, konkrete Gebäude abzubilden,<br />

vermutlich lag ihm mehr daran, die handelnden<br />

Personen in einer entsprechenden Umgebung<br />

zu zeigen. Hier<strong>für</strong> spricht auch die wenig<br />

konstante Wiedergabe desselben Bauwerks,<br />

die eine Interpretation zusätzlich erschwert.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der schematischen Darstellungen, zu<br />

denen sich auch in illustrierten Manuskripten,<br />

so etwa in Junius 11 (950-1000) aus<br />

Canterbury, zahlreiche Parallelen finden, kann<br />

davon ausgegangen werden, dass es sich<br />

hierbei tatsächlich um eine Sammlung<br />

architektonischer Elemente der<br />

zeitgenössischen Kunst handelt.<br />

Hinsichtlich der namentlich genannten<br />

Befestigungen auf dem Teppich von Bayeux<br />

können kaum Parallelen zu erhaltenen oder<br />

ergrabenen baulichen Strukturen beobachtet<br />

werden. Es ist wahrscheinlich, dass der<br />

Künstler Motten abbildete, wie sie zur Zeit der<br />

Der Vergleich eines Details des Westminster<br />

Palace aus dem Teppich von Bayeux <strong>und</strong> der<br />

Darstellung eines Palastes aus dem Manuskript<br />

Junius 11 (950-1000) aus Canterbury (zur<br />

Verfügung gestellt von der Bodleian Library,<br />

University of Oxford). Links: ©Dieter<br />

Schütz/PIXELIO 12 . Rechts: MS. Junius 11, p. 51 ©<br />

Bodleian Library, University of Oxford.


Entstehung der Stickerei wohl auch in England zahlreich zu sehen gewesen sein dürften. Die<br />

Wiedergabe solcher Befestigungen als Symbol <strong>für</strong> die Verteidigungsanlagen der in den<br />

Inschriften genannten Städte liegt somit nahe. Obwohl der Teppich von Bayeux sich nicht <strong>für</strong><br />

den direkten Vergleich mit den die Inschriften betreffenden Bauwerken eignet, wurde das<br />

Aussehen der dargestellten Motten jedoch von realen Gebäuden beeinflusst. Der Vergleich<br />

mit archäologisch nachgewiesenen Strukturen eröffnet zahlreiche Übereinstimmungen, die<br />

allgemeine Aussagen über den Befestigungsbau des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts zulassen.<br />

Gegenstände des Alltags<br />

Die Erforschung der Alltagsgegenstände stellt sicherlich einen der interessantesten Aspekte<br />

innerhalb der Archäologie des Mittelalters dar, da sie wie kaum ein anderer Bereich das<br />

tägliche Leben der damaligen Menschen erhellt. Bezogen auf die zeitgenössischen<br />

Werkzeuge stellt der Teppich von Bayeux hierbei eine brauchbare Quelle dar, die es erlaubt,<br />

archäologische Erkenntnisse zu untermauern, etwa im Zusammenhang mit den zum<br />

Schiffsbau verwendeten Äxten <strong>und</strong> Beilen. Der Künstler unterschied ganz offensichtlich<br />

zwischen den auch archäologisch differenzierbaren Fälläxten <strong>und</strong> den Werkzeugen zur<br />

anschließenden Bearbeitung des Holzes, was den Darstellungen eine gewisse<br />

Glaubwürdigkeit verleiht. Auch die in spätangelsächsischen Buchmalereien extrem selten<br />

vorkommende Wiedergabe des Bootsbaus deutet darauf hin, dass der Künstler eine gewisse<br />

Kenntnis dieser handwerklichen Tätigkeit besaß.<br />

Die abgebildeten landwirtschaftlichen Gerätschaften (Pflug <strong>und</strong> Egge) lassen sich recht gut<br />

mit den archäologischen Bef<strong>und</strong>en in Einklang bringen. Besonders interessant ist die<br />

Darstellung der Zugtiere mit Kummetgeschirr <strong>und</strong> Sielengeschirr, da die unterschiedlichen<br />

Anspannungstechniken einen Fortschritt innerhalb des Agrarwesens wiederspiegeln. Da die<br />

Feldarbeit jedoch ein beliebtes Kunstmotiv ist, wie zahlreiche Monatsbilder aus dem<br />

gesamten Mittelalter zeigen, sollten auch hier bildliche Vorlagen nicht außer Acht gelassen<br />

werden.<br />

Ein anderes Bild bietet sich hingegen bei der Betrachtung des Tischgeschirrs: zu stilisiert<br />

erscheinen die Objekte, als dass konkrete Aussagen über Form oder Material getroffen<br />

werden könnten. Da nicht die Darstellung der Objekte, sondern vielmehr die Abbildung der<br />

Mahlzeit als Teil des gesellschaftlichen Lebens im Vordergr<strong>und</strong> steht, wurden Details, die<br />

eine Identifikation bestimmter Merkmale erlauben, in den meisten Fällen weggelassen.<br />

Besonders die einfachen Schalen, Schüsseln <strong>und</strong> Becher eignen sich nicht <strong>für</strong> einen<br />

Vergleich mit überlieferten Geschirrformen, da diese häufig lediglich anhand<br />

charakteristischer Details wie Randformen oder Verzierungen zu unterscheiden sind.


Die Schiffe<br />

Im Vergleich mit den materiellen<br />

Überresten von Schiffen scheint der<br />

Teppich von Bayeux eine stilisierte<br />

Form des zeitgenössischen,<br />

klinkergebauten Typs mit<br />

überlappenden Planken –<br />

symbolisiert durch unterschiedlich<br />

gefärbte, horizontale Bänder –<br />

widerzuspiegeln. Es finden sich<br />

Elemente verschiedener<br />

Schiffsarten, beispielsweise die<br />

unterbrochene Dollbordlinie, wie sie<br />

bei Handelsschiffen zu erwarten<br />

wäre, oder die verzierten<br />

Stevenenden, ein Charakteristikum<br />

Die Rekonstruktionszeichnung des dänischen<br />

Handelsschiffes Skuldelev 1 erlaubt einen Blick auf den<br />

mittschiffs freigehaltenen Bereich <strong>für</strong> die Ladung.<br />

Interessant ist der dargestellte Transport von Tieren,<br />

darunter auch ein Pferd. Zeichnung von Morten Gøthche. ©<br />

Vikingeskibsmuseet i Roskilde.<br />

Ein Schiff auf dem Teppich von Bayeux. Die unterschiedlich<br />

gefärbten Bänder stehen <strong>für</strong> die Klinkerbauweise. Deutlich zu<br />

erkennen sind die unterbrochene Dollbordlinie, die offenen<br />

Riemenlöcher sowie die figürlich gehaltenen Stevenenden.<br />

Flotte normande 13 aus Wikimedia 2 Autor= Ludo29 14 Lizenz:<br />

prunkvoller Zeremonienschiffe. Es scheinen des Weiteren die Einflüsse unterschiedlicher<br />

Schiffsbaugebiete wiedergegeben zu sein, die symmetrische Form des Rumpfes mit<br />

gebogenem Kiel <strong>und</strong> ausgezogenen Steven sind eindeutig nordisch einzustufen <strong>und</strong> können<br />

durch F<strong>und</strong>e skandinavischer Schiffe des 9. bis 11. Jahrh<strong>und</strong>erts belegt werden. Daneben<br />

PD 4 .<br />

finden sich jedoch auch<br />

Übereinstimmungen mit Bauformen,<br />

wie sie von Schiffen angelsächsischer<br />

Herkunft bekannt sind; diese ähneln<br />

den skandinavischen jedoch sehr, ein<br />

Hinweis, dass die nordische Technik<br />

auch in diesen Regionen bekannt war.<br />

Insgesamt sind die Schiffe aus der Zeit<br />

der normannischen Eroberung wohl<br />

noch stark vom wikingerzeitlichen Typ<br />

geprägt, weisen jedoch besonders im<br />

technischen Bereich auch einige<br />

Verfeinerungen auf. Der Teppich von<br />

Bayeux wird häufig als eine der<br />

bedeutendsten Quellen <strong>für</strong> die<br />

Erforschung der mittelalterlichen<br />

Schifffahrt angesehen. Sieht man von


Detailfragen ab, so zeigen sich bei der Betrachtung der Stickerei tatsächlich zahlreiche<br />

Parallelen mit den überlieferten Schiffen des 9. bis 11. Jahrh<strong>und</strong>erts. Es ist wohl davon<br />

auszugehen, dass der Künstler zumindest gr<strong>und</strong>legende Kenntnisse der zeitgenössischen<br />

Schiffskonstruktionsweise hatte, wie etwa die Wiedergabe der Klinkerbauweise zeigt. Es<br />

finden sich jedoch auch bei den Schiffsdarstellungen Übernahmen aus der zeitgenössischen<br />

Kunst. Besonders zu den figürlich verzierten Stevenenden können Parallelen im Old English<br />

Hexateuch (11. Jahrh<strong>und</strong>ert) sowie in Junius 11 (spätes 10. Jahrh<strong>und</strong>ert) aufgezeigt werden.<br />

Daneben sind auch archäologisch nachweisbare Elemente wie die unterbrochene<br />

Dollbordlinie in der Kunst vertreten. Es stellt sich somit erneut die Frage, in welchem<br />

Verhältnis Tatsachen <strong>und</strong> übernommene Motive in die Gestaltung einflossen. Der Vergleich<br />

mit den archäologisch erfassten Schiffsbestandteilen kann die Frage nach der Existenz<br />

einiger abgebildeter Elemente, wie etwa die verschließbaren Riemenlöcher, die Stakstangen<br />

oder die unterschiedlichen Ankerformen, beantworten. Andere Aspekte wie die Form der<br />

Segel hingegen, können aufgr<strong>und</strong> des fehlenden archäologischen <strong>Nachweise</strong>s vorerst nicht<br />

bestätigt werden.<br />

Fazit<br />

Die eingehende Beschäftigung mit dem Teppich von Bayeux als bildliche Quelle des 11.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts hat gezeigt, dass die Stickerei sich nicht in allen Bereichen zur Interpretation<br />

zeitgenössischer Objekte eignet. Dies liegt in erster Linie daran, dass der Künstler nicht alle<br />

Gegenstände mit derselben Sorgfalt <strong>und</strong> Detailtreue darstellte. Einige Szenen, in denen<br />

beispielsweise sozial höhergestellte Personen zu sehen sind, wurden mit größerer<br />

Genauigkeit wiedergegeben, um deren Rolle hervorzuheben, was sich auch auf die<br />

abgebildeten Artefakte auswirkte. Ebenso zu beachten sind die künstlerischen Einflüsse, die<br />

in einigen Bereichen stärker nachvollziehbar sind als in anderen. So nutzte der Künstler<br />

häufig Motive aus der zeitgenössischen Kunst, um Objekte seiner realen Umwelt vereinfacht<br />

wiederzugeben, besonders wenn diese keine weitere Bedeutung <strong>für</strong> die Handlung haben.<br />

Dies zeigt sich etwa bei der Betrachtung der Gebäude, die lediglich dann naturgetreu<br />

abgebildet wurden, wenn sie <strong>für</strong> den Handlungsablauf von Belang waren, in den meisten<br />

Fällen jedoch eine Kombination architektonischer Elemente der Kunst darstellen. In diesem<br />

Zusammenhang sollte auch die Intention des Teppichs von Bayeux nicht außer Acht<br />

gelassen werden. Die Stickerei wird heute als Bildquelle genutzt, wobei <strong>für</strong> die Archäologie<br />

besonders die abgebildeten Artefakte von Interesse sind. Der ursprüngliche Zweck hingegen<br />

war die Erzählung von Geschehnissen anhand einer Bildfolge, nicht die Erstellung eines<br />

direkten Abbilds der realen Umwelt des Künstlers. Da demzufolge zahlreiche Objekte<br />

lediglich eine schmückende <strong>und</strong> ergänzende Funktion erfüllten, <strong>und</strong> dementsprechend nicht


gänzlich wirklichkeitsgetreu dargestellt werden mussten, griff der Künstler vielfach zu<br />

Vorlagen <strong>und</strong> Stilisierungen.<br />

Besonders deutlich schlug sich der Einfluss der zeitgenössischen Kunst in der Wiedergabe<br />

der Bauwerke nieder, doch auch im Bereich der Bewaffnung sind derartige künstlerische<br />

Konventionen erkennbar, hier insbesondere die konvexe Form der R<strong>und</strong>schilde sowie die<br />

Kettenhemden.<br />

Dass sich andererseits durchaus Hinweise auf die „reale Welt“ des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts finden,<br />

wird vornehmlich in den Objektgruppen deutlich, in denen eine Entwicklung zu erkennen ist,<br />

oder zu denen sich keine Entsprechungen in der zeitgenössischen Kunst finden. Als<br />

Beispiele können hier die Frauengewänder mit den erweiterten Ärmeln <strong>und</strong> die Tuniken<br />

herangezogen werden, bei denen sich jeweils eine modische Neuerung nachvollziehen lässt.<br />

Auch die konischen Helme mit Nasal können als Wiedergabe realer<br />

Ausrüstungsgegenstände angesehen werden, wie das Fehlen jeglicher Bildquellen aus der<br />

Zeit um 1070 zeigt. Die Verknüpfung von künstlerischen Schemata <strong>und</strong> Beobachtungen der<br />

tatsächlichen Umwelt spiegelt sich in nahezu allen Szenen des Teppichs von Bayeux wieder.<br />

Das Verhältnis, in dem diese Kombination angewandt wurde, ist uns nicht bekannt <strong>und</strong> kann<br />

wohl auch nicht einwandfrei nachgewiesen werden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die<br />

Elemente, die aus der Kunst entlehnt wurden, <strong>und</strong> die Beobachtungen des realen Lebens in<br />

einem stabilen Gleichgewicht standen, vielmehr ist zu erwarten, dass die Relationen je nach<br />

Kontext <strong>und</strong> künstlerischen Interessen variierten. Besonders schwierig gestaltet sich die<br />

Einschätzung bei Objekten, denen sowohl künstlerische Parallelen als auch archäologische<br />

Vergleichsf<strong>und</strong>e gegenübergestellt werden können, wie es etwa bei einigen<br />

Schiffsbestandteilen der Fall ist. Hier kann häufig keine zuverlässige Aussage über den<br />

Realiengehalt der Stickerei gemacht werden, da das eben angesprochene Verhältnis<br />

unbekannt ist.<br />

Die Recherche geeigneter Vergleichsf<strong>und</strong>e gestaltete sich insbesondere bei den<br />

Alltagsgegenständen schwierig. Die stark stilisierte Wiedergabe auf dem Teppich von<br />

Bayeux lässt keine Details erkennen, diese sind jedoch zur Interpretation der Objekte – <strong>und</strong><br />

somit zur Ermittlung konkreter Typen innerhalb der Vergleichsf<strong>und</strong>e – erforderlich. Eine<br />

weitere Schwierigkeit offenbarte sich bei der Frage nach der Zeitstellung der archäologisch<br />

überlieferten Objekte. Hier stehen häufig lediglich F<strong>und</strong>e zur Verfügung, die vor oder nach<br />

dem 11. Jahrh<strong>und</strong>ert datieren <strong>und</strong> demzufolge teils beträchtliche zeitliche Unterschiede zur<br />

Entstehungszeit des Teppichs von Bayeux aufweisen. In diesen Fällen versuchte ich, eine<br />

Kontinuität des Gegenstandes nachzuvollziehen, <strong>und</strong> die Gemeinsamkeiten<br />

herauszuarbeiten.<br />

Ich war dabei besonders darauf bedacht, Zirkelschlüsse zu vermeiden, die bei einem<br />

solchen Vergleich entstehen können. Die Gefahr liegt hierbei besonders in einer zu starken


„Anpassung“ von Bildquelle <strong>und</strong> Vergleichsf<strong>und</strong>, da jede geringste Übereinstimmung<br />

beachtet werden muss. Meine Erfahrungen im Laufe dieser Arbeit führten mich zu dem<br />

Ergebnis, dass der Teppich von Bayeux sich nur in wenigen Punkten als f<strong>und</strong>ierte Bildquelle<br />

<strong>für</strong> einen direkten Vergleich mit den Artefakten des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts eignet. Die angeführten<br />

Vergleichsf<strong>und</strong>e belegen zwar die Existenz einiger dargestellter Objekte, die zeitlichen<br />

Unterschiede <strong>und</strong> ungeklärte Detailfragen hingegen erlauben keine weitere Eingrenzung. So<br />

ist nicht in allen Fällen erwiesen, dass die abgebildeten Artefakte zur Zeit der dargestellten<br />

Handlung, beziehungsweise zur Zeit der Entstehung der Stickerei tatsächlich in dieser Form<br />

in Gebrauch waren. Als besonders problematisch erwiesen sich in diesem Zusammenhang<br />

die Gegenstände des Alltags, sowie die Schwertformen, da F<strong>und</strong>e des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts in<br />

diesen Bereichen spärlich sind, <strong>und</strong> somit auf Objekte früherer <strong>und</strong> späterer Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

zurückgegriffen werden muss.<br />

Es bleibt abzuwarten, ob in Zukunft weitere Erkenntnisse über den Teppich von Bayeux als<br />

Quelle <strong>für</strong> die archäologische Forschung gewonnen werden können. Besonders hilfreich<br />

wären hierbei zeitlich geeignetere F<strong>und</strong>e, die das Vorhandensein bestimmter Objekte <strong>für</strong> den<br />

fraglichen Zeitraum aufzeigen. Hinsichtlich der Detailfragen können jedoch auch zusätzliche<br />

Vergleichsf<strong>und</strong>e keinen Aufschluss geben. Einige Gegenstände auf dem Teppich von<br />

Bayeux können aufgr<strong>und</strong> des kleinen Formats <strong>und</strong> der stilisierten Darstellungen vermutlich<br />

auch dann nicht identifiziert werden, was seine Bedeutung als Zeugnis dieser Epoche jedoch<br />

keinesfalls schmälert. Die dargestellten kriegerischen Ereignisse sowie die Alltagsszenen<br />

bieten uns dennoch einen unverzichtbaren Einblick in die Lebensweise der damaligen Zeit.<br />

Eine Gesamtansicht des Teppichs von Bayeux findet sich auf der Seite von Herrn Prof.<br />

Ulrich Harsch:<br />

http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost11/Bayeux/bay_tama.html


<strong>Nachweise</strong> der Abbildungen aus dem Internet:<br />

¹ http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Raven_banner_%28Bayeux_Tapestry%29.jpg<br />

² http://commons.wikimedia.org/wiki/Main_Page<br />

³ http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Brianann_MacAmhlaidh<br />

4 http://en.wikipedia.org/wiki/Public_domain<br />

5 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:KHM_Wien_A_41_-_Moravian_nasal_helmet,_11th_century.jpg<br />

6 http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Sandstein<br />

7 http://en.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons<br />

8 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Harold_bayeux_tapestry.png<br />

9 http://commons.wikimedia.org/wiki/User:LadyofHats<br />

10 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bayeux_Edward_Funeral.jpg<br />

11 http://commons.wikimedia.org/wiki/User:File_Upload_Bot_%28Magnus_Manske%29<br />

12 http://www.pixelio.de/<br />

13 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flotte_normande.jpg<br />

14 http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Ludo29

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