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D A S T E P P I C H M A G A Z I N Report: Der Kelim ... - Sov-et.ch

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D A S T E P P I C H M A G A Z I N<br />

1/98<br />

<strong>Report</strong>: <strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong> –<br />

das beliebte Fla<strong>ch</strong>gewebe


2<br />

E D I T O R I A L<br />

<strong>Der</strong> Einzug des <strong>Kelim</strong>s ins<br />

s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Interieur<br />

Es ist no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t lange her, da wurden die Fla<strong>ch</strong>gewebe, im Orient<br />

au<strong>ch</strong> «<strong>Kelim</strong>» genannt, im Verglei<strong>ch</strong> mit den geknüpften Teppi<strong>ch</strong>en sehr<br />

verna<strong>ch</strong>lässigt. Die meisten Händler hielten nur ein Paar Stücke am Lager,<br />

um die Bedürfnisse einiger Sammler zu erfüllen. Na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> verbreit<strong>et</strong>e<br />

si<strong>ch</strong> der Kreis dieser Liebhaber; zuerst in den Vereinigten Staaten,<br />

dann in Italien und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> im übrigen Europa. Die Kenner wurden<br />

von der S<strong>ch</strong>önheit und E<strong>ch</strong>theit dieser vormals verna<strong>ch</strong>lässigten Gewebe<br />

verzaubert. Vers<strong>ch</strong>iedene Gründe haben diese Entwicklung unterstützt:<br />

• Die einfa<strong>ch</strong>e geom<strong>et</strong>ris<strong>ch</strong>e Musterung entspri<strong>ch</strong>t der Vorliebe der<br />

Europäer für abstrakte Kunst. Sie passt sehr gut in moderne Interieurs.<br />

• Im allgemeinen tragen die Nomaden und die Landleute sehr viel Sorge<br />

zu ihren für den Eigenbedarf gefertigten Stücken. Es ist daher mögli<strong>ch</strong>,<br />

bei ihnen versteckte S<strong>ch</strong>ätze zu entdecken.<br />

• Die s<strong>ch</strong>önen alten Exemplare lassen si<strong>ch</strong> im Gegensatz zu den<br />

geknüpften Teppi<strong>ch</strong>en oft zu vernünftigen Preisen kaufen.<br />

Heutzutage sind die zwei l<strong>et</strong>zten Vorteile weniger ausgeprägt, aber sie<br />

bleiben trotzdem interessant. Dagegen bleibt der Ges<strong>ch</strong>mack für grosszügige,<br />

einfa<strong>ch</strong> und modern aussehende Muster erhalten. Dies si<strong>ch</strong>ert<br />

den Erfolg sol<strong>ch</strong>er Gewebe bei den jungen Leuten und bei denen, deren<br />

Charakter jung geblieben ist.<br />

Einen anderen Vorteil bi<strong>et</strong><strong>et</strong> die Vielfalt der Anwendungen: Diese Webart<br />

kann auf einer Unterlage liegend als Bodenteppi<strong>ch</strong>, an der Wand als<br />

Behang und auf einem Sofa als Decke dienen.<br />

Au<strong>ch</strong> Stil- und Polstermöbel lassen si<strong>ch</strong> damit überziehen.<br />

Aus all diesen Gründen lässt si<strong>ch</strong> dem <strong>Kelim</strong> als Ornament im s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Interieur eine s<strong>ch</strong>öne Zukunft prophezeihen.<br />

Jacques Gans


DAS TEPPICHMAGAZIN<br />

1/98 6. Jahrgang<br />

Eine Publikation der SOV<br />

(S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Orientteppi<strong>ch</strong>händler<br />

Vereinigung /Association<br />

suisse des commerçants en<br />

tapis d'orient)<br />

Herausgeberin: SOV<br />

Ers<strong>ch</strong>eint zweimal jährli<strong>ch</strong> in deuts<strong>ch</strong>er<br />

und französis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />

Erhältli<strong>ch</strong> in allen SOV-Fa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äften<br />

oder über die Redaktion<br />

im Abonnement.<br />

PC Konto 80-28167-7<br />

(Fr. 20.– für vier Ausgaben)<br />

Redaktionsadresse:<br />

Postfa<strong>ch</strong> 361, 3250 Lyss<br />

Redaktionsteam:<br />

J. Gans, R. Graf, M. Fis<strong>ch</strong>er,<br />

E. Kistler, A. König, J. Linsi<br />

Redaktionelle Beratung<br />

und Lektorat:<br />

Alice Baumann, Journalistin BR,<br />

Bern<br />

Gestaltung:<br />

Partner, Partner&Partner, Biel<br />

Lithografie:<br />

Tiroler Repro, Innsbruck<br />

Druck:<br />

Farbendruck Weber AG, Biel<br />

Autoren<br />

und Fotografen dieser Ausgabe:<br />

M. Fis<strong>ch</strong>er, J. Gans, R.J. Graf,<br />

E. Kistler, A. König, A. Mollo,<br />

B. Vögeli<br />

Das Copyright der Texte und<br />

Fotos liegt bei den Autoren und<br />

Fotografen. <strong>Der</strong> Na<strong>ch</strong>druck, au<strong>ch</strong><br />

auszugsweise, ist nur mit deren<br />

Genehmigung gestatt<strong>et</strong> (Kontakt<br />

über die Redaktion).<br />

«torba» bedeut<strong>et</strong> im Türkis<strong>ch</strong>en<br />

«Tas<strong>ch</strong>e». Im möbellosen Haushalt<br />

der Nomaden enthält sie<br />

Vorräte und Gebrau<strong>ch</strong>sgegenstände;<br />

sie wird im Zelt aufgehängt<br />

und ist auf der Vorderseite kunstvoll<br />

geknüpft oder gewebt.<br />

«Die Hand der Fatima», das Sign<strong>et</strong><br />

der SOV, ist ein S<strong>ch</strong>utz- und<br />

Glücksymbol mit magis<strong>ch</strong>en Kräften:<br />

Es soll Böses abwenden und<br />

seinem Besitzer Glück bringen.<br />

t o r b a 1/98<br />

I N H A L T<br />

R U B R I K E N<br />

6 Werkstatt<br />

8 Galerie<br />

17 Ausstellungen<br />

17 Kontroverse<br />

18 Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

18 Geri<strong>ch</strong>t<br />

21 Service<br />

R E P O R T A G E<br />

4 Mafras<strong>ch</strong> – eine textile Truhe<br />

G E G E N S T A N D<br />

7 Des Rätsels<br />

Lösung<br />

t o r b a R E P O R T<br />

10 <strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong> – das beliebte<br />

Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />

F O K U S<br />

19 Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

des Reyhanli <strong>Kelim</strong><br />

Titelbild: Konya Koyun 202 x 278 cm.<br />

I N T E R I E U R<br />

20 Vorliebe für Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />

R E P O R T A G E<br />

22 Auf den Spuren der Nomaden:<br />

Abwe<strong>ch</strong>slung<br />

im Leben der Nomaden<br />

3


Mafras<strong>ch</strong> – eine textile Truhe<br />

Wie die Nomaden im vorderen Orient ihre gewebten und<br />

geknüpften Transporttas<strong>ch</strong>en verwenden.<br />

Afs<strong>ch</strong>ar-Mafras<strong>ch</strong>, geknüpft,<br />

asym<strong>et</strong>ris<strong>ch</strong>er Knoten na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts<br />

offen, Ledergurten kompl<strong>et</strong>t<br />

mit Traggriffen.<br />

K<strong>et</strong>te und S<strong>ch</strong>uss: Wolle.<br />

Längsseite 122 x 47 cm,<br />

Breitseite 50 x 37 cm,<br />

Boden 122 x 43 cm.<br />

R E P O R T A G E<br />

Als junger Teppi<strong>ch</strong>händler war i<strong>ch</strong><br />

immer der Ansi<strong>ch</strong>t, dass die grossen<br />

und re<strong>ch</strong>teckigen Tas<strong>ch</strong>en von den<br />

Nomaden als Wiege gebrau<strong>ch</strong>t würden.<br />

In der Fa<strong>ch</strong>literatur konnte i<strong>ch</strong><br />

nur wenige Angaben darüber finden.<br />

So erwähnte Werner Grote-Hasenbalg<br />

in seinem Bu<strong>ch</strong> «<strong>Der</strong> Orientteppi<strong>ch</strong>,<br />

seine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und seine<br />

Kultur», ers<strong>ch</strong>ienen 1922, das Wort<br />

Mafras<strong>ch</strong> mit keinem Wort! Bei J.G.<br />

L<strong>et</strong>tenmaier, «Das grosse Orientteppi<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>»,<br />

ers<strong>ch</strong>ienen 1962,<br />

lesen wir: Mafras<strong>ch</strong>: Kaukasis<strong>ch</strong>er<br />

Ausdruck sowohl für grosse Ledertas<strong>ch</strong>en<br />

als au<strong>ch</strong> für gewebte grosse<br />

Tas<strong>ch</strong>en zur Lastenbeförderung<br />

(Kameltas<strong>ch</strong>en), deren Vorderseite<br />

entweder Knüpf- oder Wirkmuster<br />

aufweist.<br />

Au<strong>ch</strong> bei der «Enzyklopädie des<br />

Orientteppi<strong>ch</strong>s» von J. Iten-Maritz<br />

su<strong>ch</strong>en wir das Wort Mafras<strong>ch</strong><br />

vergebens. Für den Autor ist diese<br />

Tas<strong>ch</strong>e eine Wiege.<br />

Inzwis<strong>ch</strong>en wurde jedo<strong>ch</strong> sehr viel<br />

Feldfors<strong>ch</strong>ung b<strong>et</strong>rieben und man<br />

weiss heute bedeutend mehr über<br />

die Mafras<strong>ch</strong>.<br />

Mehr als bloss eine Tas<strong>ch</strong>e<br />

Na<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedenen persis<strong>ch</strong>en,<br />

türkis<strong>ch</strong>en und arabis<strong>ch</strong>en Wörterbü<strong>ch</strong>ern<br />

bedeut<strong>et</strong> Mafras<strong>ch</strong> ein<br />

Behältnis, in das Kleider und<br />

S<strong>ch</strong>lafausrüstung eingepackt werden.<br />

Es enthält also B<strong>et</strong>tzeug und<br />

ist zuglei<strong>ch</strong> Matratze. Viele Stämme<br />

nennen diese B<strong>et</strong>tzeugtas<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong><br />

«galeh» oder «khabgah».<br />

Bei den Nomaden ist es übli<strong>ch</strong>,<br />

am Tag das B<strong>et</strong>tzeug in Mafras<strong>ch</strong>s<br />

aufzubewahren und erst bei Na<strong>ch</strong>t<br />

auszubreiten. <strong>Der</strong> Mafras<strong>ch</strong> ist eine<br />

Tas<strong>ch</strong>e in Form einer textilen Truhe.<br />

Die Ähnli<strong>ch</strong>keit liegt ni<strong>ch</strong>t nur in<br />

der Art der Verwendung, sondern<br />

au<strong>ch</strong> in deren Konstruktion. Wie<br />

die Holz- oder die M<strong>et</strong>alltruhe hat<br />

ein Mafras<strong>ch</strong> eine dreidimensionale<br />

Form. Ungefüllt fällt ein Mafras<strong>ch</strong><br />

in si<strong>ch</strong> zusammen und beanspru<strong>ch</strong>t<br />

dadur<strong>ch</strong> wenig Platz.<br />

Turkmen-Mafras<strong>ch</strong>, gewoben,<br />

sog. Bros<strong>ch</strong>ier-Te<strong>ch</strong>nik, alle Seiten inkl.<br />

Boden.<br />

K<strong>et</strong>te und S<strong>ch</strong>uss: Wolle.<br />

Längsseite 87 x 36 cm,<br />

Breitseite 39 x 41 cm, Boden 86 x 38 cm.<br />

4 t o r b a 1/98


Auf Kamel, Esel oder Pferd<br />

<strong>Der</strong> Mafras<strong>ch</strong> wird in der Regel aus<br />

zwei Teilen gefertigt. Die beiden<br />

Längsseiten von 80-120 cm Breite<br />

und einer Höhe von 40-60 cm<br />

werden mit dem Boden zu einem<br />

Stück gewoben oder geknüpft,<br />

ebenso die S<strong>ch</strong>malseiten mit einer<br />

Breite von 40-60 cm, die man dann<br />

auseinanders<strong>ch</strong>neid<strong>et</strong> und an den<br />

Hauptteil annäht.<br />

Die verbundenen Teile werden<br />

dana<strong>ch</strong> zusätzli<strong>ch</strong> mit dicken Wollfäden<br />

kordelartig umwickelt.<br />

Obwohl die Tas<strong>ch</strong>en in ihrer Form<br />

ähnli<strong>ch</strong> sind, unters<strong>ch</strong>eiden sie si<strong>ch</strong><br />

do<strong>ch</strong> in Einzelheiten. Einige Stämme<br />

wie die Gas<strong>ch</strong>gai und die Afs<strong>ch</strong>aren<br />

versehen ihre Mafras<strong>ch</strong> mit<br />

Vers<strong>ch</strong>lussklappen. Bei anderen sind<br />

oben vers<strong>ch</strong>iedene S<strong>ch</strong>laufen angebra<strong>ch</strong>t,<br />

damit die Tas<strong>ch</strong>e zuges<strong>ch</strong>nürt<br />

und ges<strong>ch</strong>lossen werden<br />

kann. Handges<strong>ch</strong>mied<strong>et</strong>e Eisenringe,<br />

Ziegenhaar und au<strong>ch</strong> Wolle<br />

dienen als S<strong>ch</strong>laufen. Au<strong>ch</strong> Leders<strong>ch</strong>laufen<br />

und Lederriemen werden<br />

verarbeit<strong>et</strong>. Die Vers<strong>ch</strong>nürung ges<strong>ch</strong>ieht<br />

auf mannigfaltige Weise.<br />

Die fertig gepackten Mafras<strong>ch</strong> werden<br />

re<strong>ch</strong>ts und links auf ein Kamel,<br />

Esel oder Pferd geladen.<br />

Die Herstellung von Mafras<strong>ch</strong>s ist<br />

bei fast allen persis<strong>ch</strong>en Nomadenstämmen<br />

übli<strong>ch</strong>. Am meisten verbreit<strong>et</strong><br />

sind die Mafras<strong>ch</strong>s der<br />

Mafras<strong>ch</strong> Shasavan, alle Seiten ums<strong>ch</strong>lingendes Wickeln,<br />

Boden Fla<strong>ch</strong>gewebe. K<strong>et</strong>te und S<strong>ch</strong>uss: Wolle.<br />

Längsseite 101 x 63 cm, Breitseite 48 x 60 cm,<br />

Boden 101 x 49 cm.<br />

t o r b a 1/98<br />

Shasavan-Nomaden. Weit weniger<br />

Mafras<strong>ch</strong> treffen wir bei den Ba<strong>ch</strong>tiaren,<br />

Gas<strong>ch</strong>gai und Afs<strong>ch</strong>aren an.<br />

Sehr selten sind sie bei den Turkmenen-Stämmen.<br />

Ein Grund dafür<br />

könnte sein, dass in den wärmeren<br />

Regionen Persiens und der Turkmenensteppe<br />

weniger B<strong>et</strong>tzeug benötigt<br />

wird.<br />

Die meisten Mafras<strong>ch</strong> sind in<br />

S<strong>ch</strong>litzwirkerei oder in der Te<strong>ch</strong>nik<br />

des ums<strong>ch</strong>lingenden Wickelns angefertigt.<br />

Sehr selten find<strong>et</strong> man<br />

geknüpfte Mafras<strong>ch</strong>.<br />

Mafras<strong>ch</strong> für die Mitgift<br />

Es ist für eine zukünftige Braut<br />

enorm wi<strong>ch</strong>tig, eine oder zwei<br />

Mafras<strong>ch</strong> zu besitzen. In diesen<br />

Mafras<strong>ch</strong> wird sie ihre Mitgift in die<br />

Ehe einbringen. Es versteht si<strong>ch</strong> von<br />

selbst, dass die Braut si<strong>ch</strong> die grösste<br />

Mühe gibt, mögli<strong>ch</strong>st s<strong>ch</strong>öne und<br />

attraktive Mafras<strong>ch</strong> zu weben resp.<br />

zu knüpfen. Ein Mäd<strong>ch</strong>en webt oder<br />

knüpft mögli<strong>ch</strong>st früh ein Paar<br />

Mafras<strong>ch</strong>, damit sie ihre Fähigkeit<br />

als Weberin unter Beweis stellen<br />

kann. Jede Familie besitzt mehrere<br />

Mafras<strong>ch</strong>; je mehr man besitzt, desto<br />

höher ist das Ansehen einer Familie.<br />

Au<strong>ch</strong> heute kann man im Handel in<br />

Europa no<strong>ch</strong> sehr s<strong>ch</strong>öne kompl<strong>et</strong>te<br />

Mafras<strong>ch</strong> finden. Meistens wurden<br />

sie aber au<strong>ch</strong> aufg<strong>et</strong>rennt und einzeln<br />

angeboten.<br />

Was sollen wir aber mit einem kompl<strong>et</strong>ten<br />

Mafras<strong>ch</strong> zu Hause tun?<br />

Auftrennen, nein bitte ni<strong>ch</strong>t: Am besten<br />

ist es, sie auf den Kopf zu stellen,<br />

ein Holzgerüst anzufertigen (oder<br />

einen passenden Styroporblock) und<br />

sie als textile Truhe, als Sitzbank oder<br />

S<strong>ch</strong>muckstück und Blickfang in der<br />

Wohnung aufstellen.<br />

Für nähere Einzelheiten zum Thema empfehle<br />

i<strong>ch</strong> Ihnen folgende Fa<strong>ch</strong>literatur:<br />

Azadi - Andrews «Mafras<strong>ch</strong>»,<br />

ers<strong>ch</strong>ienen im Di<strong>et</strong>ri<strong>ch</strong> Reimer Verlag,<br />

Weltkunstverlag, 1985<br />

Parviz Tanavoli «Shasavan»,<br />

ers<strong>ch</strong>ienen im 0ffice du Livre Verlag, Fribourg,<br />

1985<br />

Text: R.J. Graf<br />

Fotos: Antonio Mollo<br />

D<strong>et</strong>ail eines Afs<strong>ch</strong>ary-Mafras<strong>ch</strong>.<br />

Mafras<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>asavan, Frontseite ums<strong>ch</strong>lingendes Wickeln<br />

(Sumakh), Rückseite, Seiten und Boden S<strong>ch</strong>litzkelim.<br />

K<strong>et</strong>te und S<strong>ch</strong>uss: Wolle. Längsseite 107 x 39 cm,<br />

Breitseite 35 x 40 cm, Boden 108 x 37 cm.<br />

5


Die Welt der Teppi<strong>ch</strong>herstellung (Teil 11)<br />

Te<strong>ch</strong>niken<br />

der Knüpfgewebe<br />

Randabs<strong>ch</strong>lüsse<br />

Obere, untere und seitli<strong>ch</strong>e Kanten<br />

eines Knüpfteppi<strong>ch</strong>s oder Fla<strong>ch</strong>gewebes<br />

sind naturgemäss Stellen,<br />

die besonders stark der Abnutzung<br />

ausges<strong>et</strong>zt sind. Deshalb werden sie<br />

meist sehr sorgfältig ausgearbeit<strong>et</strong>,<br />

sei es während des Webvorgangs,<br />

sei es na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>. Die vielfältigen<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en und formalen Variationen<br />

werden eigentli<strong>ch</strong> viel zu<br />

wenig bea<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>. Dies ist um so bedauerli<strong>ch</strong>er,<br />

als sie – neben ihrem<br />

ästh<strong>et</strong>is<strong>ch</strong>en und handwerkli<strong>ch</strong>en<br />

Reiz – häufig zu genauer Herkunftsbestimmung<br />

herangezogen werden<br />

und damit au<strong>ch</strong> historis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lüsse<br />

ermögli<strong>ch</strong>en.<br />

Seiten<br />

Die seitli<strong>ch</strong>en Webkanten eines<br />

Knüpfteppi<strong>ch</strong>s oder Fla<strong>ch</strong>gewebes<br />

bedürfen einer Verstärkung<br />

oder – im Fall geknüpfter Erzeugnisse<br />

– au<strong>ch</strong> eines Ausglei<strong>ch</strong>s des<br />

Grunds<strong>ch</strong>usses. Dieser wird in den<br />

meisten Fällen während<br />

W E R K S T A T T<br />

des Web- und Knüpfvorgangs angebra<strong>ch</strong>t.<br />

Um der Webkante mehr<br />

Festigkeit zu verleihen, wird häufig<br />

für die äussersten K<strong>et</strong>tfäden dickeres<br />

Material gewählt, oder es werden<br />

mehrere K<strong>et</strong>tfäden zu Gruppen<br />

zusammen gefasst. Von den mannigfaltigen<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten, die Seiten<br />

in S<strong>ch</strong>ussri<strong>ch</strong>tung zu verstärken,<br />

können nur einige herausgegriffen<br />

werden:<br />

1.1. Umkehrender S<strong>ch</strong>uss<br />

<strong>Der</strong> Grunds<strong>ch</strong>uss wird bei den<br />

äussersten K<strong>et</strong>tfäden oder K<strong>et</strong>tfadengruppen<br />

mehrmals hin- und hergeführt,<br />

bevor er über die ganze<br />

Webbreite zurückkehrt. Er liegt<br />

dadur<strong>ch</strong> di<strong>ch</strong>ter und glei<strong>ch</strong>t die<br />

Lücken der fehlenden Knotenreihen,<br />

die ni<strong>ch</strong>t bis zur Webkante<br />

eingeknüpft sind, aus.<br />

1.2. Umwickeln<br />

mit zusätzli<strong>ch</strong>em Faden<br />

Neben dem Grunds<strong>ch</strong>uss werden<br />

während des Web- und Knüpfvorgangs<br />

zusätzli<strong>ch</strong>e Fäden – man<strong>ch</strong>mal<br />

in vers<strong>ch</strong>iedenen Farben – um die<br />

äussersten K<strong>et</strong>tfäden oder K<strong>et</strong>tfadengruppen<br />

ges<strong>ch</strong>lungen; dies entweder<br />

dur<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong>es Umwickeln in<br />

Form von A<strong>ch</strong>ters<strong>ch</strong>lingen oder<br />

mehrfa<strong>ch</strong>, zum Beispiel in dreifa<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>lingen, oder sogar in Zopfform.<br />

Na<strong>ch</strong> dem Webvorgang können au<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>, mittels einer<br />

Nadel, Umwicklungen angebra<strong>ch</strong>t<br />

werden. In dieser Art werden häufig<br />

die Kanten von zusammenges<strong>et</strong>zten<br />

Tas<strong>ch</strong>en ausgearbeit<strong>et</strong>.<br />

Bei vielen Teppi<strong>ch</strong>en der Na<strong>ch</strong>knüpfländer<br />

(Pakistan, Indien, Nepal)<br />

werden die seitli<strong>ch</strong>en Kanten<br />

oft gerade ges<strong>ch</strong>nitten, um dana<strong>ch</strong><br />

die Kante mit zusätzli<strong>ch</strong>em Faden<br />

zu umwickeln (reisst gerne aus).<br />

Ober- und Unterkanten<br />

Entspre<strong>ch</strong>end der Arbeitsri<strong>ch</strong>tung<br />

werden die Endpartien als Unterkante<br />

(Webbeginn) und Oberkante<br />

bezei<strong>ch</strong>n<strong>et</strong>, wobei allerdings bei<br />

Fla<strong>ch</strong>geweben oft ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>ieden<br />

werden kann, an wel<strong>ch</strong>er Kante mit<br />

dem Weben begonnen wurde. Bei<br />

geknüpften Erzeugnissen s<strong>ch</strong>liessen<br />

an den geknüpften Teil häufig fla<strong>ch</strong>gewebte<br />

Endpartien an, einfarbig<br />

oder gestreift, in Leinwand- oder<br />

S<strong>ch</strong>ussrepsbindung, oder aber verziert<br />

in den bekannten Fla<strong>ch</strong>gewebe-Te<strong>ch</strong>niken.<br />

In der Literatur<br />

werden diese Endpartien oft einfa<strong>ch</strong><br />

«<strong>Kelim</strong>» genannt, denn sie sind<br />

fla<strong>ch</strong>gewoben, dies im Gegensatz<br />

zum geknüpften Teil.<br />

Abges<strong>ch</strong>nittene K<strong>et</strong>tfäden (Fransen)<br />

werden häufig in Gruppen von mehreren<br />

Fäden miteinander verknot<strong>et</strong>.<br />

Grössere Gruppen von K<strong>et</strong>tfäden<br />

können au<strong>ch</strong> zu Zöpfen verflo<strong>ch</strong>ten<br />

werden. Interessant ist die Querverzopfung.<br />

Mehrere K<strong>et</strong>tfadengruppen<br />

werden miteinander in Querri<strong>ch</strong>tung<br />

verflo<strong>ch</strong>ten, wobei immer<br />

eine neue Gruppe dazugenommen<br />

wird und die als erste erfasste<br />

Gruppe hängen bleibt.<br />

Bei einigen Nomadenteppi<strong>ch</strong>en<br />

(Gabbe) wird die Ober- und Unterkante<br />

als Fla<strong>ch</strong>gewebe-Ende na<strong>ch</strong><br />

hinten abgenäht.<br />

6 t o r b a 1/98


Mir war klar, dass dies ni<strong>ch</strong>t der<br />

ursprüngli<strong>ch</strong>e Verwendungszweck<br />

dieser alten Holzform sein konnte.<br />

Au<strong>ch</strong> der zweifellos praktis<strong>ch</strong>e Gebrau<strong>ch</strong><br />

als As<strong>ch</strong>enbe<strong>ch</strong>er konnte niemals<br />

seine wahre Bestimmung sein!<br />

Dass dieser geheimnisvolle Gegenstand<br />

seit jeher in der Kü<strong>ch</strong>e seinen<br />

Platz gehabt und irgendeiner kulinaris<strong>ch</strong>en<br />

Zubereitung gedient haben<br />

muss, s<strong>ch</strong>ien mir einleu<strong>ch</strong>tend. Um<br />

ein altertümli<strong>ch</strong>es inners<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es<br />

Knöpflibr<strong>et</strong>t konnte es si<strong>ch</strong><br />

aber wohl kaum handeln...? Das mit<br />

Hilfe dieses Geräts tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> gefertigte<br />

Endprodukt, soviel wurde mir<br />

verraten, sei ein weitverbreit<strong>et</strong>es<br />

und beliebtes G<strong>et</strong>ränk, für dessen<br />

Zubereitung jedo<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> weitere<br />

Geräts<strong>ch</strong>aften benötigt werden. Als<br />

diese nun ebenfalls herbeiges<strong>ch</strong>afft<br />

wurden, löste si<strong>ch</strong> das Rätsel s<strong>ch</strong>nell:<br />

Natürli<strong>ch</strong> Kaffee!<br />

Am Kaminfeuer hätten wir uns nun<br />

mit diesen s<strong>ch</strong>önen alten Utensilien<br />

glei<strong>ch</strong> an die Arbeit ma<strong>ch</strong>en können.<br />

Leider fehlte uns aber eine Handvoll<br />

grüne Kaffeebohnen, um das einstmals<br />

kostbare G<strong>et</strong>ränk auf die glei<strong>ch</strong>e<br />

Weise zuzubereiten, wie dies die<br />

Nomaden und die ländli<strong>ch</strong>e Bevölkerung<br />

der Türkei wohl jahrhundertelang<br />

g<strong>et</strong>an haben: Im fla<strong>ch</strong>en<br />

handges<strong>ch</strong>mied<strong>et</strong>en Eisenpfänn<strong>ch</strong>en<br />

«tava» – den langen Stiel kann man<br />

zum platzsparenden Versorgen oder<br />

Transportieren zweimal zusammenklappen<br />

– werden die grünen Kaffeebohnen<br />

geröst<strong>et</strong>. Dank der kleinen<br />

halbrunden Erhebung in der Mitte<br />

lassen si<strong>ch</strong> die Bohnen mit einer<br />

kreisenden Bewegung glei<strong>ch</strong>mässig<br />

«umrühren». Zum Abkühlen werden<br />

die geröst<strong>et</strong>en Bohnen nun in<br />

die kleine, fla<strong>ch</strong>e Holzs<strong>ch</strong>ale mit<br />

Ausguss ges<strong>ch</strong>ütt<strong>et</strong>: Das rätselhafte<br />

Objekt entpuppte si<strong>ch</strong> also als<br />

G E G E N S T A N D<br />

Des Rätsels Lösung<br />

Als mir der eigenartige Gegenstand zum erstenmal auffiel,<br />

benutzte ihn mein Gastgeber verkehrt herum als Untersatz<br />

für eine heisse Pfanne.<br />

Kaffeebohnenkühler! Ans<strong>ch</strong>liessend<br />

zermahlt man die Bohnen in einem<br />

Holzmörser – «dibek» oder im<br />

Volksmund «güm-güm» – zu sehr<br />

feinem Kaffeepulver. Nun kann der<br />

türkis<strong>ch</strong>e Kaffee zubereit<strong>et</strong> werden:<br />

8-10 Gramm auf 100 Milliliter<br />

Wasser.<br />

Als Gefäss kommt ein «Ibrik» (innen<br />

verzinktes Kupfer- oder Messingkänn<strong>ch</strong>en)<br />

zum Einsatz. In ihn gibt<br />

man kaltes Wasser, Kaffeemehl und<br />

Zucker, dann sollte man das Ganze<br />

dreimal kurz aufko<strong>ch</strong>en. Ri<strong>ch</strong>tig<br />

orientalis<strong>ch</strong> wird es, wenn man den<br />

Satz teilweise oder ganz mittrinkt.<br />

Daran gewöhnt, uns den tägli<strong>ch</strong>en<br />

Kaffeegenuss gedankenlos mit ein<br />

paar wenigen Handgriffen oder<br />

automatis<strong>ch</strong> per Knopfdruck zu<br />

vers<strong>ch</strong>affen, tau<strong>ch</strong>ten bei der ungewohnten<br />

Bes<strong>ch</strong>äftigung mit dieser<br />

ursprüngli<strong>ch</strong>en Art der Zubereitung<br />

bald au<strong>ch</strong> Fragen auf zu Ursprung<br />

und Verbreitung der «Bohne, die<br />

Kulturges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ma<strong>ch</strong>te».<br />

Botanis<strong>ch</strong>e Hinweise deuten auf<br />

Äthiopien als Ursprungsland. Dort<br />

wurde Kaffee bereits im 9. Jahrhundert<br />

erwähnt. Andere Quellen<br />

beri<strong>ch</strong>ten von beginnender Kultivierung<br />

der Kaffeepflanze um 675<br />

in Arabien am Roten Meer oder um<br />

575 an der Südspitze der arabis<strong>ch</strong>en<br />

Halbinsel (heutiges Yemen). Die<br />

Ausbreitung der exportierten Kaffeebohnen<br />

als Konsumgut hing eng<br />

zusammen mit der Ausbreitung des<br />

Islam über Nordafrika, Südeuropa<br />

und Südostasien. Das erste Kaffeehaus<br />

Europas war erst 1645 in Venedig<br />

anzutreffen. Christli<strong>ch</strong>e Fanatiker<br />

hielten den Kaffee für einen<br />

«Trank des Satans», da er von den<br />

Arabern in grossen Mengen konsumiert<br />

wurde. Sie wollten deshalb die<br />

Verbreitung des Kaffees verhindern<br />

und errei<strong>ch</strong>ten, dass ein Kir<strong>ch</strong>enbann<br />

über ihn verhängt wurde.<br />

Papst Clement VII. jedo<strong>ch</strong> hob den<br />

Bann hö<strong>ch</strong>stpersönli<strong>ch</strong> wieder auf,<br />

segn<strong>et</strong>e den Kaffee und sagte: «Kaffee<br />

s<strong>ch</strong>meckt so köstli<strong>ch</strong>, dass es<br />

s<strong>ch</strong>ade wäre, diesen Genuss nur den<br />

Heiden zu gönnen».<br />

Barbara Vögeli<br />

t o r b a 1/98 7


Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong>, 156 x 239 cm,<br />

Fr. 1950.–.<br />

Teppi<strong>ch</strong>haus Gloor, Aarwangenstrasse 3,<br />

4900 Langenthal, Tel. 062/988 12 87.<br />

G A L E R I E<br />

Kissen aus Mafras<strong>ch</strong>teilen in div. Grössen,<br />

Preise ab Fr. 200.–.<br />

Teppi<strong>ch</strong>haus im S<strong>ch</strong>lössli, Oscar Huber, Spisergasse 42,<br />

9000 St. Gallen, Tel. 071/222 37 22.<br />

Iran <strong>Kelim</strong>, 175 x 353 cm, 40 Jahre,<br />

bester Zustand, Fr. 12 000.–.<br />

Galerie Anne Kaiser, Obere Gasse 24,<br />

7000 Chur, Tel. 081/253 30 70.<br />

F<strong>et</strong>hie <strong>Kelim</strong> alt, 141 x 271 cm,<br />

Fr. 4 650.–.<br />

Galerie Kistler, Dekor Ki AG,<br />

Bernstrasse 11, 3250 Lyss,<br />

Tel. 032/384 44 33.<br />

Afs<strong>ch</strong>ar Sofreh Ardi, 131 x 140 cm,<br />

Fr. 2 550.–.<br />

Galerie Kistler, Dekor Ki AG, Bernstrasse 11, 3250 Lyss,<br />

Tel. 032/384 44 33.<br />

8 t o r b a 1/98


Hirtenteppi<strong>ch</strong> Karapinar Zentralanatolien,<br />

109 x 325 cm, 50 Jahre alt,<br />

sehr guter Zustand, doppelseitig,<br />

Fr. 4800.–.<br />

Galerie Anne Kaiser, Obere Gasse 24,<br />

7000 Chur, Tel. 081/253 30 70.<br />

Keshan Mokhtesham antik, 208 x 312 cm, Fr. 60 000.–.<br />

Wirz Teppi<strong>ch</strong>e, Kramgasse 10, 3000 Bern 8,<br />

Tel. 031/311 20 03.<br />

t o r b a 1/98<br />

Senneh <strong>Kelim</strong>, 127 x 173 cm, alt, sehr fein und guter<br />

Zustand, Fr. 19750.–.<br />

Mori Orientteppi<strong>ch</strong>e, Mori + Bodenmann AG,<br />

Freiestrasse 89, 4001 Basel, Tel 061/279 99 77.<br />

Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong>, 156 x 236 cm,<br />

K<strong>et</strong>te mit Ziegenhaar, Fr. 2 400.–.<br />

Paul Fis<strong>ch</strong>er, Innendekorationen AG, Landstrasse 78,<br />

5436 Würenlos, Tel. 056/424 17 33.<br />

Wi<strong>ch</strong>tiger Hinweis:<br />

Aus repro- und druckte<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Gründen können<br />

bei Teppi<strong>ch</strong>abbildungen Farbabwei<strong>ch</strong>ungen entstehen.<br />

9


t o r b a R E P O R T<br />

<strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong> –<br />

das beliebte<br />

Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />

Die orientalis<strong>ch</strong>en Fla<strong>ch</strong>gewebe (=<strong>Kelim</strong>) sind bei uns<br />

erst vor einigen Jahren aus ihrer Anonymität hervorg<strong>et</strong>r<strong>et</strong>en.<br />

Trotz der relativ späten Entdeckung hat die Na<strong>ch</strong>frage das<br />

Angebot für alte und antike Fla<strong>ch</strong>gewebe in den Ursprungsländern<br />

verknappt.<br />

Einige Händler und Sammler haben<br />

Mitte der siebziger Jahre dur<strong>ch</strong> Ausstellungen<br />

und Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />

(«The Undiscouvered <strong>Kelim</strong>» in der<br />

White<strong>ch</strong>apel Art Gallery in London;<br />

Das Fa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> «<strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong>» von<br />

Yanni P<strong>et</strong>sopoulos) den bis dahin<br />

weitgehend unbea<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>en Textilien<br />

eine gewisse Bedeutung vers<strong>ch</strong>afft.<br />

Wer beginnt, si<strong>ch</strong> mit ihnen zu<br />

befassen, wird bald in ihren Bann<br />

gezogen.<br />

Au<strong>ch</strong> bei mir löste die Bekannts<strong>ch</strong>aft<br />

mit meinem ersten <strong>Kelim</strong> eher eine<br />

zurückhaltende, abwartende Haltung<br />

aus. Im Jahre 1964 s<strong>ch</strong>enkte<br />

mir ein Kunde – i<strong>ch</strong> war damals<br />

Mitarbeiter eines traditionellen<br />

Teppi<strong>ch</strong>hauses – ein reparaturbedürftiges<br />

zentralanatolis<strong>ch</strong>es, in zwei<br />

Bahnen gewirktes Fla<strong>ch</strong>gewebe. <strong>Der</strong><br />

Kostenvorans<strong>ch</strong>lag für die Reparatur<br />

war dem Kunden zu ho<strong>ch</strong>. Für<br />

diesen Preis konnte er einen Teppi<strong>ch</strong><br />

10 t o r b a 1/98


aus Afghanistan kaufen. Dieses von<br />

Afs<strong>ch</strong>aren gewirkte Fla<strong>ch</strong>gewebe,<br />

dessen Ausstrahlung und S<strong>ch</strong>önheit<br />

i<strong>ch</strong> erst einige Jahre später erkannte,<br />

ist Ursa<strong>ch</strong>e meiner heutigen Begeisterung<br />

und Aktivität.<br />

Die Fülle von Informationen an der<br />

internationalen Teppi<strong>ch</strong>konferenz<br />

in Washington im Jahr 1980, aus<br />

Vorträgen und in persönli<strong>ch</strong>en<br />

Gesprä<strong>ch</strong>en eröffn<strong>et</strong>en meinen<br />

Blick in die faszinierende Welt der<br />

Fla<strong>ch</strong>gewebe. Sie liessen meinen<br />

ges<strong>ch</strong>enkten <strong>Kelim</strong> erst im ri<strong>ch</strong>tigen<br />

Li<strong>ch</strong>t ers<strong>ch</strong>einen.<br />

Heute ist die enorme kulturhistoris<strong>ch</strong>e<br />

Bedeutung der Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />

längst erkannt. Sie wird in vielen<br />

Bü<strong>ch</strong>ern und Fa<strong>ch</strong>zeits<strong>ch</strong>riften erörtert.<br />

Es rei<strong>ch</strong>t heute ni<strong>ch</strong>t mehr, das<br />

Wort «<strong>Kelim</strong>» für die grosse Vielfalt<br />

an unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>niken,<br />

Formaten und Typen zu gebrau<strong>ch</strong>en,<br />

kennen wir do<strong>ch</strong> über 40<br />

vers<strong>ch</strong>iedene Webte<strong>ch</strong>niken.<br />

In einem einzigen Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />

können wir so bis zu zehn vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Webarten feststellen.<br />

<strong>Der</strong> Liebhaber verlangt eine genaue<br />

Bezei<strong>ch</strong>nung zu Te<strong>ch</strong>nik, Material<br />

und Ursprung.<br />

Jahrzehntelang war das Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />

zu einem S<strong>ch</strong>attendasein verurteilt.<br />

Hier in Europa wie in den<br />

orientalis<strong>ch</strong>en Basaren s<strong>ch</strong>enkte ihm<br />

niemand Bea<strong>ch</strong>tung. Die Entdeckung<br />

der Fla<strong>ch</strong>gewebe ging einher<br />

mit dem zunehmenden Interesse<br />

an alten Volkskulturen. Man erkannte,<br />

dass si<strong>ch</strong> in den Fla<strong>ch</strong>geweben ein<br />

uralter Motivs<strong>ch</strong>atz bis in die Gegenwart<br />

erhalten hat.<br />

Die Fla<strong>ch</strong>gewebe waren immer Teil<br />

des nomadis<strong>ch</strong>en und bäuerli<strong>ch</strong>en<br />

Alltags; sie dienten auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

dem Eigenbedarf. Zelte, Wand-<br />

und Türbehänge, grosse Ts<strong>ch</strong>owals<br />

(Säcke), Mafras<strong>ch</strong> (grosser Koffer),<br />

Chanteh (kleinere Tas<strong>ch</strong>e), Kissen,<br />

Babywiegen, Chordjin (Sattelta-<br />

Zagros <strong>Kelim</strong>. Zagros <strong>Kelim</strong>.<br />

s<strong>ch</strong>e), <strong>Kelim</strong>, Djadjim (grosse,<br />

aus s<strong>ch</strong>malen Bahnen zusammengenähte<br />

Decke), Sofreh Ardi (Brotteigtu<strong>ch</strong>),<br />

Namakdan (Salztas<strong>ch</strong>e)<br />

und Teppi<strong>ch</strong>e wurden alle aus<br />

S<strong>ch</strong>afwolle, Ziegen- oder Kamelhaar<br />

hergestellt.<br />

<strong>Der</strong> in der Formenspra<strong>ch</strong>e der<br />

Fla<strong>ch</strong>gewebe erhaltene mystis<strong>ch</strong>e<br />

und geheimnisvolle Musters<strong>ch</strong>atz<br />

hat – mangels s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>er Quellen –<br />

eine uns verborgene Symbolik.<br />

Den Weberinnen eines Stammes<br />

kam es nie in den Sinn, Muster<br />

anderer Gruppen in ihren Arbeiten<br />

zu verwenden. Die Bedeutung und<br />

die Formen einzelner Muster lernten<br />

sie von ihren Müttern und Tanten.<br />

Natürli<strong>ch</strong> gesellte si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> der<br />

eigene Ges<strong>ch</strong>mack hinzu, do<strong>ch</strong> blieben<br />

die Motive, Kompositionen und<br />

Farben weitgehend unverändert.<br />

Nur selten und na<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tigen Begebenheiten,<br />

die meist den Stamm<br />

b<strong>et</strong>rafen – dies konnten sowohl<br />

t o r b a 1/98 11


Zagros <strong>Kelim</strong>.<br />

religiöse wie au<strong>ch</strong> gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Gründe sein – erfuhren die Motive<br />

und Kompositionen in den Fla<strong>ch</strong>geweben<br />

eine Veränderung.<br />

Fla<strong>ch</strong>gewebe und Teppi<strong>ch</strong>e spielten<br />

in den Familien st<strong>et</strong>s eine zentrale<br />

Rolle bei der Mitgift oder beim<br />

Brautpreis. Damals wie heute bedeut<strong>et</strong>e<br />

eine Ho<strong>ch</strong>zeit viel mehr als nur<br />

die Vereinigung zweier Mens<strong>ch</strong>en.<br />

Das Mäd<strong>ch</strong>en wurde zum Bindeglied<br />

zwis<strong>ch</strong>en zwei Familien, deren wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e,<br />

finanzielle und politis<strong>ch</strong>e<br />

Interessen zum Wohl aller<br />

B<strong>et</strong>eiligten miteinander verwebt<br />

wurden.<br />

<strong>Der</strong> gemeinsame Besitz der beiden<br />

Familien wurde mit Textilien,<br />

S<strong>ch</strong>muck, Haustieren, Weideland<br />

und anderen Wertgegenständen besiegelt.<br />

Das junge Mäd<strong>ch</strong>en fertigte<br />

während der Brautzeit aus Freude<br />

und Notwendigkeit Fla<strong>ch</strong>gewebe,<br />

Teppi<strong>ch</strong>e und Textilien für die<br />

eigene Aussteuer an. Jedes Stück<br />

verkörperte das Erbe der Familien-<br />

und Stammestradition. Viele dieser<br />

Brautstücke sind uns dank sorgfältigem<br />

Aufbewahren der Weberinnen<br />

erhalten geblieben.<br />

Fle<strong>ch</strong>ten war Vorstufe von Weben<br />

Die Herstellung von Fla<strong>ch</strong>geweben<br />

ist in den Anfängen der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Kultur zu su<strong>ch</strong>en. Geflo<strong>ch</strong>tene<br />

Gegenstände, meist aus Weiden,<br />

können bereits in der frühges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Zeit des Mens<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>gewiesen<br />

werden. Fle<strong>ch</strong>tvorgänge<br />

dienten zur Verbindung von bewegli<strong>ch</strong>em<br />

Material. Wir können das<br />

Fle<strong>ch</strong>ten demna<strong>ch</strong> als Vorstufe des<br />

Webens annehmen. Ein Gewebe<br />

herstellen bedeut<strong>et</strong> im Prinzip ni<strong>ch</strong>t<br />

anders als K<strong>et</strong>t- und S<strong>ch</strong>ussfaden<br />

verfle<strong>ch</strong>ten.<br />

Die Te<strong>ch</strong>nik der Fla<strong>ch</strong>gewebe ist<br />

wesentli<strong>ch</strong> älter als die der Knüpfteppi<strong>ch</strong>e.<br />

<strong>Der</strong> älteste bekannte<br />

Teppi<strong>ch</strong> stammt aus dem 5. Jahrhundert.<br />

Er wurde am Rande des<br />

Altai Gebirges bei Ausgrabungen<br />

Ein Zagros <strong>Kelim</strong> auf dem Webstuhl.<br />

in Pazyryk gefunden. Wollfragmente<br />

von Fla<strong>ch</strong>geweben, die man<br />

bei Ausgrabungen in Catalhöyük<br />

(Torba 1/93) südli<strong>ch</strong> von Konya<br />

fand, stammen jedo<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on aus<br />

6500 v. Chr. Zu Staub zerfallene<br />

Wollfragmente aus der Zeit von<br />

2500 v. Chr. haben Spuren von<br />

Webteppi<strong>ch</strong>en mit geom<strong>et</strong>ris<strong>ch</strong>em<br />

Muster hinterlassen. Man fand sie<br />

bei Ausgrabungen in Dorak bei<br />

Bursa in Nordwestanatolien.<br />

Bei Ausgrabungen eines türkis<strong>ch</strong>en<br />

Zentrums aus den Jahren um 700<br />

v. Chr. bei Eskisehir in Nordwestanatolien<br />

fand man gewebte Fragmente<br />

aus grober Wolle, Ziegenhaar<br />

und Leinen. Die verwend<strong>et</strong>en Te<strong>ch</strong>niken<br />

und au<strong>ch</strong> die Muster dieser<br />

Fragmente entspre<strong>ch</strong>en denen der<br />

Fla<strong>ch</strong>gewebe und Zilis, die au<strong>ch</strong><br />

heute no<strong>ch</strong> in Anatolien hergestellt<br />

werden. Aber au<strong>ch</strong> in dem s<strong>ch</strong>on<br />

vorher erwähnten Pazyryk und dem<br />

nahegelegenen Bashadar sowie weiter<br />

östli<strong>ch</strong> im mongolis<strong>ch</strong>em Noin<br />

S<strong>ch</strong>afe aus dem Toros. Gefärbte Wolle. Knaben bringen Krappwurzeln zum<br />

Färber.<br />

12 t o r b a 1/98


Afs<strong>ch</strong>ar Gat<strong>ch</strong>me 184 x 243 cm. Afs<strong>ch</strong>ar Gat<strong>ch</strong>me 225 x 287 cm.<br />

Ula wurden bei Ausgrabungen Fragmente<br />

von Fla<strong>ch</strong>geweben gefunden.<br />

Weiterhin kann man alte koptis<strong>ch</strong>e<br />

und islamis<strong>ch</strong>-ägyptis<strong>ch</strong>e Gewebe<br />

aus Ägypten und den umliegenden<br />

Gebi<strong>et</strong>en in den Museen vieler<br />

Länder besi<strong>ch</strong>tigen.<br />

Tradition stammt aus Asien<br />

Nun zurück zu den orientalis<strong>ch</strong>en<br />

Fla<strong>ch</strong>geweben: Mit einiger Si<strong>ch</strong>erheit<br />

ist ihr Ursprung in Zentral- und<br />

Mittelasien zu su<strong>ch</strong>en. Die Völker<br />

Mittel- und Zentralasiens waren<br />

Reitervölker. Sie lebten in Stammes-<br />

Die Färberei von Tollu in Konya. Gefärbte Wolle ist zum Trocknen<br />

aufgehängt.<br />

t o r b a 1/98<br />

gruppen und drückten ihren Stempel<br />

ni<strong>ch</strong>t nur den eigenen Gebi<strong>et</strong>en<br />

auf. Da sie si<strong>ch</strong> meist auf Raub- oder<br />

Kriegszügen – vornehmli<strong>ch</strong> Ri<strong>ch</strong>tung<br />

Westen – befanden, besiedelten<br />

sie bereits im 6. und 8. Jahrhundert<br />

das heutige Turkmenien, den Kaukasus<br />

sowie die Türkei. Zuvor hatten<br />

sie alle diese Länder unter ihre<br />

Herrs<strong>ch</strong>aft gebra<strong>ch</strong>t.<br />

No<strong>ch</strong> heute hat hier die <strong>Kelim</strong>-<br />

und Fla<strong>ch</strong>weberei als Volkskunst ein<br />

hohes Niveau. Was ebenfalls bemerkenswert<br />

ist: In sämtli<strong>ch</strong>en Herstellungsgebi<strong>et</strong>en<br />

orientalis<strong>ch</strong>er Fla<strong>ch</strong>-<br />

gewebe herrs<strong>ch</strong>t die türkis<strong>ch</strong>e<br />

Spra<strong>ch</strong>e vor.<br />

Die aus Zentral- und Mittelasien<br />

na<strong>ch</strong> Westen und Osten strömenden<br />

Völker werden unter dem<br />

historis<strong>ch</strong>en Begriff «Turkvölker»<br />

zusammengefasst. Die Ma<strong>ch</strong>t der<br />

Turkvölker erstreckte si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

nur auf Zentralasien, sondern im<br />

Osten bis na<strong>ch</strong> China und im Norden<br />

bis in die Mongolei.<br />

Alle Steppengebi<strong>et</strong>e des heutigen<br />

Turkmenien waren der Hand der<br />

Turkvölker, selbst Teile Nordpersiens<br />

und des Kaukasus und au<strong>ch</strong><br />

Gefärbte Zagros Wolle wird in der<br />

Zentrale abgeladen.<br />

13


Afs<strong>ch</strong>ar Gat<strong>ch</strong>me 97 x 185 cm.<br />

Zagros <strong>Kelim</strong><br />

Material: Ho<strong>ch</strong>landwolle<br />

aus dem Zagrosgebirge, handversponnen-<br />

und gezwirnt.<br />

Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />

Te<strong>ch</strong>nik: In der Regel<br />

S<strong>ch</strong>litzwirkerei.<br />

Grössen: von 50 x 100 cm<br />

bis ca. 250 x 350 cm.<br />

14<br />

Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong> 135 x 148 cm.<br />

das Gebi<strong>et</strong> von Anatolien, das im 11.<br />

Jahrhundert von den Selds<strong>ch</strong>uken<br />

erobert wurde. Hieraus ging dann<br />

das osmanis<strong>ch</strong>e Rei<strong>ch</strong> hervor.<br />

Frühe arabis<strong>ch</strong>e und persis<strong>ch</strong>e<br />

Dokumente erwähnen Teppi<strong>ch</strong>e,<br />

ohne jedo<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en Knüpf- und<br />

Webteppi<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> zu unters<strong>ch</strong>eiden.<br />

Im Text eines unbekannten<br />

Autors, dem Hudud-al-Alam-Text<br />

aus dem 11. Jahrhundert, find<strong>et</strong> man<br />

Hinweise auf <strong>Kelim</strong>, Gilimina und<br />

Gelim aus Transoxanien, aus Tabaristan<br />

und Fars.<br />

<strong>Der</strong> Übergang ins 21. Jahrhundert<br />

<strong>Der</strong> te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritt in den<br />

westli<strong>ch</strong>en Ländern beeinflusste<br />

au<strong>ch</strong> die Orientalen. Die Selbstversorger,<br />

Nomaden wie die dörfli<strong>ch</strong>en<br />

Bauer, sind ni<strong>ch</strong>t mehr darauf angewiesen,<br />

Textilien wie Säcke,<br />

Tas<strong>ch</strong>en, Decken, Sofreh, Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />

und Teppi<strong>ch</strong>e herzustellen.<br />

<strong>Der</strong> gesamte Hausrat wird heute in<br />

Kisten und Plastiksäcken verstaut<br />

Afs<strong>ch</strong>ar gat<strong>ch</strong>me<br />

Material der K<strong>et</strong>te: Baumwolle.<br />

Material des S<strong>ch</strong>uss: Ho<strong>ch</strong>landwolle<br />

aus dem Zagrosgebirge,<br />

handversponnen und gezwirnt.<br />

Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />

Te<strong>ch</strong>nik: Gegeneinanderlaufend<br />

und einfa<strong>ch</strong>es ums<strong>ch</strong>lingendes<br />

Wickeln.<br />

Grössen: von 50 x 100 cm<br />

bis ca. 250 x 350 cm.<br />

Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong> 250 x 266 cm.<br />

und auf Anhänger aufgeladen. Feste<br />

Häuser ers<strong>et</strong>zen die Zelte. Im<br />

Grunde vollzieht si<strong>ch</strong> heute im<br />

Orient derselbe Wandel, der bei uns<br />

in der Na<strong>ch</strong>kriegszeit einges<strong>et</strong>zt hat.<br />

Wel<strong>ch</strong>e Frau würde heute no<strong>ch</strong> für<br />

ihre Aussteuer Tas<strong>ch</strong>entü<strong>ch</strong>er umhäkeln<br />

oder Leintü<strong>ch</strong>er besticken?<br />

Diese Handarbeiten überleben heute<br />

nur no<strong>ch</strong> dort, wo sie als Kunsthandwerk<br />

eine neue Werts<strong>ch</strong>ätzung<br />

erhalten und si<strong>ch</strong> in den Markt<br />

eingliedern. Im Wissen, dass in diesen<br />

Volksstämmen viel Kreativität,<br />

Phantasie und Tradition steckt,<br />

ermunterten einige orientalis<strong>ch</strong>e<br />

und europäis<strong>ch</strong>e Teppi<strong>ch</strong>händler,<br />

sogar das iranis<strong>ch</strong>e Kulturministerium,<br />

die Frauen dazu, nebst Teppi<strong>ch</strong>en<br />

au<strong>ch</strong> Fla<strong>ch</strong>gewebe für den<br />

westli<strong>ch</strong>en Markt herzustellen.<br />

Das Alte s<strong>ch</strong>ätzen und das Neue<br />

wagen: Viellei<strong>ch</strong>t ist dies jener Anknüpfungspunkt,<br />

der die uralte Tradition<br />

des Webens weiterführen<br />

wird – ins nä<strong>ch</strong>ste Jahrtausend.<br />

Gas<strong>ch</strong>gai<br />

Material: Wolle,<br />

mas<strong>ch</strong>inenversponnen.<br />

Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />

Te<strong>ch</strong>nik: S<strong>ch</strong>litzwirkerei.<br />

Grössen: von 50 x 100 cm<br />

bis ca. 250 x 350 cm.<br />

t o r b a<br />

1/98


Im Folgendem mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> einige<br />

dieser neuen Produkte vorstellen.<br />

Zagros <strong>Kelim</strong><br />

Die S<strong>ch</strong>afe der Gas<strong>ch</strong>gai leben im<br />

Sommer auf den Höhen des Zagrosgebirges<br />

und liefern die qualitativ<br />

ho<strong>ch</strong>stehende Wolle, die handversponnen-<br />

und verzwirnt wird. In<br />

einer zentralen Färberei wird diese<br />

elastis<strong>ch</strong>e Wolle mit natürli<strong>ch</strong>en<br />

Farben eingefärbt.<br />

Die Frauen Südpersiens weben<br />

diese «Zagros <strong>Kelim</strong>» auf horizontalen<br />

Webstühlen.<br />

Diese neue Art von <strong>Kelim</strong> vermis<strong>ch</strong>t<br />

die Tradition mit neuer kreativer<br />

Gestaltung der Weberin. Wir nennen<br />

ihn «Zagros <strong>Kelim</strong>», weil die in<br />

Ocker g<strong>et</strong>au<strong>ch</strong>te Lands<strong>ch</strong>aft die<br />

Weberinnen motiviert, Farbigkeit,<br />

Wärme und Formen in ihre Arbeit<br />

zu übertragen.<br />

Afs<strong>ch</strong>ar gat<strong>ch</strong>me<br />

Die Afs<strong>ch</strong>aren aus Südost Iran be-<br />

Miri Gas<strong>ch</strong>gai 160 x 210 cm. Bergama 155 x 205 cm.<br />

Bergama <strong>Kelim</strong><br />

Material des S<strong>ch</strong>uss und der<br />

K<strong>et</strong>te: Wolle aus Zentralanatolien,<br />

mas<strong>ch</strong>inengesponnen.<br />

Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />

Te<strong>ch</strong>nik: S<strong>ch</strong>litzwirkerei,<br />

mit teilweise zusätzli<strong>ch</strong>em<br />

Figurens<strong>ch</strong>uss.<br />

Grössen: ca 150 x 200 cm,<br />

180 x 240 cm und 200 x 290 cm.<br />

t o r b a 1/98<br />

herrs<strong>ch</strong>en seit jeher die Te<strong>ch</strong>nik des<br />

ums<strong>ch</strong>lingenden Wickelns. Diese<br />

Fähigkeit s<strong>et</strong>zt ein Teppi<strong>ch</strong>händler<br />

von Südpersien um. Sesshafte und<br />

nomadisierende Afs<strong>ch</strong>aren erstellen<br />

heute ein Fla<strong>ch</strong>gewebe, das in seiner<br />

handwerkli<strong>ch</strong>en und gestalteris<strong>ch</strong>er<br />

Form sehr besti<strong>ch</strong>t.<br />

Die K<strong>et</strong>te ist zur Formstabilität<br />

aus Baumwolle. <strong>Der</strong> Eintragsfaden<br />

ist aus handgesponnener und verzwirnter,<br />

sehr feiner Ho<strong>ch</strong>landwolle<br />

aus dem Zagrosgebirge.<br />

<strong>Der</strong> Fonds ist meistens dur<strong>ch</strong>gemustert.<br />

Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong><br />

Das iranis<strong>ch</strong>e Kulturministerium<br />

hat unter anderen im Gebi<strong>et</strong> von<br />

S<strong>ch</strong>iras eine Arbeitsgruppe einges<strong>et</strong>zt<br />

wel<strong>ch</strong>e die Produktion von<br />

Gas<strong>ch</strong>gai Fla<strong>ch</strong>geweben na<strong>ch</strong> alter<br />

Tradition organisiert.<br />

Die mas<strong>ch</strong>inengesponnene Wolle<br />

wird mit naürli<strong>ch</strong>en Farben eingefärbt.<br />

Konya Koyun<br />

Material des S<strong>ch</strong>uss<br />

und der K<strong>et</strong>te: Ho<strong>ch</strong>landwolle<br />

aus dem Torosgebirge, handversponnen<br />

und gezwirnt.<br />

Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />

Te<strong>ch</strong>nik: S<strong>ch</strong>litzwirkerei<br />

mit teilweise zusätzli<strong>ch</strong>em<br />

Figurens<strong>ch</strong>uss.<br />

Grössen: von 120 x 200 cm<br />

bis ca. 270 x 380 cm.<br />

Knüpfstuhl in der Konya Region.<br />

Konya Tiftik<br />

Material des S<strong>ch</strong>uss<br />

und der K<strong>et</strong>te: Angora<br />

von der Tiftik Ziege.<br />

Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />

Te<strong>ch</strong>nik: S<strong>ch</strong>litzwirkerei<br />

mit teilweise zusätzli<strong>ch</strong>em<br />

Figurens<strong>ch</strong>uss.<br />

Grössen: von 120 x 200 cm<br />

bis ca. 270 x 380 cm.<br />

15


Konya Koyun 221 x 346 cm. Konya Tiftik 220 x 323 cm.<br />

Dur<strong>ch</strong> die mas<strong>ch</strong>inelle Verarbeitung<br />

der Wolle wirkt die Struktur <strong>et</strong>was<br />

fla<strong>ch</strong>. Die Masse wurden au<strong>ch</strong> bei<br />

dieser Produktion den westli<strong>ch</strong>en<br />

Bedürfnissen angepasst.<br />

Die Kollektion von Miri<br />

Ein idealistis<strong>ch</strong>er Teppi<strong>ch</strong>händler<br />

aus Teheran ist sehr der Tradition<br />

verbunden und versu<strong>ch</strong>t die ursprüngli<strong>ch</strong>en<br />

Muster, Materialien<br />

und Farben zu erhalten.<br />

In vers<strong>ch</strong>iedenen Provenienzen<br />

su<strong>ch</strong>te er si<strong>ch</strong> Weberinnen, die<br />

bereit waren, seine Vorstellungen<br />

umzus<strong>et</strong>zen. Da er gerne den Webvorgang<br />

mitverfolgt, ist seine Produktion<br />

re<strong>ch</strong>t bes<strong>ch</strong>eiden.<br />

Alle Fla<strong>ch</strong>gewebe, die er dann in seinem<br />

Angebot hat, sind aber in jeder<br />

Beziehung perfekt.<br />

16<br />

Konya Koyun, Konya Tiftik<br />

Das Ehepaar Tollu von Istanbul entwirft<br />

die Muster selbst. Die beiden<br />

besitzen die Fähigkeit und künstleris<strong>ch</strong>e<br />

Begabung, <strong>et</strong>was Neues entstehen<br />

zu lassen, das denno<strong>ch</strong> voll in<br />

der anatolis<strong>ch</strong>en Tradition bleibt.<br />

Nur die beste handgesponnene<br />

Ho<strong>ch</strong>landwolle und langfasriges<br />

Ziegenhaar wird verarbeit<strong>et</strong>. Die<br />

Weberinnen werden sorgfältig ausgelesen<br />

und gut bezahlt. Webfehler<br />

werden dur<strong>ch</strong> strenge Kontrolle<br />

frühzeitig erkannt und korrigiert.<br />

<strong>Der</strong> Färber ist ein Könner: Die<br />

Farbtöne können jederzeit im glei<strong>ch</strong>en<br />

Valeur na<strong>ch</strong>gefärbt werden.<br />

L<strong>et</strong>ztli<strong>ch</strong> spürt man die Hand des<br />

Ehepaars bei der Endkontrolle der<br />

Stücke: Keine Fehler entgehen den<br />

kritis<strong>ch</strong>en Augen.<br />

Bergama<br />

Ein S<strong>ch</strong>weizer Teppi<strong>ch</strong>händler produziert<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

seinen Partnern in der Region von<br />

Bergama einen re<strong>ch</strong>t interessanten<br />

<strong>Kelim</strong>-Typ.<br />

Die Muster entwirft sein Sohn auf<br />

dem Computer. Dabei verwend<strong>et</strong><br />

er alte und bekannte Formen und<br />

würzt sie mit den Farbbedürfnissen<br />

der europäis<strong>ch</strong>en Endverbrau<strong>ch</strong>er.<br />

Die Wolle dieses Bergama Typs ist<br />

mas<strong>ch</strong>inengesponnen und stammt<br />

aus Zentralanatolien. Die Webdi<strong>ch</strong>te<br />

ist sehr fein.<br />

Text und Fotos: Edi Kistler<br />

t o r b a<br />

1/98


A U S S T E L L U N G E N<br />

8.4.–29.4. Boden-Kunst aus der Steppe.<br />

Forster + Co AG, Theaterstrasse 8, beim Bellevueplatz, 8001 Züri<strong>ch</strong>.<br />

Freie Besi<strong>ch</strong>tigung während der Ges<strong>ch</strong>äftsöffnungszeiten 9.00 –18.30.<br />

15.4.–15.5. Begehbare Kunst. Raritäten aus Persien, alte und antike Exemplare aus Südpersien.<br />

Hans Hassler AG, Baarerstrasse 23, 6300 Zug.<br />

Mo 13.30 –18.30, Di–Fr 9.00 –12.00, 13.30 –18.30, Do bis 20.00, Sa 9.00 –12.00, 13.00 –16.00.<br />

1.5.–23.5. Teppi<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ätze aus Ost-Anatolien – alte Liebe neu entdeckt.<br />

r. + j. möckli, Orientteppi<strong>ch</strong>e zur Rathauslaube, Hauptstrasse 30, 9400 Rors<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>.<br />

Di–Fr 9.00 –12.00, 14.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00.<br />

1.7.–31.8. Fla<strong>ch</strong>gewebe der Nomaden entlang der Seidenstrasse.<br />

Galerie Anne Kaiser, Obere Gasse 24, 7000 Chur. 10.00 –12.00, 14.00 –18.30, Mo ges<strong>ch</strong>lossen.<br />

14.4.–27.6. Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong> und grafiti ® .<br />

Galerie Kistler, Bernstrasse 11, 3250 Lyss.<br />

9.00 –12.00, 14.00 –18.30, Sa bis 16.00, Mo ges<strong>ch</strong>lossen.<br />

K O N T R O V E R S E<br />

Massenware – Einzelstücke<br />

An einem Na<strong>ch</strong>mittag, während der<br />

l<strong>et</strong>zten Einkaufsreise in der Türkei,<br />

s<strong>ch</strong>lenderte i<strong>ch</strong> gemütli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />

den Bazar in Istanbul. Die Händler<br />

hatten ni<strong>ch</strong>t viel zu tun und wart<strong>et</strong>en<br />

geduldig auf Reisegruppen.<br />

An der Ecke angekommen, wo si<strong>ch</strong><br />

die Orientteppi<strong>ch</strong>händler angesiedelt<br />

haben, fiel mir auf, wie uniformiert<br />

und ausdruckslos die neuen<br />

Teppi<strong>ch</strong>e in den l<strong>et</strong>zten Jahren<br />

do<strong>ch</strong> geworden sind. Die Farben der<br />

Stücke sind ausgeblei<strong>ch</strong>t und verwas<strong>ch</strong>en,<br />

man<strong>ch</strong>mal knallig, ja giftig<br />

grell. Die Wolle ist dur<strong>ch</strong> die <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e<br />

Glanzwäs<strong>ch</strong>e stark strapaziert<br />

worden und hat ein Vielfa<strong>ch</strong>es<br />

der Lebensdauer bereits eingebüsst.<br />

Ein Tourist oder Laie glaubt, das<br />

müsse am hohen Alter der Teppi<strong>ch</strong>e<br />

liegen. Weit gefehlt! Oft sind diese<br />

nur wenige Monate, hö<strong>ch</strong>stens ein<br />

halbes Jahr alt.<br />

Die auf dem Bazar angebotenen<br />

Melas, Yagcibedir oder Kars weisen<br />

grosse Unters<strong>ch</strong>iede auf gegenüber<br />

den ursprüngli<strong>ch</strong>en, älteren<br />

Stücken. Aus den ehemals vielfältigen<br />

Mustern hat si<strong>ch</strong> ein Einheitstyp<br />

herauskristallisiert, der au<strong>ch</strong><br />

von ungeübten Händen mit Mustervorlagen<br />

s<strong>ch</strong>nell geknüpft werden<br />

kann. Die Farbpal<strong>et</strong>te ri<strong>ch</strong>t<strong>et</strong> si<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong> dem Ges<strong>ch</strong>mack der Touristen.<br />

Die Amerikaner bevorzugen<br />

meistens bunte, leu<strong>ch</strong>tende Farben,<br />

die Europäer eher dezente Pastelltöne<br />

auf beigem Untergrund. Als<br />

K<strong>et</strong>tmaterial wird heute anstelle<br />

von Wolle meistens Baumwolle<br />

verwend<strong>et</strong>. Das Flormaterial ist aus<br />

Wolle oder Baumwolle und mit<br />

<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Farbstoffen eingefärbt.<br />

In der Türkei werden au<strong>ch</strong> Teppi<strong>ch</strong>e<br />

aus Na<strong>ch</strong>barländern na<strong>ch</strong>geknüpft,<br />

beispielsweise Gabbehs aus<br />

dem Iran. Qualitativ und vom Aussehen<br />

her sind sie weit entfernt vom<br />

Original. Neben dieser Massenware<br />

existieren im Handel au<strong>ch</strong> neuere<br />

Stücke, die von der Färbung, der<br />

Wollqualität, der Knotendi<strong>ch</strong>te und<br />

dem Musterbild her absolut in Ordnung<br />

sind. Nur sind diese selten auf<br />

Touristenbazars zu finden. Warum<br />

soll ein Händler gute Qualität ver-<br />

kaufen, wenn er die billigere Massenware<br />

zum glei<strong>ch</strong>en Preis oder<br />

sogar no<strong>ch</strong> teurer an die Touristen<br />

verkaufen kann?<br />

Ein Sammler, beispielsweise antiker<br />

Möbel, investiert viel Zeit, bis er<br />

ein begehrtes Einzelstück auf dem<br />

Markt finden kann. Ist das Möbelstück<br />

no<strong>ch</strong> gut erhalten, ist der Preis<br />

eher höher, eventuell ausgeführte<br />

Reparaturen wirken si<strong>ch</strong> preismindernd<br />

aus. Genauso verhält es si<strong>ch</strong><br />

bei alten Einzelstücken im Orientteppi<strong>ch</strong>handel.<br />

Aussteuerstücke, die bei der Heirat<br />

von der Frau in die Ehe miteingebra<strong>ch</strong>t<br />

wurden, sind meist perfekt<br />

geblieben. Sie wurden selten gebrau<strong>ch</strong>t<br />

und sorgfältig aufbewahrt.<br />

Wenn sie über Generationen weitervererbt<br />

wurden, kann das Alter<br />

der Teppi<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en se<strong>ch</strong>zig und<br />

hundert Jahre b<strong>et</strong>ragen.<br />

Benötigt die Familie Geld oder hat<br />

das Interesse am Stück verloren,<br />

gelangen diese Teppi<strong>ch</strong>e in den<br />

Handel. Bekommen wir auf Einkaufsreisen<br />

sol<strong>ch</strong>e Stücke angeboten,<br />

können wir kaum widerstehen,<br />

au<strong>ch</strong> wenn unser Einkaufsbudg<strong>et</strong><br />

bereits ausges<strong>ch</strong>öpft ist.<br />

Martin Fis<strong>ch</strong>er<br />

t o r b a 1/98 17


Des Esels Haare<br />

Eines Tages ers<strong>ch</strong>ienen am Hof des<br />

Sultans Ala’eddin drei <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />

Mön<strong>ch</strong>e, die in allen Wissens<strong>ch</strong>aften<br />

bewandert waren. <strong>Der</strong> Sultan<br />

forderte sie auf, den Glauben des<br />

Islams anzunehmen. Die drei Mön<strong>ch</strong>e<br />

antwort<strong>et</strong>en: «Jeder von uns<br />

mö<strong>ch</strong>te eine Frage stellen. Find<strong>et</strong><br />

ihr die ri<strong>ch</strong>tigen Antworten, sind wir<br />

bereit, eurem Wuns<strong>ch</strong> zu willfahren<br />

und Mohammedaner zu werden.»<br />

Sultan Ala’eddin beeilte si<strong>ch</strong>, die erfahrenen<br />

und weisen Männer seines<br />

Rei<strong>ch</strong>es herbeizurufen. Die Mön<strong>ch</strong>e<br />

legten ihre Fragen vor, aber keiner<br />

von ihnen war imstande, eine Antwort<br />

zu finden, worüber der Sultan<br />

sehr bekümmert war. «Ruft do<strong>ch</strong><br />

den Hods<strong>ch</strong>a Nasreddin!» sagte einer<br />

der Gelehrten. «Viellei<strong>ch</strong>t weiss<br />

er die ri<strong>ch</strong>tigen Antworten.»<br />

Dem Sultan gefiel dieser Rat.<br />

Er sandte Boten zum Hods<strong>ch</strong>a Nasreddin<br />

und liess ihm ausri<strong>ch</strong>ten, er<br />

möge si<strong>ch</strong> unverzügli<strong>ch</strong> im Sultanspalast<br />

einfinden. Soglei<strong>ch</strong> sattelte<br />

der Hots<strong>ch</strong>a seinen Esel, ergriff<br />

seinen Stock und ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> auf<br />

den Weg.<br />

Shami Kabaabs<br />

Rezept und Zubereitung<br />

von Esther C. Graf<br />

Foto: Antonio Mollo<br />

Hauptgeri<strong>ch</strong>t für 4 Personen<br />

Zutaten:<br />

500 g Hackfleis<strong>ch</strong><br />

(Rind oder Lamm na<strong>ch</strong> Wahl)<br />

2 Eier hartgeko<strong>ch</strong>t<br />

1/2 Teelöffel Ginger (Ingwer)<br />

1/2 Teelöffel Turmeric<br />

1/2 Teelöffel Jeera<br />

G E S C H I C H T E<br />

Im Palast angekommen, wurde er<br />

vom Sultan huldvoll begrüsst und<br />

zum Sitzen eingeladen. Dann erklärte<br />

ihm der Sultan, worum es<br />

gehe und fragte, ob er si<strong>ch</strong> stark<br />

genug fühle, die Herausforderung<br />

der Mön<strong>ch</strong>e anzunehmen. «Sie mögen<br />

ihre Fragen stellen», sagte der<br />

Hods<strong>ch</strong>a. «I<strong>ch</strong> bin bereit!»<br />

Hierauf trat der erste Mön<strong>ch</strong> vor<br />

und fragte: «Wo ist der Mittelpunkt<br />

der Welt?» – «Genau hier!» sagte<br />

der Hods<strong>ch</strong>a und deut<strong>et</strong>e mit seinem<br />

Stock auf die Stelle, wo der<br />

re<strong>ch</strong>te Vorderfuss seines Esels ruhte.<br />

«Woher weisst du das?» fragte der<br />

Mön<strong>ch</strong>. – «Es steht dir frei, na<strong>ch</strong>zu-<br />

G E R I C H T<br />

1/2 Teelöffel Knoblau<strong>ch</strong>pulver<br />

1 Messerspitze Chili<br />

1 Messerspitze Zimtpulver<br />

1 Teelöffel Madras-Curry<br />

1 Teelöffel Salz<br />

1 rohes Ei<br />

1 Bröt<strong>ch</strong>en (eingewei<strong>ch</strong>t in Mil<strong>ch</strong><br />

und ans<strong>ch</strong>liessend klein gehackt)<br />

messen, wenn du daran zweifelst»,<br />

entgegn<strong>et</strong>e Hods<strong>ch</strong>a. Nun trat der<br />

zweite Mön<strong>ch</strong> vor und fragte: «Wie<br />

gross ist die Zahl der Sterne, die<br />

am Himmel leu<strong>ch</strong>ten?» – «Genau so<br />

gross wie die Zahl der Haare, die<br />

mein Esel besitzt», antwort<strong>et</strong>eder<br />

Hods<strong>ch</strong>a. «Woher weisst du das?»<br />

fragte der Mön<strong>ch</strong>. «Es steht dir<br />

frei, na<strong>ch</strong>zuzählen», entgegn<strong>et</strong>e der<br />

Hods<strong>ch</strong>a. «Lassen si<strong>ch</strong> die Haare<br />

deines Esels zählen?» fors<strong>ch</strong>te der<br />

Mön<strong>ch</strong> weiter. «Lassen si<strong>ch</strong> denn die<br />

Sterne am Himmel zählen?» gab der<br />

Hods<strong>ch</strong>a zurück. Alsdann trat der<br />

dritte Mön<strong>ch</strong> vor und stellte die<br />

Frage: «Wieviele Haare hat mein<br />

Bart?» – «Genauso viele Haare wie<br />

der S<strong>ch</strong>wanz meines Esels», antwort<strong>et</strong>e<br />

der Hods<strong>ch</strong>a. «Woher weisst du<br />

das?» fragte der Mön<strong>ch</strong>. «I<strong>ch</strong> kann es<br />

dir sogar beweisen», entgegn<strong>et</strong>e der<br />

Hots<strong>ch</strong>a. «I<strong>ch</strong> zupfe zuerst ein Haar<br />

aus deinem Bart und dann eines aus<br />

dem S<strong>ch</strong>wanz meines Esels und<br />

immer so fort. Wollen wir sehen,<br />

ob die Re<strong>ch</strong>nung aufgeht?»<br />

Da gaben si<strong>ch</strong> die drei Mön<strong>ch</strong>e ges<strong>ch</strong>lagen<br />

und traten zum Islam über.<br />

Zubereitung:<br />

Das Hackfleis<strong>ch</strong>, die Gewürze und<br />

das rohe Ei gut verkn<strong>et</strong>en.<br />

Ans<strong>ch</strong>liessend das Bröt<strong>ch</strong>en ebenfalls<br />

darunter kn<strong>et</strong>en.<br />

Die gehackten Eier in S<strong>ch</strong>eiben<br />

s<strong>ch</strong>neiden.<br />

Die Ei-Rondellen in die Hackfleis<strong>ch</strong>masse<br />

einpacken und zu<br />

kleinen Kugeln formen. Diese in<br />

heissem Öl rundherum braun braten.<br />

Mit Reis oder Couscous servieren.<br />

En Gu<strong>et</strong>e!<br />

18 t o r b a 1/98


Wie s<strong>ch</strong>on der Name ausdrückt,<br />

stammt dieses Fla<strong>ch</strong>gewebe aus<br />

der Umgebung von Reyhanli, einer<br />

Kleinstadt bei Anto<strong>ch</strong>ia, einige<br />

Kilom<strong>et</strong>er von der syris<strong>ch</strong>en Grenze<br />

entfernt. Zur Zeit der Herstellung<br />

dieses <strong>Kelim</strong> lagen diese Orte<br />

im Verwaltungsgebi<strong>et</strong> des osmanis<strong>ch</strong>en<br />

Rei<strong>ch</strong>s, dessen Zentrum<br />

Aleppo war.<br />

<strong>Der</strong> Reyhanli Stamm – er stammt<br />

von den Ts<strong>ch</strong>erkessen ab, ist aber<br />

au<strong>ch</strong> unter dem Namen «Yeni-il»<br />

bekannt – hatte seine Sommerweide<br />

südli<strong>ch</strong> von Sivas (ca. 350<br />

Kilom<strong>et</strong>er). Während der Winterzeit<br />

lebte der Stamm jedo<strong>ch</strong> in der<br />

Umgebung von Aleppo.<br />

Erst im 19. Jahrhundert liess si<strong>ch</strong><br />

ein Teil des Stamms im heutigen<br />

Reyhanli nieder. Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />

blieben andere Stammesteile in<br />

Sivas und Aleppo.<br />

Präzis und fein<br />

Bei ihrer Ansiedlung Mitte des<br />

19. Jahrhunderts in Reyhanli bauten<br />

die «Yeni-Il» eine ländli<strong>ch</strong>e<br />

Industrie auf, die unter anderem<br />

au<strong>ch</strong> Fla<strong>ch</strong>gewebe herstellte.<br />

Sie waren früher und au<strong>ch</strong> heute<br />

bei orientalis<strong>ch</strong>en Händlern und<br />

Sammlern wegen ihrer Feinheit<br />

und Präzision der Ausführung<br />

ho<strong>ch</strong> angesehen.<br />

Bis vor kurzem wurden diese Reyhanli<br />

<strong>Kelim</strong> meistens als Vorhänge<br />

und Portieren gebrau<strong>ch</strong>t.<br />

Im Unters<strong>ch</strong>ied zu den Fla<strong>ch</strong>geweben,<br />

die dem Hausgebrau<strong>ch</strong> der<br />

Weberin dienten, sind die meisten<br />

dieser Stücke für den Markt hergestellt<br />

worden.<br />

F O K U S<br />

Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

des Reyhanli <strong>Kelim</strong><br />

Unter südostanatolis<strong>ch</strong>en <strong>Kelim</strong>s nimmt die Gruppe,<br />

die als «Reyhanli» bekannt ist, einen bedeutenden Raum ein.<br />

<strong>Der</strong> Anfang dieser Welt<br />

Dieser «Reyhanli» hat wie fast alle<br />

seines Typs eine dreiteilige Borte,<br />

wel<strong>ch</strong>e das dreiteilige Innenfeld<br />

umranden. Jedes der drei Feld-<br />

Paneele trägt Ros<strong>et</strong>tblüten – beim<br />

mittleren Paneel sind sie mit Stielen<br />

verbunden, dadur<strong>ch</strong> entsteht<br />

ein Gittermuster.<br />

Reyhanli um 1900, S<strong>ch</strong>litzwirkerei,<br />

zum Teil mit Konturfäden.<br />

K<strong>et</strong>te: Wolle, roh gezwirnt,<br />

S<strong>ch</strong>uss: zweifa<strong>ch</strong>e Wolle und Baumwolle,<br />

Grösse: 170 x 380 cm.<br />

Die Zentren der Paneele enthalten<br />

Fenster, die eine andere Musters<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />

sehen lassen, den endlosen<br />

Rapport eines sehr alten anatolis<strong>ch</strong>en<br />

Ornaments: das «Eli-Belinde»,<br />

was soviel heisst wie «mit<br />

den Händen in den Hüften».<br />

Die beiden kleinen Motive «Yin<br />

und Yang», wel<strong>ch</strong>e ins mittlere Feld<br />

eingewebt sind, symbolisieren das<br />

Weibli<strong>ch</strong> und Männli<strong>ch</strong>e, beide zusammen<br />

den Uranfang dieser Welt.<br />

Mit dem Motiv für Unsterbli<strong>ch</strong>keit<br />

Interessant ist au<strong>ch</strong> der mittlere<br />

s<strong>ch</strong>male Längsstreifen mit gereihten<br />

langgestreckten S-Formen der<br />

Seitenborte.<br />

Ineinanderlaufende grosse, liegende<br />

«S» sind in die Borte der S<strong>ch</strong>malseite<br />

eingewebt. Das «S» ist ein<br />

uraltes Symbol für Unsterbli<strong>ch</strong>keit.<br />

Diese Bedeutung ist wohl au<strong>ch</strong> der<br />

Grund, warum dieses Motiv sehr<br />

häufig angewend<strong>et</strong> wird.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong> wurde in einfa<strong>ch</strong>er<br />

S<strong>ch</strong>litzwirkerei, zum Teil mit Konturfäden<br />

(Eli-Belinde und Muster<br />

der äusseren Borte), in zwei Teilen<br />

gewoben. Die K<strong>et</strong>te ist aus sehr<br />

feiner Wolle. Die weissen Partien<br />

sind alle aus Baumwolle.<br />

Die Wolle wurde mit natürli<strong>ch</strong>en<br />

Farbstoffen eingefärbt. Dabei ist<br />

die hellviol<strong>et</strong>te Farbe vermutli<strong>ch</strong><br />

aus Co<strong>ch</strong>enille.<br />

Edi Kistler<br />

t o r b a 1/98 19


I N T E R I E U R<br />

Vorliebe für<br />

Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />

Bereits im Flur steht der Besu<strong>ch</strong>er auf einem türkis<strong>ch</strong>en<br />

Malatya Fla<strong>ch</strong>gewebe. Es ist uns<strong>ch</strong>wer zu erkennen, dass<br />

hier eine <strong>Kelim</strong> Liebhaberin wohnt.<br />

Meine S<strong>ch</strong>wester hat berufli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts<br />

mit Orientteppi<strong>ch</strong>en zu tun. Früher<br />

halfen wir unseren Eltern im Ges<strong>ch</strong>äft<br />

beim Aussortieren und Etik<strong>et</strong>tieren<br />

neu angekommener Ware aus<br />

dem Orient. So entstand allmähli<strong>ch</strong><br />

eine Beziehung zu diesen Teppi<strong>ch</strong>en<br />

und Fla<strong>ch</strong>geweben. Später, beim<br />

Einkauf für unsere Firma, reiste sie<br />

ab und zu mit uns in die Ursprungs-<br />

länder. Sie trug ihre Stücke in der<br />

Türkei und im Iran eigenhändig zusammen.<br />

Viele Erinnerungen und<br />

Erlebnisse sind damit verbunden.<br />

Verständli<strong>ch</strong>, dass für sie der ideelle<br />

Wert der Fla<strong>ch</strong>gewebe höher ist als<br />

der materielle.<br />

Die Wohnung ist auf zwei Ebenen<br />

angelegt. In der unteren Etage am<br />

Ende des Flurs öffn<strong>et</strong> si<strong>ch</strong> dem<br />

Besu<strong>ch</strong>er der Blick auf den Esstis<strong>ch</strong>,<br />

unter dem ein turkmenis<strong>ch</strong>-afghanis<strong>ch</strong>es<br />

Fla<strong>ch</strong>gewebe liegt. Braunrote,<br />

braune und goldene Farbtöne werden<br />

von den Afghanen oft verwend<strong>et</strong>.<br />

Die Musterung jedo<strong>ch</strong> lässt eher<br />

auf einen turkmenis<strong>ch</strong>en Ursprung<br />

s<strong>ch</strong>liessen.<br />

Lässt Wohnung anders wirken<br />

Die K<strong>et</strong>te und der S<strong>ch</strong>uss sind aus<br />

Wolle. Eine genauere Herkunftsbestimmung<br />

ist sehr s<strong>ch</strong>wierig. Das<br />

Muster des <strong>Kelim</strong> mit den Querstreifen<br />

dehnt den eher s<strong>ch</strong>malen<br />

Raum in die Breite und lässt den<br />

Tis<strong>ch</strong> optis<strong>ch</strong> kürzer wirken. Dur<strong>ch</strong><br />

das neutrale Weiss der Wände und<br />

das Grau des Bodens kommt der alte<br />

Beizentis<strong>ch</strong> mit den Thon<strong>et</strong> Stühlen<br />

und den harmonis<strong>ch</strong>en Farben des<br />

<strong>Kelim</strong> besonders gut zur Geltung.<br />

Das Gelb und Naturweiss in der Bordüre<br />

bild<strong>et</strong> einen s<strong>ch</strong>önen Kontrast<br />

zum rötli<strong>ch</strong>en Nussbaumholz der<br />

Möbel.<br />

Re<strong>ch</strong>ts vom Esszimmer, an Büro und<br />

Gästezimmer vorbei, führt eine<br />

Treppe na<strong>ch</strong> oben ins Wohnzimmer.<br />

Das Kamin steht zentral im Raum<br />

und lädt an kalten Winterabenden<br />

zum Verweilen ein. <strong>Der</strong> Raum ist absi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

«sparsam» möbliert. Das<br />

s<strong>ch</strong>warze Ledersofa und der «Mickey<br />

Mouse-Sessel» sind die einzigen<br />

konventionellen Sitzmögli<strong>ch</strong>keiten.<br />

Die gepolsterte Ba<strong>ch</strong>tiar Doppeltas<strong>ch</strong>e<br />

und der wei<strong>ch</strong>e Gabbeh Art<br />

laden ein, si<strong>ch</strong> wie die Orientalen<br />

auf den Boden zu s<strong>et</strong>zen.<br />

Ein idealer Ort, um zu entspannen<br />

oder si<strong>ch</strong> beim Musikhören und<br />

Lesen zu erholen.<br />

20 t o r b a 1/98


Pfiffige Farben und Formen<br />

<strong>Der</strong> Gabbeh Art, ein Stück der allerersten<br />

Generation, hat ein einfa<strong>ch</strong>es,<br />

ruhiges Muster. Die Zickzacklinien<br />

und das S<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>br<strong>et</strong>tmuster in der<br />

Bordüre wurden au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on früher<br />

beim Knüpfen von Gabbehs verwend<strong>et</strong>.<br />

Bei der Färbung der Wolle sind<br />

neben den heute gebräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en,<br />

natürli<strong>ch</strong>en Farbstoffen teilweise<br />

<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e verwend<strong>et</strong> worden. Das<br />

la<strong>ch</strong>sfarbene re<strong>ch</strong>teckige Innenfeld<br />

mit hellblauer und roter Umrandung<br />

auf dunkelblauem Untergrund wirkt<br />

fris<strong>ch</strong> und pfiffig. Neben der blauen<br />

und naturweissen Rhombe steht ein<br />

Pfau: Er ist das einzige Tiermotiv, das<br />

vorkommt. Vor dem s<strong>ch</strong>warzen Ledersofa<br />

liegt ein Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong> in<br />

Mit viel Freude haben Sie einen<br />

Orientteppi<strong>ch</strong> erstanden. Oder Ihre<br />

Eltern haben Ihnen ein wertvolles<br />

Stück verma<strong>ch</strong>t. Oder aus dem<br />

Na<strong>ch</strong>lass eines Verwandten haben<br />

Sie den Teppi<strong>ch</strong> geerbt, auf dem Sie<br />

als Kind mit den Holzautos gespielt<br />

haben. Ausgere<strong>ch</strong>n<strong>et</strong> einem dieser<br />

Stücke passiert ein Unglück! Ein<br />

Wassers<strong>ch</strong>aden in ihrer Abwesenheit,<br />

die Wolle kann unter einem<br />

Möbelstück ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tig austrocknen<br />

und modert. Oder der no<strong>ch</strong><br />

junge Hund hat Spass daran, hinter<br />

ihrem Rücken seine Zähne an den<br />

Enden Ihres Lieblingsstücks auszuprobieren.<br />

Oder das Erbstück ist<br />

dur<strong>ch</strong> den jahrelangen Gebrau<strong>ch</strong><br />

stellenweise abg<strong>et</strong>r<strong>et</strong>en. <strong>Der</strong> Mögli<strong>ch</strong>keiten,<br />

wie Ihr Teppi<strong>ch</strong> zu<br />

S<strong>ch</strong>aden kommen kann, sind viele.<br />

Was nun?<br />

rotbrauner Grundfarbe. Das Orange<br />

ist bei den Gas<strong>ch</strong>gai Nomaden sehr<br />

beliebt; es wird in den <strong>Kelim</strong> gerne als<br />

Akzentfarbe einges<strong>et</strong>zt. Die Hexagone<br />

(Se<strong>ch</strong>secke), sogenannte Güls,<br />

sind unregelmässig auf dem Mittelfeld<br />

verteilt. Die obersten Hexagone<br />

re<strong>ch</strong>ts und links sind mit einem<br />

blauen abg<strong>et</strong>reppten Quadrat eingefasst.<br />

Das abg<strong>et</strong>reppte Muster wurde<br />

der dunkelblau-weissen Bordüre entnommen.<br />

Diese Bordürenart wird<br />

sehr oft bei südpersis<strong>ch</strong>en <strong>Kelim</strong>en<br />

verwend<strong>et</strong>. Das stilisierte dunkelblaue<br />

Dreiblatt ist jeweils das Spiegelbild<br />

des weissen Dreiblatts.<br />

In der Geom<strong>et</strong>rie nennt man diese<br />

gespiegelte Musterwiederholung<br />

reziprok.<br />

S E R V I C E<br />

Freiraum erwüns<strong>ch</strong>t<br />

In einer zurückhaltend eingeri<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>en,<br />

ni<strong>ch</strong>t übermöblierten Wohnung<br />

lassen si<strong>ch</strong> Fla<strong>ch</strong>gewebe und Gabbehs<br />

hervorragend plazieren. Eine<br />

s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>te Umgebung lässt den Teppi<strong>ch</strong>en<br />

genug Freiraum, um mit Farben<br />

und Motiven auf den B<strong>et</strong>ra<strong>ch</strong>ter<br />

einzuwirken. Ob die Möbel aus Holz<br />

oder M<strong>et</strong>all gefertigt sind, spielt<br />

keine Rolle. Die Wahl des persönli<strong>ch</strong>en<br />

Wohnstils hängt glückli<strong>ch</strong>erweise<br />

vom Ges<strong>ch</strong>mack und der<br />

Vorliebe der Bewohnerin ab.<br />

Martin Fis<strong>ch</strong>er<br />

Eine exklusive Dienstleistung der SOV-Fa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äfte<br />

Teppi<strong>ch</strong>reparaturen<br />

in der Türkei<br />

Reparaturen sind aufwendig<br />

Wir Teppi<strong>ch</strong>fa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äfte sind für<br />

sol<strong>ch</strong>e Fälle vorbereit<strong>et</strong>. Viele haben<br />

ein eigenes Restaurationsatelier mit<br />

ausgebild<strong>et</strong>en Mitarbeiterinnen, die<br />

den S<strong>ch</strong>aden beheben können. Es<br />

zeigt si<strong>ch</strong> aber leider oft, dass die Reparatur<br />

viel Zeit in Anspru<strong>ch</strong> nimmt<br />

und bei unseren Lohnkosten entspre<strong>ch</strong>end<br />

teuer zu stehen kommt.<br />

Wir haben na<strong>ch</strong> günstigeren Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

gesu<strong>ch</strong>t und arbeiten j<strong>et</strong>zt<br />

mit einem Atelier in Istanbul zusammen.<br />

Die Kunststopfer dort sind<br />

bestens ausgebild<strong>et</strong> und gewährleisten<br />

eine optimale Reparatur; die<br />

Lohnkosten sind jedo<strong>ch</strong> um einiges<br />

tiefer, so dass si<strong>ch</strong> der Transport<br />

lohnt. Und unsere Ateliers bleiben<br />

für kleinere Arbeiten frei, die wir<br />

gerne speditiv erledigen.<br />

<strong>Der</strong> fliegende Teppi<strong>ch</strong><br />

Die «Orientreise» Ihres Teppi<strong>ch</strong>s<br />

wickelt si<strong>ch</strong> folgendermassen ab:<br />

Unsere Mitgliederfirmen nehmen<br />

den zu reparierenden Teppi<strong>ch</strong> an<br />

und leiten ihn an die Zentrale weiter,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Stücke sammelt und<br />

alle vier Monate per Luftfra<strong>ch</strong>t<br />

na<strong>ch</strong> Istanbul vers<strong>ch</strong>ickt. Na<strong>ch</strong><br />

Erledigung der Zollformalitäten<br />

(Plombieren, Hinterlegen einer<br />

Kaution) kann unser Istanbuler<br />

Restaurateur die Teppi<strong>ch</strong>e für<br />

se<strong>ch</strong>s Monate in sein Atelier<br />

nehmen. Er send<strong>et</strong> eine Offerte an<br />

unser Mitglied, wel<strong>ch</strong>es Sie über<br />

die Kosten der Reparatur orientiert.<br />

Zu diesem Zeitpunkt können<br />

Sie immer no<strong>ch</strong> auf das Instandstellen<br />

verzi<strong>ch</strong>ten; für die angefallenen<br />

Spesen müssten Sie allerdings<br />

aufkommen.<br />

Sobald alle eingesandten Teppi<strong>ch</strong>e<br />

fertig restauriert sind, werden sie<br />

in die S<strong>ch</strong>weiz zurückgesandt.<br />

Mit diesem «Umweg» hoffen wir<br />

dazu beitragen zu können, Teppi<strong>ch</strong>e,<br />

die Ihnen lieb sind, zu erhalten.<br />

t o r b a 1/98 21


Von aussen b<strong>et</strong>ra<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>, folgt das Leben<br />

der Nomaden einem klar strukturierten<br />

Tagesablauf. Jeder Tag, so<br />

s<strong>ch</strong>eint es, glei<strong>ch</strong>t dem andern.<br />

A<strong>ch</strong>med Dudakkle lebt mit seiner<br />

Grossfamilie im Sommer auf dem<br />

Yayla «Pelik Ardic» (zu deuts<strong>ch</strong>:<br />

R E P O R T A G E<br />

Auf den Spuren der Nomaden<br />

Abwe<strong>ch</strong>slung<br />

im Leben der Nomaden<br />

Es war s<strong>ch</strong>ön, im Frühsommer bei den Yürük Nomaden im<br />

Torosgebirge zu Besu<strong>ch</strong> zu sein. Wir konnten dem tägli<strong>ch</strong>en<br />

Arbeitsges<strong>ch</strong>ehen rege zusehen.<br />

wenig Nadelbäume) auf 2600 m.<br />

ü. M. auf einer Ho<strong>ch</strong>ebene südöstli<strong>ch</strong><br />

vom 3480 m hohen Aydos. Wir<br />

sind von Nordwesten her über re<strong>ch</strong>t<br />

unwegsames Gebi<strong>et</strong> per Zufall zu<br />

diesem eindrückli<strong>ch</strong>en, aus se<strong>ch</strong>s<br />

Zelten bestehenden Yayla gestossen.<br />

Das fahrende<br />

Warenhaus.<br />

Bei der Ankunft freuen wir uns,<br />

anstelle des übli<strong>ch</strong>en Tees einen<br />

guten gesüssten Kaffee als Willkommenstrank<br />

offeriert zu bekommen.<br />

Es ist interessant, dass mit der<br />

Wassers<strong>ch</strong>eide des Torros au<strong>ch</strong><br />

die Sitten, Gebräu<strong>ch</strong>e, Zelt- und<br />

Lebensformen sowie die Ess- und<br />

Trinkgewohnheiten ändern.<br />

Als wir gemütli<strong>ch</strong> vor dem Zelt<br />

auf einem «Adana Yürük» Teppi<strong>ch</strong><br />

sitzen – Edip, unser Reisebegleiter<br />

22 t o r b a 1/98


und Übers<strong>et</strong>zer, ist bemüht, unsere<br />

Fragen und die der Yürüken zu<br />

beantworten – s<strong>ch</strong>nellen die grossen<br />

Kangal Hunde auf und rennen<br />

einem Kombi Renault entgegen.<br />

A<strong>ch</strong>med hat Mühe, sie zu beruhigen.<br />

Erst als er den Neuankömmling,<br />

den Wanderhändler Ismail, begrüsst<br />

hat, beruhigen sie si<strong>ch</strong>.<br />

Plastikzeug gegen Honig<br />

I<strong>ch</strong> staune ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, als Ismail<br />

kurz na<strong>ch</strong> seiner Ankunft die Hecktüre<br />

des Renault öffn<strong>et</strong> und und<br />

folgende Artikel grossflä<strong>ch</strong>ig auf<br />

dem Boden ausbreit<strong>et</strong>: mas<strong>ch</strong>inengewobene<br />

Teppi<strong>ch</strong>e aus Belgien,<br />

Plastikgefässe in jeder Grösse,<br />

Werkzeuge, Ges<strong>ch</strong>irr, Waffen, Verbandszeug,<br />

Medikamente, Decken,<br />

Lebensmittel wie Reis, Zucker,<br />

Kaffee und Salz. Billigen S<strong>ch</strong>muck<br />

wie Glasperlen, Bros<strong>ch</strong>en und goldfarbene<br />

Armringe legt er auf ein<br />

spezielles Tu<strong>ch</strong>. Für die Kleinen hat<br />

Ismail Spielzeug aus Plastik mitgebra<strong>ch</strong>t.<br />

Einige Produkte, die Ismail anzubi<strong>et</strong>en<br />

hat, sind bei der Familie willkommen.<br />

Die Kinder dürfen au<strong>ch</strong><br />

eine Kleinigkeit auslesen. <strong>Der</strong> Preis<br />

wird ausgehandelt. Ismail hätte gerne<br />

den «Adana Yürük» an Zahlung<br />

genommen! A<strong>ch</strong>med wehrt si<strong>ch</strong> aber<br />

heftig und offeriert ihm stattdessen<br />

einige Kessel Torros-Honig. Na<strong>ch</strong><br />

langem Hin und Her, begleit<strong>et</strong> von<br />

einer zusätzli<strong>ch</strong>en Runde Kaffee, ist<br />

Ismail bereit, den Honig als Zahlung<br />

entgegenzunehmen.<br />

Zu Gast über Na<strong>ch</strong>t<br />

<strong>Der</strong> Tag ist s<strong>ch</strong>on re<strong>ch</strong>t fortges<strong>ch</strong>ritten.<br />

A<strong>ch</strong>med lädt uns deshalb<br />

ein, die Na<strong>ch</strong>t bei ihm und seiner<br />

Familie zu verbringen. Eines der<br />

Zelte wird für uns mit S<strong>ch</strong>lafmatten<br />

ausgelegt und bereitgestellt. Ein<br />

einfa<strong>ch</strong>es fleis<strong>ch</strong>loses Na<strong>ch</strong>tessen<br />

sowie einige Gläser Tee in fröhli<strong>ch</strong>er<br />

Runde beenden diesen re<strong>ch</strong>t<br />

eindrucksvollen Tag.<br />

Die Begegnung mit dem «Hausierer»<br />

Ismail hat mir gezeigt, wie<br />

bes<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> das Leben der<br />

Nomaden in der Abges<strong>ch</strong>iedenheit<br />

t o r b a 1/98<br />

Ismail der Wanderhändler mit einem<br />

Mas<strong>ch</strong>inenteppi<strong>ch</strong>.<br />

der Ho<strong>ch</strong>täler, weitab von jegli<strong>ch</strong>er<br />

Zivilisation, ist. Wenn in meinem<br />

Haushalt <strong>et</strong>was fehlt, ist es mir<br />

mögli<strong>ch</strong>, binnen nützli<strong>ch</strong>er Frist für<br />

Ersatz zu sorgen. A<strong>ch</strong>med dagegen<br />

muss mehr als 80 km bes<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong>en<br />

Weg mit Pferd oder Traktor<br />

auf si<strong>ch</strong> nehmen, um Güter für den<br />

tägli<strong>ch</strong>en Bedarf einzukaufen.<br />

Si<strong>ch</strong>er ist dies eine willkommene<br />

Abwe<strong>ch</strong>slung, wenn er na<strong>ch</strong> Silifke,<br />

Karapinar oder in eine andere in<br />

seiner Nähe liegende Orts<strong>ch</strong>aft<br />

reit<strong>et</strong>.<br />

Do<strong>ch</strong> seine Präsenz wird im Yayla<br />

(Sommerweide) sehr benötigt; eine<br />

mehr als dreitägige Abwesenheit ist<br />

fast ni<strong>ch</strong>t zu verantworten.<br />

Fahrende «Warenhäuser»<br />

Einige Händler aus der Region<br />

Konya nützen diese Versorgungsmängel<br />

aus. Mit gut dotierten<br />

Verkaufwagen fahren sie periodis<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong> einem bekannten Fahrplan so<br />

nahe wie mögli<strong>ch</strong> zu den Yaylas. Ihre<br />

Auslagen glei<strong>ch</strong>en einem Warenhaus<br />

im Kleinen. Fast alles Mögli<strong>ch</strong>e<br />

und Unmögli<strong>ch</strong>e ist dort zu<br />

haben. Abgelegene, mit Fahrzeugen<br />

ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>bare Weiden werden<br />

von Kleinhändlern mit Pferden und<br />

Mauleseln besu<strong>ch</strong>t. Diese Besu<strong>ch</strong>e<br />

sind für die Nomaden meist ein<br />

Festtag. I<strong>ch</strong> konnte einmal einem<br />

sol<strong>ch</strong>en Markttag auf der Weide<br />

beiwohnen. Die Händlerinnen und<br />

Händler – sie hatten ihre Satteltas<strong>ch</strong>en<br />

mit allen mögli<strong>ch</strong>en Gütern<br />

vollgestopft – wurden von den kaufenden<br />

Yürücken ri<strong>ch</strong>tig umlagert.<br />

Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Zeitungen<br />

Die Verkäufer sind für die Nomaden<br />

au<strong>ch</strong> Vermittler von Informationen.<br />

Das Neuste aus dem Tal, aus der<br />

Stadt, aus Politik und Wirts<strong>ch</strong>aft<br />

können sie von ihnen erfahren.<br />

Selbst die Post wird auf diese Art<br />

überbra<strong>ch</strong>t.<br />

Text und Fotos: Edi Kistler<br />

Eine Wolldecke aus synth<strong>et</strong>is<strong>ch</strong>em Material wird hier angeboten.<br />

23


Das Stundenglas (Die Sanduhr)<br />

Dieses Symbol finden wir<br />

meistens in Geb<strong>et</strong>steppi<strong>ch</strong>en und<br />

Fla<strong>ch</strong>geweben.<br />

Es ist eigentli<strong>ch</strong> ein Sinnbild<br />

zur Erinnerung, denn es ermahnt<br />

den gläubigen Mens<strong>ch</strong>en an<br />

die Vergängli<strong>ch</strong>keit alles Irdis<strong>ch</strong>en.<br />

Das S<strong>ch</strong>icksal nimmt unabwendbar<br />

seinen Lauf wie der Sand<br />

im Stundenglas.<br />

Die Sanduhr ist ein Glei<strong>ch</strong>nis<br />

für Zeit und Ewigkeit.

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