D A S T E P P I C H M A G A Z I N Report: Der Kelim ... - Sov-et.ch
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D A S T E P P I C H M A G A Z I N<br />
1/98<br />
<strong>Report</strong>: <strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong> –<br />
das beliebte Fla<strong>ch</strong>gewebe
2<br />
E D I T O R I A L<br />
<strong>Der</strong> Einzug des <strong>Kelim</strong>s ins<br />
s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Interieur<br />
Es ist no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t lange her, da wurden die Fla<strong>ch</strong>gewebe, im Orient<br />
au<strong>ch</strong> «<strong>Kelim</strong>» genannt, im Verglei<strong>ch</strong> mit den geknüpften Teppi<strong>ch</strong>en sehr<br />
verna<strong>ch</strong>lässigt. Die meisten Händler hielten nur ein Paar Stücke am Lager,<br />
um die Bedürfnisse einiger Sammler zu erfüllen. Na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> verbreit<strong>et</strong>e<br />
si<strong>ch</strong> der Kreis dieser Liebhaber; zuerst in den Vereinigten Staaten,<br />
dann in Italien und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> im übrigen Europa. Die Kenner wurden<br />
von der S<strong>ch</strong>önheit und E<strong>ch</strong>theit dieser vormals verna<strong>ch</strong>lässigten Gewebe<br />
verzaubert. Vers<strong>ch</strong>iedene Gründe haben diese Entwicklung unterstützt:<br />
• Die einfa<strong>ch</strong>e geom<strong>et</strong>ris<strong>ch</strong>e Musterung entspri<strong>ch</strong>t der Vorliebe der<br />
Europäer für abstrakte Kunst. Sie passt sehr gut in moderne Interieurs.<br />
• Im allgemeinen tragen die Nomaden und die Landleute sehr viel Sorge<br />
zu ihren für den Eigenbedarf gefertigten Stücken. Es ist daher mögli<strong>ch</strong>,<br />
bei ihnen versteckte S<strong>ch</strong>ätze zu entdecken.<br />
• Die s<strong>ch</strong>önen alten Exemplare lassen si<strong>ch</strong> im Gegensatz zu den<br />
geknüpften Teppi<strong>ch</strong>en oft zu vernünftigen Preisen kaufen.<br />
Heutzutage sind die zwei l<strong>et</strong>zten Vorteile weniger ausgeprägt, aber sie<br />
bleiben trotzdem interessant. Dagegen bleibt der Ges<strong>ch</strong>mack für grosszügige,<br />
einfa<strong>ch</strong> und modern aussehende Muster erhalten. Dies si<strong>ch</strong>ert<br />
den Erfolg sol<strong>ch</strong>er Gewebe bei den jungen Leuten und bei denen, deren<br />
Charakter jung geblieben ist.<br />
Einen anderen Vorteil bi<strong>et</strong><strong>et</strong> die Vielfalt der Anwendungen: Diese Webart<br />
kann auf einer Unterlage liegend als Bodenteppi<strong>ch</strong>, an der Wand als<br />
Behang und auf einem Sofa als Decke dienen.<br />
Au<strong>ch</strong> Stil- und Polstermöbel lassen si<strong>ch</strong> damit überziehen.<br />
Aus all diesen Gründen lässt si<strong>ch</strong> dem <strong>Kelim</strong> als Ornament im s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Interieur eine s<strong>ch</strong>öne Zukunft prophezeihen.<br />
Jacques Gans
DAS TEPPICHMAGAZIN<br />
1/98 6. Jahrgang<br />
Eine Publikation der SOV<br />
(S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Orientteppi<strong>ch</strong>händler<br />
Vereinigung /Association<br />
suisse des commerçants en<br />
tapis d'orient)<br />
Herausgeberin: SOV<br />
Ers<strong>ch</strong>eint zweimal jährli<strong>ch</strong> in deuts<strong>ch</strong>er<br />
und französis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />
Erhältli<strong>ch</strong> in allen SOV-Fa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äften<br />
oder über die Redaktion<br />
im Abonnement.<br />
PC Konto 80-28167-7<br />
(Fr. 20.– für vier Ausgaben)<br />
Redaktionsadresse:<br />
Postfa<strong>ch</strong> 361, 3250 Lyss<br />
Redaktionsteam:<br />
J. Gans, R. Graf, M. Fis<strong>ch</strong>er,<br />
E. Kistler, A. König, J. Linsi<br />
Redaktionelle Beratung<br />
und Lektorat:<br />
Alice Baumann, Journalistin BR,<br />
Bern<br />
Gestaltung:<br />
Partner, Partner&Partner, Biel<br />
Lithografie:<br />
Tiroler Repro, Innsbruck<br />
Druck:<br />
Farbendruck Weber AG, Biel<br />
Autoren<br />
und Fotografen dieser Ausgabe:<br />
M. Fis<strong>ch</strong>er, J. Gans, R.J. Graf,<br />
E. Kistler, A. König, A. Mollo,<br />
B. Vögeli<br />
Das Copyright der Texte und<br />
Fotos liegt bei den Autoren und<br />
Fotografen. <strong>Der</strong> Na<strong>ch</strong>druck, au<strong>ch</strong><br />
auszugsweise, ist nur mit deren<br />
Genehmigung gestatt<strong>et</strong> (Kontakt<br />
über die Redaktion).<br />
«torba» bedeut<strong>et</strong> im Türkis<strong>ch</strong>en<br />
«Tas<strong>ch</strong>e». Im möbellosen Haushalt<br />
der Nomaden enthält sie<br />
Vorräte und Gebrau<strong>ch</strong>sgegenstände;<br />
sie wird im Zelt aufgehängt<br />
und ist auf der Vorderseite kunstvoll<br />
geknüpft oder gewebt.<br />
«Die Hand der Fatima», das Sign<strong>et</strong><br />
der SOV, ist ein S<strong>ch</strong>utz- und<br />
Glücksymbol mit magis<strong>ch</strong>en Kräften:<br />
Es soll Böses abwenden und<br />
seinem Besitzer Glück bringen.<br />
t o r b a 1/98<br />
I N H A L T<br />
R U B R I K E N<br />
6 Werkstatt<br />
8 Galerie<br />
17 Ausstellungen<br />
17 Kontroverse<br />
18 Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
18 Geri<strong>ch</strong>t<br />
21 Service<br />
R E P O R T A G E<br />
4 Mafras<strong>ch</strong> – eine textile Truhe<br />
G E G E N S T A N D<br />
7 Des Rätsels<br />
Lösung<br />
t o r b a R E P O R T<br />
10 <strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong> – das beliebte<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
F O K U S<br />
19 Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
des Reyhanli <strong>Kelim</strong><br />
Titelbild: Konya Koyun 202 x 278 cm.<br />
I N T E R I E U R<br />
20 Vorliebe für Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
R E P O R T A G E<br />
22 Auf den Spuren der Nomaden:<br />
Abwe<strong>ch</strong>slung<br />
im Leben der Nomaden<br />
3
Mafras<strong>ch</strong> – eine textile Truhe<br />
Wie die Nomaden im vorderen Orient ihre gewebten und<br />
geknüpften Transporttas<strong>ch</strong>en verwenden.<br />
Afs<strong>ch</strong>ar-Mafras<strong>ch</strong>, geknüpft,<br />
asym<strong>et</strong>ris<strong>ch</strong>er Knoten na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts<br />
offen, Ledergurten kompl<strong>et</strong>t<br />
mit Traggriffen.<br />
K<strong>et</strong>te und S<strong>ch</strong>uss: Wolle.<br />
Längsseite 122 x 47 cm,<br />
Breitseite 50 x 37 cm,<br />
Boden 122 x 43 cm.<br />
R E P O R T A G E<br />
Als junger Teppi<strong>ch</strong>händler war i<strong>ch</strong><br />
immer der Ansi<strong>ch</strong>t, dass die grossen<br />
und re<strong>ch</strong>teckigen Tas<strong>ch</strong>en von den<br />
Nomaden als Wiege gebrau<strong>ch</strong>t würden.<br />
In der Fa<strong>ch</strong>literatur konnte i<strong>ch</strong><br />
nur wenige Angaben darüber finden.<br />
So erwähnte Werner Grote-Hasenbalg<br />
in seinem Bu<strong>ch</strong> «<strong>Der</strong> Orientteppi<strong>ch</strong>,<br />
seine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und seine<br />
Kultur», ers<strong>ch</strong>ienen 1922, das Wort<br />
Mafras<strong>ch</strong> mit keinem Wort! Bei J.G.<br />
L<strong>et</strong>tenmaier, «Das grosse Orientteppi<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>»,<br />
ers<strong>ch</strong>ienen 1962,<br />
lesen wir: Mafras<strong>ch</strong>: Kaukasis<strong>ch</strong>er<br />
Ausdruck sowohl für grosse Ledertas<strong>ch</strong>en<br />
als au<strong>ch</strong> für gewebte grosse<br />
Tas<strong>ch</strong>en zur Lastenbeförderung<br />
(Kameltas<strong>ch</strong>en), deren Vorderseite<br />
entweder Knüpf- oder Wirkmuster<br />
aufweist.<br />
Au<strong>ch</strong> bei der «Enzyklopädie des<br />
Orientteppi<strong>ch</strong>s» von J. Iten-Maritz<br />
su<strong>ch</strong>en wir das Wort Mafras<strong>ch</strong><br />
vergebens. Für den Autor ist diese<br />
Tas<strong>ch</strong>e eine Wiege.<br />
Inzwis<strong>ch</strong>en wurde jedo<strong>ch</strong> sehr viel<br />
Feldfors<strong>ch</strong>ung b<strong>et</strong>rieben und man<br />
weiss heute bedeutend mehr über<br />
die Mafras<strong>ch</strong>.<br />
Mehr als bloss eine Tas<strong>ch</strong>e<br />
Na<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedenen persis<strong>ch</strong>en,<br />
türkis<strong>ch</strong>en und arabis<strong>ch</strong>en Wörterbü<strong>ch</strong>ern<br />
bedeut<strong>et</strong> Mafras<strong>ch</strong> ein<br />
Behältnis, in das Kleider und<br />
S<strong>ch</strong>lafausrüstung eingepackt werden.<br />
Es enthält also B<strong>et</strong>tzeug und<br />
ist zuglei<strong>ch</strong> Matratze. Viele Stämme<br />
nennen diese B<strong>et</strong>tzeugtas<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong><br />
«galeh» oder «khabgah».<br />
Bei den Nomaden ist es übli<strong>ch</strong>,<br />
am Tag das B<strong>et</strong>tzeug in Mafras<strong>ch</strong>s<br />
aufzubewahren und erst bei Na<strong>ch</strong>t<br />
auszubreiten. <strong>Der</strong> Mafras<strong>ch</strong> ist eine<br />
Tas<strong>ch</strong>e in Form einer textilen Truhe.<br />
Die Ähnli<strong>ch</strong>keit liegt ni<strong>ch</strong>t nur in<br />
der Art der Verwendung, sondern<br />
au<strong>ch</strong> in deren Konstruktion. Wie<br />
die Holz- oder die M<strong>et</strong>alltruhe hat<br />
ein Mafras<strong>ch</strong> eine dreidimensionale<br />
Form. Ungefüllt fällt ein Mafras<strong>ch</strong><br />
in si<strong>ch</strong> zusammen und beanspru<strong>ch</strong>t<br />
dadur<strong>ch</strong> wenig Platz.<br />
Turkmen-Mafras<strong>ch</strong>, gewoben,<br />
sog. Bros<strong>ch</strong>ier-Te<strong>ch</strong>nik, alle Seiten inkl.<br />
Boden.<br />
K<strong>et</strong>te und S<strong>ch</strong>uss: Wolle.<br />
Längsseite 87 x 36 cm,<br />
Breitseite 39 x 41 cm, Boden 86 x 38 cm.<br />
4 t o r b a 1/98
Auf Kamel, Esel oder Pferd<br />
<strong>Der</strong> Mafras<strong>ch</strong> wird in der Regel aus<br />
zwei Teilen gefertigt. Die beiden<br />
Längsseiten von 80-120 cm Breite<br />
und einer Höhe von 40-60 cm<br />
werden mit dem Boden zu einem<br />
Stück gewoben oder geknüpft,<br />
ebenso die S<strong>ch</strong>malseiten mit einer<br />
Breite von 40-60 cm, die man dann<br />
auseinanders<strong>ch</strong>neid<strong>et</strong> und an den<br />
Hauptteil annäht.<br />
Die verbundenen Teile werden<br />
dana<strong>ch</strong> zusätzli<strong>ch</strong> mit dicken Wollfäden<br />
kordelartig umwickelt.<br />
Obwohl die Tas<strong>ch</strong>en in ihrer Form<br />
ähnli<strong>ch</strong> sind, unters<strong>ch</strong>eiden sie si<strong>ch</strong><br />
do<strong>ch</strong> in Einzelheiten. Einige Stämme<br />
wie die Gas<strong>ch</strong>gai und die Afs<strong>ch</strong>aren<br />
versehen ihre Mafras<strong>ch</strong> mit<br />
Vers<strong>ch</strong>lussklappen. Bei anderen sind<br />
oben vers<strong>ch</strong>iedene S<strong>ch</strong>laufen angebra<strong>ch</strong>t,<br />
damit die Tas<strong>ch</strong>e zuges<strong>ch</strong>nürt<br />
und ges<strong>ch</strong>lossen werden<br />
kann. Handges<strong>ch</strong>mied<strong>et</strong>e Eisenringe,<br />
Ziegenhaar und au<strong>ch</strong> Wolle<br />
dienen als S<strong>ch</strong>laufen. Au<strong>ch</strong> Leders<strong>ch</strong>laufen<br />
und Lederriemen werden<br />
verarbeit<strong>et</strong>. Die Vers<strong>ch</strong>nürung ges<strong>ch</strong>ieht<br />
auf mannigfaltige Weise.<br />
Die fertig gepackten Mafras<strong>ch</strong> werden<br />
re<strong>ch</strong>ts und links auf ein Kamel,<br />
Esel oder Pferd geladen.<br />
Die Herstellung von Mafras<strong>ch</strong>s ist<br />
bei fast allen persis<strong>ch</strong>en Nomadenstämmen<br />
übli<strong>ch</strong>. Am meisten verbreit<strong>et</strong><br />
sind die Mafras<strong>ch</strong>s der<br />
Mafras<strong>ch</strong> Shasavan, alle Seiten ums<strong>ch</strong>lingendes Wickeln,<br />
Boden Fla<strong>ch</strong>gewebe. K<strong>et</strong>te und S<strong>ch</strong>uss: Wolle.<br />
Längsseite 101 x 63 cm, Breitseite 48 x 60 cm,<br />
Boden 101 x 49 cm.<br />
t o r b a 1/98<br />
Shasavan-Nomaden. Weit weniger<br />
Mafras<strong>ch</strong> treffen wir bei den Ba<strong>ch</strong>tiaren,<br />
Gas<strong>ch</strong>gai und Afs<strong>ch</strong>aren an.<br />
Sehr selten sind sie bei den Turkmenen-Stämmen.<br />
Ein Grund dafür<br />
könnte sein, dass in den wärmeren<br />
Regionen Persiens und der Turkmenensteppe<br />
weniger B<strong>et</strong>tzeug benötigt<br />
wird.<br />
Die meisten Mafras<strong>ch</strong> sind in<br />
S<strong>ch</strong>litzwirkerei oder in der Te<strong>ch</strong>nik<br />
des ums<strong>ch</strong>lingenden Wickelns angefertigt.<br />
Sehr selten find<strong>et</strong> man<br />
geknüpfte Mafras<strong>ch</strong>.<br />
Mafras<strong>ch</strong> für die Mitgift<br />
Es ist für eine zukünftige Braut<br />
enorm wi<strong>ch</strong>tig, eine oder zwei<br />
Mafras<strong>ch</strong> zu besitzen. In diesen<br />
Mafras<strong>ch</strong> wird sie ihre Mitgift in die<br />
Ehe einbringen. Es versteht si<strong>ch</strong> von<br />
selbst, dass die Braut si<strong>ch</strong> die grösste<br />
Mühe gibt, mögli<strong>ch</strong>st s<strong>ch</strong>öne und<br />
attraktive Mafras<strong>ch</strong> zu weben resp.<br />
zu knüpfen. Ein Mäd<strong>ch</strong>en webt oder<br />
knüpft mögli<strong>ch</strong>st früh ein Paar<br />
Mafras<strong>ch</strong>, damit sie ihre Fähigkeit<br />
als Weberin unter Beweis stellen<br />
kann. Jede Familie besitzt mehrere<br />
Mafras<strong>ch</strong>; je mehr man besitzt, desto<br />
höher ist das Ansehen einer Familie.<br />
Au<strong>ch</strong> heute kann man im Handel in<br />
Europa no<strong>ch</strong> sehr s<strong>ch</strong>öne kompl<strong>et</strong>te<br />
Mafras<strong>ch</strong> finden. Meistens wurden<br />
sie aber au<strong>ch</strong> aufg<strong>et</strong>rennt und einzeln<br />
angeboten.<br />
Was sollen wir aber mit einem kompl<strong>et</strong>ten<br />
Mafras<strong>ch</strong> zu Hause tun?<br />
Auftrennen, nein bitte ni<strong>ch</strong>t: Am besten<br />
ist es, sie auf den Kopf zu stellen,<br />
ein Holzgerüst anzufertigen (oder<br />
einen passenden Styroporblock) und<br />
sie als textile Truhe, als Sitzbank oder<br />
S<strong>ch</strong>muckstück und Blickfang in der<br />
Wohnung aufstellen.<br />
Für nähere Einzelheiten zum Thema empfehle<br />
i<strong>ch</strong> Ihnen folgende Fa<strong>ch</strong>literatur:<br />
Azadi - Andrews «Mafras<strong>ch</strong>»,<br />
ers<strong>ch</strong>ienen im Di<strong>et</strong>ri<strong>ch</strong> Reimer Verlag,<br />
Weltkunstverlag, 1985<br />
Parviz Tanavoli «Shasavan»,<br />
ers<strong>ch</strong>ienen im 0ffice du Livre Verlag, Fribourg,<br />
1985<br />
Text: R.J. Graf<br />
Fotos: Antonio Mollo<br />
D<strong>et</strong>ail eines Afs<strong>ch</strong>ary-Mafras<strong>ch</strong>.<br />
Mafras<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>asavan, Frontseite ums<strong>ch</strong>lingendes Wickeln<br />
(Sumakh), Rückseite, Seiten und Boden S<strong>ch</strong>litzkelim.<br />
K<strong>et</strong>te und S<strong>ch</strong>uss: Wolle. Längsseite 107 x 39 cm,<br />
Breitseite 35 x 40 cm, Boden 108 x 37 cm.<br />
5
Die Welt der Teppi<strong>ch</strong>herstellung (Teil 11)<br />
Te<strong>ch</strong>niken<br />
der Knüpfgewebe<br />
Randabs<strong>ch</strong>lüsse<br />
Obere, untere und seitli<strong>ch</strong>e Kanten<br />
eines Knüpfteppi<strong>ch</strong>s oder Fla<strong>ch</strong>gewebes<br />
sind naturgemäss Stellen,<br />
die besonders stark der Abnutzung<br />
ausges<strong>et</strong>zt sind. Deshalb werden sie<br />
meist sehr sorgfältig ausgearbeit<strong>et</strong>,<br />
sei es während des Webvorgangs,<br />
sei es na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>. Die vielfältigen<br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en und formalen Variationen<br />
werden eigentli<strong>ch</strong> viel zu<br />
wenig bea<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>. Dies ist um so bedauerli<strong>ch</strong>er,<br />
als sie – neben ihrem<br />
ästh<strong>et</strong>is<strong>ch</strong>en und handwerkli<strong>ch</strong>en<br />
Reiz – häufig zu genauer Herkunftsbestimmung<br />
herangezogen werden<br />
und damit au<strong>ch</strong> historis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lüsse<br />
ermögli<strong>ch</strong>en.<br />
Seiten<br />
Die seitli<strong>ch</strong>en Webkanten eines<br />
Knüpfteppi<strong>ch</strong>s oder Fla<strong>ch</strong>gewebes<br />
bedürfen einer Verstärkung<br />
oder – im Fall geknüpfter Erzeugnisse<br />
– au<strong>ch</strong> eines Ausglei<strong>ch</strong>s des<br />
Grunds<strong>ch</strong>usses. Dieser wird in den<br />
meisten Fällen während<br />
W E R K S T A T T<br />
des Web- und Knüpfvorgangs angebra<strong>ch</strong>t.<br />
Um der Webkante mehr<br />
Festigkeit zu verleihen, wird häufig<br />
für die äussersten K<strong>et</strong>tfäden dickeres<br />
Material gewählt, oder es werden<br />
mehrere K<strong>et</strong>tfäden zu Gruppen<br />
zusammen gefasst. Von den mannigfaltigen<br />
Mögli<strong>ch</strong>keiten, die Seiten<br />
in S<strong>ch</strong>ussri<strong>ch</strong>tung zu verstärken,<br />
können nur einige herausgegriffen<br />
werden:<br />
1.1. Umkehrender S<strong>ch</strong>uss<br />
<strong>Der</strong> Grunds<strong>ch</strong>uss wird bei den<br />
äussersten K<strong>et</strong>tfäden oder K<strong>et</strong>tfadengruppen<br />
mehrmals hin- und hergeführt,<br />
bevor er über die ganze<br />
Webbreite zurückkehrt. Er liegt<br />
dadur<strong>ch</strong> di<strong>ch</strong>ter und glei<strong>ch</strong>t die<br />
Lücken der fehlenden Knotenreihen,<br />
die ni<strong>ch</strong>t bis zur Webkante<br />
eingeknüpft sind, aus.<br />
1.2. Umwickeln<br />
mit zusätzli<strong>ch</strong>em Faden<br />
Neben dem Grunds<strong>ch</strong>uss werden<br />
während des Web- und Knüpfvorgangs<br />
zusätzli<strong>ch</strong>e Fäden – man<strong>ch</strong>mal<br />
in vers<strong>ch</strong>iedenen Farben – um die<br />
äussersten K<strong>et</strong>tfäden oder K<strong>et</strong>tfadengruppen<br />
ges<strong>ch</strong>lungen; dies entweder<br />
dur<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong>es Umwickeln in<br />
Form von A<strong>ch</strong>ters<strong>ch</strong>lingen oder<br />
mehrfa<strong>ch</strong>, zum Beispiel in dreifa<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>lingen, oder sogar in Zopfform.<br />
Na<strong>ch</strong> dem Webvorgang können au<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>, mittels einer<br />
Nadel, Umwicklungen angebra<strong>ch</strong>t<br />
werden. In dieser Art werden häufig<br />
die Kanten von zusammenges<strong>et</strong>zten<br />
Tas<strong>ch</strong>en ausgearbeit<strong>et</strong>.<br />
Bei vielen Teppi<strong>ch</strong>en der Na<strong>ch</strong>knüpfländer<br />
(Pakistan, Indien, Nepal)<br />
werden die seitli<strong>ch</strong>en Kanten<br />
oft gerade ges<strong>ch</strong>nitten, um dana<strong>ch</strong><br />
die Kante mit zusätzli<strong>ch</strong>em Faden<br />
zu umwickeln (reisst gerne aus).<br />
Ober- und Unterkanten<br />
Entspre<strong>ch</strong>end der Arbeitsri<strong>ch</strong>tung<br />
werden die Endpartien als Unterkante<br />
(Webbeginn) und Oberkante<br />
bezei<strong>ch</strong>n<strong>et</strong>, wobei allerdings bei<br />
Fla<strong>ch</strong>geweben oft ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>ieden<br />
werden kann, an wel<strong>ch</strong>er Kante mit<br />
dem Weben begonnen wurde. Bei<br />
geknüpften Erzeugnissen s<strong>ch</strong>liessen<br />
an den geknüpften Teil häufig fla<strong>ch</strong>gewebte<br />
Endpartien an, einfarbig<br />
oder gestreift, in Leinwand- oder<br />
S<strong>ch</strong>ussrepsbindung, oder aber verziert<br />
in den bekannten Fla<strong>ch</strong>gewebe-Te<strong>ch</strong>niken.<br />
In der Literatur<br />
werden diese Endpartien oft einfa<strong>ch</strong><br />
«<strong>Kelim</strong>» genannt, denn sie sind<br />
fla<strong>ch</strong>gewoben, dies im Gegensatz<br />
zum geknüpften Teil.<br />
Abges<strong>ch</strong>nittene K<strong>et</strong>tfäden (Fransen)<br />
werden häufig in Gruppen von mehreren<br />
Fäden miteinander verknot<strong>et</strong>.<br />
Grössere Gruppen von K<strong>et</strong>tfäden<br />
können au<strong>ch</strong> zu Zöpfen verflo<strong>ch</strong>ten<br />
werden. Interessant ist die Querverzopfung.<br />
Mehrere K<strong>et</strong>tfadengruppen<br />
werden miteinander in Querri<strong>ch</strong>tung<br />
verflo<strong>ch</strong>ten, wobei immer<br />
eine neue Gruppe dazugenommen<br />
wird und die als erste erfasste<br />
Gruppe hängen bleibt.<br />
Bei einigen Nomadenteppi<strong>ch</strong>en<br />
(Gabbe) wird die Ober- und Unterkante<br />
als Fla<strong>ch</strong>gewebe-Ende na<strong>ch</strong><br />
hinten abgenäht.<br />
6 t o r b a 1/98
Mir war klar, dass dies ni<strong>ch</strong>t der<br />
ursprüngli<strong>ch</strong>e Verwendungszweck<br />
dieser alten Holzform sein konnte.<br />
Au<strong>ch</strong> der zweifellos praktis<strong>ch</strong>e Gebrau<strong>ch</strong><br />
als As<strong>ch</strong>enbe<strong>ch</strong>er konnte niemals<br />
seine wahre Bestimmung sein!<br />
Dass dieser geheimnisvolle Gegenstand<br />
seit jeher in der Kü<strong>ch</strong>e seinen<br />
Platz gehabt und irgendeiner kulinaris<strong>ch</strong>en<br />
Zubereitung gedient haben<br />
muss, s<strong>ch</strong>ien mir einleu<strong>ch</strong>tend. Um<br />
ein altertümli<strong>ch</strong>es inners<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es<br />
Knöpflibr<strong>et</strong>t konnte es si<strong>ch</strong><br />
aber wohl kaum handeln...? Das mit<br />
Hilfe dieses Geräts tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> gefertigte<br />
Endprodukt, soviel wurde mir<br />
verraten, sei ein weitverbreit<strong>et</strong>es<br />
und beliebtes G<strong>et</strong>ränk, für dessen<br />
Zubereitung jedo<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> weitere<br />
Geräts<strong>ch</strong>aften benötigt werden. Als<br />
diese nun ebenfalls herbeiges<strong>ch</strong>afft<br />
wurden, löste si<strong>ch</strong> das Rätsel s<strong>ch</strong>nell:<br />
Natürli<strong>ch</strong> Kaffee!<br />
Am Kaminfeuer hätten wir uns nun<br />
mit diesen s<strong>ch</strong>önen alten Utensilien<br />
glei<strong>ch</strong> an die Arbeit ma<strong>ch</strong>en können.<br />
Leider fehlte uns aber eine Handvoll<br />
grüne Kaffeebohnen, um das einstmals<br />
kostbare G<strong>et</strong>ränk auf die glei<strong>ch</strong>e<br />
Weise zuzubereiten, wie dies die<br />
Nomaden und die ländli<strong>ch</strong>e Bevölkerung<br />
der Türkei wohl jahrhundertelang<br />
g<strong>et</strong>an haben: Im fla<strong>ch</strong>en<br />
handges<strong>ch</strong>mied<strong>et</strong>en Eisenpfänn<strong>ch</strong>en<br />
«tava» – den langen Stiel kann man<br />
zum platzsparenden Versorgen oder<br />
Transportieren zweimal zusammenklappen<br />
– werden die grünen Kaffeebohnen<br />
geröst<strong>et</strong>. Dank der kleinen<br />
halbrunden Erhebung in der Mitte<br />
lassen si<strong>ch</strong> die Bohnen mit einer<br />
kreisenden Bewegung glei<strong>ch</strong>mässig<br />
«umrühren». Zum Abkühlen werden<br />
die geröst<strong>et</strong>en Bohnen nun in<br />
die kleine, fla<strong>ch</strong>e Holzs<strong>ch</strong>ale mit<br />
Ausguss ges<strong>ch</strong>ütt<strong>et</strong>: Das rätselhafte<br />
Objekt entpuppte si<strong>ch</strong> also als<br />
G E G E N S T A N D<br />
Des Rätsels Lösung<br />
Als mir der eigenartige Gegenstand zum erstenmal auffiel,<br />
benutzte ihn mein Gastgeber verkehrt herum als Untersatz<br />
für eine heisse Pfanne.<br />
Kaffeebohnenkühler! Ans<strong>ch</strong>liessend<br />
zermahlt man die Bohnen in einem<br />
Holzmörser – «dibek» oder im<br />
Volksmund «güm-güm» – zu sehr<br />
feinem Kaffeepulver. Nun kann der<br />
türkis<strong>ch</strong>e Kaffee zubereit<strong>et</strong> werden:<br />
8-10 Gramm auf 100 Milliliter<br />
Wasser.<br />
Als Gefäss kommt ein «Ibrik» (innen<br />
verzinktes Kupfer- oder Messingkänn<strong>ch</strong>en)<br />
zum Einsatz. In ihn gibt<br />
man kaltes Wasser, Kaffeemehl und<br />
Zucker, dann sollte man das Ganze<br />
dreimal kurz aufko<strong>ch</strong>en. Ri<strong>ch</strong>tig<br />
orientalis<strong>ch</strong> wird es, wenn man den<br />
Satz teilweise oder ganz mittrinkt.<br />
Daran gewöhnt, uns den tägli<strong>ch</strong>en<br />
Kaffeegenuss gedankenlos mit ein<br />
paar wenigen Handgriffen oder<br />
automatis<strong>ch</strong> per Knopfdruck zu<br />
vers<strong>ch</strong>affen, tau<strong>ch</strong>ten bei der ungewohnten<br />
Bes<strong>ch</strong>äftigung mit dieser<br />
ursprüngli<strong>ch</strong>en Art der Zubereitung<br />
bald au<strong>ch</strong> Fragen auf zu Ursprung<br />
und Verbreitung der «Bohne, die<br />
Kulturges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ma<strong>ch</strong>te».<br />
Botanis<strong>ch</strong>e Hinweise deuten auf<br />
Äthiopien als Ursprungsland. Dort<br />
wurde Kaffee bereits im 9. Jahrhundert<br />
erwähnt. Andere Quellen<br />
beri<strong>ch</strong>ten von beginnender Kultivierung<br />
der Kaffeepflanze um 675<br />
in Arabien am Roten Meer oder um<br />
575 an der Südspitze der arabis<strong>ch</strong>en<br />
Halbinsel (heutiges Yemen). Die<br />
Ausbreitung der exportierten Kaffeebohnen<br />
als Konsumgut hing eng<br />
zusammen mit der Ausbreitung des<br />
Islam über Nordafrika, Südeuropa<br />
und Südostasien. Das erste Kaffeehaus<br />
Europas war erst 1645 in Venedig<br />
anzutreffen. Christli<strong>ch</strong>e Fanatiker<br />
hielten den Kaffee für einen<br />
«Trank des Satans», da er von den<br />
Arabern in grossen Mengen konsumiert<br />
wurde. Sie wollten deshalb die<br />
Verbreitung des Kaffees verhindern<br />
und errei<strong>ch</strong>ten, dass ein Kir<strong>ch</strong>enbann<br />
über ihn verhängt wurde.<br />
Papst Clement VII. jedo<strong>ch</strong> hob den<br />
Bann hö<strong>ch</strong>stpersönli<strong>ch</strong> wieder auf,<br />
segn<strong>et</strong>e den Kaffee und sagte: «Kaffee<br />
s<strong>ch</strong>meckt so köstli<strong>ch</strong>, dass es<br />
s<strong>ch</strong>ade wäre, diesen Genuss nur den<br />
Heiden zu gönnen».<br />
Barbara Vögeli<br />
t o r b a 1/98 7
Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong>, 156 x 239 cm,<br />
Fr. 1950.–.<br />
Teppi<strong>ch</strong>haus Gloor, Aarwangenstrasse 3,<br />
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Bernstrasse 11, 3250 Lyss,<br />
Tel. 032/384 44 33.<br />
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Tel. 032/384 44 33.<br />
8 t o r b a 1/98
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t o r b a 1/98<br />
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5436 Würenlos, Tel. 056/424 17 33.<br />
Wi<strong>ch</strong>tiger Hinweis:<br />
Aus repro- und druckte<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Gründen können<br />
bei Teppi<strong>ch</strong>abbildungen Farbabwei<strong>ch</strong>ungen entstehen.<br />
9
t o r b a R E P O R T<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong> –<br />
das beliebte<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
Die orientalis<strong>ch</strong>en Fla<strong>ch</strong>gewebe (=<strong>Kelim</strong>) sind bei uns<br />
erst vor einigen Jahren aus ihrer Anonymität hervorg<strong>et</strong>r<strong>et</strong>en.<br />
Trotz der relativ späten Entdeckung hat die Na<strong>ch</strong>frage das<br />
Angebot für alte und antike Fla<strong>ch</strong>gewebe in den Ursprungsländern<br />
verknappt.<br />
Einige Händler und Sammler haben<br />
Mitte der siebziger Jahre dur<strong>ch</strong> Ausstellungen<br />
und Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />
(«The Undiscouvered <strong>Kelim</strong>» in der<br />
White<strong>ch</strong>apel Art Gallery in London;<br />
Das Fa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> «<strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong>» von<br />
Yanni P<strong>et</strong>sopoulos) den bis dahin<br />
weitgehend unbea<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>en Textilien<br />
eine gewisse Bedeutung vers<strong>ch</strong>afft.<br />
Wer beginnt, si<strong>ch</strong> mit ihnen zu<br />
befassen, wird bald in ihren Bann<br />
gezogen.<br />
Au<strong>ch</strong> bei mir löste die Bekannts<strong>ch</strong>aft<br />
mit meinem ersten <strong>Kelim</strong> eher eine<br />
zurückhaltende, abwartende Haltung<br />
aus. Im Jahre 1964 s<strong>ch</strong>enkte<br />
mir ein Kunde – i<strong>ch</strong> war damals<br />
Mitarbeiter eines traditionellen<br />
Teppi<strong>ch</strong>hauses – ein reparaturbedürftiges<br />
zentralanatolis<strong>ch</strong>es, in zwei<br />
Bahnen gewirktes Fla<strong>ch</strong>gewebe. <strong>Der</strong><br />
Kostenvorans<strong>ch</strong>lag für die Reparatur<br />
war dem Kunden zu ho<strong>ch</strong>. Für<br />
diesen Preis konnte er einen Teppi<strong>ch</strong><br />
10 t o r b a 1/98
aus Afghanistan kaufen. Dieses von<br />
Afs<strong>ch</strong>aren gewirkte Fla<strong>ch</strong>gewebe,<br />
dessen Ausstrahlung und S<strong>ch</strong>önheit<br />
i<strong>ch</strong> erst einige Jahre später erkannte,<br />
ist Ursa<strong>ch</strong>e meiner heutigen Begeisterung<br />
und Aktivität.<br />
Die Fülle von Informationen an der<br />
internationalen Teppi<strong>ch</strong>konferenz<br />
in Washington im Jahr 1980, aus<br />
Vorträgen und in persönli<strong>ch</strong>en<br />
Gesprä<strong>ch</strong>en eröffn<strong>et</strong>en meinen<br />
Blick in die faszinierende Welt der<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe. Sie liessen meinen<br />
ges<strong>ch</strong>enkten <strong>Kelim</strong> erst im ri<strong>ch</strong>tigen<br />
Li<strong>ch</strong>t ers<strong>ch</strong>einen.<br />
Heute ist die enorme kulturhistoris<strong>ch</strong>e<br />
Bedeutung der Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
längst erkannt. Sie wird in vielen<br />
Bü<strong>ch</strong>ern und Fa<strong>ch</strong>zeits<strong>ch</strong>riften erörtert.<br />
Es rei<strong>ch</strong>t heute ni<strong>ch</strong>t mehr, das<br />
Wort «<strong>Kelim</strong>» für die grosse Vielfalt<br />
an unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>niken,<br />
Formaten und Typen zu gebrau<strong>ch</strong>en,<br />
kennen wir do<strong>ch</strong> über 40<br />
vers<strong>ch</strong>iedene Webte<strong>ch</strong>niken.<br />
In einem einzigen Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
können wir so bis zu zehn vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Webarten feststellen.<br />
<strong>Der</strong> Liebhaber verlangt eine genaue<br />
Bezei<strong>ch</strong>nung zu Te<strong>ch</strong>nik, Material<br />
und Ursprung.<br />
Jahrzehntelang war das Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
zu einem S<strong>ch</strong>attendasein verurteilt.<br />
Hier in Europa wie in den<br />
orientalis<strong>ch</strong>en Basaren s<strong>ch</strong>enkte ihm<br />
niemand Bea<strong>ch</strong>tung. Die Entdeckung<br />
der Fla<strong>ch</strong>gewebe ging einher<br />
mit dem zunehmenden Interesse<br />
an alten Volkskulturen. Man erkannte,<br />
dass si<strong>ch</strong> in den Fla<strong>ch</strong>geweben ein<br />
uralter Motivs<strong>ch</strong>atz bis in die Gegenwart<br />
erhalten hat.<br />
Die Fla<strong>ch</strong>gewebe waren immer Teil<br />
des nomadis<strong>ch</strong>en und bäuerli<strong>ch</strong>en<br />
Alltags; sie dienten auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
dem Eigenbedarf. Zelte, Wand-<br />
und Türbehänge, grosse Ts<strong>ch</strong>owals<br />
(Säcke), Mafras<strong>ch</strong> (grosser Koffer),<br />
Chanteh (kleinere Tas<strong>ch</strong>e), Kissen,<br />
Babywiegen, Chordjin (Sattelta-<br />
Zagros <strong>Kelim</strong>. Zagros <strong>Kelim</strong>.<br />
s<strong>ch</strong>e), <strong>Kelim</strong>, Djadjim (grosse,<br />
aus s<strong>ch</strong>malen Bahnen zusammengenähte<br />
Decke), Sofreh Ardi (Brotteigtu<strong>ch</strong>),<br />
Namakdan (Salztas<strong>ch</strong>e)<br />
und Teppi<strong>ch</strong>e wurden alle aus<br />
S<strong>ch</strong>afwolle, Ziegen- oder Kamelhaar<br />
hergestellt.<br />
<strong>Der</strong> in der Formenspra<strong>ch</strong>e der<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe erhaltene mystis<strong>ch</strong>e<br />
und geheimnisvolle Musters<strong>ch</strong>atz<br />
hat – mangels s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>er Quellen –<br />
eine uns verborgene Symbolik.<br />
Den Weberinnen eines Stammes<br />
kam es nie in den Sinn, Muster<br />
anderer Gruppen in ihren Arbeiten<br />
zu verwenden. Die Bedeutung und<br />
die Formen einzelner Muster lernten<br />
sie von ihren Müttern und Tanten.<br />
Natürli<strong>ch</strong> gesellte si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> der<br />
eigene Ges<strong>ch</strong>mack hinzu, do<strong>ch</strong> blieben<br />
die Motive, Kompositionen und<br />
Farben weitgehend unverändert.<br />
Nur selten und na<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tigen Begebenheiten,<br />
die meist den Stamm<br />
b<strong>et</strong>rafen – dies konnten sowohl<br />
t o r b a 1/98 11
Zagros <strong>Kelim</strong>.<br />
religiöse wie au<strong>ch</strong> gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Gründe sein – erfuhren die Motive<br />
und Kompositionen in den Fla<strong>ch</strong>geweben<br />
eine Veränderung.<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe und Teppi<strong>ch</strong>e spielten<br />
in den Familien st<strong>et</strong>s eine zentrale<br />
Rolle bei der Mitgift oder beim<br />
Brautpreis. Damals wie heute bedeut<strong>et</strong>e<br />
eine Ho<strong>ch</strong>zeit viel mehr als nur<br />
die Vereinigung zweier Mens<strong>ch</strong>en.<br />
Das Mäd<strong>ch</strong>en wurde zum Bindeglied<br />
zwis<strong>ch</strong>en zwei Familien, deren wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e,<br />
finanzielle und politis<strong>ch</strong>e<br />
Interessen zum Wohl aller<br />
B<strong>et</strong>eiligten miteinander verwebt<br />
wurden.<br />
<strong>Der</strong> gemeinsame Besitz der beiden<br />
Familien wurde mit Textilien,<br />
S<strong>ch</strong>muck, Haustieren, Weideland<br />
und anderen Wertgegenständen besiegelt.<br />
Das junge Mäd<strong>ch</strong>en fertigte<br />
während der Brautzeit aus Freude<br />
und Notwendigkeit Fla<strong>ch</strong>gewebe,<br />
Teppi<strong>ch</strong>e und Textilien für die<br />
eigene Aussteuer an. Jedes Stück<br />
verkörperte das Erbe der Familien-<br />
und Stammestradition. Viele dieser<br />
Brautstücke sind uns dank sorgfältigem<br />
Aufbewahren der Weberinnen<br />
erhalten geblieben.<br />
Fle<strong>ch</strong>ten war Vorstufe von Weben<br />
Die Herstellung von Fla<strong>ch</strong>geweben<br />
ist in den Anfängen der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Kultur zu su<strong>ch</strong>en. Geflo<strong>ch</strong>tene<br />
Gegenstände, meist aus Weiden,<br />
können bereits in der frühges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
Zeit des Mens<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>gewiesen<br />
werden. Fle<strong>ch</strong>tvorgänge<br />
dienten zur Verbindung von bewegli<strong>ch</strong>em<br />
Material. Wir können das<br />
Fle<strong>ch</strong>ten demna<strong>ch</strong> als Vorstufe des<br />
Webens annehmen. Ein Gewebe<br />
herstellen bedeut<strong>et</strong> im Prinzip ni<strong>ch</strong>t<br />
anders als K<strong>et</strong>t- und S<strong>ch</strong>ussfaden<br />
verfle<strong>ch</strong>ten.<br />
Die Te<strong>ch</strong>nik der Fla<strong>ch</strong>gewebe ist<br />
wesentli<strong>ch</strong> älter als die der Knüpfteppi<strong>ch</strong>e.<br />
<strong>Der</strong> älteste bekannte<br />
Teppi<strong>ch</strong> stammt aus dem 5. Jahrhundert.<br />
Er wurde am Rande des<br />
Altai Gebirges bei Ausgrabungen<br />
Ein Zagros <strong>Kelim</strong> auf dem Webstuhl.<br />
in Pazyryk gefunden. Wollfragmente<br />
von Fla<strong>ch</strong>geweben, die man<br />
bei Ausgrabungen in Catalhöyük<br />
(Torba 1/93) südli<strong>ch</strong> von Konya<br />
fand, stammen jedo<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on aus<br />
6500 v. Chr. Zu Staub zerfallene<br />
Wollfragmente aus der Zeit von<br />
2500 v. Chr. haben Spuren von<br />
Webteppi<strong>ch</strong>en mit geom<strong>et</strong>ris<strong>ch</strong>em<br />
Muster hinterlassen. Man fand sie<br />
bei Ausgrabungen in Dorak bei<br />
Bursa in Nordwestanatolien.<br />
Bei Ausgrabungen eines türkis<strong>ch</strong>en<br />
Zentrums aus den Jahren um 700<br />
v. Chr. bei Eskisehir in Nordwestanatolien<br />
fand man gewebte Fragmente<br />
aus grober Wolle, Ziegenhaar<br />
und Leinen. Die verwend<strong>et</strong>en Te<strong>ch</strong>niken<br />
und au<strong>ch</strong> die Muster dieser<br />
Fragmente entspre<strong>ch</strong>en denen der<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe und Zilis, die au<strong>ch</strong><br />
heute no<strong>ch</strong> in Anatolien hergestellt<br />
werden. Aber au<strong>ch</strong> in dem s<strong>ch</strong>on<br />
vorher erwähnten Pazyryk und dem<br />
nahegelegenen Bashadar sowie weiter<br />
östli<strong>ch</strong> im mongolis<strong>ch</strong>em Noin<br />
S<strong>ch</strong>afe aus dem Toros. Gefärbte Wolle. Knaben bringen Krappwurzeln zum<br />
Färber.<br />
12 t o r b a 1/98
Afs<strong>ch</strong>ar Gat<strong>ch</strong>me 184 x 243 cm. Afs<strong>ch</strong>ar Gat<strong>ch</strong>me 225 x 287 cm.<br />
Ula wurden bei Ausgrabungen Fragmente<br />
von Fla<strong>ch</strong>geweben gefunden.<br />
Weiterhin kann man alte koptis<strong>ch</strong>e<br />
und islamis<strong>ch</strong>-ägyptis<strong>ch</strong>e Gewebe<br />
aus Ägypten und den umliegenden<br />
Gebi<strong>et</strong>en in den Museen vieler<br />
Länder besi<strong>ch</strong>tigen.<br />
Tradition stammt aus Asien<br />
Nun zurück zu den orientalis<strong>ch</strong>en<br />
Fla<strong>ch</strong>geweben: Mit einiger Si<strong>ch</strong>erheit<br />
ist ihr Ursprung in Zentral- und<br />
Mittelasien zu su<strong>ch</strong>en. Die Völker<br />
Mittel- und Zentralasiens waren<br />
Reitervölker. Sie lebten in Stammes-<br />
Die Färberei von Tollu in Konya. Gefärbte Wolle ist zum Trocknen<br />
aufgehängt.<br />
t o r b a 1/98<br />
gruppen und drückten ihren Stempel<br />
ni<strong>ch</strong>t nur den eigenen Gebi<strong>et</strong>en<br />
auf. Da sie si<strong>ch</strong> meist auf Raub- oder<br />
Kriegszügen – vornehmli<strong>ch</strong> Ri<strong>ch</strong>tung<br />
Westen – befanden, besiedelten<br />
sie bereits im 6. und 8. Jahrhundert<br />
das heutige Turkmenien, den Kaukasus<br />
sowie die Türkei. Zuvor hatten<br />
sie alle diese Länder unter ihre<br />
Herrs<strong>ch</strong>aft gebra<strong>ch</strong>t.<br />
No<strong>ch</strong> heute hat hier die <strong>Kelim</strong>-<br />
und Fla<strong>ch</strong>weberei als Volkskunst ein<br />
hohes Niveau. Was ebenfalls bemerkenswert<br />
ist: In sämtli<strong>ch</strong>en Herstellungsgebi<strong>et</strong>en<br />
orientalis<strong>ch</strong>er Fla<strong>ch</strong>-<br />
gewebe herrs<strong>ch</strong>t die türkis<strong>ch</strong>e<br />
Spra<strong>ch</strong>e vor.<br />
Die aus Zentral- und Mittelasien<br />
na<strong>ch</strong> Westen und Osten strömenden<br />
Völker werden unter dem<br />
historis<strong>ch</strong>en Begriff «Turkvölker»<br />
zusammengefasst. Die Ma<strong>ch</strong>t der<br />
Turkvölker erstreckte si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
nur auf Zentralasien, sondern im<br />
Osten bis na<strong>ch</strong> China und im Norden<br />
bis in die Mongolei.<br />
Alle Steppengebi<strong>et</strong>e des heutigen<br />
Turkmenien waren der Hand der<br />
Turkvölker, selbst Teile Nordpersiens<br />
und des Kaukasus und au<strong>ch</strong><br />
Gefärbte Zagros Wolle wird in der<br />
Zentrale abgeladen.<br />
13
Afs<strong>ch</strong>ar Gat<strong>ch</strong>me 97 x 185 cm.<br />
Zagros <strong>Kelim</strong><br />
Material: Ho<strong>ch</strong>landwolle<br />
aus dem Zagrosgebirge, handversponnen-<br />
und gezwirnt.<br />
Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />
Te<strong>ch</strong>nik: In der Regel<br />
S<strong>ch</strong>litzwirkerei.<br />
Grössen: von 50 x 100 cm<br />
bis ca. 250 x 350 cm.<br />
14<br />
Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong> 135 x 148 cm.<br />
das Gebi<strong>et</strong> von Anatolien, das im 11.<br />
Jahrhundert von den Selds<strong>ch</strong>uken<br />
erobert wurde. Hieraus ging dann<br />
das osmanis<strong>ch</strong>e Rei<strong>ch</strong> hervor.<br />
Frühe arabis<strong>ch</strong>e und persis<strong>ch</strong>e<br />
Dokumente erwähnen Teppi<strong>ch</strong>e,<br />
ohne jedo<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en Knüpf- und<br />
Webteppi<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> zu unters<strong>ch</strong>eiden.<br />
Im Text eines unbekannten<br />
Autors, dem Hudud-al-Alam-Text<br />
aus dem 11. Jahrhundert, find<strong>et</strong> man<br />
Hinweise auf <strong>Kelim</strong>, Gilimina und<br />
Gelim aus Transoxanien, aus Tabaristan<br />
und Fars.<br />
<strong>Der</strong> Übergang ins 21. Jahrhundert<br />
<strong>Der</strong> te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritt in den<br />
westli<strong>ch</strong>en Ländern beeinflusste<br />
au<strong>ch</strong> die Orientalen. Die Selbstversorger,<br />
Nomaden wie die dörfli<strong>ch</strong>en<br />
Bauer, sind ni<strong>ch</strong>t mehr darauf angewiesen,<br />
Textilien wie Säcke,<br />
Tas<strong>ch</strong>en, Decken, Sofreh, Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
und Teppi<strong>ch</strong>e herzustellen.<br />
<strong>Der</strong> gesamte Hausrat wird heute in<br />
Kisten und Plastiksäcken verstaut<br />
Afs<strong>ch</strong>ar gat<strong>ch</strong>me<br />
Material der K<strong>et</strong>te: Baumwolle.<br />
Material des S<strong>ch</strong>uss: Ho<strong>ch</strong>landwolle<br />
aus dem Zagrosgebirge,<br />
handversponnen und gezwirnt.<br />
Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />
Te<strong>ch</strong>nik: Gegeneinanderlaufend<br />
und einfa<strong>ch</strong>es ums<strong>ch</strong>lingendes<br />
Wickeln.<br />
Grössen: von 50 x 100 cm<br />
bis ca. 250 x 350 cm.<br />
Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong> 250 x 266 cm.<br />
und auf Anhänger aufgeladen. Feste<br />
Häuser ers<strong>et</strong>zen die Zelte. Im<br />
Grunde vollzieht si<strong>ch</strong> heute im<br />
Orient derselbe Wandel, der bei uns<br />
in der Na<strong>ch</strong>kriegszeit einges<strong>et</strong>zt hat.<br />
Wel<strong>ch</strong>e Frau würde heute no<strong>ch</strong> für<br />
ihre Aussteuer Tas<strong>ch</strong>entü<strong>ch</strong>er umhäkeln<br />
oder Leintü<strong>ch</strong>er besticken?<br />
Diese Handarbeiten überleben heute<br />
nur no<strong>ch</strong> dort, wo sie als Kunsthandwerk<br />
eine neue Werts<strong>ch</strong>ätzung<br />
erhalten und si<strong>ch</strong> in den Markt<br />
eingliedern. Im Wissen, dass in diesen<br />
Volksstämmen viel Kreativität,<br />
Phantasie und Tradition steckt,<br />
ermunterten einige orientalis<strong>ch</strong>e<br />
und europäis<strong>ch</strong>e Teppi<strong>ch</strong>händler,<br />
sogar das iranis<strong>ch</strong>e Kulturministerium,<br />
die Frauen dazu, nebst Teppi<strong>ch</strong>en<br />
au<strong>ch</strong> Fla<strong>ch</strong>gewebe für den<br />
westli<strong>ch</strong>en Markt herzustellen.<br />
Das Alte s<strong>ch</strong>ätzen und das Neue<br />
wagen: Viellei<strong>ch</strong>t ist dies jener Anknüpfungspunkt,<br />
der die uralte Tradition<br />
des Webens weiterführen<br />
wird – ins nä<strong>ch</strong>ste Jahrtausend.<br />
Gas<strong>ch</strong>gai<br />
Material: Wolle,<br />
mas<strong>ch</strong>inenversponnen.<br />
Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />
Te<strong>ch</strong>nik: S<strong>ch</strong>litzwirkerei.<br />
Grössen: von 50 x 100 cm<br />
bis ca. 250 x 350 cm.<br />
t o r b a<br />
1/98
Im Folgendem mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> einige<br />
dieser neuen Produkte vorstellen.<br />
Zagros <strong>Kelim</strong><br />
Die S<strong>ch</strong>afe der Gas<strong>ch</strong>gai leben im<br />
Sommer auf den Höhen des Zagrosgebirges<br />
und liefern die qualitativ<br />
ho<strong>ch</strong>stehende Wolle, die handversponnen-<br />
und verzwirnt wird. In<br />
einer zentralen Färberei wird diese<br />
elastis<strong>ch</strong>e Wolle mit natürli<strong>ch</strong>en<br />
Farben eingefärbt.<br />
Die Frauen Südpersiens weben<br />
diese «Zagros <strong>Kelim</strong>» auf horizontalen<br />
Webstühlen.<br />
Diese neue Art von <strong>Kelim</strong> vermis<strong>ch</strong>t<br />
die Tradition mit neuer kreativer<br />
Gestaltung der Weberin. Wir nennen<br />
ihn «Zagros <strong>Kelim</strong>», weil die in<br />
Ocker g<strong>et</strong>au<strong>ch</strong>te Lands<strong>ch</strong>aft die<br />
Weberinnen motiviert, Farbigkeit,<br />
Wärme und Formen in ihre Arbeit<br />
zu übertragen.<br />
Afs<strong>ch</strong>ar gat<strong>ch</strong>me<br />
Die Afs<strong>ch</strong>aren aus Südost Iran be-<br />
Miri Gas<strong>ch</strong>gai 160 x 210 cm. Bergama 155 x 205 cm.<br />
Bergama <strong>Kelim</strong><br />
Material des S<strong>ch</strong>uss und der<br />
K<strong>et</strong>te: Wolle aus Zentralanatolien,<br />
mas<strong>ch</strong>inengesponnen.<br />
Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />
Te<strong>ch</strong>nik: S<strong>ch</strong>litzwirkerei,<br />
mit teilweise zusätzli<strong>ch</strong>em<br />
Figurens<strong>ch</strong>uss.<br />
Grössen: ca 150 x 200 cm,<br />
180 x 240 cm und 200 x 290 cm.<br />
t o r b a 1/98<br />
herrs<strong>ch</strong>en seit jeher die Te<strong>ch</strong>nik des<br />
ums<strong>ch</strong>lingenden Wickelns. Diese<br />
Fähigkeit s<strong>et</strong>zt ein Teppi<strong>ch</strong>händler<br />
von Südpersien um. Sesshafte und<br />
nomadisierende Afs<strong>ch</strong>aren erstellen<br />
heute ein Fla<strong>ch</strong>gewebe, das in seiner<br />
handwerkli<strong>ch</strong>en und gestalteris<strong>ch</strong>er<br />
Form sehr besti<strong>ch</strong>t.<br />
Die K<strong>et</strong>te ist zur Formstabilität<br />
aus Baumwolle. <strong>Der</strong> Eintragsfaden<br />
ist aus handgesponnener und verzwirnter,<br />
sehr feiner Ho<strong>ch</strong>landwolle<br />
aus dem Zagrosgebirge.<br />
<strong>Der</strong> Fonds ist meistens dur<strong>ch</strong>gemustert.<br />
Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong><br />
Das iranis<strong>ch</strong>e Kulturministerium<br />
hat unter anderen im Gebi<strong>et</strong> von<br />
S<strong>ch</strong>iras eine Arbeitsgruppe einges<strong>et</strong>zt<br />
wel<strong>ch</strong>e die Produktion von<br />
Gas<strong>ch</strong>gai Fla<strong>ch</strong>geweben na<strong>ch</strong> alter<br />
Tradition organisiert.<br />
Die mas<strong>ch</strong>inengesponnene Wolle<br />
wird mit naürli<strong>ch</strong>en Farben eingefärbt.<br />
Konya Koyun<br />
Material des S<strong>ch</strong>uss<br />
und der K<strong>et</strong>te: Ho<strong>ch</strong>landwolle<br />
aus dem Torosgebirge, handversponnen<br />
und gezwirnt.<br />
Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />
Te<strong>ch</strong>nik: S<strong>ch</strong>litzwirkerei<br />
mit teilweise zusätzli<strong>ch</strong>em<br />
Figurens<strong>ch</strong>uss.<br />
Grössen: von 120 x 200 cm<br />
bis ca. 270 x 380 cm.<br />
Knüpfstuhl in der Konya Region.<br />
Konya Tiftik<br />
Material des S<strong>ch</strong>uss<br />
und der K<strong>et</strong>te: Angora<br />
von der Tiftik Ziege.<br />
Farben: Natürli<strong>ch</strong>e Farbstoffe.<br />
Te<strong>ch</strong>nik: S<strong>ch</strong>litzwirkerei<br />
mit teilweise zusätzli<strong>ch</strong>em<br />
Figurens<strong>ch</strong>uss.<br />
Grössen: von 120 x 200 cm<br />
bis ca. 270 x 380 cm.<br />
15
Konya Koyun 221 x 346 cm. Konya Tiftik 220 x 323 cm.<br />
Dur<strong>ch</strong> die mas<strong>ch</strong>inelle Verarbeitung<br />
der Wolle wirkt die Struktur <strong>et</strong>was<br />
fla<strong>ch</strong>. Die Masse wurden au<strong>ch</strong> bei<br />
dieser Produktion den westli<strong>ch</strong>en<br />
Bedürfnissen angepasst.<br />
Die Kollektion von Miri<br />
Ein idealistis<strong>ch</strong>er Teppi<strong>ch</strong>händler<br />
aus Teheran ist sehr der Tradition<br />
verbunden und versu<strong>ch</strong>t die ursprüngli<strong>ch</strong>en<br />
Muster, Materialien<br />
und Farben zu erhalten.<br />
In vers<strong>ch</strong>iedenen Provenienzen<br />
su<strong>ch</strong>te er si<strong>ch</strong> Weberinnen, die<br />
bereit waren, seine Vorstellungen<br />
umzus<strong>et</strong>zen. Da er gerne den Webvorgang<br />
mitverfolgt, ist seine Produktion<br />
re<strong>ch</strong>t bes<strong>ch</strong>eiden.<br />
Alle Fla<strong>ch</strong>gewebe, die er dann in seinem<br />
Angebot hat, sind aber in jeder<br />
Beziehung perfekt.<br />
16<br />
Konya Koyun, Konya Tiftik<br />
Das Ehepaar Tollu von Istanbul entwirft<br />
die Muster selbst. Die beiden<br />
besitzen die Fähigkeit und künstleris<strong>ch</strong>e<br />
Begabung, <strong>et</strong>was Neues entstehen<br />
zu lassen, das denno<strong>ch</strong> voll in<br />
der anatolis<strong>ch</strong>en Tradition bleibt.<br />
Nur die beste handgesponnene<br />
Ho<strong>ch</strong>landwolle und langfasriges<br />
Ziegenhaar wird verarbeit<strong>et</strong>. Die<br />
Weberinnen werden sorgfältig ausgelesen<br />
und gut bezahlt. Webfehler<br />
werden dur<strong>ch</strong> strenge Kontrolle<br />
frühzeitig erkannt und korrigiert.<br />
<strong>Der</strong> Färber ist ein Könner: Die<br />
Farbtöne können jederzeit im glei<strong>ch</strong>en<br />
Valeur na<strong>ch</strong>gefärbt werden.<br />
L<strong>et</strong>ztli<strong>ch</strong> spürt man die Hand des<br />
Ehepaars bei der Endkontrolle der<br />
Stücke: Keine Fehler entgehen den<br />
kritis<strong>ch</strong>en Augen.<br />
Bergama<br />
Ein S<strong>ch</strong>weizer Teppi<strong>ch</strong>händler produziert<br />
in Zusammenarbeit mit<br />
seinen Partnern in der Region von<br />
Bergama einen re<strong>ch</strong>t interessanten<br />
<strong>Kelim</strong>-Typ.<br />
Die Muster entwirft sein Sohn auf<br />
dem Computer. Dabei verwend<strong>et</strong><br />
er alte und bekannte Formen und<br />
würzt sie mit den Farbbedürfnissen<br />
der europäis<strong>ch</strong>en Endverbrau<strong>ch</strong>er.<br />
Die Wolle dieses Bergama Typs ist<br />
mas<strong>ch</strong>inengesponnen und stammt<br />
aus Zentralanatolien. Die Webdi<strong>ch</strong>te<br />
ist sehr fein.<br />
Text und Fotos: Edi Kistler<br />
t o r b a<br />
1/98
A U S S T E L L U N G E N<br />
8.4.–29.4. Boden-Kunst aus der Steppe.<br />
Forster + Co AG, Theaterstrasse 8, beim Bellevueplatz, 8001 Züri<strong>ch</strong>.<br />
Freie Besi<strong>ch</strong>tigung während der Ges<strong>ch</strong>äftsöffnungszeiten 9.00 –18.30.<br />
15.4.–15.5. Begehbare Kunst. Raritäten aus Persien, alte und antike Exemplare aus Südpersien.<br />
Hans Hassler AG, Baarerstrasse 23, 6300 Zug.<br />
Mo 13.30 –18.30, Di–Fr 9.00 –12.00, 13.30 –18.30, Do bis 20.00, Sa 9.00 –12.00, 13.00 –16.00.<br />
1.5.–23.5. Teppi<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ätze aus Ost-Anatolien – alte Liebe neu entdeckt.<br />
r. + j. möckli, Orientteppi<strong>ch</strong>e zur Rathauslaube, Hauptstrasse 30, 9400 Rors<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>.<br />
Di–Fr 9.00 –12.00, 14.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00.<br />
1.7.–31.8. Fla<strong>ch</strong>gewebe der Nomaden entlang der Seidenstrasse.<br />
Galerie Anne Kaiser, Obere Gasse 24, 7000 Chur. 10.00 –12.00, 14.00 –18.30, Mo ges<strong>ch</strong>lossen.<br />
14.4.–27.6. Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong> und grafiti ® .<br />
Galerie Kistler, Bernstrasse 11, 3250 Lyss.<br />
9.00 –12.00, 14.00 –18.30, Sa bis 16.00, Mo ges<strong>ch</strong>lossen.<br />
K O N T R O V E R S E<br />
Massenware – Einzelstücke<br />
An einem Na<strong>ch</strong>mittag, während der<br />
l<strong>et</strong>zten Einkaufsreise in der Türkei,<br />
s<strong>ch</strong>lenderte i<strong>ch</strong> gemütli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />
den Bazar in Istanbul. Die Händler<br />
hatten ni<strong>ch</strong>t viel zu tun und wart<strong>et</strong>en<br />
geduldig auf Reisegruppen.<br />
An der Ecke angekommen, wo si<strong>ch</strong><br />
die Orientteppi<strong>ch</strong>händler angesiedelt<br />
haben, fiel mir auf, wie uniformiert<br />
und ausdruckslos die neuen<br />
Teppi<strong>ch</strong>e in den l<strong>et</strong>zten Jahren<br />
do<strong>ch</strong> geworden sind. Die Farben der<br />
Stücke sind ausgeblei<strong>ch</strong>t und verwas<strong>ch</strong>en,<br />
man<strong>ch</strong>mal knallig, ja giftig<br />
grell. Die Wolle ist dur<strong>ch</strong> die <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e<br />
Glanzwäs<strong>ch</strong>e stark strapaziert<br />
worden und hat ein Vielfa<strong>ch</strong>es<br />
der Lebensdauer bereits eingebüsst.<br />
Ein Tourist oder Laie glaubt, das<br />
müsse am hohen Alter der Teppi<strong>ch</strong>e<br />
liegen. Weit gefehlt! Oft sind diese<br />
nur wenige Monate, hö<strong>ch</strong>stens ein<br />
halbes Jahr alt.<br />
Die auf dem Bazar angebotenen<br />
Melas, Yagcibedir oder Kars weisen<br />
grosse Unters<strong>ch</strong>iede auf gegenüber<br />
den ursprüngli<strong>ch</strong>en, älteren<br />
Stücken. Aus den ehemals vielfältigen<br />
Mustern hat si<strong>ch</strong> ein Einheitstyp<br />
herauskristallisiert, der au<strong>ch</strong><br />
von ungeübten Händen mit Mustervorlagen<br />
s<strong>ch</strong>nell geknüpft werden<br />
kann. Die Farbpal<strong>et</strong>te ri<strong>ch</strong>t<strong>et</strong> si<strong>ch</strong><br />
na<strong>ch</strong> dem Ges<strong>ch</strong>mack der Touristen.<br />
Die Amerikaner bevorzugen<br />
meistens bunte, leu<strong>ch</strong>tende Farben,<br />
die Europäer eher dezente Pastelltöne<br />
auf beigem Untergrund. Als<br />
K<strong>et</strong>tmaterial wird heute anstelle<br />
von Wolle meistens Baumwolle<br />
verwend<strong>et</strong>. Das Flormaterial ist aus<br />
Wolle oder Baumwolle und mit<br />
<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Farbstoffen eingefärbt.<br />
In der Türkei werden au<strong>ch</strong> Teppi<strong>ch</strong>e<br />
aus Na<strong>ch</strong>barländern na<strong>ch</strong>geknüpft,<br />
beispielsweise Gabbehs aus<br />
dem Iran. Qualitativ und vom Aussehen<br />
her sind sie weit entfernt vom<br />
Original. Neben dieser Massenware<br />
existieren im Handel au<strong>ch</strong> neuere<br />
Stücke, die von der Färbung, der<br />
Wollqualität, der Knotendi<strong>ch</strong>te und<br />
dem Musterbild her absolut in Ordnung<br />
sind. Nur sind diese selten auf<br />
Touristenbazars zu finden. Warum<br />
soll ein Händler gute Qualität ver-<br />
kaufen, wenn er die billigere Massenware<br />
zum glei<strong>ch</strong>en Preis oder<br />
sogar no<strong>ch</strong> teurer an die Touristen<br />
verkaufen kann?<br />
Ein Sammler, beispielsweise antiker<br />
Möbel, investiert viel Zeit, bis er<br />
ein begehrtes Einzelstück auf dem<br />
Markt finden kann. Ist das Möbelstück<br />
no<strong>ch</strong> gut erhalten, ist der Preis<br />
eher höher, eventuell ausgeführte<br />
Reparaturen wirken si<strong>ch</strong> preismindernd<br />
aus. Genauso verhält es si<strong>ch</strong><br />
bei alten Einzelstücken im Orientteppi<strong>ch</strong>handel.<br />
Aussteuerstücke, die bei der Heirat<br />
von der Frau in die Ehe miteingebra<strong>ch</strong>t<br />
wurden, sind meist perfekt<br />
geblieben. Sie wurden selten gebrau<strong>ch</strong>t<br />
und sorgfältig aufbewahrt.<br />
Wenn sie über Generationen weitervererbt<br />
wurden, kann das Alter<br />
der Teppi<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en se<strong>ch</strong>zig und<br />
hundert Jahre b<strong>et</strong>ragen.<br />
Benötigt die Familie Geld oder hat<br />
das Interesse am Stück verloren,<br />
gelangen diese Teppi<strong>ch</strong>e in den<br />
Handel. Bekommen wir auf Einkaufsreisen<br />
sol<strong>ch</strong>e Stücke angeboten,<br />
können wir kaum widerstehen,<br />
au<strong>ch</strong> wenn unser Einkaufsbudg<strong>et</strong><br />
bereits ausges<strong>ch</strong>öpft ist.<br />
Martin Fis<strong>ch</strong>er<br />
t o r b a 1/98 17
Des Esels Haare<br />
Eines Tages ers<strong>ch</strong>ienen am Hof des<br />
Sultans Ala’eddin drei <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />
Mön<strong>ch</strong>e, die in allen Wissens<strong>ch</strong>aften<br />
bewandert waren. <strong>Der</strong> Sultan<br />
forderte sie auf, den Glauben des<br />
Islams anzunehmen. Die drei Mön<strong>ch</strong>e<br />
antwort<strong>et</strong>en: «Jeder von uns<br />
mö<strong>ch</strong>te eine Frage stellen. Find<strong>et</strong><br />
ihr die ri<strong>ch</strong>tigen Antworten, sind wir<br />
bereit, eurem Wuns<strong>ch</strong> zu willfahren<br />
und Mohammedaner zu werden.»<br />
Sultan Ala’eddin beeilte si<strong>ch</strong>, die erfahrenen<br />
und weisen Männer seines<br />
Rei<strong>ch</strong>es herbeizurufen. Die Mön<strong>ch</strong>e<br />
legten ihre Fragen vor, aber keiner<br />
von ihnen war imstande, eine Antwort<br />
zu finden, worüber der Sultan<br />
sehr bekümmert war. «Ruft do<strong>ch</strong><br />
den Hods<strong>ch</strong>a Nasreddin!» sagte einer<br />
der Gelehrten. «Viellei<strong>ch</strong>t weiss<br />
er die ri<strong>ch</strong>tigen Antworten.»<br />
Dem Sultan gefiel dieser Rat.<br />
Er sandte Boten zum Hods<strong>ch</strong>a Nasreddin<br />
und liess ihm ausri<strong>ch</strong>ten, er<br />
möge si<strong>ch</strong> unverzügli<strong>ch</strong> im Sultanspalast<br />
einfinden. Soglei<strong>ch</strong> sattelte<br />
der Hots<strong>ch</strong>a seinen Esel, ergriff<br />
seinen Stock und ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> auf<br />
den Weg.<br />
Shami Kabaabs<br />
Rezept und Zubereitung<br />
von Esther C. Graf<br />
Foto: Antonio Mollo<br />
Hauptgeri<strong>ch</strong>t für 4 Personen<br />
Zutaten:<br />
500 g Hackfleis<strong>ch</strong><br />
(Rind oder Lamm na<strong>ch</strong> Wahl)<br />
2 Eier hartgeko<strong>ch</strong>t<br />
1/2 Teelöffel Ginger (Ingwer)<br />
1/2 Teelöffel Turmeric<br />
1/2 Teelöffel Jeera<br />
G E S C H I C H T E<br />
Im Palast angekommen, wurde er<br />
vom Sultan huldvoll begrüsst und<br />
zum Sitzen eingeladen. Dann erklärte<br />
ihm der Sultan, worum es<br />
gehe und fragte, ob er si<strong>ch</strong> stark<br />
genug fühle, die Herausforderung<br />
der Mön<strong>ch</strong>e anzunehmen. «Sie mögen<br />
ihre Fragen stellen», sagte der<br />
Hods<strong>ch</strong>a. «I<strong>ch</strong> bin bereit!»<br />
Hierauf trat der erste Mön<strong>ch</strong> vor<br />
und fragte: «Wo ist der Mittelpunkt<br />
der Welt?» – «Genau hier!» sagte<br />
der Hods<strong>ch</strong>a und deut<strong>et</strong>e mit seinem<br />
Stock auf die Stelle, wo der<br />
re<strong>ch</strong>te Vorderfuss seines Esels ruhte.<br />
«Woher weisst du das?» fragte der<br />
Mön<strong>ch</strong>. – «Es steht dir frei, na<strong>ch</strong>zu-<br />
G E R I C H T<br />
1/2 Teelöffel Knoblau<strong>ch</strong>pulver<br />
1 Messerspitze Chili<br />
1 Messerspitze Zimtpulver<br />
1 Teelöffel Madras-Curry<br />
1 Teelöffel Salz<br />
1 rohes Ei<br />
1 Bröt<strong>ch</strong>en (eingewei<strong>ch</strong>t in Mil<strong>ch</strong><br />
und ans<strong>ch</strong>liessend klein gehackt)<br />
messen, wenn du daran zweifelst»,<br />
entgegn<strong>et</strong>e Hods<strong>ch</strong>a. Nun trat der<br />
zweite Mön<strong>ch</strong> vor und fragte: «Wie<br />
gross ist die Zahl der Sterne, die<br />
am Himmel leu<strong>ch</strong>ten?» – «Genau so<br />
gross wie die Zahl der Haare, die<br />
mein Esel besitzt», antwort<strong>et</strong>eder<br />
Hods<strong>ch</strong>a. «Woher weisst du das?»<br />
fragte der Mön<strong>ch</strong>. «Es steht dir<br />
frei, na<strong>ch</strong>zuzählen», entgegn<strong>et</strong>e der<br />
Hods<strong>ch</strong>a. «Lassen si<strong>ch</strong> die Haare<br />
deines Esels zählen?» fors<strong>ch</strong>te der<br />
Mön<strong>ch</strong> weiter. «Lassen si<strong>ch</strong> denn die<br />
Sterne am Himmel zählen?» gab der<br />
Hods<strong>ch</strong>a zurück. Alsdann trat der<br />
dritte Mön<strong>ch</strong> vor und stellte die<br />
Frage: «Wieviele Haare hat mein<br />
Bart?» – «Genauso viele Haare wie<br />
der S<strong>ch</strong>wanz meines Esels», antwort<strong>et</strong>e<br />
der Hods<strong>ch</strong>a. «Woher weisst du<br />
das?» fragte der Mön<strong>ch</strong>. «I<strong>ch</strong> kann es<br />
dir sogar beweisen», entgegn<strong>et</strong>e der<br />
Hots<strong>ch</strong>a. «I<strong>ch</strong> zupfe zuerst ein Haar<br />
aus deinem Bart und dann eines aus<br />
dem S<strong>ch</strong>wanz meines Esels und<br />
immer so fort. Wollen wir sehen,<br />
ob die Re<strong>ch</strong>nung aufgeht?»<br />
Da gaben si<strong>ch</strong> die drei Mön<strong>ch</strong>e ges<strong>ch</strong>lagen<br />
und traten zum Islam über.<br />
Zubereitung:<br />
Das Hackfleis<strong>ch</strong>, die Gewürze und<br />
das rohe Ei gut verkn<strong>et</strong>en.<br />
Ans<strong>ch</strong>liessend das Bröt<strong>ch</strong>en ebenfalls<br />
darunter kn<strong>et</strong>en.<br />
Die gehackten Eier in S<strong>ch</strong>eiben<br />
s<strong>ch</strong>neiden.<br />
Die Ei-Rondellen in die Hackfleis<strong>ch</strong>masse<br />
einpacken und zu<br />
kleinen Kugeln formen. Diese in<br />
heissem Öl rundherum braun braten.<br />
Mit Reis oder Couscous servieren.<br />
En Gu<strong>et</strong>e!<br />
18 t o r b a 1/98
Wie s<strong>ch</strong>on der Name ausdrückt,<br />
stammt dieses Fla<strong>ch</strong>gewebe aus<br />
der Umgebung von Reyhanli, einer<br />
Kleinstadt bei Anto<strong>ch</strong>ia, einige<br />
Kilom<strong>et</strong>er von der syris<strong>ch</strong>en Grenze<br />
entfernt. Zur Zeit der Herstellung<br />
dieses <strong>Kelim</strong> lagen diese Orte<br />
im Verwaltungsgebi<strong>et</strong> des osmanis<strong>ch</strong>en<br />
Rei<strong>ch</strong>s, dessen Zentrum<br />
Aleppo war.<br />
<strong>Der</strong> Reyhanli Stamm – er stammt<br />
von den Ts<strong>ch</strong>erkessen ab, ist aber<br />
au<strong>ch</strong> unter dem Namen «Yeni-il»<br />
bekannt – hatte seine Sommerweide<br />
südli<strong>ch</strong> von Sivas (ca. 350<br />
Kilom<strong>et</strong>er). Während der Winterzeit<br />
lebte der Stamm jedo<strong>ch</strong> in der<br />
Umgebung von Aleppo.<br />
Erst im 19. Jahrhundert liess si<strong>ch</strong><br />
ein Teil des Stamms im heutigen<br />
Reyhanli nieder. Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />
blieben andere Stammesteile in<br />
Sivas und Aleppo.<br />
Präzis und fein<br />
Bei ihrer Ansiedlung Mitte des<br />
19. Jahrhunderts in Reyhanli bauten<br />
die «Yeni-Il» eine ländli<strong>ch</strong>e<br />
Industrie auf, die unter anderem<br />
au<strong>ch</strong> Fla<strong>ch</strong>gewebe herstellte.<br />
Sie waren früher und au<strong>ch</strong> heute<br />
bei orientalis<strong>ch</strong>en Händlern und<br />
Sammlern wegen ihrer Feinheit<br />
und Präzision der Ausführung<br />
ho<strong>ch</strong> angesehen.<br />
Bis vor kurzem wurden diese Reyhanli<br />
<strong>Kelim</strong> meistens als Vorhänge<br />
und Portieren gebrau<strong>ch</strong>t.<br />
Im Unters<strong>ch</strong>ied zu den Fla<strong>ch</strong>geweben,<br />
die dem Hausgebrau<strong>ch</strong> der<br />
Weberin dienten, sind die meisten<br />
dieser Stücke für den Markt hergestellt<br />
worden.<br />
F O K U S<br />
Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
des Reyhanli <strong>Kelim</strong><br />
Unter südostanatolis<strong>ch</strong>en <strong>Kelim</strong>s nimmt die Gruppe,<br />
die als «Reyhanli» bekannt ist, einen bedeutenden Raum ein.<br />
<strong>Der</strong> Anfang dieser Welt<br />
Dieser «Reyhanli» hat wie fast alle<br />
seines Typs eine dreiteilige Borte,<br />
wel<strong>ch</strong>e das dreiteilige Innenfeld<br />
umranden. Jedes der drei Feld-<br />
Paneele trägt Ros<strong>et</strong>tblüten – beim<br />
mittleren Paneel sind sie mit Stielen<br />
verbunden, dadur<strong>ch</strong> entsteht<br />
ein Gittermuster.<br />
Reyhanli um 1900, S<strong>ch</strong>litzwirkerei,<br />
zum Teil mit Konturfäden.<br />
K<strong>et</strong>te: Wolle, roh gezwirnt,<br />
S<strong>ch</strong>uss: zweifa<strong>ch</strong>e Wolle und Baumwolle,<br />
Grösse: 170 x 380 cm.<br />
Die Zentren der Paneele enthalten<br />
Fenster, die eine andere Musters<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />
sehen lassen, den endlosen<br />
Rapport eines sehr alten anatolis<strong>ch</strong>en<br />
Ornaments: das «Eli-Belinde»,<br />
was soviel heisst wie «mit<br />
den Händen in den Hüften».<br />
Die beiden kleinen Motive «Yin<br />
und Yang», wel<strong>ch</strong>e ins mittlere Feld<br />
eingewebt sind, symbolisieren das<br />
Weibli<strong>ch</strong> und Männli<strong>ch</strong>e, beide zusammen<br />
den Uranfang dieser Welt.<br />
Mit dem Motiv für Unsterbli<strong>ch</strong>keit<br />
Interessant ist au<strong>ch</strong> der mittlere<br />
s<strong>ch</strong>male Längsstreifen mit gereihten<br />
langgestreckten S-Formen der<br />
Seitenborte.<br />
Ineinanderlaufende grosse, liegende<br />
«S» sind in die Borte der S<strong>ch</strong>malseite<br />
eingewebt. Das «S» ist ein<br />
uraltes Symbol für Unsterbli<strong>ch</strong>keit.<br />
Diese Bedeutung ist wohl au<strong>ch</strong> der<br />
Grund, warum dieses Motiv sehr<br />
häufig angewend<strong>et</strong> wird.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kelim</strong> wurde in einfa<strong>ch</strong>er<br />
S<strong>ch</strong>litzwirkerei, zum Teil mit Konturfäden<br />
(Eli-Belinde und Muster<br />
der äusseren Borte), in zwei Teilen<br />
gewoben. Die K<strong>et</strong>te ist aus sehr<br />
feiner Wolle. Die weissen Partien<br />
sind alle aus Baumwolle.<br />
Die Wolle wurde mit natürli<strong>ch</strong>en<br />
Farbstoffen eingefärbt. Dabei ist<br />
die hellviol<strong>et</strong>te Farbe vermutli<strong>ch</strong><br />
aus Co<strong>ch</strong>enille.<br />
Edi Kistler<br />
t o r b a 1/98 19
I N T E R I E U R<br />
Vorliebe für<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
Bereits im Flur steht der Besu<strong>ch</strong>er auf einem türkis<strong>ch</strong>en<br />
Malatya Fla<strong>ch</strong>gewebe. Es ist uns<strong>ch</strong>wer zu erkennen, dass<br />
hier eine <strong>Kelim</strong> Liebhaberin wohnt.<br />
Meine S<strong>ch</strong>wester hat berufli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts<br />
mit Orientteppi<strong>ch</strong>en zu tun. Früher<br />
halfen wir unseren Eltern im Ges<strong>ch</strong>äft<br />
beim Aussortieren und Etik<strong>et</strong>tieren<br />
neu angekommener Ware aus<br />
dem Orient. So entstand allmähli<strong>ch</strong><br />
eine Beziehung zu diesen Teppi<strong>ch</strong>en<br />
und Fla<strong>ch</strong>geweben. Später, beim<br />
Einkauf für unsere Firma, reiste sie<br />
ab und zu mit uns in die Ursprungs-<br />
länder. Sie trug ihre Stücke in der<br />
Türkei und im Iran eigenhändig zusammen.<br />
Viele Erinnerungen und<br />
Erlebnisse sind damit verbunden.<br />
Verständli<strong>ch</strong>, dass für sie der ideelle<br />
Wert der Fla<strong>ch</strong>gewebe höher ist als<br />
der materielle.<br />
Die Wohnung ist auf zwei Ebenen<br />
angelegt. In der unteren Etage am<br />
Ende des Flurs öffn<strong>et</strong> si<strong>ch</strong> dem<br />
Besu<strong>ch</strong>er der Blick auf den Esstis<strong>ch</strong>,<br />
unter dem ein turkmenis<strong>ch</strong>-afghanis<strong>ch</strong>es<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe liegt. Braunrote,<br />
braune und goldene Farbtöne werden<br />
von den Afghanen oft verwend<strong>et</strong>.<br />
Die Musterung jedo<strong>ch</strong> lässt eher<br />
auf einen turkmenis<strong>ch</strong>en Ursprung<br />
s<strong>ch</strong>liessen.<br />
Lässt Wohnung anders wirken<br />
Die K<strong>et</strong>te und der S<strong>ch</strong>uss sind aus<br />
Wolle. Eine genauere Herkunftsbestimmung<br />
ist sehr s<strong>ch</strong>wierig. Das<br />
Muster des <strong>Kelim</strong> mit den Querstreifen<br />
dehnt den eher s<strong>ch</strong>malen<br />
Raum in die Breite und lässt den<br />
Tis<strong>ch</strong> optis<strong>ch</strong> kürzer wirken. Dur<strong>ch</strong><br />
das neutrale Weiss der Wände und<br />
das Grau des Bodens kommt der alte<br />
Beizentis<strong>ch</strong> mit den Thon<strong>et</strong> Stühlen<br />
und den harmonis<strong>ch</strong>en Farben des<br />
<strong>Kelim</strong> besonders gut zur Geltung.<br />
Das Gelb und Naturweiss in der Bordüre<br />
bild<strong>et</strong> einen s<strong>ch</strong>önen Kontrast<br />
zum rötli<strong>ch</strong>en Nussbaumholz der<br />
Möbel.<br />
Re<strong>ch</strong>ts vom Esszimmer, an Büro und<br />
Gästezimmer vorbei, führt eine<br />
Treppe na<strong>ch</strong> oben ins Wohnzimmer.<br />
Das Kamin steht zentral im Raum<br />
und lädt an kalten Winterabenden<br />
zum Verweilen ein. <strong>Der</strong> Raum ist absi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
«sparsam» möbliert. Das<br />
s<strong>ch</strong>warze Ledersofa und der «Mickey<br />
Mouse-Sessel» sind die einzigen<br />
konventionellen Sitzmögli<strong>ch</strong>keiten.<br />
Die gepolsterte Ba<strong>ch</strong>tiar Doppeltas<strong>ch</strong>e<br />
und der wei<strong>ch</strong>e Gabbeh Art<br />
laden ein, si<strong>ch</strong> wie die Orientalen<br />
auf den Boden zu s<strong>et</strong>zen.<br />
Ein idealer Ort, um zu entspannen<br />
oder si<strong>ch</strong> beim Musikhören und<br />
Lesen zu erholen.<br />
20 t o r b a 1/98
Pfiffige Farben und Formen<br />
<strong>Der</strong> Gabbeh Art, ein Stück der allerersten<br />
Generation, hat ein einfa<strong>ch</strong>es,<br />
ruhiges Muster. Die Zickzacklinien<br />
und das S<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>br<strong>et</strong>tmuster in der<br />
Bordüre wurden au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on früher<br />
beim Knüpfen von Gabbehs verwend<strong>et</strong>.<br />
Bei der Färbung der Wolle sind<br />
neben den heute gebräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en,<br />
natürli<strong>ch</strong>en Farbstoffen teilweise<br />
<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e verwend<strong>et</strong> worden. Das<br />
la<strong>ch</strong>sfarbene re<strong>ch</strong>teckige Innenfeld<br />
mit hellblauer und roter Umrandung<br />
auf dunkelblauem Untergrund wirkt<br />
fris<strong>ch</strong> und pfiffig. Neben der blauen<br />
und naturweissen Rhombe steht ein<br />
Pfau: Er ist das einzige Tiermotiv, das<br />
vorkommt. Vor dem s<strong>ch</strong>warzen Ledersofa<br />
liegt ein Gas<strong>ch</strong>gai <strong>Kelim</strong> in<br />
Mit viel Freude haben Sie einen<br />
Orientteppi<strong>ch</strong> erstanden. Oder Ihre<br />
Eltern haben Ihnen ein wertvolles<br />
Stück verma<strong>ch</strong>t. Oder aus dem<br />
Na<strong>ch</strong>lass eines Verwandten haben<br />
Sie den Teppi<strong>ch</strong> geerbt, auf dem Sie<br />
als Kind mit den Holzautos gespielt<br />
haben. Ausgere<strong>ch</strong>n<strong>et</strong> einem dieser<br />
Stücke passiert ein Unglück! Ein<br />
Wassers<strong>ch</strong>aden in ihrer Abwesenheit,<br />
die Wolle kann unter einem<br />
Möbelstück ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tig austrocknen<br />
und modert. Oder der no<strong>ch</strong><br />
junge Hund hat Spass daran, hinter<br />
ihrem Rücken seine Zähne an den<br />
Enden Ihres Lieblingsstücks auszuprobieren.<br />
Oder das Erbstück ist<br />
dur<strong>ch</strong> den jahrelangen Gebrau<strong>ch</strong><br />
stellenweise abg<strong>et</strong>r<strong>et</strong>en. <strong>Der</strong> Mögli<strong>ch</strong>keiten,<br />
wie Ihr Teppi<strong>ch</strong> zu<br />
S<strong>ch</strong>aden kommen kann, sind viele.<br />
Was nun?<br />
rotbrauner Grundfarbe. Das Orange<br />
ist bei den Gas<strong>ch</strong>gai Nomaden sehr<br />
beliebt; es wird in den <strong>Kelim</strong> gerne als<br />
Akzentfarbe einges<strong>et</strong>zt. Die Hexagone<br />
(Se<strong>ch</strong>secke), sogenannte Güls,<br />
sind unregelmässig auf dem Mittelfeld<br />
verteilt. Die obersten Hexagone<br />
re<strong>ch</strong>ts und links sind mit einem<br />
blauen abg<strong>et</strong>reppten Quadrat eingefasst.<br />
Das abg<strong>et</strong>reppte Muster wurde<br />
der dunkelblau-weissen Bordüre entnommen.<br />
Diese Bordürenart wird<br />
sehr oft bei südpersis<strong>ch</strong>en <strong>Kelim</strong>en<br />
verwend<strong>et</strong>. Das stilisierte dunkelblaue<br />
Dreiblatt ist jeweils das Spiegelbild<br />
des weissen Dreiblatts.<br />
In der Geom<strong>et</strong>rie nennt man diese<br />
gespiegelte Musterwiederholung<br />
reziprok.<br />
S E R V I C E<br />
Freiraum erwüns<strong>ch</strong>t<br />
In einer zurückhaltend eingeri<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>en,<br />
ni<strong>ch</strong>t übermöblierten Wohnung<br />
lassen si<strong>ch</strong> Fla<strong>ch</strong>gewebe und Gabbehs<br />
hervorragend plazieren. Eine<br />
s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>te Umgebung lässt den Teppi<strong>ch</strong>en<br />
genug Freiraum, um mit Farben<br />
und Motiven auf den B<strong>et</strong>ra<strong>ch</strong>ter<br />
einzuwirken. Ob die Möbel aus Holz<br />
oder M<strong>et</strong>all gefertigt sind, spielt<br />
keine Rolle. Die Wahl des persönli<strong>ch</strong>en<br />
Wohnstils hängt glückli<strong>ch</strong>erweise<br />
vom Ges<strong>ch</strong>mack und der<br />
Vorliebe der Bewohnerin ab.<br />
Martin Fis<strong>ch</strong>er<br />
Eine exklusive Dienstleistung der SOV-Fa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äfte<br />
Teppi<strong>ch</strong>reparaturen<br />
in der Türkei<br />
Reparaturen sind aufwendig<br />
Wir Teppi<strong>ch</strong>fa<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äfte sind für<br />
sol<strong>ch</strong>e Fälle vorbereit<strong>et</strong>. Viele haben<br />
ein eigenes Restaurationsatelier mit<br />
ausgebild<strong>et</strong>en Mitarbeiterinnen, die<br />
den S<strong>ch</strong>aden beheben können. Es<br />
zeigt si<strong>ch</strong> aber leider oft, dass die Reparatur<br />
viel Zeit in Anspru<strong>ch</strong> nimmt<br />
und bei unseren Lohnkosten entspre<strong>ch</strong>end<br />
teuer zu stehen kommt.<br />
Wir haben na<strong>ch</strong> günstigeren Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
gesu<strong>ch</strong>t und arbeiten j<strong>et</strong>zt<br />
mit einem Atelier in Istanbul zusammen.<br />
Die Kunststopfer dort sind<br />
bestens ausgebild<strong>et</strong> und gewährleisten<br />
eine optimale Reparatur; die<br />
Lohnkosten sind jedo<strong>ch</strong> um einiges<br />
tiefer, so dass si<strong>ch</strong> der Transport<br />
lohnt. Und unsere Ateliers bleiben<br />
für kleinere Arbeiten frei, die wir<br />
gerne speditiv erledigen.<br />
<strong>Der</strong> fliegende Teppi<strong>ch</strong><br />
Die «Orientreise» Ihres Teppi<strong>ch</strong>s<br />
wickelt si<strong>ch</strong> folgendermassen ab:<br />
Unsere Mitgliederfirmen nehmen<br />
den zu reparierenden Teppi<strong>ch</strong> an<br />
und leiten ihn an die Zentrale weiter,<br />
wel<strong>ch</strong>e die Stücke sammelt und<br />
alle vier Monate per Luftfra<strong>ch</strong>t<br />
na<strong>ch</strong> Istanbul vers<strong>ch</strong>ickt. Na<strong>ch</strong><br />
Erledigung der Zollformalitäten<br />
(Plombieren, Hinterlegen einer<br />
Kaution) kann unser Istanbuler<br />
Restaurateur die Teppi<strong>ch</strong>e für<br />
se<strong>ch</strong>s Monate in sein Atelier<br />
nehmen. Er send<strong>et</strong> eine Offerte an<br />
unser Mitglied, wel<strong>ch</strong>es Sie über<br />
die Kosten der Reparatur orientiert.<br />
Zu diesem Zeitpunkt können<br />
Sie immer no<strong>ch</strong> auf das Instandstellen<br />
verzi<strong>ch</strong>ten; für die angefallenen<br />
Spesen müssten Sie allerdings<br />
aufkommen.<br />
Sobald alle eingesandten Teppi<strong>ch</strong>e<br />
fertig restauriert sind, werden sie<br />
in die S<strong>ch</strong>weiz zurückgesandt.<br />
Mit diesem «Umweg» hoffen wir<br />
dazu beitragen zu können, Teppi<strong>ch</strong>e,<br />
die Ihnen lieb sind, zu erhalten.<br />
t o r b a 1/98 21
Von aussen b<strong>et</strong>ra<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>, folgt das Leben<br />
der Nomaden einem klar strukturierten<br />
Tagesablauf. Jeder Tag, so<br />
s<strong>ch</strong>eint es, glei<strong>ch</strong>t dem andern.<br />
A<strong>ch</strong>med Dudakkle lebt mit seiner<br />
Grossfamilie im Sommer auf dem<br />
Yayla «Pelik Ardic» (zu deuts<strong>ch</strong>:<br />
R E P O R T A G E<br />
Auf den Spuren der Nomaden<br />
Abwe<strong>ch</strong>slung<br />
im Leben der Nomaden<br />
Es war s<strong>ch</strong>ön, im Frühsommer bei den Yürük Nomaden im<br />
Torosgebirge zu Besu<strong>ch</strong> zu sein. Wir konnten dem tägli<strong>ch</strong>en<br />
Arbeitsges<strong>ch</strong>ehen rege zusehen.<br />
wenig Nadelbäume) auf 2600 m.<br />
ü. M. auf einer Ho<strong>ch</strong>ebene südöstli<strong>ch</strong><br />
vom 3480 m hohen Aydos. Wir<br />
sind von Nordwesten her über re<strong>ch</strong>t<br />
unwegsames Gebi<strong>et</strong> per Zufall zu<br />
diesem eindrückli<strong>ch</strong>en, aus se<strong>ch</strong>s<br />
Zelten bestehenden Yayla gestossen.<br />
Das fahrende<br />
Warenhaus.<br />
Bei der Ankunft freuen wir uns,<br />
anstelle des übli<strong>ch</strong>en Tees einen<br />
guten gesüssten Kaffee als Willkommenstrank<br />
offeriert zu bekommen.<br />
Es ist interessant, dass mit der<br />
Wassers<strong>ch</strong>eide des Torros au<strong>ch</strong><br />
die Sitten, Gebräu<strong>ch</strong>e, Zelt- und<br />
Lebensformen sowie die Ess- und<br />
Trinkgewohnheiten ändern.<br />
Als wir gemütli<strong>ch</strong> vor dem Zelt<br />
auf einem «Adana Yürük» Teppi<strong>ch</strong><br />
sitzen – Edip, unser Reisebegleiter<br />
22 t o r b a 1/98
und Übers<strong>et</strong>zer, ist bemüht, unsere<br />
Fragen und die der Yürüken zu<br />
beantworten – s<strong>ch</strong>nellen die grossen<br />
Kangal Hunde auf und rennen<br />
einem Kombi Renault entgegen.<br />
A<strong>ch</strong>med hat Mühe, sie zu beruhigen.<br />
Erst als er den Neuankömmling,<br />
den Wanderhändler Ismail, begrüsst<br />
hat, beruhigen sie si<strong>ch</strong>.<br />
Plastikzeug gegen Honig<br />
I<strong>ch</strong> staune ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, als Ismail<br />
kurz na<strong>ch</strong> seiner Ankunft die Hecktüre<br />
des Renault öffn<strong>et</strong> und und<br />
folgende Artikel grossflä<strong>ch</strong>ig auf<br />
dem Boden ausbreit<strong>et</strong>: mas<strong>ch</strong>inengewobene<br />
Teppi<strong>ch</strong>e aus Belgien,<br />
Plastikgefässe in jeder Grösse,<br />
Werkzeuge, Ges<strong>ch</strong>irr, Waffen, Verbandszeug,<br />
Medikamente, Decken,<br />
Lebensmittel wie Reis, Zucker,<br />
Kaffee und Salz. Billigen S<strong>ch</strong>muck<br />
wie Glasperlen, Bros<strong>ch</strong>en und goldfarbene<br />
Armringe legt er auf ein<br />
spezielles Tu<strong>ch</strong>. Für die Kleinen hat<br />
Ismail Spielzeug aus Plastik mitgebra<strong>ch</strong>t.<br />
Einige Produkte, die Ismail anzubi<strong>et</strong>en<br />
hat, sind bei der Familie willkommen.<br />
Die Kinder dürfen au<strong>ch</strong><br />
eine Kleinigkeit auslesen. <strong>Der</strong> Preis<br />
wird ausgehandelt. Ismail hätte gerne<br />
den «Adana Yürük» an Zahlung<br />
genommen! A<strong>ch</strong>med wehrt si<strong>ch</strong> aber<br />
heftig und offeriert ihm stattdessen<br />
einige Kessel Torros-Honig. Na<strong>ch</strong><br />
langem Hin und Her, begleit<strong>et</strong> von<br />
einer zusätzli<strong>ch</strong>en Runde Kaffee, ist<br />
Ismail bereit, den Honig als Zahlung<br />
entgegenzunehmen.<br />
Zu Gast über Na<strong>ch</strong>t<br />
<strong>Der</strong> Tag ist s<strong>ch</strong>on re<strong>ch</strong>t fortges<strong>ch</strong>ritten.<br />
A<strong>ch</strong>med lädt uns deshalb<br />
ein, die Na<strong>ch</strong>t bei ihm und seiner<br />
Familie zu verbringen. Eines der<br />
Zelte wird für uns mit S<strong>ch</strong>lafmatten<br />
ausgelegt und bereitgestellt. Ein<br />
einfa<strong>ch</strong>es fleis<strong>ch</strong>loses Na<strong>ch</strong>tessen<br />
sowie einige Gläser Tee in fröhli<strong>ch</strong>er<br />
Runde beenden diesen re<strong>ch</strong>t<br />
eindrucksvollen Tag.<br />
Die Begegnung mit dem «Hausierer»<br />
Ismail hat mir gezeigt, wie<br />
bes<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> das Leben der<br />
Nomaden in der Abges<strong>ch</strong>iedenheit<br />
t o r b a 1/98<br />
Ismail der Wanderhändler mit einem<br />
Mas<strong>ch</strong>inenteppi<strong>ch</strong>.<br />
der Ho<strong>ch</strong>täler, weitab von jegli<strong>ch</strong>er<br />
Zivilisation, ist. Wenn in meinem<br />
Haushalt <strong>et</strong>was fehlt, ist es mir<br />
mögli<strong>ch</strong>, binnen nützli<strong>ch</strong>er Frist für<br />
Ersatz zu sorgen. A<strong>ch</strong>med dagegen<br />
muss mehr als 80 km bes<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong>en<br />
Weg mit Pferd oder Traktor<br />
auf si<strong>ch</strong> nehmen, um Güter für den<br />
tägli<strong>ch</strong>en Bedarf einzukaufen.<br />
Si<strong>ch</strong>er ist dies eine willkommene<br />
Abwe<strong>ch</strong>slung, wenn er na<strong>ch</strong> Silifke,<br />
Karapinar oder in eine andere in<br />
seiner Nähe liegende Orts<strong>ch</strong>aft<br />
reit<strong>et</strong>.<br />
Do<strong>ch</strong> seine Präsenz wird im Yayla<br />
(Sommerweide) sehr benötigt; eine<br />
mehr als dreitägige Abwesenheit ist<br />
fast ni<strong>ch</strong>t zu verantworten.<br />
Fahrende «Warenhäuser»<br />
Einige Händler aus der Region<br />
Konya nützen diese Versorgungsmängel<br />
aus. Mit gut dotierten<br />
Verkaufwagen fahren sie periodis<strong>ch</strong><br />
na<strong>ch</strong> einem bekannten Fahrplan so<br />
nahe wie mögli<strong>ch</strong> zu den Yaylas. Ihre<br />
Auslagen glei<strong>ch</strong>en einem Warenhaus<br />
im Kleinen. Fast alles Mögli<strong>ch</strong>e<br />
und Unmögli<strong>ch</strong>e ist dort zu<br />
haben. Abgelegene, mit Fahrzeugen<br />
ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>bare Weiden werden<br />
von Kleinhändlern mit Pferden und<br />
Mauleseln besu<strong>ch</strong>t. Diese Besu<strong>ch</strong>e<br />
sind für die Nomaden meist ein<br />
Festtag. I<strong>ch</strong> konnte einmal einem<br />
sol<strong>ch</strong>en Markttag auf der Weide<br />
beiwohnen. Die Händlerinnen und<br />
Händler – sie hatten ihre Satteltas<strong>ch</strong>en<br />
mit allen mögli<strong>ch</strong>en Gütern<br />
vollgestopft – wurden von den kaufenden<br />
Yürücken ri<strong>ch</strong>tig umlagert.<br />
Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Zeitungen<br />
Die Verkäufer sind für die Nomaden<br />
au<strong>ch</strong> Vermittler von Informationen.<br />
Das Neuste aus dem Tal, aus der<br />
Stadt, aus Politik und Wirts<strong>ch</strong>aft<br />
können sie von ihnen erfahren.<br />
Selbst die Post wird auf diese Art<br />
überbra<strong>ch</strong>t.<br />
Text und Fotos: Edi Kistler<br />
Eine Wolldecke aus synth<strong>et</strong>is<strong>ch</strong>em Material wird hier angeboten.<br />
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Das Stundenglas (Die Sanduhr)<br />
Dieses Symbol finden wir<br />
meistens in Geb<strong>et</strong>steppi<strong>ch</strong>en und<br />
Fla<strong>ch</strong>geweben.<br />
Es ist eigentli<strong>ch</strong> ein Sinnbild<br />
zur Erinnerung, denn es ermahnt<br />
den gläubigen Mens<strong>ch</strong>en an<br />
die Vergängli<strong>ch</strong>keit alles Irdis<strong>ch</strong>en.<br />
Das S<strong>ch</strong>icksal nimmt unabwendbar<br />
seinen Lauf wie der Sand<br />
im Stundenglas.<br />
Die Sanduhr ist ein Glei<strong>ch</strong>nis<br />
für Zeit und Ewigkeit.