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<strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Performance-Marketing<br />

<strong>Web</strong>-Controlling<br />

<strong>Web</strong>-Mining<br />

Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />

Klickbetrug und Affiliate-Hopping<br />

Online-Marktforschung<br />

559<br />

566<br />

578<br />

585<br />

593<br />

601<br />

11<br />

Leitfaden<br />

Online Marketing


T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

„Die Hälfte meiner Werbung ist zum Fenster hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur<br />

leider nicht, welche Hälfte“. Dieser Henry Ford zugeschriebene – eigentlich von<br />

John Wanamaker stammende – Ausspruch gilt nicht für Online-Marketing. Hier<br />

kann sehr genau gemessen werden, welches Werbemittel wie viele gute Kunden<br />

bringt. Das wird als Performance Marketing bezeichnet. Darüber hinaus können<br />

aber noch weit mehr Daten via Internet erhoben werden.<br />

Wolfgang Thomas erläutert, was genau Performance-Marketing ist und was<br />

dabei gemessen werden kann. Damit kann die Frage beantwortet werden,<br />

welche Kampagne wie wirksam war und wie sie weiter optimiert werden kann.<br />

Direktmarketingprofis haben Performance-Marketing als Erste für sich entdeckt.<br />

Eifersüchtig bewachte Kompetenzgrenzen zwischen Marketing und Vertrieb müssen<br />

neu abgesteckt werden.<br />

Thomas Brommund definiert <strong>Web</strong>-Controlling als Abbildung der Unternehmensziele<br />

auf den Teilbereich der Internetaktivitäten. Key-Performance-Indicators (KPI)<br />

liefern aussagekräftige Erfolgsfaktoren. Diese enden nicht mit den Standardmetriken<br />

PageViews, Visits und Visitors. Ergänzend sollten Bezahlsysteme, Bonitätssysteme,<br />

externe Datenbanken und Warenwirtschaftssysteme eingebunden werden.<br />

Martin Oesterer beleuchtet die Möglichkeiten des <strong>Web</strong>-Mining. Er erläutert, wie<br />

man Relevanz generieren, Produktaffinitäten bestimmen und Interessen ermitteln<br />

kann. Data-Mining wird seit Jahrzehnten im Direktmarketing genutzt. Nun setzt es<br />

sich auch im Online-Marketing durch. Hauptanwendungen sind die Personalisierung<br />

von Inhalten und die ereignisgesteuerte Interaktion mit Besuchern.<br />

Harald Eichsteller zeigt, welche Messwerte für die Bewertung von Onlineportalen<br />

geeignet sind. Marktposition, Kundenstamm, Kundenbeziehung und Nachhaltigkeit<br />

sind die wichtigsten Faktoren. Bei abnehmenden Responseraten sinkt der Returnon-Customer<br />

(ROC) überproportional. Hohen Einfluss hat die Churn-Rate, die<br />

besagt wie viele Premium-Kunden kündigen. Besteht erst einmal ein stabiler<br />

Kundenstamm, gibt es einen First-Mover-Advantage. Will ein Konkurrent diesen<br />

durch Nachbauen eines Portals aufholen, ist das schwer.<br />

Christian Bennefeld demonstriert, dass die präzise Messbarkeit auch eine ganz<br />

andere Seite des Internet enthüllen kann: Klickbetrug. Um solchen Dingen auf<br />

die Spur zu kommen, ist das Tracking des Besucherverhaltens durch ein <strong>Web</strong>-<br />

Controlling System ratsam. Inzwischen haben jedoch alle großen Anbieter eigene<br />

Vorkehrungen getroffen, um Manipulationen zu entlarven und diese Klicks<br />

rückzuvergüten.<br />

Axel Theobald behandelt die Möglichkeiten der Online-Marktforschung. Online-<br />

Befragungen vereinen geringe Kosten und hohe Geschwindigkeit. Innerhalb weniger<br />

Stunden können auch komplexeste Fragebögen entworfen werden. Interessant ist<br />

die Möglichkeit der zufälligen Anordnung von Fragen oder Antworten. Auch<br />

Online-Panels können sehr schnell Antworten liefern. Das ist ein Stamm von<br />

Befragungspersonen, die regelmäßig zu unterschiedlichen Themen befragt werden<br />

können.<br />

558


Performance-Marketing –<br />

Direktmarketing im Internet<br />

Wolfgang Thomas<br />

Marketingentscheider, die zum ersten Mal den Begriff Performance-Marketing<br />

hören, werden wahrscheinlich misstrauisch, da er zunächst wenig aussagekräftig<br />

und trennscharf daher kommt. Wer möchte schon Marketing-Maßnahmen oder<br />

Strategien verfolgen, die nicht „performen“, wie man neudeutsch sagt. Jede<br />

Kampagne, jedes Marketingkonzept wird schließlich auf ein bestimmtes Ziel, eine<br />

bestimmte Leistung hin entwickelt, sei es nun Markenbekanntheit oder -sympathie<br />

oder auch die Kaufbereitschaft in der Zielgruppe.<br />

Das Besondere am Performance-Marketing in Online-Medien ist die Orientierung<br />

an unmittelbar messbaren Zielgrößen wie zum Beispiel einem Besuch auf einer<br />

<strong>Web</strong>site, eine Registrierung als Nutzer oder gar den direkten Kauf. Die Fachgruppe<br />

Performance-Marketing im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW e.V.) hat<br />

den Begriff daher wie folgt definiert:<br />

„Performance-Marketing in den digitalen Medien ist ein Bestandteil des<br />

Mediamix und dient sowohl der Kundengewinnung als auch der Kundenbindung.<br />

Der Einsatz der verschiedenen Werbemedien verfolgt das Ziel, messbare<br />

Reaktionen und/oder Transaktionen mit dem Nutzer zu erzielen. Die Ansprache<br />

des Kunden beziehungsweise Interessenten erfolgt sehr gezielt, nach Möglichkeit<br />

individuell, um die größtmögliche Interaktion mit den Nutzern zu erreichen.<br />

Performance-Marketing versteht sich als integrierter Ansatz. Die Bestandteile<br />

sollen vernetzt zum Einsatz kommen, um so auf Handlungsweisen des Kunden<br />

beziehungsweise potenzieller Interessenten einwirken zu können.“<br />

Wen diese Beschreibung an gängige Direktmarketing-Definitionen erinnert, liegt<br />

völlig richtig: letztlich ist Performance-Marketing „nur“ die Ausprägung des<br />

Direktmarketing in interaktiven Medien. Einige Besonderheiten werden aber an<br />

den folgenden Merkmalen des Performance-Marketing deutlich:<br />

Performance-Marketing bedeutet Messbarkeit<br />

Die Reaktionen und Transaktionen der Zielgruppe sind eindeutig, zeitnah,<br />

vollständig und modular beobachtbar und messbar.<br />

• Eindeutigkeit bedeutet in diesem Kontext vor allem, dass die Zielgrößen<br />

direkt aufgezeichnet werden können. Es bedarf keiner Definition und Inter-<br />

559<br />

Zielgrößen sind<br />

unmittelbar<br />

messbar<br />

Größtmögliche<br />

Interaktion durch<br />

individuelle<br />

Ansprache


Anzeigentexte<br />

und Keywords<br />

können in<br />

Echtzeit während<br />

der Kampagne<br />

geändert werden<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

pretation von Hilfsgrößen wie zum Beispiel bei der psychografischen Größe<br />

der Kaufbereitschaft der Kauf, sondern die Anzahl der Besucher einer <strong>Web</strong>site<br />

oder der Käufer eines Produktes kann sehr unmittelbar beobachtet werden.<br />

• Zeitnah ist eine Messung, wenn zwischen der Kampagnenaktivität und der<br />

Messung der Reaktion durch die Zielgruppe eine Zeitspanne von wenigen<br />

Stunden oder Tagen liegt, während eine regelmäßige Messung beispiels-<br />

weise der Markenbekanntheit in Quartals-, Halbjahres- oder gar Jahres-<br />

Zyklen vorgenommen wird.<br />

• Vollständig ist eine Messung, wenn diese nicht auf der Reaktion einer<br />

Stichprobe oder ein Panel sondern auf der Grundgesamtheit aller Interaktionen<br />

mit der Zielgruppe beruht, was im Performance-Marketing üblicherweise<br />

der Fall ist.<br />

• Modular meint eine Betrachtung, in der die einzelnen Kampagnenelemente<br />

separat beurteilt und auch gesteuert werden können.<br />

Insbesondere der Aspekt der Modularität unterscheidet Performance-Marketing<br />

erheblich vom klassischen Marketing. Stellen wir uns einen Print- oder TV-Flight<br />

vor, so ist die Auswirkung einer einzigen Anzeige und eines einzelnen TV-Spots<br />

im Normalfall nicht bewertbar, die Wirkung der Kampagne entfaltet sich aus der<br />

Gesamtheit aller Kampagnenelemente. Hinzu kommt, dass durch die längeren<br />

Vorlaufzeiten bei Einbuchung und technischer Umsetzung von Werbung in<br />

klassischen Medien eine taktische Steuerung nicht so ohne weiteres möglich wäre,<br />

selbst wenn eine entsprechende Informationsgrundlage über die Responseleistung<br />

einer Anzeige, eines Spots oder einer Beilage vorliegt, wie dies im klassischen<br />

Direktmarketing angestrebt wird.<br />

Verglichen damit ist insbesondere das Suchmaschinen-Marketing unglaublich<br />

modular und kleinteilig. Kampagnen umfassen hier von einigen Hundert bis<br />

zu Hunderttausenden Begriffen und Suchwortkombinationen. Für jeden dieser<br />

Suchbegriffe lässt sich die Zahl der Kontakte und Reaktionen in Form von<br />

Klicks und späterer Käufe in der Folge dieses Shopbesuches aufzeichnen und<br />

auswerten. Die Erkenntnisse daraus können dann gleich in Optimierungsschritte<br />

der Kampagne umgesetzt werden, indem zum Beispiel ein Anzeigentext praktisch<br />

in Echtzeit geändert wird oder ein erfolgloses Keyword von jetzt auf gleich nicht<br />

mehr geschaltet wird. Damit kann die Effizienz der Kampagne optimiert werden,<br />

noch während sie läuft. Der Werbetreibende identifiziert also ex-post präzise, welche<br />

Kampagnenelemente gut funktioniert haben und ist unmittelbar in der Lage, aus<br />

diesen Erkenntnissen auch Reaktionen abzuleiten und umzusetzen.<br />

Schließlich ist die Vernetzung des Performance-Marketing mit dem übrigen<br />

Marketing-Mix essentiell für den Gesamterfolg. Natürlich wird die Reaktionsbereitschaft<br />

der Zielgruppe auf die Kampagnenelemente des interaktiven<br />

Direktmarketing entscheidend von Faktoren wie Bekanntheit oder Sympathie einer<br />

Marke beeinflusst. Es gibt zwar auch viele Performance-Marketing Kampagnen von<br />

Anbietern, die auf Markenkommunikation praktisch vollständig verzichten (müssen)<br />

und diese Kampagnen funktionieren in gewisser Weise auch. Unbekannte Anbieter<br />

weisen aber regelmäßig niedrigere Responseraten auf als bekannte Absender<br />

560


Wolfgang Thomas: Performance-Marketing – Direktmarketing im Internet<br />

einer Botschaft. Auch wird die Bereitschaft zum Kauf per Kreditkarte bei einem<br />

Markenanbieter eher höher sein als bei einem namenlosen Powerseller. Umgekehrt<br />

können Performance-Marketing-Kampagnen auch als Nebeneffekt für eine hohe<br />

Sichtbarkeit im Netz sorgen und damit die Bekanntheit einer Marke unterstützen.<br />

Wohlgemerkt: Klassische Werbung ist keine Voraussetzung für Performance-<br />

Marketing, aber wenn ohnehin solche Kampagnen existieren, sollten diese möglichst<br />

eng mit dem Performance-Marketing abgestimmt und auch zeitlich synchronisiert<br />

werden, um einen optimalen Gesamteffekt zu erzielen.<br />

Für klassische Werber ist die Kleinteiligkeit der Kampagnenplanung sowie die<br />

Geschwindigkeit und Eindeutigkeit der Responsedaten oft irritierend. Das Glauben<br />

an die Richtigkeit eines Konzeptes wird durch einen schnellen Realitätstest ersetzt.<br />

Positiv ist hierbei sicher, dass definitive Irrwege in der Kundenansprache schneller<br />

identifiziert werden. Henry Fords berühmte alte Klage, er wüsste nicht welche<br />

Hälfte für Werbung er zum Fenster rausgeschmissen hätte, verliert so ein Stück weit<br />

seine Gültigkeit. Vorsicht ist aber trotzdem angebracht vor vorschnellen Schlüssen.<br />

Natürlich kann man eine Online-Kampagne schon am zweiten Tag auswerten und<br />

optimieren. Hier sollte aber insbesondere auf ausreichende Fallzahlen unbedingt<br />

geachtet werden, sonst regiert der Zufall über der Stringenz der Erkenntnisse.<br />

Kennzahlen im Performance-Marketing<br />

Zahlen regieren das Performance-Marketing. Das Verständnis dieser Größen<br />

ist essentiell, um dieses Marketingkonzept zu verstehen und richtig umsetzen<br />

zu können. Gerade weil das Internet eine solche Fülle von Daten en passant<br />

zur Auswertung zur Verfügung stellt, ist deren richtiges Verständnis und die<br />

Konzentration auf die wesentlichen Kennziffern (neudeutsch auch gern als Key<br />

Performance Indicators oder KPI zusammengefasst) so wichtig. Immer noch<br />

begegnet man Kunden, die den aktuellen Traffic ihrer <strong>Web</strong>site zwar mit „über<br />

200.000“ recht genau beziffern können, aber leider nicht wissen, was diese Zahl<br />

aussagen sollte: Page Impressions, Visits, User oder gar Hits. Daher zunächst die<br />

wichtigsten Messgrößen und Kennzahlen im Überblick:<br />

Eine Page Impression ist der Aufruf einer Seite. Dabei reicht es aus, wenn sich<br />

der wesentliche Teil des Bildschirms ändert, während die Navigation und das<br />

Basislayout unverändert auf dem Schirm bleiben. Historisch entstand dieser Begriff<br />

in den späten 90er Jahren, als sich der Bildschirm vieler <strong>Web</strong>sites aus sogennanten<br />

Frames zusammensetzte und damit beim Aufruf einer neuen Seite mitunter drei bis<br />

vier neue HTML-Seiten gleichzeitig aufgerufen wurden. Da der technische Aufbau<br />

eines Internet-Angebotes aber nicht die Nutzungszahlen verfälschen sollte, einigte<br />

sich die Internet-Branche seinerzeit auf die Definition der Page Impressions. Da<br />

Frames heute kaum noch vorkommen, entspricht die Anzahl der Page Impressions<br />

mittlerweile wieder den HTML-Seitenabrufen.<br />

AdImpressions sind dementsprechend die beim Nutzer geladenen und angezeigten<br />

Werbeflächen bei der Nutzung einer werbefinanzierten <strong>Web</strong>site. Ruft ein User<br />

zum Beispiel eine Ergebnisseite bei einer Suchmaschine ab, erhält er neben seinen<br />

Suchergebnissen auch bis zu zehn Textanzeigen. Eine PageImpression entspricht in<br />

561<br />

Werbekonzepte<br />

können durch die<br />

Eindeutigkeit der<br />

Responsedaten<br />

sehr schnell<br />

überprüft<br />

werden<br />

Das Verständnis<br />

und die Konzentration<br />

auf die<br />

wesentlichen<br />

Kennzahlen ist<br />

wichtig, um das<br />

Konzept des<br />

Performance-<br />

Marketing zu<br />

verstehen


Was genau als<br />

Conversion<br />

gewertet<br />

wird, ist vom<br />

Werbetreibenden<br />

selbst definierbar<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

diesem Fall also 10 AdImpressions. Bei Bannerschaltungen sind auf einer Seite meist<br />

nur 2 bis 4 Anzeigen (manchmal auch nur eine oder überhaupt keine) zu sehen.<br />

Ein Click ist die vom Nutzer ausgeführte Interaktion mit einem Werbemittel.<br />

Weniger kompliziert: der Nutzer folgt dem in der Anzeige hinterlegten Hyperlink zur<br />

Seite des Werbetreibenden, um sich dort näher mit dessen Angebot zu beschäftigen.<br />

Auf einen Click folgt damit im Normalfall ein Visit, also ein Nutzungsvorgang<br />

einer beworbenen <strong>Web</strong>site. Für die Handelsszene entspricht ein Visit damit der<br />

Kundenfrequenz in einem Ladengeschäft. Wie im richtigen Leben kann ein Kunde<br />

einen Shop natürlich auch mehrfach aufsuchen, bevor er oder sie tatsächlich einen<br />

Kauf tätigt. Die Anzahl verschiedener Nutzer ohne diese Besuchsdopplungen<br />

bezeichnet man als Unique Visitor beziehungsweise Unique User.<br />

Als prozentuale Relation zwischen Clicks und AdImpressions wird die Click-<br />

Through-Rate (CTR, auch Klickrate) gebildet. Ein Wert von einem Prozent<br />

sagt also, dass jeder hundertste User, der mit der Werbebotschaft konfrontiert<br />

wurde, die Anzeige auch anklickt, um die Seite des Werbetreibenden zu besuchen.<br />

Die Höhe der Klickrate hängt maßgeblich vom Umfeld der Werbeschaltung und<br />

der Gestaltung des Werbemittels ab. Für Banner sind Klickraten zwischen 0,1 und<br />

2 Prozent üblich, bei Textanzeigen in Suchmaschinen liegt die Rate etwas höher<br />

bei 0,5 bis 5 Prozent, was aber auch logisch ist, da der Nutzer hier Angebote als<br />

Antwort auf eine von ihm geäußerte Abfrage erhält und nicht spontan mit Werbung<br />

konfrontiert wird.<br />

Im Cost-per-Click (CpC) wird das eingesetzte Werbebudget durch die Anzahl der<br />

erzielten Klicks geteilt. Dieser Cost-per-Click ist im Suchmaschinen-Marketing<br />

auch die Abrechnungs- und damit die Stellgröße für die Budgetierung, während<br />

bei einer Abrechnung auf Tausenderkontaktpreis der CpC eine resultierende<br />

Effizienzkennziffer ist.<br />

Ausgehend vom Besuch des Nutzers auf einer <strong>Web</strong>site – zum Beispiel einem Online-<br />

Shop – ist die nächste Stufe der Interaktion üblicherweise der Kauf. Die Relation<br />

zwischen Anzahl der Verkäufe und Visits wird als Conversion Rate bezeichnet,<br />

also die Umwandlungsrate zwischen Besuchern des Shops und denen, die auch<br />

zu Kunden wurden. Typische E-Commerce Umwandlungsraten liegen in einer<br />

Größenordnung von ein bis zwei Prozent bezogen auf alle Visits einer <strong>Web</strong>site.<br />

Bei kostenlosen Registrierungsprozessen und Gewinnspielen können andere Raten<br />

erreicht werden. Was genau aus Sicht des Werbetreibenden als Conversion gewertet<br />

wird, ist frei definierbar:<br />

562<br />

• ein Kauf,<br />

• eine Bestellung von Prospektmaterial,<br />

• der Wunsch nach Besuch eines Außendienstmitarbeiters,<br />

• die Vereinbarung einer Probefahrt für einen PKW oder<br />

• die Anmeldung für einen Newsletter.<br />

Abhängig von dieser Vielfalt in den Conversion-Zielen gibt es eine Vielzahl von<br />

Kennziffern, in denen das eingesetzte Werbebudget durch die Anzahl der erreichten<br />

Conversions geteilt wird, um die anteiligen Cost per Acquisition (CPA) zu ermitteln.<br />

Gängige Ausprägungen sind:


Wolfgang Thomas: Performance-Marketing – Direktmarketing im Internet<br />

• der Cost per Order (CPO) als Werbekosten pro Kauf,<br />

• der Cost per Lead (CPL) als Werbekosten pro generierter Adresse und<br />

• der Cost per Registration (CPR) als Kosten pro Registrierung.<br />

Die aus dem Direktmarketing bekannte Trichterdarstellung ist auch im Performance-<br />

Marketing durchaus üblich, um die Beziehungen zwischen den genannten<br />

Kennziffern zu verdeutlichen. In einigen <strong>Web</strong>controlling-Systemen wird auch die<br />

englische Bezeichnung „Funnel“ hierfür verwandt. Die folgende Abbildung fasst<br />

somit die erläuterten Begriffe zusammen:<br />

Abb. 1: Beziehungen zwischen den Kennziffern<br />

Performance-basierte Abrechnungsmodelle<br />

Ein häufiges Missverständnis im Performance-Marketing betrifft die sogenante<br />

Performance-basierte Abrechnung mit den Medien. Hierbei werden die Werbeträger<br />

(im Online-Bereich also <strong>Web</strong>sites, Suchmaschinen oder Affiliates) nur für die<br />

tatsächlich erbrachten Responseerfolge bezahlt und nicht für die werbliche Präsenz<br />

an sich.<br />

Klassische Medien wie Print oder TV extrapolieren aus ihrer Verbreitung in der<br />

Vergangenheit die Reichweite eines Werbeträgers in die Zukunft und legen Preise<br />

hierfür fest. Um diese Preise vergleichbar zu machen, ist der Tausenderkontaktpreis<br />

(TKP, in englisch CPM) hilfreich. Bei Bannerschaltungen wird der TKP zum<br />

Preismodell, das heißt es wird pro tausend angezeigte Banner ein bestimmter Preis<br />

erhoben und am Kampagnenende abgerechnet.<br />

Performance-orientierte Preismodelle gehen noch einen Schritt weiter: der<br />

Werbeträger erhält nur dann Geld für die erbrachte Werbeleistung, wenn<br />

tatsächlich der gewünschte Erfolg in Form eines Klicks, eines Leads oder gar<br />

eines Kaufs eingetreten ist. Werbeleistung, die nicht zum gewünschten Erfolg<br />

führt, wird demnach auch nicht bezahlt. Damit wälzt der Werbetreibende einen<br />

erheblichen Teil seines wirtschaftlichen Risikos ab auf die Medien, die Planung<br />

563<br />

Werbeträger<br />

werden nur für<br />

Responseerfolge<br />

bezahlt, nicht<br />

allein für die<br />

werbliche<br />

Präsenz


Bei einer<br />

leistungs-<br />

basierten<br />

Abrechnung<br />

entscheidet der<br />

Betreiber der<br />

<strong>Web</strong>site welche<br />

Werbung wann,<br />

wo und wie oft<br />

läuft<br />

Testkampagnen<br />

im Kleinen<br />

können nicht<br />

unbedingt<br />

hochgerechnet<br />

werden<br />

Je stärker ein<br />

Bedarf beim<br />

potenziellen<br />

Kunden geweckt<br />

werden muss,<br />

desto niedriger<br />

die Conversion<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

einer Kampagne wird bedeutend einfacher. Im Suchmaschinen-Marketing hat sich<br />

die Abrechnung auf Kosten pro Klick (CpC) fest etabliert, im Affiliate-Marketing<br />

dominiert die Abrechnung pro Kaufabschluss. Dagegen sind <strong>Web</strong>sites mit begehrten,<br />

knappen und hochwertigen Zielgruppen oder Features nicht darauf angewiesen,<br />

ihre Werbeflächen leistungsbasiert zu verkaufen. Eine weitere Konsequenz der<br />

leistungsbasierten Abrechnung ist auch, dass die Medien ein Mitspracherecht bei<br />

der Platzierung und Gestaltung der Werbung beanspruchen. Dies äußert sich zum<br />

Beispiel in den redaktionellen Richtlinien für die Gestaltung von Textanzeigen<br />

in Suchmaschinen. Auch verliert der Werbetreibende in diesem Modell seinen<br />

Anspruch auf eine Präsenz in einem von ihm gebuchten Umfang oder an einer von<br />

ihm ausgesuchten Platzierung. Bei Performance-orientierter Abrechnung legt der<br />

Betreiber der <strong>Web</strong>site fest, welche Werbung wann, wo und wie oft läuft. Aus seiner<br />

Sicht unwirtschaftliche Kampagnen werden entweder überhaupt nicht angenommen<br />

oder nach einer kurzen Testperiode wieder abgesetzt.<br />

So verlockend die leistungsbasierte Abrechnung der Medialeistung auch sein mag:<br />

sie ist in vielen Umfeldern schlicht nicht durchsetzbar. Die gute Nachricht ist, dass es<br />

im Performance-Marketing nicht notwendig ist, dass die Werbung erfolgsorientiert<br />

abgerechnet wird. Natürlich macht dies für die Planung und Optimierung vieles<br />

einfacher. Es gibt aber auch sehr viele Platzierungen, die auf Basis von Fixkosten<br />

pro Belegungszeitraum oder eben über Tausenderkontaktpreise abgerechnet<br />

werden und trotzdem sehr wirtschaftlich sind. Entscheidend für die Nutzung<br />

als Performance-Marketing Instrument ist daher nicht die Abrechnungsmethode<br />

sondern der Planungs- und Optimierungsansatz. Solange der Erfolg einer Kampagne<br />

primär oder ausschließlich auf Basis der unmittelbar erzielten Resultate beurteilt<br />

und gesteuert wird, können alle Geschäftsmodelle zum Einsatz kommen.<br />

Steigende Grenzkosten bei Skalierung<br />

Economies of scale sind im Wirtschaftsleben ein natürliches Phänomen. Intuitiv<br />

erwartet daher jeder Entscheider, dass sich die Ergebnisse einer noch bescheidenen<br />

Testkampagne zumindest linear hochrechnen und damit skalieren lassen. In der<br />

Praxis des Performance-Marketing ist dies leider oft ein Trugschluss. Viele <strong>Web</strong>site-<br />

Betreiber schwärmen zum Beispiel von der unglaublich guten Umwandlungsrate<br />

bevor sie überhaupt die <strong>Web</strong>site aktiv bewerben, beobachten aber dann oft ein<br />

Sinken der Kaufrelation, sobald das Angebot aktiv vermarktet wird. Dies ist relativ<br />

leicht erklärbar mit der Struktur der Seitennutzer: eine wenig beworbene <strong>Web</strong>site<br />

erfährt überwiegend eine Nutzung durch Bestandskunden oder Neukunden, die<br />

durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf das Angebot aufmerksam wurden. Diese<br />

User kommen also schon mit dem mehr oder minder fest gefassten Entschluss auf<br />

die <strong>Web</strong>site, sich mit dem Angebot näher zu beschäftigen und gegebenenfalls auch<br />

zu kaufen. Ähnlich ist die Lage bei Nutzern, die über Suchmaschinen-Werbung<br />

(SEM) auf die Seite kommen.<br />

Je früher der Nutzer noch im Kaufentscheidungsprozess ist, je stärker ein Bedarf<br />

erst noch geweckt werden muss, umso niedriger wird die Conversion sein. Der<br />

Haken dabei: die Kosten pro Bestellung oder Neukunde mögen bei einer sehr<br />

564


Wolfgang Thomas: Performance-Marketing – Direktmarketing im Internet<br />

kleinen Kampagne zwar sensationell günstig sein, aber die absolute Dimension des<br />

Geschäfts ist noch sehr bescheiden. Möchte der Werbetreibende dann aber „den<br />

Hahn aufdrehen“, stehen der Skalierung diverse Hindernisse im Weg: die Anzahl<br />

der Suchanfragen in einer Suchmaschine ist letztlich begrenzt.<br />

Wohlgemerkt: bei über 35 Millionen deutschen Online Nutzern besteht mittlerweile<br />

eine mehr als ausreichende Reichweite, um deutlich steigende Investitionen auch<br />

in Performance-Marketing-Kampagnen zu rechtfertigen. Die Erfahrung zeigt aber,<br />

dass die CPOs im Zuge der Skalierung tendenziell eher steigen als fallen, aller<br />

Konditionenvorteile im Einkauf größerer Kampagnen zum Trotz. Solange die Kosten<br />

für die Neukundengewinnung aber mit den traditionellen Wegen konkurrenzfähig<br />

sind, lohnt auch eine Skalierung bei steigenden Grenzkosten.<br />

Organisatorische Herausforderungen<br />

Unternehmen mit ausgeprägter Direktmarketing-Erfahrung werden sich mit dem<br />

Einstieg ins Performance-Marketing leicht tun. Hier liegen schon Leistungs-<br />

Benchmarks und Erfahrungen zu Umwandlungsraten aus den Offline-Kampagnen<br />

vor. Ein wichtiger Aspekt ist die Bereitschaft zum ständigen Lernen und<br />

Optimieren einer Kampagne. Für die kontinuierliche und zeitnahe Verbesserung<br />

von Platzierungen und Werbemittel ist es zum Beispiel notwendig, die mit der<br />

Steuerung der Kampagne betrauten Geschäftseinheiten mit den erforderlichen<br />

Kompetenzen und Entscheidungsspielräumen auszustatten.<br />

Der klassische Konflikt zwischen Marketing und Vertrieb wird im Performance-<br />

Marketing insoweit entschärft, als dass Vertriebsziele in das Zentrum der<br />

Kommunikation rücken. Daran schließt sich aber die Frage an, ob solche<br />

Maßnahmen aus dem Vertriebs- oder Werbebudget bestritten werden sollten und<br />

welcher Bereich „den Hut aufhat“. Letztlich profitieren aber beide Bereiche von<br />

einer engen Verzahnung ihrer Aktivitäten.<br />

Insgesamt bietet Performance-Marketing vielfältige Ansätze für neue und effiziente<br />

Wege zur Erschließung neuer Kunden. Als innovatives Marketingkonzept bricht es<br />

mit verschiedenen Paradigmen der klassischen Werbung, erfahrene Direktmarketer<br />

werden sich aber nach Gewöhnung an die neuen Begriffe schnell heimisch fühlen<br />

und die enorm schnellen Reaktionszeiten und Reportingzyklen zu schätzen wissen.<br />

Mit einer im Performance-Marketing erfahrenen Agentur, die idealerweise alle<br />

relevanten Spielarten integriert planen und umsetzen kann, wird die Erschließung<br />

des Internet als Sales und Pre-Sales-Kanal zu einer schnell umsetzbaren und auch<br />

langfristig erfolgreichen Marketinginnovation.<br />

565<br />

Die Bereitschaft<br />

zum ständigen<br />

Lernen und<br />

Optimieren ist<br />

Voraussetzung<br />

für eine erfolgreiche<br />

Kampagne


Abbildung der<br />

Unternehmensziele<br />

auf den<br />

Teilbereich<br />

der Internetaktivitäten<br />

<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />

Thomas Brommund, Axel Amthor<br />

Der entscheidende Schritt in Richtung einer funktionierenden Erfolgsmessung<br />

liegt zunächst nicht in der Implementierung eines technischen Mess-Systems,<br />

sondern beginnt immer mit Abbildung der Unternehmensziele auf den Teilbereich<br />

der Internetaktivitäten.<br />

Der <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Regelkreis<br />

Während die initiale Einführung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools ein in sich abgeschlossenes<br />

Projekt darstellt, bedeutet <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> einen kontinuierlichen<br />

Regelkreis zu durchlaufen, der wie folgt beschrieben werden kann:<br />

1. Planung<br />

Es gilt Marketingziele zu definieren, Key-Performance-Indicators (KPIs) zu<br />

identifizieren und diese messbar zu machen.<br />

2. Erfolgsmessung<br />

Dies bedeutet die Überwachung des laufenden Betriebes, um bei relevanten<br />

Abweichungen von den Zielvorgaben rechtzeitig handeln zu können.<br />

3. Analyse<br />

Es gilt die <strong>Web</strong>-Statistik-Daten<br />

auszuwerten und hinsichtlich der<br />

gesetzten Ziele und Geschäftsausrichtung<br />

zu interpretieren.<br />

4. Optimierung<br />

Es gilt nun die aus der Analyse<br />

abgeleiteten Handlungsempfehlungen<br />

umzusetzen und die Reaktion<br />

auf die Veränderungen erneut zu<br />

messen und zu analysieren.<br />

566<br />

Abb.1: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Regelkreis


Abb.2: Von der Metrik und Dimension zur <strong>Web</strong>-Scorecard<br />

Was zeichnet <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte aus?<br />

Sie sind interdisziplinär, zumeist technisch anspruchsvoll und in der Regel strategisch<br />

ausgerichtet und müssen schnell auf neue Anforderungen angepasst werden.<br />

Interdisziplinär<br />

<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte sind grundsätzlich interdisziplinär, häufig sogar unternehmensübergreifend.<br />

Sie umspannen ein sehr weites Feld an erforderlichem Knowhow,<br />

um erfolgreich durchgeführt werden zu können:<br />

• Umfassendes Marketingwissen.<br />

• Spezielles Wissen im Online-Marketing, dessen Instrumente<br />

und Abrechnungsmodelle, wie zum Beispiel Suchmaschinen-<br />

optimierung (SEO), Suchmaschinenmarketing (SEM),<br />

Affiliate-Marketing, E-Mail-Marketing und cross-mediale Kampagnen.<br />

• Kenntnisse des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens.<br />

• Kenntnisse der Prozesse im Unternehmen.<br />

• Kenntnisse der IT-, <strong>Web</strong>- und weiteren Infrastruktur in Breite und Tiefe.<br />

• Kenntnisse im Controlling und Reporting.<br />

Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />

• und gegebenenfalls Kenntnisse im Bereich Data-Warehousing<br />

und Business-Intelligence.<br />

<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte erfordern die zielgerichtete Zusammenarbeit unterschiedlicher<br />

Abteilungen innerhalb eines Unternehmens. Marketing, Vertrieb und<br />

Technik müssen eine gemeinsame Sprache finden, um die Anforderungen an eine<br />

<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Lösung zu definieren. Es gilt gemeinsam die Anforderungsseite aus<br />

Marketing und Vertrieb mit der Entwicklungsseite der IT und externen Dienstleister<br />

zusammenzuführen. Hierbei wird die Komplexität der Projektabwicklung vielfach<br />

unterschätzt.<br />

567


Bezahlsysteme,<br />

Bonitätssysteme,<br />

externe<br />

Datenbanken<br />

und Warenwirtschaftssysteme<br />

einbinden<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />

Technisch anspruchsvoll<br />

<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte sind technisch anspruchsvoll. Es geht letztendlich um<br />

die Verarbeitung von Massendaten in nahezu Echtzeit. Es gilt zu verstehen wie<br />

aktive Elemente in die Seite zu integrieren sind, Transaktionsabläufe abgebildet<br />

werden, Bezahlsysteme, Bonitätssysteme, externe Datenbanken und Warenwirtschaftssysteme<br />

eingebunden werden, interne und externe Marketing Maßnahmen<br />

gemessen werden. Zusätzliche Werkzeuge wie zum Beispiel Bid-Management<br />

Tools oder Behavioral Targeting-Lösungen gilt es ebenso einzubinden wie die<br />

Daten von externen Online-Marketing beziehungsweise Performance- Marketing-<br />

Dienstleistern.<br />

Übernehmen externe Dienstleister Bereiche des Online-Marketings, gilt es diese<br />

Erfolgsmetriken in die eigenen Tools einzubinden, um letztendlich eine ganzheitliche<br />

Sicht auf die Online-Marketing-Maßnahmen zu erhalten.<br />

Strategisch<br />

<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte sollen die Zahlen für die strategische Weiterentwicklung der<br />

<strong>Web</strong>site und des Unternehmens liefern, dafür müssen die erhobenen Kenndaten und<br />

Zahlen auch einen starken Bezug zum Geschäftsmodell haben. Des Weiteren sollen<br />

die Tools die Grundlage für ein erfolgreiches Online-Marketing liefern. Diese Daten<br />

sollen nahezu in Echtzeit, valide und zuverlässig erhoben werden und anschließend<br />

detailliert und aggregiert bereitgestellt werden.<br />

Change Management is King!<br />

Die Anforderungen an das <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> System sind permanenten Änderungen<br />

und Anpassungen unterworfen:<br />

568<br />

• Änderung der <strong>Web</strong>sitestruktur<br />

• Änderung der Transaktionsabläufe in der Site<br />

• Änderung oder Erweiterung des Geschäftsmodells<br />

• Marketingmaßnahmen als „Mini Projekte“<br />

• Neue Werbepartner, neue Werbeformen, neue Werbemittel,<br />

neue Verrechnungsmodelle<br />

• Technologische Weiterentwicklung der <strong>Web</strong>site<br />

• An- und Einbindung neuer Tools und Technologien<br />

Es gilt diese Änderungen in der Projektplanung und in der Tool-Auswahl zu<br />

berücksichtigen.


Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />

Kriterien für die Auswahl von <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools<br />

Dimensionen und Metriken stellen die Basis für die geschäftsrelevanten<br />

Informationen über eine <strong>Web</strong>site bereit. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich zwei<br />

wichtige Konsequenzen.<br />

Die genaue Planung der Metriken und Dimensionen legt den Grundstein für <strong>Web</strong>-<br />

<strong>Analytics</strong>. Eine gute Basis für die Bestimmung der verwendeten Dimensionen<br />

bilden die Fragen, die das <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-System beantworten soll. Die Antworten<br />

auf diese Fragen werden im Reporting für die Entscheider zusammengefasst.<br />

Nach der Auswahl der erforderlichen Dimensionen, erfolgt die Wahl des <strong>Web</strong>-<br />

Anayltics-Tools, welche die gewünschten Informationen bereitstellen können.<br />

Da sich die verfügbaren Tools in diesem Punkt teilweise erheblich unterscheiden,<br />

kommt der Genauigkeit des Pflichtenheftes eine besonders große Bedeutung zu.<br />

Die folgenden Abschnitte zeigen einige Kriterien auf, mit deren Hilfe die Eignung<br />

der Tools für die eigene <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Aufgabenstellung geprüft werden kann.<br />

Zusammenhang Metrik, Dimension und Instanz<br />

Das Aufsetzen eigener Statistiken im <strong>Web</strong>-Controlling-Umfeld endet nicht mit den<br />

Standardmetriken „PageViews“, „Visits“ und „Visitors“. Die meisten Programme<br />

in diesem Umfeld bieten Auswertungen dieser Metriken nach Dimensionen wie<br />

Seitennamen, <strong>Web</strong>seitenbereichen oder Navigationshierarchien an.<br />

Bei der Definition eigener Metriken werden aber immer wieder Fehler gemacht und<br />

es kommt nicht selten vor, dass Metriken, Dimensionen und Instanzen verwechselt<br />

und fröhlich durcheinandergewürfelt werden.<br />

So stellt die Zählung von erfolgreichen Registrierungen eine eigene Metrik dar.<br />

Simpel, ist dies doch einfach ein Zähler, den man nach Zeitverlauf darstellen kann:<br />

gestern einhundert, heute achtzig Registrierungen.<br />

Der erste und häufigste Fehler in diesem Zusammenhang ist, dass in einer eher<br />

„schlichten“ Implementierung einfach die Seitenabrufe der Quittungsseite „Vielen<br />

Dank ...“ gezählt werden. Wir beobachten aber auf solchen Seiten immerhin rund<br />

15 bis 20 Prozent Wiederherstellungen, reloads, zum Beispiel über Taste F5 oder<br />

Ähnlichem, was die Ergebnisse stark verfälscht. Auch handelt es sich hier nicht um<br />

die Metrik „Anzahl Registrierungen“ sondern um die Metrik „Page-Views“ – und<br />

das ist ein Unterschied.<br />

Möchte man die echten Registrierungen zählen, braucht man schon eine engere<br />

Verzahnung mit dem Backend. Gleiches gilt für Bestellungen und Leads oder<br />

Ähnliches. Interessant wird es dann, wenn man Fragen stellt wie: „Wieviel Käufe im<br />

letzten Monat wurden von welcher Altersgruppe getätigt?“. Dann benötigt man eine<br />

Dimension „Altersgruppe“, nach der die Metrik „Bestellungen“ heruntergebrochen<br />

werden kann. Eine Instanz dieser Dimension „Altersgruppe“ wäre dann zum<br />

Beispiel „30-39“.<br />

Die Vorgehensweise bei der Erstellung von Metriken und Dimensionen ist also<br />

zunächst, die Fragen aus dem Reporting korrekt zu formulieren und danach zu<br />

569<br />

Dimensionen und<br />

Metriken<br />

<strong>Web</strong>-Controlling<br />

endet nicht mit<br />

den Standardmetriken<br />

PageViews, Visits<br />

und Visitors<br />

15 bis 20<br />

Prozent Wiederherstellungen<br />

verfälschen die<br />

Ergebnisse


Bewertung<br />

der Reporting-<br />

Funktionen eines<br />

Tools<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />

ermitteln, welche Metriken in welchen Dimensionen dargestellt werden müssen. Erst<br />

dann kann daraus die notwendige technische Implementierung abgeleitet werden.<br />

Zuordnung von Dimensionen zu Metriken<br />

Im Idealfall können Metriken und Dimensionen frei zugeordnet werden, das ist aber<br />

nicht bei allen <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools der Fall. Manche Tools erfassen zum Beispiel<br />

die Besuchereigenschaften wie Alter oder Geschlecht et cetera nur in einer Auswahl<br />

der verfügbaren Metriken, zum Beispiel nur Traffic-Metriken, obwohl auch eine<br />

Auflösung dieser Dimensionen nach Erfolgsmetriken wie „Newsletteranmeldung“<br />

wichtige Informationen liefern kann.<br />

Korrelation von Dimensionen<br />

Dimensionen stellen Eigenschaften von bestimmten Ereignissen dar. Manchmal<br />

reicht eine Eigenschaft alleine aber nicht aus, um die gewünschten Informationen<br />

zu gewinnen. Für eine Metrik „Newsletteranmeldung“ können zum Beispiel<br />

die Dimensionen „Geschlecht“ und „PLZ-Bereich“ definiert werden. Einzeln<br />

geben diese Dimensionen aber noch keine Antwort auf die Frage, wie viele<br />

Newsletteranmeldungen von weiblichen Besuchern aus Hamburg im letzten Monat<br />

erfolgt sind. Für eine solche Fragestellung muss eine Korrelation zwischen den<br />

Dimensionen „Geschlecht“ und „PLZ-Bereich“ hergestellt werden. Dabei sind nur<br />

Korrelationen möglich zwischen Dimensionen, die in der gleichen Metrik gemessen<br />

werden.<br />

Derzeitig bieten nur hochwertige <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools die Möglichkeit Dimensionen<br />

zu korrelieren, dabei ist jedoch oft nur die Korrelation von zwei Dimensionen<br />

möglich. Die Frage, wie viele Newsletteranmeldungen von weiblichen Besuchern<br />

im Alter von 18 bis 30 Jahren aus Hamburg im letzten Monat erfolgt sind, wird<br />

allerdings nur bei der Korrelation von drei Dimensionen, nämlich Geschlecht, PLZ-<br />

Bereich und Alter, beantwortet.<br />

Als weiteres Unterscheidungsmerkmal der <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools sollte die Flexibilität<br />

bei den Korrelationen betrachtet werden. In vielen Fällen sind die Korrelationen<br />

vorgegeben und können vom Kunden nicht geändert werden. Da die Wahl der<br />

Dimensionen und Korrelationen aber entscheidenden Einfluss auf sinnvolles<br />

Reporting hat, kann auf die benutzerdefinierte Wahl der Korrelationen in vielen<br />

Fällen nicht verzichtet werden.<br />

Reporting<br />

Über das Reporting gilt es die verantwortlichen Entscheider und Mitarbeiter<br />

regelmäßig über die aktuelle Zielerreichung zu informieren und auf eventuelle<br />

Schwachstellen aufmerksam zu machen. Die Ausführung des Reportings hat einen<br />

erheblichen Einfluss auf die Akzeptanz bei den Anwendern und damit auf den<br />

Gesamterfolg des <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projektes.<br />

570


Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />

Folgende Aspekte helfen bei der Bewertung der Reporting-Funktionen eines<br />

Tools:<br />

• Können Dashboards zur Darstellung der Kennzahlen individuell,<br />

zum Beispiel bezogen auf die Rolle oder Funktion, eingerichtet werden?<br />

• Können Dashboards und Reports automatisch per E-Mail<br />

zeitgesteuert verschickt werden, zum Beispiel als PDF?<br />

• Können für den Zugriff auf die Reporting-Daten Gruppen-<br />

und Benutzerrechte angelegt werden?<br />

Die Reporte sollten zusätzlich dokumentierbar sein, um „Ausreißer“ in den<br />

Kennzahlen zu erläutern.<br />

Key-Performance-Indicators (KPI)<br />

Mit den KPI werden die zahlreichen Kennzahlen, die auf Basis von Dimensionen<br />

und Metriken erhoben werden, zu aussagekräftigen Erfolgsfaktoren für das Onlinegeschäft<br />

verdichtet.<br />

Folgende Aspekte helfen bei der Bewertung der KPI-Funktionen eines Tools:<br />

• Können eigene KPIs definiert werden?<br />

• Können für die KPIs Zielvorgaben (Sollwerte) angegeben werden?<br />

Performance-Marketing<br />

Die <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Daten bilden die Entscheidungsgrundlage für die Optimierungsmaßnahmen<br />

von Schwachstellen beziehungsweise von ungenutzten Potenzialen im<br />

Onlinebereich. Mit integrierten Lösungen können die Aufgaben des Performance-<br />

Marketings deutlich effizienter erledigt werden als mit verteilten Systemen.<br />

Folgende Aspekte helfen bei der Bewertung, beispielhaft für die Einbindung von<br />

SEM-Maßnahmen, eines Tools:<br />

• Kann die Performance der Suchmaschinenmarketing-<br />

Maßnahme gemessen werden?<br />

• Welche Suchmaschinen können verwaltet werden?<br />

Die Einführung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems<br />

Für die Einführung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems wird in der Regel ein interdisziplinäres<br />

Projekt-Team gebildet: Management beziehungsweise Geschäftsleitung,<br />

Marketing und IT beziehungsweise Technik arbeiten dabei oft mit<br />

externen Dienstleistern und Beratern zusammen. Das Ziel der Projektleitung ist<br />

es dabei, die Kenntnisse und Anforderungen aus allen Bereichen gewinnbringend<br />

571<br />

Key-Performance-<br />

Indicators (KPI)<br />

liefern aussagekräftigeErfolgsfaktoren<br />

Einbindung von<br />

SEM-Maßnahmen


<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-<br />

Projekt steht<br />

und fällt mit<br />

der Konzeption<br />

der Online-<br />

Aktivitäten<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />

in das Projekt einzubringen. Der Ansatz, ein <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekt ausschließlich<br />

durch Marketing oder IT durchführen zu lassen, führt der Erfahrung nach nicht zu<br />

optimalen Ergebnissen:<br />

572<br />

• Die IT-Verantwortlichen neigen dazu, sich eher am technisch<br />

Machbaren zu orientieren, was zu eher technologischen, aber<br />

für den Geschäftserfolg nicht relevanten Kennzahlen führt.<br />

• Das Marketing setzt im Projekt zwar meistens relevante Kennzahlen<br />

um, kommt aber in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern<br />

oft zu strukturellen Insellösungen, die nicht oder nur schwer<br />

in die (informations-) technische Infrastruktur zu integrieren sind.<br />

Idealerweise führt die Geschäftsleitung das Projekt mit Mitgliedern aus allen<br />

beteiligten Funktionen in einer klassischen Matrix-Organisation. Der Fokus<br />

der Projektleitung liegt dabei vor allem auf der Rentabilität der <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-<br />

Einführung gemessen im Return on Investment (ROI), auf der durchgängigen<br />

technischen Implementierung und der Konzentration auf die wesentlichen Key-<br />

Performance-Indicators, die tatsächlich die strategischen Ziele des Unternehmens<br />

abbilden.<br />

Planung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems<br />

Die Planung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems ist für jedes Unternehmen verschieden.<br />

Dennoch lässt sich ein genereller Leitfaden erstellen, der die wichtigsten Schritte<br />

umfasst.<br />

Best Practice<br />

Der Erfolg von <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekten steht und fällt mit der Konzeption der<br />

Onlineaktivitäten. Sofern die Internetkonzepte schon einen relevanten Bezug zur<br />

Geschäftsstrategie haben, sind sie in der Regel in sich tragfähig und beinhalten die<br />

wesentlichen KPIs.<br />

Mit der Konzentration auf die relevanten Kennzahlen, die individuell auf das<br />

eigene Unternehmen und die eigene Strategie zugeschnitten sind, reduziert sich<br />

die Auswahl der möglichen Tools beziehungsweise Hersteller automatisch. Werden<br />

hingegen – aufgrund mangelnder Vorbereitung – nur allgemeine Kennzahlen ohne<br />

Bezug zur spezifischen Aufgabenstellung des Unternehmens vom <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-<br />

System eingefordert, so können zahllose Tools diese Anforderungen erfüllen. Das<br />

gesamte Projekt zur Einführung wird so deutlich aufgebläht und sowohl zeitlich<br />

wie auch finanziell belastet.<br />

Die Aufgabenstellung sollte daher im Vorfeld soweit definiert werden, dass nur circa<br />

drei Anbieter als mögliche Lösungspartner in Frage kommen. Diese Kandidaten<br />

werden dann auf die Erfüllung der Vorgaben hin geprüft und bewertet, um mit einem<br />

angemessenen Aufwand zu Entscheidungsvorlagen zu kommen.


Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />

Projektdauer und Projektaufwände<br />

Die Dauer für die Einführung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems hängt natürlich stark von<br />

den Anforderungen ab. In der Regel muss man mit circa drei bis sechs Monaten für<br />

komplexe <strong>Web</strong>sites rechnen. Aufgrund der Vielzahl der beteiligten Projektmitglieder<br />

Exemplarischer Projektplan<br />

1. Erstellung eines Anforderungskataloges mit folgenden Aspekten:<br />

• Key-Performance-Indicators (KPI) zur Abbildung<br />

der relevanten Ergebnisse aus den Online-Aktivitäten.<br />

• <strong>Web</strong> Scorecards zur Zusammenfassung der KPI<br />

und zum Abgleich mit den Sollwerten.<br />

• Aufschlüsselung interner und externer Marketingmaßnahmen.<br />

• Anforderungen an das Reporting mit erforderlichen Formaten, Möglichkeiten<br />

der Benutzerverwaltung, Verteilung der Reports und Automatisierungsoptionen.<br />

• Integration der Daten (Import, Export), Schnittstellen zu anderen „Datenwelten“<br />

wie Data-Warehouse oder Warenwirtschaftssystem.<br />

• Informationen aus anderen Informationssystemen wie zum Beispiel<br />

die Retourenrate aus dem Warenwirtschaftssystem.<br />

2. Erarbeitung des Optimierungspotenzials und monetäre Bewertung<br />

– notwendig für die ROI-Berechnung.<br />

3. Erarbeitung eines Request-for-Information (RFIs) für die Auswahl der <strong>Web</strong><br />

<strong>Analytics</strong>-Tools beziehungsweise deren Hersteller. Die in dem RFI aufgeführten<br />

Kriterien sollen eine individuelle Bewertung zulassen und nach den Anforderungen<br />

des Unternehmens gewichtet sein.<br />

4. Auswahl eines geeigneten Tools. Idealerweise soll sich die gewählte Lösung<br />

innerhalb von maximal 24 Monaten rentieren.<br />

5. Erstellung eines technischen Umsetzungskonzeptes<br />

mit entsprechendem Projektplan.<br />

6. Integration in die <strong>Web</strong>seite und erste Validierung der gemessenen Zahlen.<br />

In dieser Phase hilft die Plausibilitätsprüfung umfangreicher Kennzahlen dabei,<br />

eventuell Schwachstellen aufzuspüren.<br />

7. Aufsetzen der Benutzerverwaltung, Erstellung und Konfiguration der Reports.<br />

8. Aufstellen der ETLs für die Datenflüsse in andere Informationssysteme<br />

(ETL – Extraction-Transformation-Load).<br />

9. Detaillierte Validierung der Zahlen. In dieser Phase erfolgt die Feinabstimmung<br />

des Systems, hier werden gegebenenfalls Korrekturen in der technischen<br />

Implementierung vorgenommen. Auch Anforderungen, die sich erst im Laufe des<br />

Projektes ergeben haben, werden in dieser Phase umgesetzt.<br />

10. Projektabnahme und Inbetriebnahme. An dieser Stelle setzt der regelmäßige<br />

Prozess aus planen, messen, analysieren und optimieren ein, der den Erfolg<br />

des Projektes sicherstellt.<br />

573<br />

Benutzerverwaltung,<br />

Verteilung der<br />

Reports und<br />

Automatisierungsoptionen


Unterschiedliche<br />

in die <strong>Web</strong>seite<br />

zu integrierenden<br />

HTML-Elemente<br />

wie Tracking Pixel<br />

und Landmark<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />

Tipp<br />

Eine mit definiertem Rücktrittsrecht verbundene Verpflichtung, die Anforderungen<br />

auch tatsächlich einzuhalten, hilft beim Aussortieren derjenigen Anbieter, die in<br />

der ersten Runde grundsätzlich alle Anforderungen erfüllen, dies später aber<br />

nicht in der gewünschten Form leisten können.<br />

Die Auswahl weniger, individueller und wichtiger KPIs reduziert auch den<br />

Aufwand für die technische Implementierung in die <strong>Web</strong>site, die einen großen<br />

Teil des gesamten Projektumfangs ausmacht. Es empfiehlt sich nicht mehr als<br />

5 KPIs pro Rolle zu definieren.<br />

Muss hingegen das verwendete Tool aufgrund ungenauer Vorarbeiten während<br />

der Implementierung gewechselt werden, kommt der erforderliche Aufwand fast<br />

einem neuen Projekt gleich.<br />

aus verschiedenen Funktionen und der engen Verknüpfung mit der geschäftlichen<br />

Strategie sind kürzere Projektlaufzeiten selten zu erreichen.<br />

Es ist relativ schwer, allgemeine Aussagen über Aufwände für <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-<br />

Projekte zu treffen, da Anforderungen und technische Implikationen je nach <strong>Web</strong>site,<br />

Programmhersteller und Projektorganisation sehr weit gefächert sein können.<br />

Generell können jedoch für die Kalkulation der Aufwände folgende Regeln herangezogen<br />

werden:<br />

574<br />

• Die in die <strong>Web</strong>seite zu integrierenden HTML-Elemente – Tracking<br />

Pixel, Landmark – sind von Hersteller zu Hersteller sehr unterschiedlich<br />

aufgebaut und erfordern sehr unterschiedliche Backend-Integrationen<br />

bei komplexen Dimensionen und Metriken. Generell sind diese<br />

HTML-Elemente zwischen den Herstellern naturgemäß völlig<br />

inkompatibel – ein Austausch des Anbieters führt zumindest<br />

zu einer völligen technischen Neuintegration des neuen Anbieters.<br />

Dies hat auch Auswirkung auf eventuell Evaluierungen von Tools.<br />

• Die Projektphasen Planung/Konzeption und Validierung sollten<br />

zusammen mit mindestens dreißig Prozent des Gesamtaufwandes<br />

kalkuliert werden.<br />

• Auch wenn die technische Integration irrtümlich oft als trivial<br />

betrachtet wird, sollte man ein sorgfältiges Integrationskonzept erstellen<br />

und darauf achten, dass alle KPIs und deren Abbildung in Form von<br />

spezifischen Tracking-Elementen in den Seiten sauber dokumentiert<br />

werden. Ansonsten ist eine spätere Pflege und Wartung nicht<br />

durchführbar. Die Aufwände hierfür sind zu kalkulieren<br />

und einzuplanen.


Budget und Wirtschaftlichkeit<br />

<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systeme zielen auf den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen ab,<br />

insofern ist die Betrachtung des Returns on Investments (ROI), also die Rentabilität<br />

oder Wirtschaftlichkeit, ein zentraler Aspekt.<br />

Auf der Ausgabenseite sind zu berücksichtigen:<br />

• Aufwand für Marketingkampagnen<br />

• Aufwand für <strong>Web</strong>siteoptimierungen<br />

• Aufwand für Analyse und Bewertung<br />

• Aufwand für das <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tool<br />

Demgegenüber stehen Kostenreduzierungen beziehungsweise Ergebnisverbesserungen<br />

durch:<br />

• Einsparpotential bei Marketingmaßnahmen<br />

(Streuverluste, Makrokonversion)<br />

• Verbesserung der Mikrokonversion<br />

• Steigerung der Effizienz<br />

• Steigerung von Umsatz und Leads<br />

Bezogen auf einen Betrachtungszeitraum von zwölf bis vierundzwanzig Monaten<br />

sollte die Einführung einer <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Lösung rentabel werden, dementsprechend<br />

muss das benötigte Budget bereitgestellt werden – siehe auch Ziffern<br />

1 – 3 und 9 des Projektplanes.<br />

Auswahl eines geeigneten <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools<br />

Eine optimale „Short List“ der Anbieter führt maximal drei verschiedene Tools<br />

auf, die einem weitergehenden Vergleich unterzogen werden. Die Erfahrung hat<br />

gezeigt, dass eine längere Liste von Anbietern, die zur Angebotsabfrage aufgefordert<br />

werden, nicht zu einer besseren Entscheidungsgrundlage führt. Vielmehr ist es<br />

entscheidend, so exakte Angaben wie möglich über die einzelnen Kriterien wie<br />

beispielsweise KPIs, Dimensionen und Metriken zu machen, die in das Reporting<br />

einfließen sollen.<br />

Um eine entsprechende Vorauswahl an geeigneten <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Anbietern treffen<br />

zu können, sei auf den Einkaufsführer von Ideal Observer verwiesen. Anhand der<br />

dort aufgeführten Kriterien kann eine „long list“ erstellt werden. Diese „long list“<br />

sollte im nächsten Schritt anhand von Primärkriterien auf eine überschaubare Anzahl<br />

von Herstellern – wir empfehlen maximal drei – eingegrenzt werden:<br />

• Wirtschaftliche Position des Anbieters.<br />

• Zugrunde liegendes Lizenzmodell.<br />

Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />

• Referenzen, aktive und passive, mit Präferenz auf Lösungen,<br />

die ähnliche Geschäftsmodelle als Grundlage haben wie die zu<br />

messende <strong>Web</strong>site.<br />

575<br />

Maximal drei<br />

verschiedene<br />

Tools einem<br />

weitergehenden<br />

Vergleich<br />

unterziehen


Die Probefahrt<br />

ist der sicherste<br />

Weg, spätere<br />

Enttäuschungen<br />

zu vermeiden<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />

• Reife beziehungsweise Marktreife des Produktes.<br />

• Beratungs- und Servicekompetenz des Anbieters.<br />

In dem noch recht jungen Markt „<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>“ tendieren die Hersteller oftmals<br />

zu einer aggressiven Vertriebsstrategie, was mitunter zu einem tatsächlichen<br />

„overselling“ führen kann. Um hier unliebsame Überraschungen zu vermeiden,<br />

sollten die Ausschreibungsunterlagen, auch Request for Informations (RFIs), die<br />

Anforderungen so exakt wie möglich beschreiben und hinsichtlich des Erfordernisses<br />

auch gewichten. Andernfalls tritt ein, was wir in Projekten als das „100-Prozent-<br />

Syndrom“ bezeichnen: Alle zur Angebotsabgabe aufgeforderten Anbieter erfüllen<br />

alle Anforderungen zu hundert Prozent. Dieser Effekt ist zu erwarten, wenn allzu<br />

banale Kennzahlen in allzu allgemeiner Form abgefordert werden.<br />

Tipp<br />

Vermeiden Sie die Herstellerdatenblätter eines favorisierten Herstellers abzuschreiben<br />

und diese als Tabelle an die diversen Anbieter zu versenden. Sie<br />

erhalten in der Regel alle Fragebögen mit 100 Prozent Erfüllungsgrad zurück.<br />

Formulieren Sie Ihre Anforderungen bezogen auf Ihr Geschäftsmodell und<br />

beschreiben Sie, was Sie vom Tool erwarten. Konzentrieren Sie sich auf wesentliche<br />

Aspekte ihres Geschäftes und der dafür relevanten Kennzahlen.<br />

Fragen Sie dezidiert nach, wie Ihre KPIs dargestellt werden können und ob hierfür<br />

zusätzliche Module oder Komponenten erforderlich sind. Für die Lieferung von<br />

Echtzeitdaten sind sogenannte „Service-Level-Agreements“ hilfreich, um sicher<br />

zu stellen, auch bei höherem Traffic auf der Site noch zeitnahe Auswertungen<br />

vornehmen zu können.<br />

Evaluierung von Tools<br />

Ein probates Mittel zur Bewertung der Leistungsfähigkeit von Softwareprogrammen<br />

ist die Evaluierung. Hierbei wird für einen begrenzten Zeitraum, in einem<br />

begrenzten aber repräsentativen Szenario, eine Reihe von Tools zur Bewertung<br />

der Leistungsfähigkeit „Probe gefahren“.<br />

<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> befasst sich mit der Messung von Erfolgskriterien auf <strong>Web</strong>sites.<br />

Dazu gehören insbesondere solche KPIs, die den wirtschaftlichen Erfolg von<br />

<strong>Web</strong>sites, Portalen oder Shops abbilden. Diese KPIs sind in der Regel nicht trivial<br />

und erfordern entsprechenden Aufwand in der technischen Integration der Tracking-<br />

Tools. Insofern laufen Unternehmen bei der Evaluierung solcher Tools in zwei<br />

mögliche Problemfelder:<br />

576<br />

• Entweder, die Evaluierung vermeidet den größeren technischen<br />

Aufwand und wird anhand primitiver Kennzahlen durchgeführt<br />

– dann ist das Ergebnis nicht repräsentativ und führt wiederum<br />

zum „100-Prozent-Syndrom“.


• Oder das Unternehmen wird versuchen, mit den zu evaluierenden<br />

Tools alle KPIs zu implementieren und damit das Projekt gleich n-mal<br />

durchführen – damit wird der wirtschaftliche Rahmen (ROI)<br />

des Projektes gefährdet.<br />

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass insbesondere solche Projekte zu unbefriedigenden<br />

Gesamtergebnissen geführt haben, bei denen eine zu große Zahl von Herstellern mit<br />

trivialen Anforderungen in eine Evaluierung genommen wurde. Projektlaufzeiten<br />

von mehr als einem Jahr, mit anschließend banalen Statistiken, waren (leider) die<br />

Folge – abgesehen von einer nicht mehr nachvollziehbaren Wirtschaftlichkeit<br />

eines solchen Projektablaufes. Es muss im Gegenteil davon ausgegangen werden,<br />

dass die Gesamtaufwände für die Durchführung der Evaluierung nicht durch eine<br />

bessere, weil wirtschaftlichere, Entscheidung oder die Auswahl eines vermeintlich<br />

günstigeren Anbieters amortisiert werden können.<br />

Literatur<br />

Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />

Axel Amthor, Thomas Brommund: Projektleitfaden <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – Erfolg ist messbar!<br />

– Bezug über www.contentmetrics.de, 2006.<br />

577


Relevanz<br />

generieren,<br />

Produktaffinitäten<br />

bestimmen,<br />

Interessen<br />

ermitteln<br />

<strong>Web</strong>-<br />

Mining<br />

Martin Oesterer, Karsten Winkler<br />

Unternehmen mit analytischen Geschäftsstrategien können ihren Wettbewerbern<br />

immer einen Schritt voraus sein. Das postulierte Thomas H. Davenport in seinem<br />

Artikel „Aus Daten Geld machen“, der im Harvard Businessmanager 4/2006<br />

publiziert wurde. Dieser Beitrag greift Davenports Postulat auf und zeigt, wie<br />

Geschäftsstrategien mit Bezug zum Internet durch den Einsatz von <strong>Web</strong>-Mining<br />

erfolgreicher verwirklicht werden.<br />

Die Daten quälen, bis sie gestehen?<br />

Nachdem nun auch ältere Semester im <strong>Web</strong> Fahrkarten buchen, Überweisungen<br />

tätigen oder Renteninformationen anfordern, steht fest: Das Internet hat<br />

sich in vielen Geschäftsbereichen zu einem unverzichtbaren Informations-<br />

und Vertriebskanal entwickelt. Aktuell ist einerseits eine Renaissance von<br />

innovativen, rein Internet-basierten Geschäftsmodellen zu beobachten, die etwa<br />

durch Information, Gemeinschaftsgefühl oder Unterhaltung ihren Kunden echte<br />

Mehrwerte bieten. Andererseits investieren bereits zu Zeiten der Dampfmaschine,<br />

des Telegramms oder der Lochkarte gegründete Unternehmen verstärkt in ihre<br />

Internetpräsenzen, um diesen Vertriebskanal optimal in die Geschäftsprozesse<br />

und Kommunikationsstrategien einzubetten. So vielfältig kommerzielle und<br />

administrative <strong>Web</strong>sites und ihre Betreiber auch sind, eines haben sie gemeinsam:<br />

Die Investition in das Internet dient der Verwirklichung eigener Ziele, wie zum<br />

Beispiel Reputation und Sichtbarkeit zu erhöhen, Gewinne zu erzielen, Kunden zu<br />

gewinnen oder Kommunikationskosten zu senken.<br />

Die Verwirklichung dieser Ziele erfordert eine konsequente Umsetzung<br />

geeigneter Maßnahmen: Die Relevanz der <strong>Web</strong>inhalte ist zu optimieren, es<br />

sollten nur produktaffine Zielgruppen angesprochen werden, Benutzeroberflächen<br />

sind möglichst intuitiv zu gestalten und Bestandskunden sollten aktiv auf für<br />

sie interessante Angebote hingewiesen werden. Wie aber können Betreiber von<br />

<strong>Web</strong>sites im virtuellen Raum Relevanz generieren, Produktaffinitäten bestimmen,<br />

die Gebrauchstauglichkeit erhöhen beziehungsweise Interessen ermitteln? Die<br />

sprichwörtliche Tante Emma setzte ihr Gedächtnis und ihre Intelligenz ein, um<br />

sich diesen Herausforderungen des Geschäftslebens im Krämerladen zu stellen. Sie<br />

kannte Generationen von Stammkunden, deren Freud und Leid, ihre persönliche<br />

Interessen, Kaufhistorie und deren finanziellen Spielraum. Laufkundschaft wurde<br />

von Tante Emma aufgrund jahrelanger Erfahrung und kaufmännischen Gespürs<br />

578


estmöglich beraten. Wie ist aber das Gedächtnis und die Intelligenz von Tante<br />

Emma auf den Vertriebskanal Internet mit Millionen potenzieller Kunden und einer<br />

für Menschen oft nicht mehr überschaubaren Produktvielfalt zu übertragen?<br />

Ein institutionalisiertes Gedächtnis im Form von Datenbanken wird, oft in<br />

Kombination mit intelligenten Verfahren der Datenauswertung wie etwa Data-<br />

Mining, seit Jahrzehnten im Direktmarketing von erfolgreichen Unternehmen<br />

genutzt, um trotz einer Vielzahl von Mitarbeitern, Kontaktpunkten und Produkten<br />

eine vertrauensvolle, profitable und langfristige Beziehung zu Kunden aufzubauen.<br />

Erklärtes Ziel von Investitionen in das Kundenbeziehungsmanagement ist die<br />

Abkehr von der rein transaktionsorientierten Belieferung eines Massenmarktes<br />

mit standardisierten Produkten hin zur individuellen Ansprache des Kunden<br />

zur Etablierung einer langfristigen Geschäftsbeziehung. Im Gegensatz zum<br />

Einkauf über traditionelle Vertriebswege (zum Beispiel Filiale, Telefon oder<br />

Versicherungsvertreter) ist der Besuch einer <strong>Web</strong>site weitgehend frei von direkten<br />

Kontakten von Mensch zu Mensch. Aber: Der virtuelle Raum weist höchst<br />

interessante Besonderheiten auf, zum Beispiel die mögliche Personalisierung<br />

von Inhalten oder auch die denkbare direkte, ereignisgesteuerte Interaktion mit<br />

Besuchern.<br />

Zur Bestimmung dieser zielgruppengesteuerten Inhalte bieten sich nun, analog zum<br />

Data-Mining auf „klassischen“ Datenbeständen, Methoden des <strong>Web</strong>-Mining an.<br />

Pragmatisch betrachtet ist <strong>Web</strong>-Mining ein zielorientierter Prozess der Selektion,<br />

Aufbereitung, Exploration und Modellierung Internet-basierter Daten, um<br />

unbekannte Zusammenhänge zum Vorteil des eigenen Unternehmens zu entdecken.<br />

Anders als im konventionellen Data-Mining sind in <strong>Web</strong>-Mining-Projekten meist<br />

sehr große Mengen von Online-Protokolldaten zu erfassen, mit teilweise speziellen<br />

Verfahren aufzubereiten und anzureichern sowie oft mit spezifischen Methoden<br />

zu analysieren und zu interpretieren. Das grundsätzliche, sehr prozessorientierte<br />

Vorgehen im <strong>Web</strong>-Mining ist aber ebenso identisch mit einem klassischen Data-<br />

Mining-Projekt wie die Mehrzahl eingesetzter Methoden.<br />

Einsatzgebiete für <strong>Web</strong>-Mining<br />

Martin Oesterer, Karsten Winkler: <strong>Web</strong>-Mining<br />

Bei einem produktiven Einsatz im Unternehmen ist <strong>Web</strong>-Mining kein Selbstzweck,<br />

sondern leistet einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele.<br />

Die oft genutzte Klassifikation von <strong>Web</strong>-Mining-Einsatzgebieten in die Analyse<br />

von Inhalten (<strong>Web</strong>-Content-Mining), die Gewinnung von Einsichten in das<br />

Besucherverhalten (<strong>Web</strong>-Usage-Mining) und die Identifizierung <strong>Web</strong>site-übergreifender<br />

Verweisstrukturen (<strong>Web</strong>-Structure-Mining) zielt eher auf eine Abgrenzung<br />

gegenüber klassischen Data-Mining-Fragestellungen. Wird <strong>Web</strong>-Mining hingegen<br />

aus Anwendersicht betrachtet und umfasst damit auch die Methodenvielfalt des<br />

Data-Mining, so bietet sich eine vereinfachte Unterscheidung von explorativen<br />

und prädiktiven Einsatzgebieten an.<br />

Explorative Verfahren des <strong>Web</strong>-Mining, wie etwa Clustering-Algorithmen, die<br />

Pfadanalyse, die Entdeckung von Assoziationsregeln oder die Analyse sozialer<br />

Netzwerke, werden eingesetzt, um in der verfügbaren Datenbasis interessante und<br />

579<br />

Data-Mining<br />

wird seit<br />

Jahrzehnten im<br />

Direktmarketing<br />

genutzt<br />

Personalisierung<br />

von Inhalten<br />

und ereignisgesteuerte<br />

Interaktion mit<br />

Besuchern<br />

<strong>Web</strong>-Content-<br />

Mining, <strong>Web</strong>-<br />

Usage-Mining<br />

und <strong>Web</strong>-<br />

Structure-Mining


Next-Best-Offer-<br />

Systeme zur<br />

Empfehlung<br />

von relevanten<br />

Produkten<br />

Zahlung auf<br />

Rechnung<br />

verweigern,<br />

falls die Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

über<br />

achtzig Prozent<br />

liegt<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

wirtschaftlich verwertbare Muster zu identifizieren, zu interpretieren und deren<br />

Veränderung im Zeitablauf zu verfolgen. Primäres Ziel ist die Gewinnung von<br />

neuen, nützlichen und nachvollziehbaren Einsichten in das Verhalten von Besuchern<br />

und Kunden, um zum Beispiel das kundenzentrierte Data-Warehouse mit neuen<br />

Erkenntnissen anzureichern.<br />

Die aus der Marktforschung bekannte Segmentierung von Besuchern mittels<br />

Clustering-Algorithmen dient beispielsweise deren Unterteilung in Gruppen mit<br />

einem homogenen Klickverhalten, Kaufverhalten oder Kommunikationsverhalten.<br />

Außerdem unterscheiden sich Profile eines Segments in ihrer Charakteristik<br />

möglichst stark von denen anderer Segmente. Deshalb lassen sich Segmente mit<br />

sprechenden Bezeichnungen wie „junge Wintersportinteressenten aus Großstädten“<br />

charakterisieren. Die Ergebnisse explorativer Analysen werden beispielsweise für<br />

die Definition zielgruppenspezifischer Inhalte, ein Behavioural Targeting bei der<br />

Auslieferung von Werbebotschaften oder im Rahmen von produktorientierten<br />

Newsletter-Kampagnen verwendet. So genannte Next-Best-Offer-Systeme zur<br />

Empfehlung von relevanten Produkten oder Inhalten basieren ebenfalls häufig<br />

auf explorativen Verfahren, um das Verhalten ähnlicher Kundengruppen oder<br />

Verbundkaufeffekte auszunutzen.<br />

Prädiktive Verfahren des <strong>Web</strong>-Mining fokussieren auf die Erstellung möglichst<br />

zuverlässiger Vorhersagen, zum Beispiel durch Anwendung von Regressionsverfahren,<br />

Entscheidungsbäumen oder neuronalen Netzen. Im Online-Marketing<br />

gibt es eine Vielzahl interessanter Eigenschaften von Besuchern und Kunden, deren<br />

möglichst gute Vorhersage wirtschaftliche Vorteile verspricht. Die Modellierung<br />

von Kanalpräferenzen vor einer Kundenansprache, die Vorhersage der Bonität neuer<br />

Kunden oder auch die Ermittlung von Produktaffinitäten dienen der Senkung von<br />

Kommunikationskosten, ermöglichen die Reduktion des Zahlungsausfallrisikos<br />

und erhöhen den Umsatz durch relevante Cross-Selling-Angebote. Darüber hinaus<br />

lassen sich durch den Einsatz von Text-Mining-Methoden auch eingehende E-Mails<br />

hinsichtlich ihres Inhalts klassifizieren und können anschließend automatisiert<br />

an die richtige Abteilung weitergeleitet werden. Im Gegensatz zu explorativen<br />

Einsatzgebieten ist die Nachvollziehbarkeit meist eine im Vergleich zur angestrebten<br />

hohen Vorhersagequalität untergeordnete Eigenschaft von prädiktiven Modellen.<br />

Die Vorhersagemodellierung nutzt vergangenheitsbezogene Daten mit bekannter<br />

Ausprägung der Zielvariable und potenziell erklärende Variablen, um ein Modell<br />

zu trainieren, zu optimieren und auf Allgemeingültigkeit zu testen. Je nach<br />

Anforderung an die Aktualität eines Modells umfasst die für Training und Test<br />

relevante Zeitspanne ein Jahr, zwei Monate oder nur die letzten zehn Minuten. Nach<br />

der Modellierung wird das beste Vorhersagemodell exportiert und auf neue, aber<br />

strukturgleiche Datensätze angewendet, um zum Beispiel die Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

der relevanten Ausprägung einer kategoriellen Zielvariable zu ermitteln.<br />

Die Anwendung von Vorhersagemodellen wird auch als Scoring bezeichnet. Nach<br />

einem Scoring der Bonität neu angemeldeter Kunden kann das Shopsystem zum<br />

Beispiel eine Zahlung auf Rechnung verweigern, falls die Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

über achtzig Prozent liegt.<br />

580


Vorgehen im <strong>Web</strong>-Mining<br />

Martin Oesterer, Karsten Winkler: <strong>Web</strong>-Mining<br />

Die Frage nach dem Aufbau analytischer Kenntnisse im Unternehmen einerseits oder<br />

dem Zukauf analytischer Beratung andererseits ist unter Beachtung der strategischen<br />

Relevanz des <strong>Web</strong>-Mining sowie der aktuellen Personalsituation und der Zeitplanung<br />

zu entscheiden. Ob der Einsatz von <strong>Web</strong>-Mining als einmaliges Projekt geplant ist<br />

oder Training und Anwendung von Vorhersagemodellen in Geschäftsprozesse<br />

einzubetten sind: Zunächst ist ein wirtschaftlich relevantes Ziel aus dem Online-<br />

Marketing zu formulieren und entsprechende Erfolgskriterien festzulegen.<br />

Ein Beispiel ist die „Steigerung der Click-Through-Rate interner Verweise auf<br />

Aktionsartikeln von zwei auf fünf Prozent zur Erhöhung des Umsatzes“. Ein im<br />

Idealfall durch das Management unterstütztes Team, das sowohl fachliche als auch<br />

methodische Kompetenz vereint, formuliert anschließend Anforderungen an die<br />

Datenbasis, übersetzt das Marketing-Ziel in eine <strong>Web</strong>-Mining-Fragestellung und<br />

plant die Einbettung der Ergebnisse in operative Systeme, wie zum Beispiel die<br />

Auslieferung nutzerspezifischer Artikelempfehlungen.<br />

Nach der Festlegung von Ziel, Erfolgskriterien, Budget und Zeitplanung ist die<br />

Datenbasis zur Anwendung von <strong>Web</strong>-Mining-Methoden zu definieren, aus den<br />

Quelldatensystemen zu extrahieren und in einer Tabelle zusammenzuführen. Im<br />

Ergebnis entsteht eine so genannte analytische Basistabelle, die je Untersuchungsobjekt<br />

(etwa Sitzung eines Besuchers oder Kunde) potenziell relevante Informationen<br />

und gegebenenfalls eine oder mehrere Zielvariablen enthält. Beispiele für<br />

Variablengruppen sind demographische Informationen, Reaktionen auf Online-<br />

Marketing-Kampagnen, besuchte Seiten und Inhaltsbereiche sowie angesehene<br />

und gekaufte Produkte.<br />

Der typische <strong>Web</strong>-Mining-Prozess besteht aus folgenden Schritten: Stichprobenziehung,<br />

Exploration der Daten, Modifizierung der Daten, Modellierung der<br />

Fragestellung und Auswertung der Ergebnisse. Der Anwender im analytischen<br />

Online-Marketing modelliert die jeweilige Fragestellung in einem graphischen<br />

Prozessflussdiagramm, wie es in Abb. 1 dargestellt ist. In diesem Diagramm<br />

repräsentieren Pfeile den Fluss von Daten und Metadaten, während graphische<br />

Symbole die jeweils auszuführenden, parametrisierten Prozess-Schritte (zum<br />

Beispiel ein Regressionsverfahren) repräsentieren.<br />

Die Anwendung des besten Modells im Rahmen eines Scoring in Stapelverarbeitung<br />

oder Echtzeit wird einerseits durch den Export der Scorewerte in<br />

beliebige Datenbanken ermöglicht. Somit können beispielsweise für Kunden<br />

Produktaffinitäten oder die Zugehörigkeit zu Kundensegmenten direkt in<br />

der Datenbank des Shopsystems gespeichert werden. Struktur, Syntax und<br />

Semantik der bei Anwendung eines Modells zu verarbeitenden Daten müssen<br />

den Trainingsdaten entsprechen. Andererseits lassen sich Vorhersagemodelle und<br />

Ergebnisse einiger explorativer Verfahren auch als ausführbare Programme (zum<br />

Beispiel als Base SAS Code, in C oder Java) sowie in der Syntax der Predictive<br />

Modeling Markup Language zur direkten Anwendung in Datenbewirtschaftungsprozessen<br />

oder operativen Systemen exportieren. Ein letzter, wichtiger Aspekt<br />

der Modellanwendung ist die Überwachung der Modellgüte operativ genutzter<br />

Segmente oder Vorhersagemodelle, um deren „Lebenszeit“ nicht zu überschreiten.<br />

581<br />

Demographische<br />

Informationen,<br />

Reaktionen<br />

auf Online-<br />

Marketing-<br />

Kampagnen,<br />

besuchte Seiten<br />

und Inhaltsbereiche<br />

sowie<br />

angesehene<br />

und gekaufte<br />

Produkte


Statischer<br />

Zählpixel oder<br />

JavaScriptbasierter<br />

Page-<br />

Tags sind besser<br />

als Logfiles<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Es ist beispielsweise wenig zielführend, Kunden für den Rest ihres Lebens als<br />

„junge Wintersportinteressenten aus Großstädten“ zu klassifizieren, ausgelistete<br />

Artikel zu empfehlen oder die Bonität von Kunden anhand eines fünf Jahre alten<br />

Modells zu evaluieren.<br />

Abb. 1: <strong>Web</strong>-Mining-Prozessflussdiagramm im SAS Enterprise Miner<br />

Daten, Daten und nochmals Daten<br />

Qualitativ hochwertige Online-Protokolldaten bilden zweifellos die Basis für<br />

Aktivitäten im <strong>Web</strong>-Mining. Grundlage für deren Erfassung können einerseits<br />

Logdateien der <strong>Web</strong>server sein, in denen die ausgelieferten Dateien mit Zeitstempel,<br />

IP-Adresse des anfordernden Rechners und weiteren Informationen aufgezeichnet<br />

werden. Diese rein Server-seitige Datenerfassung ist aber mehr ein Notbehelf<br />

als eine vollständige und fehlerfreie Protokollierung, da insbesondere die auf<br />

unterschiedlichen Ebenen eingesetzten Zwischenspeicher und Proxy-Server sowie<br />

die oft bei Internet-Zugangsdienstleistern beobachtete dynamische Zuweisung<br />

verschiedener IP-Adressen innerhalb einer Sitzung die Daten stark verfälschen.<br />

Diese Nachteile führten zur Entwicklung von Client-seitigen Protokollierungsverfahren,<br />

die mittels statischer Zählpixel oder JavaScript-basierter Page-Tags<br />

Informationen über Browser und betrachtete <strong>Web</strong>seiten an einen Protokollserver<br />

übermitteln. Allerdings werden die Vorteile der Client-seitigen Verfahren meist<br />

mit einem großen Wartungsaufwand zur zeitnahen, konsistenten Aktualisierung<br />

der Page-Tag-Parameter, einer Ladezeiterhöhung durch die Abhängigkeit von<br />

Protokollservern und einer aus Datenschutzgründen kritischen Kommunikation<br />

mit Third-Party-Servern erkauft.<br />

In der Lösung SAS for Customer Experience <strong>Analytics</strong> wird mit der speedtrap<br />

Dynamic Data Collection ein innovatives Client-seitiges Verfahren zur<br />

Echtzeit-Protokollierung von Ereignissen im Browser der Besucher eingesetzt,<br />

582


Martin Oesterer, Karsten Winkler: <strong>Web</strong>-Mining<br />

das die Nachteile der beiden skizzierten Verfahren umgeht. Kern des First-<br />

Party-Verfahrens ist die einmalige Einbettung desselben parameterlosen Skripts<br />

in sämtliche ausgelieferte <strong>Web</strong>seiten. Nach dem Laden einer Seite übermittelt<br />

dieses Skript verschlüsselt und asynchron, zur Vermeidung von Wartezeiten, die<br />

relevanten Ereignisse an den Protokollserver, wobei die Kommunikation aus dem<br />

gesicherten „Sandkasten“ der jeweiligen Seite im Browser heraus erfolgt. Der<br />

Detaillierungsgrad der übermittelten Ereignisse wird je <strong>Web</strong>site, Seitenbereich<br />

oder Seite zentralisiert konfiguriert, so dass, im Gegensatz zu Page-Tags, die<br />

Geschäftslogik nicht mittels JavaScript-Parametern in <strong>Web</strong>seiten zu kodieren<br />

ist. Neben den üblichen Page-Tag-Informationen können zum Beispiel Klicks,<br />

Ladevorgänge, Metadaten, Tastatureingaben, verdeckte Formularfelder oder<br />

auch Mouse-Over-Ereignisse zur visuellen Sitzungsrekonstruktion aufgezeichnet<br />

werden. Dieses äußerst wartungsarme Verfahren ermöglicht neben datengetriebenen<br />

Usability-Studien insbesondere den Aufbau einer stets aktuellen, fehlerfreien und<br />

konsistenten Datenbasis für <strong>Web</strong>-Mining. Das gilt auch für Ajax-Applikationen,<br />

Flash-Inhalte oder mobile Endgeräte.<br />

Online-Protokolldaten hoher Qualität sind zwar eine wichtige Basis für <strong>Web</strong>-Mining,<br />

aber eben nur eine Seite der Medaille. Zu Gewinnung einer vollständigen Sicht auf<br />

Besucher und Kunden des Vertriebskanals Internet ist die Anreicherung dieser online<br />

erfassten Informationen mit Offline-Daten unerlässlich. Beispielsweise können<br />

URL-Parameter wie die Seitennummer in der Datenbank des Content-Management-<br />

Systems um ergänzende Informationen wie Seitentitel, Autor oder Inhaltskategorie<br />

angereichert werden. Warenwirtschaftssysteme verfügen zudem über vielfältige<br />

Zusatzinformationen, um Artikelnummern in Warenkorbdaten anzureichern. Die<br />

Integration von Daten der Offline-Welt in analytische Basistabellen für <strong>Web</strong>-<br />

Mining ermöglicht die Generierung von weitaus größeren analytischen Mehrwerten<br />

als bei alleinigem Fokus auf Online-Protokolldaten.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Online-Marketing wird durch den gezielten Einsatz von <strong>Web</strong>-Mining sowohl<br />

effektiver, adressiert also die richtigen Zielgruppen mit passenden Botschaften,<br />

als auch effizienter, beispielsweise durch Senkung der Kommunikationskosten.<br />

Der Einsatz intelligenter Verfahren der Datenanalyse ermöglicht im Sinne von<br />

Davenports analytischen Geschäftsstrategien die Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile<br />

im äußerst dynamischen Internet. Die Literaturhinweise am<br />

Schluss des Beitrags zeigen wichtige Quellen für den Einstieg in die Welt des<br />

<strong>Web</strong>-Mining.<br />

Aktuell diskutierte Themen in der <strong>Web</strong>-Mining-Community sind die Konvergenz<br />

von Online- und Offline-Welt, die Anwendung analytischer Modelle in Echtzeit<br />

sowie Aspekte des Datenschutzes. Trotz vieler Besonderheiten: Das Internet ist<br />

für die Mehrzahl der Unternehmen eben nur ein Kanal von vielen. Eine vielfach<br />

angestrebte ganzheitliche Kundenorientierung darf somit weder das Internet<br />

gänzlich ignorieren noch eine ausschließliche Konzentration von Maßnahmen auf<br />

583<br />

Klicks, Ladevorgänge,<br />

Metadaten,<br />

Tastatureingaben,<br />

verdeckte<br />

Formularfelder<br />

oder auch Mouse-<br />

Over-Ereignisse<br />

können aufgezeichnet<br />

werden


Anonymisierung<br />

der erfassten<br />

Daten oder<br />

transparente<br />

Einwilligung<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

dieses Medium zulassen. Die gegenwärtig verbreitete Schaffung von Insellösungen<br />

im Online-Marketing ist deshalb unter Konvergenzaspekten nicht überzeugend.<br />

Im <strong>Web</strong>-2.0-Zeitalter korreliert der Wert von Unternehmen stark mit der Kundenzufriedenheit.<br />

Deshalb gilt es, das Vertrauen von Interessenten und Kunden durch<br />

Einhaltung der Datenschutzbestimmungen langfristig zu sichern. Neben einer<br />

möglichen Anonymisierung der erfassten Daten gilt es insbesondere, Kunden<br />

durch deutlich wahrnehmbare Mehrwerte zur Einwilligung in die Speicherung<br />

und Verarbeitung personenbezogener Daten zu motivieren. Die vorgestellte speedtrap<br />

Dynamic Data Collection setzt zum Beispiel einen Hinweis in den jeweiligen<br />

Datenschutzrichtlinien voraus, respektiert im Browser hinterlegte P3P-Richtlinien,<br />

unterstützt SSL-Verschlüsselung und ermöglicht den Einsatz von Opt-in- oder Optout-Mechanismen.<br />

Literatur<br />

Patricia Cerrito: Introduction to Data Mining Using SAS Enterprise Miner. – 468 Seiten,<br />

ISBN 9781590478295, SAS Publishing, Cary, NC, 2006.<br />

Soumen Chakrabarti: Mining the <strong>Web</strong>: Discovering Knowledge from Hypertext Data.<br />

– 344 Seiten, ISBN 9781558607545, Morgan Kaufmann Publishers, San Francisco,<br />

CA., 2002.<br />

Thomas H. Davenport, Jeanne G. Harris: Competing on <strong>Analytics</strong>. The New Science of<br />

Winning. – 240 Seiten, ISBN 9781422103326, Harvard Business School Press, Boston,<br />

MA., 2007.<br />

Hajo Hippner, Melanie Merzenich, Klaus D. Wilde: Handbuch <strong>Web</strong> Mining im Marketing:<br />

Konzepte, Systeme, Fallstudien. – 509 Seiten, ISBN 9783528057947, Verlag Vieweg,<br />

Braunschweig/Wiesbaden, 2002.<br />

SAS Institute Inc.: Beyond <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>: A New Generation of Customer Experience<br />

<strong>Analytics</strong>: Increasing Sales Revenue and Improving Service by Gaining Actionable<br />

Multi-Channel Intelligence. – White Paper. SAS Institute Inc., Cary, NC., 2007.<br />

SAS and all other SAS Institute Inc. product or service names are registered trade-marks<br />

or trademarks of SAS Institute Inc. in the USA and other countries. Other brand and<br />

product names are trademarks of their respective companies.<br />

584


Kundenkapitalbezogene<br />

Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />

Harald Eichsteller<br />

Was hat die Bewertung eines <strong>Web</strong> 2.0-Portals mit der Bewertung eines Heizölhandels<br />

gemeinsam? Vor der Akquisition eines Heizölhandels sind für den potenziellen<br />

Käufer die folgenden Faktoren besonders wichtig:<br />

A. Stärke der Marktposition (Zahl der Wettbewerber, relativer<br />

Marktanteil, Marktführerschaft)<br />

B. Kundenstamm (Zahl, Altersstruktur, Fassungsvermögen der Tanks)<br />

C. Bindung der Kunden (Tradition, Dauer der Kundenbeziehung,<br />

Loyalität/Wiederkaufsraten)<br />

D. Gefahr der Abwanderung von Kunden<br />

(Nachhaltigkeit, langfristige Sicherung)<br />

Daraus wird kundenbezogen das Heizölvolumen der nächsten 10 Jahre hochgerechnet<br />

und bepreist, mit der Methode der Diskontierten Cashflows (DCF)<br />

zu einem Barwert verdichtet und schließlich mit den eigenen Erwartungen und<br />

Vorgaben zu Rentabilität und Profitabilität abgeglichen.<br />

Zusätzlich wird betrachtet, ob es auf folgende Fragen positive Antworten gibt:<br />

E. Verschafft mir die Akquisition Zugang zu einem Markt,<br />

den ich bisher nicht hatte? (Segment, Region, Struktur)<br />

F. Erhöht sich durch die Akquisition die Effizienz meiner<br />

Kommunikationsmaßnahmen? (Anzeigen, Radio, Flyer, Internet)<br />

G. Erreiche ich durch die Akquisition eine höhere Marge?<br />

(Kostendegression, geringere Preissensitivität)<br />

H. Erreiche ich durch die Akquisition eine zusätzliche Marge,<br />

die über dem Invest liegt? (Return on Investment, Interner Zinsfuß)<br />

Das Einstiegsbeispiel aus einer Branche, die eindeutig eher zur „Very Old Economy“<br />

zählt, zeigt Historie, Qualität und Praxistauglichkeit von Kundenkapitalbetrachtungen<br />

bei der Bewertung von Geschäften. Man hätte auch die Bewertung einer<br />

Zahnarztpraxis heranziehen können – das hätte den Sprung zur Bewertung von<br />

<strong>Web</strong> 2.0-Portalen optisch etwas kürzer aussehen lassen, im Kern hätten sich aber<br />

kaum Unterschiede ergeben.<br />

585<br />

Marktposition,<br />

Kundenstamm,<br />

Kundenbindung<br />

und Nachhaltigkeit<br />

sind<br />

die wichtigsten<br />

Faktoren


Spielregeln der<br />

Finanzmärkte<br />

vernachlässigen<br />

kundenorientierteBetrachtungsweisen<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Return-on-Customer (ROC)<br />

Viele der im Einstiegsbeispiel genannten Aspekte haben Don Peppers<br />

und Martha Rogers Mitte 2005 in ihrem Buch „Return-on-Customer“<br />

aufgegriffen [1]. Sie appellieren dabei an Manager und Shareholder<br />

gleichermaßen, die Kunden und die Erhaltung ihres Wertes in den Mittelpunkt<br />

der Betrachtungen zu stellen und dabei die Nachhaltigkeit von<br />

(Marketing-)Aktionen als oberstes Beurteilungskriterium für positives Wirken zu<br />

etablieren. Der Begriff Return-on-Customer (ROC) ist mit Bedacht in Analogie<br />

zum allgemein anerkannten Konzept des Return on Investment (ROI) gewählt,<br />

das klassischerweise zur Beurteilung der Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von<br />

Investitionen herangezogen wird.<br />

Die Finanzmärkte haben spätestens in den letzten zehn Jahren Spielregeln geprägt,<br />

die nicht immer optimale Voraussetzungen für kundenorientierte Betrachtungsweisen<br />

bieten; einige dieser Spielregeln sind im Folgenden kurz skizziert:<br />

1. Finanzmärkte funktionieren kurzfristig, maximal quartalsorientiert, und<br />

Manager sind tendenziell bereit, wichtige kundenorientierte Maßnahmen<br />

zugunsten der vorausgesagten Umsatz- und Ertragsziele zu opfern.<br />

2. Finanzmärkte belohnen stetiges überproportionales Wachstum mit einer<br />

höheren Notierung; Aktienoptionsprogramme für Manager können durchaus<br />

auch dazu führen, dass dieses Wachstum‚ ohne Rücksicht auf langfristige<br />

Verluste angestrebt wird. [2]<br />

3. Finanzmärkte hatten den Charme kundenorientierter Lebenswert-<br />

betrachtungen (Customer-Lifetime-Value – CLV) schon vor Jahren<br />

erkannt und Mergers & Akqui-sitions (M&A’s) in der Phase des<br />

Internet-Hypes um das Jahr 2000 mit CLVs bewertet – schade nur,<br />

dass die zu Grunde gelegten Kundenwerte in vielen Fällen nicht einmal<br />

ansatzweise realisiert waren, als die Unternehmen ihre Pforten wieder<br />

geschlossen haben.<br />

4. Finanzmärkte nehmen Brand-Equity und Customer-Equity bei M&A‘s<br />

als Residualwert wahr, der zusätzlich zu den Buchwerten bezahlt wird und<br />

den die Buchhalter als „Goodwill“ abschreiben. Es existieren eine Vielzahl<br />

unterschiedlicher Brand-Equity Modelle [3] – lediglich das Ranking der<br />

weltweiten Top-100 Brands von Interbrand, Zintzmeyer & Lux [4]<br />

wird öffentlich wahrgenommen; in den meisten Unternehmen werden solche<br />

Werte weder errechnet noch ausgewiesen.<br />

Doch die Betrachtung des Konzepts von Peppers und Rogers zur Berechnung des<br />

Return-on-Customer (ROC) lohnt sich dennoch, vor allem wenn man die nachhaltige<br />

Werthaltigkeit des Kundenkapitals beurteilen möchte. Hier das Rechenwerk in der<br />

Übersicht:<br />

Dabei ist das Kundenkapital (Customer-Equity) gleich der Summe der Kundenlebenswerte<br />

(CLV) aller Kunden. Dies bedeutet, dass nur ein positiver Return-on-<br />

Customer (ROC) erzielt werden kann, wenn nicht nur ein positiver Cashflow erreicht<br />

wird, sondern darüber hinaus die zukünftigen (abgezinsten) Erträge der Kunden<br />

586


Harald Eichsteller: Kundenkapitalbezogene Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />

nicht mehr abnehmen, als aktuell‚ aus ihnen heraus erwirtschaftet wird. Hier ist<br />

Marken- und Kunden-Management gefragt, nicht zu verkaufen, sondern gleichzeitig<br />

die Zukunft des Unternehmens zu stärken, also Wert zu schaffen. Kampagnen, die<br />

gerade mal einen kurzfristig positiven Cashflow erzeugen, aber gleichzeitig die<br />

Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass ein Großteil der Kunden weiterhin Kunde<br />

bleibt, führen zu einem Wertverlust.<br />

πi + Δ CE i<br />

ROC = ______________<br />

CE i-1<br />

π i = Cashflow der Kunden im betrachteten Zeitraum i<br />

Δ CE = Zuwachs/Verlust von Customer-Equity im Zeitraum i<br />

CE i-1 = Customer-Equity zu Beginn des Zeitraums i<br />

Abb. 1: Berechnung des Return-on-Customer (ROC)<br />

Peppers und Rogers illustrieren dies am Beispiel einer Unternehmung, deren<br />

Responseraten im Direktmarketing (6 Mailings pro Jahr) von ursprünglich ein<br />

Prozent jeweils 0,05 Prozentpunkte jährlich zurückgehen. Das klingt nicht wirklich<br />

tragisch, Direktmarketingleute leben seit Jahren mit solchen Phänomenen. Doch<br />

diese „schleichende Erosion“ lässt das Kundenkapital erschreckend abschmelzen.<br />

Die Auswirkungen auf den ROC sind verheerend:<br />

Jahr 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr<br />

Responserate 1,00 % 0,95 % 0,90 % 0,85 %<br />

ROC + 20 % - 10 % - 20 % - 40 %<br />

Abb. 2: Entwicklung des Return-on-Customer (ROC) bei abnehmenden Responseraten<br />

Während eine gleichbleibende Zufriedenheit und Responserate von ein Prozent in<br />

diesem Beispiel kontinuierlich einen Return-on-Customer von 20 Prozent generieren<br />

würde, erodiert die Kundenbasis mit abnehmender Zufriedenheit und entsprechend<br />

abnehmenden Responseraten auf nur noch etwas mehr als ein Viertel (-10% -20%<br />

-40% = -70%) des Ursprungs.<br />

Peppers und Rogers beschäftigen sich im Hauptteil von „Return-on-Customer“ damit,<br />

wie man erfolgreich das Kundenkapital erhöht. So liegt die Basis kundenorientierter<br />

Strategien in der Segmentierung der Kunden nach Werthaltigkeit und Potenzial<br />

sowie der Berücksichtigung von Lebenszyklusphasen. Es ist empfehlenswert,<br />

sich besonders dem Segment mit dem größten Wachstumspotenzial zu widmen,<br />

Up- und Cross-Selling zu aktivieren und die Gewinnung von Neukunden durch<br />

Empfehlungen zu stimulieren.<br />

587<br />

Schleichende<br />

Erosion der<br />

Responseraten<br />

lässt das<br />

Kundenkapital<br />

abschmelzen<br />

Segmentierung<br />

der Kunden nach<br />

Werthaltigkeit<br />

und Potenzial


Geschäftsmodell<br />

beruht auf<br />

kostenpflichtigen<br />

Premium-<br />

Funktionen<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Kundenkapital und Return-on-Customer von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />

XING, ehemals openBC, ist eine Plattform, auf der Ende Dezember 2006 1,7<br />

Millionen Business-orientierte Menschen ihre Profildaten aktiv hinterlegt haben<br />

und über „Social Software“ Verknüpfungen zu anderen Mitgliedern dieser Plattform<br />

erstellt und optisch ersichtlich gemacht werden. Das Geschäftsmodell beruht auf<br />

attraktiven Premium-Funktionalitäten mit Such-, Verknüpfungs- und Kommunikationsmöglichkeiten,<br />

die gegenüber der kostenfreien Basisversion mit 5,95 Euro pro<br />

Monat bepreist werden.<br />

Die 5,2 Millionen Aktien mit einem Nennwert von 1 Euro wurden im Dezember<br />

2006 erfolgreich mit einer Erstnotierung von 30 Euro an der Börse eingeführt.<br />

Das entspricht einem Wert von über 150 Millionen Euro, der in den ersten sechs<br />

Monaten bei +/- 2 Euro pro Aktie stabil blieb.<br />

Im Februar 2007 waren circa 1,19 Millionen Unique-Visitors online und haben<br />

ungefähr 99 Millionen Seiten abgerufen (Page-Impressions). Circa sechzig Prozent<br />

der Basis-Mitglieder und 89 Prozent der Premium-Mitglieder sind pro Monat auf<br />

der Plattform eingeloggt. Ungefähr 13 Prozent (221.000) aller Mitglieder sind<br />

Premium-Mitglieder (Stand: 31. Dezember 2006).<br />

Die Jahresbilanz 2006 weist einen Umsatz von sechs Millionen Euro aus, ohne die<br />

Kosten für den Börsengang war ein operativer Gewinn vor Zinsen, Steuern und<br />

Abschreibungen (EBITDA) von 1,4 Millionen angefallen. Die EBITDA-Marge<br />

soll auf 30 bis 35 Prozent in 2007 steigen [5].<br />

Dank Publizitätsgesetz haben wir detaillierte Daten zur Beurteilung der<br />

Werthaltigkeit des Social-Networks XING vorliegen und können so die 150<br />

Millionen Euro „challengen“. Zunächst wären da die Faktoren A bis D, nach denen<br />

wir die potenzielle Heizölhandelsakquisition beurteilt haben. Klare Pluspunkte auf<br />

der ganzen Linie:<br />

588<br />

A. Absoluter Marktführer, LinkedIn & Co. in Deutschland<br />

klar abgeschlagen.<br />

B. Relevante Zahl der potenziellen Zielgruppe erfasst.<br />

C. Kundenbindung eher groß.<br />

D. Ausstiegsbarrieren eher klein (lediglich Gefahr des Ausstiegs<br />

aus Premium-Angebot).<br />

Da es sich um einen IPO (Initial-Public-Offering) und nicht um eine Akquisition<br />

handelt, sind die Fragen E bis H für die Bewertung hier nicht relevant. Bleibt die<br />

Berechnung des kundenbezogenen Umsatz- und Margenvolumens. Der maximale<br />

Umsatz ergibt sich aus einer einfachen Multiplikation der Premium-Kunden mit<br />

der Jahresgebühr (12 x 5,95 Euro).


Harald Eichsteller: Kundenkapitalbezogene Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />

Kunden Anteil Premium-Kd. max. Umsatz tats. Umsatz EBITDA in %<br />

1.700.000 13% 221.000 15.779.400 € 6.000.000 € 1.400.000 € 23%<br />

Abb. 3: Key Performance Indicator (KPI) von XING in 2006<br />

Setzen wir nun die prospektiven Daten rein hypothetisch in einer Modellrechnung auf<br />

3,5 Millionen aktive Kunden mit einem Premium-Anteil von 20 Prozent und gehen<br />

von der avisierten Marge von 35 Prozent aus, ergeben sich die folgenden Zahlen:<br />

Kunden Anteil Premium-Kd. max. Umsatz tats. Umsatz EBITDA in %<br />

3.500.000 20% 700.000 49.980.000 € 49.980.000 € 17.493.000 € 35%<br />

Abb. 4: Key Performance Indicator (KPI) von XING hypothetisch<br />

Um von einem Jahres-EBITDA von circa 17,5 Mio Euro auf den Wert von 150<br />

Millionen Euro zu kommen, wird hier ein Multiplikator von 8,6 angesetzt. In diesem<br />

sogenannten EBITDA-Multiple sind zukünftige Gewinnerwartungen einerseits sowie<br />

Risikoeinschätzungen und Diskontierungssätze andererseits mit einbezogen. Bei der<br />

im Sommer 2007 durchgeführten Übernahme der skandinavischen Mediengruppe<br />

SBS durch die ProSiebenSat.1 Media AG kamen EBITDA-Multiples von 12 bis<br />

14 zum Ansatz, was bei der kontrovers diskutierten Zukunft des werbefinanzierten<br />

Fernsehens als sehr ambitioniert betrachtet werden kann.<br />

Zurück zu XING: es sind offensichtlich noch viele wichtige Fragen unbeantwortet,<br />

die hilfreich sein können, um auf Basis der in Abbildung 4 skizzierten KPI den<br />

Wert von XING zu beurteilen:<br />

I. Wie groß ist das gesamte Zielgruppen-Potenzial?<br />

J. Kann das Angebot auf weitere Zielgruppen übertragen werden?<br />

K. Kann das Angebot auf weitere Länder übertragen werden?<br />

L. Wie groß ist der Unterschied zwischen EBITDA und EBIT?<br />

M. Wie groß ist die Churn-Rate: Wie viele Premium-Kunden kündigen?<br />

N. Welche Business-Modelle lassen sich zusätzlich andocken?<br />

O. Welche Strategischen Allianzen können Netz- und<br />

Margeneffekte verstärken?<br />

P. Welche EXIT-Szenarien sind möglich?<br />

Q. Ist ein Verkauf an die „üblichen Verdächtigen“ für diese attraktiv?<br />

(Google, eBay, Microsoft, News Corporation, Holtzbrinck, Private<br />

Equity Companies)<br />

Und zu guter Letzt bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit und langfristigen<br />

Sicherung des eingesetzten Kapitals. Der erste Aspekt kann mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

positiv bewertet werden – trotz niedriger Eintrittsbarrieren bei digitalen<br />

Konzepten werden es weitere Plattformen wie StayFriends oder LinkedIn schwer<br />

haben, sich in Deutschland erfolgreich und schnell zu etablieren. Mittelfristig bleibt<br />

589<br />

Wie groß ist<br />

die Churn<br />

Rate: Wie viele<br />

Premium-Kunden<br />

kündigen?


Auf einem<br />

Portal massiv<br />

Werbung zu<br />

schalten, könnte<br />

die Community<br />

verschrecken<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

nur die Frage, wie es StudiVZ, einem im jüngeren Zielsegment positionierten<br />

Social-Network, gelingt, den Übergang von der Studierenden-Plattform in die<br />

Business-Welt zu gestalten.<br />

StudiVZ ist eine Plattform, auf der Studierende die Möglichkeit haben, ihren<br />

Freundeskreis online abzubilden, sich mit Kommilitonen zu vernetzen und<br />

neue Kontakte zu knüpfen. Gemeinsam besuchte Vorlesungen, Interessen<br />

und Themengruppen werden verlinkt. Persönliche Profile, Fotoalben und<br />

Diskussionsgruppen zählen zu den Grundfunktionen.<br />

Die 1,8 Millionen Mitglieder sind zu 97 Prozent zwischen 18 und 29 Jahren alt<br />

und rufen monatlich über 1,8 Milliarden Seiten ab (Page Impressions). 51 Prozent<br />

sind täglich, 84 Prozent wöchentlich und 93 Prozent mindestens einmal im Monat<br />

eingeloggt. Es sind 1500 Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen vertreten,<br />

besonders BWL/VWL/Jura (20% + 6%), angehende Ingenieure und Informatiker<br />

(13% + 5%) sowie Pädagogen (7%).<br />

Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck hat die Plattform, die im März 2006 noch<br />

3000 Mitglieder zählte, für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag gekauft, die<br />

Angaben schwanken zwischen 50 und 85 Millionen Euro. Vermarktet wird die Site<br />

nun über GWP media-marketing der Verlagsgruppe Handelsblatt.<br />

Die Financial Times Deutschland (FTD) schreibt am 3. Januar 2007: „Bei Holtzbrinck<br />

selbst wird der Preis für das Verluste schreibende Unternehmen als durchaus<br />

hoch bewertet.“ „Die größte Frage wird sein, wie das zu monetarisieren ist, da<br />

haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns“, sagte ein Beteiligter. Auf dem Portal<br />

massiv Werbung zu schalten, könnte die Studenten-Community verschrecken. „Das<br />

wird man sicher sehr vorsichtig machen müssen“, hieß es. „Für die Nutzer soll das<br />

Angebot des Portals weiter kostenlos sein.“ [6]<br />

Es wird deutlich, dass unser Kriterienkatalog A bis D zwar auch durchaus sehr<br />

positive Antworten generiert, aber keinerlei monetarisierbare kundenbezogene<br />

Ansätze bietet. Das Vorbild Facebook mit über 20 Millionen Nutzern soll laut<br />

FTD im Jahr 2006 ca. 50 Mio. Dollar Umsatz mit Onlinewerbung und dem<br />

Verkauf virtueller Symbole erzielt haben. Die Gründer und Betreiber von<br />

Facebook setzen sich mit eigenen Wertansätzen immer wieder geschickt in Szene.<br />

Nach Brancheninformationen haben 2006 Angebote von Viacom und Yahoo<br />

über mindestens 750 Mio Dollar vorgelegen. Peter Thiel, Großaktionär und<br />

Aufsichtsratsmitglied sagte der „Financial Times“ Mitte Juli 2007, dass Facebook<br />

aktuell 2 bis 3 Mrd. Dollar bekommen könne, aber man an 8 bis 10 Milliarden Dollar<br />

Wert glaube. In einem Blog der Zeitschrift „Business 2.0 Magazine“ in den USA<br />

stand letztes Jahr der von Facebook schon damals in Umlauf gebrachte Wertansatz<br />

von 2 Milliarden Dollar heftig in der Diskussion; ein Blogger rechnete vor, dass<br />

jeder College-Student also 285 Dollar wert sein müßte. [6]<br />

Klassischen Verlagshäusern ist diese Art von Rechnung vertraut. Die Betrachtung<br />

fokussiert sich dabei allerdings nicht auf den kundenbezogenen Wert, sondern die<br />

kundenbezogenen Akquisitionskosten. Der FTD beispielsweise ist es 200 Euro<br />

wert, einen neuen Abonnenten zu gewinnen (Stand Mai 2007). Rechnet man die<br />

Akquisitionskosten für StudiVZ als Akquisitionskosten für die zahlreichen Produkte<br />

590


Harald Eichsteller: Kundenkapitalbezogene Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />

der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck um, errechnet sich ein Wert von circa<br />

50 Euro. Frage E „Verschafft mir die Akquisition Zugang zu einem Markt, den ich<br />

bisher nicht hatte?“ und Frage F „Erhöht sich die Effizienz meiner Kommunikationsmaßnahmen?“<br />

treffen hier offensichtlich eher den Kern der Strategie bei von<br />

Holtzbrinck Networks. Laut FTD „erhofft sich der Konzern beizeiten Synergien mit<br />

dem Studienführer der zum Verlag gehörenden Wochenzeitung „Zeit“, die darüber<br />

hinaus das Magazin „Zeit Campus“ mit dazugehörigem Online-Portal an den Start<br />

gebracht hat“ [6]. Werbefinanzierten Portalen bleibt also definitiv der gleiche Weg<br />

wie allen medialen Werbeträgern – Erhöhung der Tausender-Kontakte, Etablierung<br />

einer hohen Kontaktqualität, Realisierung hoher Tausender-Kontakt-Preise. Mit dem<br />

Betrieb von lokalen Portalen in Frankreich, Spanien, Italien und Polen ist StudiVZ<br />

auf einem guten Weg zur weiteren Expansion. Mit einem Spin-Off für Schüler<br />

erschließt man die noch jüngeren Zielgruppen, die sich in ihren Peer Groups per<br />

SMS und Messenger verständigen. Bleibt die am Ende des letzten Kapitels gestellte<br />

Frage, wie es gelingt, den Übergang von der Studierenden-Plattform in die Welt<br />

der Werktätigen zu gestalten.<br />

Social Commerce ist ein erst in diesem Jahr an der Oberfläche sichtbar gewordenes<br />

Feld, das zusätzliche Perspektiven eröffnen könnte. Das auf Revenue-Sharing<br />

aufgebaute Business-Modell, was in Affiliate-Programmen erfolgreich zum<br />

Einsatz kommt, setzt darauf, dass die aktiven Meinungsführer in Communities ihre<br />

Empfehlungsmacht auch für Produkte und Dienstleistungen einsetzen. Dieser relativ<br />

kleine, auf 5 Prozent geschätzte Teil der Community Members, die bereits 1997<br />

von Hagel/Armstrong skizziert wurden [7], stellen in ihrem Bereich/Profil Produkte<br />

und Dienstleistungen dar und schaffen einen Direktzugang zu Commerce-Seiten.<br />

Für Unternehmen und Plattformbetreiber bedeutet dies, diese Meinungsführer als<br />

eigene Zielgruppe zu erfassen und es dieser besonders einfach zu machen, attraktive<br />

Links zu Produkten und Dienstleistungen in ihren Bereich/Profil zu integrieren.<br />

Dealjaeger.de beispielsweise ist eine Social-Commerce-Plattform, die dieses<br />

Business Modell betreibt und sich den Revenue-Share der Commerce-Betreiber<br />

mit den aktiven Usern teilt. Dieser Mechanismus könnte nach Einschätzung von<br />

Experten durchaus eine wertvolle Erweiterung der Business-Modelle der skizzierten<br />

Social-Network-Plattformen werden.<br />

Der Zugang zu technischem Knowhow und hochperformanter Informationstechnologie<br />

bei <strong>Web</strong> 2.0-Portalen und anderen digitalen Konzepten ist ein wichtiger<br />

Aspekt, der durch die Kundenfokussierung der dargestellten Wertansätze noch<br />

nicht betrachtet wurde. Die Gründergeneration von <strong>Web</strong> 1.0 hat immer noch die<br />

Nase vorn, wenn es gilt, den Nerv von interessanten Zielgruppen mit innovativen<br />

Angeboten und einem „Added Value“ zu treffen.[8]<br />

Die Applikationen sind durchweg web-basiert, schlank und skalierbar auf dem<br />

neuesten Stand der Technologie ohne Rücksichten auf bestehende IT-Infrastrukturen<br />

aufgebaut. Das gelingt in traditionellen Unternehmen nicht immer<br />

und so entsteht leicht ein zeitlich technologischer Gap von einem Jahr und mehr.<br />

Die Schlussfolgerung: „Nachbauen“ geht nicht so einfach, den „First-Mover-<br />

Advantage“ aufholen oftmals auch nicht. Strategische Alternativen sind somit<br />

lediglich: „Aufgeben“ oder „Kaufen“!<br />

591<br />

Zeitungen ist<br />

es bis zu 200<br />

Euro wert,<br />

einen neuen<br />

Abonnenten zu<br />

gewinnen<br />

First-Mover-<br />

Advantage durch<br />

Nachbauen<br />

aufzuholen ist<br />

schwer


T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Diese Erkenntnis hat viele etablierte Unternehmen dazu bewegt, Gründerfirmen<br />

mit Eigenkapital auszustatten und somit einen alternativen Zugang zu innovativen<br />

Ansätzen und Technologien zu haben. Eine sehr stark vereinfachte Rechnung zeigt<br />

allerdings, dass auch hier das Investment erheblich sein kann: Ein <strong>Web</strong>-Arbeiter<br />

mit 75.000 Euro pro Jahr „all inclusive“ ausgestattet „verbrennt“ in einem Jahr<br />

mit 39 Kollegen ein Jahresbudget von 3 Millionen Euro – ein schlagkräftiges, gut<br />

überschaubares und hochmotiviert führbares Unternehmens-Setup. Berücksichtigt<br />

man zwei Jahre Entwicklungszeit und eine Erfolgsquote von 20 Prozent, errechnen<br />

sich 30 Millionen Euro. Zugegebenermaßen ist das einfach und konservativ<br />

gerechnet; jeder Fondsmanager von Private Equity und Venture Capital wird deshalb<br />

bestrebt sein, die Entwicklungszeit zu verkürzen und Erfolgsaussichten durch eine<br />

qualifizierte Vorauswahl der Investments zu erhöhen.<br />

Virtuelle Welten produzieren seit Second Life Schlagzeilen in Boulevard- und<br />

Fachpresse. Die Ankündigungen von Sony@home sowie Endemol mit Electronic<br />

Arts, weitere Welten zu kreieren, die sich grafisch zweifelsohne in einer anderen<br />

Qualitäts- und Performanzebene bewegen werden, müssten bei Linden Labs<br />

die Alarmglocken läuten lassen. Second Life hat es nicht geschafft, schnell und<br />

nachhaltig genug die Zielgruppe zu binden.<br />

So sind die Investitionen der werbetreibenden Wirtschaft in ihre jeweilige virtuelle<br />

Selbstdarstellung auf Second Life nicht als Commitment für die Plattform, sondern<br />

für das Genre zu sehen. Virtuelle Showrooms und Ingame-Advertising sind<br />

Werbeformen der Zukunft, für die sich die Unternehmen von American Apparel<br />

bis Adidas, von Reuters bis Springer, von IBM bis Vodafone rüsten.<br />

Abschließend kann man sagen, dass für die Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen nicht<br />

mehr oder weniger strukturiertes Vorgehen gefragt ist als bei der Bewertung von Old<br />

und Very Old Economy Geschäften. Das Risiko kann nur dann besser eingeschätzt<br />

werden, wenn man enger und näher an Zielgruppen und Technologie ranrückt,<br />

um potenzielle Erfolgsaussichten einschätzen zu können. Kundenkapitalbezogene<br />

Ansätze sind auf jeden Fall hilfreich, fantasievolle und zugleich realistische<br />

Einschätzungen zukünftiger Erträge zu erhalten.<br />

Literatur<br />

[1] Marta Rogers, Don Peppers: Return-on-Customer: Creating Maximum Value from<br />

Your Scarcest Resource. – 304 Seiten, ISBN 9780385510301, Cyan Books, 2005.<br />

[2] Harald Eichsteller, Michael Lorenz, Stephan Wecke: Fit für die Geschäftsführung.<br />

– Aufgaben und Verantwortung souverän meistern. – 256 Seiten, ISBN 9783593376622,<br />

Campus, 2005.<br />

[3]) Brand Equity Review, Göttgens, Bauer, BBDO 2001. http://www.bbdo.de/de/home/<br />

studien.download.Par.0008.Link1Download.File1Title.pdf<br />

[4] http://www.interbrand.ch/d/presse/presse_d.asp?anc=bestglobalbrands06<br />

[5] http://corporate.xing.com/<br />

[6] Financial Times Deutschland unter www.ftd.de; diverse Abrufe Mai-Juli 2007.<br />

[7] John Hagel, Arthur G. Armstrong: Net Gain: Profit im Netz. – 344 Seiten, ISBN<br />

9783636013941, Redline Wirtschaftsverlag, 2006.<br />

[8] Die 50 interessantesten Gründer, Wirtschaftswoche, 3. April 2007.<br />

592


Klickbetrug und<br />

Affiliate-Hopping<br />

Christian Bennefeld<br />

Müssen sich Privatkunden mit kriminellen Auswüchsen wie Phishing, URL-<br />

Spoofing und Dialern herumschlagen, so werden Internetunternehmen von Klickbetrug<br />

und Affiliate-Hopping heimgesucht. Diese beiden Ausprägungen illegaler<br />

<strong>Web</strong>-Aktivitäten richten genau da Unheil an, wo es viele Unternehmen besonders<br />

schmerzt: im Online-Marketing. Denn so effizient die unterschiedlichen Instrumente<br />

der virtuellen Absatzförderung auch sind, betrügerische Geldmacherei ist auch<br />

hier längst keine Seltenheit mehr – und dabei geht es häufig um beträchtliche<br />

Summen.<br />

Entsprechend häuft sich auch die Zahl der Werbetreibenden, die gegen ihre<br />

Marketingpartner vor Gericht ziehen. Ein prominentes Beispiel: Im Rahmen einer<br />

Sammelklage gegen Google wurde im Juli 2006 ein Vergleich geschlossen, der<br />

den Internetkonzern zur Zahlung von 90 Millionen US-Dollar an seine Kunden<br />

verpflichtete. Diese beträchtliche Summe resultiert ausschließlich aus Schäden, die<br />

auf Klickbetrug zurückzuführen sind. Auf Kundenseite ist man sich einig, dass<br />

Suchmaschinenbetreiber und Affiliate-Plattformen weitreichendere Maßnahmen<br />

ergreifen müssen, um sich und ihre Werbepartner vor der kriminellen Energie von<br />

Internetbetrügern zu schützen. Doch wie lässt sich Betrug im Internet systematisch<br />

aufdecken? Ist es vielleicht sogar möglich, kriminelle Handlungen zu verhindern?<br />

Mit welchen Mitteln können die tatsächlichen Betrüger identifiziert und darüber<br />

hinaus auch haftbar gemacht werden?<br />

Um diesen Fragestellungen auf den Grund zu gehen, werden im Folgenden drei<br />

wesentliche Formen von Betrügereien im E-Business unterschieden: Klickbetrug<br />

im Keyword-Advertising und bei Google-AdSense sowie betrügerische Machenschaften<br />

im Affiliate-Marketing. Dieser Artikel liefert Informationen zu den<br />

technischen Hintergründen und bietet wertvolle Hinweise, wie sich illegale<br />

Machenschaften erkennen und sogar vermeiden lassen.<br />

Betrug im CPC-Geschäft<br />

Ein Großteil der Klickbetrügereien spielt sich rund um die Marketingmaßnahmen ab,<br />

bei denen pro Klick abgerechnet wird. Diese spezielle Form der Online-Werbung,<br />

das Cost-per-Click- oder kurz CPC-Modell, kommt sowohl im klassischen<br />

Keyword-Advertising als auch beispielsweise bei Google-AdSense zum Einsatz.<br />

593<br />

Was für Privatkunden<br />

Phishing<br />

ist, sind für<br />

Unternehmen<br />

Klickbetrug und<br />

Affiliate-Hopping


Mitbewerber<br />

klickt mehrfach<br />

auf Sponsored<br />

Links seines<br />

Konkurrenten<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Klickbetrug im Keyword-Advertising<br />

Die simpelste Variante des Klickbetrugs im Keyword-Advertising zielt auf die<br />

finanzielle Schädigung der Konkurrenz ab. Dazu klickt ein Mitbewerber meist<br />

manuell mehrfach auf den Sponsored-Link seines Konkurrenten – dieser muss<br />

deshalb letztlich auch für Klicks zahlen, die nicht von seiner Zielgruppe stammen.<br />

Regelrecht professionell wird der Klickbetrug, wenn sogenannte Robots oder<br />

Click-Bots zum Einsatz kommen. Bei ihnen handelt es sich um Software-Tools,<br />

die automatisch und mit hoher Frequenz auf Sponsored Links und Werbeanzeigen<br />

klicken. Automatisiertes Klicken ist für Betrüger insbesondere dann ein probates<br />

Mittel, wenn die Werbeanzeige, die ein Mitbewerber geschaltet hat, komplett<br />

aus der Liste der Sponsored Links verschwinden soll. Die Robots klicken hierzu<br />

einfach so lange auf einen gut gelisteten Link, bis dessen festgelegtes Tagesbudget<br />

ausgeschöpft ist. Häufig wird so das CPC-Budget durch die Robots bereits in den<br />

frühen Morgenstunden aufgebraucht. Die Folge: Die Anzeige des Mitbewerbers<br />

erscheint an diesem Tag gar nicht mehr. Inzwischen bieten sogar organisierte Banden<br />

ihre Dienste an, wenn es darum geht, die Konkurrenz entweder durch manuelles<br />

oder durch automatisiertes Klicken auf die Sponsored Links zu schädigen.<br />

Beispiel: Ein namhafter Anbieter von Krankenversicherungen wird bei einer<br />

Suchmaschine in den Sponsored Links an erster Stelle gelistet, sobald ein Internetnutzer<br />

die Suchbegriffe „Krankenversicherung Vergleich“ eingibt. Er zahlt dafür<br />

den Betrag von 7,50 Euro pro Klick; das Tagesbudget ist auf 11.250 Euro, also<br />

exakt 1.500 Klicks festgelegt. Nun beauftragt ein Konkurrenzunternehmen einen<br />

Klickbetrüger mit dem Wegklicken des Mitbewerbers. Mit einer speziell zu<br />

diesem Zweck entwickelten Robot-Software ist es für den Betrüger ein Leichtes,<br />

in kürzester Zeit 1.500 Klicks zu tätigen. Er beginnt damit kurz nach Mitternacht,<br />

und am folgenden Morgen ist der Krankenversicherungsanbieter aus der<br />

Liste der Sponsored Links verschwunden. Dem Werbetreibenden ist dabei ein<br />

doppelter Schaden entstanden: Zum einen hat er mehrere tausend Euro in eine<br />

Marketingmaßnahme investiert, die absolut keinen Nutzen erzielt, zum anderen<br />

entgehen ihm für den entsprechenden Tag Neukundengewinne, Interessenten geraten<br />

an die Konkurrenz.<br />

Klickbetrug bei Google-AdSense<br />

Die Motivation zum Klickbetrug bei Google-AdSense liegt weniger in der<br />

Schädigung der Konkurrenz als darin, dass ein <strong>Web</strong>sitebetreiber, der Google-<br />

AdSense auf seiner <strong>Web</strong>site schaltet, durch zahlreiche Klicks mehr Geld verdienen<br />

kann. Deshalb geht ein Großteil der Betrügereien bei Google-AdSense auf das Konto<br />

von Werbepartnern, die – manuell oder automatisiert – auf die Links der bei ihnen<br />

gelisteten Unternehmen klicken. Die Zahl der Betrüger, die scheinbar thematisch<br />

relevante <strong>Web</strong>sites erstellen, nimmt inzwischen beträchtliche Ausmaße an.<br />

Beispiel: Ein Online-Händler von Trekking-Ausrüstungen definiert in Google-<br />

AdWords unter anderem die Keywords „Zelten“, „Camping“ und „Trekking“ für<br />

seine Werbeanzeigen. Gleichzeitig aktiviert er Google-AdSense für die zusätzliche<br />

Werbeeinblendung auf themenspezifischen <strong>Web</strong>sites. Dadurch erscheint der Link<br />

zu seinem Online-Shop jetzt automatisch beispielsweise auch auf Special-Interest-<br />

594


Portalen zum Thema Trekking und auf <strong>Web</strong>sites von Individualreiseanbietern. Eine<br />

der Special-Interest-Seiten, ein Forum zum Thema „Camping in Skandinavien“,<br />

ist ausschließlich erstellt worden, um als Werbeplattform Gewinne zu erzielen.<br />

Der Betreiber des Campingforums begnügt sich jedoch nicht mit den regulären<br />

Einnahmen, die er durch die Klicks seiner <strong>Web</strong>sitebesucher auf die Links des<br />

Trekkingausrüsters erzielt. Er steigert seine Erträge dadurch, dass er mehrfach<br />

am Tag selbst auf die entsprechenden Links klickt, intelligente Robots zur Klickgenerierung<br />

einsetzt oder professionelle Klickbetrüger beauftragt. Hier entstehen<br />

für den Werbenden je nach Höhe des Klickpreises ebenfalls erhebliche finanzielle<br />

Schäden – ganz abgesehen davon, dass vielleicht seine gesamte Online-Marketing-<br />

Kampagne ohne Wirkung verpufft.<br />

Betrug im Affiliate-Marketing<br />

Christian Bennefeld: Klickbetrug und Affiliate-Hopping<br />

Neben den professionellen Klickbetrügern, die sich durch die Manipulation von Costper-Click-Programmen<br />

bei Google, Yahoo und Co. bereits bis zu dreißig Prozent<br />

der eingesetzten Budgets unter den Nagel reißen, erschleichen sich sogenannte<br />

Affiliate-Hopper mit unlauteren Mitteln Provisionen und Gewinnbeteiligungen.<br />

Im Affiliate-Marketing wird nur selten über Einzelklicks auf Banner oder Links<br />

betrogen, da CPC-Modelle hier keine große Verbreitung haben. Die geringen<br />

Klickpreise bieten – anders als im Keyword-Advertising – keinen großen Anreiz<br />

für Betrüger. In den meisten Fällen erschleichen sich sogenannte Affiliate-Hopper<br />

unrechtmäßig Provisionen, indem sie für denselben Merchant auf mehreren Affiliate-<br />

Plattformen als Publisher registriert sind. So ist es möglich, dass dem Publisher ein<br />

und derselbe Einkauf beim selben Merchant durch die unterschiedlichen Plattformen<br />

mehrfach vergütet wird. Da die einzelnen Affiliate-Plattformen autark arbeiten<br />

und einen Cookie einer anderen Plattform nicht auslesen können, ist es technisch<br />

für die Plattformbetreiber nicht möglich, diesen Betrug festzustellen. Diese<br />

Betrugsvariante funktioniert immer dann, wenn Merchants ihr Partnerprogramm<br />

auf mehreren Affiliate-Plattformen betreiben und auf ihnen dieselben Affiliate-<br />

Partner teilnehmen.<br />

Die technische Umsetzung von Affiliate-Hopping ist simpel: Schaltet ein Merchant<br />

im Rahmen seiner Kampagne Werbemittel auf verschiedenen Affiliate-Plattformen,<br />

veröffentlicht der Publisher diese zwar auf seiner <strong>Web</strong>site, er verlinkt sie jedoch so<br />

geschickt, dass der Besucher Cookies von jeder der Affiliate-Plattformen gesetzt<br />

bekommt – auch wenn er nur auf ein einziges Werbemittel klickt. So geht bei<br />

Abschluss einer Transaktion dieses Besuchers jeweils eine Rückmeldung an die<br />

einzelnen Affiliate-Plattformen, auf denen der Merchant sein Programm betreibt,<br />

obwohl es nur einen Kaufabschluss gab. Resultat: Der Betrüger kassiert die<br />

Provision für eine einzelne Transaktion gleich mehrfach.<br />

Beispiel: Ein Modehaus möchte die Besucherzahl und damit gleichzeitig die<br />

Verkaufsrate in seinem Online-Shop erhöhen. Dazu betreibt es sowohl bei affilinet<br />

und TradeDoubler als auch bei zanox ein Affiliate-Programm. Nun erstellt ein<br />

<strong>Web</strong>master ein <strong>Web</strong>portal zum Thema „Mode und Lifestyle“ und meldet sich bei<br />

den drei Plattformen als Publisher für das Modehaus an. Er schaltet das aktuelle<br />

595<br />

Wenn Partnerprogramme<br />

auf mehreren<br />

Affiliate-<br />

Plattformen<br />

gleichzeitig<br />

betrieben werden


Kein Rückkanal<br />

zwischen<br />

Warenwirtschaft<br />

und Affiliate-<br />

Plattform wichtig<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Werbemittel des Modehauses jedoch nur einmal und verknüpft dieses so geschickt<br />

mit den einzelnen Programmen der Plattformen, dass ein Werbemittelklick bei<br />

allen drei Plattformen registriert wird. Deshalb wird nicht nur ein Cookie gesetzt,<br />

wenn ein Besucher seiner <strong>Web</strong>site über das Werbemittel in den Online-Shop des<br />

Modehändlers gelangt, sondern gleich drei. Bestellt der Kunde jetzt ein Produkt,<br />

so wird bei Bestellung ebenfalls für jede der drei Plattformen je ein unsichtbares<br />

Pixel geladen. Die Folge: Jede Plattform registriert die Bestellung und ordnet den<br />

Verkauf dem betrügerischen Publisher zu. Der Betrüger streicht so für nur eine<br />

Bestellung die vereinbarte Gewinnbeteiligung dreifach ein.<br />

Doch damit nicht genug: Um seine unrechtmäßigen Erträge weiter zu erhöhen,<br />

macht sich der Affiliate-Betrüger den fehlenden Rückkanal zwischen Warenwirtschaft<br />

und Affiliate-Plattform zu Nutze. Hierzu bestellt er zunächst sehr<br />

kostspielige Produkte selbst, beispielsweise teure Herrenanzüge und Abendkleider.<br />

Diese Bestellungen storniert er jedoch umgehend. In Ermangelung einer<br />

Schnittstelle zwischen der Warenwirtschaft, in der die Stornierungen verwaltet<br />

werden, und den Affiliate-Plattformen, die den Verkauf registriert haben, ist keine<br />

Transparenz darüber gegeben, ob eine Bestellung widerrufen wurde. So kann das<br />

Modehaus im Affiliate-System nicht detailliert erkennen, welche Waren tatsächlich<br />

gekauft und welche Bestellungen storniert wurden. Der Affiliate-Betrüger nutzt<br />

diesen blinden Fleck und streicht lukrative Provisionen für Verkäufe ein, die<br />

faktisch nicht zu Stande gekommen sind. Weil ein Rückkanal zur Stornomeldung<br />

an die Affiliate-Plattform nicht vorhanden ist, nimmt das Modehaus jeden Monat<br />

eine pauschale Provisionsbereinigung vor, die sich an der aktuellen Stornoquote<br />

bemisst. Die Abzüge, die durch diese Provisionsbereinigung entstehen, sind für den<br />

Affiliate-Hopper jedoch praktisch irrelevant, denn er fährt nach wie vor enorme<br />

Provisionssummen ein – und das bei geringstem Aufwand.<br />

E-Business-Betrüger: Eine anonyme Masse<br />

Betrüger, die sich in der Unterwelt des Online-Marketings besonders wohlfühlen,<br />

zeichnen sich durch ein ganz spezielles Merkmal aus: Sie verstehen es, sich<br />

weitestgehend unerkannt im Internet zu bewegen. Dabei wächst die geschätzte<br />

Dunkelziffer über Häufigkeit und Ausmaß von E-Business-Betrügereien von Jahr<br />

zu Jahr dramatisch.<br />

Wie E-Business-Betrüger ihre Spuren verwischen<br />

Egal ob Klickbetrug oder Affiliate-Hopping, die wenigsten Internetgauner gehen so<br />

ungeschickt ans Werk, dass sie über ihre IP-Adresse oder Cookies ausfindig gemacht<br />

werden können. Hinter dieser kleinen Gruppe von Amateur-Betrügern verbergen<br />

sich in den meisten Fällen vermutlich Unternehmer, die durch manuelle Klicks auf<br />

Sponsored-Links oder Werbebanner ihrem Konkurrenten auf die Schnelle Schaden<br />

zufügen wollen. Der Großteil der professionellen Klickbetrüger bedient sich jedoch<br />

wesentlich ausgereifterer Methoden.<br />

Inzwischen ist es selbst für Laien kein Problem mehr, sich im Internet völlig anonym<br />

zu bewegen. Viele Maßnahmen schützen jedoch nicht nur die Privatsphäre von<br />

596


aufrichtigen Nutzern, sie ermöglichen es auch Online-Betrügern, nahezu unentdeckt<br />

zu bleiben. Üblicherweise kann spätestens durch einen richterlichen Beschluss über<br />

die IP-Adresse, die an jeden Internetnutzer vergeben wird, festgestellt werden,<br />

wer sich hinter dem Besucher einer <strong>Web</strong>site verbirgt. Das lässt sich jedoch leicht<br />

umgehen: Durch sogenannte Proxies ist es so gut wie unmöglich, einen Nutzer zu<br />

identifizieren. Proxy heißt „Stellvertreter“ und bezeichnet einen Netzwerkserver, der<br />

anstelle eines Client-Rechners Netzwerkverbindungen aufbaut und so die Rolle des<br />

Internetnutzers übernimmt. Ähnlich einem Boten führt der Proxy die Anweisungen<br />

des Internetnutzers stellvertretend durch und verwendet dabei eine eigene IP-Adresse.<br />

Bei sogenannten offenen Proxies handelt es sich zumeist um Server, die fehlerhaft<br />

konfiguriert sind. Sie nehmen im Gegensatz zu regulär eingestellten Proxy-Servern<br />

jegliche externe Anfrage entgegen und reichen diese in ihrem Namen weiter. So wird<br />

die Identität der anfragenden Person nicht sichtbar. Letztlich kann jedermann einen<br />

offenen Proxy als virtuelle Zwischenstation verwenden. Auf diesem Weg bleiben<br />

Internetbetrüger, die auf einzelne Links klicken, in der Regel völlig unentdeckt. Und<br />

auch die vorgetäuschte Bestellung von Produkten eines Affiliate-Merchants bleibt<br />

so anonym. Erschwerend kommt hinzu, dass professionelle Betrüger ausländische<br />

Proxies nutzen oder direkt aus dem Ausland heraus agieren. Sie können also häufig<br />

selbst dann nicht rechtlich belangt werden, wenn ihre Identität aufgedeckt wurde.<br />

Häufigkeit von E-Business-Betrug<br />

Der Betrug über den Verbrauch des Tagesbudgets, also Klickbetrug im Keyword-<br />

Advertising, ist in Europa zurzeit noch nicht so stark verbreitet; in den USA ist er aber<br />

längst ein großes Thema. Klickbetrug über Google-AdSense bewegt sich inzwischen<br />

auch in Europa in manchen Branchen deutlich im zweistelligen Prozentbereich.<br />

Ebenso wächst die Zahl der Affiliate-Hopper. Bei großen Unternehmen, die ihre<br />

Online-Marketingaktionen über mehrere Affiliate-Plattformen laufen lassen,<br />

können in Deutschland schon jetzt bis zu zwanzig Prozent der Provisionen auf<br />

betrügerische Maßnahmen zurückgeführt werden.<br />

Anbieter von CPC-Abrechnungsmodellen wie Google, Yahoo! Search Marketing<br />

und Miva sehen im Gegensatz zu vielen Experten den Klickbetrug in Deutschland<br />

und Europa im zu vernachlässigenden Promillebereich. Diese Aussage wird durch<br />

eigene Messungen der Betreiber unterstrichen. Jedoch sind die CPC-Anbieter<br />

technisch gar nicht in der Lage, die wirkliche Größenordnung zu messen. Den<br />

Anbietern stehen in der Regel nur Daten über den Besucher zur Verfügung, die<br />

bei der Einblendung der Werbeanzeige und beim Klick erfasst wurden. Ob der<br />

Besucher jemals die <strong>Web</strong>site des Werbetreibenden erreicht und sich auf dieser wie<br />

ein regulärer Nutzer verhält, bleibt ihnen verschlossen.<br />

Maßnahmen gegen Betrug im E-Business<br />

Christian Bennefeld: Klickbetrug und Affiliate-Hopping<br />

Das wirksamste Mittel, um Betrügereien im Internethandel zu erkennen, ist ein<br />

durchgängiges Tracking des Besucherverhaltens durch ein <strong>Web</strong>-Controlling<br />

System. Kennt ein Online-Verantwortlicher das natürliche Verhalten auf seiner<br />

<strong>Web</strong>site, so kann er Abweichungen im Nutzerverhalten, die auf Klickbetrug<br />

597<br />

Klickbetrug<br />

im Keyword<br />

Advertising, ist<br />

in Europa zurzeit<br />

noch nicht stark<br />

verbreitet<br />

Grundsätzliche<br />

Maßnahmen<br />

gegen E-Business-Betrug


Tracking des<br />

Besucherverhaltens<br />

durch ein <strong>Web</strong>-<br />

Controlling<br />

System<br />

notwendig<br />

Bei nachgewiesenem<br />

Betrug<br />

werden<br />

Vergütungen<br />

nicht ausschüttet<br />

sondern dem<br />

Werbetreibenden<br />

automatisch<br />

rückerstattet<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

hinweisen, schnell erkennen. Um eine <strong>Web</strong>site und ihr natürliches Verhalten zu<br />

messen, empfiehlt es sich, zunächst nur jene Nutzer zu beobachten, die nicht über<br />

Affiliate-Maßnahmen oder Sponsored Links auf die <strong>Web</strong>site gelangen. Bei dieser<br />

Messung werden im regulären <strong>Web</strong>sitetraffic unter anderem folgende Kennzahlen<br />

betrachtet:<br />

Geografie: Aus welchen Ländern, Regionen und Städten kommen die Besucher?<br />

IP-Adressen: Haben die Besucher Proxies genutzt? Wurde ein Großteil der<br />

Werbemittelklicks und Abverkäufe von offenen Proxies aus getätigt?<br />

Technische Daten: Welche Betriebssysteme, Browser, Provider et cetera verwenden<br />

die Besucher?<br />

Verweildauer: Wie lange haben sich die Besucher auf der <strong>Web</strong>site aufgehalten?<br />

Seitenaufrufhäufigkeiten: Wie viele und welche Seiten wurden aufgerufen?<br />

Zeitverhalten: Zu welcher Uhrzeit und mit welcher Frequenz wird auf Anzeigen<br />

geklickt?<br />

Konversionsraten: Wie viele Käufe oder Transaktionen wurden korrelierend zur<br />

entsprechenden Werbemaßnahme getätigt?<br />

Werbemittelkontakte: Mit welchem Werbemittel hatte der Besucher den letzten<br />

und damit zu wertenden Werbemittelkontakt?<br />

Nachdem die <strong>Web</strong>site und das natürliche Verhaltensmuster der Besucher durch das<br />

<strong>Web</strong>-Controlling System analysiert und eingemessen sind, kann eine Betrugsanalyse<br />

sämtlicher Besucher – inklusive der Kampagnenbesucher – erfolgen, also auch<br />

derjenigen, die über CPC-Modelle und Affiliate-Kampagnen auf die <strong>Web</strong>site gelangt<br />

sind. Weichen nun einer oder mehrere der Parameter erheblich von den zuvor<br />

analysierten Mustern ab, ist es mehr als wahrscheinlich, dass der Werbetreibende<br />

Klickbetrügern zum Opfer gefallen ist.<br />

Gerade bei Click-Bots, die das betrügerische Klicken automatisieren, werden<br />

Abweichungen vom Verhalten realer <strong>Web</strong>sitebesucher schnell deutlich. Besonders<br />

auffällig sind in solchen Fällen beispielsweise Seitenzugriffe, bei denen<br />

der mutmaßliche Besucher nach dem Aufruf der Startseite die <strong>Web</strong>site direkt<br />

wieder verlässt. Häuft sich ein derartiges Verhalten, liegt auch hier wieder der<br />

Betrugsverdacht nahe. Selbst bei intelligenteren Click-Robots, die sich dem<br />

menschlichen Verhalten entsprechend mit mehreren Klicks über eine <strong>Web</strong>site<br />

bewegen, lassen sich mit einem übergreifenden <strong>Web</strong>-Controlling über kurz oder<br />

lang Abweichungen vom natürlichen Traffic feststellen.<br />

Ein spezieller Indikator für systematischen Klickbetrug ist das verstärkte Aufkommen<br />

von IP-Adressen, hinter denen sich offene Proxies verbergen. Um auf Klickbetrüger<br />

aufmerksam zu werden, die sich auf diese Weise anonymisieren, abonnieren die<br />

Suchmaschinenbetreiber Listen offener Proxies und gleichen diese mit den bei<br />

Werbemittelklicks gemessenen IP-Adressen ab. Decken sich die IP-Adressen der<br />

Liste mit denen verdächtiger Werbemittelklicks, kann es vorkommen, dass der<br />

598


Betreiber die entsprechenden Vergütungen im Verdachtsfall nicht ausschüttet und<br />

dem Werbetreibenden automatisch rückerstattet.<br />

Spezielle Maßnahmen im Affiliate-Marketing<br />

Um Affiliate-Hopping zu verhindern, können Online-Händler selbst ein aufwändiges<br />

Cookie-Tracking auf ihrer <strong>Web</strong>site implementieren. Die Krux an dieser Idee:<br />

Eine derartige Lösung zu entwickeln und zu betreiben, ist für den Merchant<br />

mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden – und häufig ist dies nur mit<br />

externem Know-how zu bewältigen. Daher ist in den meisten Fällen der Einsatz<br />

einer intelligenten <strong>Web</strong>-Controlling Lösung, die Affiliate-Betrüger aktiv abwehrt,<br />

die wesentlich kostenfreundlichere Alternative.<br />

Beim Affiliate-Betrug ist eine Form des <strong>Web</strong>-Controlling besonders wirkungsvoll:<br />

Mittels Pixel-Technologie lässt sich exakt feststellen, welcher Käufer<br />

über welche Affiliate-<strong>Web</strong>site in einen Online-Shop gelangt ist. Durch solch<br />

ein übergreifendes <strong>Web</strong>-Controlling lassen sich Affiliate-Maßnahmen unabhängig<br />

von den erhobenen Daten der Affiliate-Plattformen kontrollieren. Im<br />

Gegensatz zu den Plattformbetreibern, die Werbemaßnahmen lediglich im<br />

unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem Affiliate-System überprüfen, erfasst ein<br />

übergeordnetes <strong>Web</strong>-Controlling den Traffic einer <strong>Web</strong>site in einem wesentlich<br />

weitreichenderen Kontext. So können durch die Pixel-Technologie mehrfache<br />

Provisionsausschüttungen von vornherein vermieden werden, denn der letzte<br />

Kontakt mit der Werbemaßnahme und die tatsächliche Konversion erscheinen in<br />

ihrem unmittelbaren Zusammenhang. Der Shopbetreiber sieht hier den tatsächlichen<br />

Abverkauf nur einmal, weil nicht mehr mehrere Pixel statisch in das Bestellbestät<br />

igungsformular eingebunden sind, sondern das Pixel der Plattform dynamisch mit<br />

dem letzten Kontakt eingeblendet wird.<br />

Vom Betrug durch Affiliate-Hopper sind besonders große Unternehmen betroffen,<br />

die aufgrund ihrer umfangreichen Marketingmaßnahmen die Affiliate-Programme<br />

auf mehreren Plattformen parallel betreiben. Unternehmen, deren Marketingerfolg<br />

nicht zwingend davon abhängt, dass sie auf mehrere Plattformen zurückgreifen,<br />

sollten sich ausschließlich auf ein Affiliate-Programm beschränken. Diese<br />

Maßnahme bietet als einzige eine hundertprozentige Sicherheit gegen Betrug<br />

durch Affiliate-Hopper.<br />

Fazit<br />

Christian Bennefeld: Klickbetrug und Affiliate-Hopping<br />

Viele Klicks, keine Kunden, hohe Kosten – Klickbetrüger und Affiliate-Hopper<br />

verderben inzwischen vielen Werbetreibenden die Freude am Online-Marketing.<br />

Dabei sind die Instrumente der Internetwerbung die ideale Basis für preiswerte und<br />

höchst effektive Marketingkampagnen. Gerade deshalb sind die Forderungen der<br />

Werbenden nach verstärkten Kontrollen und transparenteren Abrechnungsmodellen<br />

durch die Suchmaschinenbetreiber und Affiliate-Plattformen mehr als verständlich.<br />

Wenn es auch grundsätzlich sehr schwer ist, die verschiedenen Varianten des<br />

599<br />

Mehrfache<br />

Provisionsausschüttungen<br />

können von<br />

vornherein<br />

vermieden<br />

werden


T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Klickbetrugs aufzudecken, eines gilt für alle betroffenen Parteien: Ohne ein<br />

übergreifendes <strong>Web</strong>-Controlling ist es schlicht unmöglich, dem Betrug im E-<br />

Business beizukommen. Wer sich vor illegalen Machenschaften im Internethandel<br />

schützen und Betrüger dingfest machen will, kann dies nur durch <strong>Web</strong>-Controlling<br />

tun.<br />

600


Online-<br />

Marktforschung<br />

Axel Theobald<br />

Zwei Trends, zum einen die immer weiter steigende digitale Vernetzung auch unter<br />

Privatpersonen und zum anderen ein stetig steigender Bedarf der Unternehmen<br />

an aktuellen empirischen Daten, treffen im Internet zusammen und gewinnen eine<br />

neue Dynamik. Beide zusammen umrahmen die noch relativ junge Disziplin der<br />

Online-Marktforschung und führen dazu, dass Online-Befragungen immer beliebter<br />

werden. Ihr Einsatzspektrum ist mannigfaltig, man begegnet ihnen beinahe auf<br />

Schritt und Tritt im Internet. Bekannt sind vor allem die kleinen Abstimmungen<br />

oder Votings auf <strong>Web</strong>seiten, für die teilweise sogar Teilnehmer über andere Medien<br />

wie TV oder Radio angeworben werden. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um<br />

wirkliche Marktforschung. Im Gegenteil: Aktionen dieser Art bringen seriöse und<br />

sinnvolle Online-Befragungen eher in Verruf beziehungsweise sorgen latent für ein<br />

schlechteres Image derselben. Belastbare Daten zur Entscheidungsunterstützung<br />

erfordern wenigstens eine irgendwie kontrollierte Teilnehmerauswahl sowie einen<br />

intelligenten Fragenkatalog mit aufeinander abgestimmten Inhalten und einer<br />

durchdachten Dramaturgie, der verschiedene Fragestellungen auch zueinander in<br />

Beziehung setzen und damit Erkenntnisgewinne gewährleisten kann.<br />

Einführung einer neuen Befragungsform<br />

Die Durchführung von Befragungen zum Zweck der Markt- und Sozialforschung<br />

ist gängige Praxis in Wissenschaft und Unternehmen. Man bedient sich dabei<br />

verschiedener Methoden. Im Allgemeinen werden bezüglich der Vorgehensweise<br />

drei als eigenständige unterschieden: die schriftliche, die mündliche sowie die<br />

telefonische Befragung. Noch bis Mitte der 1990er-Jahre waren persönlichmündliche<br />

Befragungen die bevorzugte Methode der Marktforscher zur<br />

Datenerhebung. Der Anteil dieser Methode sank jedoch kontinuierlich zugunsten<br />

von schriftlichen Umfragen, die günstiger sind, sowie telefonischen Befragungen,<br />

die schneller sind.<br />

Ungefähr zur Jahrtausendwende trat dann die Online-Marktforschung auf den Plan<br />

und entledigte sich langsam aber sicher ihres eher experimentellen Charakters, den<br />

sie bis zu diesem Zeitpunkt noch hatte. Mittlerweile werden von den Marktforschungsinstituten<br />

gut ein Viertel aller getätigten Interviews online durchgeführt,<br />

ein noch vor wenigen Jahren undenkbarer Wert. Der einfache Grund für diese<br />

Entwicklung ist, dass Online-Befragungen die beiden treibenden Faktoren „geringe<br />

Kosten“ und „hohe Geschwindigkeit“ in nahezu idealer Weise in sich vereinen.<br />

601<br />

Online-<br />

Befragungen<br />

werden immer<br />

beliebter<br />

Schriftliche, die<br />

mündliche und<br />

telefonische<br />

Befragung


Online-<br />

Befragungen<br />

vereinen geringe<br />

Kosten und hohe<br />

Geschwindigkeit<br />

Innerhalb<br />

weniger<br />

Stunden auch<br />

komplexeste<br />

Fragebögen<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Mit keiner anderen Methode können gleichzeitig die Meinungen vieler tausend<br />

Personen zu solch geringen Kosten erfasst werden.<br />

Vor allem der Faktor Geschwindigkeit hat sich bei der Anwendung des Internet im<br />

Bereich der Marktforschung als zunehmend kritisch erwiesen. Manager benötigen<br />

traditionell sehr häufig – und mit der allgemein stark steigenden Dynamik<br />

des Marktgeschehens immer häufiger – aktuelle Daten als Grundlage ihrer<br />

Entscheidungen. Im Optimalfall hätte der Manager die Ergebnisse zu seinen<br />

Fragen am liebsten „noch während der gerade laufenden Sitzung“. Dies ist bei<br />

ausgewählten Zielgruppen beziehungsweise Fragestellungen mit Hilfe des Internet<br />

durchaus realisierbar.<br />

Aus den vorherigen Ausführungen wird deutlich, dass das Internet mit seinen<br />

spezifischen Eigenschaften ein sinnvolles Alternativmedium für Befragungen sein<br />

kann. Es dient mittlerweile vielen Menschen als eine Art Treffpunkt und kann<br />

dazu benutzt werden, Eigenschaften, Einstellungen und Meinungen von Personen<br />

zu studieren, die auf andere Weise nie ökonomisch sinnvoll erfasst werden<br />

könnten. Die Internetnutzung ist heute für einen Großteil der Bevölkerung bereits<br />

selbstverständlich. Die weitere Entwicklung ist voraussehbar, und mittelfristig<br />

werden fast alle Menschen, zumindest in den industrialisierten Nationen, über<br />

irgendeine Art von Netzwerk erreichbar sein.<br />

Vorteile der Online-Marktforschung<br />

Selbst die konservativsten Marktforschungsinstitute haben in den vergangenen<br />

Jahren anerkannt, dass sich im Online-Bereich ein neuer Markt entwickelt hat und<br />

bieten Online-Forschung in der einen oder anderen Form an. Als besondere Vorteile<br />

der neuen Methode sind die im Folgenden angeführten herauszustellen.<br />

Schnelligkeit: Bei der Messung von Kundenzufriedenheiten zum Beispiel ist ein<br />

sofortiges Feedback vom Kunden mit eventueller Reaktionsmöglichkeit oftmals<br />

entscheidend. Mit entsprechender Software lassen sich innerhalb weniger Stunden<br />

auch komplexeste Fragebögen entwickeln, und die Einladung zur Teilnahme kann<br />

sofort per E-Mail an den Kundenstamm beziehungsweise an eine Stichprobe daraus<br />

verschickt werden. Die Erfahrung zeigt, dass in diesem Fall bereits in den ersten<br />

zwei Tagen ein Großteil des gesamten Rücklaufs eingebracht und entsprechend<br />

zeitnah auf die Ergebnisse reagiert werden kann.<br />

Wirtschaftlichkeit: Gegenüber traditionellen Methoden der Marktforschung ist die<br />

Online-Erhebung von Daten vor allem dann weit überlegen, wenn es sich um sehr<br />

große oder weit verteilte, zum Beispiel internationale, Stichproben handelt. Diese<br />

Voraussetzungen sind zum Beispiel bei Onlinedienstleistern häufig gegeben.<br />

Datenverfügbarkeit: Alle Daten liegen bereits in elektronischer Form vor.<br />

Mühsames Abtippen wie zum Beispiel vom Papierfragebogen entfällt. Auch dies<br />

erhöht die Geschwindigkeit des gesamten Forschungs- und Reaktionsprozesses.<br />

602


Axel Theobald: Online-Marktforschung<br />

Multimedia-Fähigkeit: Dem Teilnehmer können auch Vorlagen und Stimuli in<br />

verschiedener Form präsentiert werden, zum Beispiel zur Beurteilung neuer Produkte<br />

und Verpackungen oder zur Bewertung von TV- und Radio-Werbespots.<br />

Möglichkeit komplexer Fragebögen: Online-Befragungen ermöglichen es wie<br />

in kaum einer anderen Methode, die technischen Möglichkeiten zur Steuerung des<br />

Fragebogens voll auszuschöpfen. Im einfachsten Fall ist dies eine Filterführung, um<br />

Teilnehmer nicht mit Fragen zu belästigen, die sie aufgrund der zuvor gegebenen<br />

Antworten gar nicht betreffen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit der zufälligen<br />

Anordnung von Fragen oder Antworten, auch Randomisierung genannt, um<br />

Reihenfolgeeffekte zu vermeiden. Ein weiteres Beispiel ist die Zufallsauswahl<br />

von Bewertungsobjekten, um den Aufwand für den Teilnehmer möglichst gering<br />

zu halten.<br />

Direkte Kontrolle von Fehleingaben: Neben der möglichen Komplexität sorgen<br />

Online-Befragungen auch von vornherein für eine einheitliche und konsistente<br />

Datenbasis. Die Teilnehmer können so kontrolliert werden, dass sie die gestellten<br />

Fragen auch in korrekter Art und Weise ausfüllen müssen. Dies betrifft zum Beispiel<br />

die Anzahl auswählbarer Antworten, die Summe von vergebenen Prozentwerten<br />

oder das Erzwingen von Antworten, falls dies geboten ist. Hiermit ist keine<br />

Beeinflussung der Teilnehmer gemeint, sondern es wird lediglich eine formal<br />

stimmige Eingabe und damit die direkte Verwertbarkeit der erhobenen Daten ohne<br />

besondere Datenpflege gewährleistet.<br />

Kein Interviewereinfluss: Gerade wenn es um die Messung von Zufriedenheiten<br />

und Einstellungen geht, ist der Einfluss eines Interviewers nicht selten beachtlich,<br />

da die Teilnehmer oftmals nicht offen ihre Meinung, zum Beispiel eine mögliche<br />

Unzufriedenheit, zum Ausdruck bringen möchten. Die Erfahrungen der Online-<br />

Marktforscher zeigen, dass über das Internet in der Regel ehrlichere und „extremere“<br />

Antworten von den interviewten Personen zu erwarten sind.<br />

Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit gewinnt an zusätzlicher Relevanz, wenn<br />

bedacht wird, dass im Zuge der Globalisierungstendenzen auch der internationalen<br />

Marktforschung entscheidende Bedeutung zukommt. So müssen zum Beispiel<br />

Entscheidungen über die Entwicklung einer Marketingstrategie beziehungsweise das<br />

Marketing-Mix in der heutigen Zeit häufig vor dem Hintergrund einer international<br />

ausgerichteten Unternehmenstätigkeit getroffen werden. Bisher leisteten sich im<br />

Wesentlichen nur große und finanzstarke Unternehmen eine solche Form der<br />

Marktforschung, da die Erhebungsdesigns durch technische oder wirtschaftliche<br />

Restriktionen meist auf bestimmte Regionen beschränkt waren. Mit dem Internet<br />

steht nun auch kleineren Firmen ein kostengünstiges Medium für diesen Zweck<br />

zur Verfügung, mit dem effizient mehrsprachige Untersuchungen durchgeführt<br />

werden können.<br />

603<br />

Möglichkeit<br />

der zufälligen<br />

Anordnung von<br />

Fragen oder<br />

Antworten


Online-Panels<br />

sind ein Stamm<br />

von Befragungspersonen,<br />

die<br />

regelmäßig zu<br />

unterschiedlichen<br />

Themen befragt<br />

werden können<br />

T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Einsatzgebiete für Onlinebefragungen<br />

Die Möglichkeiten der Verwendung von Onlinebefragungen sind mittlerweile<br />

mannigfaltig und erweitern sich ständig. Die häufigsten Einsatzgebiete und<br />

Themenstellungen sind zur Zeit die folgenden:<br />

• Kundenzufriedenheit • <strong>Web</strong>sitebefragung<br />

• Beschwerdemanagement • Nutzeranalyse<br />

• Produkt-/Konzepttest • Expertenbefragung<br />

• Bedarfs-/Potenzialanalyse • Business-to-Business-Befragung<br />

• Werbewirksamkeitsanalyse • Mitarbeiterbefragung<br />

• Preistest • Führungskräfte-Feedback<br />

• Imageanalyse • 360-Grad-Befragung<br />

• Qualitätsmanagement • Messebefragung<br />

• Onlinepanel<br />

Was die derzeit häufigsten Anwendungsbereiche betrifft, so dominieren naturgemäß<br />

jene Einsatzgebiete, in denen die jeweilige Zielgruppe am besten über das Medium<br />

Internet erreichbar ist. Zum einen sind dies Befragungen direkt auf einer <strong>Web</strong>site,<br />

bei denen die Teilnehmer mittels Pop-up oder Layer zufallsgesteuert ausgewählt<br />

werden können. Zum zweiten sind es Mitarbeiterbefragungen, bei denen durch die<br />

heute in den meisten Fällen vorhandene interne Vernetzung beziehungsweise PC-<br />

Ausstattung hohe Abdeckungsraten anzutreffen sind, was die Verfügbarkeit von<br />

Internet oder Intranet angeht. Und zum dritten geht es um Kundenbefragungen von<br />

Unternehmen im Business to Business-Bereich, bei denen die häufig vorhandenen<br />

Kundenlisten direkt verwendet werden können, um die Teilnehmer einzuladen.<br />

Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Zusammenhang sind die sogenannten<br />

Onlinepanels. Hierbei handelt es sich um einen Stamm von Befragungspersonen,<br />

die in gewissen zeitlichen Abständen zu unterschiedlichen Themen befragt werden<br />

können. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anbieter auf dem Markt, die Stichproben aus<br />

solch großen Teilnehmer-Pools zur einmaligen Verwendung quasi vermieten. Großer<br />

Vorteil dieser Vorgehensweise ist es, dass die gewünschte Stichprobe bereits vorab<br />

nach bestimmten Merkmalen, wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Konsumvorlieben<br />

et cetera, ausgesucht werden kann. Nachteilig sind die damit verbundenen Kosten,<br />

die in der Regel zwischen fünf und fünfzehn Euro pro Teilnehmer liegen.<br />

604


Software-Unterstützung<br />

Zur Durchführung von Online-Marktforschung bietet sich die Verwendung<br />

spezieller Software an, die auch den methodischen Anforderungen der Erstellung<br />

von komplexen Fragebögen Rechnung trägt. Hierfür gibt es bereits verschiedene<br />

etablierte Anbieter, die sich allerdings in Bezug auf ihre Ausrichtung sowie den<br />

Umfang der erhältlichen Features teilweise deutlich unterscheiden. Die Verwendung<br />

solcher Software bietet klare Effizienzvorteile gegenüber der Eigenprogrammierung<br />

mit Hilfe von HTML-Formularen und CGI-Skripten oder Ähnlichem. Diese<br />

Vorteile sind naturgemäß weniger relevant, wenn es nur um eine geringe Anzahl<br />

von Fragen beziehungsweise Teilnehmern geht. Je mehr Fragen jedoch gestellt<br />

werden sollen, je komplexer die Anforderungen an die Filterführung, das Design<br />

oder die Ablaufkontrolle sind und je kritischer der Aspekt der Datensicherheit ist,<br />

desto eher empfiehlt es sich, dies Spezialisten zu überlassen, die tagtäglich mit<br />

Projekten dieser Art zu tun haben.<br />

Wie in vielen anderen Bereichen gibt es auch hier einerseits sehr billige sowie<br />

andererseits relativ hochpreisige Software-Lösungen. Die vermeintlich günstigeren<br />

Anbieter offenbaren jedoch häufig sehr schnell ihre Schwachpunkte wie geringe<br />

Belastbarkeit bei hohen Teilnehmerzahlen, nicht ausgereifte Features, mangelnder<br />

Service und Support bei Problemfällen, geringer Erfahrungshintergrund et cetera.<br />

Do’s and Don’ts<br />

Im Folgenden soll noch auf einige wichtige Aspekte bei der Anlage und<br />

Durchführung von Online-Befragungen verwiesen werden:<br />

Organisation<br />

Axel Theobald: Online-Marktforschung<br />

• Eine seriöse Umfrage darf nie einen anderen Zweck als den der<br />

Datenerhebung und Umfrageforschung beinhalten, also keine<br />

Verkaufs- oder Werbeabsicht.<br />

• Gewähren Sie nach Möglichkeit die Option, ein Interview zu<br />

unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzuführen.<br />

Dies erhöht den Komfort für den Teilnehmer und bringt<br />

höhere Rücklaufquoten.<br />

• Nutzen Sie im Fall der Teilnehmerrekrutierung per E-Mail<br />

die Möglichkeit, eine Erinnerungs-E-Mail (Reminder) zu versenden,<br />

um die Rücklaufquote zu erhöhen.<br />

605<br />

Je mehr Fragen<br />

jedoch gestellt<br />

werden sollen,<br />

je komplexer die<br />

Anforderungen<br />

an die Filterführung


T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

Rekrutierung<br />

Gestaltung<br />

606<br />

• Die Befragten sollten über den Zweck der Umfrage<br />

sowie die Verwendung der Daten soweit wie möglich und<br />

wahrheitsgemäß aufgeklärt werden.<br />

• Weisen Sie auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an Ihrer Umfrage hin.<br />

• Der Hinweis, dass die erhobenen Daten lediglich in aggregierter und<br />

anonymisierter Form ausgewertet beziehungsweise weitergeleitet<br />

und nicht für forschungsfremde Zwecke verwendet werden,<br />

sollte nicht fehlen.<br />

• Sprechen Sie keine Person direkt mit der Bitte um Teilnahme<br />

an einer Umfrage an, die zuvor ausdrücklich bekundet hat, dass<br />

sie dies nicht wünscht. Erlaubt ist die direkte persönliche Einladung<br />

nur bei einem bereits vorhandenen Firmenkontakt oder vorheriger<br />

Einwilligung.<br />

• Belästigen Sie die Personen, die Sie mit Ihrer Umfrage ansprechen,<br />

so wenig wie möglich. Jede kontaktierte Person sollte jederzeit<br />

ohne großen Aufwand die Möglichkeit haben, das Interview<br />

zu beenden beziehungsweise die Teilnahme zu verweigern.<br />

• Die Bereitschaft zur Teilnahme an einer Umfrage darf nicht<br />

absichtlich erhöht werden durch unrealistische Angaben<br />

bezüglich der wahrscheinlichen Dauer der Befragung.<br />

• Wählen Sie das Design so, dass die Teilnehmer klar erkennen,<br />

von wem sie befragt werden beziehungsweise, wer die Umfrage<br />

durchführt (Firmenlogo, Firmenfarben et cetera).<br />

• Beachten Sie, dass nicht jeder Teilnehmer über die gleiche<br />

PC-Ausstattung verfügt. Optimieren Sie die Befragung auf eine<br />

relativ geringe Auflösung – heutiger Standard ist 1024x768.<br />

Vermeiden Sie das Auftreten von Scrollbalken bei dieser Auflösung.<br />

• Setzen Sie multimediale Elemente wie kleine Filme, animierte GIF-<br />

Bilder oder Töne nur dann ein, wenn sie dem Umfragezweck dienen.<br />

• Informieren Sie die Teilnehmer über den aktuellen Ausfüllgrad<br />

ihres Fragebogens mit einer Fortschrittsanzeige.


Incentives<br />

Literatur<br />

Axel Theobald: Online-Marktforschung<br />

• Platzieren Sie auf den Umfrageseiten keine Werbebanner oder<br />

andere Formen der Werbung, falls dies nicht aufgrund des Unter-<br />

suchungsdesigns erforderlich ist. Unauffällige Hinweise auf die<br />

durchführende Institution sind gestattet.<br />

• Geben Sie den Probanden ausreichende Hinweise über sich selbst<br />

als durchführende Institution. Als Mindestanforderung sollten Sie<br />

auf der Einführungs- und Schluss-Seite den Firmennamen<br />

inklusive Kontaktmöglichkeit via E-Mail-Adresse oder Telefon-<br />

nummer nennen.<br />

• Gewähren Sie den Teilnehmern bei persönlichen Fragen<br />

die Möglichkeit, keine Angabe zu machen beziehungsweise<br />

nicht zu antworten. Gleiches gilt für Fragestellungen, bei denen<br />

nicht sicher ist, ob alle Teilnehmer diese überhaupt sinnvoll<br />

beantworten können.<br />

• Vermeiden Sie zu hohe Incentives, also Belohnungen der<br />

Teilnehmer für die Bearbeitung eines Fragebogens, zum Beispiel<br />

in Form von Verlosungen. Diese bergen immer die Gefahr der<br />

Verzerrung der Untersuchungsergebnisse. Geringwertige Incentives<br />

haben dagegen nachweislich keine ergebnisrelevanten Einflüsse,<br />

können sich jedoch positiv auf die Antwortquoten auswirken.<br />

• Falls Sie Incentives verwenden, sollten Sie keinen der Teilnehmer<br />

von der Chance zum Erhalt der Belohnung ausschließen.<br />

• Ausgelobte Incentives müssen auch tatsächlich ausgegeben werden.<br />

Axel Theobald, Marcus Dreyer, Thomas Starsetzki (Hrsg.): Online-Marktforschung<br />

– Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen. – 430 Seiten, ISBN: 978-<br />

3409217811, Gabler Verlag, 2003.<br />

607<br />

Geben Sie die<br />

Möglichkeit,<br />

keine Angabe<br />

zu machen<br />

beziehungsweise<br />

nicht zu<br />

antworten


T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />

608


Buchinformation<br />

Leitfaden Online-Marketing<br />

Herausgeber: Torsten Schwarz<br />

850 Seiten, Preis: 39,90 Euro, gebunden<br />

ISBN: 978-3000209048, September 2007,<br />

Verlag: marketing-BÖRSE.<br />

http://www.amazon.de/dp/3000209042<br />

Online-Werbung wächst derzeit zehnmal schneller als alle anderen Werbemedien. Kein<br />

anderes Medium ist so preisgünstig und effizient bei der Ansprache neuer Kunden und<br />

Zielgruppen. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen bei der Neukundengewinnung auf<br />

Suchmaschinenmarketing, Kontextwerbung oder Viral Marketing. In diesem Buch erläutern<br />

die einhundert renommiertesten deutschsprachigen Online-Marketing-Experten, was sich<br />

bewährt hat. Es bündelt das aktuelle praxisrelevante Wissen einer jungen Branche. Von<br />

Affiliate- über Suchmaschinenmarketing bis zum <strong>Web</strong> 2.0 werden Strategien erläutert und<br />

praktische Tipps gegeben.<br />

Keine Werbeform entwickelt sich so schnell weiter wie Online-Werbung. Während TV-,<br />

Print- und Außenwerbung 2006 um maximal sieben Prozent zulegten, stiegen die Ausgaben<br />

für Online-Werbung laut Branchenverband BVDW um sagenhafte 84 Prozent. Fast eine<br />

Milliarde Euro wurde 2006 für klassische Online-Werbebanner ausgegeben. Dazu kommen<br />

noch einmal über eine Milliarde Euro für Suchmaschinenanzeigen. Aber auch Bereiche wie<br />

Suchmaschinenoptimierung oder E-Mail-Marketing boomen. Unter dem Sammelbegriff <strong>Web</strong><br />

2.0 schießen Mitmach-Angebote und soziale Netzwerke wie Pilze aus dem Boden.<br />

Verbraucher informieren sich via Internet über Preisvergleichs- und Meinungsportale. Dort<br />

schreiben Menschen offen, was sie von Produkten und Firmen halten. Hier als Unternehmen<br />

Präsenz zu zeigen, erfordert Fingerspitzengefühl.<br />

Dieses Buch bündelt das aktuelle Wissen einer ganzen Branche. Als Standardwerk ist es ein<br />

absolutes Muss für Online-Marketing-Spezialisten und solche, die es werden wollen. Die<br />

Autoren sind die führenden Köpfe der Online-Branche. Es sind erfolgreiche Fachbuchautoren,<br />

hochrangige Experten aus renommierten Unternehmen sowie anerkannte Wissenschaftler.<br />

Zum Herausgeber:<br />

Dr. Torsten Schwarz gilt als Fachmann für Online-Marketing in Deutschland. Er ist<br />

Herausgeber des Beratungsbriefs "Online-Marketing-Experts", Autor diverser Fachbeiträge<br />

und Bücher sowie mehrfacher Lehrbeauftragter. Laut "acquisa" gehört er zu den Vordenkern<br />

in Marketing und Vertrieb. Der Online-Pionier war Marketingleiter eines Softwareherstellers<br />

und berät heute internationale Unternehmen. Er ist Geschäftsführer des Dienstleisterportals<br />

marketing-BÖRSE und leitet den Arbeitskreis Online-Marketing im Verband der deutschen<br />

Internetwirtschaft.<br />

marketing-BÖRSE GmbH – Melanchthonstr. 5 – 68753 Waghäusel – www.marketing-boerse.de


Datum/Unterschrift<br />

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Firma<br />

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B e s t e l l f a x<br />

an<br />

++49 (0) 7254 / 95773-90<br />

Ja, ich bestelle das Buch<br />

Leitfaden Online-Marketing<br />

850 Seiten, gebunden<br />

ISBN: 978-3000209048, September 2007<br />

Preis: 39,90 Euro*<br />

(*zzgl. 3,- Euro Versandkosten innerhalb Deutschlands,<br />

für den internationalen Versand werden die<br />

tatsächlichen Portokosten erhoben)<br />

marketing-BÖRSE GmbH – Melanchthonstr. 5 – 68753 Waghäusel – www.marketing-boerse.de

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