Die funktionale Leistungsbeschreibung im Baubereich
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RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 69<br />
RPA 2011 / 2<br />
Von Stephan Heid<br />
1. Darstellung der Rechtslage<br />
Das Bundesvergabegesetz 2006 1 ermöglicht in § 95<br />
Abs 1 dem klassischen Auftraggeber und in § 245 Abs 1<br />
dem Sektorenauftraggeber 2 die freie Wahl zwischen einer<br />
konstruktiven und einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
und setzt damit den mit dem Bundesvergabegesetz<br />
2002 3 erstmals eröffneten Weg unterschiedlicher Methoden<br />
in der Beschreibung des Leistungsgegenstandes fort. 4<br />
Zu beachten sind allerdings die in § 19 BVergG geregelten<br />
allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens, weshalb<br />
die Ermessensfreiheit vom Auftraggeber nicht willkürlich<br />
ausgeübt werden darf. 5 So dürfen die Leistung<br />
und die Aufgabenstellung insbesondere nicht so umschrieben<br />
werden, dass best<strong>im</strong>mte Bieter von Vornherein<br />
Wettbewerbsvorteile genießen (§ 96 Abs 3 BVergG).<br />
Differenzierter stellt sich die Methodenwahl allerdings<br />
vor dem technischen Hintergrund des Ausschreibungsgegenstandes<br />
dar. <strong>Die</strong> vor allem <strong>im</strong> Bau- und Lieferbereich<br />
weitaus überwiegend anzutreffende konstruktive<br />
1 Bundesvergabegesetz 2006 idF BGBl I 15/2010 (in der Folge<br />
„BVergG“).<br />
2 <strong>Die</strong> Regelungen der <strong>funktionale</strong>n Ausschreibung <strong>im</strong> Sektorenbereich<br />
(insbesondere §§ 245, 246 BVergG) entsprechen <strong>im</strong> Wesentlichen<br />
denjenigen <strong>im</strong> klassischen Bereich. Im Folgenden wird daher<br />
nur auf Abweichungen gesondert eingegangen.<br />
3 Bundesvergabegesetz 2002 idF BGBl I 99/2002 (in der Folge<br />
„BVergG 2002“). Siehe dazu Sturm, <strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> Ausschreibung<br />
nach dem BVergG 2002, ZVB 2002, 336.<br />
4 So auch Pachner/G.Gruber in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel,<br />
BVergG-Kommentar (2009) § 95 Rz 7 ff mwN. Anders der deutsche<br />
Gesetzgeber, der in § 7 Abs 9 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen,<br />
Teil A idF 15.10.2009 (in der Folge „VOB/A“) die <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
mit Leistungsverzeichnis als Regelfall anordnet.<br />
5 Anders als bei der Entscheidung des Auftraggebers zwischen einer<br />
Gesamt- oder getrennten Vergabe, für die er gemäß § 22 Abs 1<br />
BVergG „wirtschaftliche oder technische Gesichtspunkte, wie zB<br />
FACHBEITRAG 69<br />
<strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> <strong>im</strong> <strong>Baubereich</strong><br />
Seit dem BVergG 2002 können Auftraggeber die zur Vergabe gelangenden Leistungen wahlweise<br />
konstruktiv oder funktional beschreiben. In den letzten Jahren ist eine Zunahme <strong>funktionale</strong>r<br />
Ausschreibungen festzustellen, in deren Rahmen der Auftraggeber kein detailliertes Leistungsverzeichnis<br />
vorgibt, sondern eine Aufgabenstellung mit Hilfe von „Leistungs- oder Funktionsanforderungen“<br />
festlegt. <strong>Die</strong> für eine solche Wahl der <strong>Leistungsbeschreibung</strong> sprechenden Gründe<br />
werden <strong>im</strong> gegenständlichen Beitrag mit Schwerpunkt für die Vergabe von Bauleistungen <strong>im</strong><br />
Hochbau erörtert. Es werden aber auch die damit verbundenen Risiken <strong>im</strong> Vergabeverfahren<br />
und bei der Vertragsabwicklung entsprechend den Erfahrungen des Verfassers aufgezeigt.<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> setzt eine vom Ausschreibenden<br />
bereits abgeschlossene (Vor-)Planung voraus, die wiederum<br />
Grundlage für das vom Auftraggeber (oder von seinen<br />
ihm zurechenbaren Konsulenten) erstellte detaillierte<br />
Leistungsverzeichnis ist. Das Leistungsverzeichnis enthält<br />
– zumeist positionsweise gegliedert – die genaue Beschreibung<br />
der vom Auftraggeber geforderten Qualitäten,<br />
welche der Bieter durch Abgabe seines Einheitspreises<br />
auszupreisen hat. <strong>Die</strong>ser Einheitspreis wird sodann<br />
mit den ebenfalls vom Auftraggeber vorgegebenen<br />
Quantitäten („Vordersätze“) multipliziert und zum Positionspreis<br />
hochgerechnet. 6 <strong>Die</strong> Summe der Positionspreise<br />
bildet den bewertungsrelevanten Gesamtpreis. 7<br />
<strong>Die</strong> vom Auftraggeber vorgegebenen Qualitäten und<br />
Quantitäten sind verbindlich, ein Abweichen davon wird<br />
mit dem Ausscheiden des betreffenden Angebotes sanktioniert<br />
(§ 129 Abs 1 Z 7 BVergG). So verbleibt dem Bieter<br />
als unternehmerischer Gestaltungsspielraum (neben<br />
seinem Preis) nur die Abgabe eines Alternativ- oder Abänderungsangebotes,<br />
soweit dies ausnahmsweise zulässig<br />
ist. Als Folge dieser eingeschränkten Gestaltbarkeit des<br />
Angebotes trägt der Auftragnehmer nach Vertragsabschluss<br />
grundsätzlich auch nicht das Risiko einer fehlerhaften<br />
Planung. Stellen sich daher die ausgeschriebenen<br />
die Notwendigkeit einer einheitlichen Ausführung und einer eindeutigen<br />
Gewährleistung“ zu berücksichtigen hat, werden dem<br />
Auftraggeber für die Wahl der Art der <strong>Leistungsbeschreibung</strong> keine<br />
zu berücksichtigenden Gesichtspunkte vorgegeben.<br />
6 Nähere Best<strong>im</strong>mungen für die Erstellung von Leistungsverzeichnissen<br />
enthält § 97 BVergG (insbesondere <strong>im</strong> Hinblick auf die Heranziehung<br />
geeigneter Leitlinien, wie ÖNORMEN oder standardisierte<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong>en) sowie für den <strong>Baubereich</strong> Pkt 4.2 der<br />
ÖNORM B 2110 idF 1.1.2009. Nach Kropik, <strong>Die</strong> Beschreibung<br />
von Bauleistungen: konstruktiv vs funktional, ZVB 2006, 296, 298<br />
sei es hingegen praxisfremd, ein Leistungsverzeichnis als zwingende<br />
Voraussetzung für eine konstruktive <strong>Leistungsbeschreibung</strong> anzusehen.<br />
Dem ist entgegenzuhalten, dass § 97 Abs 1 BVergG bei Vorliegen<br />
„umfangreicher Leistungen“ die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses<br />
verpflichtend vorsieht.<br />
7 <strong>Die</strong>ser bildet wiederum gemäß § 2 Z 26 lit d BVergG die Bemessungsgrundlage<br />
für die Umsatzsteuer.
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70 FACHBEITRAG<br />
RPA 2011 / 2<br />
Qualitäten als ungenügend dar oder sind die vorgegebenen<br />
Massen nicht ausreichend, ist also der Leistungsumfang<br />
unzureichend beschrieben (worunter auch „mehrdeutige“<br />
Ausschreibungstexte zu verstehen sind) 8 , so<br />
gehen die daraus resultierenden Mehrkostenforderungen<br />
grundsätzlich zu Lasten des Auftraggebers, es sei denn,<br />
der Auftragnehmer ist <strong>im</strong> Laufe des Vergabeverfahrens<br />
seiner (vor-)werkvertraglichen Warnpflicht <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
die „unrichtigen Anweisungen“ des Auftraggebers iSd<br />
§ 1168a ABGB nicht (ausreichend) nachgekommen. 9<br />
<strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> ist hingegen von<br />
einer gewollten Verlagerung der (Vor-) Planung auf den<br />
Auftragnehmer mit dem Ziel der Einräumung eines entsprechenden<br />
Gestaltungsspielraumes auf Bieterseite<br />
geprägt. Anders als bei der konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
erfolgt durch den Auftraggeber keine verbindliche<br />
Festlegung der einzelnen Teilschritte zur Erreichung<br />
des Projekterfolges, sondern lediglich eine „Aufgabenstellung<br />
durch Festlegung von Leistungs- oder<br />
Funktionsanforderungen“. 10 <strong>Die</strong> Leistungs- oder Funktionsanforderungen<br />
werden durch die Festlegung der zu<br />
erbringenden Gesamtleistung als Ergebnis vom Ausschreibenden<br />
best<strong>im</strong>mt, die erforderlichen „Teilleistungen“<br />
hat der Bieter selbst zu best<strong>im</strong>men. Darin liegt einer<br />
der wesentlichen Vorteile der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong>:<br />
Der Bieter kann sein gesamtes Know-how<br />
ausschreibungskonform in das Angebot einfließen lassen.<br />
Mitunter werden erst auf diesem Weg technische<br />
Umsetzungsmöglichkeiten sichtbar, die ein Projekt kos -<br />
ten- oder terminmäßig opt<strong>im</strong>ieren. <strong>Die</strong> (teilweise) Aufgabe<br />
der Ausschreibungshoheit durch den Auftraggeber<br />
verlagert konsequenterweise auch das Planungsrisiko zu<br />
Lasten des Auftragnehmers. In dem Maß, in dem der<br />
Auftragnehmer über den Einsatz von Material, Gerät<br />
und Arbeit zur Lösung der Aufgabenstellung entscheidet,<br />
trägt er auch die negativen Folgen von Fehlentschei -<br />
dungen.<br />
Als Folge der freien Methodenwahl zwischen konstruktiver<br />
und <strong>funktionale</strong>r Ausschreibung sind auch „Mischformen“<br />
bei der <strong>Leistungsbeschreibung</strong> zulässig. Als<br />
8 Ausgehend von der baubetriebswirtschaftlichen Terminologie<br />
spricht Pkt 3.8. ÖNORM B 2110 idF 1.1.2009 in diesem Zusammenhang<br />
auch vom „Bau-Soll“. Dabei ist allerdings zu beachten,<br />
dass sich das Bau-Soll nicht nur aus dem Leistungsverzeichnis, sondern<br />
auch aus den Plänen, Baubeschreibungen, technischen und<br />
rechtlichen Vertragsbest<strong>im</strong>mungen sowie den daraus abzuleitenden,<br />
objektiv zu erwartenden Umständen der Leistungserbringung ergibt<br />
(siehe dazu Kropik, Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110 2<br />
[2009], der das daraus resultierende „Beschreibungsrisiko“ dem<br />
Auftraggeber auferlegt). Zur unvollständigen und mehrdeutigen<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> siehe Karasek, ÖNORM B 2110 2 (2009)<br />
Rz 125 ff.<br />
9 Siehe jüngst Schlosser/Hartl/Schlosser, <strong>Die</strong> Warnpflicht des Werk-<br />
Beispiel aus der Praxis lassen sich Gebäudesanierungen<br />
anführen, bei denen aus haustechnischer Sicht eine Verbindung<br />
neuer Anlagen mit bestehenden Anlagen zu einem<br />
einheitlichen Heizungs- bzw Kühlkreislauf erforderlich<br />
ist. In diesem Fall wurden aufgrund der vorhandenen<br />
Vorplanungen des Auftraggebers die entsprechenden<br />
Leistungen der technischen Gebäudeausstattung kons -<br />
truktiv ausgeschrieben, alle anderen Gewerke hingegen<br />
funktional. Wünscht sich der Auftraggeber zB aufgrund<br />
architektonischer oder energetischer Überlegungen ein<br />
ganz best<strong>im</strong>mtes Fassadenkonzept, so könnte auch dieses<br />
konstruktiv und die Restleistung funktional ausgeschrieben<br />
werden. Umgekehrt wäre es denkbar, bei einer<br />
grundsätzlich konstruktiven Ausschreibung zB die Lösung<br />
der Baugrubensicherung den Bietern aufzugeben<br />
oder den Einsatz von Wärmedämmverbundsystemen infolge<br />
der unterschiedlichen am Markt angebotenen Lösungen<br />
„technikoffen“, dh funktional zu beschreiben. 11<br />
Als weitere Mischform einer teil-<strong>funktionale</strong>n Ausschreibung<br />
ist auch jener Fall denkbar, in dem der Auftraggeber<br />
(für das gesamte Bauvorhaben oder Teile davon) eine<br />
frühe Initialplanung (Conceptual Design, Vorentwurf)<br />
übern<strong>im</strong>mt und alle weiteren Planungsschritte von den<br />
Bietern ausführen lässt. § 96 Abs 2 BVergG spricht selbst<br />
von „Plänen“ und „Zeichnungen“, die Teil einer <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> sein können. Zu beachten<br />
ist allerdings, dass von einer <strong>funktionale</strong>n Ausschreibung<br />
<strong>im</strong> hier gemeinten Sinn mangels Verlagerung der (Vor-)<br />
Planung auf den Auftragnehmer dann nicht mehr gesprochen<br />
werden kann, wenn der Auftraggeber alle Entwurfsleistungen<br />
bishin zur behördlichen Einreichplanung übern<strong>im</strong>mt<br />
und der Bieter lediglich die auf dem Baubescheid<br />
beruhende Ausführungsplanung beisteuert.<br />
Das Gebot der Vergleichbarkeit der Angebote sowie das<br />
Verbot der Übertragung nicht kalkulierbarer Risiken gelten<br />
nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig davon,<br />
ob der Auftraggeber die Leistung konstruktiv oder funktional<br />
beschreibt. 12 Bei einer konstruktiven Leis -<br />
tungsbeschreibung sind die Leistungen nach zu erbringenden<br />
Teilleistungen in einem Leistungsverzeichnis aufzu -<br />
unternehmers und die Folgen ihrer Verletzung (Teil I und II), bau<br />
aktuell 2010, 56 ff und 94 ff.<br />
10 Der deutsche Gesetzgeber spricht in § 7 Abs 13 VOB/A von einer „Leis -<br />
tungsbeschreibung mit Leistungsprogramm“ (näheres bei Kratzenberg<br />
in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar 17 [2010] § 7 Rz 114 ff).<br />
11 Für die Zulässigkeit hybrider <strong>Leistungsbeschreibung</strong>en auch<br />
Heid/Kurz in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht 3 (2010) Rz<br />
979), Pachner/G.Gruber in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel,<br />
BVergG-Kommentar (2009) § 95 Rz 4, Kropik, <strong>Die</strong> Beschreibung<br />
von Bauleistungen: konstruktiv vs funktional, ZVB 2006, 296, 299,<br />
Sturm, <strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> Ausschreibung nach dem BVergG 2002,<br />
ZVB 2002, 336, 337 FN 6.<br />
12 EBRV 1171 BlgNR XXII. GP 67.
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RPA 2011 / 2<br />
gliedern (§ 95 Abs 2 bzw § 97 Abs 1 BVergG). 13 <strong>Die</strong> Leistungen<br />
sind bei einer konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
darüber hinaus zum Zweck der Vergleich barkeit eindeutig,<br />
vollständig und neutral zu beschreiben (§ 96 Abs<br />
1 BVergG). Eine konstruktive Leistungs beschreibung hat<br />
daher technische Spezifikationen iSd § 98 BVergG zu enthalten<br />
und ist erforderlichenfalls durch Pläne, Zeichnungen,<br />
Modelle, Proben, Muster und dergleichen zu ergänzen<br />
(§ 96 Abs 1 BVergG). Bei einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
werden die Leistungen hingegen als<br />
Aufgabenstellung durch Fest legung von Leistungs- oder<br />
Funktionsanforderungen beschrieben (§ 95 Abs 3<br />
BVergG). Eine <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> hat<br />
ebenfalls technische Spezifikationen iSd § 98 BVergG zu<br />
enthalten, welche aber nicht einzelne Positionen eines<br />
Leistungsverzeichnisses betreffen, sondern das Leistungsziel<br />
so hinreichend genau und neutral zu beschreiben haben,<br />
dass alle für die Erstellung des Angebotes maßgebenden<br />
Bedingungen und Umstände erkennbar sind. Aus der<br />
Beschreibung der Leistung müssen sowohl der Zweck der<br />
fertigen Leistung als auch die an die Leistung gestellten<br />
Anforderungen in technischer, wirtschaftlicher, gestalterischer<br />
und funktionsbedingter Hinsicht soweit erkennbar<br />
sein, dass die Vergleichbarkeit der Angebote <strong>im</strong> Hinblick<br />
auf die vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungs- oder<br />
Funktionsanforderungen gewährleistet ist. Leistungs- und<br />
Funk tionsanforderungen müssen so ausreichend präzisiert<br />
werden, dass sie den Bewerbern und Bietern eine klare<br />
Vorstellung über den Auftragsgegenstand vermitteln und<br />
dem Auftraggeber die Vergabe des Auftrages ermöglichen.<br />
Auch eine <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> hat Pläne,<br />
Zeichnungen, Modelle, Proben, Muster und dergleichen<br />
zu enthalten, soweit diese be<strong>im</strong> Auftraggeber vorhanden<br />
sind (§ 96 Abs 2 BVergG).<br />
Gesetzlich ist darüber hinaus für <strong>funktionale</strong> Ausschreibungen<br />
geregelt, dass – soweit dies auf Grund der Aufgabenstellung<br />
möglich ist – Anforderungen an die Umweltgerechtheit<br />
der Leistung zu berücksichtigen sind<br />
(§ 96 Abs 4 BVergG), mit der Leistung in Zusammenhang<br />
stehende allfällige zukünftige laufende bzw an -<br />
fallende kostenwirksame Faktoren (zB Betriebs- und Erhaltungsarbeiten,<br />
Seviceleistungen, erforderliche Ersatzteil-Lagerhaltung,<br />
Entsorgung) aufzunehmen sind, falls<br />
deren Kosten ein Zuschlagskriterium bilden (§ 96 Abs 5<br />
13 Bemerkenswerterweise fordert der deutsche Gesetzgeber für eine<br />
konstruktive <strong>Leistungsbeschreibung</strong> in § 7 Abs 9 VOB/A neben<br />
dem Leistungsverzeichnis auch eine „allgemeine Darstellung der<br />
Bauaufgabe (Baubeschreibung)“.<br />
14 <strong>Die</strong> genannten Anforderungen hat der österreichische Gesetzgeber<br />
offensichtlich dem § 7 Abs 13 VOB/A entnommen, in dem es<br />
folgendermaßen lautet: „Wenn es nach Abwägung aller Umstände<br />
zweckmäßig ist, abweichend von Absatz 9 zusammen mit der<br />
Bauausführung auch den Entwurf für die Leistungen dem Wettbe-<br />
FACHBEITRAG 71<br />
BVergG) und alle Umstände (zB örtliche oder zeitliche<br />
Umstände oder besondere Anforderungen hinsichtlich<br />
der Art und Weise der Leistungserbringung) bzw besondere<br />
Erschwernisse oder Erleichterungen anzuführen<br />
sind, die für die Angebotserstellung oder die Leistungserbringung<br />
von Bedeutung sind (§ 96 Abs 6 BVergG).<br />
2. <strong>Die</strong> Anforderungen an eine <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
2.1 <strong>Die</strong> Festlegung der technischen Spezifikationen<br />
Auch wenn der Planungsaufwand und die Planungsverantwortung<br />
bei der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
zu einem Großteil auf den Bieter übergehen, hat der Auftraggeber<br />
für eine den Vorgaben des § 96 Abs 2 BVergG<br />
entsprechende <strong>Leistungsbeschreibung</strong> zu sorgen. Der Gesetzgeber<br />
hat bereits <strong>im</strong> BVergG 2002 auf die in diesem<br />
Zusammenhang vom Auftraggeber zu beachtenden<br />
„technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionsbedingten<br />
Anforderungen“ hingewiesen. 14 <strong>Die</strong>se<br />
Anforderungen hat der Auftraggeber vor allem durch die<br />
Wahl der <strong>im</strong> Einzelfall zutreffenden „technischen Spezifikationen“<br />
iSd § 98 BVergG zu erfüllen. Bei den technischen<br />
Spezifikationen handelt es sich um sämtliche technische<br />
Anforderungen an eine Bauleistung, wie zB die<br />
Konformitätsbewertungen von Baustoffen, die Vorgabe<br />
von Qualitätssicherungsverfahren, die Beschreibung von<br />
Konstruktionsmethoden und -verfahren (§ 2 Z 35 lit a<br />
BVergG) bzw bei Liefer- und <strong>Die</strong>nstleistungen um sämtliche<br />
die Leistung beschreibende Merkmale, wie zB<br />
Vorgaben für die Gebrauchstauglichkeit, Verwendung,<br />
Sicherheit oder Abmessung (§ 2 Z 35 lit b BVergG).<br />
Zweckmäßigerweise wird der Auftraggeber bei der <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> aus diesem gesetzlich definierten<br />
Katalog an technischen Spezifikationen so weit<br />
wie möglich die „zielgerichteten“ Spezifikationen wählen,<br />
dh solche Spezifikationen, welche die zu erfüllenden<br />
Funktionalitäten des Leistungsgegenstandes beschreiben.<br />
Technische Spezifikationen durch Vorgabe des konkret<br />
einzusetzenden Baumaterials oder der zur Anwendung<br />
gelangenden Baumethode sollten zB nur dann erfolgen,<br />
wenn dies zur Einhaltung des Verbotes der Übertragung<br />
nicht kalkulierbarer Risiken erforderlich ist. Wird zB die<br />
werb zu unterstellen, um die technisch, wirtschaftlich und gestalterisch<br />
beste sowie funktionsgerechteste Lösung der Bauaufgabe<br />
zu ermitteln, kann die Leistung durch ein Leistungsprogramm<br />
dargestellt werden.“ (Hervorhebung durch den Zitierenden). Der<br />
deutsche Gesetzgeber definiert die genannten Anforderungen als<br />
Entscheidungsgrundlage des Auftraggebers für die Wahl der <strong>funktionale</strong>n<br />
Ausschreibung, der österreichische Gesetzgeber setzt sie<br />
hingegen als Maßstab für die Qualität der <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
fest.
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 72<br />
72 FACHBEITRAG<br />
RPA 2011 / 2<br />
Errichtung eines UEFA-konformen Fußballstadions<br />
funktional ausgeschrieben, so können das Lizensierungshandbuch<br />
des ÖFB samt Durchführungsbest<strong>im</strong>mungen<br />
und Sicherheitsrichtlinien, diverse UEFA-Richtlinien und<br />
FIFA-Sicherheitsrichtlinien als „zielgerichtete“ technische<br />
Spezifikationen verwendet werden. Zusätzlich können<br />
auch ÖNORMEN und EN-Normen (zB EN 13200<br />
1-4 Zuschaueranlagen; ON B 2606 -1 Rasenflächen) sowie<br />
Richtlinien des ÖISS (zB für barrierefreie Sportstätten<br />
sowie lichttechnische Anforderungen) eingesetzt werden.<br />
Auch die haustechnischen Anlagen können durch<br />
die Vorgabe technischer Kennzahlen (zB zu erreichende<br />
Luftwechselzahlen, einzuhaltende Brandwiderstandsklassen)<br />
spezifiziert werden. Eine produktspezifische<br />
Beschreibung einzelner Positionen (wenn auch mit dem<br />
Zusatz „oder gleichwertig“) wäre bei der Festlegung der<br />
Leistungs- und Funktionsanforderungen insofern ein<br />
Fremdkörper, als die mit einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
gewollte Verlagerung der (Vor-) Planung<br />
auf den Auftragnehmer wieder (zumindest zum Teil)<br />
rückgängig gemacht werden würde.<br />
Der Gesetzgeber eröffnet ausdrücklich den Einsatz von<br />
technischen Spezifikationen mit <strong>funktionale</strong>m Charakter.<br />
In § 98 Abs 2 Z 2 BVergG wird die Festlegung von technischen<br />
Spezifikationen in Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen<br />
für zulässig erklärt, selbst wenn diese<br />
keine Bezugnahme auf „genormte“ europäische Spezifikationen<br />
gemäß § 98 Abs 2 Z 1 BVergG enthalten. 15 Gemäß<br />
§ 98 Abs 2 Z 3 und 4 BVergG ist es sodann zulässig,<br />
die technischen Spezifikationen in Form von Leistungsund<br />
Funktionsanforderungen mit „genormten“ europäischen<br />
Spezifikationen zu kombinieren. <strong>Die</strong>se Wahlfreiheit<br />
geht auf die korrespondierenden EU-rechtlichen Vorgaben<br />
zurück. 16 Wie aus den einschlägigen Erwägungsgründen<br />
zu dieser Richtlinienbest<strong>im</strong>mung ersichtlich ist, ging es<br />
dem europäischen Gesetzgeber in diesem Zusammenhang<br />
um die Öffnung von Beschaffungsmärkten durch möglichst<br />
technikoffene <strong>Leistungsbeschreibung</strong>en. 17 Es ist daher<br />
auch vor diesem euro parechtlichen Hintergrund zulässig,<br />
innerhalb einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
einzelne Positionen konstruktiv zu beschreiben.<br />
<strong>Die</strong> Vorgabe einzelner konstruktiver Leistungspositionen<br />
(uU unter zusätzlicher Nennung eines Leitproduktes)<br />
kann zB <strong>im</strong> Bereich der technischen Gebäudeausrüstung<br />
15 Zur Unzulässigkeit des Absehens von „genormten“ europäischen<br />
Spezifikationen <strong>im</strong> Anwendungsbereich des BVergG 2002 siehe<br />
Sturm, <strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> Ausschreibung nach dem BVergG 2002,<br />
ZVB 2002, 336, 339.<br />
16 Art 23 RL 2004/18/EG.<br />
17 Der 29. Erwägungsgrund der RL 2004/18/EG lautet folgendermaßen:<br />
„<strong>Die</strong> von öffentlichen Beschaffern erarbeiteten technischen<br />
Spezifikationen sollten es erlauben, die öffentlichen Beschaffungsmärkte<br />
für den Wettbewerb zu öffnen. Hierfür muss es möglich<br />
erforderlich sein, um die Kompatibilität mit Altanlagen<br />
zu gewährleisten. Hingegen kann den regelmäßigen Bedenken<br />
von Auftraggebern <strong>im</strong> Hinblick auf den Einsatz<br />
von Minderqualitäten bei Materialien (zB Schaltern),<br />
Oberflächen (zB Wandpaneele) und Belägen infolge der<br />
„bloß“ <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong> durch entsprechende<br />
Einrichtung von Bemusterungs- und Freigabeprozessen<br />
bzw durch verbindliche Vereinbarung eines<br />
Referenzbaues als Benchmark vertraglich Rechnung<br />
getragen werden. 18<br />
Entscheidet sich der Auftraggeber aus Vorsichtsgründen<br />
für die Vorgabe von konkreten Mindestqualitäten bei best<strong>im</strong>mten<br />
Materialien oder Oberflächen – und n<strong>im</strong>mt er<br />
insofern eine Einschränkung der (grundsätzlich kostensenkenden)<br />
Planungsfreiheit des Auftragnehmers in Kauf<br />
– so hat der Auftragnehmer diese konstruktiv beschriebenen<br />
Mindestqualitäten auch <strong>im</strong> Rahmen einer <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> zu erfüllen.<br />
2.2 <strong>Die</strong> Vergleichbarkeit der Angebote<br />
Das Gebot der Vergleichbarkeit der Angebote sowie das<br />
Verbot der Übertragung nicht kalkulierbarer Risiken gelten<br />
gemäß § 78 Abs 3 BVergG unabhängig davon, ob<br />
der Auftraggeber die Leistung konstruktiv oder funktional<br />
beschreibt. 19 <strong>Die</strong> Einhaltung dieser Grundsätze ist für<br />
den Auftraggeber bereits bei einer konstruktiven Ausschreibung<br />
herausfordernd und vielfach Anlass für die<br />
Anrufung von Vergabekontrollbehörden durch Bieter.<br />
Bei der <strong>funktionale</strong>n Ausschreibung verschärfen sich die<br />
Probleme für den Auftraggeber, da er den Bietern systemkonform<br />
einen Gestaltungsspielraum bei der Lösung<br />
der Aufgabenstellung einräumen muss. Der Auftraggeber<br />
steht daher – in noch viel stärkerem Maß als bei Alternativ-<br />
und Abänderungsangeboten – einerseits vor der<br />
Herausforderung, das mit der Individuallösung verbundene<br />
Ausführungsrisiko nicht unbeschränkt (dh vor<br />
allem in nicht sittenwidriger Weise iSd § 879 ABGB) auf<br />
den Bieter zu überwälzen und andererseits unterschiedliche<br />
Lösungen zum Zweck der Bestbieterermittlung in<br />
nachvollziehbarer Weise miteinander vergleichen und<br />
bewerten zu müssen.<br />
Um dem in § 78 Abs 3 BVergG auch für <strong>funktionale</strong><br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong>en geforderten Gebot der Ver-<br />
sein, Angebote einzureichen, die die Vielfalt technischer Lösungsmöglichkeiten<br />
widerspiegeln. Damit dies gewährleistet ist, müssen<br />
einerseits Leistungs- und Funktionsanforderungen in technischen<br />
Spezifikationen erlaubt sein […].“<br />
18 Damit wird insbesondere Vorsorge dagegen getroffen, dass <strong>im</strong><br />
Zweifel nur ein Werk durchschnittlicher Qualität und Lebensdauer<br />
geschuldet wird (M. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger,<br />
ABGB-Kommentar 3 [2010] Rz 3 zu § 1167).<br />
19 Siehe auch EBRV 1171 BlgNR XXII. GP 67.
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 73<br />
RPA 2011 / 2<br />
gleichbarkeit der Angebote möglichst weitgehend nachzukommen,<br />
hat es sich in der Praxis bewährt, dass der<br />
Auftraggeber folgende Schritte gemäß der Chronologie<br />
eines Vergabeverfahrens einhält: 1. <strong>Die</strong> Beschreibung der<br />
Leistung ist so genau wie möglich zu verfassen, um ein<br />
einheitliches Verständnis des Bau-Soll für alle Bieter zu<br />
gewährleisten. <strong>Die</strong>se Genauigkeit in der <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
umfasst auch die exakte Abgrenzung der vom<br />
Auftragnehmer bzw Auftraggeber während der Projektumsetzung<br />
zu tragenden Risiken (siehe Punkt 2.2.1). 2.<br />
Über die jeweiligen technischen Lösungen der Bieter sind<br />
Verhandlungen zu führen. Ziel der Verhandlungen ist eine<br />
über den Ausschreibungstext hinausgehende Klärung<br />
und Vertiefung der technischen Aufgabenstellung. Dabei<br />
ist seitens des Auftraggebers einerseits die Einhaltung<br />
von „Mindestanforderungen“ <strong>im</strong> Hinblick auf die von<br />
ihm gewählten Leistungs- und Funktionsanforderungen<br />
zu prüfen und andererseits der technische Lösungsansatz<br />
des Bieters vertieft auf seine kosten- und terminmäßigen<br />
Auswirkungen sowie auf die Kompatibilität mit sonstigen<br />
Rahmenbedingungen (zB Genehmigungsfähigkeit,<br />
Förderbarkeit) zu hinterfragen. <strong>Die</strong>ser Verfahrensabschnitt<br />
ist erfolgsentscheidend und dient dem gewollten<br />
und durch vergaberechtliche Spielregeln gesteuerten Wissenstransfer<br />
zwischen Auftraggeber und Bieter (siehe<br />
Punkt 2.2.2). 3. <strong>Die</strong> verbleibenden Differenzen in den<br />
unterschiedlichen technischen Lösungen der Bieter müssen<br />
<strong>im</strong> Rahmen der Zuschlagskriterien bewertet werden.<br />
<strong>Die</strong>s erfordert die Wahl rechtlich zulässiger und wirtschaftlich<br />
bzw technisch zweckmäßiger Zuschlagskriterien<br />
in den Ausschreibungsunterlagen (siehe Punkt<br />
2.2.3).<br />
2.2.1 <strong>Die</strong> Beschreibbarkeit der Leistung und die Verteilung<br />
der Risiken<br />
Der Gesetzgeber statuiert in § 96 Abs 2 BVergG die<br />
Pflicht, das Leistungsziel „hinreichend genau“ (also insbesondere<br />
nicht „eindeutig und vollständig“ wie bei der<br />
20 Pkt. 3.9 ÖNORM B 2110 idF 1.1.2009 (in der Folge „ÖNORM B<br />
2110“) definiert das „Leistungsziel“ als den aus dem Vertrag objektiv<br />
ableitbaren vom Auftraggeber angestrebten Erfolg der Leistungen<br />
des Auftragnehmers. Das Leistungsziel ist vor allem in Pkt.<br />
7.1 ÖNORM B 2110 von Bedeutung, wonach das einseitige Leistungsänderungsrecht<br />
des Auftraggebers nur soweit besteht, als es<br />
„zur Erreichung des Leistungsziels notwendig […] ist.“<br />
21 Siehe auch Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel,<br />
BVergG-Kommentar (2009) § 2 Z 18 Rz 14ff.<br />
22 Insofern übereinst<strong>im</strong>mend verweist § 96 Abs 2 BVergG auf die Beilage<br />
von „Plänen, Zeichnungen, Modellen, Proben, Mustern und<br />
dergleichen“ <strong>im</strong> Rahmen einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong>.<br />
23 Darunter versteht Kropik, Der Bauvertrag und die ÖNORM B<br />
2110 (2009) 58 „technische, organisatorische und zeitliche Rand-<br />
FACHBEITRAG 73<br />
konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong>) sowie „neutral“<br />
zu beschreiben. 20 Darüber hinaus ordnet der Gesetzgeber<br />
(in teilweise redundanter Form) an, dass die für die Angebotserstellung<br />
„maßgebenden Bedingungen und Umstände“,<br />
der „Zweck der fertigen Leistung“ und die „an<br />
die Leistung gestellten Anforderungen in technischer,<br />
wirtschaftlicher, gestalterischer und <strong>funktionale</strong>r Hinsicht“<br />
erkennbar sein müssen. Der Auftraggeber muss<br />
zusammenfassend „eine klare Vorstellung über den Leistungsgegenstand“<br />
vermitteln. Über diese zwangsläufig<br />
sehr allgemein gehaltenen Vorgaben hinaus trifft das<br />
Gesetz keine weiteren Festlegungen.<br />
Anerkannt ist, dass die Beschreibbarkeit der Leistung <strong>im</strong><br />
hier vorliegenden (vergaberechtlichen) Sinn nicht bereits<br />
dann gegeben ist, wenn der Vertragsinhalt aus zivilrechtlicher<br />
Sicht beschreibbar ist, da die zivilrechtliche Beschreibbarkeit<br />
des Vertragsinhaltes durch den Einsatz<br />
unterschiedlicher Mittel der Vertragsauslegung (zB Abstellen<br />
auf den hypothetischen Parteiwillen) und gesetzliche<br />
Dispositivnormen wesentlich früher vorliegen<br />
kann. 21 Im <strong>Baubereich</strong> lässt sich die Beschreibbarkeit der<br />
Leistung <strong>im</strong> vergaberechtlichen Sinn dann als ausreichend<br />
gegeben qualifizieren, wenn der Bieter eine klare<br />
Vorstellung über das sogenannte „Bau-Soll“ hat. <strong>Die</strong>ses<br />
wird gemäß Pkt 3.8 ÖNORM B 2110 insbesondere<br />
durch „Pläne, Baubeschreibungen, technische und rechtliche<br />
Vertragsbest<strong>im</strong>mungen“ 22 sowie den „daraus abzuleitenden,<br />
objektiv zu erwartenden Umständen der<br />
Leistungserbringung“ 23 festgelegt. In der Praxis der<br />
<strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong> <strong>im</strong> Hochbau<br />
kommt vor allem der „Baubeschreibung“ (auch „Projektbeschreibung“,<br />
„Projektdefinition“ oder ähnlich)<br />
vorrangige Bedeutung zu. In ihr wird der Bieter regelmäßig<br />
über folgende Umstände informiert: Übergeordnete<br />
Projektziele (zB Flächenopt<strong>im</strong>ierung, Betriebskostenopt<strong>im</strong>ierung<br />
24 , städtebauliche und architektonische Anliegen),<br />
Lage und Beschaffenheit des Baugrundstückes, Anbindung<br />
an die Verkehrsinfrastruktur, gegebenenfalls<br />
Aufrechterhaltung des Betriebes während des Baues und<br />
bedingungen, unter denen die Leistung zu erbringen ist“. Es handelt<br />
sich bei diesen „objektiven“ Umständen bereits um eine Frage der<br />
ergänzenden Vertragsauslegung, sodass sie bei der Vorweg-Beschreibbarkeit<br />
des Leistungsgegenstandes nicht herangezogen werden<br />
können.<br />
24 Gemäß § 96 Abs 5 BVergG sind bei der Beschreibung der Aufgabenstellung<br />
auch „mit der Leistung in Zusammenhang stehende<br />
allfällige zukünftige laufende bzw anfallende kostenwirksame Faktoren<br />
(zB Betriebs- und Erhaltungsarbeiten, Serviceleistungen, erforderliche<br />
Ersatzteil-Lagerhaltung, Entsorgung) aufzunehmen,<br />
falls deren Kosten ein Zuschlagskriterium bilden“. Es empfiehlt<br />
sich, diese kostenrelevanten Informationen dem Bieter zur Opt<strong>im</strong>ierung<br />
seiner Lösungsvorschläge auch dann offen zu legen, wenn<br />
sie nicht unmittelbar bewertungsrelevant sind.
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 74<br />
74 FACHBEITRAG<br />
RPA 2011 / 2<br />
Errichtung von Provisorien, <strong>funktionale</strong> Anforderungen<br />
an das Gebäudekonzept (zB Axonometrie von Büroflächen),<br />
Raum- und Funktionsprogramm, Raumstandards,<br />
Bau- und Ausstattungsqualitäten, Projektaufbauund<br />
-ablaufplan, Baustelleneinrichtung etc. Darüber hinaus<br />
erfolgt in der Regel die Übergabe weiterer Pläne,<br />
Bestandsunterlagen, Bescheide, Vorprüfberichte, Gutachten,<br />
Fotodokumentationen etc, um den Bietern einen<br />
umfassenden Eindruck von der Bauaufgabe zu vermitteln.<br />
25 Mit der Beistellung dieser Informationen wird<br />
auch § 96 Abs 6 BVergG entsprochen, wonach „örtliche<br />
und zeitliche Umstände oder besondere Anforderungen<br />
hinsichtlich der Art und Weise der Leistungserbringung“<br />
sowie „besondere Erschwernisse oder Erleichterungen“<br />
dem Bieter offen zu legen sind. <strong>Die</strong> Verfassung einer „abschließenden“<br />
Baubeschreibung ist eine der wesentlichsten<br />
Maßnahmen des Auftraggebers zu einer vorbeugenden<br />
Anti-cla<strong>im</strong>-Strategie. Auch scheinbar geringfügige<br />
Fehler in der Baubeschreibung können zu schweren wirtschaftlichen<br />
Nachteilen für den Auftraggeber führen.<br />
<strong>Die</strong>ses Gefahrenpotenzial ist vergleichbar mit demjenigen<br />
der Erstellung eines mangelhaften (konstruktiven)<br />
Leistungsverzeichnisses, das von unrichtigen Qualitäten<br />
oder Quantitäten ausgeht. <strong>Die</strong> Gefahrengeneigtheit bei<br />
der Erstellung einer Baubeschreibung <strong>im</strong> Rahmen einer<br />
<strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong> betrifft in der Praxis<br />
vor allem jene Konsulenten, die sich auf die Durchführung<br />
von <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong>en spezialisiert<br />
haben und <strong>im</strong> Falle eines Beratungsfehlers haftbar<br />
wären. Um einen Ausgleich für dieses Beraterrisiko zu<br />
erlangen (und zum Teil auch um entsprechende Planerhaftpflichtversicherungen<br />
abdecken zu können), werden<br />
die entsprechenden Arbeiten zur Erstellung einer <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> in der Regel nicht nach<br />
Aufwand abgerechnet (dieser kann insbesondere bei Vorliegen<br />
von Erfahrungswerten vergleichsweise gering<br />
sein), sondern nach einem Pauschalbetrag, mit dem sich<br />
das Haftungspotential besser einpreisen lässt.<br />
<strong>Die</strong> möglichst genaue Beschreibung der Bauaufgabe samt<br />
ihrer Rahmenbedingungen dient als Grundlage für die<br />
Aufteilung der Projektrisiken. Nur bei genauer Kenntnis<br />
des „Bau-Soll“ kann eine Diskussion darüber geführt<br />
werden, welche Vertragspartei zu einem best<strong>im</strong>mten Risiko<br />
„näher“ steht, es also besser beherrschen kann und<br />
es daher vor dem Hintergrund einer möglichst partnerschaftlichen<br />
Herangehensweise auch übernehmen soll.<br />
25 Nach Sturm, <strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> Ausschreibung nach dem BVergG<br />
2002, ZVB 2002, 336, 340 müssen gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften<br />
an die Leistung iSd § 922 ABGB nicht ausdrücklich <strong>im</strong><br />
Detail vorgegeben werden (zB die der Bauordnung entsprechenden<br />
K-Werte), sondern nur die über diese Mindestanforderungen hin-<br />
Als Ausgangspunkt für die konkrete Verteilung kann Pkt<br />
7.2 ÖNORM B 2110 („Zuordnung zur Sphäre der Vertragspartner“)<br />
herangezogen werden, demzufolge der<br />
Auftraggeber insbesondere für zur Verfügung gestellte<br />
Unterlagen (Ausschreibungs- und Ausführungsunterlagen),<br />
verzögerte Auftragserteilung, Stoffe (Baugrund,<br />
Materialien, Vorleistungen) und Anordnungen (zB Leistungsänderungen)<br />
sowie für „neutrale“ Risiken (außergewöhnliche<br />
Witterungsverhältnisse, Streik, Aussperrungen<br />
etc) einzustehen hat, der Auftragnehmer hingegen<br />
für Folgen aus unterlassenen Ortsbesichtigungen sowie<br />
für alle nicht dem Auftraggeber ausdrücklich zugeordnete<br />
Risiken. Zusätzlich lassen sich projektspezifische<br />
Risiken, wie zB Behördenrisiken (insbesondere <strong>im</strong> Rahmen<br />
eines UVP-Verfahrens), Bestandsrisiken (Eignung<br />
eines Gebäudeskeletts für – statische relevante – architektonische<br />
Zusatzmaßnahmen) und Materialrisiken (zB<br />
Anfall von Baurestmassen) ebenfalls auf dem Verhandlungsweg<br />
verteilen. Bei der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
ist in diesem Zusammenhang allerdings zu<br />
beachten, dass die in der Planung des Auftragnehmers<br />
gelegenen Risiken grundsätzlich von diesem zu tragen<br />
sind. <strong>Die</strong>se Risikoverteilung ist insofern mit jener Situation<br />
bei einer konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong> zu<br />
vergleichen, bei welcher der Auftragnehmer ein Alternativ-<br />
oder Abänderungsangebot einbringt und daher<br />
normkonform die daraus resultierenden „zusätzlichen<br />
Risiken“ zB in Form einer garantierten Angebotssumme<br />
zu tragen hat (so Pkt 7.2.2. ÖNORM B 2110). <strong>Die</strong> Wahl<br />
der richtigen Baumethode, die Auswahl von Materialien<br />
und Geräten sowie vor allem die angesetzten Massen<br />
(„Vordersätze“) hat bei der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
der Auftragnehmer zu verantworten.<br />
2.2.2 <strong>Die</strong> Wahl des Verhandlungsverfahrens<br />
<strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> führt zwingend<br />
dazu, dass der (zukünftige) Auftragnehmer Planungsleistungen<br />
zu erbringen hat, um die Lösung der vom Auftraggeber<br />
vorgegebenen „Leistungs- und Funktionsanforderungen“<br />
darzutun. <strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
erfordert vom Bieter daher „die Lösung einer<br />
Aufgabenstellung durch Erbringung geistiger Arbeit“.<br />
<strong>Die</strong>s entspricht exakt der Tätigkeitsbeschreibung einer<br />
„geistigen <strong>Die</strong>nstleistung“ iSd § 2 Z 18 BVergG. <strong>Die</strong><br />
<strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> fordert daher geistige<br />
ausgehenden Spezifikationen (bei einer <strong>funktionale</strong>n Gebäudebeschreibung<br />
zB besondere Vorgaben zur Akustik [Schallerzeugung,<br />
-dämmung, -dämpfung], zur Kl<strong>im</strong>atechnik [Wärmedämmung,<br />
Heizung, Lüftungstechnik] etc).
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 75<br />
RPA 2011 / 2<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen des Bieters <strong>im</strong> Rahmen seiner Angebotserstellung.<br />
<strong>Die</strong> Problematik der Vergleichbarkeit von Angeboten <strong>im</strong><br />
Rahmen einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong> ist insofern<br />
mit derjenigen der Vergleichbarkeit von geistigen<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen sehr ähnlich. So ist es zB bei einer <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> <strong>im</strong> <strong>Baubereich</strong> für den<br />
Auftraggeber zwar möglich, das Planungsziel vorzugeben<br />
(zB die Erfüllung eines best<strong>im</strong>mten Raum- und<br />
Funktionsprogrammes für ein zu errichtendes Gebäude,<br />
die Traglast und das Schwingungsverhalten einer Brücke),<br />
system<strong>im</strong>manent ist es aber nicht möglich (weil<br />
nicht gewollt), die zur Lösung der Aufgabenstellung erforderlichen<br />
„Teilleistungen“ vorzugeben. Umso weniger<br />
ist es <strong>im</strong> Rahmen einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
möglich, in der Ausschreibung die für die Zweckerreichung<br />
– je Bieter unterschiedlichen – erforderlichen<br />
Vorgaben und Richtwerte für die Kalkulation bzw für<br />
den zu kalkulierenden Ressourceneinsatz vorzugeben,<br />
um die Angebote zumindest in umfänglicher Sicht miteinander<br />
vergleichen zu können. 26 Welche Personen mit<br />
welcher Qualifikation und in welcher Funktion am Projekt<br />
mitarbeiten, wie deren Arbeitseinsatz in den unterschiedlichen<br />
Planungsphasen vorgesehen ist („Personaleinsatzplan“)<br />
und welche mitarbeiter- und daher kostenrelevanten<br />
Vorkehrungen ein unternehmensinternes<br />
Qualitätssicherungsmanagement (soweit überhaupt vorhanden)<br />
trifft, liegt ausschließlich <strong>im</strong> Bereich des Bieters.<br />
Infolge dieser Unschärfe in der Beschreibbarkeit des<br />
Auftraggebers von dem, „was“ und vor allem „wie“ er<br />
es will, ist es bei geistigen <strong>Die</strong>nstleistungen der Bieter, der<br />
mit seinem Preisangebot über Auftragsinhalt und<br />
Qualität disponiert. Über das Preisangebot generiert der<br />
Bieter den Leistungsinhalt, der nach seiner subjektiven<br />
Einschätzung zur Erfüllung der beschriebenen Aufgabe<br />
erforderlich ist. Das macht aber die Angebote per se unvergleichbar.<br />
27 Bei geistigen <strong>Die</strong>nstleistungen tritt daher<br />
der Fall ein, dass trotz hohen Sachverstandes auf Auftraggeberseite<br />
und allfälliger zusätzlicher Beiziehung externer<br />
Unterstützung die Aufgabenstellung durch Festlegung<br />
von Leistungs- und Funktionsanforderungen zwar<br />
26 Siehe Vavrovsky, Das geschuldete Leistungssoll bei Planerleistungen<br />
<strong>im</strong> Spannungsfeld zwischen geschuldetem Bemühen und erwartetem<br />
Ergebnis (2010) 4.<br />
27 Aicher, <strong>Die</strong> Vergabe geistig-schöpferischer <strong>Die</strong>nstleistungen in<br />
Griller/Holoubek, Grundfragen des Bundesvergabegesetzes 2002<br />
(2004) 222.<br />
28 Insofern besteht eine gewisse Verwandtschaft zwischen den geistigen<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen und den „besonders komplexen Aufträgen“<br />
gemäß § 34 Abs 2 BVergG, wonach als „besonders komplex“ ein<br />
Auftrag dann gilt, wenn der öffentliche Auftraggeber objektiv nicht<br />
in der Lage ist, die technischen Mittel anzugeben, mit denen seine<br />
Bedürfnisse und seine Anforderungen erfüllt werden können oder<br />
FACHBEITRAG 75<br />
möglich ist, aber ohne weitere Interaktion mit den Bietern<br />
zu keinen vergleichbaren Angeboten führt. 28<br />
Als vergabekonforme Verfahrensart ist bei der <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> daher – entgegen dem <strong>im</strong><br />
<strong>Baubereich</strong> sonst herrschenden Pr<strong>im</strong>at des offenen Verfahrens<br />
bzw des nicht offenen Verfahrens mit Bekanntmachung<br />
(§ 27 BVergG) – von der Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens<br />
als Regelverfahren auszugehen. Gemäß<br />
§ 28 Abs 1 Z 3 BVergG können nämlich Bauaufträge<br />
<strong>im</strong> Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nach<br />
vorheriger Bekanntmachung vergeben werden, wenn es<br />
sich um Bauleistungen handelt, „die ihrer Natur nach<br />
oder wegen der mit der Leistungserbringung verbundenen<br />
Risken eine vorherige globale Preisgestaltung nicht<br />
zulassen“. Eine Beschreibung der Bauleistungen „ihrer<br />
Natur nach“ ist bei den meisten Bauvorhaben durch die<br />
Vorgaben von Qualitäten und Quantitäten (also <strong>im</strong> Rahmen<br />
einer konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong>) zwar<br />
möglich, jedoch erfordert dies eine bereits <strong>im</strong> Detail abgeschlossene<br />
(Bau-)Ausführungsplanung des Auftraggebers.<br />
Gerade dies ist bei der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
aber nicht gewollt, da sich der Auftraggeber<br />
durch die gewollte Verlagerung der (Vor-)Planung auf<br />
den Auftragnehmer technische Projektopt<strong>im</strong>ierungen mit<br />
günstigen Auswirkungen auf Kosten und/oder Termine<br />
erwartet. Auch bei Beachtung des Gebotes der Vergleichbarkeit<br />
der Angebote ist die Übernahme des „Ausführungsrisikos“<br />
durch den Auftragnehmer, dass nämlich<br />
die vom Auftraggeber geforderten Leistungs- und Funktionsanforderungen<br />
mit dem vom Auftragnehmer in Eigenverantwortung<br />
ermittelten Qualitäten und Quantitäten<br />
erreicht werden können, system<strong>im</strong>manent. Aufgrund<br />
dieser Risikoverlagerung ist die in § 28 Abs 1 Z 3<br />
BVergG angesprochene „globale Preisgestaltung“ <strong>im</strong><br />
Sinn einer Vorweg-Abschätzbarkeit des Leistungsumfanges<br />
und der Umstände der Leistungserbringung für den<br />
Auftragnehmer nicht (abschließend) möglich. 29 Er trägt<br />
nämlich vor allem das Risiko, dass sich die von ihm ermittelten<br />
Massen bei der Bauausführung als nicht auskömmlich<br />
erweisen (Mengenrisiko). Auch weitere Risken<br />
können dem Auftragnehmer je nach Vertragsgestal-<br />
objektiv nicht in der Lage ist, die rechtlichen oder finanziellen Konditionen<br />
eines Vorhabens anzugeben.<br />
29 <strong>Die</strong> Gesetzesmaterialien (EBRV 1171 BlgNR XXII. GP 47) sprechen<br />
von der Unmöglichkeit der globalen Preisgestaltung, „wenn<br />
Bieter keinen festen Preis für ihre Leistungen angeben können, sondern<br />
Eventualitäten berücksichtigen müssen, die einen direkten<br />
Vergleich der Preisgestaltung unmöglich machen (zB Reparatur -<br />
leistungen, bei denen das erforderliche Ausmaß der notwendigen<br />
Reparaturen erst nach Beginn der Arbeiten eingeschätzt werden<br />
kann)“. AA hingegen Sturm, <strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> Ausschreibung nach<br />
dem BVergG 2002, ZVB 2002, 336, 342.
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 76<br />
76 FACHBEITRAG<br />
RPA 2011 / 2<br />
tung überbunden werden (siehe Punkt 2.2.1). Im Ergebnis<br />
ist daher auch in Anbetracht der engen Auslegung<br />
von Ausnahmevorschriften bei der Wahl der <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> gemäß § 28 Abs 1 Z 3<br />
BVergG das Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung<br />
das Regelverfahren.<br />
2.2.3 <strong>Die</strong> Wahl der Zuschlagskriterien<br />
Am Ende des Verhandlungsprozesses stehen bei der<br />
<strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong> Angebote, die insofern<br />
miteinander vergleichbar sind, als sie die vom Auftraggeber<br />
geforderten Leistungs- und Funktionsanforderungen<br />
<strong>im</strong> Sinne von „Mindestanforderungen“ grundsätzlich<br />
erfüllen, jedoch noch <strong>im</strong>mer auf unterschiedlichen<br />
technischen Lösungswegen samt jeweiligen Kosten<br />
und Terminen beruhen.<br />
Ähnlich wie die Bewertung von (zulässigen) Alternativangeboten<br />
<strong>im</strong> Rahmen einer konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
30 muss auch die Bewertung von unterschiedlichen<br />
Lösungsansätzen <strong>im</strong> Rahmen einer <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> auf Zuschlagskriterien beruhen,<br />
bei deren Festlegung (nämlich in den Ausschreibungsunterlagen<br />
zu Beginn eines Vergabeverfahrens) die möglichen<br />
technischen Lösungswege einzelner Bieter für den<br />
Auftraggeber noch nicht oder nicht ausreichend vorhersehbar<br />
sind. Mit anderen Worten: Der Auftraggeber<br />
muss heute ein Bewertungsschema für die Innovation<br />
von morgen festlegen. Völlig einsichtig ist zunächst, dass<br />
er diese Herausforderung mit dem Preis als einzigem Zuschlagskriterium<br />
nicht bewerkstelligen kann, weshalb die<br />
Anwendung des Billigstbietersystems bei <strong>funktionale</strong>r<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> bereits mangels ausreichender<br />
Aussagekraft für die angebotene Gesamtlösung ausgeschlossen<br />
ist. Darüber hinaus wäre die Wahl des Billigstbietersystems<br />
auch aus rechtlichen Gründen unzulässig,<br />
da es sich bei den unterschiedlichen Lösungsansätzen der<br />
Bieter – wie dargelegt (siehe Punkt 2.2.2) – um geistige<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen handelt, die zwingend einem Bestbietersystem<br />
zu unterwerfen sind. 31 Es bedarf daher bei der<br />
<strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong> zwingend der Anwendung<br />
eines Bestbietersystems und der Festlegung<br />
qualitativer Zuschlagskriterien, mit denen eine „Besser-<br />
30 Siehe dazu Schiefer/Feuchtmüller in Heid/Preslmayr, Handbuch<br />
Vergaberecht 3 (2010) Rz 1153 mwN.<br />
31 Heid in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht 3 (2010) Rz 796.<br />
32 Elsner, Bestbieterermittlung bei Alternativangeboten und <strong>funktionale</strong>r<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> in Schramm/Aicher (Hrsg), Vergaberecht<br />
und PPP I (2004) 53, 61 hält es bei <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong>en<br />
für (ausnahmsweise) sachgerecht, „die Zuschlagskriterien<br />
zumindest teilweise nicht präzise zu gewichten, sondern<br />
in Margen anzugeben.“ Davor ist angesichts der <strong>im</strong>mer restriktiveren<br />
Sichtweise der Vergabekontrollbehörden jedoch abzuraten<br />
erfüllung“ der <strong>funktionale</strong>n Anforderungen technisch<br />
zweckmäßig und in vergaberechtlich nachprüfbarer<br />
Form feststellbar ist. <strong>Die</strong> Praxis greift hierbei auf einen<br />
Mix aus rein linear ableitbaren Qualitätskriterien (zB erreichbare<br />
Grundrissflächen oder Kubaturen, Energiekennzahlen)<br />
und subjektiven Qualitätskriterien (zB<br />
Funktionalität, Gestaltung, Nutzerfreundlichkeit) zurück.<br />
<strong>Die</strong> Anforderungen an diesen Bewertungskatalog<br />
sind grundsätzlich dieselben wie bei allen Bestbieterschemen:<br />
Konkretisierung der Zuschlagskriterien (zum<br />
Zweck eines einheitlichen Bieterverständnisses), Prüfbarkeit<br />
der Zuschlagskriterien <strong>im</strong> Rahmen der Vertragsabwicklung<br />
(dies gilt für die linear ableitbaren Qualitätskriterien),<br />
Gewichtung der Zuschlagskriterien und<br />
Selbstbindung des Auftraggebers an die bekannt gegebenen<br />
Zuschlagskriterien (beides aus Gründen der Bieterfairness<br />
und zur Nachprüfbarkeit des Wertungsergebnisses<br />
für die Vergabekontrollbehörden). 32<br />
3. <strong>Die</strong> Anforderungen an das Angebot<br />
Das BVergG ordnet in § 109 eine Reihe von „besonderen<br />
Best<strong>im</strong>mungen“ für den Inhalt der Angebote bei <strong>funktionale</strong>r<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> an. 33 Demnach „sind die<br />
Angebote so zu erstellen, dass Art und Umfang der Leistung<br />
eindeutig best<strong>im</strong>mt, die Erfüllung der Anforderungen<br />
der Aufgabenstellung nachgewiesen, die Angemessenheit<br />
der geforderten Preise beurteilt und nach Abschluss<br />
der Leistung die vertragsgemäße Erfüllung zweifelsfrei<br />
geprüft werden kann.“ (Abs 1). Weiters hat das<br />
Angebot „grundsätzlich ein vom Bieter zu erstellendes<br />
Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für<br />
alle Teile der funktional beschriebenen Leistung zu<br />
umfassen, dem erforderlichenfalls Pläne und sonstige<br />
Unterlagen gemäß § 96 Abs. 2, auf denen das Leistungsverzeichnis<br />
beruht, samt eingehender Erläuterung, beizufügen<br />
sind.“ (Abs 2). Schließlich hat das Angebot die<br />
Erklärung zu enthalten, „dass der Bieter die Vollständigkeit<br />
seiner Angaben, insbesondere die von ihm selbst ermittelten<br />
Mengen, entweder ohne Einschränkung oder<br />
in einer in den Ausschreibungsunterlagen anzugebenden<br />
Mengentoleranz verantwortet“ (Abs 3) bzw sind <strong>im</strong> Angebot<br />
„die Annahmen zu denen der Bieter in besonderen<br />
(zutreffend Schiefer/Mensdorff-Pouilly in Heid/Preslmayr [Hrsg],<br />
Handbuch Vergaberecht 3 [2010] Rz 1291 ff. Aus denselben Gründen<br />
ist auch von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit zur<br />
Änderung von Zuschlagskriterien <strong>im</strong> Laufe eines Verhandlungsverfahrens<br />
(§ 105 Abs 5 BVergG) tunlichst nicht Gebrauch zu machen.<br />
33 Im Sektorenbereich gelten nur die insofern sehr verkürzten Angebotsvorgaben<br />
des § 258 BVergG, insbesondere entfällt die Pflicht<br />
der Bieter zur Erstellung eines Leistungsverzeichnisses und zur Vollständigkeitserklärung.
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 77<br />
RPA 2011 / 2<br />
Fällen gezwungen ist, weil zum Zeitpunkt der Angebotsangabe<br />
einzelne Teilleistungen nach Art und Menge noch<br />
nicht best<strong>im</strong>mt werden können, erforderlichenfalls an<br />
Hand von Plänen und Mengenermittlungen, zu begründen.“<br />
(Abs 4). Einschränkend weist der Gesetzgeber zuletzt<br />
darauf hin, dass die angeführten Angebotsbest<strong>im</strong>mungen<br />
„nicht für Angebote in jenen Phasen eines Verhandlungsverfahrens<br />
[gelten], für die der Auftraggeber<br />
noch kein vollständig ausgearbeitetes Angebot verlangt.“<br />
(Abs 5).<br />
§ 109 BVergG verfolgt erkennbar den Zweck, einerseits<br />
<strong>im</strong> Sinne der Bietergleichbehandlung die Vergleichbarkeit<br />
der Angebote während des Vergabeverfahrens zu gewährleisten<br />
und andererseits für das Stadium der Vertragsabwicklung<br />
ausreichend Dokumentation für eine<br />
ordnungsgemäße Abrechnung zu sichern. Von besonderem<br />
Interesse sind dabei die „grundsätzliche“ Pflicht<br />
des Bieters zur Erstellung eines Leistungsverzeichnisses<br />
(Abs 2) sowie die Pflicht zur Abgabe einer Vollständigkeitserklärung<br />
(Abs 3). <strong>Die</strong> weiteren Anordnungen lassen<br />
sich <strong>im</strong> Zusammenhang mit diesen beiden Bieterpflichten<br />
klären.<br />
3.1 <strong>Die</strong> Erstellung eines Leistungsverzeichnisses<br />
Spiegelbildlich zur Pflicht des Auftraggebers bei einer<br />
konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong>, Qualitäten und<br />
Quantitäten <strong>im</strong> Rahmen seiner (Vor-) Planung zu ermitteln<br />
und ein Leistungsverzeichnis anhand dieser Informationen<br />
zu erstellen, folgt <strong>im</strong> Zuge der bei <strong>funktionale</strong>r<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> gewollten Verlagerung der (Vor-)<br />
Planung auf den Bieter (siehe Punkt 1) die Anordnung,<br />
dass der Bieter „grundsätzlich“ ein Leistungsverzeichnis<br />
zu erstellen und seinem Angebot beizulegen hat. 34<br />
„Grundsätzlich“ bedeutet <strong>im</strong> hier gegebenen Zusammenhang<br />
nicht „ausnahmslos“ und lässt daher Raum für<br />
Überlegungen, wie man auch ohne Ausarbeitung eines<br />
Leistungsverzeichnisses seitens der Bieter den gesetz -<br />
lichen Vorgaben nachkommen kann.<br />
<strong>Die</strong> Forderung nach einem vom Bieter ausgefüllten Leistungsverzeichnis<br />
bei einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
ist nämlich nicht schlüssig: In den meisten<br />
Fällen mündet die <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> in<br />
einen so genannten „echten Pauschalpreisvertrag“, bei<br />
dem es zu keiner positionsweisen Preisaufgliederung<br />
kommt und die Abrechnung unabhängig von den tatsächlich<br />
verbauten Mengen erfolgt. 35 Mit dem System<br />
34 Pachner/G.Gruber in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG-<br />
Kommentar (2009) § 96 Rz 29 gehen hingegen zu Unrecht (und<br />
ohne weitere Begründung) davon aus, dass „der AG auch bei <strong>funktionale</strong>r<br />
LB nicht darum herumkommt, umfangreiche Leistungen<br />
in einem LV aufzugliedern.“<br />
FACHBEITRAG 77<br />
eines echten Pauschalpreises ist auch die Forderung in<br />
§ 109 Abs 3 BVergG nach einer Erklärung des Bieters<br />
verträglich, in der er die Vollständigkeit insbesondere der<br />
von ihm selbst ermittelten Mengen bestätigt (Vollständigkeits-<br />
und Massengarantie). Zu Unst<strong>im</strong>migkeiten mit<br />
dem System des echten Pauschalpreises kann es hingegen<br />
dann kommen, wenn der Bieter – wie in § 109 Abs 2<br />
BVergG gefordert – ein Leistungsverzeichnis zu erstellen<br />
hat, das „Mengen und Preisangaben für alle Teile der<br />
funktional beschriebenen Leistungen zu umfassen hat“.<br />
Liegt dem Pauschalpreis nämlich ein Leistungsverzeichnis<br />
mit ausgepreisten Einzelpositionen zu Grunde,<br />
spricht man von einem so genannten „unechten Pauschalpreisvertrag“,<br />
bei dem sich der Pauschalpreis aus<br />
der Addition der Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses<br />
ableiten lässt. 36 Der Nachteil des unechten Pauschalpreisvertrages<br />
liegt für den Auftraggeber nunmehr<br />
in dem Umstand, dass trotz Massengarantie des Auftragnehmers<br />
die fein gegliederte Preisstruktur eines Leistungsverzeichnisses<br />
tendenziell zu einer Abrechnung<br />
nach Aufmaß „verleitet“ bzw der Auftragnehmer durch<br />
Offenlegung seiner Preisbestandteile <strong>im</strong> Angebot Argumente<br />
für ein allfälliges Cla<strong>im</strong>-Management erhält (insbesondere<br />
für den Fall von Bauzeitverzögerungen, Leistungsverdünnungen<br />
etc). <strong>Die</strong> Gefahrengeneigtheit des<br />
unechten Pauschalpreisvertrages für den Auftraggeber<br />
wird bei der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong> zusätzlich<br />
dadurch verstärkt, dass fehlende Positionen in der<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> des Bieters („lückenhaftes Leistungsverzeichnis“)<br />
zwar infolge der Verlagerung der Verantwortung<br />
für Planungsleistungen auf den Bieter grundsätzlich<br />
in dessen Risikosphäre fallen, der Auftraggeber<br />
jedoch regelmäßig mit dem Einwand rechnen muss, das<br />
vom Bieter erstellte Leistungsverzeichnis nicht ausreichend<br />
auf Vollständigkeit geprüft zu haben. Mit anderen<br />
Worten: Be<strong>im</strong> unechten Pauschalpreisvertrag, der auf<br />
einem vom Bieter erstellten und ausgepreisten Leistungsverzeichnis<br />
beruht, besteht für den Auftraggeber die Gefahr<br />
der Aushöhlung von Vollständigkeits- (insbesondere<br />
Massen-) und Funktionszusagen.<br />
In der Praxis hat es sich daher bewährt, von den Bietern<br />
keine detaillierten Leistungsverzeichnisse ausarbeiten zu<br />
lassen, sondern Preise entsprechend der vom Auftraggeber<br />
vorgegebenen Gliederung in beigestellten Preisblättern<br />
abzufragen. Eine taugliche Grundlage für einen entsprechenden<br />
Raster <strong>im</strong> Preisblatt bietet die ÖNORM B<br />
1801-1 idF 1.6.2009 („Bauprojekt- und Objektmanage-<br />
35 Karasek, ÖNORM B 2110 2 (2009) Rz 1445 mwN.<br />
36 Karasek, ÖNORM B 2110 2 (2009) Rz 1445 mwN.
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 78<br />
78 FACHBEITRAG<br />
ment/ Teil 1: Objekterrichtung“) mit ihrer Aufteilung der<br />
„Gesamtkosten“ in 10 Kostengruppen (Grund, Aufschließung,<br />
Bauwerk-Rohbau, Bauwerk-Technik, Bauwerk-Ausbau<br />
etc). Anhang A der ÖNORM B 1801-1<br />
gliedert und bezeichnet diese 10 Kostengruppen in Anlehnung<br />
an die standardisierten <strong>Leistungsbeschreibung</strong>en<br />
(insbesondere LB-HB) und bildet damit die Verbindung<br />
zur Struktur der in Kalkulationsabteilungen eingesetzten<br />
Bausoftware. <strong>Die</strong>se Vorgehensweise verbindet die Vorteile<br />
einer für den Auftraggeber ausreichend aussagekräftigen<br />
Preisaufgliederung <strong>im</strong> Stadium der Angebotsprüfung<br />
(Pflicht gemäß § 109 Abs 1 BVergG zur Prüfung<br />
der Preisangemessenheit) mit der Kostenstabilität eines<br />
echten Pauschalpreisvertrages. Nicht zuletzt bedeutet<br />
eine bloße ÖNORMEN-Gliederung des Angebotes auch<br />
für die Bieter eine Erleichterung <strong>im</strong> Vergabeprozess, da<br />
sie nicht zwingend Einzelkalkulationen für eine Vielzahl<br />
von Einzelpositionen erstellen müssen, sondern über<br />
flächen- oder kubaturbezogene Erfahrungswerte den<br />
Pauschalpreis ermitteln können. Gerade in jenen Stadien<br />
eines Vergabeverfahrens, in denen noch mit mehreren<br />
Bietern parallel verhandelt wird, empfiehlt sich diese<br />
Vorgehensweise zur Min<strong>im</strong>ierung des Verfahrens -<br />
aufwandes (siehe in diesem Zusammenhang auch § 109<br />
Abs 5 BVergG, wonach die Forderung nach einem Leistungsverzeichnis<br />
„nicht für Angebote in jenen Phasen<br />
eines Verhandlungsverfahrens [gilt], für die der Auf -<br />
traggeber noch kein vollständig ausgearbeitetes Angebot<br />
verlangt“.<br />
Vorteile bringt ein ausgepreistes Leistungsverzeichnis<br />
hingegen unstrittig <strong>im</strong> Rahmen des Änderungsmanagements,<br />
da durch Kenntnis der Urkalkulation des Bieters<br />
die Preisgrundlagen für Nachträge offengelegt sind. <strong>Die</strong><br />
Praxis behilft sich hier zur Erlangung eines echten Pauschalpreisvertrages<br />
der verbindlichen Festlegung mehr<br />
oder weniger umfangreicher „Einheitspreislisten“, in<br />
welche jene Positionen mit Preisen aufgenommen werden,<br />
die aller Voraussicht nach Änderungen unterliegen<br />
könnten (zB <strong>im</strong> Hinblick auf nutzerbedingte Qualitätserhöhungen<br />
bei Nichtinanspruchnahme der Bauherrenreserve).<br />
3.2 <strong>Die</strong> Vergütung von Vorarbeiten bzw Ausarbeitungen<br />
Wie bereits mehrfach ausgeführt, besteht eines der wesentlichen<br />
Merkmale einer <strong>funktionale</strong>n Leistungs -<br />
beschreibung in der gewollten Verlagerung der (Vor-)<br />
37 Ausdrücklich auch EBRV 1171 BlgNR XXII. GP 67.<br />
38 Für den Sektorenbereich bestehen keine gesetzlichen Vergütungsregeln<br />
für die Angebotserstellung (siehe Stempkowski/Holzinger in<br />
Heid/Preslmayr (Hrsg), Handbuch Vergaberecht 3 [2010] Rz 1682,<br />
RPA 2011 / 2<br />
Planung auf den Auftragnehmer. Konsequenterweise ist<br />
daher die <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> in § 78<br />
Abs 3 BVergG vom Verbot der Überwälzung „umfangreicher<br />
Vorarbeiten“ auf die Bieter ausgenommen. 37 Keine<br />
Regelung trifft § 78 Abs 3 BVergG hingegen für die<br />
Frage, ob der Bieter den für die Erstellung der „umfangreichen<br />
Vorarbeiten“ anfallenden Aufwand letzten Endes<br />
auch selber tragen muss. <strong>Die</strong> Frage der Vergütung für die<br />
Ausarbeitung von Angeboten wird in § 111 BVergG 38<br />
geregelt, weshalb diese beiden Best<strong>im</strong>mungen in einer<br />
Zusammenschau zu lesen sind.<br />
Mit den „umfangreichen Vorarbeiten“ iSd § 78 Abs 3<br />
BVergG, die bei <strong>funktionale</strong>n Ausschreibungen ausnahmsweise<br />
auf die Bieter überwälzt werden dürfen,<br />
meint das BVergG – da Ausnahmetatbestände grundsätzlich<br />
eng auszulegen sind – wohl nur solche, die gerade<br />
aus der Eigenart der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
entstehen. <strong>Die</strong> Erstellung eines geologischen Gutachtens<br />
würde etwa nur dann dazu gehören, wenn der<br />
Standort des zu errichtenden Bauwerkes vom Bieter <strong>im</strong><br />
Rahmen seiner Angebotserstellung selbst gewählt und<br />
geplant werden muss. In diesem Fall ist es einsichtig, dass<br />
der jeweilige Bieter „sein“ Bodengutachten gerade für<br />
„seinen“ Standort erstellen muss, weil es vom Auftraggeber<br />
sinnvollerweise gar nicht vorgegeben werden<br />
kann. 39 Im Umkehrschluss resultiert daraus, dass die Erstellung<br />
eines geologischen Gutachtens über einen vom<br />
Auftraggeber vorgegebenen (einheitlichen) Standort den<br />
Bietern selbst dann nicht <strong>im</strong> Rahmen ihrer Angebotserstellung<br />
auferlegt werden dürfte, wenn der Auftraggeber<br />
die entsprechenden Kosten übern<strong>im</strong>mt. Damit reduziert<br />
sich die Frage der Vergütungspflicht des Auftraggebers<br />
bei rechtskonformer Vorgehensweise ausschließlich auf<br />
jene Fälle, in denen der Bieter für die Erarbeitung gerade<br />
seiner eigenen individuellen Lösung „umfangreiche Vorarbeiten“<br />
(§ 78 Abs 3 BVergG) bzw „besondere Ausarbeitungen“<br />
(§ 111 Abs 3 BVergG) benötigt. Sollte ein<br />
Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen jedoch<br />
unzulässigerweise in seinen Leistungsbereich fallende Arbeiten<br />
an die Bieter auslagern (und wird diese Best<strong>im</strong>mung<br />
mangels Bekämpfung anfechtungsfest), so stünde<br />
den Bietern dafür wohl grundsätzlich ein Vergütungsanspruch<br />
zu.<br />
Unabhängig von der Frage, ob „umfangreiche Vorarbeiten“<br />
(§ 78 Abs 3 BVergG) bzw „besondere Ausarbeitungen“<br />
(§ 111 Abs 3 BVergG) vom Auftraggeber zuläs -<br />
sigerweise oder unzulässigerweise auf den Bieter über-<br />
weshalb die nachfolgenden Ausführungen nur für den klassischen<br />
Bereich gelten.<br />
39 Beispiel bei Heid/Kurz in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht 3<br />
(2010) Rz 984.
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 79<br />
RPA 2011 / 2 FACHBEITRAG<br />
79<br />
wälzt wurden, erstreckt sich die Vergütungspflicht des<br />
Auftraggebers gemäß der Einschränkung in § 111 Abs<br />
1 BVergG jedenfalls nicht auf die auf Bieterseite anfallenden<br />
„Kosten der Kalkulation und alle hierzu erforderlichen<br />
Vorarbeiten“, da diese der Gesetzgeber ausdrücklich<br />
nicht als „besondere Ausarbeitungen“ iSd<br />
§ 111 Abs 3 versteht. 40 Ein gänzlicher Entfall der<br />
Kostenersatzpflicht ist für den Fall vorgesehen, dass das<br />
Angebot der Ausschreibung „nicht entspricht“ (§ 111<br />
Abs 3 letzter Satz), also gemäß § 129 BVergG auszuscheiden<br />
ist. 41<br />
Abweichend vom BVergG 2002 regelt das BVergG 2006<br />
nunmehr in § 111 Abs 3 über alle Novellierungen unverändert,<br />
dass die Vergütungspflicht für die Erstellung<br />
von Angeboten bei <strong>funktionale</strong>r <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
nicht mehr ausgeschlossen ist. Gerade die <strong>funktionale</strong><br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> verlange von den Bietern nach<br />
den Intentionen des Gesetzgebers die Übernahme von<br />
aufwendigen Vorarbeiten, um ein Angebot erstellen zu<br />
können; Aufwendungen, die bei konstruktiver <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
dem Auftraggeber erwachsen. Ein genereller<br />
Ausschluss der Vergütung bei <strong>funktionale</strong>r <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
erscheine daher nicht sachgerecht, vielmehr<br />
werde es gerade bei einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong>,<br />
wenn besondere Ausarbeitungen damit<br />
verbunden sind, zu einer Vergütung kommen. 42 Sollte<br />
diese Änderung der Gesetzeslage, wie von einem Teil des<br />
Schrifttums vermutet 43 , tatsächlich auf jene kritische Anmerkung<br />
zurückgehen, dass die <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
nicht dazu vom Auftraggeber verwendet<br />
werden darf, um sich unentgeltlich Leistungen zu beschaffen,<br />
die er zu besorgen hätte 44 , so würde der Gesetzgeber<br />
mit der Formulierung des § 111 Abs 3 BVergG<br />
– und der darin vorgesehenen Vergütungspflicht für alle<br />
„besonderen Ausarbeitungen“ – über das Ziel hinausschießen.<br />
In der Tat lässt sich der Wortlaut des § 111<br />
Abs 3 BVergG in Verbindung mit den einschlägigen Gesetzesmaterialien<br />
leider nur so verstehen, dass es dem<br />
Gesetzgeber darauf angekommen ist, unterschiedslos für<br />
alle „besonderen Ausarbeitungen“ der Bieter eine Vergütungspflicht<br />
des Auftraggebers vorzusehen, gleichgül-<br />
40 Unklar ist allerdings der Umfang dieser Ausnahme, da letztlich<br />
wohl alle kostenwirksamen Ausarbeitungen der Bieter in irgendeiner<br />
Form kalkulationsrelevant sein werden und somit <strong>im</strong> Ergebnis<br />
alle Bieteraufwendungen als kostenneutral behandelt werden könnten.<br />
Darüber hinaus passt die weitere Kostenübernahmeeinschränkung<br />
des § 111 Abs 1 BVergG für „das Ausfüllen des Leistungsverzeichnisses“<br />
(es wird – wenn überhaupt – gemäß § 109 Abs 2<br />
BVergG vom Bieter erstellt) nicht auf den Fall einer <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong>.<br />
41 So auch G.Gruber in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG-<br />
Kommentar (2009) § 111 Rz 8.<br />
42 So EBRV 1171 BlgNR XXII. GP 80.<br />
43 Pachner/G.Gruber in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG-<br />
Kommentar (2009) § 96 Rz 31.<br />
tig ob diese Ausarbeitungen in den Aufgabenbereich des<br />
Auftraggebers fallen (weil sie allgemein für alle denkbaren<br />
Angebotsstellungen von Bedeutung sind – siehe das<br />
obige Beispiel mit dem geologischen Gutachten bei<br />
einem vom Auftraggeber vorgegebenen Standort des<br />
Bauwerks) oder aufgrund der Besonderheiten der <strong>funktionale</strong>n<br />
<strong>Leistungsbeschreibung</strong> bereits einen Teil der individuellen<br />
Aufgabenlösung des Bieters bilden.<br />
Eine Pflicht des Auftraggebers auch zur Kostentragung<br />
der infolge individueller Planung für die Angebotserstellung<br />
auf Bieterseite anfallenden Kosten ist sachlich aber<br />
nicht zu rechtfertigen. Sie widerspricht der für Auftraggeber<br />
und Bieter bei <strong>funktionale</strong>n Ausschreibungen system<strong>im</strong>manenten<br />
Übertragung von Planungsfreiheit bzw<br />
Planungsrisiko auf die Bieter. Wenn § 111 Abs 1 BVergG<br />
bei konstruktiven Ausschreibungen den Auftraggeber<br />
nicht für ausschreibungstypische Bieteraufwendungen<br />
(Erstellung der Kalkulation samt Vorarbeiten, Ausfüllen<br />
des Leistungsverzeichnisses, Erstellung von Alternativund<br />
Abänderungsangeboten) vergütungspflichtig werden<br />
lässt, so muss dies auch für ausschreibungstypische Bieteraufwendungen<br />
bei einer <strong>funktionale</strong>n Ausschreibung,<br />
dh die jeweiligen individuellen Planungskosten und damit<br />
verbundenen sonstigen Aufwendungen für eine <strong>funktionale</strong><br />
Angebotsstellung, gelten. Immerhin liegt es am<br />
jeweiligen Unternehmen, die entstehenden Akquisitionskosten<br />
gegen die Auftragschancen abzuwägen und sich<br />
an einer <strong>funktionale</strong>n Ausschreibung zu beteiligen oder<br />
auch nicht. Ein Grund für die Bevorzugung der konstruktiven<br />
Ausschreibung <strong>im</strong> Verhältnis zur <strong>funktionale</strong>n<br />
Ausschreibung würde auch der in § 95 Abs 1 BVergG<br />
eingeräumten freien Wahlmöglichkeit zwischen diesen<br />
beiden Ausschreibungsarten widersprechen. 45 Unzutreffend<br />
ist daher die unter Verweis auf die hohen Bieterkosten<br />
<strong>im</strong> Vergleich zu einer konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
vertretene Ansicht, dass Aufwendungen, die<br />
bei konstruktiver <strong>Leistungsbeschreibung</strong> dem Auftraggeber<br />
erwachsen würden und bei <strong>funktionale</strong>r <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
dem Bieter erwachsen, als Vorarbeiten angesehen<br />
werden, welche jedenfalls zu einer Vergütungspflicht<br />
führen. 46 Zum einen geht diese Auffassung von<br />
44 Aicher, <strong>Die</strong> Vergabe geistig-schöpferischer <strong>Die</strong>nstleistungen in Griller/<br />
Holoubek (Hrsg), Grundfragen des Bundesvergabegesetzes 2002<br />
(2004) 203, 212 FN 12.<br />
45 <strong>Die</strong>s wäre uU sogar richtlinienwidrig, da <strong>im</strong> 29. Erwägungsgrund<br />
zur RL 2004/18/EG darauf hingewiesen wird, dass zum Zweck des<br />
Wettbewerbs auf öffentlichen Beschaffungsmärkten „es möglich<br />
sein [muss], Angebote einzureichen, die die Vielzahl technischer<br />
Lösungsmöglichkeiten widerspiegeln […]“.<br />
46 So aber Kropik, <strong>Die</strong> Beschreibung von Bauleistungen: konstruktiv<br />
vs funktional, ZVB 2006, 296, 301. Ihm folgend G.Gruber in<br />
Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG-Kommentar (2009)<br />
§ 111 Rz 7.
RPA Heft 2-2011_RPA 2-2011 18.04.2011 12:06 Seite 80<br />
80 FACHBEITRAG<br />
RPA 2011 / 2<br />
nicht verifizierbaren Annahmen bei der Berechnung des<br />
Bieteraufwandes aus (und lässt insbesondere außer Acht,<br />
das <strong>funktionale</strong> Ausschreibungen regelmäßig <strong>im</strong> Verhandlungsverfahren<br />
nach vorheriger Bekanntmachung<br />
abgewickelt werden, in denen eine Präqualifikation auf<br />
einen eingeschränkten Bieterkreis erfolgt), zum anderen<br />
wäre der Auftraggeber abhängig von der Bieterzahl <strong>im</strong><br />
Ergebnis gezwungen, ein Vielfaches an Planungskosten<br />
<strong>im</strong> Vergleich zu einer konstruktiven Ausschreibung zu<br />
vergüten. Sollten sich diese Vergütungen darüber hinaus<br />
– wie vorgeschlagen – noch an den einschlägigen Honorarrichtlinien<br />
(zB für Vorentwurf, Entwurf) orientieren,<br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> bietet<br />
sich dann an, wenn von den Bietern innova -<br />
tive Lösungen erwartet werden oder auf eine<br />
konstruktive Ausschreibung verzichtet wird,<br />
weil eine zu enge Produktspezifikation zu einer<br />
Markteinengung führen könnte. Mit der<br />
gewollten Verlagerung der Planung auf den<br />
Auftragnehmer kann dieser sein gesamtes<br />
technisches und baubetriebliches Know-how<br />
einbringen. <strong>Die</strong>s erhöht die Identifikation mit<br />
dem Projekt und verkürzt in der Regel die<br />
Projektgesamtdauer.<br />
Mögliche Nachteile der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
liegen <strong>im</strong> reduzierten Einfluss<br />
des Auftraggebers auf den Bauablauf<br />
und die Materialwahl. Der reine Vergabeprozess<br />
ist darüber hinaus <strong>im</strong> Vergleich zu einer<br />
konstruktiven <strong>Leistungsbeschreibung</strong> zeitlich<br />
und personell aufwendiger.<br />
<strong>Die</strong> Qualität der <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
ist jedenfalls von zentraler Bedeutung.<br />
Das Bau-Soll und seine Rahmenbedingungen<br />
sind vom Auftraggeber so abschließend<br />
wie möglich und auf für alle Bieter (gleich) verständliche<br />
Weise zu definieren. Projektrisiken<br />
sind transparent und dem Grundsatz der Beherrschbarkeit<br />
folgend fair zu verteilen. <strong>Die</strong><br />
Verlagerung der Planung auf den Auftragnehmer<br />
führt jedenfalls auch zur Verlagerung des<br />
47 § 86 Abs 3 BVergG 2002 lautete folgendermaßen: „Sofern es sich<br />
nicht um eine Ausschreibung <strong>im</strong> Sinne des § 74 Abs 2 [Anm: <strong>funktionale</strong><br />
Ausschreibung] handelt, so ist, falls besondere Ausarbei-<br />
so wäre die Durchführung einer <strong>funktionale</strong>n <strong>Leistungsbeschreibung</strong><br />
für den Auftraggeber ein „unkalkulierbares<br />
Risiko“ und müsste wohl in den meisten Fällen an<br />
der Finanzier- und Argumentierbarkeit der Beschaffungskosten<br />
scheitern.<br />
Solange der Gesetzgeber jedoch den weiten Gesetzeswortlaut<br />
in § 111 Abs 3 BVergG nicht korrigiert (zB<br />
durch Wiederherstellung der Gesetzeslage gemäß § 86<br />
Abs 3 BVergG 2002 47 ), ist vom Auftraggeber in seinen<br />
Ausschreibungsunterlagen für eine sachgerechte – vom<br />
Gesetzeswortlaut abweichende – Vergütungsregelung<br />
Sorge zu tragen.<br />
Planungsrisikos. <strong>Die</strong> vom Auftragnehmer abzugebende<br />
Vollständigkeits- und Funktionsgarantie<br />
entlastet den Auftraggeber zusätzlich.<br />
Das Regelverfahren für die Vergabe von funktional<br />
beschriebenen Bauleistungen ist das<br />
Verhandlungsverfahren. Der Auftraggeber<br />
prüft unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes<br />
die Einhaltung der Mindestanforderungen<br />
durch die Bieter und verhandelt<br />
über ihre jeweiligen technischen Lösungen.<br />
Verbleibende Unterschiede sind <strong>im</strong> Rahmen<br />
der Zuschlagskriterien zu bewerten. <strong>Die</strong><br />
Nichteinhaltung von Mindestanforderungen<br />
führt zum Ausscheiden des Bieters und zum<br />
Verlust des Vergütungsanspruches für besondere<br />
Angebotsausarbeitungen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>funktionale</strong> <strong>Leistungsbeschreibung</strong> mündet<br />
in der Regel in einen Pauschalpreisvertrag.<br />
<strong>Die</strong> Erstellung eines Leistungsverzeichnisses<br />
durch den Bieter ist nicht zwingend erforderlich.<br />
Mit aussagekräftigen Preisblättern und<br />
ergänzenden Einheitspreislisten kann <strong>im</strong> Vergabeverfahren<br />
einerseits die Preisangemessenheit<br />
aussagekräftig geprüft und andererseits<br />
bei der Abrechnung auf einen „echten Pauschalpreisvertrag“<br />
zurückgegriffen werden.<br />
<strong>Die</strong>s sichert die Kostenstabilität des Projektes,<br />
auch <strong>im</strong> Hinblick auf das Änderungs- und<br />
Nachtragsmanagement.<br />
tungen verlangt werden, hierfür eine Vergütung – allenfalls nach<br />
bestehenden Tarifen – vorzusehen […]“.