02.03.2013 Aufrufe

Materialien Heft 39/2001, Historische Kulturlandschaft - Bayerisches ...

Materialien Heft 39/2001, Historische Kulturlandschaft - Bayerisches ...

Materialien Heft 39/2001, Historische Kulturlandschaft - Bayerisches ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Buchhof über 91 Anwesen, die Kirche und zwei<br />

Mühlen. Bis auf den Pfarrhof (Pfarrbesitz) sowie<br />

die Schule, Gemeindeschmiede und den Zehentstadel<br />

(Gemeindebesitz) war das »Hospital der<br />

Stadt Augsburg« alleiniger Grundherr im Ort. Die<br />

hohe Gerichtsbarkeit übte die Markgrafschaft<br />

Burgau aus. 1810 waren folgende Handwerkszweige<br />

in Mittelneufnach tätig: ein Bäcker, ein<br />

Bierbrauer, ein Branntweinbrenner, ein Fleischer,<br />

ein Hafner, ein Hucker, zwei Müller (davon eine<br />

Sägemühle), ein Ölmüller, vier Pottaschensieder,<br />

ein Schneider, ein Schreiner, ein Schuster. Das<br />

Obervogtamt in Mittelneufnach wurde 1800 aufgelöst,<br />

drei Jahre später kam das Gemeindegebiet<br />

an Bayern, im 20. Jahrhundert schließlich vom<br />

Altlandkreis Schwabmünchen an den Landkreis<br />

Augsburg.<br />

Für die Entwicklung der älteren bäuerlichen<br />

Hausformen war zunächst die Verfügbarkeit von<br />

Bauholz von großer Wichtigkeit. Im Spitalholz<br />

wurden reine Fichtenabteilungen für diesen<br />

Zweck gehegt. Das Staudengebiet wird bereits<br />

zum Verbreitungsgebiet der einfirstigen Hofanlagen<br />

gerechnet. Als Sonderform sind beim sogenannten<br />

Staudenhaus eine Traufe über dem Erdgeschoss<br />

und die gegenüberliegende, zumeist die<br />

sonnenseitige, über dem ersten Obergeschoss zu<br />

sehen.<br />

Die Waldentwicklung im Gemeindegebiet ist eng<br />

mit der Besiedlungsgeschichte verknüpft.<br />

Herrscht in den Tälern und auf den Hängen der<br />

Gemeinde Mittelneufnach Dauergrünland mit<br />

Wiesen und Weiden zu rund 80% vor, nurmehr<br />

20% der Fläche werden als Ackerland vor allem<br />

mit Mais-, Gerste- und Weizenanbau genutzt, so<br />

griff man vor allem in Notzeiten und zur Gewinnung<br />

von Ackerland immer wieder auf den Wald<br />

zurück, der jedoch bis zur Säkularisation im Besitz<br />

der Kirche, von Standesherren und dann erst<br />

der Gemeinde und ihren Bewohnern stand. Der<br />

Landschaftsbegriff Stauden bezeichnet einen<br />

Niederwald schlechtester Beschaffenheit, synonym<br />

zum gelegentlich auch verwendeten Begriff<br />

»rauher Forst«. Schon im Mittelalter war durch<br />

Raubbau und Kahlhieb der Oberwald flächig<br />

»abgetrieben« und beseitigt worden. Aus Stockausschlägen<br />

der Laubbäume entstand dort ein<br />

Niederwald mit Büschen und Sträuchern. Neben<br />

dem Einschlag für Bau- und Brennholz hatte das<br />

Brennen der Holzkohle den Wald stark geschädigt.<br />

An die vier im Jahre 1810 in Mittelneufnach<br />

ansässigen Pottaschensieder, die Sägmühle<br />

und den Schreiner wird in dem Zusammenhang<br />

erinnert.<br />

In Wäldern der geistlichen Einrichtungen fanden<br />

zentrale Hiebe auf kleinen Flächen statt, so dass<br />

ein verhältnismäßig guter Waldzustand die Folge<br />

blieb. Im Bereich des Obervogtamtes Mittelneufnach<br />

stockten 1626 »größtentheils Buchen<br />

und Eichen mit Fichten und Birken gemischt in<br />

schön wüchsigen Hochwaldbeständen«. Im Jahre<br />

1768 erlaubte das Heilig-Geist-Spital seinen<br />

Untertanen einen jährlichen freien Brennholzbezug<br />

aus dem Spitalwald und die Waldweide,<br />

was in der Folge zu regellosen Beeinträchtigungen<br />

und um 1800 schließlich zur Abtretung<br />

von Kleinprivatwäldern mit nach dieser Art von<br />

Plenterwirtschaft verwüsteten Waldabteilungen<br />

führte. Abnehmer des Brenn- und Bauholzes<br />

sowie der großen Reisigbündel, genannt Borzen<br />

oder Wellen, waren überwiegend Kunden im<br />

Raum Augsburg, Brauereien, Ziegelbrennereien<br />

und Kalköfen. Nachdem dieser Wald im Jahre<br />

1803 dem Lande Bayern zugefallen war, legte die<br />

Forsteinrichtungsinstruktion um 1815 fest, 1/3<br />

der Flächen als Buchen- und Fichtenhochwald<br />

und 2/3 als Ausschlagwald auszuweisen. Neben<br />

Hochwaldbeständen waren Übergangsbestände<br />

aus Mittelwaldungen und verkommene Mittelwaldreste<br />

aus Birken-, Aspen- und Erlen-Stockausschlägen<br />

vorhanden. Neuaufforstungen mit<br />

Fichten überlagerten mehr und mehr verbliebene<br />

Eichenbestände und Streunutzungen der Waldweiden.<br />

Die primäre Funktion des Spitalwaldes<br />

liegt gegenwärtig in der Bereitstellung von Naherholungsangeboten<br />

für Bewohner des Großraums<br />

Augsburg. Fernab großer Hauptverkehrswege<br />

und an wirtschaftlich-industrieller Eigendynamik<br />

durch eine lange vorherrschende Feudalherrschaft<br />

behindert, hat das Staudengebiet<br />

heute einen hohen Erholungswert in Schwabens<br />

einzigem, 1988 konstituiertem Naturpark »Augsburg<br />

— Westliche Wälder«.<br />

Die heute sichtbare <strong>Kulturlandschaft</strong> um Mittelneufnach<br />

entspricht noch weitgehend der Situation,<br />

wie sie im Extraditionsplan dokumentiert<br />

ist. Sie repräsentiert die kirchlich geprägten herrschaftlichen<br />

Besitzverhältnisse ausgangs des<br />

Mittelalters. Eine deutliche Zäsur durch die<br />

Säkularisation ist nicht nachvollziehbar. Veränderungen<br />

neuerer Zeit in den Feldflurgrenzen<br />

halten sich im Rahmen. Das vollständig erhaltene<br />

Feldwegenetz prägt nach wie vor den Charakter<br />

der Landschaft wie auch der Feldaufteilung.<br />

93

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!