Materialien Heft 39/2001, Historische Kulturlandschaft - Bayerisches ...
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Der Siedlungsraum Stauden wurde den dort<br />
anzutreffenden Ortsnamen nach erst im<br />
8.-10. Jahrhundert flächig erschlossen. Die fränkisch-fiskalisch<br />
klingenden Ortsnamen Langenneufnach,<br />
Mittelneufnach und Oberneufnach<br />
legen eine Entstehung im 8. Jahrhundert in der<br />
Karolinger-Zeit unter<br />
der Einwirkung königli-<br />
Geschichte der<br />
<strong>Kulturlandschaft</strong><br />
cher Beauftragter nahe.<br />
Auch Reichertshofen<br />
dürfte im 8. Jahrhundert<br />
als Rodesiedlung<br />
angelegt worden sein.<br />
Das herrschaftliche<br />
Ordnungssystem ruhte seit dem 8. Jahrhundert<br />
auf den Säulen des Königtums, des Adels und der<br />
Kirche. Reichs- und Königshöfe bildeten wichtige<br />
Mittelpunkte der Verwaltung und der Wirtschaft.<br />
Auf einen Ortsadel in Mittelneufnach, Buchhof<br />
und Reichertshofen des 11. und 12. Jahrhunderts<br />
weisen keine schriftlichen Zeugnisse hin, der<br />
Burgstall der Edlen von Knöringen unter dem<br />
Forstamtshaus (Schlößle) in Mitteldachstetten<br />
sowie eine Burg am Weg nach Immelstetten bei<br />
Buchhof (am »Schloßberg«) dürfen jedoch als<br />
Tatsache angenommen werden. In Reichertshofen<br />
hatte um 1300 die Herrschaft Seifriedsberg in<br />
der Nachfolge eines Rodemeisters mit Maierrechten<br />
die Dorfherrschaft, den Maierhof und eine<br />
Anzahl von Gütern inne. Ministeriale und expandierende<br />
Klöster beteiligten sich im 12. und 13.<br />
Jahrhundert an der herrschaftlichen Durchdringung<br />
noch unberührter Waldgebiete wie den<br />
Stauden im Rahmen einer neuen Rodungswelle<br />
und legten die Verteilung von offenem Kulturland<br />
und geschlossenen Waldgebieten im Spätmittelalter<br />
fest.<br />
Der Aufstieg freier Reichsstädte wie Augsburg<br />
seit dem 13. Jahrhundert ließ ihr Umland zur<br />
reichsstädtischen Wirtschaftszone werden. Wie<br />
Schenkungen an das städtische Spital in Nördlingen<br />
dem umfangreichen Besitzerwerb der Stadt<br />
und der Steuerung städtischer Territorialpolitik in<br />
der Nördlinger Landschaft dienten, waren Schenkungen<br />
an das Heilig-Geist-Spital zu Augsburg<br />
Mittel der Machtabsicherung, Expansion und<br />
Finanzierung dieser Reichsstadt. Den Spitaldienst<br />
trugen Spitalbrüder, die eine Eingliederung in<br />
eine von der Kirche kontrollierte Institution<br />
ablehnten, mit bürgerlichem Engagement und<br />
auf der Grundlage von Besitz- und Liegenschaftsrechten.<br />
Verfügte das Spital in der ersten<br />
Hälfte des 14. Jahrhunderts erst über drei Höfe,<br />
so hatte es im Jahre 1417 bereits Eigentumsund<br />
Nutzungsrechte über 117 Höfe und 41 Kleinbauernstellen<br />
im Augsburger Umland sowie über<br />
80 Gebäude und viele Gärten in Augsburg. Der<br />
Zukauf zielte auf den Erwerb zusammenhängender<br />
Besitzkomplexe und ganzer Dörfer wie Mittelneufnach:<br />
1309 erwarb das Spital erstmals<br />
eineinhalb Huben samt daraufsitzenden leibeigenen<br />
Bebauerfamilien im Ort, 1312 das Schönegger<br />
Holz, von 1314 bis 1417 eine Mühle, den<br />
Maierhof zu »Nyffnach« und schließlich den<br />
ganzen Ort mit Kirchsatz, Vogtei, Gericht, Burgstall<br />
(bereits 1<strong>39</strong>0 eine Ruine), Widemhof und<br />
Tafer sowie die Siedlung Buchhof.<br />
Der zweikernige Ort bestand 1458 aus sieben<br />
Höfen, einem Lehen, zehn Sölden, einer Taferne,<br />
einer Mühle; 1492 aus 56 »Feuerstätten". Nach<br />
den Übereignungen an das Spital war Mittelneufnach<br />
mit dem um 1515 erbauten und<br />
ummauerten Amtshaus (»Schlößle« später Forstdiensthaus)<br />
und einer 1555 nachweisbaren<br />
Schule wohl im Mesnerhaus ein entsprechend<br />
ausge-stattetes zentrales Obervogtamt des<br />
Spitals für insgesamt 138 Anwesen in den Stauden.<br />
Die das Neufnachtal umgebenden Waldungen<br />
tragen heute noch über das Rodungsband<br />
Mittelneufnach — Walkershofen hinweg die<br />
Bezeichnungen Spitalwald und Spitalholz.<br />
Trotz entscheidender Ereignisse der Reformationszeit<br />
in Augsburg blieben die um 1490 erbaute<br />
und um 1522 von Johannes der Täufer nach<br />
St. Johannes Evangelist umbenannte Pfarrkirche<br />
in Mittelneufnach sowie die im Kern spätgotische<br />
Anlage der Pfarrkirche St. Nikolaus in Reichertshofen<br />
katholischer Bestimmung, unter dem Einfluss<br />
der katholischen Markgrafschaft Burgau.<br />
Der Versuch, 1546/47 evangelische Pfarrer den<br />
Kirchengemeinden vorzusetzen, schlug fehl. Nach<br />
dem im Umkreis Augsburgs besonders zerstörerischen<br />
Dreißigjährigen Krieg stellte der Amtsschreiber<br />
für den Gerichtsbezirk Mittelneufnach<br />
fest: »Reichertshofen — allda 1 Hof, 2 Lehen, nur 1<br />
Lehen besetzt, das übrige stehet alles öd; Mittelneifnach<br />
— ein Dorf, ist über halb nit besetzt;<br />
Buchhöf — zwei Höf so besetzt«. Neusiedler,<br />
Handwerker und Gewerbetreibende füllten die<br />
Lücken des Krieges auf. Im Jahre 1750 wird<br />
schließlich berichtet, es gäbe zwei Mahlmühlen,<br />
»zimlich großen Feldbau, Wießwachs, Viehzucht,<br />
Holzboden, Kern- und Stein-Obst, auch bauen und<br />
spinnen die Innwohner [Inwohner waren Mietsbewohner<br />
in ländlichen Anwesen ohne Grundbesitz<br />
und weitergehende Rechte], worunter Leineweber<br />
sich befinden, vielen Flachs«. 1791 verfügte<br />
das Pfarrdorf Mittelneufnach mit dem Weiler