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Materialien Heft 39/2001, Historische Kulturlandschaft - Bayerisches ...

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92<br />

Der Siedlungsraum Stauden wurde den dort<br />

anzutreffenden Ortsnamen nach erst im<br />

8.-10. Jahrhundert flächig erschlossen. Die fränkisch-fiskalisch<br />

klingenden Ortsnamen Langenneufnach,<br />

Mittelneufnach und Oberneufnach<br />

legen eine Entstehung im 8. Jahrhundert in der<br />

Karolinger-Zeit unter<br />

der Einwirkung königli-<br />

Geschichte der<br />

<strong>Kulturlandschaft</strong><br />

cher Beauftragter nahe.<br />

Auch Reichertshofen<br />

dürfte im 8. Jahrhundert<br />

als Rodesiedlung<br />

angelegt worden sein.<br />

Das herrschaftliche<br />

Ordnungssystem ruhte seit dem 8. Jahrhundert<br />

auf den Säulen des Königtums, des Adels und der<br />

Kirche. Reichs- und Königshöfe bildeten wichtige<br />

Mittelpunkte der Verwaltung und der Wirtschaft.<br />

Auf einen Ortsadel in Mittelneufnach, Buchhof<br />

und Reichertshofen des 11. und 12. Jahrhunderts<br />

weisen keine schriftlichen Zeugnisse hin, der<br />

Burgstall der Edlen von Knöringen unter dem<br />

Forstamtshaus (Schlößle) in Mitteldachstetten<br />

sowie eine Burg am Weg nach Immelstetten bei<br />

Buchhof (am »Schloßberg«) dürfen jedoch als<br />

Tatsache angenommen werden. In Reichertshofen<br />

hatte um 1300 die Herrschaft Seifriedsberg in<br />

der Nachfolge eines Rodemeisters mit Maierrechten<br />

die Dorfherrschaft, den Maierhof und eine<br />

Anzahl von Gütern inne. Ministeriale und expandierende<br />

Klöster beteiligten sich im 12. und 13.<br />

Jahrhundert an der herrschaftlichen Durchdringung<br />

noch unberührter Waldgebiete wie den<br />

Stauden im Rahmen einer neuen Rodungswelle<br />

und legten die Verteilung von offenem Kulturland<br />

und geschlossenen Waldgebieten im Spätmittelalter<br />

fest.<br />

Der Aufstieg freier Reichsstädte wie Augsburg<br />

seit dem 13. Jahrhundert ließ ihr Umland zur<br />

reichsstädtischen Wirtschaftszone werden. Wie<br />

Schenkungen an das städtische Spital in Nördlingen<br />

dem umfangreichen Besitzerwerb der Stadt<br />

und der Steuerung städtischer Territorialpolitik in<br />

der Nördlinger Landschaft dienten, waren Schenkungen<br />

an das Heilig-Geist-Spital zu Augsburg<br />

Mittel der Machtabsicherung, Expansion und<br />

Finanzierung dieser Reichsstadt. Den Spitaldienst<br />

trugen Spitalbrüder, die eine Eingliederung in<br />

eine von der Kirche kontrollierte Institution<br />

ablehnten, mit bürgerlichem Engagement und<br />

auf der Grundlage von Besitz- und Liegenschaftsrechten.<br />

Verfügte das Spital in der ersten<br />

Hälfte des 14. Jahrhunderts erst über drei Höfe,<br />

so hatte es im Jahre 1417 bereits Eigentumsund<br />

Nutzungsrechte über 117 Höfe und 41 Kleinbauernstellen<br />

im Augsburger Umland sowie über<br />

80 Gebäude und viele Gärten in Augsburg. Der<br />

Zukauf zielte auf den Erwerb zusammenhängender<br />

Besitzkomplexe und ganzer Dörfer wie Mittelneufnach:<br />

1309 erwarb das Spital erstmals<br />

eineinhalb Huben samt daraufsitzenden leibeigenen<br />

Bebauerfamilien im Ort, 1312 das Schönegger<br />

Holz, von 1314 bis 1417 eine Mühle, den<br />

Maierhof zu »Nyffnach« und schließlich den<br />

ganzen Ort mit Kirchsatz, Vogtei, Gericht, Burgstall<br />

(bereits 1<strong>39</strong>0 eine Ruine), Widemhof und<br />

Tafer sowie die Siedlung Buchhof.<br />

Der zweikernige Ort bestand 1458 aus sieben<br />

Höfen, einem Lehen, zehn Sölden, einer Taferne,<br />

einer Mühle; 1492 aus 56 »Feuerstätten". Nach<br />

den Übereignungen an das Spital war Mittelneufnach<br />

mit dem um 1515 erbauten und<br />

ummauerten Amtshaus (»Schlößle« später Forstdiensthaus)<br />

und einer 1555 nachweisbaren<br />

Schule wohl im Mesnerhaus ein entsprechend<br />

ausge-stattetes zentrales Obervogtamt des<br />

Spitals für insgesamt 138 Anwesen in den Stauden.<br />

Die das Neufnachtal umgebenden Waldungen<br />

tragen heute noch über das Rodungsband<br />

Mittelneufnach — Walkershofen hinweg die<br />

Bezeichnungen Spitalwald und Spitalholz.<br />

Trotz entscheidender Ereignisse der Reformationszeit<br />

in Augsburg blieben die um 1490 erbaute<br />

und um 1522 von Johannes der Täufer nach<br />

St. Johannes Evangelist umbenannte Pfarrkirche<br />

in Mittelneufnach sowie die im Kern spätgotische<br />

Anlage der Pfarrkirche St. Nikolaus in Reichertshofen<br />

katholischer Bestimmung, unter dem Einfluss<br />

der katholischen Markgrafschaft Burgau.<br />

Der Versuch, 1546/47 evangelische Pfarrer den<br />

Kirchengemeinden vorzusetzen, schlug fehl. Nach<br />

dem im Umkreis Augsburgs besonders zerstörerischen<br />

Dreißigjährigen Krieg stellte der Amtsschreiber<br />

für den Gerichtsbezirk Mittelneufnach<br />

fest: »Reichertshofen — allda 1 Hof, 2 Lehen, nur 1<br />

Lehen besetzt, das übrige stehet alles öd; Mittelneifnach<br />

— ein Dorf, ist über halb nit besetzt;<br />

Buchhöf — zwei Höf so besetzt«. Neusiedler,<br />

Handwerker und Gewerbetreibende füllten die<br />

Lücken des Krieges auf. Im Jahre 1750 wird<br />

schließlich berichtet, es gäbe zwei Mahlmühlen,<br />

»zimlich großen Feldbau, Wießwachs, Viehzucht,<br />

Holzboden, Kern- und Stein-Obst, auch bauen und<br />

spinnen die Innwohner [Inwohner waren Mietsbewohner<br />

in ländlichen Anwesen ohne Grundbesitz<br />

und weitergehende Rechte], worunter Leineweber<br />

sich befinden, vielen Flachs«. 1791 verfügte<br />

das Pfarrdorf Mittelneufnach mit dem Weiler

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