Materialien Heft 39/2001, Historische Kulturlandschaft - Bayerisches ...
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lungspolitik auch eine Übernutzung der <strong>Kulturlandschaft</strong><br />
herbeiführten, was sich teilweise noch<br />
bis heute an Dorf und Flur ablesen lässt, oder<br />
aber an die kirchlichen katholischen Grund- und<br />
Landesherren, deren ehemalige Gebiete sich<br />
durch Wallfahrtswege, Kreuzberge und -wege,<br />
zahlreiche Martern und Feldkreuze bis heute von<br />
ehemals evangelischen Territorien unterscheiden.<br />
Ist auf diese Weise die Entwicklung der <strong>Kulturlandschaft</strong><br />
herausgearbeitet, so kann anhand der<br />
relativ leicht zugänglichen schriftlichen und kartografischen<br />
Quellen des 19. Jahrhunderts ein<br />
Bild der historischen <strong>Kulturlandschaft</strong> am Ende<br />
der feudal und handwerklich geprägten Agrargesellschaft<br />
gezeichnet werden. Mit der bayerischen<br />
Landesvermessung in der ersten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts wurde ein präzises und qualitätvolles<br />
Kartenmaterial geschaffen, das in jeder<br />
Hinsicht eine detaillierte Zustandsanalyse der<br />
<strong>Kulturlandschaft</strong> um die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
ermöglicht. Nimmt man dazu noch die in<br />
jeweiligen Staatsarchiven aufbewahrten Grundsteuerkataster<br />
hinzu, so lassen sich viele Fragen<br />
hinsichtlich Sozialstruktur, Besitzverhältnissen,<br />
Nutzungen und landwirtschaftlichem Betriebssystem<br />
parzellenscharf beantworten. Mit Hilfe dieser<br />
beiden Quellen können sowohl die historische<br />
Dorfstruktur als auch die historische Flurstruktur<br />
sowie die historischen Flächennutzungen ausreichend<br />
analysiert und kartografisch dargestellt<br />
werden, ohne dass noch weitere Quellen hinzugezogen<br />
werden müssten. Ebenso ist auf dieser<br />
Basis das historische örtliche und regionale Verkehrsnetz<br />
in seinen hierarchischen Abstufungen<br />
von der Chaussee und der Altstraße bis zum<br />
Fußweg zu erfassen.<br />
Ist somit die Entwicklung der <strong>Kulturlandschaft</strong> in<br />
längsschnittlicher Hinsicht und ihr Erscheinungsbild<br />
um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Untersuchungsgebiet<br />
querschnittlich dargestellt, so<br />
kann der aktuelle Zustand erfasst, analysiert und<br />
bewertet werden.<br />
Zur Erfassung der aktuellen Situation wird ein<br />
Elementkatalog erarbeitet. Für jedes einzelne Element<br />
wird ein Datenblatt angelegt. Gleichzeitig<br />
wird jedes erfasste Element auch auf der<br />
Bestandskarte der historischen <strong>Kulturlandschaft</strong><br />
eingetragen (Inhalt und Darstellung s. S. 34—35).<br />
Wenngleich gerade die Ergebniskarten schon<br />
einen gewissen Überblick über den aktuellen und<br />
historischen Zustand der <strong>Kulturlandschaft</strong> einer<br />
Untersuchungsgemarkung bieten, so ist es doch<br />
erforderlich, in einem Abschnitt der Untersuchung<br />
eine Gesamtschau der historischen Kultur-<br />
landschaft zu erarbeiten. Die elementbezogene<br />
Untersuchungsmethode lässt den Betrachter<br />
leicht das größere Ganze aus den Augen verlieren.<br />
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der<br />
Wert einer bestimmten <strong>Kulturlandschaft</strong> größer<br />
ist, als der Wert der Summe ihrer heute noch<br />
erhaltenen Einzelteile. Zwar sind einzelne Elemente<br />
durchaus bedeutsam und wertvoll bis hin<br />
zu einer ihnen eigenen Denkmaleigenschaft, aber<br />
letztendlich ist es der Gesamtcharakter, der erst<br />
regionale Identität, Wiedererkennbarkeit und<br />
schließlich »Heimat« schafft.<br />
Bei dieser Gesamtschau ist es wichtig, die Vernetzungen<br />
der Einzelelemente untereinander aufzuzeigen,<br />
denn diese stehen ja nicht für sich,<br />
sondern sie waren Teil eines historischen, weitgehend<br />
autarken landwirtschaftlichen Betriebssystems,<br />
in dem jedes Rädchen auch für andere<br />
Teile Funktionen übernehmen musste, um letztlich<br />
die Ernährung der Dorfgemeinde sicher zu<br />
stellen. So diente das Grünland nicht ausschließlich<br />
der Viehzucht und damit der Milch- und<br />
Fleischproduktion, sondern stärker zur Produktion<br />
von Naturdünger für das Ackerland und zur<br />
Sicherstellung der tierischen Transportenergie.<br />
Funktionen für das Wohnen mussten ebenso aus<br />
der eigenen Gemarkung sichergestellt werden.<br />
Das Bauholz musste aus dem eigenen Wald<br />
gewonnen, oder aus dem Herrschaftswald erworben<br />
werden, fast in jeder Gemarkung finden sich<br />
historische Sand- und Lehmgruben und Sandsteinbrüche.<br />
Die Wirkungszusammenhänge zwischen den<br />
naturräumlichen Faktoren und den historischen<br />
Einflusskräften, die schließlich zur Ausbildung<br />
einer ganz spezifischen <strong>Kulturlandschaft</strong> führten,<br />
müssen hier nochmals im Zusammenhang dargestellt<br />
werden. Gerade hierfür liefern unsere Beispielgebiete<br />
eindrucksvolle Belege.