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Offener Brief an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH)

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BI-NI,c/o Nick Timm, Mainstrasse 22 63263 Neu-Isenburg<br />

Isenburger Bürgerinnen & Bürger<br />

gegen Fluglärm und Schadstoffbelastung<br />

Kontaktadresse:<br />

Nick Timm<br />

Mainstraße 22<br />

63263 Neu-Isenburg<br />

: 06102-23571 : 06102 -17899<br />

:infotimm@nicktimm.de<br />

Hessischer <strong>Verwaltungsgerichtshof</strong> Neu-Isenburg, <strong>den</strong> 01.12.2008<br />

11. Senat<br />

Brüder-Grimm-Platz 1<br />

34117 Kassel<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Zysk,<br />

sehr geehrte Damen und Herren,<br />

im Namen der Neu-Isenburger Bürgerinnen und Bürger möchten wir hiermit unsere<br />

Betroffenheit zum Ausdruck bringen, dass durch die Entscheidung Ihres Senats die<br />

Zahl der Kläger von ca. 250 auf gerade mal 11 Musterkläger reduziert wurde. Dies<br />

betrifft auch die Kommune Neu-Isenburg und die hier <strong>an</strong>sässigen Privatkläger.<br />

Diese Entscheidung ist für uns nicht nachvollziehbar. Die nicht berücksichtigten<br />

Kommunen sind in höchst unterschiedlicher Form vom Fluglärm betroffen und als<br />

Kläger in keiner Weise austauschbar. Wir fühlen uns durch die von Ihnen<br />

ausgewählten Kläger nicht vertreten.<br />

Wie kaum eine <strong>an</strong>dere Kommune leidet Neu-Isenburg in dreifacher Weise sowohl<br />

unter dem An- als auch unter dem Abflugverkehr sowie unter Bo<strong>den</strong>lärm. Zu 75 % des<br />

Jahres donnert der gesamte L<strong>an</strong>de<strong>an</strong>flug in einer Höhe von unter 500 Metern über<br />

<strong>den</strong> Nordwesten unserer Stadt. Dieser wird unmittelbar von der Südbahn t<strong>an</strong>giert. Der<br />

Fluglärm erreicht Einzelschallereignisse zwischen 70 und 80 dB. Bei Ostwetterlage<br />

mehren sich die Überflüge über das Stadtgebiet vor allem zur Nachtzeit mit teilweise<br />

noch lauteren Einzelschallereignissen.<br />

Der drohende Ausbau wird diese Situation noch verschlimmern. Wir rechnen mit einer<br />

Zunahme des schon jetzt unerträglichen Zust<strong>an</strong>des um mehr als 50 %. Der<br />

vergrößerte Abst<strong>an</strong>d der bei<strong>den</strong> L<strong>an</strong>debahnen (alte Südbahn, neue Nordwestbahn)<br />

ermöglicht ein unabhängiges paralleles L<strong>an</strong>desystem. Wir müssen leider davon<br />

ausgehen, dass die näher <strong>an</strong> der Stadt liegende Südbahn überproportional belegt<br />

wer<strong>den</strong> wird, durch schwerere Maschinen, höhere Frequenz und im Nachtverkehr, da<br />

die Nordwestbahn in <strong>den</strong> Nachtstun<strong>den</strong> nicht beflogen wer<strong>den</strong> soll.<br />

BI-NI <strong>an</strong> <strong>VGH</strong>.doc 1/3


Ihre Entscheidung betrifft aber nicht nur die Kommune sondern auch die Privatkläger,<br />

die sich ihrer Möglichkeit beraubt sehen, ihre Betroffenheit vor Gericht vortragen zu<br />

können. Der Verlust <strong>an</strong> Lebensqualität sowie die drohen<strong>den</strong> gesundheitlichen Folgen<br />

für die hier <strong>an</strong>sässige Bevölkerung sind schwerwiegende Begleit- und<br />

Folgeerscheinungen, die dem nicht zuletzt auch von Ihnen schon in früheren<br />

Verfahren zitierten öffentlichem Interesse stärker gegenüber gestellt wer<strong>den</strong> müssten,<br />

als dies durch die Ausklammerung nahezu sämtlicher Privatkläger vermuten lässt.<br />

Was uns aber über Ihre Entscheidung zur Steuerung des Verfahrens hinaus im<br />

höchsten Maße irritiert, ist die Eile, mit der jetzt der Sofortvollzug <strong>an</strong>geordnet wer<strong>den</strong><br />

soll. Fraport hat <strong>an</strong>gekündigt, dass m<strong>an</strong> umgehend eine positive Entscheidung<br />

erwartet und d<strong>an</strong>n sofort mit <strong>den</strong> Rodungsarbeiten beginnen werde.<br />

Die Weltwirtschaft wird nach Meinung aller Experten auf nicht absehbare Zeit so stark<br />

schrumpfen, wie nie zuvor. Dies betrifft auch <strong>den</strong> Luftverkehr. Die Rezession der<br />

nationalen und globalen Wirtschaft hat am Fr<strong>an</strong>kfurter Flughafen Wachstum ins<br />

Gegenteil verkehrt.<br />

Laut Fraport s<strong>an</strong>k die Zahl der Passagiere des Fr<strong>an</strong>kfurter Flughafens im Oktober 08<br />

um 4,9 % und im September um 3,9 %. Bereits in <strong>den</strong> Monaten Juli und August 2008<br />

waren die Passagierzahlen gegenüber <strong>den</strong> Vorjahresmonaten rückläufig. Noch stärker<br />

war davon das für Fr<strong>an</strong>kfurt so wichtige Frachtgeschäft betroffen. Dieses Volumen<br />

s<strong>an</strong>k im Vergleich zum September 2007 um 5,4 % und im Oktober um 4 %. Im<br />

Vergleich zu <strong>den</strong> Vorjahresmonaten. Im August und Juli 2008 verringerte sich das<br />

Volumen in diesem Verkehrssegment ebenfalls gegenüber <strong>den</strong> Vorjahresmonaten,<br />

und zwar um 5,2 % bzw. 1,0 %.<br />

Fraport-Chef Bender hat auf seiner Pressekonferenz am 06.11.08 zum Ausdruck<br />

gebracht, „dass es ein kontinuierliches Verkehrswachstum, wie wir es seit<br />

Jahren gewohnt waren, im Moment für unseren Heimatst<strong>an</strong>dort Fr<strong>an</strong>kfurt nicht<br />

mehr geben wird." Er beschränkt diese negative Erwartung nicht nur auf die<br />

Geschäftsreisen, sondern sieht sie auch für die Urlaubsfliegerei. Und er lässt sie auch<br />

zeitlich völlig offen. Ähnlich skeptisch sieht es auch die internationale<br />

Flugverkehrsindustrie. Die internationalen Airlines legen Flottenteile still. Selbst Dubai<br />

ringt im Moment mit Fin<strong>an</strong>zierungsproblemen.<br />

Angesichts einer Bausumme von inzwischen mehr als 6 Milliar<strong>den</strong> Euro und vor dem<br />

Hintergrund einer mehr als ungewissen wirtschaftlichen Entwicklung gehören unserer<br />

Meinung nach die zur Rechtfertigung des Ausbaus seinerzeit erstellten Gutachtern<br />

und Prognosen sämtlich auf <strong>den</strong> Prüfst<strong>an</strong>d. Dies nicht zuletzt im Sinne des von Ihnen<br />

in früheren Verfahren immer wieder hervorgehobenen öffentlichen Interesses.<br />

• Beim Rohölpreis wurde mit 40 Dollar gerechnet, gleichbleibend bis 2020. Der<br />

derzeitige Rückg<strong>an</strong>g ist nicht von Dauer. Die internationale Energieagentur<br />

erwartet 200 Dollar spätestens 2030.<br />

• Neue Arbeitsplätze, die indirekte Begründung für <strong>den</strong> Ausbau, gibt es nicht. Der<br />

Ausbau bringt Rationalisierung. Lufth<strong>an</strong>sa beklagt, dass ein Großteil ihrer Flüge<br />

nur noch zu 50 % ausgelastet ist, streicht deshalb im Winterflugpl<strong>an</strong> 160 Flüge<br />

und reduziert das Personal. Die Umstellung einer einzigen Verbindung auf<br />

kostengünstigere größere Maschinen führte dazu, dass sie 200 Mitarbeiter<br />

weniger beschäftigt. Bei der LH-Tochter Cityline sollen gar 2000 Stellen<br />

wegfallen.<br />

2


• Die Gesundheitsschä<strong>den</strong> für die Bevölkerung sind neu zu bewerten. Die von<br />

<strong>den</strong> Fraport-Gutachtern <strong>an</strong>genommenen Werte sind widerlegt. Massive<br />

Schädigungen sind nachgewiesen und treten bei viel geringeren Pegeln ein.<br />

Kinder lernen in Fluglärmgebieten deutlich schlechter.<br />

(Deutsches Ärzteblatt, Jg. 105, Heft 31-32, 4. August 2008, S.<br />

548-556)<br />

Die gesundheitlichen Schä<strong>den</strong> haben darüber hinaus auch beträchtliche<br />

monetäre Auswirkungen. Auch dieser volkswirtschaftliche Aspekt ist, wie<br />

wir fin<strong>den</strong>, von öffentlichem Interesse und sollte weiter untersucht<br />

wer<strong>den</strong>. Wir beziehen uns hier unter <strong>an</strong>derem auf die vom RDF in<br />

Auftrag gegebene Studie „Ermittlung externer Kosten des<br />

Flugverkehrs am Flughafen Fr<strong>an</strong>kfurt/Main durch monetäre Werte<br />

für Gesundheitseffekte und Schlafqualität“ durchgeführt von<br />

Professor Friedrich Universität Stuttgart. Wir verweisen außerdem<br />

auf <strong>den</strong> beigefügten Beitrag von Dr. Drouin, Neu-Isenburg.<br />

Ein abgeholzter jahrhunderte alter Wald ist ein irreversibler Scha<strong>den</strong>. Wir erinnern in<br />

diesem Zusammenh<strong>an</strong>g <strong>an</strong> die Waldrodung bei dem Projekt der Werft für <strong>den</strong> A380.<br />

Auch diese wurde mit besonderer Dringlichkeit und öffentlichem Interesse begründet.<br />

Auf der gerodeten Fläche wurde d<strong>an</strong>n aber nur eine halbe Halle gebaut. Inzwischen,<br />

so der Betreiber, habe m<strong>an</strong> festgestellt, m<strong>an</strong> benötige die genehmigte Größe in <strong>den</strong><br />

nächsten Jahren nicht. Für <strong>den</strong> Zweck, der die Genehmigung und die Eile<br />

rechtfertigen sollte, wird die Halle bis heute noch nicht benutzt. Die Lufth<strong>an</strong>sa hat noch<br />

keinen der bestellten A380 erhalten. Nach jüngsten Ankündigungen des Herstellers<br />

soll die erste Maschine frühestens im Herbst 2010 geliefert wer<strong>den</strong>. Auch <strong>an</strong>dere<br />

Linien fliegen Fr<strong>an</strong>kfurt mit diesen Flugzeugen noch nicht <strong>an</strong>.<br />

Angesichts dieser völlig unübersichtlichen wirtschaftlichen Situation möchten wir<br />

dringend <strong>an</strong> Sie appellieren, <strong>den</strong> Sofortvollzug sol<strong>an</strong>ge auszusetzen bis zumindest<br />

rechtliche Klarheit durch das <strong>an</strong>stehende Hauptverfahren geschaffen sein wird.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Sabine Arning<br />

Stef<strong>an</strong> Dingert<br />

Dr. Herbert Drouin<br />

Norbert Sahlfeld<br />

Nick Timm<br />

H<strong>an</strong>s Joachim Zott<br />

Für die Neu-Isenburger Bürgerinitiative<br />

gegen Fluglärm und Schadstoffbelastung<br />

3

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