Höffer Rostock Version 14.10.96 - BStU - Bund.de
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Bezirksleitung <strong>de</strong>r SED gegeben habe, die Staatssicherheit mit ihren Warnungen jedoch auf<br />
taube Ohren gestoßen sei. 129<br />
Die Abteilung IX (Untersuchungsabteilung) legte am 10. November "Vorschläge an <strong>de</strong>n<br />
Leiter <strong>de</strong>r Bezirksverwaltung und <strong>de</strong>n 1. Sekretär <strong>de</strong>r Parteiorganisation" vor. 130 In diesem<br />
interessanten Dokument wird unter an<strong>de</strong>rem die Abschaffung aller ungerechtfertigten<br />
Privilegien leiten<strong>de</strong>r Partei- und Staatsfunktionäre, eine sofortige parlamentarische Kontrolle<br />
<strong>de</strong>r MfS-Tätigkeit, die sichtbare Reduzierung <strong>de</strong>s MfS und die Verarbeitung sowjetischer<br />
Erfahrungen (Perestrojka) gefor<strong>de</strong>rt. Die Abteilung IX und ihr Leiter, Oberst Mählitz, gingen<br />
mit diesem Papier erheblich über die von Mittag skizzierten Lösungen hinaus. Das<br />
Eingeständnis eigener Mitschuld hielt sich jedoch auch bei ihnen in Grenzen. Die<br />
Geheimdienstler schrieben, daß sie sich zu ihrer Mitverantwortung bekennen. Sie seien<br />
Werkzeug gewesen "bei <strong>de</strong>m Versuch, politische Probleme mit <strong>de</strong>m Recht zu lösen und haben<br />
kritiklos diese Rolle gespielt [...]. Wir haben [...] und hier liegt unsere Schuld, geschwiegen,<br />
als das Recht heute so und morgen so ausgelegt und mancher Paragraph extrem weit<br />
interpretiert wur<strong>de</strong>". 131<br />
Ähnlich äußerte sich die SED-Parteileitung <strong>de</strong>r Grundorganisation (GO) <strong>de</strong>r Auswertungsund<br />
Kontrollgruppe (AKG) am 22. November – das MfS trage Mitschuld an <strong>de</strong>r<br />
Durchsetzung einer falschen Politik. 132 Viel tiefer ging die Suche nach eigener Schuld nicht.<br />
Auf <strong>de</strong>r bereits erwähnten Dienstkonferenz <strong>de</strong>r BV am 8. November offenbarte Mittag ein<br />
erstaunliches Maß an Verdrängung: "MfS trägt nicht Verantwortung, daß wir ein Spitzel- und<br />
Untersuchungsstaat sind." 133 In einer Parteiversammlung <strong>de</strong>s BA vom 2. Dezember bekräftigte<br />
er diese Haltung: Die Wen<strong>de</strong> sei zwar notwendig gewesen, aber das MfS habe nur<br />
einer fehlerhaften Politik gedient und nicht alles falsch gemacht. 134<br />
Einige Mitarbeiter gingen in ihrer Umorientierung weiter. So wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r – unter an<strong>de</strong>rem<br />
für <strong>de</strong>n "politischen Untergrund" zuständigen – Abteilung XX darüber diskutiert, daß <strong>de</strong>r<br />
Staatssicherheitsdienst in einen "Dialog" mit anscheinend "verfassungstreuen"<br />
Protestgruppierungen, vor allem mit <strong>de</strong>m Neuen Forum, über sozialistische Reformen treten<br />
sollte. Offenbar meinte man zu diesem Zeitpunkt, an<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>r SDP o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />
129 Vgl. Protokoll <strong>de</strong>r Dienstkonferenz <strong>de</strong>r Abt. M, 9.11.1989; <strong>BStU</strong>, ASt <strong>Rostock</strong>, Rep. 4, 57.<br />
130 Vgl. <strong>BStU</strong>, ASt <strong>Rostock</strong>, BdL, Rep. 3, 49; Ammer/Memmler: Staatssicherheit, S. 52f.<br />
131 Zitat nach: ebenda, S. 53.<br />
132 Vgl. ebenda, S. 56f.<br />
133 Siehe Anm. 129.<br />
134 Vgl. Mitschrift von Parteiversammlung <strong>de</strong>r BA, 2.12.1989; <strong>BStU</strong>, ASt <strong>Rostock</strong>, 225 (unerschlossenes<br />
Material).