Jever in alten und neuen Bildern - Wilhelmshavener Zeitung
Jever in alten und neuen Bildern - Wilhelmshavener Zeitung Jever in alten und neuen Bildern - Wilhelmshavener Zeitung
Gester n Heute und präsentiert von der: Jever in alten und neuen Bildern Historischer Streifzug in Bildern mit der Folge 9 im Februar 2013
- Seite 2 und 3: Die - Das Beste am Morgen! Karl-Ern
- Seite 4 und 5: Seite 4 · Wilhelmshavener Zeitung
- Seite 6 und 7: Seite 6 · Wilhelmshavener Zeitung
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- Seite 24 und 25: Seite 24 · Wilhelmshavener Zeitung
- Seite 26 und 27: Seite 26 · Wilhelmshavener Zeitung
- Seite 28: Begegnungen, die Sie weiterbringen!
Gester n<br />
Heute<br />
<strong>und</strong><br />
präsentiert von der:<br />
<strong>Jever</strong> <strong>in</strong> <strong>alten</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>neuen</strong> <strong>Bildern</strong><br />
Historischer Streifzug <strong>in</strong> <strong>Bildern</strong> mit der<br />
Folge 9 im Februar 2013
Die – Das Beste am Morgen!<br />
Karl-Ernst Behre<br />
Die Geschichte<br />
der Landschaft<br />
um den Jadebusen<br />
Die Geschichte der Landschaft<br />
um den Jadebusen<br />
Friesland – Wilhelmshaven – Wesermarsch<br />
280 Seiten mit 248 farbigen<br />
<strong>und</strong> 26 s/w-Abbildungen<br />
sowie 4 Faltkarten<br />
Karl-Ernst Behre<br />
Erhältlich <strong>in</strong> der Schalterhalle der<br />
Nur wenige Landschaften Deutschlands<br />
haben e<strong>in</strong>e solch fasz<strong>in</strong>ierende<br />
Geschichte wie der Jaderaum, wo<br />
Natur <strong>und</strong> Mensch sich <strong>in</strong> ständiger<br />
gegenseitiger Abhängigkeit bef<strong>in</strong>den.<br />
Durch die jahrzehntelangen Arbeiten des<br />
Niedersächsischen Instituts für historische<br />
Küstenforschung <strong>in</strong> Wilhelmshaven ist<br />
dieses Gebiet besser erforscht als alle<br />
anderen deutschen Marschgebiete.<br />
In diesem Band werden die <strong>alten</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>neuen</strong> Erkenntnisse zur Natur-<br />
<strong>und</strong> Landschaftsgeschichte im<br />
Zusammenhang dargestellt <strong>und</strong><br />
<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>verständlicher Weise<br />
aufbereitet.<br />
Es entstand e<strong>in</strong>e Landschafts- <strong>und</strong><br />
Siedlungsgeschichte, <strong>in</strong> der die<br />
vielfachen Beziehungen zwischen<br />
den e<strong>in</strong>zelnen Teilgebieten, die die<br />
Küstenforschung kennzeichnen,<br />
deutlich sichtbar werden.<br />
Zahlreiche, vielfach neu erstellte<br />
Grafiken <strong>und</strong> andere Bilder illustrieren<br />
die Geschehnisse <strong>in</strong> unserem<br />
Lebensraum von den ältesten Zeiten<br />
bis heute.<br />
E 24.80<br />
Parkstraße 8 · 26382 Wilhelmshaven<br />
Telefon (0 44 21) 4 88-0 · Fax (0 44 21) 4 88-2 58 sowie <strong>in</strong> allen Buchhandlungen<br />
Nutzen Sie auch unseren WZ-Shop im Internet<br />
unter WZonl<strong>in</strong>e.de
23. Februar 2013<br />
Des Fräule<strong>in</strong>sgoldeneL<strong>in</strong>ie<br />
Das <strong>Jever</strong>land ist e<strong>in</strong><br />
beredtes Beispiel für<br />
die jahrh<strong>und</strong>ertelange<br />
deutsche Kle<strong>in</strong>staaterei<br />
– allerd<strong>in</strong>gs mit besonderen<br />
Vorzeichen.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – Wenn die <strong>Jever</strong>aner auf<br />
ihre Geschichte zurückblicken,<br />
dann ist<br />
ihr Lokalpatriotismus<br />
durchaus angebracht.<br />
Der Name der Stadt ist<br />
deutschlandweit bekannt:<br />
Das Bier der<br />
Premium-Marke r<strong>in</strong>nt<br />
allerorten hektoliterweise<br />
durch die Kehlen.<br />
Berühmte Geistesgrößen<br />
haben <strong>in</strong> <strong>Jever</strong> ihre Wurzeln, wie<br />
Seetzen, Vieth, Schlosser, von<br />
Thünen, Mitscherlich <strong>und</strong> Jaspers.<br />
Und bee<strong>in</strong>druckende Frauen<br />
haben <strong>Jever</strong> regiert: Das<br />
Fräule<strong>in</strong> Maria (1500 - 1575),<br />
Dieneue<br />
R<strong>und</strong>edes<br />
Gew<strong>in</strong>nspiels<br />
JEVER/SI – Als Leser der <strong>Wilhelmshavener</strong><br />
<strong>Zeitung</strong> s<strong>in</strong>d Sie<br />
herzlich e<strong>in</strong>geladen, am Such<strong>und</strong><br />
Gew<strong>in</strong>nspiel teilzunehmen.<br />
Am kommenden Dienstag, 26.<br />
Februar, veröffentlicht die <strong>Wilhelmshavener</strong><br />
<strong>Zeitung</strong> den Gew<strong>in</strong>ncoupon<br />
mit den Platzhaltern<br />
für die Suchbilder, die vom<br />
Dienstag, 26. Februar, bis Freitag,<br />
8. März <strong>in</strong> jeder Ausgabe<br />
der WZ“versteckt“ werden.<br />
Es gilt, diese Bildchen auszuschneiden<br />
<strong>und</strong> auf dem Gew<strong>in</strong>ncoupon<br />
auf die richtige<br />
Stelle zu kleben. Wer das vorliegende<br />
Heft aufmerksam liest,<br />
wird die richtige Lösung leicht<br />
f<strong>in</strong>den. Aus den bis zum 12.<br />
März e<strong>in</strong>gesandten, mit den <strong>Bildern</strong><br />
richtig beklebten Coupons<br />
werden zehn Gew<strong>in</strong>ner ausgelost:<br />
1. Preis 500 Euro<br />
2. Preis 250 Euro<br />
3. Preis 100 Euro<br />
sowie 7 mal 50 Euro.<br />
Die Coupons bitte an die<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Parkstraße 8<br />
26382 Wilhelmshaven<br />
oder an die Geschäftsstelle <strong>in</strong><br />
Heidmühle, Oldenburger Straße<br />
9, 26419 Schortens.<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
das ab 1531<br />
Landesherr<strong>in</strong><br />
war <strong>und</strong> sich gegen das ostfriesische<br />
Grafenhaus behauptete,<br />
später die „ferne Fürst<strong>in</strong>“,<br />
Russlands Kaiser<strong>in</strong> Kathar<strong>in</strong>a<br />
die Große (1729 - 1796).<br />
Nur während Marias Regentschaft<br />
war <strong>Jever</strong> Regierungs-<br />
Die Drostenstraße<strong>in</strong><strong>Jever</strong>e<strong>in</strong>st<strong>und</strong>jetzt.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST/SIEFKEN<br />
sitz, später aber immerh<strong>in</strong> der<br />
Verwaltungs- <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />
Mittelpunkt des <strong>Jever</strong>landes,<br />
stets wichtiger Markt- <strong>und</strong><br />
Handelsplatz, e<strong>in</strong>ige Zeit Hafen,<br />
lange Zeit Sitz e<strong>in</strong>er Garnison.<br />
Es hat e<strong>in</strong>es der ältesten<br />
Gerichte <strong>und</strong> Gymnasien <strong>in</strong> der<br />
Region, <strong>und</strong> zahlreiche Bau-<br />
Indiesem HeftlesenSie:<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 3<br />
denkmale wie das Schloss mit<br />
se<strong>in</strong>er berühmten Kassettendecke<br />
<strong>und</strong> das Grabmal für den<br />
Häuptl<strong>in</strong>g Edo-Wiemken, den<br />
Vater des Fräule<strong>in</strong> Maria, beides<br />
im Stil der niederländischen<br />
Renaissance. Es gibt<br />
e<strong>in</strong>en ur<strong>alten</strong> Schützenvere<strong>in</strong>,<br />
verw<strong>in</strong>kelte Gassen mit altem<br />
Pflaster <strong>und</strong> sehr schöne Traditionsgasthäuser.<br />
Und weil dies alles <strong>und</strong> noch<br />
viel mehr so schön <strong>und</strong> liebenswert<br />
ist, macht es die <strong>Jever</strong>aner<br />
zu Recht stolz. Den S<strong>in</strong>n für die<br />
Eigenartigkeit ihrer Stadt haben<br />
sie zu allen Zeiten bewahrt,<br />
auch als es um die Kreisreform<br />
1972 g<strong>in</strong>g, als <strong>Jever</strong> den Kreissitz<br />
verlieren sollte; damals zogen<br />
sie noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e „Goldene<br />
L<strong>in</strong>ie“ – bis hierh<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />
nicht weiter.<br />
Auf den folgenden Seiten<br />
wollen wir Sie, liebe Leser, auf<br />
e<strong>in</strong>en Streifzug durch das alte<br />
<strong>Jever</strong> e<strong>in</strong>laden <strong>und</strong> sie vielleicht<br />
e<strong>in</strong> wenig neugierig auf se<strong>in</strong>e<br />
Geschichte machen.<br />
E<strong>in</strong>e Burg für den Häuptl<strong>in</strong>g 4<br />
Stadtkirche – e<strong>in</strong> Raub der Flammen 6<br />
Brunnen sprudelt für Brauer 7<br />
Städtisches Kneipen-Monopol 8<br />
Schlachte – <strong>Jever</strong>s Tor zur Welt 10<br />
Lesenswertes über <strong>Jever</strong> 11<br />
Großer Auftrieb auf dem Markt 12<br />
Apotheken mit langer Tradition 14<br />
Schütt<strong>in</strong>g wich Sparkassenbau 15<br />
Richter für Stadt <strong>und</strong> Land 16<br />
Ältestes Bürgerhaus <strong>Jever</strong>s 18<br />
Das Spritzenhaus neben der Stadtkirche 18<br />
Vom Armen- zum Krankenhaus 19<br />
Gr<strong>und</strong> gelegt für viele Karrieren 20<br />
Scheibe <strong>und</strong> Vogel zum Ziel 22<br />
Türme <strong>in</strong> wechselnden perspektiven 23<br />
Schutzwall gegen Ostfriesen 24<br />
<strong>Jever</strong>s Dichter <strong>und</strong> Denker 25<br />
W<strong>in</strong>d beflügelte Gewerbefleiß 26
Seite 4 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
E<strong>in</strong>e BurgfürdenHäuptl<strong>in</strong>g<br />
Fräule<strong>in</strong> Maria baute<br />
die Burg zu ihrem repräsentativenHerrschaftssitz<br />
aus. Nach ihr regierten<br />
im <strong>Jever</strong>land<br />
nur „ferne Fürsten“ .<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – Das Schloss ist das<br />
Wahrzeichen von <strong>Jever</strong>. Se<strong>in</strong><br />
Zwiebelturm überragt<br />
die Stadt <strong>und</strong><br />
ist weith<strong>in</strong> sichtbar.<br />
Heute e<strong>in</strong>es<br />
der am besten frequentiertenHeimatmuseen<br />
<strong>in</strong><br />
Niedersachsen,<br />
war es zu Beg<strong>in</strong>n<br />
Häuptl<strong>in</strong>gsburg,<br />
später Wohn- <strong>und</strong><br />
Regierungssitz<br />
des Fräule<strong>in</strong><br />
Maria, dann Sitz<br />
des Drosten, der das <strong>Jever</strong>land<br />
im Auftrag „ferner Fürsten“ verwaltete.<br />
Es ist der gemauerte<br />
Herrschaftsanspruch <strong>und</strong><br />
sche<strong>in</strong>t irgendwie e<strong>in</strong> bisschen<br />
zu groß für das kle<strong>in</strong>e Ländchen,<br />
über das von hier aus regiert<br />
wurde. Doch die <strong>Jever</strong>länder<br />
waren seit jeher streitbar<br />
um ihre Unabhängigkeit bemüht,<br />
sowohl militärisch vornehmlich<br />
gegen die Ostfriesen,<br />
als auch politisch <strong>und</strong> <strong>in</strong> repräsentativer<br />
H<strong>in</strong>sicht.<br />
Doch warum brauchten die<br />
<strong>Jever</strong>aner überhaupt Burg <strong>und</strong><br />
Schloss <strong>und</strong> wie kam es zu dieser<br />
Herrschaft <strong>Jever</strong>? Schauen<br />
wir e<strong>in</strong>mal kurz ziemlich weit zurück<br />
<strong>in</strong>s Mittelalter:<br />
Die Wiederbesiedlung des<br />
Küstenraumes nach der Völkerwanderungszeit<br />
setzte im 7.<br />
<strong>und</strong> 8. Jahrh<strong>und</strong>ert e<strong>in</strong>. Dass<br />
aber auch schon tausende Jahre<br />
vorher hier Menschen gewohnt<br />
hatten, beweisen archäo-<br />
„Gestern <strong>und</strong> Heute – <strong>Jever</strong> <strong>in</strong> <strong>alten</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>neuen</strong> <strong>Bildern</strong>“, – Sonderbeilage<br />
der „<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong>“.<br />
Redaktion: Hartmut Siefken.<br />
Anzeigen: Thomas Schipper. Verlag<br />
<strong>und</strong> Druck: Brune-Mettcker-Druck<strong>und</strong><br />
Verlagsgesellschaft mbH, Parkstraße<br />
8, 26382 Wilhelmshaven,<br />
Postfach 1265, 26352 Wilhelmshaven.<br />
Die <strong>Zeitung</strong> ist <strong>in</strong> all ihren Teilen urheberrechtlich<br />
geschützt. Ohne<br />
vorherige Genehmigung durch den<br />
Verlag dürfen diese <strong>Zeitung</strong> oder<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Das Schloss zu <strong>Jever</strong> – e<strong>in</strong> durch Jahrzehnte unverrückbares<br />
Bild..Mitse<strong>in</strong>emvone<strong>in</strong>erbarockenZwiebelkuppelgekrönten<br />
WehrturmistesWahrzeichenderStadt. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
logische F<strong>und</strong>e aus der Ste<strong>in</strong>-,<br />
Bronze- <strong>und</strong> Eisenzeit. 1850<br />
stießen Arbeiter, die die Pr<strong>in</strong>zengraft<br />
schlöteten, auf Klum-<br />
alle <strong>in</strong> ihr enth<strong>alten</strong>en Beiträge <strong>und</strong><br />
Abbildungen weder vervielfältigt<br />
noch verbreitet werden. Dies gilt<br />
ebenso für die Aufnahme <strong>in</strong> elektronische<br />
Datenbanksysteme <strong>und</strong><br />
die Vervielfältigung auf CD-Rom.<br />
Telefon (0 44 21) 488-0, Telefax<br />
allgeme<strong>in</strong> (0 44 21) 488 259, Telefax<br />
Redaktion (0 44 21) 488 430,<br />
Telefax Anzeigen (0 44 21) 488<br />
258.<br />
E-Mail: redaktion@WZonl<strong>in</strong>e.de<br />
anzeigen@WZonl<strong>in</strong>e.de<br />
Internet: www.WZonl<strong>in</strong>e.de<br />
präsentiert von der:<br />
pen römischer Silbermünzen<br />
mit Bildnissen der Kaiser Trajan<br />
<strong>und</strong> Hadrian (1. u. 2. Jhdt. n.<br />
Chr.).<br />
Zu jener Zeit wie auch später<br />
trieben die Menschen <strong>in</strong> dieser<br />
Gegend regen Handel. Über<br />
Nordsee, Ems <strong>und</strong> Weser <strong>und</strong><br />
die <strong>alten</strong> Heerwege waren sie<br />
offensichtlich recht gut mit den<br />
anderen Nord- <strong>und</strong> Ostseeanra<strong>in</strong>ern<br />
vernetzt.<br />
Im 10. Jahrh<strong>und</strong>ert gab es <strong>in</strong><br />
<strong>Jever</strong> e<strong>in</strong>e Münzstätte. Zu jener<br />
Zeit gehörte <strong>Jever</strong> zum Herrschaftsgebiet<br />
der Billunger,<br />
die ihren Stammsitz <strong>in</strong> Lüneburg<br />
hatten. Die Oldenburger<br />
Grafen wurden ihre Rechtsnachfolger,<br />
doch ist es diesen<br />
nicht gelungen, ihre Ansprüche<br />
23. Februar 2013<br />
Die geschnitzte Kassettendecke<br />
im Audienzsaal des<br />
Schlosses. FOTOS: SCHLOSSMUSEUM<br />
im <strong>Jever</strong>land durchzusetzen. An<br />
der Küste herrschte die „friesische<br />
Freiheit“, die Friesen<br />
schon seit karol<strong>in</strong>gischer Zeit<br />
gewährt war: Die Menschen <strong>in</strong><br />
den „sieben Seelanden“ von<br />
der Lauwers bis an die Weser,<br />
die hier auf eigener Scholle lebten,<br />
wählten jährlich ihre Richter,<br />
die Redjeven. Es war e<strong>in</strong>e<br />
Art Gefolgschaftssystem, <strong>in</strong><br />
dem die mächtigeren<br />
Fortsetzung auf Seite 5
23. Februar 2013<br />
Wall<strong>und</strong>Graben<br />
sichertene<strong>in</strong>st<br />
das Schloss<br />
Fortsetzung von Seite 4<br />
Familienverbände konkurrierten<br />
<strong>und</strong> sich nicht selten befehdeten.<br />
E<strong>in</strong>ige bauten sich Ste<strong>in</strong>häuser<br />
oder Türme, besetzten<br />
Kirchen, um ihre Machtansprüche<br />
durchzusetzen. Auswärtige<br />
Herren erkannten diese streitbaren<br />
Völkchen nicht an. Mit<br />
ihren landwirtschaftlichen Produkten<br />
<strong>und</strong> dem Handel über<br />
See lebten sie im 12. <strong>und</strong> 13.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>in</strong> relativem Wohlstand.<br />
Doch dann kam es dicke:<br />
Deichbrüche, Flutkatastrophen<br />
<strong>und</strong> die verheerende Pest<br />
1349/50 schwächten die Bevölkerung<br />
<strong>und</strong> bereiteten den<br />
Boden für die Häuptl<strong>in</strong>gsherrschaft:<br />
Die stärksten Familienverbände<br />
setzten sich endgültig<br />
durch <strong>und</strong> es gelang ihnen, ihre<br />
örtliche Macht zum dynastischen<br />
Besitz auszubauen.<br />
So bestimmten die Rüstr<strong>in</strong>ger<br />
1350 den aus Dangast<br />
stammenden Edo Wiemken den<br />
Älteren (gest. 1415) zu ihrem<br />
Häuptl<strong>in</strong>g, neun Jahre später<br />
hatte er sich auch <strong>in</strong> Östr<strong>in</strong>gen<br />
<strong>und</strong> Wangerland durchgesetzt;<br />
erstmals war damit das Gebiet<br />
des heutigen <strong>Jever</strong>landes unter<br />
e<strong>in</strong>er Führung vere<strong>in</strong>t. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
hat Edo Wiemken <strong>in</strong><br />
<strong>Jever</strong> e<strong>in</strong>e Burg errichtet.<br />
Die Siedlung <strong>Jever</strong>, Endpunkt<br />
e<strong>in</strong>es <strong>alten</strong> Handelsweges mit<br />
Zugang zum Meer, war e<strong>in</strong> reger<br />
Handelsplatz. Hier hatten sich<br />
schon bislang die Redjeven<br />
Östr<strong>in</strong>gens <strong>und</strong> Wangerlands<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
getroffen. Die<br />
wohlhabendenLandesgeme<strong>in</strong>den<br />
weckten die<br />
Begehrlichkeit<br />
der ostfriesischenHäuptl<strong>in</strong>ge.<br />
Edo<br />
Wiemkens Enkel<br />
Sibet, der<br />
der jeverschenBefestigung<br />
e<strong>in</strong>e Vorburgh<strong>in</strong>zufügt,<br />
wird von<br />
Ocko tom<br />
Brok geschlagen,<br />
<strong>Jever</strong> niedergebrannt.<br />
Doch Ocko unterliegt 1426 im<br />
Konflikt mit dem <strong>in</strong> Leer ansässigen<br />
Häuptl<strong>in</strong>g Focko Ukena,<br />
<strong>und</strong> so beg<strong>in</strong>nt Sibets Nachfolger,<br />
se<strong>in</strong> Halbbruder Hajo Harlda,<br />
ab 1428 mit dem Wiederaufbau<br />
der jeverschen Burg. Er<br />
ließ e<strong>in</strong>en r<strong>und</strong> 28 Meter hohen<br />
Turm errichten. Se<strong>in</strong> Sohn Tanno<br />
Duren (gest. 1468) <strong>und</strong> se<strong>in</strong><br />
Enkel Edo Wiemken der Jüngere<br />
(gest. 1511) erweiterten die<br />
Burganlage: Den mächtigen<br />
Wehrturm umgibt seitdem e<strong>in</strong>e<br />
vierflügelige Schlossanlage.<br />
Sie wurde von Wassergräben<br />
<strong>und</strong> Wällen gesichert. Der äußere<br />
Graben, die heutige<br />
Schlossgraft ist noch erh<strong>alten</strong>,<br />
der <strong>in</strong>nere Graben des Wasserschlosses,<br />
wurde <strong>in</strong> den 20er-<br />
Jahren des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
wieder verfüllt.<br />
Edo Wiemkens Tochter Maria<br />
(1500 - 1575), die seit 1534 regierte,<br />
baute das Schloss im<br />
Stil der Renaissance aus. Sie<br />
veranlasste beträchtliche Erweiterungen<br />
der <strong>alten</strong> Wasser-<br />
Maria von <strong>Jever</strong> (<strong>in</strong>ks) ließ die Kassettendecke im Audienzsaal des Schlosses<br />
anfertigen. FOTO: WZ-BILDDIENST/SCHLOSSMUSEUM<br />
burg <strong>und</strong> den Innenausbau zum<br />
repräsentativen Schloss. Der<br />
„kle<strong>in</strong>e Zw<strong>in</strong>ger“, e<strong>in</strong> Eckturm,<br />
entstand 1572, der „große<br />
Zw<strong>in</strong>ger“, heute Eulenturm genannt,<br />
nach ihrem Tod bis<br />
1581. Maria ließ auch die berühmte,<br />
<strong>in</strong> Eiche geschnitzte<br />
Kassettendecke des Audienzsaals<br />
im Stil der niederländischen<br />
Renaissance anbr<strong>in</strong>gen.<br />
K<strong>in</strong>derlos geblieben, vererbte<br />
sie das <strong>Jever</strong>land ihrem Vetter,<br />
dem Grafen Johann von Ol-<br />
Anzeige<br />
denburg. Dessen Nachfahre Anton<br />
Günther vermachte das <strong>Jever</strong>land<br />
nach se<strong>in</strong>em Tode<br />
1667 se<strong>in</strong>er Schwester Magdalene<br />
von Anhalt-Zerbst. Dem<br />
Zerbster Fürsten Johann August<br />
verdankt der Schlossturm se<strong>in</strong>e<br />
barocke Kuppel. Sie wurde<br />
zwischen 1731 <strong>und</strong> 1736 gezimmert.<br />
An die russische Herrschaft<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong> von 1793 bis 1806 er<strong>in</strong>nert<br />
das Bild von Zar<strong>in</strong> Katha-<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 5<br />
r<strong>in</strong>a der Großen (1729 - 1796)<br />
im Audienzsaal des Schlosses.<br />
Als Anhalt-Zerbster Fürstentochter<br />
hatte sie das <strong>Jever</strong>land<br />
1793 geerbt.<br />
Nach der napoleonischen<br />
Zeit (seit 1807) fiel das <strong>Jever</strong>land<br />
1818 an das Großherzogtum<br />
Oldenburg. Die Oldenburger<br />
Herzöge nutzten das<br />
Schloss als Nebenresidenz, ließen<br />
aber die <strong>alten</strong> Verteidigungsanlagen<br />
abbrechen, auch<br />
e<strong>in</strong>en großen Teil der ehemaligen<br />
Wirtschaftsgebäude der<br />
Vorburg abreißen <strong>und</strong> die<br />
Schloss<strong>in</strong>sel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Landschaftsgarten<br />
verwandeln.<br />
Als die <strong>Jever</strong> so fernen Fürsten<br />
<strong>in</strong> der jungen Republik ausgedient<br />
hatten, zog 1921 der<br />
Vere<strong>in</strong> für <strong>Jever</strong>sche Alterthumsk<strong>und</strong>e,<br />
der sich 1886 gegründet<br />
hatte, mit se<strong>in</strong>er<br />
Sammlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ige Räume des<br />
Schlosses e<strong>in</strong>. Heute beherbergt<br />
das Schloss, das <strong>in</strong> den<br />
Besitz des Landes Niedersachsen<br />
übergegangen ist, das von<br />
e<strong>in</strong>em Zweckverband getragene<br />
Heimatmuseum. In ihm „regiert“<br />
die Schlossherr<strong>in</strong> Prof.<br />
Dr. Antje Sander.<br />
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Seite 6 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Stadtkirche:RaubderFlammen<br />
Mit Grausen er<strong>in</strong>nern<br />
sich die <strong>Jever</strong>aner an<br />
den Brand ihrer schönen<br />
Stadtkirche 1959.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – Mitten <strong>in</strong> der jeverschen<br />
Altstadt erhebt sich die wuchtige<br />
Stadtkirche, sichtbar noch<br />
relativ jungen Datums. Sie wurde<br />
1963<br />
nach<br />
dem Entwurf<br />
des<br />
HannoveranerArchitekten<br />
Prof.<br />
Dieter<br />
Oesterlener-<br />
richtet.<br />
Die alte<br />
Stadtkirche<br />
war<br />
<strong>in</strong> der Nacht zum 1. Oktober<br />
1959 e<strong>in</strong> Raub der Flammen geworden<br />
-- <strong>und</strong> mit ihr wertvolle<br />
Kunst der Barockzeit, wie der<br />
Retabelaltar, die Kanzel <strong>und</strong> die<br />
von Adam Berner aus M<strong>in</strong>den<br />
gebaute größte Orgel des <strong>Jever</strong>landes.<br />
Erh<strong>alten</strong> werden konnte<br />
der Choranbau mit dem 1556<br />
errichteten, kunstgeschichtlich<br />
wertvollen Renaissance-<br />
Grabdenkmal für den Häuptl<strong>in</strong>g<br />
Edo Wiemken (um 1454 -<br />
1511). Alten <strong>Jever</strong>anern sitzt<br />
der Schreck der Oktobernacht,<br />
als das Feuer wie e<strong>in</strong>e riesige<br />
Fackel über die Dächer der Altstadt<br />
leuchtete <strong>und</strong> auch sie gefährdete,<br />
noch <strong>in</strong> den Knochen.<br />
Es war nicht der erste Kirchenbrand<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong>. Bereits<br />
1382, 1532 <strong>und</strong> 1728 vernichtete<br />
Feuer die an dieser Stelle<br />
stehenden Gotteshäuser. Die<br />
ersten beiden Brände hatten<br />
ihre Ursache <strong>in</strong> kriegerischen<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzungen, 1728<br />
<strong>und</strong> 1959 brannte es „aus Versehen“.<br />
Gleich<br />
nach dem<br />
Brand von<br />
1728 machte<br />
man sich<br />
an den Wiederaufbau.<br />
Acht Jahre später konnte das<br />
Gotteshaus, das <strong>in</strong> der Form<br />
e<strong>in</strong>es griechischen Kreuzes gebaut<br />
war, geweiht werden. Die<br />
Kanzel aus dem selben Jahr<br />
entstammte e<strong>in</strong>er Stett<strong>in</strong>er<br />
Werkstatt. Sie war e<strong>in</strong> Geschenk<br />
von Christian August<br />
von Anhalt-Zerbst, dem preußischen<br />
Gesandter <strong>und</strong> Gouverneur<br />
von Stett<strong>in</strong>, Vater der späteren<br />
russischen Kaiser<strong>in</strong> Kathar<strong>in</strong>a<br />
II. Der jeversche Kammerpräsident<br />
Ulrich Lohe stiftete<br />
1746 den Taufste<strong>in</strong>, der den<br />
Brand von 1959 überstand <strong>und</strong><br />
sich <strong>in</strong> der <strong>neuen</strong> Stadtkirche<br />
wiederf<strong>in</strong>det.<br />
E<strong>in</strong> Vermögen von 3000 Talern<br />
kostete die mit e<strong>in</strong>em reich<br />
Markttag auf dem Kirchplatz Mitte<br />
der60erJahre. FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
Reichhaltige<br />
Auswahl an<br />
Frühl<strong>in</strong>gsblühern!<br />
<strong>in</strong>fo@blumen<strong>und</strong>mehr-jever.de<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der:<br />
Der Anbau mit dem Edo-Wiemken-Grabmal<br />
überstand den Brand 1959. L<strong>in</strong>ks der<br />
Neubau,rechtsdieMarkthallen. FOTO: WZ-BD<br />
verzierten Prospekt versehene<br />
Orgel. Ihren volum<strong>in</strong>ösen Klang<br />
verdankte sie 2735 Pfeifen, die<br />
mit Hilfe von acht Bälgen „beatmet“<br />
wurden. Die 42 Z<strong>in</strong>n-Orgeln<br />
aus dem Prospekt wurden<br />
im Ersten Weltkrieg für Kriegszwecke<br />
requiriert.<br />
Ohne die großzügigen Geldspenden<br />
des <strong>in</strong> Amsterdam zu<br />
Reichtum gekommenen Kaufmanns<br />
Diederich Garlichs, dessen<br />
Bruder anhalt-zerbstischer<br />
Regierungsrat <strong>in</strong> <strong>Jever</strong> war, hätten<br />
die <strong>Jever</strong>aner allerd<strong>in</strong>gs dieses<br />
große Instrument nicht f<strong>in</strong>anzieren<br />
können.<br />
1765 wurde der Altar durch<br />
e<strong>in</strong> großes Retabel vervollständigt.<br />
Die begüterte <strong>und</strong> verwitwete<br />
„Frau Hofapotheker<strong>in</strong>“<br />
Helene Toelicken<br />
hatte den Bildaufsatz,<br />
dessen zentrales<br />
Motiv die Kreuzigungsszene<br />
war,<br />
gestiftet. E<strong>in</strong>e Brand-<br />
23. Februar 2013<br />
mauer trennte, Gott sei Dank,<br />
das dah<strong>in</strong>ter liegende Grabdenkmal<br />
Edo Wiemkens vom<br />
Kirchenraum.<br />
Abseits der Kirche stand der<br />
Glockenturm. 1564 bis 1877<br />
war dies e<strong>in</strong> hölzernes Gebilde,<br />
r<strong>und</strong> 30 Meter östlich des heutigen<br />
Turmstandortes. 1876 wurde<br />
der erste Kl<strong>in</strong>ker-Glockenturm<br />
errichtet. Er war 20 Meter<br />
hoch. Bei den Ausschachtungsarbeiten<br />
für das F<strong>und</strong>ament<br />
stieß man auf die Überreste<br />
ehemaliger Friedhöfe. Se<strong>in</strong>e<br />
heutige neugotische Gestalt erhielt<br />
der Turm 1902. Gleichzeitig<br />
erhöhte man ihn um 32 Meter.<br />
Durch die erh<strong>alten</strong> gebliebenen<br />
Sandste<strong>in</strong>portale der <strong>alten</strong><br />
Kirche betritt man heute das<br />
moderne Gotteshaus. Es wird<br />
erhellt durch die zehn großen<br />
Glasbetonwände nach dem<br />
künstlerischen Entwurf von Helmut<br />
Lander aus Darmstadt. Die<br />
Orgel stammt aus der <strong>Wilhelmshavener</strong><br />
Führer-Werkstatt.<br />
Zum Bedauern mancher <strong>Jever</strong>aner<br />
existieren die ehemaligen<br />
Markthallen r<strong>und</strong> um die<br />
Kirche nicht mehr. Sie wurden<br />
nach dem Neubau der Kirche<br />
abgerissen.<br />
Die Stadtkircheaufe<strong>in</strong>er<br />
<strong>alten</strong>Postkarte.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
DieStraßen<strong>und</strong>Wegeaufdem KirchplatzwurdenerstvorwenigenJahrensaniert.WZ-FOTO: LÜBBE
23. Februar 2013<br />
Brunnensprudeltfür Brauer<br />
Bestes Brunnenwasser<br />
sprudelt fürs Friesische<br />
Brauhaus. Diedrich<br />
König gründete das<br />
Unternehmen 1848.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – International bekannt<br />
gemacht hat den Namen <strong>Jever</strong><br />
die Brauerei des Städtchens.<br />
Dem <strong>Jever</strong>länder stellen sich<br />
zwar die Nackenhaare<br />
hoch, wenn<br />
im Market<strong>in</strong>g-<br />
Sprech das W <strong>in</strong><br />
der Namensmitte<br />
erkl<strong>in</strong>gt, doch möglicherweise<br />
hat es<br />
tatsächlich den Absatz,<br />
gewollt oder<br />
ungewollt, befördert.<br />
<strong>Jever</strong> Pilsener<br />
ist e<strong>in</strong>es der absatzstärksten<br />
Biere <strong>in</strong> der Republik, das<br />
Friesische Brauhaus das Flaggschiff<br />
unter den Brauereien der<br />
zum Oetker-Konzern gehörenden<br />
Brau- & Brunnen-Gruppe.<br />
Gründungsjahr der Brauerei<br />
ist wahrsche<strong>in</strong>lich 1848. Der<br />
Gastwirt Diedrich König aus<br />
Loga <strong>in</strong> Ostfriesland, Sohn<br />
e<strong>in</strong>es Deich- <strong>und</strong> Wegeaufsehers,<br />
braute zunächst <strong>in</strong> der<br />
Neuen Straße se<strong>in</strong> eigenes<br />
Bier, wie es damals viele Gastwirte<br />
taten, um sich schließlich<br />
ganz auf das Bierbrauen zu verlegen.<br />
Se<strong>in</strong> Sohn Diedrich König<br />
jun. übernahm das väterliche<br />
Erbe <strong>und</strong> baute 1855 an<br />
der Pferdegraft e<strong>in</strong>e neue <strong>und</strong><br />
größere Brauerei, um hier fortan<br />
das beliebte „bairische Lagerbier“<br />
herzustellen.<br />
Diedrich König verkaufte<br />
se<strong>in</strong> Unternehmen 1867 an August<br />
He<strong>in</strong>rich Theodor Fetköter,<br />
der aus e<strong>in</strong>er Gastwirtsfamilie<br />
aus Uslar an der Weser<br />
stammte <strong>und</strong> nach <strong>Jever</strong> e<strong>in</strong>heiratete.<br />
Unter dem arbeitsamen<br />
Fetköter vergrößerte sich die<br />
Brauerei erheblich. Fetköter<br />
setzte auf Qualität, auch bei der<br />
Gestaltung der Flaschen, die<br />
mit dem Hauswappen versehen<br />
waren. Er warb <strong>in</strong> Anzeigen für<br />
se<strong>in</strong> „hochfe<strong>in</strong>es Bier nach Pilsener<br />
Methode“ <strong>und</strong> baute den<br />
Fuhrpark aus. 40 Gespanne mit<br />
80 Pferden brachten das Bier<br />
zu den Abnehmern im <strong>Jever</strong>land,<br />
aber bald auch zu den Tausenden<br />
Hafenbauarbeitern an<br />
der Jade. Deren durstige Kehlen<br />
garantierten <strong>in</strong> jener Zeit<br />
auch den Absatz der <strong>Wilhelmshavener</strong><br />
Aktienbrauerei <strong>in</strong> Heid-<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
mühle <strong>und</strong><br />
der Accumer<br />
St.-Johanni-<br />
Privatbrauerei.<br />
Seit 1925 waren auch die<br />
ersten motorbetriebenen Lastwagen<br />
Fetköters unterwegs.<br />
1880 stellte Fetköter se<strong>in</strong>e<br />
Braustätte von Hand- auf Masch<strong>in</strong>enbetrieb<br />
umgestellt <strong>und</strong><br />
baute e<strong>in</strong> Sudhaus, 1892 folgte<br />
e<strong>in</strong> eigenes Elektrizitätswerk,<br />
später kam e<strong>in</strong> Eiswerk h<strong>in</strong>zu.<br />
Nichtsdestoweniger „erntete“<br />
man im W<strong>in</strong>ter weiterh<strong>in</strong> Eis aus<br />
den Graften. Gr<strong>und</strong>lage des Erfolges<br />
der jeverschen Brauerei<br />
aber ist ihr gutes Wasser. Dieses<br />
bezieht sie seit 1894 von<br />
e<strong>in</strong>em betriebseigenen ergiebigen<br />
Brunnen <strong>in</strong> Siebetshaus,<br />
von wo e<strong>in</strong>e dreie<strong>in</strong>halb Kilometer<br />
lange Rohrleitung nach <strong>Jever</strong><br />
verlegt wurden.<br />
Der Geschäftsumfang der<br />
Brauerei war bis 1904 derart<br />
gewachsen, das Fetköter die<br />
E<strong>in</strong>zelfirma <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e GmbH umwandelte.<br />
Der Unternehmer<br />
starb 1908. Der Prokurist Gerhard<br />
Arends wurde zum Geschäftsführer<br />
bestellt. Später<br />
trat auch Fetköters Sohn Theodor<br />
jun. <strong>in</strong> die Geschäftsführung<br />
e<strong>in</strong>. Doch er starb 35-jährig<br />
1916 den Soldatentod.<br />
Der Erste Weltkrieg geriet für<br />
das Unternehmen zur Durststrecke.<br />
Der Mangel allenthalben<br />
erstreckte sich auch auf die<br />
Versorgung mit Braugerste.<br />
Viele Brauereien überstanden<br />
diese Zeit nicht. Zwar hatte die<br />
Fetköter-Brauerei kurz nach<br />
dem Krieg noch das Heidmühler<br />
Konkurrenzunternehmen übernommen,<br />
um sie dann stillzulegen,<br />
doch verkaufte die Familie<br />
ihr Unternehmen 1923 an die<br />
Bavaria- <strong>und</strong> St. Pauli-Brauerei<br />
<strong>in</strong> Hamburg. Unter deren Regie<br />
Die Brauerei<strong>in</strong>den50erJahren<strong>und</strong>heute.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN/WZ-BILDDIENST - LÜBBE<br />
g<strong>in</strong>g es stetig aufwärts, wurde<br />
kräftig <strong>in</strong>vestiert, passte man<br />
sich mit unterschiedlichen Bieren<br />
dem Geschmack der K<strong>und</strong>en<br />
an. 1934 wurde unter der<br />
Anleitung des Braumeisters<br />
Ernst Böhme erstmals das<br />
heute so berühmte „<strong>Jever</strong> Pilsener“<br />
gebraut.<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 7<br />
Auch im Zweiten Weltkrieg<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong> den ersten Nachkriegsjahren<br />
hatte die Brauerei unter<br />
großem Energie- <strong>und</strong> Rohstoffmangel<br />
zu leiden. Mit der Währungsreform<br />
1948 wuchsen<br />
wieder die Absatzchancen. Die<br />
Umsätze stiegen. 1950 beschäftigte<br />
die Brauerei bis zu<br />
40 Mitarbeiter. 1951 begann<br />
sie, im größeren Maßstab Bier<br />
<strong>in</strong> Flaschen für den Verkauf im<br />
Handel abzufüllen, 1958 wurde<br />
die erste gebrauchte Abfüllanlage<br />
<strong>in</strong>stalliert. Heute werden<br />
<strong>in</strong> der mehrmals erweiterten<br />
<strong>und</strong> modernisierten Anlage bis<br />
zu 60 000 Flaschen stündlich<br />
abgefüllt.<br />
Seit 1980 zählen die verspiegelten<br />
Gärtürme mit zu den<br />
Wahrzeichen der Stadt, 1984<br />
stand auch der dritte. Auch die<br />
übrigen Produktionsanlagen<br />
wurden mit Millionenaufwand<br />
erweitert <strong>und</strong> modernisiert.<br />
Fernsehwerbung <strong>und</strong> die <strong>Jever</strong>-Werbeikone<br />
Olivier de Bray<br />
stärkten die Marke, die heute<br />
<strong>in</strong>ternational verbreitet ist.<br />
Wie das Land, so das <strong>Jever</strong>.
Seite 8 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
1938wurderechtsneben<br />
dem RathausdieneueFeuerwachegebaut,1965wichdasalteBürgerhausdeml<strong>in</strong>kenRathausAnbau.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN/SIEFKEN<br />
StädtischesKneipenMonopol<br />
Das 1610 errichtete<br />
Rathaus wurde mehrmals<br />
umgebaut <strong>und</strong> erweitert.<br />
Alt ist nur der<br />
Renaissancegiebel.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER –Als die <strong>Jever</strong>aner vor gut<br />
400 Jahren, im Jahr 1610, ihr<br />
Rathaus mit dem traditionellen<br />
„Fensterbier“ e<strong>in</strong>weihten, wollten<br />
sie mit diesem Repräsentationsbau<br />
vor allem Geld verdienen<br />
<strong>und</strong> den <strong>in</strong> der Stadt allenthalben<br />
ausufernden Alkoholkonsum<br />
kanalisieren. Denn sie<br />
richteten <strong>in</strong> dem Hause e<strong>in</strong>e gemütliche<br />
We<strong>in</strong>schänke e<strong>in</strong>, deren<br />
Pächter fortan das Monopol<br />
Ergo-<br />
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Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
des We<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Bierausschanks<br />
haben sollte. Dass deswegen<br />
die e<strong>in</strong>gesessenen Schankwirte<br />
bald auf dem Trockenen sitzen<br />
würden, nahm der Rat nicht<br />
nur billigend <strong>in</strong> Kauf, es war vielmehr<br />
S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Zweck des Ganzen.<br />
Damals gehörte das <strong>Jever</strong>land<br />
bereits e<strong>in</strong>mal – von 1575<br />
bis 1667 – zu Oldenburg, <strong>und</strong><br />
Graf Anton Günther verfügte<br />
1604 auf Bitten der <strong>Jever</strong>aner<br />
„die E<strong>in</strong>ziehung der übermäßigen<br />
Bier- <strong>und</strong> We<strong>in</strong>schenken,<br />
wie auch das Zapfen <strong>in</strong> der<br />
Stadt betreffend, s<strong>in</strong>d wir mit<br />
des Raths <strong>und</strong> der Geme<strong>in</strong>de<br />
Vorschlahn <strong>in</strong> Gnaden zufrieden,<br />
das Bürgermeister <strong>und</strong><br />
Rath wegen der Stadt e<strong>in</strong> bequem<br />
Haus <strong>und</strong> Schenke zu<br />
präsentiert von der:<br />
We<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Bierzapfen anrichte,<br />
dar<strong>in</strong> auch notwendige Getränke<br />
für e<strong>in</strong>- <strong>und</strong> ausländische<br />
Leute nach Notdurft verschaffe“.<br />
An die alte We<strong>in</strong>stube im<br />
Rathaus, die mehr als 200 Jahre<br />
Gäste beköstigte, er<strong>in</strong>nert<br />
noch heute der We<strong>in</strong>hausgang,<br />
der vom Kirchplatz h<strong>in</strong>unter zur<br />
Großen Burgstraße führt. Das<br />
Ausschank-Monopol aber hatte<br />
kaum wirksamen Bestand.<br />
Den Ratssaal schmückte<br />
e<strong>in</strong>e kunstvolle Renaissance-<br />
Wandtäfelung des jeverschen<br />
Meisters Folkhard Fremers. Die<br />
Buchstaben <strong>und</strong> Wappen <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Feldern weisen auf<br />
Bürgermeister, Statthalter,<br />
Landrichter <strong>und</strong> Ratsherren h<strong>in</strong>.<br />
Die Wandschränke reichten damals<br />
für die gesamte Registra-<br />
23. Februar 2013<br />
tur aus.<br />
1746 wurde das Rathaus<br />
erstmals umgebaut, dabei wurde<br />
auch die Fassade verändert<br />
<strong>und</strong> erhielt zwei Erker. Bald<br />
nach den 300-Jahr-Feiern der<br />
Stadt 1836 wurde der baufällig<br />
gewordene Giebel wiederum erneuert<br />
– schlichter als der vorherige<br />
Volutengiebel, doch der<br />
Renaissance-Stil blieb gewahrt.<br />
102 Jahre später fiel das rechte<br />
Nachbarhaus der Spitzhacke<br />
zum Opfer, um Platz für die neue<br />
Feuerwache zu machen, die an<br />
das alte Rathaus angebaut wurde.<br />
Weitere 30 Jahre später waren<br />
Rat <strong>und</strong> Verwaltung des <strong>alten</strong><br />
Gemäuers überdrüssig.<br />
Das Rathaus wurde 1965 abgerissen<br />
<strong>und</strong> neu aufgebaut.<br />
Fortsetzung auf Seite 9<br />
Blickdie Schlossstraßeh<strong>in</strong>unterAnfangdesvorigenJahrh<strong>und</strong>erts. FOTO: ARCHIV ANDERSEN
23. Februar 2013<br />
Von Stadtrechten<strong>und</strong>Ratsordnungen<br />
Fortsetzung von Seite 8<br />
Nur den <strong>alten</strong> Giebel hielt man<br />
für erh<strong>alten</strong>swürdig, er blieb<br />
stehen. Ältere <strong>Jever</strong>aner er<strong>in</strong>nern<br />
sich auch noch an das alte<br />
Bürgerhaus, das l<strong>in</strong>ks neben<br />
dem Rathaus stand <strong>und</strong> für die<br />
Erweiterung der Amtsstuben<br />
ebenfalls zur Seite geschoben<br />
wurde.<br />
Die Wandvertäfelung des<br />
ehemaligen Ratssaales wurde<br />
restauriert <strong>und</strong> <strong>in</strong> das Traditionszimmer<br />
(Trauzimmer) im<br />
Rathaus e<strong>in</strong>gebaut.<br />
25 Jahre später rückten erneut<br />
die Bauarbeiter an. Die<br />
Feuerwehr, die mit ihren größe-<br />
ren Löschfahrzeugen nicht<br />
mehr <strong>in</strong> die beengte Wache<br />
passte, zog 1990 an ihren <strong>neuen</strong><br />
Standort an der Wangerländischen<br />
Straße. Die Stadt<br />
machte aus diesen Räumen<br />
zwar nicht wieder e<strong>in</strong> Gasthaus,<br />
aber e<strong>in</strong> „Gästehaus für Städtetourismus“<br />
<strong>und</strong> benannte<br />
den schönen Saal, der von dem<br />
<strong>alten</strong> Paneelwerk <strong>und</strong> dem seit<br />
1746 erst <strong>in</strong> die Kaserne, dann<br />
<strong>in</strong>s Schlossmuseum ausgelagerten<br />
<strong>alten</strong> Kam<strong>in</strong>sims geprägt<br />
wird, s<strong>in</strong>nigerweise nach<br />
dem Grafen Anton Günther.<br />
Man stellte den <strong>alten</strong> We<strong>in</strong>hausgang<br />
wieder her, <strong>und</strong> auch<br />
der alte We<strong>in</strong>keller kam zu <strong>neuen</strong><br />
Ehren.<br />
Das Privileg, sich Stadt nennen<br />
zu dürfen, erlangte das<br />
Ackerbürger-“Oppidum“ <strong>Jever</strong><br />
durch das Fräule<strong>in</strong> Maria, die<br />
ihren Herrschaftsanspruch militärisch<br />
<strong>und</strong> politisch <strong>in</strong> den Jahre<br />
1531 bis 1534 gegen das<br />
ostfriesische Grafenhaus erkämpfte.<br />
Die Grafensöhne hatten<br />
Maria <strong>und</strong> ihrer Schwester<br />
ursprünglich die Heirat versprochen,<br />
stattdessen aber die<br />
Schlossburg besetzt. Marias<br />
Glück war, das der von den Ostfriesen<br />
e<strong>in</strong>gesetzte Drost Bo<strong>in</strong>g<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
Wertvolle Schnitzarbeit. Die alte Vertäfelung ziert heute den<br />
Graf-Anton-Günther-Saal. WZ-FOTO: KNOTHE<br />
von Oldersum die Seiten wechselte<br />
-- womöglich weil er sich <strong>in</strong><br />
Maria verguckt hatte.<br />
Jedenfalls musste <strong>Jever</strong>, damit<br />
sich Maria sicherer fühlte<br />
<strong>und</strong> um ihrem Herrschaftsanspruch<br />
sichtbaren Ausdruck zu<br />
verleihen, zur befestigten Stadt<br />
ausgebaut werden: 1536 errichtete<br />
man r<strong>und</strong> um die heutige<br />
Altstadt e<strong>in</strong>en hohen Wall<br />
mit e<strong>in</strong>em Graben davor. Stadttore<br />
versperrten Ungebetenen<br />
den E<strong>in</strong>lass. Seit diesen Tagen,<br />
so heißt es <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung zur<br />
Stadtrechtsbestätigung<br />
1572, sollte „<strong>Jever</strong> e<strong>in</strong>e ehrliche<br />
stadt genompt <strong>und</strong> geachtet<br />
... werden“. Seit 1541 war<br />
das städtische Siegel <strong>in</strong> Gebrauch.<br />
Es trägt die Buchstaben<br />
DVMG, übersetzt mit Dedit<br />
Urbi Maria Gubernacula (Maria<br />
gab der Stadt e<strong>in</strong>e Regierung)<br />
oder womöglich auch mit Dom<strong>in</strong>a<br />
Virgo Maria Geverensis<br />
(Jungfrau Maria, Herr<strong>in</strong> <strong>Jever</strong>s).<br />
Bürgermeister <strong>und</strong> „Olderlüde“<br />
trafen sich zu ihren Beratungen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum im St.<br />
Annen-Tor. Ihr alter Rats-Tisch<br />
bef<strong>in</strong>det sich heute im Schlossmuseum.<br />
Maria gewährte den<br />
Bürgern gnädig Stadtrechte, <strong>in</strong><br />
denen nicht nur die städtischen<br />
Die kunstvolle RenaissanceWandtäfelung des jeverschen<br />
Meisters Folkhard Fremers befand sich bis Mitte der 1990er<br />
JahreimTrauzimmer. FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
E<strong>in</strong>künfte, sondern auch die<br />
Lasten zur Unterhaltung der Befestigungen<br />
geregelt wurden.<br />
Stadtluft macht frei -- dieser<br />
Spruch galt nicht für <strong>Jever</strong>.<br />
Drost <strong>und</strong> landesherrlicher Amthauptmann<br />
regierten stets<br />
„durch“. Zwar waren die Bürger<br />
von den Abgaben an den Landesherrn<br />
befreit, mussten aber<br />
die <strong>in</strong> der Stadt stationierten<br />
Soldaten beköstigen bzw. entsprechende<br />
Servisgelder zahlen.<br />
Die Ratsordnung von 1614<br />
berichtet von drei Bürgermeistern<br />
<strong>und</strong> neun Ratsherren. Wie<br />
sie bestimmt wurden, ist nicht<br />
recht klar. Womöglich s<strong>in</strong>d sie<br />
aus den vier Rotten, <strong>in</strong> die die<br />
Stadt e<strong>in</strong>geteilt war <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />
denen jeweils Olderlude für die<br />
Selbstverwaltung bestimmt<br />
wurden, delegiert worden. Die<br />
Bürgermeister dagegen wurden<br />
von der Landesherrschaft e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Doch auch auf die Besetzung<br />
der Ratsmandate<br />
nahm die Herrschaft bestim-<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 9<br />
menden E<strong>in</strong>fluss, zum<strong>in</strong>dest<br />
behielt sie sich vor, deren Ernennung<br />
zu bestätigen. E<strong>in</strong>mal<br />
<strong>in</strong>s Amt gekommen, blieb man<br />
Ratsherr bis zum Tode.<br />
Während die Bürgermeister<br />
e<strong>in</strong> Jahresgehalt vom Fürsten<br />
bezogen, waren die Ratsherren<br />
seit der Ratsordnung von 1614<br />
an „Accidentien“ <strong>und</strong> Gebühren<br />
beteiligt. Diese erhoben sie im<br />
Rahmen ihrer Zuständigkeit für<br />
die städtische Gerichtsbarkeit,<br />
für die Marktordnung, die Überprüfung<br />
der Maße <strong>und</strong> Gewichte.<br />
Die Ratsherren kümmerten<br />
sich um den Brandschutz <strong>und</strong><br />
um den guten Zustand der Brunnen,<br />
für deren Beaufsichtigung<br />
sie die Püttmeister bestellten.<br />
Für die Stadttore bestallte der<br />
Rat Pförtner, <strong>und</strong> er vergab weitere<br />
Ämter, wie zum Beispiel<br />
Stadtzimmermeister, Trommelschläger,<br />
Büchsenschütze,<br />
Konstabel, Wallmeister, Pestmeister,<br />
Emder Bote, Organist,<br />
Bälgetreter, Bademutter <strong>und</strong><br />
Stadtschulmeister.<br />
Immer e<strong>in</strong>en Besuch wert!<br />
Herzlich willkommen<br />
<strong>in</strong> der<br />
Marienstadt<strong>Jever</strong>!<br />
Stadt <strong>Jever</strong> ·www.stadt-jever.de
Seite 10 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Schlachte:<strong>Jever</strong>sTorzurWelt<br />
Die Schlachte war<br />
e<strong>in</strong>st der Hafen<br />
von <strong>Jever</strong>. Händler,<br />
Handwerker<br />
<strong>und</strong> Herbergen<br />
prägten das Bild.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – Am Rande der<br />
Altstadt <strong>Jever</strong>s bef<strong>in</strong>det<br />
sich der ehemalige alte<br />
Hafen. E<strong>in</strong>st, im Mittelalter,<br />
hatte <strong>Jever</strong> direkten<br />
Zugang zum Meer,<br />
erstreckten sich doch<br />
die Harlebucht von Norden<br />
<strong>und</strong> die Crildumerbucht<br />
von Osten bis nah<br />
an <strong>Jever</strong>. Später, als diese<br />
großen Meeresbuchten<br />
e<strong>in</strong>gedeicht waren,<br />
führten das Tettenser<br />
Tief <strong>und</strong> das Hookstief<br />
nach <strong>Jever</strong>. Die Güter<br />
wurden <strong>in</strong> Altgarmssiel<br />
<strong>und</strong> Hooksiel umge-<br />
Die SchlachteumdasJahr1900.ImH<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>erkenntmandenSchornste<strong>in</strong><br />
derSägemühle. FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
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Die Schlachte – <strong>Jever</strong>s ehemaliger Hafen. Kle<strong>in</strong>es<br />
Foto: Das Hafenbecken wurde als Spielplatzwiedernachgebildet.<br />
FOTO: SIEFKEN<br />
schlagen <strong>und</strong><br />
auf Schiffen<br />
nach <strong>Jever</strong> getreidelt.<br />
Dieser alte<br />
Hafen hatte für<br />
<strong>Jever</strong> große Bedeutung,spielte<br />
sich doch<br />
der Güterverkehrhauptsächlich<br />
auf<br />
den Wasserwegen<br />
ab. Erst im<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
wurden<br />
Straßen <strong>und</strong><br />
Wege im <strong>Jever</strong>land<br />
befestigt<br />
<strong>und</strong> erst dann<br />
kam man zu jeder Jahreszeit<br />
mit Pferdewagen oder Ochsenkarren<br />
gut voran.<br />
Die Straße, die vom Alten<br />
Markt von der Geesthöhe nach<br />
dort h<strong>in</strong>unterführt, heißt<br />
Schlachte -- e<strong>in</strong> selten gewordenes<br />
Wort-Denkmal. E<strong>in</strong>e<br />
Schlacht, sagt Grimms Wörterbuch<br />
von 1854, bedeutete<br />
e<strong>in</strong>st auch Uferbefestigung,<br />
man verschlachtete e<strong>in</strong> Ufer, <strong>in</strong>dem<br />
man Pfahlwerk e<strong>in</strong>schlug.<br />
<strong>Jever</strong>s Schiffsanlegestelle war<br />
im Mittelalter natürlich mit Holz<br />
23. Februar 2013<br />
befestigt.<br />
Im Zuge der Altstadtsanierung<br />
<strong>in</strong> den Jahren 1985/86<br />
hat man die alte Bedeutung der<br />
Schlachte baulich wieder hervorgehoben.<br />
In der schönen<br />
Platzanlage wurde das ehemalige<br />
Hafenbecken nachgebildet,<br />
e<strong>in</strong> Spielschiff für K<strong>in</strong>der er<strong>in</strong>nert<br />
an die <strong>alten</strong> Lastschiffe,<br />
der „Kai“ ist mit Holzbohlen verschalt.<br />
E<strong>in</strong>e Gastwirtschaft am<br />
Rande des Platzes heißt noch<br />
heute <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung an den Hafen<br />
„Zum goldenen Anker“.<br />
E<strong>in</strong>st stand am Kai e<strong>in</strong> Kran,<br />
mit dem die Ladung der Schiffe<br />
gelöscht wurde. R<strong>und</strong> um den<br />
Hafen herrschte reges Leben,<br />
man kehrte <strong>in</strong> den zahlreichen<br />
Gastwirtschaften e<strong>in</strong>. Hier befanden<br />
sich die großen Handelshäuser<br />
der Ohmstede <strong>und</strong><br />
Mehr<strong>in</strong>gs, später die Baustoffhändler<br />
Habben (später Bargen)<br />
<strong>und</strong> Süßmilch. Die Süßmilchs<br />
betrieben e<strong>in</strong>e Sägemühle;<br />
1932 brannte diese ab.<br />
Die Schlachte war das handwerkliche<br />
Gewerbezentrum<br />
der Stadt. Sattler, Maler<br />
Drechsler, Schmiede, Fuhrleute,<br />
Tischler, Seiler, Korbmacher,<br />
Mützenmacher, Bürstenmacher<br />
<strong>und</strong> Fortsetzung auf Seite 11
23. Februar 2013<br />
Lesenswertes<br />
über<strong>Jever</strong><br />
JEVER/SI – Literatur über <strong>Jever</strong><br />
gibt es reichlich, <strong>und</strong> auf<br />
sie stützte sich die Redaktion<br />
auch bei ihren Recherchen.<br />
So blätterten wir unterem <strong>in</strong>:<br />
Fridrich Arends, Ostfriesland<br />
<strong>und</strong> <strong>Jever</strong> -- <strong>in</strong> geographischer,<br />
statistischer <strong>und</strong> besonders<br />
landwirtschaftlicher<br />
H<strong>in</strong>sicht, Emden 1820<br />
Albrecht Friedrich Ludolph<br />
Lasius, Der Französische<br />
Kayser-Staat unter der Regierung<br />
des Kaysers Napoleon<br />
des Großen im Jahre 1812,<br />
Osnabrück 1813<br />
Karl Fissen Hrsg), Tausend<br />
Jahre <strong>Jever</strong> - 400 Jahre<br />
Stadt <strong>Jever</strong>, Festschrift aus<br />
dem Jahr 1936<br />
Karl Fissen, <strong>Jever</strong> - Volksk<strong>und</strong>liches<br />
aus e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />
Stadt <strong>und</strong> ihrer Landschaft,<br />
<strong>Jever</strong> 1960<br />
Hellmut Rogowski, Verfassung<br />
<strong>und</strong> Verwaltung der<br />
Herrschaft <strong>und</strong> Stadt <strong>Jever</strong><br />
von den Anfängen bis zum<br />
Jahre 1807, Oldenburg 1967<br />
Karl Fissen, Das alte <strong>Jever</strong>,<br />
<strong>Jever</strong> 1965<br />
Bernhard Schönbohm, Bekannte<br />
<strong>und</strong> berühmte <strong>Jever</strong>länder,<br />
<strong>Jever</strong> 1981<br />
Werner Re<strong>in</strong>hardt, Franz<br />
Czoska (Hrsg.), Justiz an der<br />
Jade, Wilhelmshaven 1985<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> Heimatlexikon,<br />
Wilhelmshaven<br />
1986/87<br />
E<strong>in</strong> Blick zurück - Beiträge<br />
zur Geschichte des <strong>Jever</strong>landes,<br />
<strong>Jever</strong> 1986<br />
Nordfriisk Instituut, Die<br />
friesische Freiheit, Bredstedt<br />
1990<br />
Uwe Me<strong>in</strong>ers (Hrsg), E<strong>in</strong><br />
Künstlerleben im Biedermeier;<br />
Friedrich Adam Wilhelm<br />
Barnutz, <strong>Jever</strong> 1991<br />
Rudolf Müller, E<strong>in</strong> Bummel<br />
durch das alte <strong>Jever</strong>, Bd. 1 -<br />
3, <strong>Jever</strong> 1998<br />
425 Jahre Mariengymnasium<br />
<strong>Jever</strong>, <strong>Jever</strong> 1998<br />
Fritz Blume, 150 Jahre<br />
Friesisches Brauhaus zu <strong>Jever</strong>,<br />
<strong>Jever</strong> 1998<br />
100 Jahre <strong>Jever</strong>land - von<br />
1900 bis 2000, <strong>Jever</strong> 1999<br />
Antje Sander (Hrsg.),<br />
Maria von <strong>Jever</strong>, Oldenburg<br />
2000<br />
Antje Sander (Hrsg.), Der<br />
Hof, die Stadt, das Land -<br />
Das <strong>Jever</strong>land <strong>in</strong> Anhalt-<br />
Zerbster Zeit, Oldenburg<br />
2004<br />
Klaus Andersen <strong>und</strong> Ingo<br />
Hashagen, <strong>Jever</strong>, Zentrum<br />
e<strong>in</strong>er Herrschaft, Erfurt 2009<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Die Sägemühle lief bis 1899. Sie soll östlich der Schlachtmühle am Hookstief gestanden haben.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN/LEHMANN<br />
Reges LebenanderSchlachte<br />
Fortsetzung von<br />
Seite 10<br />
mancher Handlungsbetriebversorgten<br />
Stadt <strong>und</strong><br />
Land mit ihren Produkten.<br />
Der Sillensteder<br />
Pastor <strong>und</strong> Heimat-<br />
Chronist Carl Woebcken<br />
schrieb <strong>in</strong><br />
„Wanderungen<br />
durch Friesland“<br />
1919: „Früher füllte<br />
das Tief fast den<br />
ganzen freien Platz<br />
präsentiert von der<br />
aus, der den Namen Schlachte<br />
beh<strong>alten</strong> hat. Wer denkt noch<br />
daran, daß die Schlachte e<strong>in</strong>e<br />
Kaje war, an der Schiffe anlegten?<br />
Wir können uns schwer e<strong>in</strong><br />
Bild machen von dem Leben<br />
<strong>und</strong> Treiben, das e<strong>in</strong>st geherrscht<br />
hat. E<strong>in</strong> großer Kran<br />
war das Wahrzeichen. Kähne<br />
<strong>und</strong> selbst kle<strong>in</strong>e Seeschiffe kamen<br />
herauf, <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Fährboot<br />
vermittelte den Personenverkehr<br />
nach dem blühenden Hafenort<br />
an der Jade, Hooksiel.<br />
Die Schiffe wurden vom Lande<br />
aus gezogen (Treckfahrt). An<br />
der Schlachte standen<br />
die zahlreichen Wirtschaften,<br />
die großen<br />
Handelshäuser ... hier saß das<br />
Geld.“<br />
Der Hafen <strong>und</strong> das Hookstief<br />
verloren ihre Verkehrswegefunktion,<br />
als Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
die Straße nach Waddewarden<br />
<strong>und</strong> Hooksiel gebaut<br />
wurde <strong>und</strong> ab 1871 auch die<br />
Eisenbahn nach <strong>Jever</strong> regelmäßig<br />
schnaufte, die 1883 Anschluss<br />
an die Ostfriesische<br />
Küstenbahn über Wittm<strong>und</strong>,<br />
Esens, Norden nach Emden erhielt.<br />
1888 war auch der Abzweiger<br />
nach Carol<strong>in</strong>ensiel fertiggestellt.<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 11<br />
E<strong>in</strong>st Schifffahrtsweg,heute<br />
e<strong>in</strong>verlandeterGraben.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN/SIEFKEN<br />
Inh.: Goldschmiedemeister Ronald Mann<br />
<strong>Jever</strong><br />
Alter Markt<br />
11<br />
Seit 1990<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
Wilhelmshaven<br />
Marktstraße<br />
107
Seite 12 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Großer AuftriebaufdemMarkt<br />
Der Alte Markt gehörte<br />
e<strong>in</strong>st zur Vorstadt. Um<br />
1900 gab es hier alljährlich<br />
mehrere große<br />
Viehmärkte.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – Der Alte Markt <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
hatte se<strong>in</strong>e Blütezeit im 19. <strong>und</strong><br />
frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Hier<br />
fanden die Kram-, Vieh- <strong>und</strong><br />
Pferdemärkte statt.<br />
Schon immer hatte das <strong>Jever</strong>land<br />
Pferde <strong>und</strong> Vieh, Milcherzeugnisse<br />
<strong>und</strong> Felle zu den<br />
Anra<strong>in</strong>ern der Nordsee <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />
Anzeige<br />
den Ostseeraum exportiert. Die<br />
Landwirtschaft auf den vielfach<br />
fetten Marschen des <strong>Jever</strong>landes<br />
florierte. Die Überschüsse<br />
wurden über die Sielorte Carol<strong>in</strong>ensiel,<br />
Horumersiel, Hooksiel<br />
<strong>und</strong> Rüstersiel verschifft.<br />
„Hooksiel ist der Haupthafen“,<br />
schreibt Fridrich Arends <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
„geografischen, statistischen<br />
<strong>und</strong> landwirtschaftlichen<br />
Beschreibung“ von „Ostfriesland<br />
<strong>und</strong> <strong>Jever</strong>“ 1822. Arends<br />
weiter: „Der Pferdehandel ist<br />
beträchtlich. Es mögen jährlich<br />
gegen 1000 Pferde ausgeführt<br />
werden. R<strong>in</strong>dvieh, mageres <strong>und</strong><br />
fettes geht ebenfalls <strong>in</strong> beträchtlicher<br />
Menge aus.“<br />
Fridrich Arends berichtete<br />
se<strong>in</strong>erzeit von elf Krammärkten,<br />
drei Vieh- <strong>und</strong> drei Pferdemärkten<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong>. „Die häufige<br />
Anwesenheit der Landbewohner,<br />
da sich <strong>in</strong> <strong>Jever</strong> als der<br />
Haupt- <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zigen Stadt des<br />
Landes alles concentrirt, beförderten<br />
hauptsächlich den Flor<br />
des Ortes“, so Arends.<br />
In se<strong>in</strong>er Beschreibung des<br />
„Großherzogthums Oldenburg“<br />
zählt K. G. Böse 1863 drei Wochenmärkte<br />
sowie 17 Jahr-,<br />
Kram-, Pferde-, Schwe<strong>in</strong>e- <strong>und</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Bis<strong>in</strong>die1920erJahregabesdiegroßenViehmärkte<strong>in</strong><strong>Jever</strong>.Aufdem Alten Marktdrängten<br />
sichdieTiere.ImH<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><strong>in</strong>derMittedasehemaligeAmtmannHaus. FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
DieAnb<strong>in</strong>devorrichtungenfürdasViehaufdemAlten<br />
Markt vor dem Hof von Oldenburg. E<strong>in</strong>e Bronzeskulptur<br />
er<strong>in</strong>nert heute an die e<strong>in</strong>stige Bedeutung des<br />
Handelsplatzes FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
Holzmärkte auf. Die Absatzchancen<br />
verbesserten sich für<br />
die Bauern mit dem Anschluss<br />
<strong>Jever</strong>s an die Eisenbahn. ab<br />
1871.<br />
Auswärtige Käufer ließen<br />
nun das Vieh vermehrt über den<br />
Schienenweg abtransportieren.<br />
So mancher Viehtrieb muss<br />
sich durch die Stadt vom Alten<br />
AliceEckermann<br />
BUCH@PAPIER<br />
präsentiert von der:<br />
Markt zum Bahnhof<br />
bewegt haben.<br />
Auch der Ausbau<br />
der Straßen im <strong>Jever</strong>land <strong>in</strong> der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
hat die Absatzchancen<br />
der jeverländischen Bauern vergrößert<br />
<strong>und</strong> damit die Bedeutung<br />
<strong>Jever</strong>s als Marktplatz.<br />
Auch trug der Aufschwung der<br />
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23. Februar 2013<br />
Viehzucht im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
zur Bedeutung <strong>Jever</strong>s als Umschlagsplatz<br />
für den Viehhandel<br />
bei.<br />
1878 wurde der <strong>Jever</strong>ländische<br />
Herdbuchvere<strong>in</strong>, der die<br />
Aufsicht über die Zuchtbücher<br />
führte <strong>und</strong> Viehkörungen vornahm,<br />
gegründet, der Landwirt<br />
Anton Rel<strong>in</strong>g (1830 - 1895) war<br />
dabei e<strong>in</strong>e treibende Kraft.<br />
E<strong>in</strong>drucksvoll s<strong>in</strong>d die Zahlen<br />
vom Viehauftrieb aus dem<br />
Jahr 1900, die damals <strong>in</strong> der<br />
<strong>Zeitung</strong> vermeldet wurden:<br />
„18. September 1900. Dem<br />
heutigen Viehmarkt waren zugeführt<br />
570 Stück Hornvieh, 73<br />
Schafe, ca. 130 Schwe<strong>in</strong>e <strong>und</strong><br />
3 Füllen. Es waren wieder recht<br />
viele auswärtige Händler erschienen<br />
<strong>und</strong> entwickelte sich<br />
<strong>in</strong> allen Viehgattungen e<strong>in</strong> flotter<br />
Handel. Nach auswärts wurden<br />
reichlich 450 Stück Hornvieh<br />
verkauft ...<br />
Fortsetzung auf Seite 13
23. Februar 2013<br />
H<strong>und</strong>erte<br />
R<strong>in</strong>deraufdem<br />
AltenMarkt<br />
Fortsetzung von Seite 12<br />
9. Oktober: Dem heutigen<br />
Viehmarkt waren zugeführt 726<br />
Stück Hornvieh, 114 Schafe,<br />
ca. 300 Schwe<strong>in</strong>e. Vom Lande<br />
herrschte auf dem Markte e<strong>in</strong><br />
recht reger Verkehr. .. nach auswärts<br />
wurden ca. 200 Stück<br />
Hornvieh mit der Bahn versandt<br />
23. Oktober: Dem heutigen<br />
Viehmarkt wurden zugeführt<br />
1203 Stück Hornvieh, 230<br />
Schafe, ca. 130 Schwe<strong>in</strong>e ...<br />
Nach auswärts wurden reichlich<br />
250 Stück Hornvieh verkauft.“<br />
H<strong>in</strong>zu kamen, schreibt Fissen<br />
an anderer Stelle, „die<br />
Kle<strong>in</strong>bauern mit ihrem Kasten<br />
voll Aantküken. Sie hatten ihre<br />
Plätze vor dem Amtshause.<br />
Auswärtige Händler waren <strong>in</strong><br />
Massen anwesend. Lange Budenreihen<br />
säumten den großen<br />
Marktplatz e<strong>in</strong>. Brett<strong>in</strong>gs Karussell<br />
stand regelmäßig an<br />
der Mühlenstraße gegenüber<br />
vom Hof von Oldenburg. Und<br />
unsere heimischen Geschäfte<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
BlickaufdenAltenMarktEndedes19.Jahrh<strong>und</strong>erts,amBildrand<br />
l<strong>in</strong>ks die 1901 abgerissene katholische Kirche. Drittes<br />
Hausvonrechtsder„SchwarzeAdler“. FOTO: ARCHIV AHLERS<br />
Der Alte Markt mit dem <strong>neuen</strong> Geschäftshaus im H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong>e<strong>in</strong>erPütt.<br />
kamen dabei auch nicht zu kurz.<br />
Für Unterhaltung sorgten unsere<br />
Stadtmusikanten <strong>und</strong> Orgeldreher,<br />
die straßauf-straßab<br />
ihre Weisen ertönen ließen.“<br />
An diese Zeit er<strong>in</strong>nert heute<br />
der herbstliche „Brüllmarkt“,<br />
den Market<strong>in</strong>gstrategen vor e<strong>in</strong>igen<br />
Jahren wieder aufleben<br />
ließen, wenngleich das bisschen<br />
Vieh, das heute aufgetrieben<br />
wird, nur der Zierde dient.<br />
In den 30er-Jahren des vorigen<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts schliefen die<br />
Viehmärkte allmählich e<strong>in</strong>. Der<br />
Der Alte Markt 1968. L<strong>in</strong>ks das Modehaus Buss, an dem<br />
heutee<strong>in</strong>neuesGeschäftshaussteht. FOTO:ARCHIV ANDERSEN<br />
ehemalige Kaufmann Rudolf<br />
Müller, Jahrgang 1921, er<strong>in</strong>nert<br />
sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Büchle<strong>in</strong> „E<strong>in</strong><br />
Bummel durch das alte <strong>Jever</strong>“<br />
noch an die Richelwerke, an<br />
denen das Vieh festgeb<strong>und</strong>en<br />
wurde. „Wir K<strong>in</strong>der benutzten<br />
sie als Turngeräte, <strong>und</strong> da sie<br />
ziemlich verrostet waren, gab’s<br />
zu Hause Ärger wegen der verschmutzten<br />
Kleidung“, schreibt<br />
er.<br />
R<strong>und</strong> um den <strong>alten</strong> Markt<br />
hatten viele Gaststätten ihr<br />
Auskommen. Damals führte die<br />
Mühlenstraße von Süden kommend<br />
auf den Alten Markt <strong>und</strong><br />
g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> die Neue Straße über.<br />
Die Straße Von-Thünen-Ufer<br />
vom Alten Markt bis zur<br />
Schlachte gab es damals noch<br />
nicht. Hier waren Gärten. Am<br />
Rand des Alten Marktes zur<br />
Graft h<strong>in</strong> stand das „Café Wellblech“,<br />
e<strong>in</strong>e öffentliche Bedürfnisanstalt.<br />
An der Stelle des Johann-Ahlers-Hauses,<br />
dessen Tage mittlerweile<br />
gezählt s<strong>in</strong>d, war vor<br />
dem Krieg der Fahrradstand von<br />
Erich Harjes; viele <strong>Jever</strong>länder<br />
strampelten mit dem Fahrrad <strong>in</strong><br />
ihre „Metropole“ zum E<strong>in</strong>kaufen,<br />
zur Arbeit <strong>und</strong> zur Schule.<br />
Und an selber Stelle an der<br />
Blankgraft stand auf dem heutigen<br />
Straßenareal „Von Thünen-<br />
Ufer“ bis 1901 kle<strong>in</strong>e katholische<br />
Kirche, bis sie <strong>in</strong> ihren<br />
neugotischen Kirchbau an der<br />
Pr<strong>in</strong>zengraft zog.<br />
Manche Er<strong>in</strong>nerung verb<strong>in</strong>det<br />
sich bei älteren <strong>Jever</strong>anern<br />
mit dem „Concerthaus“ am Alten<br />
Markt, das noch heute diese<br />
Inschrift trägt <strong>und</strong> mehrere<br />
Geschäfte beherbergt. 1888<br />
wurde es als Gesellschaftshaus<br />
gebaut.<br />
Auf der kle<strong>in</strong>en Bühne entwickelte<br />
die „Speeldeel“ seit<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 13<br />
1921 große Spielfreude. 90<br />
Jahre erheiterten die Laienschauspieler<br />
gekonnt ihr Publikum.<br />
Vor zwei Jahren mottete<br />
man den Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>. Im Concerthaus<br />
erlebten die <strong>Jever</strong>länder<br />
auch die Stummfilmzeit mit Klavier-<br />
<strong>und</strong> Geigenspielbegleitung.<br />
Zu den ältesten Lokalen am<br />
Platz zählt das „<strong>Jever</strong> Fass“, früher<br />
der „Schwarze Adler“. Im<br />
rückwärtigen Bereich stand e<strong>in</strong><br />
geräumiges Saalgebäude. Im<br />
ersten Stock, so er<strong>in</strong>nert sich<br />
Rudolf Müller, habe sich e<strong>in</strong><br />
Tanzsaal bef<strong>und</strong>en, <strong>in</strong> dem er<br />
noch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Jugendzeit die<br />
ersten Tanzschritte erlernt habe.<br />
Als im Wirtschaftsw<strong>und</strong>erland<br />
bald auch jeder <strong>Jever</strong>länder<br />
Auto fuhr, diente der Alte<br />
Markt bis <strong>in</strong> die 1980er-Jahre<br />
als Parkplatz. Im Zuge der<br />
Stadtsanierung wurde der „ruhende<br />
Verkehr“ h<strong>in</strong>ter die Kulissen<br />
<strong>in</strong> den „Grünen Garten“, wo<br />
neue Parkplätze angelegt wurden,<br />
verbannt. Auch kehrte man<br />
die alte Kopfste<strong>in</strong>pflasterung<br />
wieder hervor.<br />
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Seite 14 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Die Hof-Apotheke residiert seit dem Jahr 1902 an der Schlossstraße/Ecke Ketelhörn. ursprünglichbefandsiesichamKirchplatz(kle<strong>in</strong>eFotos).<br />
FOTO: NIEMANN/SIEFKEN/ARCHIV ANDERSEN<br />
ApothekenmitlangerTradition<br />
Seit 1537 gibt es <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
e<strong>in</strong>e Apotheke, seit<br />
1673 die Hof-Apotheke.<br />
Etliche Apotheker<br />
gehörten dem Rat der<br />
Stadt an.<br />
VON WOLFGANG NIEMANN<br />
JEVER – Die „Hof-Apotheke“ zu<br />
<strong>Jever</strong> gehört zu den besonders<br />
schönen Gebäuden der Kreisstadt.<br />
Die Apotheke wurde bereits<br />
1673 gegründet, seit<br />
1902 bef<strong>in</strong>det sie sich im Haus<br />
Schlossstraße 5.<br />
Caspar Xylander erhielt am<br />
20. Juni 1673 das Privileg für<br />
die „Hof-Apotheke“. Er war zuvor<br />
Provisor der Hof-Apotheke<br />
des Balthasar Dugend <strong>in</strong> Oldenburg,<br />
dessen Tochter er heirate-<br />
te. Die noch im Orig<strong>in</strong>al vorhandene<br />
Urk<strong>und</strong>e wurde von Fürst<strong>in</strong><br />
Sophia Augusta zu Anhalt <strong>in</strong><br />
der Residenz Zerbst gezeichnet.<br />
Xylander durfte demnach<br />
auch mit exotischen Gewürzen<br />
<strong>und</strong> Konfekt handeln <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en<br />
We<strong>in</strong>ausschank betreiben.<br />
Erstmals wird e<strong>in</strong>e Apotheke<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong> allerd<strong>in</strong>gs bereits 1537<br />
urk<strong>und</strong>lich erwähnt. Noch vor<br />
der Gründung der „Hof-Apotheke“<br />
entstand die „Löwen-Apotheke“<br />
<strong>in</strong> der heutigen Apothekenstraße;<br />
heute ist es e<strong>in</strong><br />
Gasthaus .<br />
Xylanders Schwiegersohn<br />
Friedrich Bernhard Tölcken erwarb<br />
1720 das Diensthaus des<br />
Rentmeisters <strong>in</strong> der Schlossstraße<br />
3 an der Ecke zum Kirchplatz,<br />
wo er die „Hof-Apotheke“<br />
e<strong>in</strong>richtete. Heute bef<strong>in</strong>det sich<br />
hier e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Parkplatz. Von<br />
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Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der:<br />
1673 bis 1885, also 212 Jahre<br />
lang, blieb die Apotheke im Besitz<br />
der Familie, wobei zeitweise<br />
auch die Witwen verstorbener<br />
Apotheker das Privileg für den<br />
Betrieb <strong>in</strong>nehatten. Erst 1886<br />
g<strong>in</strong>g das Eigentum durch den<br />
Verkauf an den Apotheker August<br />
Lew<strong>in</strong> über.<br />
Mit Ludwig August Müller<br />
(1832-1916), der die Hof-Apotheke<br />
bis 1886 <strong>in</strong>nehatte, setzte<br />
e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante politische<br />
„Nebenkarriere“ jeverscher<br />
Apotheker e<strong>in</strong>. 1873 bis 1906<br />
war er Stadtratsmitglied. Auch<br />
se<strong>in</strong> Nachfolger Franz Busch<br />
wurde Ratsherr wie auch dessen<br />
Sohn Hans-Fritz Busch, der<br />
zeitweise auch Bürgermeister<br />
<strong>Jever</strong>s war.<br />
Apotheker<strong>in</strong> Johanna Ummen,<br />
die die Apotheke 1972<br />
von Buschs Witwe erwarb <strong>und</strong><br />
noch heute deren Inhaber<strong>in</strong> ist,<br />
folgte dieser Tradition als Ratsmitglied<br />
von 1972 bis 1996.<br />
Sie pflegt die Tradition der Apotheke,<br />
die das Großherzogliche<br />
Oldenburgische Wappen von<br />
1828 ziert.<br />
E<strong>in</strong> markantes Gebäude ist<br />
auch die „Schloss-Apotheke“<br />
mit ihrem Türmchen am Alten<br />
Markt. Das Haus wurde 1905<br />
gebaut, womit es nur drei Jahre<br />
jünger als die jetzige „Hof-Apotheke“<br />
ist. Karl Rocker, der es<br />
1912 vom Erstbesitzer Otto<br />
Bley erwarb, eröffnete hier <strong>in</strong><br />
23. Februar 2013<br />
SchlossApotheke. FOTO: NIEMANN<br />
Die EssoStation Rocker, heuteApotheke.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
den 20er-Jahren die erste Tankstelle<br />
<strong>Jever</strong>s mit e<strong>in</strong>er Zapfsäule.<br />
Über den Ladenfenstern<br />
prangte <strong>in</strong> dicken Lettern „Oel<strong>und</strong><br />
Benz<strong>in</strong>station Karl Rocker“.<br />
Begonnen hatte er mit dem<br />
Verkauf von S<strong>in</strong>ger-Nähmasch<strong>in</strong>en<br />
<strong>und</strong> Fahrrädern. Bald aber<br />
folgten auch der Handel mit Motorrädern<br />
sowie Opel-Automobilen.<br />
Dazu eröffnete er e<strong>in</strong>e<br />
Werkstatt mit Meister <strong>und</strong> Gesellen,<br />
deren Räume noch heute<br />
existieren.<br />
Karl Rocker junior übernahm<br />
nach der Heimkehr aus der<br />
Kriegsgefangenschaft 1949<br />
den Autohandel <strong>und</strong> die Werkstatt<br />
vom Vater <strong>und</strong> führte beide<br />
bis zum Rentenalter. Rockers<br />
Ehefrau Edda stammte<br />
aus e<strong>in</strong>er Bad Zwischenahner<br />
Familie, <strong>in</strong> der es seit Urgroßvaters<br />
Zeiten Apotheker gab, <strong>und</strong><br />
so wurde das Hauptgeschäft<br />
am 24. April 1976 unter der Leitung<br />
von Apotheker Ulrich Faust<br />
zur „Schloss-Apotheke“, wogegen<br />
das Ladenlokal zur Neuen<br />
Straße h<strong>in</strong> bis heute Süßes<br />
anbietet.<br />
Im Obergeschoss residierte<br />
bis Ende der 90er-Jahre e<strong>in</strong>e<br />
Arztpraxis. Der jetzige Hauseigentümer<br />
Ulrich Schipper<br />
stammt aus Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> ist ebenfalls vom pharmazeutischen<br />
Fach. Er erwarb das<br />
Hausensemble 2002.
23. Februar 2013<br />
Schütt<strong>in</strong>gwichSparkassenbau<br />
Mitte der 1970er-Jahre<br />
fiel der Schütt<strong>in</strong>g dem<br />
Abrissbagger zum Opfer.<br />
Die LzO baut hier<br />
jetzt e<strong>in</strong> neues stadtbildprägendesGebäude.<br />
VON WOLFGANG NIEMANN<br />
JEVER – E<strong>in</strong>es der markantesten<br />
Gebäude <strong>in</strong> <strong>Jever</strong>s Innenstadt<br />
war über lange Zeit der „Schütt<strong>in</strong>g“<br />
am Alten Markt. Bereits im<br />
18. Jahrh<strong>und</strong>ert als Treffpunkt<br />
der Kaufleute errichtet, entlehnte<br />
man den Namen offenbar<br />
dem Vorbild des berühmten<br />
Bremer Schütt<strong>in</strong>g.<br />
Auf <strong>alten</strong> <strong>Bildern</strong> noch aus<br />
der Zeit vor der Motorisierung<br />
erkennt man das Haus mit dem<br />
charakteristischen Arkaden-<br />
Vorbau als „Hotel Schütt<strong>in</strong>g“<br />
<strong>und</strong> der später wechselnden Zusatzbezeichnung<br />
„Restauration<br />
von P. Balenius“. In der Nazi-Zeit<br />
hatte der Schütt<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e unrühmliche<br />
Ära als Versammlungslokal<br />
der SA. Der Alte<br />
Markt hieß im „Dritten<br />
Reich“„Adolf-Hitler-Platz“.<br />
In den 70er-Jahren passierte<br />
dann jedoch das, was Alt-Bürgermeister<br />
Paul Müller als „<strong>Jever</strong>s<br />
größte Bausünde“ bezeichnete:<br />
das „Hotel Schütt<strong>in</strong>g“ <strong>und</strong><br />
der direkt angrenzende Gasthof<br />
„Weißer Schwan“ wurden<br />
1974/75 abgerissen. An se<strong>in</strong>e<br />
Stelle baute die Landessparkasse<br />
zu Oldenburg (LzO) ihr<br />
neues Bankgebäude. Am 4. November<br />
1977 zog sie aus ihrer<br />
bisherigen Niederlassung an<br />
der Albanistraße <strong>in</strong> ihre neue<br />
„Zweiganstalt“ um.<br />
Erst <strong>in</strong> den 80er-Jahren setz-<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
te allenthalben e<strong>in</strong> Umdenken<br />
e<strong>in</strong> <strong>und</strong> man besann sich darauf,<br />
die historischen Bauten <strong>in</strong><br />
den Städten zu erh<strong>alten</strong>. Für <strong>Jever</strong>s<br />
Schütt<strong>in</strong>g jedoch war es zu<br />
spät.<br />
Dabei ist die LzO selbst<br />
e<strong>in</strong>e altehrwürdige Institution.<br />
Bereits am<br />
1. August 1786<br />
unterzeichnete<br />
der<br />
Landesherr<br />
Herzog Peter<br />
Friedrich<br />
Ludwig die<br />
Gründungsurk<strong>und</strong>e<br />
für<br />
diese „Er-<br />
Mit diesem Gebäude mochten sich die <strong>Jever</strong>aner nicht recht<br />
anfre<strong>und</strong>en.Jetztbautdie LzOneu–<strong>und</strong>schöner.<br />
DasHotel Schütt<strong>in</strong>gprägtee<strong>in</strong>stdasBildamAltenMarkt.HierkehrtenvieleKaufleutee<strong>in</strong>.An<br />
se<strong>in</strong>erStellebautedieLzO1975ihreneueZweigniederlassung. FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST/NIEMANN<br />
sparungscasse für das Herzogtum<br />
Oldenburg“. Se<strong>in</strong> löblicher<br />
Gedanke war dabei e<strong>in</strong>e<br />
Neuordnung des Armenwesens,<br />
denn mit dieser Kasse<br />
sollte<br />
es wirtschaftlich<br />
schwächeren Bevölkerungskreisen<br />
ermöglicht werden, Rücklagen<br />
zu bilden.<br />
Nur die Sparkasse Hamburg<br />
ist <strong>in</strong> ihrer Art noch e<strong>in</strong> paar Jahre<br />
älter als die LzO. Die LzO<br />
führt ihren heutigen Namen übrigens<br />
erst seit dem 1. Januar<br />
1913 <strong>und</strong> wird seit 1937 als<br />
e<strong>in</strong>e Anstalt des öffentlichen<br />
Rechts vom Sparkassenzweckverband<br />
Oldenburg getragen,<br />
dem die Landkreise<br />
Ammerland, Cloppenburg,<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 15<br />
Friesland, Oldenburg, Vechta,<br />
Wesermarsch sowie die kreisfreien<br />
Städte Delmenhorst <strong>und</strong><br />
Oldenburg angehören.<br />
Nach jahrelangen Gerüchten<br />
lüftete die LzO das Geheimnis<br />
um die Zukunft der<br />
<strong>alten</strong> Bausünde:<br />
Im Juni<br />
2011<br />
stellte<br />
die<br />
LzO<br />
das<br />
Modell<br />
für<br />
e<strong>in</strong>en<br />
Neubau<br />
ihrer Regionaldirektion<br />
<strong>Jever</strong> vor.<br />
Aus fünf Architektenentwürfen<br />
wurde das dreigeschossige<br />
Modell von Architekt<strong>in</strong><br />
Iris Wienecke (Oldenburg)<br />
ausgewählt. In hellem Naturste<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> mit e<strong>in</strong>er raff<strong>in</strong>ierten<br />
Dachkonstruktion soll diese<br />
Investition für r<strong>und</strong> sechs Millionen<br />
Euro sich <strong>in</strong> das historische<br />
Bild der Bauten r<strong>und</strong> um den Alten<br />
Markt e<strong>in</strong>passen.<br />
Nach dem Abriss des <strong>alten</strong><br />
Baus im Jahr 2012 wächst der<br />
Neubau derzeit heran <strong>und</strong> kann<br />
voraussichtlich im Laufe dieses<br />
Jahres e<strong>in</strong>geweiht werden.
Seite 16 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
RichterfürStadt<strong>und</strong>Land<br />
Schon seit dem Mittelalter<br />
wird <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
Recht gesprochen. Seit<br />
1704 hat die Justiz hier<br />
e<strong>in</strong> eigenes Dach über<br />
dem Kopf.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – Zu den altehrwürdigen<br />
Gebäuden <strong>in</strong> <strong>Jever</strong> gehört das<br />
Amtsgericht. Der älteste, westliche<br />
Gebäudeteil stammt aus<br />
der Zeit um 1620, der mittlere<br />
Teil mit der Freitreppe wurde im<br />
Jahr 1703/04 gebaut <strong>und</strong><br />
1827 aufgestockt. Der östliche<br />
Anbau stammt aus dem Jahr<br />
1884. Von 1993 bis 1997 wurde<br />
der gesamte Gebäudetrakt<br />
saniert <strong>und</strong> neu auf- <strong>und</strong> umgebaut.<br />
Der älteste Gebäudeteil war<br />
ursprünglich als Marstall gebaut<br />
worden <strong>und</strong> diente ferner<br />
als Ballhaus, <strong>in</strong> dem man Ballspiele<br />
spielte. Bis zum Bau des<br />
Richthauses 1704 fanden die<br />
Gerichtsverhandlungen wohl<br />
vornehmlich <strong>in</strong> den Privathäusern<br />
der Richter, teils sicher<br />
auch im Rathaus statt. Die Trennung<br />
zwischen Verwaltung <strong>und</strong><br />
Gerichtsbarkeit entwickelte<br />
sich erst im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Im Mittelalter übten <strong>in</strong> den<br />
Frieslanden die gewählten Redjeven<br />
(Richter) die Gerichtsbarkeit<br />
aus. Die Östr<strong>in</strong>ger <strong>und</strong> Wangerländer<br />
Richter trafen sich <strong>in</strong><br />
<strong>Jever</strong>, das sich se<strong>in</strong>er verkehrsgünstigen<br />
Lage am Ende des<br />
Heerweges <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er damaligen<br />
guten Anb<strong>in</strong>dung an die<br />
Seewege wegen zum Hauptort<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
1704wurdedas Gerichtsgebäudegebaut<strong>und</strong>spätererweitert.DerMarstall(dasspitzgiebeligeHausvordemErker)wurdeim17.Jahrh<strong>und</strong>erterrichtet.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
entwickelt hatte. Das Kloster<br />
Oestr<strong>in</strong>gfelde nahm wohl e<strong>in</strong>e<br />
zunehmend wichtigere Rolle <strong>in</strong><br />
der Gerichtsbarkeit e<strong>in</strong>, wie<br />
auch Verwaltungs- <strong>und</strong> Kirchspielsgrenzen<br />
deckungsgleich<br />
wurden.<br />
Für den Übergang zur Häuptl<strong>in</strong>gsherrschaft<br />
im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
ist die Quellenlage h<strong>in</strong>sichtlich<br />
Verwaltungsaufbau<br />
<strong>und</strong> Gerichtsbarkeit dünn, deutlicher<br />
umrissen tritt sie im 16.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert wieder zutage. Wie<br />
sich das Gerichtswesen im <strong>Jever</strong>land<br />
entwickelte, beschrieb<br />
der Jurist Dr. Hellmut Rogowski<br />
Dasjeversche AmtsgerichtwurdeMitteder1990erJahresaniert.<br />
präsentiert von der:<br />
1967 im Band 16 der Oldenburger<br />
Forschungen.<br />
Man unterschied zwischen<br />
dem Stadt- <strong>und</strong> dem Landgericht.<br />
Das Stadtgericht bestand<br />
aus den Ratsmitgliedern. Es<br />
war zuständig für die Zivilstreitigkeiten<br />
der Bürger <strong>in</strong>nerhalb<br />
der umwallten Stadt, nicht also<br />
für die Bürger der Vorstadt. Die<br />
hatten sich wie die übrigen Bürger<br />
des <strong>Jever</strong>landes an das<br />
Landgericht zu wenden.<br />
Das Landgericht war e<strong>in</strong>erseits<br />
Zivilgericht – für <strong>Jever</strong>s<br />
Stadtbürger auch Appellationsgericht<br />
-- , andererseits Krim<strong>in</strong>algericht.<br />
Es tagte<br />
anfangs unter dem<br />
Vorsitz des Häuptl<strong>in</strong>gs,<br />
später des<br />
Drosten, mit mehreren<br />
Beisitzern<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em Schreiber.<br />
Aus der Funktion<br />
des Schreibers<br />
entwickelte<br />
sich e<strong>in</strong> ständiger<br />
Amtsträger, der<br />
erstmalig 1514<br />
urk<strong>und</strong>lich belegte<br />
Landrichter. Seit<br />
dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
waren alle<br />
Landgerichtsmitglieder<br />
Juristen.<br />
Zu den Krim<strong>in</strong>aljustizsachenzählten„Majestätsbeleidung,<br />
Zauberei,<br />
Mord, Totschlag,<br />
FOTO: SIEFKEN schwerer Dieb-<br />
23. Februar 2013<br />
stahl, Urk<strong>und</strong>enfälschung, Ehebruch<br />
<strong>und</strong> Unzucht“. Den sogenannten<br />
fiskalischen Delikten<br />
rechnete man blutige <strong>und</strong> unblutige<br />
Körperverletzung, Beleidigungen,<br />
Hausfriedensbruch,<br />
leichter Diebstahl, Widerstand<br />
gegen landesherrliche <strong>und</strong><br />
städtische Bedienstete, Beschädigung<br />
<strong>und</strong> Zerstörung öffentlicher<br />
E<strong>in</strong>richtungen sowie<br />
Verstöße gegen die zahlreichen<br />
Verordnungen. Die fiskalischen<br />
Delikte zogen als Strafe <strong>in</strong> der<br />
Regel Brüche (Strafzahlungen)<br />
nach sich. Wer nicht zahlen<br />
konnte, wurde <strong>in</strong>s Gefängnis geworfen<br />
oder wurde zu Arbeiten<br />
auf den Vorwerken (den großen<br />
Gütern der Landesherrschaft)<br />
<strong>und</strong> dem Schloss herangezogen.<br />
Wehe dem, der schwerer Anschuldigungen<br />
wegen <strong>in</strong> die<br />
Fänge der Justiz geriet. Während<br />
Folter nach altem friesischem<br />
Recht verpönt war, änderte<br />
sich dies im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
unter dem E<strong>in</strong>druck der<br />
„Pe<strong>in</strong>lichen Halsgerichtsordnung“<br />
Kaiser Karls V. von 1532.<br />
Die sogenannte Carol<strong>in</strong>a führte<br />
den Inquisitionsprozess im<br />
Strafwesen e<strong>in</strong>, damit die<br />
„pe<strong>in</strong>liche Befragung“, legte<br />
aber auch e<strong>in</strong>ige gerichtliche<br />
Verfahrensgr<strong>und</strong>sätze fest.<br />
Schonung konnte ke<strong>in</strong> Verdächtiger<br />
erwarten. So manch<br />
e<strong>in</strong>er starb schon während des<br />
Prozesses.<br />
Fortsetzung auf Seite 17
23. Februar 2013<br />
MitFeuer<br />
<strong>und</strong><br />
Schwert<br />
gerichtet<br />
Fortsetzung von Seite<br />
So geht aus <strong>alten</strong> Krim<strong>in</strong>alprotokollen<br />
der<br />
Jahre 1542 - 49 hervor,<br />
dass alle <strong>in</strong>haftierten<br />
„Hexen“ im Gefängnis<br />
den Kältetod starben.<br />
Zwei große Hexenprozesse<br />
ragen unheilvoll<br />
aus der Justizgeschichte<br />
des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts im<br />
<strong>Jever</strong>land hervor. Obwohl<br />
Landesherrschaft<br />
<strong>und</strong> Geistlichkeit eigentlich<br />
der Reformation zugeneigt<br />
waren, stand der<br />
von der katholischen Inquisition<br />
befeuerte<br />
Hexenglaube offensichtlich<br />
auch im <strong>Jever</strong>land<br />
noch <strong>in</strong> voller Blüte.<br />
1542/43 gab es<br />
e<strong>in</strong>en Hexen-Prozess<br />
gegen e<strong>in</strong>e Frau namens<br />
Tommet; die Del<strong>in</strong>quent<strong>in</strong><br />
landete auf dem<br />
Scheiterhaufen. Ebenso<br />
erg<strong>in</strong>g es 13 Frauen <strong>und</strong><br />
zwei Männern, die <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Prozess 1592<br />
nach grauslichen Folterungen<br />
„gestanden“ <strong>und</strong><br />
verbrannt wurden. E<strong>in</strong>ige<br />
„Hexen“ wurden gnädigerweise<br />
zuvor geköpft;<br />
das Richtschwert, das<br />
1582 ge-<br />
schmiedet<br />
worden war,<br />
wird noch heute im<br />
Schlossmuseum aufbewahrt.<br />
Zu Fräule<strong>in</strong> Marias Zeiten<br />
gab es noch ke<strong>in</strong>en Scharfrichter.<br />
Als <strong>Jever</strong> anschließend zur<br />
Grafschaft Oldenburg gehörte,<br />
rückte der Scharfrichter bei<br />
Bedarf von dort an. Während<br />
der Zerbster Zeit ließ sich e<strong>in</strong><br />
„Nachrichter“ <strong>in</strong> <strong>Jever</strong> nieder. Er<br />
erhielt das Privileg, als e<strong>in</strong>ziger<br />
gegen Gebühr sämtliches <strong>in</strong> der<br />
Stadt <strong>und</strong> Herrschaft <strong>Jever</strong> verrecktes<br />
Vieh abledern <strong>und</strong> verscharren<br />
zu dürfen. Damit verdiente<br />
er so reichlich, dass er<br />
die H<strong>in</strong>richtungen ohne Bezahlung<br />
durchführen musste.<br />
Die H<strong>in</strong>richtungen fanden,<br />
glaubt man dem viel zitierten<br />
Geschichtsschreiber Sello, auf<br />
dem Alten Markt statt. 1751 ist<br />
die letzte H<strong>in</strong>richtung auf dem<br />
Alten Markt bezeugt. Laut <strong>alten</strong><br />
Gerichtsakten im Staatsarchiv<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
WohlkaumzumLachenzumutewardenDel<strong>in</strong>quent<strong>in</strong>nenim<br />
Hexengalgen. Im Schlossmuseum wird das Richtschwertaufbewahrt.<br />
Oldenburg allerd<strong>in</strong>gs<br />
war der Richtplatz beim heutigen<br />
Siebetshaus <strong>in</strong> der Nähe<br />
des ehemaligen Klosters Östr<strong>in</strong>gfelde.<br />
Auf dem Alten Markt<br />
stand, wie Rogowski ausführt,<br />
lediglich der „halbe Galgen“, wo<br />
vor allem die für alle Zeiten entehrenden<br />
Prangerstrafen vollstreckt<br />
wurden.<br />
In der Stadt (also <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Stadtbefestigung) selbst<br />
s<strong>in</strong>d, wie Rogowski ausführt,<br />
nachweislich nie Todes- oder<br />
Prangerstrafen vollstreckt<br />
worden. Hier wurden nur die<br />
Urteile verkündet.<br />
Altes örtliches Gewohnheitsrecht<br />
rang <strong>in</strong> weiten Teilen<br />
Deutschlands mit vom römischen<br />
Recht hergeleitetem Geme<strong>in</strong>recht.<br />
Auch im jeverschen<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST/SCHLOSSMUSEUM<br />
Landgericht<br />
trat<br />
das friesische Recht<br />
immer stärker <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>ter-<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 17<br />
gr<strong>und</strong>, stützten sich<br />
die studierten Juristen<br />
auf die Gr<strong>und</strong>sätze<br />
des Geme<strong>in</strong>en<br />
Rechts.<br />
Während der napoleonischenHerrschaft<br />
wurde auch<br />
das Justizwesen umgestülpt,<br />
g<strong>alten</strong> der<br />
Code Civil <strong>und</strong> französischesStrafrecht.<br />
<strong>Jever</strong> wurde<br />
zum Sitz e<strong>in</strong>es Tribunals<br />
mit e<strong>in</strong>em<br />
Präsidenten <strong>und</strong> drei<br />
Richtern als Berufungsgericht<br />
<strong>und</strong> zuständig<br />
für Gerichtssachen<br />
mit höheren<br />
Streitwerten. Unterste<br />
Instanz waren die<br />
Friedensrichter <strong>in</strong><br />
den Kantonen, den<br />
ehemaligen Amtsvogteien,<br />
die mehrere<br />
Kirchspiele (Mairien)<br />
umfassten. Kapitalverbrechenwurden<br />
vor dem Schwurgericht<br />
verhandelt.<br />
Als das <strong>Jever</strong>land<br />
1818 endgültig dem<br />
Herzogtum Oldenburg<br />
zugesprochen<br />
wurde, griff man wiederum<br />
auf das vorherige<br />
Rechtswesen<br />
mit der Amtsverfassung<br />
zurück. Der<br />
Amtmann erhielt<br />
wieder se<strong>in</strong>e zentrale<br />
Bedeutung als<br />
Chef der Verwaltungs-<br />
<strong>und</strong> Justizbehörde.<br />
Erst 1858 kam es<br />
im Zuge der oldenburgischenVerwaltungs-<br />
<strong>und</strong> Gebietsreform<br />
zur weitgehenden<br />
Trennung<br />
von Verwaltung <strong>und</strong><br />
Justizwesen. Das<br />
Landgericht <strong>Jever</strong><br />
wurde aufgelöst <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Amtsgericht<br />
e<strong>in</strong>gerichtet. Nächsthöhere<br />
Instanz war das Obergericht<br />
<strong>in</strong> Varel, das die Aufgaben<br />
des ehemaligen Landgerichtes<br />
übernahm.<br />
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Seite 18 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Ältestes Bürgerhaus<strong>Jever</strong>s<br />
Der „Schwarze Bär“<br />
kann auf e<strong>in</strong>e über<br />
200-jährige Tradition<br />
zurückblicken. 1897<br />
zog er <strong>in</strong>s älteste Haus<br />
<strong>Jever</strong>s.<br />
VON KLAUS HOMOLA<br />
JEVER – Am Kirchplatz 14 <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
erstreckt sich zwischen zwei<br />
neueren Giebelhäusern der<br />
1562 errichtete zweigeschossige<br />
<strong>und</strong> im Giebel viergeschossige<br />
Gasthof „Schwarzer Bär“,<br />
neben dem Schloss wohl e<strong>in</strong>es<br />
der ältesten Gebäude <strong>in</strong> <strong>Jever</strong>.<br />
Der Architekt Kurt Asche (Oldenburg)<br />
schreibt dazu <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Bestandsaufnahme denkmalwürdiger<br />
Häuser <strong>und</strong> Objekte<br />
<strong>in</strong> der Stadt <strong>Jever</strong>: „Das Gebäude<br />
stellt das e<strong>in</strong>zige gut erh<strong>alten</strong>e<br />
<strong>und</strong> datierte Ziegelhaus<br />
aus der Mitte des 16.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>in</strong> <strong>Jever</strong> dar. Es ist<br />
zugleich das älteste authentische<br />
Beispiel e<strong>in</strong>es Bürgerhauses<br />
aus der Zeit des Fräule<strong>in</strong><br />
Maria.<br />
In Material, Konstruktion<br />
<strong>und</strong> Form belegt es die an der<br />
Küste <strong>und</strong> im Küstenh<strong>in</strong>terland<br />
im 16. <strong>und</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
bezeichnende Verwendung von<br />
JEVER/HO – Neben dem Rathaus<br />
am Kirchplatz <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
stand bis 1938 e<strong>in</strong> Wohnhaus<br />
mit der Hausnummer 12. Dieses<br />
Haus hatte die Stadt <strong>Jever</strong><br />
schon e<strong>in</strong>ige Jahre zuvor erworben,<br />
um hier e<strong>in</strong> Feuerwehrgerätehaus<br />
zu errichten. Das Haus<br />
war über 200 Jahre alt, baufällig<br />
<strong>und</strong> hätte erneuert werden<br />
müssen.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e stellte<br />
die Stadt <strong>Jever</strong> beim Amtshauptmann<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong> den Antrag,<br />
das Gebäude abzubrechen. Im<br />
Bausche<strong>in</strong> Nr. 318/38 des<br />
Amtshauptmanns ist zu lesen,<br />
„…dass die <strong>in</strong> diesem Gebäude<br />
wohnenden Familien von Ihnen<br />
anderweitig untergebracht werden…“<br />
Aus volkswirtschaftlichen<br />
Gründen spreche nichts<br />
gegen e<strong>in</strong>en Ersatzbau.<br />
Im Bauantrag der Stadt <strong>Jever</strong><br />
heißt es zur Begründung der<br />
Baumaßnahme, dass die bisherige<br />
Unterbr<strong>in</strong>gung der Geräte <strong>in</strong><br />
der Stadt sehr mangelhaft <strong>und</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Der „Schwarze Bär“ am Kirchplatz ist das älteste noch erh<strong>alten</strong>eBürgerhaus<strong>in</strong><strong>Jever</strong>.<br />
WZ-FOTO: GABRIEL-JÜRGENS<br />
Ziegeln <strong>und</strong> Sandste<strong>in</strong>.“ Ursprünglich<br />
hatte sich der Gasthof<br />
„Schwarzer Bär“ zunächst<br />
zwei Häuser weiter <strong>in</strong> Richtung<br />
Rathaus etabliert.<br />
Der Gasthof wurde 1791 von<br />
Johann Looschen, e<strong>in</strong>em ehemaligen<br />
Soldaten von der Garni-<br />
für die E<strong>in</strong>satzfähigkeit der<br />
Feuerlösch-Polizei ke<strong>in</strong>e Gewähr<br />
gegeben sei.<br />
Weiter heißt es: „Ich beabsichtige<br />
daher, das alte<br />
Gebäude, welches nicht verwendungsfähig<br />
ist, abzubrechen<br />
<strong>und</strong> den erforderlichen<br />
Gerätehausneubau vorzunehmen.<br />
Auch e<strong>in</strong> längeres<br />
Wohnenbleiben von Familien<br />
<strong>in</strong> diesem Hause ist ohne<br />
Aufwand von wesentlichen<br />
Mitteln nicht möglich.“<br />
Der Zweckbau mit dem noch<br />
heute sichtbaren charakteristischen<br />
Schlauchturm musste allerd<strong>in</strong>gs<br />
„erkämpft“ werden.<br />
H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> waren die H<strong>in</strong>weise<br />
<strong>in</strong> mehreren Schreiben des Bürgermeisters<br />
auf die Nähe des<br />
Kriegshafens Wilhelmshavens<br />
<strong>und</strong> die unmittelbare Nachbarschaft<br />
zum Flugplatz Upjever.<br />
Beides könnten E<strong>in</strong>satzorte der<br />
Feuerwehr <strong>Jever</strong> werden, die dafür<br />
sowohl baulich als auch<br />
technisch nicht ausgerüstet<br />
präsentiert von der:<br />
son <strong>in</strong> <strong>Jever</strong>, der ursprünglich<br />
aus Anhalt zugewandert war, eröffnet.<br />
Später wurde e<strong>in</strong> Theatersaal<br />
zur großen Burgstraße<br />
angebaut.<br />
Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde<br />
nach Auskunft von Heimatk<strong>und</strong>ler<br />
Wilke Krüger der Bau als gro-<br />
Die Feuerwehr 1933 vor dem ehemaligenBürgerhaus.<br />
FOTO: PRIVAT<br />
sei. H<strong>in</strong>zu kam das Feilschen<br />
um die Zuteilung von „Eisen“<br />
für das zu errichtende Gebäude<br />
mit der Eisenverteilungsstelle<br />
für Geme<strong>in</strong>den <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>deverbände<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, auch zum<br />
Zweck des E<strong>in</strong>baus e<strong>in</strong>er Heizung<br />
<strong>in</strong> das zu errichtende Gebäude.<br />
Das wurde schließlich<br />
1939 errichtet <strong>und</strong> diente bis<br />
1983 als Spritzenhaus der<br />
Freiwilligen Feuerwehr <strong>Jever</strong>.<br />
Doch schon <strong>in</strong> den 70er Jahren<br />
zeigte sich, dass das Ge-<br />
23. Februar 2013<br />
ßes Haus im Gr<strong>und</strong>buch beschrieben.<br />
1896/97 erwarb die<br />
Stadt <strong>Jever</strong> den Gasthof <strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong>en Anbau <strong>und</strong> ließ hier mitten<br />
<strong>in</strong> der Stadt e<strong>in</strong> E-Werk errichten.<br />
Der heutige „Schwarzer Bär“<br />
war zunächst Wohnhaus <strong>und</strong><br />
wurde dann als Schankwirtschaft<br />
e<strong>in</strong>gerichtet. Der erste<br />
Gastwirt <strong>in</strong> der <strong>neuen</strong> Wirtschaft<br />
hieß Weerts. Um 1912<br />
kaufte die Familie Janssen (bekannt<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong> war vor allem „Toto“<br />
Janssen, der hier bis <strong>in</strong> die<br />
90er-Jahre <strong>in</strong> der Großen Burgstraße<br />
e<strong>in</strong>en Lotto-Laden betrieb).<br />
Über der Tür des h<strong>in</strong>teren<br />
Giebels bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Sandste<strong>in</strong>relief<br />
mit e<strong>in</strong>em Schwarzen<br />
Bären.<br />
1953 entstand im Haus des<br />
E-Werkes, das nicht mehr <strong>in</strong> Betrieb<br />
war, das Burgtheater. Heute<br />
ist es das Geme<strong>in</strong>dehaus<br />
der ev. Kirche. Nach dem Brand<br />
der Stadtkirche im Jahr 1959<br />
wurden hier Gottesdienste abgeh<strong>alten</strong>.<br />
In se<strong>in</strong>er akribisch geführten<br />
Chronologie der Wirtshäuser<br />
<strong>und</strong> Gasthäuser <strong>in</strong> <strong>Jever</strong> zählt<br />
Wilke Krüger mehr als 20 Wirte,<br />
die <strong>in</strong> dem Haus „Schwarzer<br />
Bär“ (alt) gewirkt haben. Im der<br />
<strong>neuen</strong> Schankwirtschaft kommt<br />
er bis heute auf zwölf.<br />
Das SpritzenhausnebenderStadtkirche<br />
bäude nicht mehr den Anforderungen<br />
der Zeit genügte. Im<br />
Jahr 1982 entschied sich der<br />
Rat der Stadt <strong>Jever</strong> für den<br />
Neubau e<strong>in</strong>es Gerätehauses<br />
an der Milchstraße, das e<strong>in</strong><br />
Jahr später e<strong>in</strong>geweiht wurde.<br />
Es dauerte noch bis Ende<br />
der 80er Jahre, bis sich der<br />
Rat für e<strong>in</strong>e neue Verwendung<br />
aussprach. In dem Gebäude<br />
sollte e<strong>in</strong> Ratssaal entstehen,<br />
da im Rathaus mit dem<br />
Renaissance-Giebel nur e<strong>in</strong><br />
kle<strong>in</strong>er Saal zur Verfügung<br />
stand. Architekt Friedrich C.<br />
Meyer übernahm unter Mithilfe<br />
des Statikers Egon Hohn die<br />
schwierige Aufgabe, hier e<strong>in</strong>en<br />
Saal zu schaffen, der den Ansprüchen<br />
des Rates entsprach.<br />
Dabei blieb der We<strong>in</strong>hausgang,<br />
der den Kirchplatz mit der Großen<br />
Burgstraße verb<strong>in</strong>det, erh<strong>alten</strong>.<br />
Quellenangabe: Der Verfasser<br />
<strong>und</strong> Dokumentationen der<br />
Freiwilligen Feuerwehr <strong>Jever</strong>.
23. Februar 2013<br />
Das Sophienstift<br />
<strong>in</strong>den30er<br />
Jahrenvonder<br />
Pr<strong>in</strong>zenalleeaus<br />
betrachtet.<br />
FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
VomArmenzum Krankenhaus<br />
Die Schwäger<strong>in</strong> der Zar<strong>in</strong><br />
veranlasste die<br />
Gründung e<strong>in</strong>es Armen<strong>und</strong><br />
Arbeitshauses,<br />
aus dem das Sophienstift<br />
wurde.<br />
VON WOLFGANG NIEMANN<br />
JEVER – In die Tausende dürfte<br />
die Zahl der Zeitgenossen gehen,<br />
die als Geburtsort <strong>Jever</strong><br />
angeben <strong>und</strong> hier ganz speziell<br />
das Sophienstift mitten <strong>in</strong> der<br />
Marienstadt me<strong>in</strong>en. Tatsächlich<br />
war diese E<strong>in</strong>richtung vor allem<br />
für se<strong>in</strong>e geburtshilfliche<br />
Abteilung weit über das <strong>Jever</strong>land<br />
h<strong>in</strong>aus bekannt, <strong>und</strong> die<br />
letzte größere Neuerung war die<br />
1998 geschaffene Möglichkeit<br />
von Wassergeburten.<br />
Doch die Zeiten s<strong>in</strong>d vergangen,<br />
<strong>und</strong> als der Landkreis<br />
Friesland als Träger 2006 den<br />
Kl<strong>in</strong>ikbetrieb mit zuletzt 48 Betten<br />
e<strong>in</strong>stellte, endete damit<br />
e<strong>in</strong>e 144-jährige Geschichte als<br />
Krankenhaus. Bereits 1996<br />
wurde das Obergeschoss zur Altenpflegee<strong>in</strong>richtungumgewandelt<br />
<strong>und</strong> nach dem Übergang an<br />
die Stiftung Blankenburg, Bezirksverband<br />
Oldenburg, sowie<br />
die Firma E<strong>in</strong>siedel & Partner,<br />
Oldenburg bietet das Sophienstift<br />
im Hochparterre Betreutes<br />
Wohnen, während der übrige<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
Das Sophienstift ist heute e<strong>in</strong>e Seniorenwohn <strong>und</strong> Pflegee<strong>in</strong>richtung.<br />
FOTO: PRIVAT<br />
Bereich vollstationäre <strong>und</strong> Kurzzeitpflege<br />
vorhält.<br />
Das Sophienstift erhielt se<strong>in</strong>en<br />
Namen 1866 vom Großherzog<br />
von Oldenburg verliehen,<br />
nachdem es bereits vier Jahre<br />
als Krankenhaus gedient hatte.<br />
Der Anfang des Hauses aber<br />
liegt noch gut 60 Jahre früher<br />
<strong>und</strong> geht auf die Namenspatron<strong>in</strong><br />
zurück. Zur Zeit der sogenannten<br />
ersten „russischen<br />
Zeit“ von 1793 bis 1806 fungierte<br />
Friederike Auguste Sophie<br />
(1744 - 1827), Fürst<strong>in</strong> von<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 19<br />
Anhalt-Zerbst, als Landesadm<strong>in</strong>istrator<strong>in</strong><br />
des <strong>Jever</strong>landes.<br />
Die Schwäger<strong>in</strong> der<br />
russischen Zar<strong>in</strong> Kathar<strong>in</strong>a<br />
der Großen verwaltete<br />
die kle<strong>in</strong>e Herrschaft von<br />
ihrem Witwensitz <strong>in</strong> Coswig<br />
aus <strong>und</strong> setzte sich<br />
sehr für deren Bürger e<strong>in</strong>.<br />
Dazu gehörte auch, dass<br />
sie <strong>in</strong> den Jahren<br />
1803/04 auf dem Gelände<br />
des Kle<strong>in</strong>en Herrengartens<br />
e<strong>in</strong> Armen- <strong>und</strong><br />
Arbeitshaus errichten<br />
ließ. 1862 wurde diese Armenanstalt<br />
schließlich <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Krankenhaus umgewandelt<br />
<strong>und</strong> erweitert <strong>und</strong><br />
1866 kam es dann zu der<br />
noch heute geltenden Namensgebung<br />
nach der<br />
e<strong>in</strong>stigen Gründer<strong>in</strong>.
Seite 20 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Gr<strong>und</strong>gelegtfürvieleKarrieren<br />
Das Mariengymnasium<br />
blickt auf e<strong>in</strong>e 440-jährige<br />
Geschichte zurück.<br />
Es legte den Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong><br />
für viele Karrieren.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – <strong>Jever</strong>s Lokalpatrioten<br />
verweisen stolz auf das Mariengymnasium.<br />
Zu Recht, ist es<br />
doch e<strong>in</strong>e der ältesten Schulen<br />
im Lande <strong>und</strong> beherbergt e<strong>in</strong>e<br />
der größten <strong>und</strong> historisch wertvollsten<br />
Schulbibliotheken.<br />
1573 veranlasste das alternde<br />
Fräule<strong>in</strong> Maria (1500 - 1575),<br />
Herrscher<strong>in</strong> des <strong>Jever</strong>landes<br />
seit 1534, die Gründung der<br />
Late<strong>in</strong>schule:<br />
„Darnach vorschaffen <strong>und</strong><br />
wollen wyr hirmith, das e<strong>in</strong>e<br />
Schule alhir zu jever, di wir vormittelst<br />
Godtlicher hilff erbauen<br />
zu lassen entschlossen . . . mit<br />
fünf gelerte gesellen, deren<br />
zween Artium Magistri se<strong>in</strong> sollen,<br />
. . . dergestalt, das die Jugent<br />
dieser unser herschaft <strong>und</strong><br />
Stadt <strong>Jever</strong> <strong>in</strong> derselbigen ohn<br />
a<strong>in</strong>iche entgeltnuß getreulich<br />
<strong>und</strong> wol Instituirt <strong>und</strong> gelernet<br />
werden soll“ -- so trug es die<br />
Herrscher<strong>in</strong> <strong>in</strong> damals noch orthografischer<br />
Freiheit ihren<br />
Nachfahren auf.<br />
Edo Hildericus (1533 -<br />
1599), e<strong>in</strong> Sohn der Stadt, Historiker,<br />
Mathematiker, Philologe<br />
<strong>und</strong> protestantischer Theologe,<br />
steuerte als Rektor des Altstädtischen<br />
Gymnasiums Magdeburg<br />
Wesentliches zur jeverschen<br />
Schulordnung bei. Der<br />
erste Rektor der <strong>neuen</strong> Late<strong>in</strong>schule<br />
war Henrikus Libert<strong>in</strong>us<br />
(He<strong>in</strong>rich Frey). Er war zuvor Prediger<br />
<strong>in</strong> Waddewarden.<br />
Nicht nur die K<strong>in</strong>der der Begüterten<br />
sollten die Schule besuchen<br />
können. Schon 1591<br />
kam es zur Gründung e<strong>in</strong>er Kurrende,<br />
e<strong>in</strong> aus bedürftigen<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
Blick vom Schlossturm auf das Mariengymnasium kurz nach 1900. Im Bildh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> sieht<br />
mandieehemaligeMühleanderMühlenstraße. FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
Das Mariengymnasium mit dem zur Terrasse gelegenen ehemaligen<br />
Haupte<strong>in</strong>gang. FOTO: WZ-BILDDIENST/KNOTHE<br />
Schülern bestehender Chor, der<br />
von Haus zu Haus zog <strong>und</strong> bei<br />
Festen für Geld sang (lat. currere<br />
= laufen).<br />
Der Unterricht fand wohl zunächst<br />
im Hause des Rektors,<br />
dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Anbau der Kirche<br />
statt. 1593 zog die Schule, seit<br />
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präsentiert von der:<br />
1667 „Prov<strong>in</strong>zialschule“, <strong>in</strong> das<br />
Haus am Kirchplatz/Ecke Kle<strong>in</strong>e<br />
Rosmar<strong>in</strong>straße e<strong>in</strong>; im Erdgeschoss<br />
befand sich die Wohnung<br />
des Rektors, im Obergeschoss<br />
wurde unterrichtet.<br />
1818 f<strong>in</strong>det die Prov<strong>in</strong>zialschule<br />
e<strong>in</strong>e neue Bleibe im Böselagerschen<br />
Haus an der<br />
Drostenstraße. Joachim von<br />
Böselager war als Drost noch<br />
1574 von Maria e<strong>in</strong>gesetzt worden<br />
<strong>und</strong> blieb dies auch unter<br />
den Oldenburger Grafen bis<br />
1609. Doch auch hier war die<br />
Schule alles andere als optimal<br />
untergebracht, wie aus den<br />
Unterlagen der örtlichen Schulkommission<br />
hervorgeht. Die<br />
Räume waren schlecht beheizt,<br />
wegen der Kälte wurden sie<br />
nicht ausreichend belüftet. Die<br />
Fenster zur schmalen Straße<br />
oder zum engen Hof ließen nur<br />
23. Februar 2013<br />
wenig Licht here<strong>in</strong>.<br />
Die östliche Seite des Schulhauses<br />
grenzte an das Gr<strong>und</strong>stück<br />
e<strong>in</strong>es Schlachters; Düngerhaufen<br />
<strong>und</strong> Schlachtabfälle<br />
verpesteten die Luft wie die „9<br />
Aborte“ <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>terhöfen der<br />
umliegenden Häuser. Der Straßenlärm<br />
<strong>und</strong> das Quieken des<br />
Viehs, welches der Schlachter<br />
während der Schulzeit abstach,<br />
störten den Unterricht.<br />
Nichtsdestoweniger wurde<br />
an der Schule vor allem ab dem<br />
18. Jahrh<strong>und</strong>ert e<strong>in</strong>e offensichtlich<br />
erfolgreiche pädagogische<br />
Arbeit geleistet. Unter der<br />
Ägide des Rektors Hermann<br />
Friedrich Hollmann (1792 -<br />
1825) lernten an der Prov<strong>in</strong>zialschule<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von Schülern,<br />
die später zu deutschen<br />
Geistesgrößen avancierten:<br />
der Historiker Friedrich Christoph<br />
Schlosser, der Nationalökonom<br />
Johann He<strong>in</strong>rich von<br />
Thünen, der Mathematiker <strong>und</strong><br />
Astronom Johann Ludwig Tiarks,<br />
der Chemiker Eilhard Mitscherlich,<br />
der „Turnvater“ Gerhard<br />
Ulrich Anton Vieth, der Forschungsreisende<br />
Ulrich Jasper<br />
Seetzen.<br />
1853 war das Jahr e<strong>in</strong>er großen<br />
Schulreform: Die Prov<strong>in</strong>zialschule<br />
wird zu e<strong>in</strong>em Gesamtgymnasium<br />
mit e<strong>in</strong>em humanistischen<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em neusprachlich-naturwissenschaftlichen<br />
Zweig. In jenem Jahr wird das<br />
Verhältnis von Staat <strong>und</strong> Kirche<br />
im Großherzogtum Oldenburg<br />
neu geregelt. Bildung <strong>und</strong> Kultur<br />
werden jetzt als staatliche<br />
Angelegenheiten begriffen, das<br />
Fortsetzung auf Seite 21
23. Februar 2013<br />
BibliothekbirgthistorischenSchatz<br />
Fortsetzung von Seite<br />
Mariengymnasium nun e<strong>in</strong>e<br />
re<strong>in</strong> staatliche Schule. Zuvor<br />
hatte die Kirche im Schulwesen<br />
das Sagen, war das geistliche<br />
Konsistorium Aufsicht führend.<br />
Zur 300-Jahr-Feier 1873 erhielt<br />
die Schule ihren heutigen<br />
Namen, Mariengymnasium,<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong> Vierteljahrh<strong>und</strong>ert später<br />
auch endlich e<strong>in</strong> zweckentsprechendes<br />
Gebäude: Am 6.<br />
August 1900 zog die Bildungsanstalt<br />
an die Terrasse neben<br />
dem Schlosspark. Neun Jahre<br />
später wurde hier die Sporthalle,<br />
heute Gymnastikhalle gebaut.<br />
1927 wurde der Westflügel<br />
angebaut.<br />
1915 legte Sophie Prag<br />
(1895 - 1955) als erstes Mädchen<br />
die Abiturprüfung am Mariengymnasium<br />
ab. Das jüdische<br />
Mädchen studierte danach<br />
Mediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> wanderte,<br />
vertrieben durch die Nazis,<br />
nach Peru aus. Nach ihr ist<br />
2011 das Unterstufengebäude<br />
benannt worden.<br />
E<strong>in</strong> großer Teil der Lehrerschaft<br />
lehnte die Weimarer Republik<br />
ab, war demokratiefe<strong>in</strong>dlich<br />
e<strong>in</strong>gestellt <strong>und</strong> antisemitisch.<br />
Der Kunsterzieher <strong>und</strong><br />
später erfolgreiche Schriftsteller<br />
Georg von der Vr<strong>in</strong>g wird wegen<br />
se<strong>in</strong>er pazifistischen Ges<strong>in</strong>-<br />
Die Late<strong>in</strong>schule am Kirchplatz.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
nung angefe<strong>in</strong>det <strong>und</strong> verlässt<br />
1928 <strong>Jever</strong>. Die Nationalsozialisten<br />
entlassen ihnen nicht genehme<br />
Lehrer, das Mariengymnasium<br />
wird e<strong>in</strong>e „Deutsche<br />
Oberschule“ im S<strong>in</strong>ne der nationalsozialistischen<br />
Ideologie.<br />
1939 wurden die Schüler<strong>in</strong>nen<br />
des städtischen Lyzeums<br />
<strong>in</strong> das Mariengymnasium e<strong>in</strong>gegliedert.<br />
Seit 1879 erst war<br />
auch den Mädchen <strong>in</strong> <strong>Jever</strong> höhere<br />
Schulbildung vergönnt,<br />
<strong>und</strong> zwar zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Privatschule<br />
am Mooshütter Weg<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
(Bleekerschule),<br />
die nach dem Umzug<br />
des Mariengymnasiums<br />
an<br />
die Terrasse <strong>in</strong><br />
das Drostenhaus<br />
e<strong>in</strong>zieht. 1870<br />
siedelt die mittlerweile städtische<br />
Mädchenschule <strong>in</strong> die<br />
ehemaligen Zerbster Kasernen<br />
<strong>in</strong> Nachbarschaft des Mariengymnasiums<br />
an der Terrasse<br />
über. Derzeit lässt der Landkreis<br />
Friesland die „Kasernen“<br />
baudenkmalgerecht mit Millionenaufwand<br />
sanieren.<br />
In den ersten drei Kriegsjahren<br />
diente das Mariengymnasium<br />
als Reservelazarett. 190<br />
Schüler des Mariengymnasiums<br />
verloren im Krieg ihr Leben,<br />
ehemalige jüdische Schüler<br />
wurden ermordet. Nach<br />
Kriegsende beschlagnahmte<br />
zunächst die Besatzungsmacht<br />
das Gebäude, der Unterricht<br />
musste <strong>in</strong> verschiedenen Gebäuden<br />
der Stadt erteilt werden.<br />
Ab 1946 fand der Unterricht<br />
wieder an der Terrasse statt. Im<br />
Jubiläumsjahr 1948 gründete<br />
sich der „Vere<strong>in</strong> ehemaliger<br />
Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler“; seit<br />
1837 hatte es den Schulhülfsvere<strong>in</strong><br />
gegeben.<br />
1957 entstand der Ostflügel,<br />
1969 der naturwissenschaftliche<br />
Trakt <strong>in</strong> Waschbeton-Architektur,<br />
1978 übernahm<br />
das Mariengymnasium<br />
die Räume der benachbarten<br />
ehemaligen Stadtmädchenschule.<br />
Das traditionsreiche<br />
Drostenhaus fiel erst <strong>in</strong> jüngster<br />
Vergangenheit der Spitzhacke<br />
zum Opfer. An se<strong>in</strong>er Stelle<br />
steht seit ungefähr 30 Jahren<br />
e<strong>in</strong> großer Gebäudetrakt<br />
mit Altenwohnungen.<br />
Die reich bestückte Bibliothek<br />
des Mariengymnasiums<br />
sucht als Schulbibliothek<br />
ihresgleichen, beherbergt sie<br />
Das Haus Ecke Rosmar<strong>in</strong>straßeheute.<br />
WZ-FOTO: LÜBBE<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 21<br />
Von 1818 bis 1900 befand sich die Prov<strong>in</strong>zialschule<br />
bzw. das Mariengymnasium im<br />
Drostenhaus. – Kle<strong>in</strong>es Foto: Die Drostenstraßeheute.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
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doch alte Urk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bücher,<br />
die mit der Geschichte des <strong>Jever</strong>landes<br />
eng verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d.<br />
Den Gr<strong>und</strong>stock legte Remmer<br />
von Seediek (um 1500 - 1557),<br />
Kanzler unter Fräule<strong>in</strong> Maria.<br />
E<strong>in</strong>e große Bereicherung erfuhr<br />
die Bibliothek 200 Jahre<br />
später durch den Nachlass von<br />
Johann Ludwig II., Pr<strong>in</strong>z des<br />
Hauses Anhalt-Zerbst, der von<br />
1720 bis 1743 Oberlanddrost<br />
<strong>und</strong> Präsident zu <strong>Jever</strong> war, e<strong>in</strong><br />
belesener <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en jungen<br />
Jahren weit gereister Mann.<br />
Zu den großzügigen Schenkungen<br />
zählt ferner die Büchersammlung<br />
des Hofrates Ehrentraut,<br />
der se<strong>in</strong>e Bücher <strong>und</strong><br />
Archivalien dem Mariengymnasium<br />
vermachte. Doch auch viele<br />
andere Gelehrte <strong>und</strong> Geistliche<br />
aus dem <strong>Jever</strong>land haben<br />
dem Mariengymnasium im Verlauf<br />
der Jahrh<strong>und</strong>erte ihre Büchersammlungen<br />
zum Geschenk<br />
gemacht.<br />
Dienstleistungen<br />
„R<strong>und</strong> um's Haus“<br />
–Gartenarbeiten<br />
–Holzarbeiten<br />
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Seite 22 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Scheibe<strong>und</strong> VogelzumZiel<br />
1786 kam es zur Gründung<br />
e<strong>in</strong>er „Schützencompagnie“.<br />
Mit kurzen<br />
Unterbrechungen<br />
existiert sie bis heute.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – Der Schützenvere<strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
ist der älteste se<strong>in</strong>er Art im<br />
<strong>Jever</strong>land. Die Entstehungsgeschichte<br />
ist gut dokumentiert<br />
<strong>und</strong> beg<strong>in</strong>nt im Jahr 1786. Seit<br />
1667 gehörte das <strong>Jever</strong>land zu<br />
Anhalt-Zerbst. Der letzte im <strong>Jever</strong>land<br />
regierende Fürst aus<br />
diesem Hause, bevor das <strong>Jever</strong>land<br />
an Russland g<strong>in</strong>g, wo die<br />
Anhalt-Zerbster Tochter Kathar<strong>in</strong>a<br />
II. herrschte, war Friedrich<br />
August. Zu se<strong>in</strong>er Zeit wurde<br />
nicht nur die Garnison <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
erheblich aufgestockt -- die Kasernen<br />
aus Zerbster Zeit nutzt<br />
heute das Mariengymnasium --,<br />
Friedrich August war es vielmehr<br />
auch, auf dessen Initiative<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong> e<strong>in</strong>e „Schützenkompagnie“<br />
<strong>in</strong>s Leben gerufen wurde.<br />
66 Bürger traten ihr bei, berichtete<br />
der <strong>Jever</strong>sche Chronist<br />
Christian Friedrich Strackerjan<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em 1834 erschienen<br />
Buch „Beiträge zur Geschichte<br />
der Stadt <strong>Jever</strong>“, das er zum<br />
300. Stadtrechtsjubiläum veröffentlichte.<br />
Am 26. Juli 1786<br />
fand demnach das erste Scheibenschießen<br />
statt, „dem am<br />
16. August <strong>und</strong> folgenden Tagen<br />
das erste Vogelschießen<br />
folgte.“<br />
E<strong>in</strong> Jahr später bestand die<br />
Kompanie aus zehn Offizieren<br />
<strong>und</strong> Unteroffizieren <strong>und</strong> 41<br />
Schützen. Strackerjan erzählt:<br />
„Bis dah<strong>in</strong> (1789) hatte die<br />
Compagnie sich e<strong>in</strong>er Stadtfahne<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Vorstadtfahne bedient,<br />
alle<strong>in</strong> am 13. Juli 1789<br />
wurde e<strong>in</strong>e von den Schützen<br />
angeschaffte eigne Fahne feierlich<br />
e<strong>in</strong>geweiht <strong>und</strong> den Schützen<br />
<strong>in</strong> der Vorstadt übergeben.<br />
Am 17. Mai 1790 erhielten<br />
auch die Schützen <strong>in</strong> der Stadt<br />
e<strong>in</strong>e Fahne, welche gleichfalls<br />
feierlich e<strong>in</strong>geweiht <strong>und</strong> übergeben<br />
wurde.<br />
Im Jahr 1790 wurde der<br />
Fürst Schützenkönig, denn für<br />
den Fürsten <strong>und</strong> die Fürst<strong>in</strong> geschahen<br />
jedesmal Schüsse<br />
durch den Forstmeister. Se<strong>in</strong><br />
Königschild wurde erst nach<br />
se<strong>in</strong>em Tode geliefert.<br />
Das Schützenfest begann<br />
nun immer glänzender zu werden.<br />
Der ausgebrochene Krieg<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
E<strong>in</strong>ealtePostkarte:ImJahr1871wurdederjeversche Schützenhoferrichtet.DasSchützenwesenhatte<strong>in</strong>derMittedes19.Jahrh<strong>und</strong>ertse<strong>in</strong>enenormenAufschwunggenommen.<br />
DieselbeAnsichtdesSchützenhofesheute.<strong>Jever</strong>sSchützenwesengehtaufdas1786zurück.<br />
WZ-FOTO: LÜBBE<br />
gegen Frankreich trieb die Erzeugnisse<br />
des Landes zu hohen<br />
Preisen h<strong>in</strong>auf <strong>und</strong> die Bewohner<br />
der Herrschaft <strong>Jever</strong> sowohl<br />
als Oldenburgs <strong>und</strong> Ostfrieslands<br />
waren froh, e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>igungspunct<br />
zu haben, wo sie<br />
nicht bloß im Genuß ihres Wohlstands<br />
sich freuen, sondern<br />
auch <strong>in</strong> Darlegung desselben<br />
mit e<strong>in</strong>ander rivalisiren konnten,<br />
was denn natürlich für<br />
Stadt <strong>und</strong> Vorstadt <strong>Jever</strong> reichen<br />
Gew<strong>in</strong>n brachte, zugleich<br />
aber auch zu manchen Unordnungen<br />
<strong>und</strong> Ausschweifungen<br />
Anlaß gab.“<br />
Während Kathar<strong>in</strong>as Statthalter<strong>in</strong>,<br />
ihre Schwäger<strong>in</strong> Friederike<br />
Auguste Sophie, Fürst<strong>in</strong><br />
von Anhalt-Zerbst, dem ganzen<br />
Schützenwesen eher skeptisch<br />
gegenüberstand <strong>und</strong> „mehrmals<br />
äußerte“, so Strackerjan,<br />
„daß sie das E<strong>in</strong>gehen des<br />
Scheiben- <strong>und</strong> Vogelschie-<br />
präsentiert von der:<br />
ßens wünsche, dauerte es dennoch<br />
nicht bloß bis zur holländischen<br />
Occupation fort, sondern<br />
selbst während derselben. Und<br />
sogar wurde die Schützen-Compagnie<br />
von den holländischen<br />
Behörden der Nationalgarde <strong>in</strong><br />
Holland gleich geachtet. Auch<br />
that am 20. Juli 1807 der holländische<br />
General Millet, für<br />
den König von Holland den Königsschuß,<br />
wie der Magistrat<br />
laut Protocolls vom 19. desselben<br />
Monats es geahndet hatte,<br />
<strong>und</strong> gab dadurch Veranlassung<br />
zu e<strong>in</strong>em Feste, wofür dem Könige<br />
über 2200 Rthlr. berechnet<br />
waren <strong>und</strong> nach langem Streiten<br />
des F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isters doch<br />
1800 Rthlr. bezahlt wurden.“<br />
Während der Franzosenzeit<br />
schmolz die Schützenkompagnie<br />
zusammen <strong>und</strong> die „e<strong>in</strong>getretenen<br />
schlechten Zeiten verm<strong>in</strong>derten<br />
den Besuch der<br />
Schützenfeste, <strong>und</strong> wer noch <strong>in</strong><br />
23. Februar 2013<br />
der Nachbarschaft Geld auf e<strong>in</strong>ige<br />
Tages des Vergnügens verwenden<br />
wollte, besuchte das <strong>in</strong>deß<br />
empor gekommene Seebad<br />
Norderney oder andere Vergnügungsorte<br />
. . .<br />
Auch hatten sich die schon<br />
früher entstandenen Scheibenschießen<br />
auf dem Lande so<br />
sehr vermehrt, daß die Gesellschaft,<br />
welche ehemals <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
sich concentrirte, <strong>in</strong> viele kle<strong>in</strong>e<br />
zersplittert war.“<br />
1819 löste sich die Schützenkompagnie<br />
auf, wenngleich<br />
das Scheiben- <strong>und</strong> Vogelschießen<br />
noch bis 1822 „auf Subcription“<br />
veranstaltet wurde.<br />
Zwölf Jahre fiel ke<strong>in</strong> Schuss.<br />
Dann jedoch hatten die Schießfre<strong>und</strong>e<br />
ihr Pulver wieder getrocknet<br />
<strong>und</strong> reichten bei der<br />
Großherzoglichen Regierung<br />
e<strong>in</strong> Gesuch auf Errichtung e<strong>in</strong>er<br />
Schützengesellschaft e<strong>in</strong>.<br />
„Sr. Königl. Hoheit“ geruhte,<br />
dem Gesuch stattzugeben <strong>und</strong><br />
stellte dafür „achtzig Büchsen<br />
<strong>und</strong> ebensoviele schwarze Koppeln,<br />
imgleichen achtzig Patrontaschen<br />
mit Riemen der Gesellschaft<br />
auf unbestimmte Zeit“<br />
zur Verfügung.Außerdem ordnete<br />
er an, „daß Schnitt <strong>und</strong> Farbe<br />
der Schützen-Uniform von derjenigen<br />
der Civildienst- <strong>und</strong> Militair-Uniform<br />
verschieden se<strong>in</strong><br />
müsse, auch den Schützen-Offizieren<br />
nicht ähnliche Dist<strong>in</strong>ctionen<br />
zugestanden werden dürften,<br />
welche die Officiere des<br />
Großherzoglichen Truppen-<br />
Corps tragen.“<br />
Fortsetzung auf Seite 23
23. Februar 2013<br />
Türme<strong>in</strong>wechselndenPerspektiven<br />
Der Blick <strong>in</strong> den 1930erJahren.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
Diese Aufnahme entstand<br />
nach 1895. In jenem Jahr<br />
wurde das Elektrizitätswerk<br />
an der Burgstraße<br />
(Schornste<strong>in</strong>) <strong>in</strong> Betrieb genommen.<br />
FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
Statt SchützenplatzjetztSchießsportzentrum<br />
Fortsetzung von Seite 22<br />
Am 25. <strong>und</strong> 28. August<br />
1834 fanden wieder Scheiben<strong>und</strong><br />
Vogelschießen statt, das<br />
Korps zählte 93 Mitglieder, im<br />
nächsten Jahr schon 117, „worunter<br />
e<strong>in</strong>e im Jahre 1835 errichtete<br />
Hornmusik aus 8 Mann<br />
mit begriffen ist.“<br />
Den geeigneten Platz fürs<br />
Schießen <strong>und</strong> Feiern fand<br />
Schützengesellschaft offensichtlich<br />
im Buskohl, e<strong>in</strong>em<br />
Gehölz außerhalb von <strong>Jever</strong>.<br />
Hier stand e<strong>in</strong> altes Wacht- <strong>und</strong><br />
Gasthaus, das man 1857 erwarb<br />
<strong>und</strong> noch im gleichen Jahr<br />
zum „jeverschen Schützenhof“<br />
bestimmte. 1871 wurde das<br />
heutige Gebäude errichtet, <strong>in</strong><br />
dem sich ab 1896 auch e<strong>in</strong>e<br />
Weggeldhebestelle befand. Offensichtlich<br />
war um diese Zeit<br />
der Weg Richtung Cleverns als<br />
Straße ausgebaut worden.<br />
Seit mehr als 140 Jahren ist<br />
der Schützenhof e<strong>in</strong>er der Mittelpunkte<br />
des gesellschaftlichen<br />
Lebens <strong>Jever</strong>s <strong>und</strong> des <strong>Jever</strong>landes.<br />
Mittlerweile ist er<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
Blick aus e<strong>in</strong>em Riesenrad auf dem Alten Markt <strong>in</strong> Richtung<br />
Kirchplatz,imVordergr<strong>und</strong>dasAmtsgericht. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
der e<strong>in</strong>zige große private Saalbetrieb<br />
<strong>in</strong> der Stadt. Nur die<br />
Schützen, die schießen seit elf<br />
Jahren woanders. Nachdem<br />
das e<strong>in</strong>st große Schützenfest<br />
mit den Jahren immer mehr an<br />
Publikum verlor <strong>und</strong> der Vere<strong>in</strong><br />
die Immobilie nicht mehr erh<strong>alten</strong><br />
konnte, verkaufte er sie <strong>und</strong><br />
baute sich im Gewerbegebiet<br />
Bullhamm 2002 e<strong>in</strong> modernes<br />
Schießsportleistungszentrum.<br />
Übernommen hat Gastronom<br />
Stephan Eden den „Schützenhof“<br />
am 15. November<br />
2000. Bis heute hat er mit se<strong>in</strong>er<br />
Partner<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Drei-Sterne-<br />
Hotel mit 140 Betten <strong>in</strong> 65 Doppelzimmern<br />
geschaffen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Küche e<strong>in</strong>en guten Namen<br />
verschafft.<br />
In den ersten sechs Monaten<br />
neue Toiletten sowie e<strong>in</strong>e<br />
neue Küche e<strong>in</strong>gebaut <strong>und</strong> für<br />
Barrierefreiheit gesorgt (vorher<br />
viele Stufen). 2004 wurde der<br />
Parkplatz gepflastert. 2006<br />
folgte e<strong>in</strong> neues Restaurant im<br />
vorderen Bereich. E<strong>in</strong> Jahr später<br />
wurde die Wachstube reno-<br />
viert. Planungen für e<strong>in</strong>en Hotelneubau<br />
2008 zogen sich bis<br />
zum Herbst 2009 h<strong>in</strong>. Im März<br />
begann der Abriss des Schießstandes<br />
<strong>und</strong> der Kegelbahn.<br />
Im August 2010 zogen die ersten<br />
Gäste e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> Wellness-Bereich<br />
kam im gleichen Jahr da-<br />
Immer für Sie da!<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 23<br />
Die 1901 gebaute <strong>und</strong> 1966<br />
abgerissene neugotische katholische<br />
Kirche an der<br />
Pr<strong>in</strong>zengraft. FOTO: WZ-BILDDIENST<br />
DiekatholischeKircheheute.<br />
zu. 2011 folgte e<strong>in</strong>e Fotovoltaikanlage,<br />
die <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />
mit e<strong>in</strong>em noch zu bauenden<br />
Blockheizkraftwerk bis 2017<br />
den CO 2 -Ausstoß des Schützenhofes<br />
klimaneutral gest<strong>alten</strong><br />
soll. Die Küche wurde im<br />
Februar 2012 erweitert.
Seite 24 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der:<br />
SchutzwallgegenOstfriesen<br />
R<strong>und</strong> um <strong>Jever</strong>s Altstadt<br />
war e<strong>in</strong> Verteidigungswallaufgeschüttet.<br />
Fräule<strong>in</strong> Maria wollte<br />
ihre Herrschaft dah<strong>in</strong>ter<br />
schützen.<br />
VON HARTMUT SIEFKEN<br />
JEVER – Der bevorstehende Abriss<br />
des abgängigen Johann-Ahlers-Hauses<br />
am Alten Markt wäre<br />
die Chance, den historischen<br />
Wallgraben, die Blank-Graft,<br />
wieder bis an die Schloss-Straße<br />
aufzugraben. Damit würde<br />
man sich, das ist jedenfalls die<br />
Ansicht e<strong>in</strong>iger älterer geschichtsbewusster<br />
<strong>Jever</strong>aner,<br />
dem ursprünglichen Bild wieder<br />
annähern können.<br />
Die schönen<br />
Graften r<strong>und</strong> um<br />
<strong>Jever</strong>s Altstadt<br />
s<strong>in</strong>d die Reste<br />
der ehemaligen<br />
Wallanlagen. Die<br />
Altstadt nämlich<br />
war e<strong>in</strong>st von<br />
e<strong>in</strong>em Befestigungsgürtelumzogen.<br />
Wall <strong>und</strong><br />
Graben dienten<br />
der Abwehr äußerer<br />
Fe<strong>in</strong>de. Tatsächlich beschützten<br />
sie die Stadt vor allem<br />
vor den ostfriesischen Grafen.<br />
Von denen nämlich war die<br />
Häuptl<strong>in</strong>gstochter Maria von <strong>Jever</strong><br />
(1500 - 1575) schwer enttäuscht.<br />
Graf Edzard (1462 - 1528)<br />
hatte Maria <strong>und</strong> ihren Schwestern<br />
Anna <strong>und</strong> Dorothea die Heirat<br />
mit se<strong>in</strong>en Söhnen zugesagt.<br />
Se<strong>in</strong> H<strong>in</strong>tergedanke: Auf<br />
diese Weise wäre das <strong>Jever</strong>land<br />
auf friedlichem Wege se<strong>in</strong>er<br />
Grafschaft zugefallen. Doch anstatt<br />
sich an das im Vertrag von<br />
1517 festgelegte Versprechen<br />
des Vaters zu h<strong>alten</strong>, zogen die<br />
Grafensöhne Enno <strong>und</strong> Johann<br />
zehn Jahre später <strong>in</strong> die Burg<br />
e<strong>in</strong>, um sie zu besetzen <strong>und</strong><br />
sich von St<strong>und</strong> an als die Herren<br />
aufzuspielen. Von Heirat<br />
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ke<strong>in</strong>e<br />
Rede<br />
mehr.<br />
Edzard<br />
ließ sie<br />
gewähren<br />
<strong>und</strong> verstarb 1528.<br />
Als Drosten setzten die beiden<br />
Vertragsbrüchigen Bo<strong>in</strong>g<br />
von Oldersum aus der Gödenser<br />
Häuptl<strong>in</strong>gsfamilie, die<br />
eigentlich seit langem mit den<br />
Wiemkens im Streit lag, e<strong>in</strong> –<br />
<strong>und</strong> machten damit den Bock<br />
zum Gärtner. Denn Bo<strong>in</strong>g von<br />
Oldersum wechselte 1531 die<br />
Fronten. Er heuerte heimlich<br />
Landsknechte an <strong>und</strong> sperrte<br />
mit deren Hilfe die Ostfriesen<br />
aus der jeverschen Burg aus,<br />
um die Häuptl<strong>in</strong>gstöchter wieder<br />
<strong>in</strong> ihr Recht zu setzen.<br />
Ob Gerechtigkeitss<strong>in</strong>n,<br />
Machtstreben oder Liebe zu<br />
Maria – Bo<strong>in</strong>gs Entscheidung<br />
änderte den Lauf der ostfriesischen<br />
Geschichte. Von ihm beraten,<br />
trug Maria das <strong>Jever</strong>land<br />
Kaiser Karl V. zu Lehen an. Da-<br />
...friesisch gut.<br />
bei vertrauten sie <strong>und</strong> ihr Berater<br />
auf die Schutzmacht der burg<strong>und</strong>ischen<br />
Niederlande, über<br />
die Karl V. als habsburgischer<br />
Urenkel des Hauses Burg<strong>und</strong><br />
herrschte. Dessen Schwester,<br />
Maria von Ungarn, war Statthalter<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> Brüssel <strong>und</strong> entschied<br />
1534 zugunsten der „vrouken<br />
Anna ende Marie, dochteren tot<br />
<strong>Jever</strong>en“. Mit den mächtigen<br />
Niederlanden aber wollte es<br />
sich Graf Enno lieber nicht verderben.<br />
Nichtsdestoweniger baute<br />
Maria nicht nur politisch vor:<br />
Sie ließ 1536 <strong>und</strong> 1537 Wallanlagen<br />
um <strong>Jever</strong> errichten <strong>und</strong><br />
verlieh dem e<strong>in</strong>gehausten<br />
Ackerbürger-Flecken 1536<br />
städtische Privilegien.<br />
Die Wallanlagen um Schloss<br />
<strong>und</strong> Stadt s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den 20er-Jahren<br />
des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wieder<br />
geschleift worden. Sie hatten<br />
ihre militärische Bedeutung<br />
verloren <strong>und</strong> standen nur noch<br />
im Weg. Von ihrem Aussehen<br />
zeugen noch die Bilder des Biedermeier-Malers<br />
Friedrich<br />
Adam Wilhelm Barnutz (1791 -<br />
1867), die im Schlossmuseum<br />
hängen.<br />
In die Stadt gelangte man<br />
durch die Tore. 1553 errichtete<br />
man die Flaampforte, durch<br />
die man ausgangs der Albanistraße<br />
<strong>in</strong> die Vorstand auf den Alten<br />
Markt gelangte (<strong>in</strong> Höhe des<br />
heutigen Johann-Ahlers-Hauses).<br />
Hier hielt das Landgericht<br />
seit 1561 se<strong>in</strong>e Sitzungen ab.<br />
23. Februar 2013<br />
Das BarnutzGemälde „Auszug der Franzosen“ zeigt Burg <strong>und</strong> Stadtwall,dieFlaampforte<strong>und</strong>dah<strong>in</strong>terdasBurgtor.<br />
FOTO: SCHLOSSMUSEUM/SIEFKEN<br />
Daneben befand sich das<br />
Burgtor. Durch das Wangertor,<br />
das 1557 gebaut wurde,<br />
gelangte man <strong>in</strong> die Wangerstraße.<br />
Über dem Tor wohnte der<br />
Stadtwachtmeister, hier war <strong>in</strong><br />
den ersten Jahrzehnten die<br />
Rüstkammer der Bürger, <strong>und</strong><br />
hier tagte auch der Rat, bis<br />
1610 das Rathaus gebaut wurde.<br />
1815 wurde das Tor wieder<br />
abgerissen.<br />
Als nächstes ist das St. Annen-Tor<br />
zu erwähnen, das<br />
gegenüber der heutigen St.-Annentor-Straße<br />
stand. Zu se<strong>in</strong>em<br />
Bau habe man, wie manche<br />
Chronisten berichten, die Ste<strong>in</strong>e<br />
der abgebrochenen Burg von<br />
Roffhausen verwandt. 1806<br />
wurde das Tor wieder geschleift.<br />
Von 1768 bis 1793<br />
stand auf ihm e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>dmühle,<br />
um die <strong>Jever</strong>aner im Falle e<strong>in</strong>er<br />
Belagerung mit Mehl versorgen<br />
zu können. Nach Süden h<strong>in</strong> gab<br />
es von 1786 bis 1815 das Albani-Tor.<br />
Am westlichen Ende der Großen<br />
Wasserpfortstraße befand<br />
sich, wie Karl Fissen es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Stadtjubiläumsbroschüre<br />
1936 schrieb, „e<strong>in</strong>e gewölbte<br />
Öffnung im Wall zur Ableitung<br />
des Wassers <strong>und</strong> Unrats aus<br />
der Wasserpfortstraße <strong>in</strong> den<br />
Stadtgraben“. Auch hier wurde<br />
1815 der Wall abgegraben. Mit<br />
der Erde verfüllte man die Graft.<br />
Später wurde hier die Mädchenschule<br />
gebaut. Das Gebäude<br />
steht hier noch heute.
23. Februar 2013<br />
<strong>Jever</strong>sDichter<strong>und</strong> Denker<br />
So mancher <strong>Jever</strong>länder<br />
ist außerhalb se<strong>in</strong>er<br />
engen Heimat zu<br />
Ruhm <strong>und</strong> Ehren gekommen,beispielsweise<br />
der Historiker<br />
Schlosser.<br />
VON KLAUS HOMOLA<br />
JEVER –Am Schlosserplatz <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
fährt oder geht so mancher<br />
Zeitgenosse achtlos vorbei. Begrenzt<br />
durch die Schlosserstraße,<br />
Große Wasserpfortstraße<br />
<strong>und</strong> die L<strong>in</strong>denallee ragt <strong>in</strong> der<br />
Mitte e<strong>in</strong> Obelisk auf.<br />
Dieses Denkmal errichteten<br />
<strong>Jever</strong>aner <strong>in</strong> Zeiten der nationalen<br />
Begeisterung im Jahr 1878<br />
dem gebürtigen <strong>Jever</strong>aner<br />
Friedrich Christoph Schlosser.<br />
Schlosser wurde am 17. November<br />
1776 als zwölftes K<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>er Advokatenfamilie <strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
geboren. Nach dem Abitur begann<br />
er mit 17 se<strong>in</strong> Studium der<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der<br />
Das Schlosser-Denkmalgestern<strong>und</strong>heutel. FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
Theologie, Literatur, Mathematik<br />
<strong>und</strong> Geschichte <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen.<br />
Nach e<strong>in</strong>em kurzen Intermezzo<br />
als Hauslehrer <strong>und</strong> Konrektor<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong> g<strong>in</strong>g er 1809<br />
nach Frankfurt, war Professor<br />
am Städtischen Gymnasium<br />
<strong>und</strong> Stadtbibliothekar <strong>und</strong> wurde<br />
1817 an die Universität Hei-<br />
delberg berufen. Dort lehrte<br />
<strong>und</strong> forschte er als Professor<br />
für Geschichte. Hier entstanden<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von bedeutenden<br />
Geschichtswerken wie „Geschichte<br />
des 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
bis zum Sturz des<br />
französischen Kaiserreichs…“<br />
(6/8 Bände) oder „Weltgeschichte<br />
für das Deutsche Volk“<br />
<strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong> · Seite 25<br />
(19 Bände).<br />
Für se<strong>in</strong>e Verdienste um die<br />
Geschichtsschreibung wurde er<br />
zum Ehrenbürger Heidelbergs<br />
ernannt, er erhielt den Bayerischen<br />
Maximiliansorden für<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Kultur <strong>und</strong><br />
wurde 1860 kurz vor se<strong>in</strong>em Tode<br />
mit dem Pour le Mérite für<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Künste ausgezeichnet.<br />
Schlosser verstarb im Alter<br />
von 95 Jahren am 23. September<br />
1861 <strong>in</strong> Heidelberg. Dort<br />
liegt er auch begraben.<br />
Dem großen Sohn der Stadt<br />
wurde dann 1878 das Denkmal<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong> gesetzt, dessen Inschrift<br />
lautet „“Wehe dem Volk,<br />
dem die Wahrheit nicht mehr<br />
heilig ist.“<br />
Gegenüber der Inschrift<br />
steht an der Schlosserstraße<br />
das sogenannte Jaspersche<br />
Haus, e<strong>in</strong> bee<strong>in</strong>druckender<br />
klassizistischer Bau. Es gehörte<br />
Carl Wilhelm Jaspers, Großvater<br />
des Philosophen Karl Jaspers,<br />
der sich das Haus als Ruhesitz<br />
errichten ließ.
Seite 26 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
www.polsterei-misterek.de<br />
Gester n<br />
<strong>und</strong>Heute<br />
präsentiert von der:<br />
23. Februar 2013<br />
W<strong>in</strong>dbeflügelte Gewerbefleiß<br />
Etliche W<strong>in</strong>dmühlen<br />
prägten Anfang des 19.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts die Silhouette<br />
der Stadt. Erh<strong>alten</strong><br />
geblieben ist die<br />
Schlachtmühle.<br />
VON KLAUS HOMOLA<br />
JEVER – In öffentlicher Hand bef<strong>in</strong>det<br />
sich heute die Schlachtmühle<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong>. Die Stadt <strong>Jever</strong><br />
<strong>und</strong> der Landkreiskreis Friesland,<br />
verb<strong>und</strong>en im Zweckverband<br />
Schlossmuseum, kauften<br />
im vergangenen Jahr von der<br />
vorherigen Eigentümer<strong>in</strong> die<br />
Mühle. Zu dem Ensemble gehört<br />
auch das Müllerhaus, das<br />
sich aber noch <strong>in</strong> Privatbesitz<br />
bef<strong>in</strong>det.<br />
Inzwischen hat sich e<strong>in</strong><br />
Arbeitskreis Schlachtmühle<br />
unter Leitung des Freiwilligen<br />
W<strong>in</strong>dmüllers Edzard<br />
de Buhr gegründet,<br />
der die Mühle mit se<strong>in</strong>en<br />
Mitstreitern im<br />
Sommer 2013 wieder<br />
zum Laufen br<strong>in</strong>gen<br />
will. Mittel aus<br />
Töpfen des Denkmalschutzes<br />
<strong>und</strong> möglicherweise<br />
auch der<br />
Stadt s<strong>in</strong>d angedacht.<br />
Doch ursprünglich war der<br />
Betrieb e<strong>in</strong>er W<strong>in</strong>dmühle nicht<br />
e<strong>in</strong>e Frage der Ehrenamtlichkeit,<br />
sondern dah<strong>in</strong>ter steckte<br />
harte Arbeit <strong>und</strong> der Müller versuchte<br />
mit der Mühle, für sich<br />
<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Familie se<strong>in</strong> Auskommen<br />
zu verdienen.<br />
Die Mühle an der Schlachte,<br />
dem jeverschen Hafen der Vorstadt<br />
(Koopstadt) Hooksiel, ist<br />
die dritte jeversche W<strong>in</strong>dmühle<br />
fast am gleichen Ort. Schon<br />
1722 wurde auf Geheiß der anhalt-zerbstischen<br />
Regierung<br />
von den beiden Müllern Jürgen<br />
Spannhoff <strong>und</strong> H<strong>in</strong>rich Slauken<br />
e<strong>in</strong>e Mühle für die Friesische<br />
Grütze (Perl-Graupen) errichtet.<br />
Als die im Oktober 1732 abbrannte,<br />
fand sie schnell e<strong>in</strong>e<br />
Nachfolger<strong>in</strong>.<br />
Die heutige Schlachtmühle,<br />
e<strong>in</strong> Galerieholländer, geht auf<br />
das Datum von 1847 zurück,<br />
denn 1846/47 ließ der Eigentümer<br />
Oltmanns jun. zuvor die Vorgängermühle<br />
an der Schlachte<br />
abbrechen <strong>und</strong> an dem jetzigen<br />
Standort aufbauen.<br />
Letzter Müller der Schlachtmühle<br />
war der Müller Diedrich<br />
Meenen. Weil die Mühle nach<br />
<strong>und</strong> nach verfiel, setzten sich<br />
Vere<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Institutionen <strong>in</strong> den<br />
70er-Jahren für den Erhalt des<br />
Die jeversche Schlachtmühle entstand kurz nach 1847. –<br />
L<strong>in</strong>ks:DasBarnutzBildvon1830zeigtallevierMühlen.<br />
Bauwerks e<strong>in</strong> <strong>und</strong> sammelten<br />
Geld. Der letzte Eigentümer<br />
Bernhard Neill, Tischler von Beruf,<br />
setzte sich ab 1977 mit viel<br />
handwerklichem Geschick für<br />
den Erhalt der Mühle e<strong>in</strong>. In se<strong>in</strong>e<br />
Zeit fällt auch die E<strong>in</strong>richtung<br />
e<strong>in</strong>es Landwirtschaftlichen Museums<br />
des<br />
Schlossmuseums<br />
<strong>in</strong> <strong>Jever</strong><br />
<strong>in</strong> der Mühlenscheune.<br />
Östlich der<br />
Schlachtmühle<br />
sorgte e<strong>in</strong>e Sägemühle<br />
dafür,<br />
dass die Bevölkerung<br />
mit Holz<br />
als Baumaterial<br />
versorgt werden<br />
konnte.1749<br />
als W<strong>in</strong>dmühle<br />
errichtet, wurde<br />
sie 1857 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Dampfmühle umgewandelt <strong>und</strong><br />
1899 abgebrochen.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Mühle stand <strong>in</strong><br />
der Nähe des Bahnhofes. Der<br />
Galerie-Holländer brannte<br />
1936 ab, die Familie Schönbohm<br />
betrieb die elektrisch angetriebene<br />
Mühle mit angeschlossener<br />
Bäckerei aber<br />
nach dem Kriege weiter.<br />
Die Mühlenstraße trägt ihren<br />
Namen nicht ohne Gr<strong>und</strong>. Der<br />
Maler Friedrich Wilhelm Barnutz<br />
(1791 - 1867) malte um 1830<br />
FOTO: SCHLOSSMUSEUM/WZ-BILDDIENST/KNOTHE<br />
mehrere Stadtansichten „<strong>Jever</strong><br />
vom Woltersberg“, auf denen<br />
von l<strong>in</strong>ks nach rechts die beiden<br />
Mühlen an der Mühlenstraße,<br />
die ehemalige Sägemühle<br />
an der Schlachte <strong>und</strong> die<br />
Schlachtmühle sowie am ganz<br />
rechten Bildrand die Mühle an<br />
Die Mühle an der Bahnhofstraße nach dem<br />
Brand1936. FOTO: ARCHIV ANDERSEN<br />
der Chaussee nach Friedeburg<br />
(heute Bahnhofstraße) zu sehen<br />
s<strong>in</strong>d. Die Peldemühle an<br />
der Mühlenstraße ist auch auf<br />
e<strong>in</strong>er Fotografie des Mariengymnasiums<br />
kurz nach 1900 zu<br />
sehen, die vom Schlossturm<br />
aufgenommen worden ist.<br />
Auch auf dem Burggelände<br />
<strong>und</strong> dem St. Annentor haben<br />
e<strong>in</strong>mal Mühlen gestanden, wie<br />
e<strong>in</strong> Gemälde von 1790 illustriert.<br />
Letztere wurde 1793 wieder<br />
abgebaut.
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