Schulmappe Rostock - BStU - Bund.de
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Angebote und Materialien<br />
Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />
Der <strong>Bund</strong>esbeauftragte für die Unterlagen <strong>de</strong>s<br />
Staatssicherheitsdienstes <strong>de</strong>r ehemaligen<br />
Deutschen Demokratischen Republik<br />
Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />
Hohen Tannen 11, 18196 Wal<strong>de</strong>ck-Dummerstorf
<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong><br />
„An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
„An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Eine didaktisch-methodische Handreichung zur<br />
Arbeit mit <strong>de</strong>r CD-ROM<br />
„Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR“<br />
- Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht -<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
0. Vorwort 3<br />
1. Einsatzmöglichkeiten / Voraussetzungen 4<br />
2. Historischer Rahmen 5–6<br />
3. Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens: Das war die Stasi 7<br />
4. Themenblöcke<br />
4.1. Betroffene im Visier <strong>de</strong>r Stasi. Metho<strong>de</strong>n und Wirkungsweise 8<br />
4.2. Die unsichtbare Mauer 9<br />
4.3. Rollenspiel: Die Fälle Gunnar und Klaus 10<br />
4.4. Arbeit mit Aktenauszügen zu Jugendlichen 11<br />
5. Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens: Stasi Ohn(e) Macht 12–13<br />
6. Arbeitsblätter:<br />
M 1: Schild und Schwert 14<br />
M 2: Auszug aus Richtlinie 1/79 und Wörterbuch <strong>de</strong>r Stasi 15<br />
M 3: Verhörmetho<strong>de</strong>n 16<br />
M 4: Die Stasi hat mich nicht gebrochen 17–19<br />
M 5 Die unsichtbare Mauer 20–22<br />
M 6 Oranienburger pad<strong>de</strong>ln um ihr Leben 23–25<br />
M 7 Drei Greifswal<strong>de</strong>r Ärzte fliehen über die Ostsee in die Freiheit 26–28<br />
M 8: Junge <strong>Rostock</strong>er wer<strong>de</strong>n zum OV „Signal“ 29–30<br />
M 9: Klaus Ketzler: „Ich kann in diesem Staat nicht leben!“ 31–32<br />
M10: Auszug aus <strong>de</strong>r Verfassung 33<br />
M11: Auszug aus <strong>de</strong>r UN-Menschenrechtscharta 34–35<br />
M12: Auszug aus <strong>de</strong>m Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR 36<br />
M13 Beispiele <strong>de</strong>r Opposition in <strong>de</strong>r DDR 37<br />
M14 Situation in <strong>de</strong>r DDR 38<br />
M15 Kampf <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft Solidarność in Polen 39<br />
M16 Glasnost und Perestroika in <strong>de</strong>r UdSSR 40<br />
M17 „Sputnik“-Verbot 41<br />
M18 Wahlen in <strong>de</strong>r DDR 42<br />
M19 DDR-Bürger suchen Wege in die Freiheit 43<br />
M20 Losungen vom 9. November 1989 44–45<br />
M21 Christoph Kleemann erinnert sich 46<br />
7. Zeitleiste 47–62<br />
8. Literatur zum Thema Stasi 63<br />
Impressum 64<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Handreichung für Lehrer zur CD-ROM<br />
„ Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR“<br />
- Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht -<br />
Vorwort:<br />
20 Jahre nach <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rvereinigung bei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher Staaten am 3. Oktober 1990 wird die<br />
Beschäftigung mit <strong>de</strong>r jüngsten <strong>de</strong>utschen Geschichte immer wichtiger.<br />
Die heutige junge Generation wur<strong>de</strong> schon in das geeinte Deutschland hineingeboren. Die<br />
DDR existiert nicht mehr und ist Geschichte. Ein Ost- und ein West<strong>de</strong>utschland gibt es nicht<br />
mehr. Aber die jungen Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren woher sie kommen.<br />
Sie müssen die Geschichte ihres Lan<strong>de</strong>s kennen lernen, im Guten wie im Schlechten, im<br />
Osten, wie im Westen.<br />
In unserem heutigen Leben ist das Recht „an<strong>de</strong>rs zu <strong>de</strong>nken“ selbstverständlich und<br />
unverzichtbar. Im östlichen Teil Deutschlands, in <strong>de</strong>r DDR, war das vor gut 20 Jahren noch<br />
ganz an<strong>de</strong>rs. Dort galt in je<strong>de</strong>r Hinsicht das Diktat einer absolut herrschen<strong>de</strong>n Partei – <strong>de</strong>r<br />
SED. Ihr wichtigstes Machtinstrument war das Ministerium für Staatssicherheit, im<br />
Volksmund Stasi genannt. Diese verstand sich als „Schild und Schwert <strong>de</strong>r Partei“ und sah<br />
ihre Hauptaufgabe in <strong>de</strong>r Verteidigung <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r SED gegen das eigene Volk.<br />
Von Anfang an ging <strong>de</strong>r Staatssicherheitsdienst gegen Menschen vor, die „an<strong>de</strong>rs dachten“,<br />
die mit eigenen I<strong>de</strong>en ihre Jugendkultur entfalteten, die lange o<strong>de</strong>r bunte Haare trugen o<strong>de</strong>r<br />
frei leben wollten, ohne Bevormundung. Die Macht <strong>de</strong>s MfS richtete sich auch gegen<br />
Menschen, die heimlich eine Flucht planten o<strong>de</strong>r sich mit eigenen Gedanken zur Abrüstung<br />
und zum Frie<strong>de</strong>n äußerten.<br />
Je<strong>de</strong>r heranwachsen<strong>de</strong> junge Mensch muss über Grundkenntnisse über diesen Teil unserer<br />
jüngsten Geschichte verfügen.<br />
Durch die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r DDR-Geheimpolizei als Stütze <strong>de</strong>r SED-Diktatur soll<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n, dass die Schüler Werte wie Freiheit, Pluralismus und Demokratie stärker<br />
schätzen lernen und für künftiges Han<strong>de</strong>ln berücksichtigen.<br />
Die CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“ wur<strong>de</strong> von<br />
<strong>de</strong>r Außenstelle <strong>Rostock</strong> zur Unterstützung <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r Lehrer entwickelt und 2007 an alle<br />
Schulen <strong>de</strong>s ehemaligen Ostseebezirkes <strong>Rostock</strong> geschickt.<br />
Durch die enge Zusammenarbeit <strong>de</strong>r Außenstelle <strong>Rostock</strong> <strong>de</strong>s <strong>BStU</strong> mit <strong>de</strong>m Innerstädtischen<br />
Gymnasium <strong>Rostock</strong> entstand <strong>de</strong>r Gedanke, gemeinsam eine didaktischmethodische<br />
Handreichung zu dieser CD zu erarbeiten. Diese Handreichung soll helfen, eine<br />
fundierte Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit diesem Teil <strong>de</strong>r DDR-Geschichte zu ermöglichen.<br />
Dr. Volker Höffer Thomas Döring<br />
Leiter <strong>de</strong>r Außenstelle <strong>Rostock</strong> <strong>de</strong>s <strong>BStU</strong> Schulleiter Innerstädtisches Gymnasium<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1. Einsatzmöglichkeiten/Voraussetzungen<br />
Diese Handreichung richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer aller Schultypen, die in <strong>de</strong>n<br />
Klassenstufen 10–13, beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n Fächern Geschichte, Sozialkun<strong>de</strong>, Religion und<br />
Ethik unterrichten. Die Arbeit mit diesem Thema ist lehrplangerecht.<br />
Eine fächerübergreifen<strong>de</strong> Nutzung und Erweiterung <strong>de</strong>r Angebote durch eigene I<strong>de</strong>en ist<br />
ausdrücklich erwünscht.<br />
Grundlegen<strong>de</strong> Kenntnisse über die Entwicklung Deutschlands nach <strong>de</strong>m<br />
Zweiten Weltkrieg, die Entstehung bei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher Staaten, die DDR-Geschichte und ihr<br />
Gesellschaftssystem sollten vorhan<strong>de</strong>n sein.<br />
Bei <strong>de</strong>r Behandlung <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes in <strong>de</strong>r DDR ist beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>ssen<br />
Einordnung in das Herrschaftssystem <strong>de</strong>r SED wichtig.<br />
Diese Handreichung dient <strong>de</strong>r Vorbereitung und Durchführung insbeson<strong>de</strong>re eines<br />
Projekttages von sechs Unterrichtsstun<strong>de</strong>n, kann aber auch als Programm für ein halbes<br />
Schuljahr im Rahmen eines Geschichtskurses genutzt wer<strong>de</strong>n. Selbst <strong>de</strong>r Einsatz in zwei<br />
Unterrichtsstun<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>nkbar.<br />
Die Handreichung ist so konzipiert, dass sie sehr variabel eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Aufbau <strong>de</strong>r Handreichung:<br />
Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens zum Thema Stasi in <strong>de</strong>r DDR (Kapitel 3)<br />
ca. eine Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />
Rolle, Aufgaben, Struktur und Machtapparat <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes <strong>de</strong>r DDR<br />
Themenblöcke (Kapitel 4)<br />
je Themenblock ca. eine Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />
Die vier verschie<strong>de</strong>nen Themenblöcke ermöglichen <strong>de</strong>m Lehrer, <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r<br />
Beschäftigung mit <strong>de</strong>m Thema selbst zu bestimmen und einzelne Themen auszuwählen<br />
o<strong>de</strong>r in Gruppenarbeit alle Themen zu behan<strong>de</strong>ln.<br />
▪ Betroffene im Visier <strong>de</strong>r Stasi/Metho<strong>de</strong>n und Wirkungsweise<br />
▪ Die unsichtbare Mauer<br />
▪ Fallbeispiele Gunnar und Klaus<br />
▪ Aktenauszüge zu Jugendlichen<br />
5. Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens zu „Stasi Ohn(e)Macht“ (Kapitel 5)<br />
ca. eine Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />
Ereignisse auf <strong>de</strong>m Weg zur Friedlichen Revolution, Erinnerung an die erste<br />
Demonstration in <strong>Rostock</strong>, Losungen einer Demonstration in <strong>Rostock</strong>.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
2. Historischer Rahmen<br />
Entstehung und Wirkungsweise <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes in <strong>de</strong>r DDR<br />
Nach <strong>de</strong>m Sieg <strong>de</strong>r Alliierten über das Hitlerregime im Mai 1945 gestaltete sich die<br />
vereinbarte Demokratisierung Deutschlands in <strong>de</strong>n einzelnen Besatzungszonen sehr<br />
unterschiedlich.<br />
Während die westlichen Besatzungsmächte <strong>de</strong>n Demokratisierungsprozess unterstützten,<br />
begann die Sowjetunion in ihrer Besatzungszone mit Hilfe <strong>de</strong>utscher Kommunisten eine<br />
stalinistische „Diktatur <strong>de</strong>s Proletariats“ aufzubauen.<br />
Ein politisches System nach sowjetischem Vorbild wur<strong>de</strong> etabliert. Zentrales Merkmal dieses<br />
Systems war ab April 1946 die Vorherrschaft <strong>de</strong>r Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands<br />
(SED).<br />
Dazu gehörte auch die schrittweise Errichtung eines Sicherungsorgans nach <strong>de</strong>m Vorbild <strong>de</strong>r<br />
sowjetischen Geheimpolizei.<br />
Am 8. Februar 1950 verabschie<strong>de</strong>te die DDR-Volkskammer das „Gesetz über die Bildung<br />
<strong>de</strong>s Ministeriums für Staatssicherheit“. Ein entsprechen<strong>de</strong>r Beschluss <strong>de</strong>s SED-Politbüros<br />
war <strong>de</strong>m vorausgegangen. Parlament und Ministerrat erhielten bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stasi keine<br />
Kontrollmöglichkeit.<br />
Dennoch war <strong>de</strong>r Staatssicherheitsdienst kein „Staat im Staate“, son<strong>de</strong>rn das wichtigste<br />
Machtinstrument <strong>de</strong>r SED, ihr „Schild und Schwert“. Nach <strong>de</strong>m streng geheimen Statut <strong>de</strong>s<br />
MfS von 1969 war <strong>de</strong>r Geheimdienst <strong>de</strong>m Programm und <strong>de</strong>n Beschlüssen <strong>de</strong>s<br />
Zentralkomitees und <strong>de</strong>s Politbüros <strong>de</strong>r SED verpflichtet. Erst an dritter Stelle wur<strong>de</strong> darin<br />
<strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Verfassung aufgeführt. Zur Durchsetzung <strong>de</strong>r Parteilinie waren SED und<br />
Stasi eng verzahnt. Nahezu alle Mitarbeiter waren Genossen. Nicht selten beklei<strong>de</strong>ten<br />
höhere Stasi-Offiziere wichtige SED-Ämter. Als Nachrichtendienst, Geheimpolizei und<br />
Untersuchungsorgan besaß die Stasi eine große Machtfülle, ohne dass ihre Aufgaben und<br />
Befugnisse gesetzlich genau <strong>de</strong>finiert waren. Die wichtigste Aufgabe <strong>de</strong>s<br />
Staatssicherheitsdienstes war es, die Macht <strong>de</strong>r SED, die zu keinem Zeitpunkt <strong>de</strong>mokratisch<br />
legitimiert war, gegen das eigene Volk zu sichern. Entsprechend <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung von Erich<br />
Mielke, Minister für Staatssicherheit von 1957 bis 1989, „Wir müssen alles wissen“, agierte<br />
das MfS.<br />
Bestrebt, tatsächliche und vermeintliche Fein<strong>de</strong> unschädlich zu machen, ging die Stasi<br />
gegen Menschen vor, die „an<strong>de</strong>rs dachten“, die z.B. mit eigenen I<strong>de</strong>en ihre Jugendkultur<br />
entfalteten, die lange o<strong>de</strong>r bunte Haare trugen und frei leben wollten, ohne Bevormundung.<br />
Sie verfolgten auch Menschen, die heimlich eine Flucht planten o<strong>de</strong>r für Abrüstung in West<br />
und Ost eintraten. Um eine lückenlose Überwachung aller Bereiche <strong>de</strong>r DDR zu erreichen,<br />
wur<strong>de</strong> ein flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>s Netz von Stasi-Dienststellen aufgebaut. Die Zahl <strong>de</strong>r<br />
Hauptamtlichen Mitarbeiter wuchs von anfangs etwa 2700 auf 91 000 Mitarbeiter 1989.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) wur<strong>de</strong>n zur „Hauptwaffe im Kampf gegen <strong>de</strong>n Feind“, wie<br />
Erich Mielke die 189 000 IM (1989) bezeichnete. Ein Netzwerk <strong>de</strong>r Bespitzelung unter<br />
Kollegen, Freun<strong>de</strong>n und Familien wur<strong>de</strong> geknüpft. Wer ins Visier <strong>de</strong>s MfS geriet, war einem<br />
Apparat ausgeliefert, <strong>de</strong>r über alle nur <strong>de</strong>nkbaren Mittel und Metho<strong>de</strong>n verfügte, um<br />
Wi<strong>de</strong>rstand und Lebensmut zu brechen. Die Folgen für die Betroffenen konnten unter<br />
an<strong>de</strong>rem Schulrausschmiss, Studienverbot, Berufverbot, Zersetzung o<strong>de</strong>r Haft be<strong>de</strong>uten.<br />
Bis in die achtziger Jahre hatte sich <strong>de</strong>r Sicherheitsapparat zu einer ungeheuren Macht<br />
entwickelt, die allein <strong>de</strong>r SED unterworfen war. Dennoch wuchs in <strong>de</strong>r Endphase <strong>de</strong>s SED-<br />
Regimes die Unruhe in <strong>de</strong>r Bevölkerung in einem nie gekannten Ausmaß.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
3. Zur Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens löst die Klasse arbeitsteilig<br />
folgen<strong>de</strong> Arbeitsaufgaben<br />
Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />
Das war die Stasi.<br />
Der Staatssicherheitsdienst war die wichtigste Machtstütze <strong>de</strong>r SED<br />
– ihr „Schild und Schwert“.<br />
Materialien:<br />
▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“<br />
S. 7, 8, 10, 23, 24<br />
▪ Arbeitsblätter: M1: „Schild und Schwert“, M2: Richtlinie 1/79 und Auszug aus Wörterbuch<br />
<strong>de</strong>r Stasi<br />
Arbeitsauftrag:<br />
Erarbeiten Sie Rolle, Aufgaben, Organisationsweise und Machtapparat <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes<br />
<strong>de</strong>r DDR.<br />
Arbeiten Sie in 4 Gruppen: 1. Gruppe: Aufgabe 1–2 / 2. Gruppe: Aufgabe 3<br />
3. Gruppe: Aufgabe 4 / 4. Gruppe: Aufgabe 5<br />
Präsentieren Sie die Ergebnisse in übersichtlicher Form. Formulieren Sie offene Fragen.<br />
1. Charakterisieren Sie <strong>de</strong>n Staatssicherheitsdienst und seine Stellung in <strong>de</strong>r DDR.<br />
Deuten Sie die Symbolik von M1.<br />
Material: CD-ROM S. 7, M1: „Schild und Schwert“<br />
2. Stellen Sie dar, nach welchem Prinzip die Stasi organisiert war.<br />
Material: CD-ROM S. 8<br />
3. Das MfS sah sich als Hauptwaffe im Kampf gegen innere und äußere Fein<strong>de</strong>.<br />
Begrün<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r DDR, warum die „Arbeit am Feind“ wichtig war.<br />
Erläutern Sie mit Ihren Worten, wer für die Stasi ein Feind war.<br />
Wie sollte <strong>de</strong>r Feind bekämpft wer<strong>de</strong>n?<br />
Material: M2: Auszug aus Richtlinie 1/79, Wörterbuch <strong>de</strong>r Stasi<br />
4. Erarbeiten Sie sich Kenntnisse über die Hauptamtlichen und die Inoffiziellen<br />
Mitarbeiter.<br />
Erläutern Sie, wie die Stasi mit Betrieben und Einrichtungen „politisch-operativ“<br />
zusammenwirkte.<br />
Material: CD-ROM S. 10, 12, 13, 23, 24<br />
5. Untersuchen Sie das Leben von Erich Mielke im historischen Kontext.<br />
Stellen Sie die wichtigsten Abschnitte seines Lebens und seiner Karriere dar. Welche<br />
Charaktereigenschaften waren entschei<strong>de</strong>nd für Erich Mielkes Aufstieg?<br />
Material: Internet<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
4. Themenblöcke<br />
4.1 Betroffene im Visier <strong>de</strong>r Stasi/Metho<strong>de</strong>n und Wirkungsweise<br />
5–6 Schüler<br />
Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />
Das Ziel <strong>de</strong>s DDR-Staatssicherheitsdienstes war es, eine möglichst flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong><br />
Kontrolle <strong>de</strong>r DDR-Bevölkerung zu gewährleisten und gegebenenfalls Nichtanpassung<br />
und Wi<strong>de</strong>rstand zu unterdrücken.<br />
Materialien:<br />
▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“ S.<br />
11, 14–22,<br />
▪ Arbeitsblätter: M3: Verhörmetho<strong>de</strong>n, M4: „Die Stasi hat mich nicht gebrochen.“<br />
Arbeitsauftrag:<br />
Zwei Schüler erarbeiten die Überwachungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stasi und fin<strong>de</strong>n eine Form <strong>de</strong>r<br />
Präsentation in Absprache mit <strong>de</strong>n Gruppenmitglie<strong>de</strong>rn. Zwei Schüler vermitteln ihren<br />
Mitschülern einen Einblick in Verhörmetho<strong>de</strong>n. Der Fall von Frau May-Britt Krüger wird von<br />
einem Schüler dargestellt.<br />
1. Erarbeiten Sie Überwachungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stasi und erklären Sie diese.<br />
Material: CD-ROM S. 11, 14–20, 22<br />
2.1. Versetzten Sie sich in die Situation <strong>de</strong>s Häftlings, <strong>de</strong>r in Untersuchungshaft<br />
war, weil er mit einem Schlauchboot versuchte, aus <strong>de</strong>r DDR zu fliehen.<br />
Stellen Sie dazu eine Verhörszene nach.<br />
Material: M3: Verhörmetho<strong>de</strong>n<br />
2.2. Informieren Sie sich über die Haftbedingungen in <strong>de</strong>r<br />
Untersuchungshaftanstalt <strong>de</strong>r Staatssicherheit in <strong>Rostock</strong> und beziehen Sie<br />
die Situation von Frau May-Britt Krüger vom Sommer bis Oktober 1989 ein.<br />
Material: CD-ROM S. 21, M4: „Die Stasi hat mich nicht gebrochen.“<br />
3. Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse und diskutieren Sie mit <strong>de</strong>r Klasse, was <strong>de</strong>r<br />
Einsatz dieser Metho<strong>de</strong>n für Betroffene be<strong>de</strong>utete und noch heute be<strong>de</strong>utet.<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
4.2. Die unsichtbare Mauer<br />
3–6 Schüler<br />
Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />
Die am 13. August 1961 in Berlin errichtete Mauer und die Grenzsicherungsanlagen<br />
zur BRD waren allgegenwärtig.<br />
Aber wie wur<strong>de</strong> die Grenze entlang <strong>de</strong>r Ostseeküste gesichert? Welche Aufgaben<br />
hatte <strong>de</strong>r Staatssicherheitsdienst?<br />
Materialien:<br />
▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“<br />
S. 9,<br />
▪ Arbeitsblätter: M5: Die unsichtbare Mauer, M6: Oranienburger pad<strong>de</strong>lten für ein Leben in<br />
Freiheit, M7: Die tollkühne Flucht im Schlauchboot<br />
Arbeitsauftrag:<br />
Arbeiten Sie in drei Gruppen. Eine Gruppe verschafft sich einen Überblick über die Aufgaben<br />
<strong>de</strong>r Stasi im Ostseeraum und die Grenzsicherung. Die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gruppen arbeiten zu<br />
je einem Fluchtversuch über die Ostsee.<br />
Bereiten Sie eine anschauliche Präsentation vor.<br />
1. Erläutern Sie, warum die Stasi die benannten „Hauptaufgaben“ als beson<strong>de</strong>rs<br />
wichtig ansah.<br />
Material: CD-ROM S. 9<br />
2. Beschäftigen Sie sich im Folgen<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Hauptaufgabe „Verhin<strong>de</strong>rung von<br />
Fluchtversuchen“. Stellen Sie dar, worin die Problematik <strong>de</strong>r sogenannten<br />
Grenzsicherung an <strong>de</strong>r Ostsee bestand und wie das SED-Regime und <strong>de</strong>r<br />
Staatssicherheitsdienst diese Aufgabe lösten.<br />
Material: M5: Die unsichtbare Mauer<br />
3. Die Oranienburger Familie führte ein materiell gesichertes Leben in <strong>de</strong>r DDR,<br />
trotz<strong>de</strong>m wollte sie im Juli 1982 die DDR illegal verlassen.<br />
Erarbeiten Sie, warum die Familie dieses Leben aufgab und welche<br />
Schwierigkeiten sie bewusst auf sich nahm.<br />
Erörtern Sie die Rolle <strong>de</strong>r Kutterbesatzung, <strong>de</strong>s Seefahrtsamtes und <strong>de</strong>r Stasi.<br />
Stellen Sie das Zusammenwirken <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen gesellschaftlichen und<br />
staatlichen Einrichtungen und die Resonanz in <strong>de</strong>r Bevölkerung dar.<br />
Sagen Sie Ihre Meinung dazu.<br />
Material: M6: Oranienburger pad<strong>de</strong>lten für ein Leben in Freiheit<br />
4. Schil<strong>de</strong>rn und begrün<strong>de</strong>n Sie die Flucht <strong>de</strong>r drei Ärzte.<br />
Erläutern und begrün<strong>de</strong>n Sie die Maßnahmen <strong>de</strong>r Stasi.<br />
Material: M7: Die tollkühne Flucht im Schlauchboot<br />
5. Bereiten Sie eine anschauliche Präsentation vor, in <strong>de</strong>r Sie bei<strong>de</strong> Fluchtfälle<br />
vergleichen. Diskutieren Sie, warum auch die Ostseeküste so stark bewacht<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
4.3. Themenblock<br />
Rollenspiel: Die Fälle Gunnar und Klaus<br />
3–6 Schüler<br />
Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />
Die Macht <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes richtete sich u.a. gegen Menschen, die<br />
an<strong>de</strong>rs dachten, in Freiheit leben o<strong>de</strong>r ihr Land verlassen wollten.<br />
Materialien:<br />
▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“<br />
S. 49–54, S. 25–29<br />
▪ Arbeitsblätter: M8: Text zum OV „Signal“, M9: Text zu Klaus Ketzler, M10: Auszug aus <strong>de</strong>r<br />
Verfassung <strong>de</strong>r DDR, M11: Auszug aus <strong>de</strong>r UN-Menschenrechtscharta<br />
Arbeitsauftrag:<br />
Drei Schüler lesen zuerst das Rollenspiel laut vor.<br />
Bearbeiten Sie dann in zwei Gruppen die Aufgaben 2–4 zu Gunnar und Klaus.<br />
Mit <strong>de</strong>r Aufgabe 5 bereiten Sie Ihre Präsentationen vor.<br />
1. Lesen Sie das Rollenspiel mit verteilten Rollen laut vor (3 Schüler).<br />
Material: CD-ROM, S. 49–54<br />
2. Erarbeiten Sie Motive und Handlungen von Gunnar und Klaus in <strong>de</strong>n 80er<br />
Jahren <strong>de</strong>r DDR.<br />
Erläutern Sie, durch welche Metho<strong>de</strong>n die Stasi die „Täter“ überführte.<br />
Material: M8: Text zum OV „Signal“, M9: Text zu Klaus Ketzler<br />
3. Erörtern Sie auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s Strafgesetzbuches <strong>de</strong>r DDR, aus Ihrer<br />
Sicht und <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes, ob das Strafmaß für<br />
Gunnar und Klaus angemessen war.<br />
Material: CD-ROM S. 25–29<br />
4. Die Betroffenen wur<strong>de</strong>n verurteilt, weil sie aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r DDR-Obrigkeit<br />
gegen die auf <strong>de</strong>r Verfassung basieren<strong>de</strong>n Gesetze verstoßen haben.<br />
Diskutieren Sie auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Auszüge aus <strong>de</strong>r Verfassung und<br />
internationaler Vereinbarungen das Vorgehen gegen Gunnar und Klaus.<br />
Formulieren Sie <strong>de</strong>n Diskussionsstand für die Präsentation.<br />
Material: M10: Auszug aus <strong>de</strong>r Verfassung, M11: UN-Menschenrechtscharta<br />
5. Bei <strong>de</strong>r Präsentation führen Sie das Rollenspiel auf und stellen Ihre zuvor<br />
zusammengefassten Arbeitsergebnisse vor.<br />
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4.4. Themenblock<br />
Arbeit mit Aktenauszügen zu Jugendlichen<br />
4–8 Schüler<br />
Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />
Die Devise von Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit, war:<br />
„Genossen, wir müssen alles wissen“.<br />
Dementsprechend agierte <strong>de</strong>r Staatssicherheitsdienst auch gegenüber Jugendlichen.<br />
Die Stasi legte Operative Personenkontrollen (OPK) und Operative Vorgänge (OV) an,<br />
um Jugendliche mit „feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen zu<br />
bekämpfen, zu zerschlagen, zu zersetzen und zu liquidieren“.<br />
Jugendliche als Inoffizielle Mitarbeiter waren für die Stasi eine unverzichtbare Quelle.<br />
Materialien:<br />
▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“,<br />
S. 11, 31–45<br />
▪ Arbeitsblatt: M12: Auszug aus <strong>de</strong>m Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR, 1974<br />
Arbeitsauftrag:<br />
Arbeiten Sie in 4 Gruppen. Je<strong>de</strong> Gruppe beschäftigt sich mit einem Aktenauszug und erfüllt<br />
die Aufgaben 2 und 3.<br />
Mit <strong>de</strong>r Aufgabe 4 bereiten Sie sich gemeinsam auf Ihre Präsentationen vor.<br />
1. Lesen Sie <strong>de</strong>n jeweiligen Aktenauszug und beantworten Sie die dazu<br />
gehören<strong>de</strong>n Arbeitsaufgaben. Veranschaulichen Sie <strong>de</strong>n Fall auf einem<br />
Plakat.<br />
Material: CD-ROM, S. 31–35, 36–39, 40–42, 43–45<br />
2. Stellen Sie die einzelnen Fallbeispiele mit Hilfe <strong>de</strong>r Plakate in Ihrer Gruppe<br />
vor.<br />
3. Lesen Sie <strong>de</strong>n Auszug aus <strong>de</strong>m Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR.<br />
Wie bestimmte <strong>de</strong>r Staat die Rolle <strong>de</strong>r Jugend?<br />
Vergleichen Sie diese mit <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r vier Jugendlichen.<br />
Material: M12: Auszug aus <strong>de</strong>m Jugendgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR<br />
4. Fassen Sie Ihre Erkenntnisse für die Präsentation zusammen:<br />
Erläutern Sie anhand <strong>de</strong>r Fallbeispiele, wie die Stasi in <strong>de</strong>r DDR mit <strong>de</strong>r<br />
Jugend umging.<br />
Stellen Sie sich vor, Sie wür<strong>de</strong>n heute so han<strong>de</strong>ln wie die Schüler aus <strong>de</strong>n<br />
Aktenbeispielen.<br />
Diskutieren Sie, ob Sie dadurch mit <strong>de</strong>m Staat und <strong>de</strong>m Grundgesetz in<br />
Konflikt geraten wür<strong>de</strong>n. Beziehen Sie Ihre Mitschüler in die Diskussion<br />
ein.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
5. „Stasi Ohn(e) Macht“<br />
Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />
Einstieg durch Lehrer:<br />
Seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1970er Jahre formierten sich unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>r evangelischen Kirche<br />
Frie<strong>de</strong>ns-, Menschenrechts- und Umweltgruppen. Diese wuchsen trotz ständiger<br />
Überwachung und Verfolgung insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r zweiten Hälfte <strong>de</strong>r 1980er Jahre zu einer<br />
immer stärker wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n politischen Opposition. Die Zahl <strong>de</strong>r Ausreiseantragsteller in <strong>de</strong>n<br />
Westen stieg stetig. Die schlechte Wirtschafts- und Versorgungslage, fehlen<strong>de</strong> politische<br />
Freiheiten und fehlen<strong>de</strong> Reisefreiheit sowie die Entwicklungen im Ostblock führten 1989 zu<br />
einer tiefen Krise.<br />
Die SED war angesichts <strong>de</strong>r Reformen Gorbatschows (Generalsekretär <strong>de</strong>s Zentralkomitees<br />
<strong>de</strong>r Kommunistischen Partei <strong>de</strong>r Sowjetunion) und <strong>de</strong>r Umwälzungen in Polen und<br />
Ungarn ratlos und selbst nicht reformbereit. Auf die Fluchtwelle über Ungarn, auf die<br />
Botschaftsbesetzungen und die Demonstrationen im eigenen Land hatte sie keine Antwort.<br />
Den Bürgern galt die Stasi als das Machtinstrument <strong>de</strong>r SED gegen die eigene Bevölkerung.<br />
Deshalb geriet sie En<strong>de</strong> Oktober selbst ins Zentrum <strong>de</strong>r Proteste. Erstmals ohne SED-<br />
Vorgaben versuchte die Stasi allein, sich <strong>de</strong>r neuen Lage anzupassen. Bis zuletzt sammelte<br />
sie noch „Beweise“ gegen Oppositionelle. Bei <strong>de</strong>r Besetzung <strong>de</strong>r einzelnen Stasi-Zentralen<br />
durch empörte Bürger wie in <strong>Rostock</strong> am 4./5. Dezember 1989 leistete sie keinen großen<br />
Wi<strong>de</strong>rstand. Mit <strong>de</strong>r Entlassung <strong>de</strong>r Mitarbeiter bis zum 31. März 1990 war auch das formale<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes gekommen.<br />
Materialien: Die Materialien stellen eine Auswahl dar und sollen zu Recherchen anregen.<br />
Arbeitsblätter: M13: Beispiele <strong>de</strong>r Opposition in <strong>de</strong>r DDR, M14: Situation in <strong>de</strong>r DDR,<br />
M15: Kampf <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft Solidarność in Polen, M16: Glasnost und<br />
Perestroika in <strong>de</strong>r UdSSR, M17: „Sputnik“-Verbot, M18: Wahlen in <strong>de</strong>r DDR, M19: Wege in<br />
die Freiheit, M20: Losungen vom 9. November 1989, M21: Christoph Kleemann erinnert sich.<br />
Arbeitsauftrag für Schüler:<br />
Die Aufgabe 1 wird in sieben Gruppen bearbeitet und gemeinsam ausgewertet.<br />
Erfüllen Sie dann die Aufgabe 2 paarweise und präsentieren Sie die Ergebnisse im<br />
Unterrichtsgespräch.<br />
Der Lehrer stellt die Aufgabe 3 und <strong>de</strong>n Text auf Folie vor. Danach wird die Aufgabe erfüllt.<br />
Zur Aufgabe 4 führt <strong>de</strong>r Lehrer o<strong>de</strong>r ein Schüler die Abschlussdiskussion und organisiert die<br />
Präsentation.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1. Erschließen Sie die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r einzelnen Ereignisse und erläutern Sie <strong>de</strong>ren<br />
Einfluss auf die Friedliche Revolution 1989 in <strong>de</strong>r DDR.<br />
Formulieren Sie zum jeweiligen Text eine Schlagzeile.<br />
Material:<br />
M13: Beispiele <strong>de</strong>r Opposition in <strong>de</strong>r DDR,<br />
M14: Situation in <strong>de</strong>r DDR,<br />
M15: Kampf <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft Solidarność in Polen,<br />
M16: Glasnost und Perestroika in <strong>de</strong>r UdSSR,<br />
M17: „Sputnik“-Verbot,<br />
M18: Wahlen in <strong>de</strong>r DDR,<br />
M19: Wege in die Freiheit<br />
2. Am 9. November 1989 vereinigten sich in <strong>Rostock</strong> 40 000 Menschen zu einer<br />
Demonstration.<br />
Erklären Sie, wie sich in <strong>de</strong>n Losungen dieser Demonstranten die Gesamtsituation in<br />
<strong>de</strong>r DDR wi<strong>de</strong>rspiegelte.<br />
Ordnen Sie die gefor<strong>de</strong>rten Verän<strong>de</strong>rungen nach Themen.<br />
Material: M20: Losungen vom 9. November 1989<br />
3. Seit 1950 hat die Stasi die Bevölkerung bespitzelt, unterdrückt, eingesperrt,<br />
verführt, eingeschüchtert und verfolgt.<br />
Beschreiben Sie vor diesem Hintergrund, was die Demonstranten bei <strong>de</strong>r ersten<br />
Demonstration in <strong>Rostock</strong> am 19. Oktober 1989 innerlich bewegt haben könnte und<br />
welches Signal hiervon für die weitere Entwicklung ausging.<br />
Material: M21: Christoph Kleemann erinnert sich<br />
4. Die Friedliche Revolution 1989 wird rückblickend oft zu <strong>de</strong>n größten Erfolgen in <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Geschichte gezählt.<br />
Vergleichen Sie die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Friedlichen Revolution mit an<strong>de</strong>ren<br />
Revolutionen in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Geschichte.<br />
Warum gehört dieses Ereignis in die Geschichtsbücher?<br />
Fertigen Sie dazu eine nachhaltige Präsentation an.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 1<br />
Quelle Grafik: <strong>BStU</strong><br />
Das MfS: „Schild und Schwert“ <strong>de</strong>r SED<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 2<br />
Aus <strong>de</strong>r Präambel zur „Richtlinie 1/79 für die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern (IM)<br />
und Gesellschaftlichen Mitarbeitern (GMS)“ gehen neben <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r IM auch<br />
die weitreichen<strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s MfS hervor:<br />
1 „Die weitere Ausgestaltung <strong>de</strong>r entwickelten sozialistischen Gesellschaft in <strong>de</strong>r DDR,<br />
die allseitige Stärkung <strong>de</strong>r sozialistischen Staatengemeinschaft, <strong>de</strong>r Kampf um <strong>de</strong>n<br />
Frie<strong>de</strong>n, die Vertiefung und <strong>de</strong>n weiteren Ausbau <strong>de</strong>r Entspannung sowie um die<br />
Durchsetzung <strong>de</strong>r Prinzipien <strong>de</strong>r friedlichen Koexistenz erfolgen in harter Klassen-<br />
5 auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Imperialismus.<br />
Der zuverlässige Schutz <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Entwicklung, die allseitige Gewähr-<br />
leistung <strong>de</strong>r inneren Sicherheit <strong>de</strong>r DDR und die Stärkung <strong>de</strong>r sozialistischen Staa-<br />
tengemeinschaft erfor<strong>de</strong>rn die weitere Verstärkung <strong>de</strong>r Arbeit am Feind und <strong>de</strong>r vor-<br />
beugen<strong>de</strong>n, scha<strong>de</strong>nsverhüten<strong>de</strong>n Arbeit. Damit ist wirksam zur kontinuierlichen<br />
10 Durchsetzung <strong>de</strong>r Politik <strong>de</strong>r Partei- und Staatsführung beizutragen.<br />
Die erfor<strong>de</strong>rliche hohe gesellschaftliche und politisch-operative Wirksamkeit <strong>de</strong>r poli-<br />
tisch-operativen Arbeit insgesamt ist durch eine höhere Qualität und Wirksamkeit<br />
<strong>de</strong>r Arbeit mit <strong>de</strong>n IM – <strong>de</strong>r Hauptwaffe im Kampf gegen <strong>de</strong>n Feind – zu erreichen.“<br />
Abgedruckt in: Müller-Enbergs, Helmut (Hg.): Inoffizielle Mitarbeiter <strong>de</strong>s Ministeriums für Staatssicherheit,<br />
Teil 1: Richtlinien und Durchführungsbestimmungen. Berlin 2001, S. 305 ff.<br />
Wer im Sinne <strong>de</strong>s MfS ein Feind war, wur<strong>de</strong> im Wörterbuch <strong>de</strong>r Staatssicherheit<br />
<strong>de</strong>finiert:<br />
„Feind“<br />
1 Personen, die in Gruppen o<strong>de</strong>r individuell <strong>de</strong>m Sozialismus wesensfrem<strong>de</strong> politisch-<br />
i<strong>de</strong>ologische Haltungen und Anschauungen absichtsvoll entwickeln und in ihrem<br />
praktischen Verhalten durch gezieltes Hervorrufen von Ereignissen o<strong>de</strong>r Bedingun-<br />
gen, die die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung generell o<strong>de</strong>r in einzel-<br />
5 nen Seiten gefähr<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r schädigen, eine Verwirklichung dieser Handlungen und<br />
Anschauungen anstreben.“<br />
Suckut, Siegfried (Hg.): Das Wörterbuch <strong>de</strong>r Staatssicherheit. Definitionen zur<br />
„politisch-operativen Arbeit“. Berlin 2001, S. 121.<br />
Quelle: Hamann, Christoph / Janowitz, Axel: Feindliche Jugend? Verfolgung und Disziplinierung Jugendlicher durch das<br />
Ministerium für Staatssicherheit. Berlin BSTU, LISUM Berlin, 2006.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 3<br />
Verhörmetho<strong>de</strong>n<br />
Jürgen Fuchs (1)<br />
„Ich habe es in <strong>de</strong>r U-Haft neun Monate erlebt, intensiv erlebt, als Betroffener. Nicht<br />
nur als einer, <strong>de</strong>r darüber spricht und schreibt, wie ich es jetzt tue o<strong>de</strong>r als Autor<br />
getan habe. Ich konnte das live studieren. Man muss sich diese Interventionen,<br />
diese Druckanwendung vorsätzlich vorstellen. Auch in einem Team, das vor- und<br />
nachbespricht, auch mithört jeweils o<strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>otechnik verwen<strong>de</strong>t. Sie waren ja sehr<br />
gut technisch ausgerüstet, japanische Importe […] Ein Vernehmungsführer, ein<br />
Leiter einer Abteilung, ein Vorgesetzter, <strong>de</strong>r ruft dann auch mal an und sagt, mach’<br />
es so und so. O<strong>de</strong>r kommt herein. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkt sich eine an<strong>de</strong>re Überraschung aus,<br />
ein „Bonbon“, wie sie sagten. Ja, gehen wir mal in diese Situation hinein, stellen sie<br />
uns vor. Also, da ist ein Gefangener, <strong>de</strong>r in einer Einzelzelle untergebracht ist, in<br />
einem „Verwahrraum“ im Gefängnistrakt. Der wird dann verhört, wird eine Treppe<br />
hochgeführt, durch eine Eisentür, dann ist er im Vernehmertrakt. So dicht ist alles<br />
gebaut. Gehen wir mal zwei Möglichkeiten durch. Eine Möglichkeit ist, dass<br />
<strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r ihn verhört o<strong>de</strong>r „vernimmt“, einmal beson<strong>de</strong>rs freundlich zu ihm ist,<br />
Zigaretten anbietet usw., möglicherweise auch <strong>de</strong>r Träger von guten Nachrichten ist:<br />
„bald raus“ o<strong>de</strong>r „es wird nicht so schlimm“ o<strong>de</strong>r „viele Grüße von Ihren Eltern“, o<strong>de</strong>r<br />
ihm Briefe von zu Hause zu lesen gibt, „ach so, Post ist gekommen“. Das ist jetzt<br />
<strong>de</strong>r gesprächsstrategische Teil, <strong>de</strong>n man durchaus in <strong>de</strong>r Psychologie studieren<br />
kann. Derselbe Mensch, möglichst noch ohne Übergang, sagt dann die<br />
schlechteren Nachrichten: „Es steht schlecht, es geht alles schief“ o<strong>de</strong>r wird selbst<br />
grob. Ist also ganz und gar nicht mehr sympathisch wie an <strong>de</strong>n vorangegangenen<br />
Tagen. Alles war Maske, Spiel, Strategie. Und wenn man sich dann ein wenig<br />
eingelassen hat, erleichtert war über <strong>de</strong>n freundlichen Ton vorher, etwas gehofft<br />
hatte und so weiter, dann bricht vieles zusammen. Es verwan<strong>de</strong>lt sich also ein<br />
Mensch, <strong>de</strong>r sich als Mitmensch gab, zum Gegenmenschen, innerhalb einer<br />
Situation. Das ist dann oft eine schwere traumatische, eine schockieren<strong>de</strong> Situation<br />
für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m es begegnet.“<br />
Quelle: Fuchs, Jürgen: „…und wann kommt <strong>de</strong>r Hammer?“ Psychologie, Opposition und Staatssicherheit. Berlin<br />
1990, S. 20–21.<br />
(1) Jürgen Fuchs (1950–1999) war DDR-Bürgerrechtler und Schriftsteller.<br />
Er protestierte gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann und wur<strong>de</strong> im November<br />
1976 verhaftet. Nach neun Monaten Haft im MfS-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen<br />
kam er durch internationale Proteste frei und wur<strong>de</strong> nach West-Berlin entlassen.<br />
Seit <strong>de</strong>m Fall <strong>de</strong>r Mauer bemühte sich Jürgen Fuchs beson<strong>de</strong>rs um die Aufklärung <strong>de</strong>r<br />
Verbrechen <strong>de</strong>s MfS.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 4 (Seite 1 von 3)<br />
May-Britt Krüger<br />
Die Stasi hat mich nicht gebrochen<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />
Es ist ein trüber Herbsttag 2009.<br />
Ich, May-Britt Krüger, geboren 1966, heute 43<br />
Jahre alt, habe mich entschlossen, die<br />
ehemalige Untersuchungshaftanstalt <strong>de</strong>r<br />
Staatssicherheit in <strong>Rostock</strong> aufzusuchen.<br />
Mir ist etwas flau in <strong>de</strong>r Magengegend.<br />
Heute ist dort ein Ort <strong>de</strong>s Ge<strong>de</strong>nkens, erlittenes<br />
Unrecht wird in mühevoller Kleinarbeit<br />
dokumentiert und <strong>de</strong>r Öffentlichkeit so<br />
zugänglich gemacht. Unfassbar, dass dort<br />
zwischen 1960 bis 1989 fast 5000 Frauen,<br />
Männer und Jugendliche einsaßen – so wie<br />
auch ich.<br />
Das Erste, was mir beim Betreten <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s auffällt, ist dieser unangenehme Geruch.<br />
Das riecht noch genauso muffig wie früher. Den langen trostlosen Flur im ersten Obergeschoss<br />
entlanggehend, durchfährt mich ein Schauer und Erinnerungen steigen in mir auf.<br />
Hier war ich vor 20 Jahren für drei Monate, als eine <strong>de</strong>r letzten Insassen dieser Haftanstalt<br />
gefangen, bevor die Friedliche Revolution <strong>de</strong>r DDR ein En<strong>de</strong> setzte.<br />
Mein Verbrechen? – Aus heutiger Sicht unfassbar.<br />
Im Sommer 1989 brachen mein Vater, ein befreun<strong>de</strong>tes Paar und ich in Richtung Ungarn<br />
auf. Unsere Freun<strong>de</strong> wollten, fest entschlossen, in <strong>de</strong>n Westen fliehen, wir hatten vor,<br />
Bekannte in Ungarn zu besuchen. Ob wir unsere Meinung geän<strong>de</strong>rt hätten, nach<strong>de</strong>m wir vor<br />
Ort die genauen Umstän<strong>de</strong> hätten absehen können, weiß ich nicht. Es war auch nicht mehr<br />
wichtig, <strong>de</strong>nn unsere angebliche Flucht en<strong>de</strong>te auf <strong>de</strong>r Autobahn <strong>Rostock</strong>-Berlin, Abfahrt<br />
Dummerstorf. Hier erwartete uns die Staatssicherheit.<br />
Es begann eine dreimonatige Lei<strong>de</strong>nszeit aus zermürben<strong>de</strong>r Isolation, totaler Überwachung<br />
und <strong>de</strong>n Willen brechen<strong>de</strong>n Verhören.<br />
Meine Erinnerung an die erste Nacht nach <strong>de</strong>r Verhaftung ist noch heute sehr präsent.<br />
Weinend und verzweifelt saß ich in <strong>de</strong>r Ecke <strong>de</strong>r engen Zelle, versuchte zu begreifen. Sofort<br />
wur<strong>de</strong> ich barsch ermahnt, mich so zu setzen, dass man mich sehen kann, da die kleine<br />
Ecke von <strong>de</strong>n Wachen über <strong>de</strong>n Türspion nicht einsehbar war.<br />
Alle zehn Minuten ging das Licht an und Augen sahen ohne ein Wort durch <strong>de</strong>n Türspion.<br />
Am nächsten Morgen verlas mir ein Mann in Zivil meine mir zur Last gelegten Verbrechen.<br />
Die Anklage lautete auf Ban<strong>de</strong>nbildung (vier Leute), Mitwisserschaft und versuchte<br />
Republikflucht, drohen<strong>de</strong>s Strafmaß bis zu acht Jahren Haft.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 4 (Seite 2 von 3)<br />
Die folgen<strong>de</strong>n Verhöre ließen nicht lange auf sich warten. Der erste Vernehmer brüllte mich<br />
in einschüchtern<strong>de</strong> Weise nur an, <strong>de</strong>r nächste versuchte es auf die sanfte, vertrauensvolle<br />
Tour. Sie verlangten, mein ganzes Leben zu erzählen. Immer wie<strong>de</strong>r erklärten sie mir die<br />
Vorzüge <strong>de</strong>r DDR und dass wohl in meinem Elternhaus bei meiner Erziehung etwas schief<br />
gelaufen sein musste.<br />
Insgesamt verhörte mich die Staatssicherheit in dieser Zeit 26-mal. Sagen, was sie hören<br />
wollten, konnte und kann ich bis heute nicht.<br />
Die Haftbedingungen sollten dazu beitragen, <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>r Inhaftierten zu beugen. Oft<br />
fragte ich mich, ob die Wahrheit überhaupt interessiert.<br />
Die angeordneten Schlafregeln veranlassten die Wärter, mich immer wie<strong>de</strong>r zu wecken.<br />
„Hän<strong>de</strong> auf die Bett<strong>de</strong>cke, Gesicht zur Tür!“, so dass sie für die Wärter je<strong>de</strong>rzeit sichtbar<br />
waren.<br />
Eine namenlose Zeit begann, Bett eins, zwei o<strong>de</strong>r drei, je nach Zellenbelegung. Das war von<br />
nun an mein Name – eine Zahl.<br />
Beim Öffnen <strong>de</strong>r Tür, musste ich mich neben mein Bett o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Stuhl stellen, ein Reflex,<br />
<strong>de</strong>r mich noch einige Zeit in Freiheit verfolgte. Schon beim Betreten <strong>de</strong>s Zimmers durch eine<br />
weitere Person sprang ich Haltung annehmend neben <strong>de</strong>n Sessel, nun allerdings im<br />
Wohnzimmer meiner Eltern.<br />
Beim Schließen <strong>de</strong>r Tür richtete ich gezwungenermaßen, einer weiteren Regel folgend, das<br />
Gesicht zur Wand.<br />
Freigang hieß, nicht eine Blume zu sehen, einen Vogel zu hören, frische Luft auf <strong>de</strong>r Haut zu<br />
spüren, es be<strong>de</strong>utete, in einem gemauerten Käfig von 2 m x 3 m gehen zu können und das<br />
ständig im Visier <strong>de</strong>r Wärter.<br />
Persönliche Dinge wie eine Uhr, ein Buch o<strong>de</strong>r einen Stift gab es nicht, die Schuhe hatten<br />
keine Schnürsenkel. Irgendwann, das Gefühl für Zeit war nicht mehr <strong>de</strong>utlich, konnte ich mir<br />
über eine Liste hauseigene Bücher bestellen. Diese Lektüre verschlang ich, las von Kraft und<br />
von viel Leid. An<strong>de</strong>re Inhaftierte hatten mit <strong>de</strong>n Fingernägeln Worte, manchmal ganze Sätze<br />
unterstrichen, die einen Einblick in Ihre Seelen gaben.<br />
Duschen durften wir zweimal in <strong>de</strong>r Woche, auch hier wie<strong>de</strong>r nur unter <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r<br />
Wärter.<br />
Schloss ich meine Augen und konzentrierte mich auf das Rauschen <strong>de</strong>s Wassers, fühlte ich<br />
mich einen kleinen Moment weit fort!<br />
Privatsphäre gab es hier an diesem Ort nicht, die Toiletten in <strong>de</strong>r Zelle, Blicke und immer<br />
wie<strong>de</strong>r Blicke.<br />
Um aufkommen<strong>de</strong> Vertrautheit zu unterbin<strong>de</strong>n wechselten in <strong>de</strong>n einzelnen Zellen die<br />
Mitinsassen häufig.<br />
Mit 23 Jahren und noch ein junges Mädchen, für mich war vieles peinlich und äußerst<br />
unangenehm. Dann auch das noch, bei meiner Verhaftung hatte ich meine Regel und<br />
musste Wärter – Männer – teilweise gleichaltrig, nach Bin<strong>de</strong>n fragen.<br />
Selbstverständliche Dinge, wie Körperhygiene, eine Scheibe Brot schnei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r eine Tür<br />
öffnen waren unmöglich für mich. Während meiner Inhaftierung bekam ich meine Regel nicht<br />
wie<strong>de</strong>r, dafür braune Flecken am Körper, verstärkten Haarwuchs an Armen und Beinen und<br />
gleichzeitig starken Haarausfall am Kopf. Die Haftärzte versicherten mir, es wäre nur Stress,<br />
heute weiß man, es waren Hormonbehandlungen.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 4 (Seite 3 von 3)<br />
Auch in <strong>Rostock</strong> fan<strong>de</strong>n die ersten Demonstrationen statt, ich hörte Rufe wie: “Stasi in die<br />
Produktion!“ Natürlich keimte Hoffnung auf, aber wie wür<strong>de</strong> sich das auf mich auswirken?<br />
Bei <strong>de</strong>r nächsten Demonstration ließ die Stasi im Innenhof Motoren von Lastwagen laufen,<br />
so konnten wir nichts mehr hören.<br />
En<strong>de</strong> Oktober wur<strong>de</strong> ich durch die Amnestie für politische Gefangene entlassen. Meine<br />
Peiniger warnten mich: „Wenn sie an einer Demonstration teilnehmen, sind sie schneller<br />
wie<strong>de</strong>r hier, als sie gucken können!“<br />
Soweit kam es glücklicherweise nicht.<br />
Jahrelang noch vernahm ich das Knarren und Knallen <strong>de</strong>r Stiefel auf <strong>de</strong>n Gängen, erwachte<br />
nachts schweißgeba<strong>de</strong>t, hörte das Geräusch, wenn die Klappe <strong>de</strong>s Türspions beiseite<br />
geschoben wur<strong>de</strong> und sah diese unablässig auf mich gerichteten Augen.<br />
Noch heute läuft mir ein Schauer kalt <strong>de</strong>n Rücken herunter und es stellen sich die Haare auf,<br />
wenn ein Schlüsselbund laut auf einen Tisch geworfen wird. Geräusche, Gerüche und selbst<br />
die Gestik mancher Menschen holen meine Erinnerungen immer wie<strong>de</strong>r hoch.<br />
Für mich persönlich ist es ein Triumph, dass ich einen Beitrag dazu leiste, dass so etwas<br />
nicht wie<strong>de</strong>r geschieht, dass ich über meine Erlebnisse re<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn das wur<strong>de</strong> mir von<br />
meinen damaligen Vernehmern untersagt – und so zeige ich Ihnen:<br />
„Ihr habt mich nicht gebrochen!!!!!“<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
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Material 5 (Seite 1 von 3)<br />
Volker Höffer<br />
Die unsichtbare Mauer<br />
Ein zentrales Problem <strong>de</strong>s SED-Staates war von Anfang an <strong>de</strong>r nie versiegen<strong>de</strong> Strom von<br />
Menschen, die aus <strong>de</strong>r DDR weg wollten. In <strong>de</strong>n vierzig Jahren ihrer Existenz verließen mehr<br />
als drei Millionen Menschen <strong>de</strong>n „ersten <strong>de</strong>utschen Arbeiter- und Bauernstaat“. Allein aus<br />
<strong>de</strong>m heutigen Mecklenburg-Vorpommern flüchteten zwischen 1950 und 1989 über 540 000<br />
Menschen o<strong>de</strong>r reisten aus.<br />
Seit 1952 und beson<strong>de</strong>rs ab 1961 ließ die SED-Führung ein nach innen gerichtetes, kaum<br />
überwindliches Grenzsystem aufbauen. Damit wollte sie vor allem die Massenflucht <strong>de</strong>r<br />
eigenen Bevölkerung stoppen.<br />
Der Stasi oblag es, Fluchtversuche schon „vorbeugend“ zu verhin<strong>de</strong>rn. Im Auftrag <strong>de</strong>r SED<br />
befahl Stasi-Chef Erich Mielke 1961:<br />
„Die entschei<strong>de</strong>ndste Schwerpunktaufgabe <strong>de</strong>s MfS ist <strong>de</strong>r Kampf gegen die<br />
Republikflucht“, die „zielgerichtete Vorbeugung, Verhin<strong>de</strong>rung und Bekämpfung von<br />
feindlich-negativen Angriffen gegen die Staatsgrenze“.<br />
Alle Diensteinheiten waren darin eingebun<strong>de</strong>n. Für die Bezirksverwaltung (BV) <strong>Rostock</strong><br />
stellte die Verhin<strong>de</strong>rung von Fluchtversuchen über die Seegrenze eine Kernaufgabe dar.<br />
Kontrollpunkt in Warnemün<strong>de</strong><br />
Quelle: <strong>BStU</strong><br />
An<strong>de</strong>rs als die „Staatsgrenze West“ o<strong>de</strong>r Ost-Berlin ließ sich die Ostseeküste mit ihren<br />
Buchten, Haffs, Inseln und Strän<strong>de</strong>n nicht einfach absperren. Ohne Genehmigung konnten<br />
Personen und Fahrzeuge bis an die Küste gelangen. Der Ostseebezirk war das größte<br />
Urlaubergebiet <strong>de</strong>r DDR. Zum Beispiel erholten sich hier 1988 rund 13,5 Millionen DDR-<br />
Bürger und 175 000 Auslän<strong>de</strong>r, zu <strong>de</strong>nen man auch Bürger <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik rechnete.<br />
Zu<strong>de</strong>m sollte die DDR-Küste nach außen normal erscheinen, mit Ba<strong>de</strong>betrieb, Schifffahrt<br />
und Sportbootbetrieb. 59 Zeltplätze und 37 Bootshäfen lagen im Grenzgebiet. Eine völlige<br />
Überwachung konnte unter diesen Umstän<strong>de</strong>n selbst die Stasi nicht realisieren.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 5 (Seite 2 von 3)<br />
Wegen <strong>de</strong>r scheinbar nicht so starken Abschottung <strong>de</strong>r Seegrenze betrachteten viele<br />
Menschen eine Flucht über die Ostsee als einen einfacheren Weg in ein selbstbestimmtes<br />
Leben. Sie entwickelten die abenteuerlichsten Seefahrzeuge, segelten, pad<strong>de</strong>lten o<strong>de</strong>r<br />
schwammen um ihre Freiheit und oft genug um ihr Leben.<br />
Nur je<strong>de</strong>r Sechste erreichte sein Ziel.<br />
5636 Menschen versuchten 1961 bis 1989, über die Ostsee zu fliehen. 913 (16,2 %) <strong>de</strong>r<br />
Fluchten verliefen erfolgreich. 4549 (80,7 %) wur<strong>de</strong>n schon bei <strong>de</strong>r Vorbereitung an ihrem<br />
Wohnort ent<strong>de</strong>ckt, beim Ablan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auf See verhaftet. 174 (3,1 %) bezahlten ihren<br />
Traum mit <strong>de</strong>m Leben. Hinzu kamen 1256 sogenannte „Absteiger“ (Stasi-Begriff), also<br />
Seeleute, die in westlichen Häfen für immer von Bord <strong>de</strong>r DDR gingen.<br />
Das Grenzregime an <strong>de</strong>r Ostsee war tief gestaffelt. Es umfasste Seegrenze, Küstenbereich<br />
und einen 5 km breiten Küstenstreifen – das sogenannte grenznahe Hinterland. Im engen<br />
„politisch-operativen Zusammenwirken“ (POZW) zwischen <strong>de</strong>r 6. Grenzbriga<strong>de</strong> Küste,<br />
Volksmarine, Volkspolizei, Staatssicherheitsdienst, Zoll, <strong>de</strong>n Parteileitungen <strong>de</strong>r SED,<br />
weiteren staatlichen Organen, Grenzaktiven, Besatzungen von Fischkuttern und an<strong>de</strong>ren<br />
DDR-Schiffen sowie vielen Spitzeln und freiwilligen Helfern versuchte man, die Grenze nach<br />
innen, gegen das eigene Volk abzuriegeln.<br />
Das seeseitige System <strong>de</strong>r „Grenzabsicherung“<br />
Zum Bestand <strong>de</strong>r 6. Grenzbriga<strong>de</strong> Küste gehörten in Spitzenzeiten 18 Hochsee-Minensuch-<br />
und Räumschiffe, 10 Grenzboote und 6 Kutter mit über 530 Einsatzkräften. Die Schiffe<br />
waren mit Waffen, Radaren und hydroakustischen Geräten ausgerüstet. Unterstützt durch<br />
DDR-Han<strong>de</strong>lsschiffe und Fischkutter suchte man auch mit Kampfhubschraubern nach<br />
Flüchten<strong>de</strong>n.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong><br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 5 (Seite 3 von 3)<br />
Das landseitige System <strong>de</strong>r „Grenzsicherung“<br />
Die Überwachung <strong>de</strong>r Einheimischen und Urlauber<br />
reichte von <strong>de</strong>r Küste bis etwa 5 km ins Lan<strong>de</strong>sinnere.<br />
Die rund 600 km lange Küstenlinie wur<strong>de</strong> von fast 1 000<br />
Soldaten <strong>de</strong>r 6. Grenzbriga<strong>de</strong> Küste bewacht. Entlang<br />
<strong>de</strong>r Küste stan<strong>de</strong>n dutzen<strong>de</strong> Beobachtungstürme,<br />
ausgerüstet mit Suchscheinwerfern und Radar. Spezielle<br />
Funkmesstürme verfolgten <strong>de</strong>n Schiffsverkehr und<br />
versuchten, Flüchtlinge aufzuspüren.<br />
Zusätzlich wur<strong>de</strong>n mobile Suchscheinwerfer und bewaffnete<br />
Posten eingesetzt. Das grenznahe Hinterland überwachten<br />
vor allem Volkspolizei und freiwillige Grenzhelfer.<br />
Typische Grenzhelfer waren Parteisekretäre, FDJ-<br />
Funktionäre, Kampfgruppenmitglie<strong>de</strong>r, häufig auch<br />
Bürgermeister und ihre Stellvertreter. Die Grenzhelfer<br />
hielten an <strong>de</strong>n Verkehrswegen zur Küste Ausschau nach<br />
verdächtigen Personen, Fahrzeugen und möglichen<br />
Fluchtmitteln im Gepäck.<br />
Das Beispiel Grevesmühlen<br />
1988 versuchten 292 Personen im Bezirk <strong>Rostock</strong> über die Grenze aus <strong>de</strong>r DDR zu<br />
entkommen. 164 Personen allein im Kreis Grevesmühlen, davon 97 über die Ostsee, von<br />
<strong>de</strong>nen es nur vier Flüchtlinge schafften. Die Überwachung und insbeson<strong>de</strong>re auch die<br />
Beteiligung „ehrenamtlicher“ Kräfte waren in diesem Grenzkreis beson<strong>de</strong>rs stark.<br />
Eine Stasi-„Übersicht über die real vorhan<strong>de</strong>nen und einsetzbaren inoffiziellen und offiziellen<br />
Kräfte“ zur Grenzüberwachung vom 28. Juli 1983 zeigt eine Momentaufnahme <strong>de</strong>s gegen<br />
die eigenen Bürger gerichteten Grenzsystems.<br />
Beteiligt waren:<br />
- Kreisdienststelle (KD) <strong>de</strong>r Stasi Grevesmühlen<br />
- Volkspolizeikreisamt Grevesmühlen, beson<strong>de</strong>rs die Transportpolizei<br />
- Grenztruppen <strong>de</strong>r DDR<br />
- Abteilung Innere Angelegenheiten vom Rat <strong>de</strong>s Kreises Grevesmühlen.<br />
Der Grevesmühlener Abschnitt <strong>de</strong>r „Staatsgrenze Nord/Küste“ maß nur 35 km. Doch neben<br />
<strong>de</strong>n hauptamtlichen offiziellen Kräften wur<strong>de</strong>n hier noch 194 inoffizielle o<strong>de</strong>r freiwillige Helfer<br />
eingesetzt. Hinzu kamen noch rund 200 Mitglie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen sogenannten<br />
„Grenzsicherheitsaktiven“ <strong>de</strong>r örtlichen Gemein<strong>de</strong>n.<br />
Diese Kräfte waren mitverantwortlich, Mitbürger aufzuspüren und daran zu hin<strong>de</strong>rn, ein<br />
Leben nach ihren Vorstellungen zu leben. Nicht selten trugen sie damit direkte Mitschuld an<br />
langen und harten Haftstrafen.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 6 (Seite 1 von 3)<br />
Volker Höffer<br />
Oranienburger pad<strong>de</strong>ln für ein Leben in Freiheit<br />
Wir schreiben <strong>de</strong>n 22. Juli 1982. Die Familie X aus <strong>de</strong>m Kreis Oranienburg, eine Mutter mit<br />
ihren drei Söhnen und einer Schwiegertochter, passieren mit ihren bei<strong>de</strong>n Trabis die Brücke<br />
von Wolgast auf die Insel Usedom. Doch im Unterschied zu <strong>de</strong>n unzähligen an<strong>de</strong>ren<br />
Urlaubern sind sie nicht auf <strong>de</strong>r Suche nach Sommer, Strand und Sonnenschein. Sie suchen<br />
etwas ganz an<strong>de</strong>res – eine günstige Gelegenheit, um aus <strong>de</strong>r DDR zu fliehen.<br />
Doch warum wollen sie weg? Sie besitzen doch ein Eigenheim, ansehnliche Ersparnisse,<br />
diverse Wertsachen und nicht zuletzt die zwei Trabanten. Die Stasi stellt später fest: „Soziale<br />
Probleme bestan<strong>de</strong>n nicht.“<br />
Was war es dann? Die ständigen kleinen und großen Schikanen, mit <strong>de</strong>nen die DDR-Organe<br />
von „Staat und Partei“ verhin<strong>de</strong>rten, dass <strong>de</strong>r Familienteil „Ost“ <strong>de</strong>n Familienteil „West“<br />
besuchen konnte. Großeltern, Eltern und Geschwister lebten in <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik.<br />
Dazu die Wolgaster Stasi: „Als Motiv für <strong>de</strong>n ungesetzlichen Grenzübertritt wur<strong>de</strong><br />
herausgearbeitet, dass sie keine Reisefreiheit besitzen und unbedingt zu <strong>de</strong>n Verwandten in<br />
die BRD wollten“.<br />
Die DDR schuf sich ihre Gegner mal wie<strong>de</strong>r selbst.<br />
Die Schwiegertochter kennt Usedom gut, arbeitet sie doch schon mehrere Monate in einem<br />
FDGB-Heim auf <strong>de</strong>r Insel. Sie hat bei Spaziergängen und Strandvergnügen nach Feierabend<br />
die einzelnen Strandabschnitte, die günstigsten Waldstücke und die besten<br />
Zufahrtsmöglichkeiten erkun<strong>de</strong>t.<br />
Sie mel<strong>de</strong>n sich auf <strong>de</strong>m Zeltplatz Neuendorf-Lützow an und bauen ihre Zelte auf. Am 23.<br />
Juli fahren sie mit <strong>de</strong>n Trabis durch die Gegend, gehen mal hier und mal dort an <strong>de</strong>n Strand<br />
zum Sonnen und Ba<strong>de</strong>n. Schließlich entschei<strong>de</strong>n sie sich für <strong>de</strong>n Strandabschnitt hinter<br />
Trassenhei<strong>de</strong>. Gespannt hören sie <strong>de</strong>n Wetterbericht. Die Wetterlage soll gut bleiben.<br />
Gegen 23.00 Uhr schleichen sie sich vom Zeltplatz. Mit bei<strong>de</strong>n PKW fahren sie zum<br />
Betriebsferienheim Klosterfel<strong>de</strong> und holen das gesamte Gepäck raus. Zwei Faltboote sind<br />
zum Schutz vor möglichen Kontrollen getarnt als Zelte verpackt. Entlang eines Zaunes<br />
bewegen sie sich wie Schatten in Richtung Ostsee. Sie haben <strong>de</strong>n Ort geschickt gewählt.<br />
Das Gelän<strong>de</strong> ist uneben. Der Fichtenwald zwischen Zeltstraße und Ostsee liefert zusätzliche<br />
Deckung. Keine Beleuchtung weit und breit. Sowohl von <strong>de</strong>r Zeltstraße als auch von See ist<br />
das Gelän<strong>de</strong> nicht einsehbar.<br />
Und sie haben auch etwas Glück.<br />
Die „Kräfte zur Sicherung <strong>de</strong>r Staatsgrenze“ sind in dieser Nacht in diesem Abschnitt eher<br />
spärlich verteilt. Ein Funkstreifenwagen <strong>de</strong>s Volkspolizeikreisamtes (VPKA) Wolgast<br />
patrouilliert zwischen Karlshagen und Koserow. Zwei Mitarbeiter und drei Freiwillige Helfer<br />
<strong>de</strong>s Grenzaktivs Trassenhei<strong>de</strong> sichern lediglich die ca. 50 m vom Strand gelegene<br />
Ausstellungshalle an <strong>de</strong>r Strandstrasse. Ein Scheinwerfer <strong>de</strong>r Grenztruppen scheint von<br />
Zinnowitz in Richtung Zempin auf die Ostsee. Das ist alles.<br />
Zur eigenen Entlastung wird die Stasi später anführen, dass „in diesem Bereich im Jahr 1964<br />
<strong>de</strong>r letzte Angriff erfolgte und (dieser) daher nicht zur Hauptangriffsrichtung gehörte“.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 6 (Seite 2 von 3)<br />
Etwa 150 m von <strong>de</strong>r Zeltstraße entfernt baut Familie X mit geübten Griffen, die Männer sind<br />
schließlich Schlosser bzw. Elektromonteure, die bei<strong>de</strong>n Faltboote zusammen. Gegen 01.30<br />
Uhr <strong>de</strong>s neuen Tages, also am 24. Juli 1982, lan<strong>de</strong>n sie ca. 500 m von <strong>de</strong>r Strandstraße<br />
entfernt mit <strong>de</strong>m Kurs auf Bornholm ab.<br />
Im ersten Faltboot, angetrieben durch einen Tümmlermotor, sitzen die bei<strong>de</strong>n Frauen und<br />
einer <strong>de</strong>r Männer. Die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Männer lassen sich im zweiten Boot ziehen. Die See<br />
liegt ruhig. Naht <strong>de</strong>r Scheinwerferkegel, <strong>de</strong>cken sie sich mit einer dunklen Plane ab und<br />
bleiben so unbemerkt.<br />
Doch das Glück ist nicht von Dauer.<br />
Sie sind schon 40 Seemeilen (!) nordöstlich <strong>de</strong>r O<strong>de</strong>rbank, da wer<strong>de</strong>n sie gegen 08.00 Uhr<br />
morgens vom Kapitän eines Fischkutters aus Karlshagen ent<strong>de</strong>ckt. Die drei Männer und<br />
zwei Frauen fragen die Fischer noch ahnungslos, ob sie Deutsche seien und wüssten, wo<br />
Bornholm liegt.<br />
Die Sache ist also klar – Flüchtlinge! Ohne zu zögern for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Kapitän, ein SED-Genosse,<br />
alle fünf auf, an Bord <strong>de</strong>s Kutters zu kommen. Die Flüchtlinge realisieren erst jetzt, dass es<br />
sich um einen DDR-Kutter han<strong>de</strong>lt. Sie versuchen noch zu fliehen. Doch sie sind ohne<br />
Chance. Der Kutter umkreist sie und bremst sie immer wie<strong>de</strong>r. Ein hohes Risiko für die<br />
kleinen, wackligen Boote, ein ungleiches Ringen.<br />
Quelle : <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt. VI, Nr. 200 (Pad<strong>de</strong>lboot an<strong>de</strong>rer Flüchtlinge)<br />
Doch so schnell geben die Flüchtlinge nicht auf. Sie, die schon fast alles riskiert haben, nur<br />
um ihre Verwandten in <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik sehen zu können. Schließlich droht <strong>de</strong>r Kapitän,<br />
dass er die Boote mit Leuchtraketen seeuntüchtig schießt.<br />
Im Stasi-Bericht heißt es dazu: „Diesen Sachverhalt bitte nicht auswerten“.<br />
Erst jetzt geben die fünf Oranienburger erschöpft, enttäuscht und gezeichnet auf.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 6 (Seite 3 von 3)<br />
Der Kutter nimmt Kurs auf Karlshagen. Als er die DDR-Küstengewässer erreicht, gibt er per<br />
UKW-Funk Meldung über seinen beson<strong>de</strong>ren Fang. Das Seefahrtsamt informiert sofort die<br />
Stasi-Stelle in Wolgast. Als <strong>de</strong>r Kutter gegen 12.25 Uhr in Karlshagen anlegt, steht die Stasi<br />
schon am Kai und nimmt die zwei Frauen und drei Männer sofort fest.<br />
Die ganze Geschichte hat viel Aufsehen in <strong>de</strong>r Gegend erregt. Die „Partner <strong>de</strong>s Operativen<br />
Zusammenwirkens“ (POZW) wur<strong>de</strong>n durch die Stasi mehr o<strong>de</strong>r weniger Maß genommen,<br />
wegen ihrer „Luschigkeit“ und lückenhaften Überwachung. Die Freiwilligen Helfer sollten<br />
aufgestockt sowie Mitarbeiter <strong>de</strong>r Betriebsferienheime, die Zeltplatzwärter, Rettungsschwimmer<br />
und FDJ-Ordnungsgruppen in die Überwachung integriert wer<strong>de</strong>n.<br />
Auf die Bürgermeister wur<strong>de</strong> Druck ausgeübt, die Grenzaktive ernster zu betreiben und<br />
<strong>de</strong>ren Wirkung zu kontrollieren. Auch musste fortan <strong>de</strong>r Wald ständig von Unter- und<br />
Bruchholz freigehalten wer<strong>de</strong>n, um freie Sicht zu ermöglichen.<br />
Wie reagierte die Bevölkerung?<br />
In einer Meldung an <strong>de</strong>n 1. Kreissekretär von Wolgast fasste die Stasi-Kreisdienststelle die<br />
Reaktion <strong>de</strong>r Bevölkerung zusammen. In diese Information sind auch die Meldungen <strong>de</strong>s<br />
Abschnittsbevollmächtigten (ABV) <strong>de</strong>r Volkspolizei, <strong>de</strong>r entwe<strong>de</strong>r offiziell o<strong>de</strong>r inoffiziell mit<br />
<strong>de</strong>r Stasi paktierte, eingeflossen. Demnach sei es unter <strong>de</strong>n Fischern von Karlshagen zu<br />
„keinen negativen Diskussionen gekommen“. Nur in einigen Fällen gab es „politische<br />
Unklarheiten“ bzw. „negative Haltungen“. Ein Mann, selbst SED-Genosse, äußerte, dass ihm<br />
die Gefangenen leid täten. Schließlich seien sie schon so weit auf See gewesen. Ein an<strong>de</strong>rer<br />
Mann hielt die Verhaftung sogar für ungesetzlich. Schließlich wären die Flüchtlinge schon<br />
außerhalb <strong>de</strong>r Territorialgewässer <strong>de</strong>r DDR gewesen. Ein Karlshäger lehnte es ab, bei <strong>de</strong>r<br />
„vorbeugen<strong>de</strong>n Sicherung <strong>de</strong>r Staatsgrenze Nord“ mitzuwirken. Er äußerte, er besäße dafür<br />
nicht „die politisch-i<strong>de</strong>ologische Klarheit…“.<br />
Die fünf Flüchtlinge wur<strong>de</strong>n in die Stasi-Untersuchungshaftanstalt nach <strong>Rostock</strong> gebracht.<br />
Sie wur<strong>de</strong>n nach § 213 Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR (ungesetzlicher Grenzübertritt) verurteilt<br />
und erhielten verschie<strong>de</strong>n hohe Haftstrafen.<br />
Die Kutterbesatzung wur<strong>de</strong> belobigt, war doch so „bei <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s ungesetzlichen<br />
Grenzübertritts … ein einmütiges richtiges Han<strong>de</strong>ln aller Besatzungsmitglie<strong>de</strong>r zu<br />
verzeichnen“.<br />
Das Leben in Karlshagen ging weiter, die fünf Oranienburger waren schnell vergessen. Die<br />
Überwachung dieses Grenzabschnitts wur<strong>de</strong> verstärkt.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AKG 61, Bd. 3<br />
(Kursiv geschriebene Zitate sind originale Stasiformulierungen.)<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 7 (Seite 1 von 3)<br />
Drei Greifswal<strong>de</strong>r Ärzte fliehen über die Ostsee in die Freiheit<br />
1. „Die tollkühne Flucht <strong>de</strong>r drei ‚DDR’-Ärzte im Schlauchboot“<br />
Artikel von Dieter Klein, Bild-Zeitung, Hamburg 16. Juli 1980<br />
Das Schlauchboot schaukelte auf <strong>de</strong>r unruhigen Ostsee. Die Augen <strong>de</strong>r Männer waren rot<br />
vom Salzwasser, die Lippen geschwollen, die Finger klamm vor Kälte. Bertram Ka<strong>de</strong>n (28)<br />
steuerte <strong>de</strong>n Außenbordmotor. Michael Schulz (27) hielt <strong>de</strong>n kleinen Schulkompass in <strong>de</strong>n<br />
Hän<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Weg in die Freiheit wies.<br />
Wenige Kilometer entfernt ein zweites Schlauchboot. Dort kämpfte Ulrich Sei<strong>de</strong>l (28) gegen<br />
<strong>de</strong>n Wind und das kalte Wasser.<br />
Die drei Männer, junge Ärzte aus <strong>de</strong>r DDR, hatten die lange verabre<strong>de</strong>te Flucht gewagt. Sie<br />
wohnten in Greifswald, arbeiteten in verschie<strong>de</strong>nen Unikliniken. Bertram Ka<strong>de</strong>n ist mit einer<br />
Lehrerin verheiratet. „Wir wohnten in 19 Quadratmetern. Das habe ich nicht mehr<br />
ausgehalten.“<br />
2. Stasi-Maßnahmen nach <strong>de</strong>r gelungene Flucht<br />
Für 5000 Mark kauften sich die drei Ärzte zwei<br />
gebrauchte Schlauchboote. Im September letzten<br />
Jahres versuchten sie es das erste Mal. Ein<br />
Sturm trieb die Flüchtlinge an Land zurück. Jetzt<br />
wagten sie es wie<strong>de</strong>r, mit sechs Flaschen Bier<br />
und einer halben Dauerwurst. Michael Schulze<br />
erzählt: „Suchscheinwerfer huschten übers<br />
Wasser – wir hofften, beteten, duckten uns ins<br />
Boot.“<br />
Da tauchte plötzlich ein Schiff aus <strong>de</strong>m Nebel auf.<br />
Um Himmels Willen, das ist ein DDR-Kutter.<br />
Nichts wie weg!<br />
Plötzlich ein großes Schiff – ein Ausflugsdampfer.<br />
Wir riefen laut um Hilfe, winkten. Die Leute an <strong>de</strong>r<br />
Reling winkten fröhlich zurück, lachten. Wir<br />
weinten.<br />
Nach elf Stun<strong>de</strong>n auf See, halb erfroren, nahm<br />
ein dänischer Marinekutter die bei<strong>de</strong>n seekranken<br />
Flüchtlinge an Bord.<br />
Ulrich Sei<strong>de</strong>l war von einer schwedischen Segeljacht<br />
gerettet wor<strong>de</strong>n.<br />
Die Stasi erfuhr erst durch eine Meldung <strong>de</strong>r Nachrichtenagentur AFP von <strong>de</strong>r erfolgreichen<br />
Flucht <strong>de</strong>s Greifswal<strong>de</strong>r Arztes, Bertram Ka<strong>de</strong>n, und seiner Mitflüchtlinge. Die <strong>Rostock</strong>er<br />
Stasi-Bezirksverwaltung eröffnete am 17. Juli 1980 <strong>de</strong>n Operativen Vorgang „Schlauchboot“.<br />
Haftbefehl und strafrechtliche Untersuchung folgten.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 7 (Seite 2 von 3)<br />
Mehr als ein dreiviertel Jahr untersuchte die Stasi Hintergrün<strong>de</strong>, Vorbereitungen und Ablauf.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re forschte sie nach Unterstützern im Familien- und Freun<strong>de</strong>skreis, um diese<br />
nach § 213 <strong>de</strong>s DDR-Strafgesetzbuches wegen „Beihilfe zur Republikflucht“ zu belangen.<br />
In Zusammenarbeit verschie<strong>de</strong>ner Diensteinheiten <strong>de</strong>r Stasi und <strong>de</strong>r Volkspolizei wur<strong>de</strong>n<br />
zunächst in <strong>de</strong>r Nähe von Greifswald das Auto <strong>de</strong>r Flüchtigen gefun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Besitzer<br />
ermittelt. Die umfangreichen Ermittlungen in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s „Tatortes“ blieben ergebnislos.<br />
Dennoch war dadurch klar, dass die drei Ärzte ihre Schlauchboote in Ludwigsburg in <strong>de</strong>r<br />
Nähe von Greifswald ins Wasser ließen und Kurs auf Bornholm nahmen.<br />
Die Flüchtlinge gingen das hohe Risiko einer Flucht über die Ostsee ein, weil sie in <strong>de</strong>r DDR<br />
unbefriedigen<strong>de</strong> berufliche Entwicklungschancen und politische Verhältnisse sahen.<br />
Familienangehörige, Freun<strong>de</strong>, Kollegen und Bekannte wur<strong>de</strong>n verhört und teilweise bis in die<br />
persönliche Sphäre ausspioniert. Nach Auswertung von Berichten Inoffizieller Mitarbeiter,<br />
Postkontrolle und Zeugenvernehmungen schätzte die Stasi neun Personen aus <strong>de</strong>m Umfeld<br />
<strong>de</strong>r „Täter“ als gefähr<strong>de</strong>t gemäß § 213 („ungesetzlicher Grenzübertritt“) Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r<br />
DDR ein.<br />
Auch nach Abschluss <strong>de</strong>r Ermittlungen zu <strong>de</strong>r gelungenen Flucht hielt die Stasi fünf von<br />
diesen Personen unter verstärkter Kontrolle. Weitere 17 Personen im Umfeld <strong>de</strong>r Flüchtlinge<br />
stan<strong>de</strong>n unter allgemeiner Beobachtung.<br />
Die Stasi suchte nach Erklärungen für die Flucht <strong>de</strong>r Ärzte und fand diese schon in <strong>de</strong>r<br />
Studienzeit. Nach <strong>de</strong>r Einschätzung <strong>de</strong>r Stasi waren sie „Träger und Verbreiter politischi<strong>de</strong>ologischer<br />
Diversion“ (1) und „labile, politisch-negative Stu<strong>de</strong>nten“. Sie hatten Kontakt zu<br />
Personen, die ebenfalls aus <strong>de</strong>r DDR flüchteten.<br />
Die Stasi musste feststellen, dass eine Rückkehr <strong>de</strong>r Ärzte in die DDR unwahrscheinlich war,<br />
da auch die engsten Angehörigen nicht bereit waren, die Geflohenen dazu zu bewegen.<br />
Dennoch sandte sie ihre Spitzel auch in die <strong>Bund</strong>esrepublik und in die ČSSR, um die<br />
Flüchtlinge dort unter „operative Kontrolle“ zu halten und Rückverbindungen in die DDR zu<br />
unterbin<strong>de</strong>n. Am 8. Mai 1981 stellte die Stasi die direkte Bearbeitung ein, hielt aber die<br />
Postüberwachung und Postzollfahndung aufrecht.<br />
Das „Fluchtauto“, ein PKW „Wartburg 311“, ging nicht in <strong>de</strong>n Besitz <strong>de</strong>r Angehörigen über,<br />
son<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> „beschlagnahmt“.<br />
Die Ermittlungen zu <strong>de</strong>n Familien <strong>de</strong>r Geflohenen ergaben keine Hinweise auf eine<br />
Mitwisser- bzw. Mittäterschaft gemäß § 225 Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR.<br />
Anträge <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r DDR Gebliebenen auf Familienzusammenführung wur<strong>de</strong>n jahrelang<br />
abgelehnt. Dennoch hielten die Angehörigen die Anträge auf Ausreise aufrecht und lehnten<br />
auch eine Scheidung konsequent ab. Nach <strong>de</strong>r Antragstellung auf Ausreise durften sie oft<br />
ihren Beruf, z.B. als Lehrerin nicht mehr ausüben. Eine Tätigkeit als pflegerische Hilfskraft in<br />
einem kirchlichen Krankenhaus war oft die einzige Möglichkeit, <strong>de</strong>n Lebensunterhalt zu<br />
verdienen.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 7 (Seite 3 von 3)<br />
Die Stasi schloss <strong>de</strong>n Vorgang „Schlauchboot“ 1981 ab.<br />
Der Akte wur<strong>de</strong> noch 1988 ein Bericht <strong>de</strong>s Inoffiziellen Mitarbeiters (IM) „Dietmar Schettler“<br />
beigefügt. Dieser IM informierte die Stasi über einen Besuch von Herrn Ka<strong>de</strong>n (2) bei einem<br />
Arzt in <strong>de</strong>r DDR. Ka<strong>de</strong>n schil<strong>de</strong>rte ihm seine Flucht. Der Arzt erzählte davon seinem<br />
Bekannten, eben jenem IM „Dietmar Schettler“.<br />
So erfuhr die Stasi acht Jahre nach <strong>de</strong>r Flucht, dass diese wirklich geplant war und Ka<strong>de</strong>n<br />
schon 1979 einen Fluchtversuch unternommen hatte.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AOP 1285/81, <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AU 1249/81.<br />
(1) Unter „Politisch-i<strong>de</strong>ologischer Diversion“ (PiD) verstand die Staatssicherheit jegliche, von <strong>de</strong>r Linie <strong>de</strong>r SED abweichen<strong>de</strong><br />
Einflussnahme auf die Meinungsbildung <strong>de</strong>r Bevölkerung <strong>de</strong>r DDR. Darunter fielen alle Formen <strong>de</strong>r kritischen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ologie und Politik <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Partei o<strong>de</strong>r auch mit alltäglichen Problemen wie z.B.<br />
<strong>de</strong>r Mangelwirtschaft und <strong>de</strong>r Umweltsituation in <strong>de</strong>r DDR.<br />
(2) Herr Ka<strong>de</strong>n durfte nach seiner Flucht „schon“ 1988 das erste Mal in die DDR einreisen. Nach <strong>de</strong>m Besuch von Erich<br />
Honecker bei Helmut Kohl 1987 kam es zu einer Erleichterung im Reiseverkehr zwischen bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 8 (Seite 1 von 2)<br />
Junge <strong>Rostock</strong>er wer<strong>de</strong>n zum OV „Signal“<br />
Dörte Neubauer Gunnar und Ute Christopher<br />
Ein ganzes Bün<strong>de</strong>l von Maßnahmen wur<strong>de</strong><br />
eingeleitet, um die „Täter“ zu i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />
Maßnahmen <strong>de</strong>r Stasi<br />
• Einsatz von Fährtenhun<strong>de</strong>n<br />
• ca. 90 „Befragungen“, wobei grundsätzlich<br />
Schriftproben genommen wur<strong>de</strong>n<br />
• Geruchsproben von 16 Verdächtigen<br />
• Postkontrollen<br />
• Überwachungen und Beobachtungen<br />
• Wanzeneinbau<br />
• Einsatz von mehr als zehn „IM“<br />
• Informationen von Ka<strong>de</strong>rabteilungen abgefor<strong>de</strong>rt<br />
(heute: Personalbüros in Betrieben)<br />
Zwei Ereignisse waren <strong>de</strong>r<br />
Anlass, dass die <strong>Rostock</strong>er Stasi<br />
<strong>de</strong>n Operativen Vorgang (OV)<br />
„ Signal“ anlegte:<br />
► eine Frie<strong>de</strong>nswache junger<br />
<strong>Rostock</strong>er am 1. September 1985<br />
am Mahnmal für die Opfer <strong>de</strong>s<br />
Faschismus;<br />
► in <strong>de</strong>r Nacht vom 2. zum 3.<br />
September 1985 in <strong>Rostock</strong><br />
auftauchen<strong>de</strong>, zumeist pazi-<br />
fistische<br />
Losungen.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU 2164/87, Bd. 1, S. 63<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 8 (Seite 2 von 2)<br />
Als Urheber ermittelte die Stasi Ute, Dörte und Gunnar aus <strong>de</strong>r Evangelischen Andreas-<br />
Gemein<strong>de</strong> in <strong>Rostock</strong>, verhaftete sie und ließ sie nach § 220 Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR<br />
(„Öffentliche Herabwürdigung“) verurteilen.<br />
Alle drei stan<strong>de</strong>n für zunehmend mehr Jugendliche, die sich mit <strong>de</strong>n Zustän<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r DDR<br />
nicht länger abfin<strong>de</strong>n wollten. Mit ihrer Aktion protestierten sie gegen Gleichgültigkeit bzw.<br />
Anpassung und drückten ihren Unmut über die bestehen<strong>de</strong>n Verhältnisse aus.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU 1857/87, Bd. 1, S. 182<br />
Auszüge aus Vernehmungsprotokollen zeigen die Motive <strong>de</strong>r drei jungen <strong>Rostock</strong>er.<br />
Diese Abwandlung eines<br />
Udo-Jürgens-Liedtextes<br />
fand die Stasi bei <strong>de</strong>r<br />
Durchsuchung von<br />
Gunnars Wohnung.<br />
Dörte Neubauer: „Ich stehe <strong>de</strong>n Ereignissen um mich herum kritisch gegenüber … und<br />
ziehe Schlussfolgerungen, die ich dann offen vertrete … dass ich es<br />
nicht gut fin<strong>de</strong>, dass Sie mit unseren Gefühlen rumspielen, um noch<br />
etwas rauszuholen … “<br />
Ute Christopher: „Ich will mit allem hier Schluss machen und ein ganz neues Leben<br />
anfangen. Es wur<strong>de</strong>n mir hier nicht genug Möglichkeiten für meine<br />
berufliche Entwicklung gegeben. Ein beantragtes Pädagogikstudium<br />
wur<strong>de</strong> abgelehnt. Weiterhin gibt es in <strong>de</strong>r DDR keine Reisemöglichkeiten<br />
in an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt. Außer<strong>de</strong>m bin ich mit vielen gesellschaftlichen<br />
Bereichen in <strong>de</strong>r DDR nicht zufrie<strong>de</strong>n.“<br />
Gunnar Christopher: „Wir waren <strong>de</strong>r Auffassung, dass es in <strong>de</strong>r DDR genug ‚Mitläufer’ und<br />
‚Ja-Sager’ gibt, die die gesellschaftlichen Verhältnisse in <strong>de</strong>r DDR<br />
einfach hinnehmen, ohne sich gegen bestimmte Fragen<br />
auszusprechen o<strong>de</strong>r dagegen aufzutreten. Davon ausgehend<br />
gelangten wir zu <strong>de</strong>r Auffassung, dass wir <strong>de</strong>n Bürgern von <strong>Rostock</strong><br />
öffentlichkeitswirksam zeigen sollten, dass es auch Menschen gibt, die<br />
an<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>nken zu Fragen <strong>de</strong>r Freiheit, <strong>de</strong>r Meinungsäußerung und<br />
Ungleichheit, die es unserer Meinung nach in <strong>de</strong>r DDR gibt …“<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 9 (Seite 1 von 2)<br />
Klaus Ketzler: „Ich kann in diesem Staat nicht leben!“<br />
Klaus Ketzler war schon in <strong>de</strong>n 70er Jahren mit <strong>de</strong>n politischen Verhältnissen in <strong>de</strong>r DDR<br />
unzufrie<strong>de</strong>n. Durch <strong>de</strong>n Briefwechsel und mehrmaligen persönlichen Kontakt in <strong>de</strong>r DDR mit<br />
USA-Bürgern geriet Klaus Ketzler in das „Blickfeld“ <strong>de</strong>s MfS – eine erste Operative Personenkontrolle<br />
(OPK) wur<strong>de</strong> 1975 zu ihm durchgeführt.<br />
In seinen persönlichen Freiheiten eingeschränkt, unzufrie<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Wahlsystem, <strong>de</strong>r<br />
schlechten Versorgung mit alltäglichen Dingen und <strong>de</strong>r ständigen i<strong>de</strong>ologischen Beeinflussung<br />
konnte und wollte er in diesem Staat nicht mehr leben. Am 8. Januar 1980 stellte er für<br />
sich und seine Familie einen Antrag auf ständige Ausreise aus <strong>de</strong>r DDR.<br />
Entsprechend <strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>r SED wur<strong>de</strong> sein Antrag vom zuständigen Rat <strong>de</strong>r Stadt<br />
<strong>Rostock</strong>, Abteilung Innere Angelegenheiten als „rechtswidrig“ abgelehnt. Eine erneute OPK<br />
mit <strong>de</strong>m Ziel, die Übersiedlung zu verhin<strong>de</strong>rn, war die Folge.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU, 1252/84, Bd. 1, S. 117 (Auszug)<br />
„Vorbeugegespräche“ <strong>de</strong>s MfS sowie „Zurückdrängungsmaßnahmen“ <strong>de</strong>s Betriebes und <strong>de</strong>r<br />
staatlichen Organe führten nicht zum erwarteten<br />
Erfolg. Wegen <strong>de</strong>r Vielzahl von Eingaben und<br />
Beschwer<strong>de</strong>n betrachteten die DDR-Behör<strong>de</strong>n<br />
Klaus Ketzler als „hartnäckigen“ Antragsteller.<br />
Nach fast vier Jahren vergeblichen Bemühens<br />
kündigte er bei einer Aussprache weitere Aktivitäten<br />
an. Zwei Tage später berichtete ein<br />
Inoffizieller Mitarbeiter (IM) <strong>de</strong>r Stasi über einen<br />
Buchstaben „A“ aus Papier und eine brennen<strong>de</strong><br />
Kerze im Fenster <strong>de</strong>r Wohnung <strong>de</strong>r Familie<br />
Ketzler. Am nächsten Morgen wur<strong>de</strong> Klaus<br />
Ketzler wegen „öffentlich-wirksamer<br />
Demonstrativhandlung“ verhaftet.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU 1252/84, GA, ASt Bd. 3, S. 93<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 9 (Seite 2 von 2)<br />
Die Stasi ermittelte wegen „Beeinträchtigung staatlicher und gesetzlicher Tätigkeit“ (§ 214<br />
Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR). Bei <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Verhören in <strong>de</strong>r Untersuchungshaft wur<strong>de</strong><br />
Klaus Ketzler entlockt, was <strong>de</strong>m MfS durch Postkontrolle, IM-Einsatz und Abhörmaßnahmen<br />
schon längst bekannt war. Die Ketzlers hatten ihre Verwandten in <strong>de</strong>r BRD brieflich um Hilfe<br />
durch die „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte e.V.“ in Frankfurt/Main gebeten.<br />
Für die DDR-Organe be<strong>de</strong>utete dies eine „Lan<strong>de</strong>sverräterischer Agententätigkeit“ (§ 100<br />
StGB-DDR).<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU 1252/84, GA, ASt, Bd. 2, S. 74/75<br />
Klaus Ketzler wur<strong>de</strong> zu<br />
drei Jahren Freiheitsstrafe<br />
verurteilt und am<br />
14. Februar 1985 aus <strong>de</strong>r Haft<br />
in die BRD entlassen.<br />
Stationen <strong>de</strong>r Haft:<br />
30. Oktober 1983 Verhaftung durch die Stasi<br />
30. Oktober 1983 – 28. Februar 1984 U-Haft beim MfS in <strong>Rostock</strong><br />
23. Februar 1984 Urteilsverkündung<br />
28. Februar 1984 – Juni 1984 Strafvollzug Cottbus<br />
Juni 1984 – 30. Januar 1985 Strafvollzug Bran<strong>de</strong>nburg<br />
30. Januar 1985 – 14. Februar 1985 „Abschiebehaft“ <strong>de</strong>s MfS in<br />
Karl-Marx-Stadt<br />
14. Februar 1985 Entlassung aus <strong>de</strong>r Haft unter Begleitung<br />
<strong>de</strong>s MfS bis zur Grenze zur BRD<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 10<br />
Auszug aus <strong>de</strong>r Verfassung <strong>de</strong>r DDR<br />
Artikel 19 (2) Achtung und Schutz <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> und Freiheit <strong>de</strong>r Persönlichkeit sind<br />
Gebot für alle staatlichen Organe, alle gesellschaftliche Kräfte und<br />
je<strong>de</strong>n einzelnen Bürger.<br />
Artikel 20 (1) Je<strong>de</strong>r Bürger <strong>de</strong>r Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig von<br />
seiner Nationalität, seinem weltanschaulichen o<strong>de</strong>r religiösen Bekenntnis,<br />
seiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten.<br />
Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle Bürger sind vor <strong>de</strong>m<br />
Gesetz gleich.<br />
Artikel 27 (1) Je<strong>de</strong>r Bürger <strong>de</strong>r Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, <strong>de</strong>n<br />
Grundrechten dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu<br />
äußern. Dieses Recht wird durch kein Dienst- o<strong>de</strong>r Arbeitsverhältnis<br />
beschränkt. Niemand darf benachteiligt wer<strong>de</strong>n, wenn er von diesem Recht<br />
Gebrauch macht.<br />
(2) Die Freiheit <strong>de</strong>r Presse, <strong>de</strong>s Rundfunks und <strong>de</strong>s Fernsehens ist<br />
gewährleistet.<br />
Artikel 28 (1) Alle Bürger haben das Recht, sich im Rahmen <strong>de</strong>r Grundsätze und Ziele<br />
<strong>de</strong>r Verfassung friedlich zu versammeln.<br />
Artikel 30 (1) Die Persönlichkeit und Freiheit je<strong>de</strong>s Bürgers <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Demokratischen Republik sind unantastbar.<br />
Artikel 31 (1) Post- und Fernmel<strong>de</strong>geheimnis sind unverletzbar.<br />
Artikel 37 (3) Je<strong>de</strong>r Bürger hat das Recht auf Unverletzbarkeit seiner Wohnung.<br />
Artikel 39 (1) Je<strong>de</strong>r Bürger <strong>de</strong>r Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, sich<br />
zu seinem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen<br />
auszuüben.<br />
Artikel 86 Die sozialistische Gesellschaft, die politische Macht <strong>de</strong>s werktätigen Volkes,<br />
ihre Staats- und Rechtsordnung sind die grundlegen<strong>de</strong> Garantie für die<br />
Einhaltung und Verwirklichung <strong>de</strong>r Verfassung im Geiste <strong>de</strong>r Gerechtigkeit,<br />
Gleichheit, Brü<strong>de</strong>rlichkeit und Menschlichkeit.<br />
Quelle: Verfassung <strong>de</strong>r DDR vom 6. April 1968 in <strong>de</strong>r Fassung <strong>de</strong>s Gesetzes zur Ergänzung und Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Verfassung <strong>de</strong>r<br />
DDR vom 7. Oktober 1974, Berlin 1984.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 11 (Seite 1 von 2)<br />
Allgemeine Erklärung <strong>de</strong>r Menschenrechte vom 10. Dezember 1948<br />
- Auszug -<br />
(seit Aufnahme in die UNO 1973 von <strong>de</strong>r DDR anerkannt)<br />
Artikel 1<br />
Alle Menschen sind frei und gleich an Wür<strong>de</strong> und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft<br />
und Gewissen begabt und sollen einan<strong>de</strong>r im Geiste <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>rlichkeit begegnen.<br />
Artikel 2<br />
Je<strong>de</strong>r hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkün<strong>de</strong>ten Rechte und Freiheiten, ohne<br />
irgen<strong>de</strong>inen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion,<br />
politischer o<strong>de</strong>r sonstiger Anschauung, nationaler o<strong>de</strong>r sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt<br />
o<strong>de</strong>r sonstigem Stand.<br />
Artikel 3<br />
Je<strong>de</strong>r hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit <strong>de</strong>r Person.<br />
Artikel 5<br />
Niemand darf <strong>de</strong>r Folter o<strong>de</strong>r grausamer, unmenschlicher o<strong>de</strong>r erniedrigen<strong>de</strong>r Behandlung<br />
o<strong>de</strong>r Strafe unterworfen wer<strong>de</strong>n.<br />
Artikel 7<br />
Alle Menschen sind vor <strong>de</strong>m Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf<br />
gleichen Schutz durch das Gesetz.<br />
Artikel 8<br />
Je<strong>de</strong>r hat Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei <strong>de</strong>n zuständigen innerstaatlichen<br />
Gerichten gegen Handlungen, durch die seine ihm nach <strong>de</strong>r Verfassung o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m<br />
Gesetz zustehen<strong>de</strong>n Grundrechte verletzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Artikel 9<br />
Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s verwiesen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Artikel 10<br />
Je<strong>de</strong>r hat bei <strong>de</strong>r Feststellung seiner Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen ihn<br />
erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes<br />
und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 11 (Seite 2 von 2)<br />
Artikel 12<br />
Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und<br />
seinen Schriftverkehr o<strong>de</strong>r Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe o<strong>de</strong>r<br />
Beeinträchtigungen.<br />
Artikel 13<br />
1. Je<strong>de</strong>r hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort<br />
frei zu wählen.<br />
2. Je<strong>de</strong>r hat das Recht, je<strong>de</strong>s Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein<br />
Land zurückzukehren.<br />
Artikel 17<br />
1. Je<strong>de</strong>r hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit an<strong>de</strong>ren Eigentum<br />
innezuhaben.<br />
2. Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt wer<strong>de</strong>n.<br />
Artikel 18<br />
Je<strong>de</strong>r hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt<br />
die Freiheit ein, seine Religion o<strong>de</strong>r seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit,<br />
seine Religion o<strong>de</strong>r seine Weltanschauung allein o<strong>de</strong>r in Gemeinschaft mit an<strong>de</strong>ren,<br />
öffentlich o<strong>de</strong>r privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu<br />
bekennen.<br />
Artikel 19<br />
Je<strong>de</strong>r hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht<br />
schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehin<strong>de</strong>rt anzuhängen sowie über Medien je<strong>de</strong>r Art<br />
und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen<br />
und zu verbreiten.<br />
Artikel 20<br />
1. Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und zu Vereinigungen<br />
zusammenzuschließen.<br />
Artikel 30<br />
Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt wer<strong>de</strong>n, dass sie für einen Staat,<br />
eine Gruppe o<strong>de</strong>r eine Person irgen<strong>de</strong>in Recht begrün<strong>de</strong>t, eine Tätigkeit auszuüben o<strong>de</strong>r<br />
eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung <strong>de</strong>r in dieser Erklärung verkün<strong>de</strong>ten<br />
Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.<br />
Quelle: www.un.org/Depts/german/grunddok/ar217a3.html<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 12<br />
Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR<br />
I.<br />
Die Entwicklung <strong>de</strong>r Jugend zu sozialistischen Persönlichkeiten<br />
§ 1<br />
(1) Vorrangige Aufgabe bei <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>r entwickelten sozialistischen Gesellschaft ist<br />
es, alle jungen Menschen zu Staatsbürgern zu erziehen, die <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>s Sozialismus treu<br />
ergeben sind, als Patrioten und Internationalisten <strong>de</strong>nken und han<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>n Sozialismus<br />
stärken und gegen alle Fein<strong>de</strong> zuverlässig schützen. Die Jugend trägt selbst hohe<br />
Verantwortung für ihre Entwicklung zu sozialistischen Persönlichkeiten.<br />
(2) Aufgabe je<strong>de</strong>s jungen Bürgers ist es, auf sozialistische Art zu arbeiten, zu lernen und zu<br />
leben, selbstlos und beharrlich zum Wohle seines sozialistischen Vaterlan<strong>de</strong>s – <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Demokratischen Republik – zu han<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>n Freundschaftsbund mit <strong>de</strong>r<br />
Sowjetunion und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren sozialistischen Bru<strong>de</strong>rlän<strong>de</strong>rn zu stärken und für die allseitige<br />
Zusammenarbeit <strong>de</strong>r sozialistischen Staatengemeinschaft zu wirken. Es ist ehrenvolle Pflicht<br />
<strong>de</strong>r Jugend, die revolutionäre Traditionen <strong>de</strong>r Arbeiterklasse und die Errungenschaften <strong>de</strong>s<br />
Sozialismus zu achten und zu verteidigen, sich für Frie<strong>de</strong>n und Völkerfreundschaft<br />
einzusetzen und antiimperialistische Solidarität zu üben. Alle jungen Menschen sollen sich<br />
durch sozialistische Arbeitseinstellung und soli<strong>de</strong>s Wissen und Können auszeichnen, hohe<br />
moralische und kulturelle Werte ihr eigen nennen und aktiv am gesellschaftlichen und<br />
politischen Leben, an <strong>de</strong>r Leitung von Staat und Gesellschaft teilnehmen. Ihr Streben, sich<br />
<strong>de</strong>n Marxismus-Leninismus, die wissenschaftliche Weltanschauung <strong>de</strong>r Arbeiterklasse,<br />
anzueignen und sich offensiv mit <strong>de</strong>r imperialistischen I<strong>de</strong>ologie auseinan<strong>de</strong>rzusetzen, wird<br />
allseitig geför<strong>de</strong>rt. Die jungen Menschen sollen sich durch Eigenschaften wie<br />
Verantwortungsgefühl für sich und an<strong>de</strong>re, Kollektivbewusstsein und Hilfsbereitschaft,<br />
Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit, Ehrlichkeit und Beschei<strong>de</strong>nheit, Mut und Standhaftigkeit,<br />
Ausdauer und Disziplin, Achtung vor <strong>de</strong>n Älteren, ihren Leistungen und Verdiensten sowie<br />
verantwortungsbewusstes Verhalten zum an<strong>de</strong>ren Geschlecht auszeichnen. Sie sollen sich<br />
gesund und leistungsfähig halten.<br />
Quelle: Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR, 28. Januar 1974, Gesetzblatt I Nr. 5, S.45.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 13<br />
Beispiele <strong>de</strong>r Opposition in <strong>de</strong>r DDR<br />
Angesichts <strong>de</strong>r atomaren Hochrüstung in Ost und West und <strong>de</strong>r Umweltverschmutzung<br />
entstan<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>r Kirche En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er/Anfang <strong>de</strong>r 80er Jahre überall in <strong>de</strong>r<br />
DDR Frie<strong>de</strong>ns- und Umweltgruppen.<br />
Leitspruch <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsgruppen war „Schwerter zu Pflugscharen“.<br />
Die wichtigste Öko-Gruppe war die Berliner Umweltbibliothek mit ihren illegalen „Umweltblättern“.<br />
Seit 1986 informierte sie über Umweltprobleme in <strong>de</strong>r DDR und entwickelte sich zur<br />
wichtigsten Zeitschrift <strong>de</strong>r Opposition.<br />
Die meisten <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>ns- und Umweltgruppen traten auch immer stärker für Bürgerrechte<br />
ein. Da sie Missstän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r DDR bzw. die Politik <strong>de</strong>r SED kritisierten, galten sie als<br />
„Fein<strong>de</strong>“ und wur<strong>de</strong>n auch durch die Stasi massiv bekämpft.<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esstiftung Aufarbeitung, Dr. Robert Grünbaum<br />
Logo <strong>de</strong>r DDR-Frie<strong>de</strong>nbewegung – die abgebil<strong>de</strong>te Skulptur war ein Geschenk <strong>de</strong>r Sowjetunion an die<br />
UNO im Jahre 1959 und steht noch heute vor <strong>de</strong>ren Hauptquartier in New York<br />
Schon das offene Tragen eines solchen Aufnähers in <strong>de</strong>r DDR führte zu Konsequenzen.<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 14<br />
Situation in <strong>de</strong>r DDR<br />
In <strong>de</strong>r DDR herrschte immer Mangelwirtschaft. Schlangen vor Geschäften gehörten zum<br />
üblichen Bild. Seit Anfang <strong>de</strong>r 1980er Jahre verschlechterte sich die ökonomische Lage so<br />
sehr, dass selbst die Versorgung mit „Waren <strong>de</strong>s täglichen Bedarfs“ immer weniger gesichert<br />
war.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt. BdL, Nr. 50<br />
Auch <strong>de</strong>r bauliche Zustand <strong>de</strong>r alten Kerne <strong>de</strong>r meisten<br />
Dörfer und Städte sowie vieler Straßen war sehr<br />
schlecht.<br />
„Ruinen schaffen ohne Waffen“ dichtete <strong>de</strong>r Volksmund<br />
in Abwandlung eines Mottos <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsbewegung<br />
angesichts <strong>de</strong>s massiven Verfalls.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt. VIII, Nr 1,<br />
Bd. 18, S. 150<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 15<br />
Kampf <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft in Polen<br />
Die Streiks und die Entstehung <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft Solidarność 1980/81 in<br />
Polen blieben auch auf die DDR nicht ohne Wirkung. Die SED fürchtete, dass das polnische<br />
Beispiel Schule machen könnte.<br />
Daher verschärften SED und Stasi die Kontrollen an <strong>de</strong>r Grenze zu Polen und die Überwachung<br />
<strong>de</strong>r oppositionellen Bestrebungen in <strong>de</strong>r DDR. In Abstimmung mit <strong>de</strong>r polnischen<br />
Geheimpolizei wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Einsatz von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) in Polen intensiviert.<br />
Einigen davon gelang es, bis an die Führung <strong>de</strong>r Solidarność heranzukommen. Einer von<br />
ihnen war IM „Henryk“ <strong>de</strong>r <strong>Rostock</strong>er Stasi-Bezirksverwaltung, <strong>de</strong>r am Polytechnikum in<br />
Danzig (Gdansk) lehrte.<br />
Solidarność-Führer Lech Wałęsa<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Material 16<br />
Glasnost und Perestroika in <strong>de</strong>r UdSSR<br />
Für alle Staaten <strong>de</strong>s Ostblocks war <strong>de</strong>r Machtantritt Michail Gorbatschows (1) von zentraler<br />
Be<strong>de</strong>utung. Angesichts <strong>de</strong>r katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in <strong>de</strong>r<br />
Sowjetunion setzte er unter <strong>de</strong>n Losungen Glasnost (2) und Perestroika (3) fundamentale<br />
Reformen durch. Auch nahm er kaum noch Einfluss auf die Entwicklungen in <strong>de</strong>n übrigen<br />
Staaten <strong>de</strong>s sowjetischen Imperiums.<br />
Viele Menschen, die auf Reformen auch in <strong>de</strong>r DDR hofften, verfolgten diese Entwicklung mit<br />
großer Sympathie. Die greisen und starrköpfigen SED-Spitzenka<strong>de</strong>r erwiesen sich jedoch als<br />
„Betonköpfe“ und lehnten Verän<strong>de</strong>rungen ab.<br />
(1) 1985 bis August 1991 Generalsekretär <strong>de</strong>s Zentralkomitees <strong>de</strong>r Kommunistischen Partei <strong>de</strong>r<br />
Sowjetunion und damit <strong>de</strong>r „erste Mann“ in <strong>de</strong>r Sowjetunion.<br />
(2) Offenheit, Transparenz.<br />
(3) Umbau (Umgestaltung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft).<br />
Erich Honecker und Michael Gorbatschow<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV Berlin, Abt. XX, Nr. 3791<br />
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Material 17<br />
„Sputnik“-Verbot<br />
Das Verbot <strong>de</strong>r Ausgabe <strong>de</strong>r sowjetischen Zeitschrift „Sputnik“ (1) vom Oktober 1988 wegen<br />
eines kritischen Artikels über Stalin brachte selbst für viele SED-Mitglie<strong>de</strong>r „das Fass zum<br />
Überlaufen“. Es zeigte, dass mit <strong>de</strong>r SED-Spitze keine Reformen nach sowjetischem Beispiel<br />
zu erwarten waren. Am 19. November 1988 wur<strong>de</strong> die Zeitschrift von <strong>de</strong>r Postzeitungsliste<br />
<strong>de</strong>r DDR gestrichen, was einem Verbot gleichkam.<br />
(1) Sputnik heißt Satellit, Reisegefährte o<strong>de</strong>r Begleiter. Seit 1967 erschien die Zeitschrift in mehreren<br />
Sprachen.<br />
Flugblatt aus <strong>de</strong>m Bezirk <strong>Rostock</strong><br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AKG Nr. 1031, Seite 49<br />
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Material 18<br />
Wahlen in <strong>de</strong>r DDR<br />
Die Kommunalwahl (1) am 7. Mai 1989 zeigte, dass in <strong>de</strong>r DDR ernstzunehmen<strong>de</strong><br />
oppositionelle Gruppierungen entstan<strong>de</strong>n waren. Erstmals nutzten überall in <strong>de</strong>r DDR eine<br />
größere Zahl couragierte Frauen und Männer die Wahlkabinen, stimmten gegen die<br />
Kandidaten <strong>de</strong>r „Nationalen Front“, überwachten die Stimmenauszählungen und wiesen<br />
massive Fälschungen beim sogenannten „Zettelfalten“ (2) nach.<br />
(1) Wie immer gab es nur eine Einheitsliste mit Kandidaten <strong>de</strong>r Blockparteien <strong>de</strong>r Nationalen Front,<br />
<strong>de</strong>r man zustimmen konnte o<strong>de</strong>r nicht.<br />
(2) Ironische Bezeichnung <strong>de</strong>r Bevölkerung für die Wahlen in <strong>de</strong>r DDR.<br />
Überwachung <strong>de</strong>r Stimmauszählung durch Bürger in Berlin<br />
Quelle: Archiv <strong>Bund</strong>esstiftung zur Aufarbeitung <strong>de</strong>r SED-Diktatur, Bestand Klaus Mehner, 89_0507_POL_Wahlen_05<br />
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Material 19<br />
Wege in die Freiheit<br />
Als Ungarn im Frühsommer 1989 seine Grenze zu Österreich öffnete, setzte ein<br />
Massenansturm vor allem junger und gut ausgebil<strong>de</strong>ter DDR-Bürger auf diesen vermeintlich<br />
einfachen Fluchtweg in <strong>de</strong>n „gol<strong>de</strong>nen Westen“ ein. Dieser Exodus wirkte auf die Krise in <strong>de</strong>r<br />
DDR wie ein Brandbeschleuniger und war <strong>de</strong>r auslösen<strong>de</strong> Funke für die ab Anfang<br />
September einsetzen<strong>de</strong>n Massenproteste.<br />
Die Fotos zeigen die Besetzung <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen<br />
Botschaft in Prag durch über 5 500 DDR-Bürger und die<br />
erste Demonstration in <strong>Rostock</strong> am 19. Oktober 1989.<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Fotograf: Seebo<strong>de</strong><br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt XX, Nr. 615, S. 30<br />
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Material 20 (Seite 1 von 2)<br />
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Material 20 (Seite 2 von 2)<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AGL 16<br />
(1) Bürgerbewegung, gegrün<strong>de</strong>t am 9./10. September 1989 in Grünhei<strong>de</strong> bei Berlin.<br />
(2) In Leipzig fan<strong>de</strong>n schon seit September „Montags<strong>de</strong>mos“ statt, die be<strong>de</strong>utendste bereits am<br />
9. Oktober 1989 mit ca. 70 000 Teilnehmern.<br />
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Material 21<br />
Arbeitsaufgabe:<br />
Seit 1950 hat die Stasi die Bevölkerung bespitzelt, unterdrückt, eingesperrt, verführt,<br />
eingeschüchtert und verfolgt. Beschreiben Sie vor diesem Hintergrund, was die<br />
Demonstranten bei <strong>de</strong>r ersten Demonstration in <strong>Rostock</strong> am 19. Oktober 1989 innerlich<br />
bewegte und welches Signal hiervon für die weitere Entwicklung ausging.<br />
Christoph Kleemann (1) erinnert sich:<br />
Als sich die erste Gruppe von Menschen unter <strong>de</strong>m bunten Schmetterling in Bewegung setzt,<br />
reiht sich alles ein. An <strong>de</strong>r „Alten Münze“ vorbei in die Kröpeliner Straße, ein Zug mit <strong>de</strong>n<br />
bewussten Kerzen – einem uralten Kirchensymbol. Die erste Nebenstraße: Ängstliche<br />
Blicke, ob Polizei über die Demonstranten herfällt. Nichts geschieht. […] Und schon fallen die<br />
ersten Sprechchöre ein, ganz an<strong>de</strong>rs als gewohnt. Statt staatskonformer Losungen ertönen<br />
plötzlich die Rufe: „Reiht euch ein!“, „Rettet das Land!“, „Stasi in die Produktion!“ In einigen<br />
Fenstern links und rechts <strong>de</strong>r Straße stehen ebenfalls Kerzen, Zeichen <strong>de</strong>r Sympathie. Die<br />
Straße wird enger. Eine Baustelle versperrt <strong>de</strong>n halben Weg. Eine strategisch günstige<br />
Gelegenheit, <strong>de</strong>n Zug zu stoppen, ein paar Leute mit Schlägen zu empfangen und die<br />
Menge zu zersprengen. Aber nichts <strong>de</strong>rgleichen geschieht. Da sind nur die stillen Begleiter<br />
<strong>de</strong>s Zuges. Stasi-Mitarbeiter, die nicht mitklatschen, keine Kerzen tragen. Dann kommt das<br />
Kröpeliner Tor in Sicht. Ein Blick nach hinten – ein fast endloser Zug. Und bisher ohne<br />
Zwischenfälle. Dann schwenkt <strong>de</strong>r Zug nach links – Richtung August-Bebel-Straße. Und<br />
dort, gleich neben <strong>de</strong>m Wallrestaurant, wie<strong>de</strong>r das Klatschen, das hier höllisch schallt,<br />
gewaltig. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Das Hochhaus kommt in Sicht, die „Windmühle“.<br />
Je<strong>de</strong>r weiß, dass hier viele Stasi-Mitarbeiter wohnen. Ein irres Pfeifkonzert setzt ein. „Stasi<br />
raus!“, „Stasi in die Produktion!“ […] das Stasi-Haus, in <strong>de</strong>m die Bezirksbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Ministeriums für Staatssicherheit sitzt, ist das gefürchtetste Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ganzen Stadt,<br />
immer beleuchtet, immer bewacht. Heute ist kein Außenlicht zu sehen, kein Wachhaben<strong>de</strong>r<br />
steht vor <strong>de</strong>r Tür. Aber hinter <strong>de</strong>n Fenstern <strong>de</strong>s großen Saales […] huschen Gestalten<br />
vorbei. Hinter <strong>de</strong>n bewehrten Toren, wie später zu erfahren ist, steht man auf <strong>de</strong>m Sprung.<br />
Rufe, Pfiffe, über <strong>de</strong>n Lautsprecher eine Stimme: „Verlassen Sie <strong>de</strong>n Platz! Lösen Sie die<br />
Demonstration auf!“ Lachen und Klatschen. Viele tropfen ihre Kerzen auf <strong>de</strong>n Fliesen <strong>de</strong>s<br />
Vorplatzes fest. Aber <strong>de</strong>r Zug geht weiter – bis zum Rathaus. Der Neue Markt (2) – wahrscheinlich<br />
zum ersten Mal in <strong>de</strong>r DDR-Zeit – ist voller freiwillig Versammelter. Dann zerstreut<br />
sich die Menge: „Bis zum nächsten Donnerstag!“ wird gerufen. Und so ist es je<strong>de</strong>n<br />
Donnerstag bis En<strong>de</strong> Januar: 5 000, 10 000, 20 000 Menschen. Eine Zeitung berichtet<br />
begeistert sogar von 70 000 Teilnehmern.<br />
(1) Christoph Kleemann war Pastor in <strong>Rostock</strong>, aktiv im Neuen Forum, übte verschie<strong>de</strong>ne<br />
kommunale Ämter aus, war Lehrer und von 1999 bis 2009 Leiter <strong>de</strong>r <strong>BStU</strong>-Außenstelle <strong>Rostock</strong>.<br />
(2) Damals Ernst-Thälmann-Platz.<br />
Nebeneingang zur Bezirksverwaltung für Staatssicherheit <strong>Rostock</strong><br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt. XX Nr. 1534 Bild 6<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1945<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges<br />
und Aufteilung Deutschlands in<br />
Besatzungszonen<br />
Nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg und <strong>de</strong>m Sieg über das Nazi-Regime glie<strong>de</strong>rn die<br />
alliierten Siegermächte Deutschland in vier Besatzungszonen. Auch die ehemalige<br />
Reichshauptstadt Berlin wird in einen amerikanischen, britischen, französischen und<br />
sowjetischen Sektor aufgeteilt.<br />
Berlin, Oranienstraße - Einwohner neben<br />
zerstörter Straßenbahn und Wasserlachen<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv; Bild 183-J31338<br />
Winston Churchill, Harry S. Truman, J. W. Stalin<br />
(von links), die führen<strong>de</strong>n Staatsmänner<br />
Großbritanniens, <strong>de</strong>r USA und <strong>de</strong>r Sowjetunion,<br />
während <strong>de</strong>r Potsdamer Konferenz, Juli 1945<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv; Bild 183-H-27035<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1949<br />
Gründung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik am<br />
24. Mai und <strong>de</strong>r DDR am 7. Oktober<br />
Die Sowjetunion genehmigte in ihrer Besatzungszone die Gründung <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Demokratischen Republik (DDR). Zuvor ist mit Unterstützung <strong>de</strong>r Westalliierten die<br />
<strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland entstan<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong> Staaten entwickeln sich in<br />
gegensätzliche politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Richtungen.<br />
Hermann Schäfer unterzeichnet das Grundgesetz<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, B 145 Bild-00047567, Fotograf: Hans Hubmann<br />
Massenkundgebung in Ostberlin anlässlich <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>r<br />
DDR und <strong>de</strong>r Wahl Wilhelm Piecks zum Staatspräsi<strong>de</strong>nten, 11.<br />
Oktober 1949<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, Bild 183-S88778, Fotograf: Eva Kemlein<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1950<br />
Gesetz über die Bildung <strong>de</strong>s<br />
Ministeriums für Staatssicherheit<br />
(MfS)<br />
Schon vor <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>r DDR schufen die sowjetische Besatzungsmacht und die<br />
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) Strukturen einer politischen<br />
Geheimpolizei, aus <strong>de</strong>nen dann am 8. Februar 1950 das Ministerium für<br />
Staatssicherheit hervorging. Das von <strong>de</strong>r Volkskammer <strong>de</strong>r DDR beschlossene<br />
Gesetz enthält keinerlei Aussagen über Befugnisse und Stellung <strong>de</strong>s neuen<br />
Ministeriums. Das MfS steht ganz in <strong>de</strong>r Tradition <strong>de</strong>r sowjetischen Geheimpolizei.<br />
Gesetzblatt <strong>de</strong>r DDR vom 21. Februar 1950, Gesetz über die Bildung<br />
eines Ministeriums für Staatssicherheit<br />
Quelle: <strong>BStU</strong><br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1953<br />
Generalstreik und Volksaufstand<br />
in <strong>de</strong>r DDR um <strong>de</strong>n 17. Juni<br />
In über 700 Städten und Gemein<strong>de</strong>n kommt es zu Streiks, Demonstrationen<br />
und zur Erstürmung öffentlicher Gebäu<strong>de</strong>. Die Aufständischen for<strong>de</strong>rn zunächst<br />
soziale Verbesserungen, aber dann sehr schnell auch freie Wahlen und die<br />
Entmachtung <strong>de</strong>r SED.<br />
Sowjetische Panzer schlagen für die SED <strong>de</strong>n Volksaufstand nie<strong>de</strong>r.<br />
Demonstranten gehen durchs Bran<strong>de</strong>nburger Tor<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, B145 Bild-00203065<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1956<br />
Posener Arbeiteraufstand im Juni<br />
und Volksaufstand in Ungarn<br />
im Oktober<br />
In <strong>de</strong>r polnischen Industriestadt Posen for<strong>de</strong>rt die Bevölkerung bessere<br />
Lebensbedingungen und protestiert gegen hohe Arbeitsnormen. Es kommt zu<br />
gewalttätigen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen. Massiver militärischer Einsatz been<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n<br />
Aufstand.<br />
In Budapest richtet sich <strong>de</strong>r Volksaufstand unter an<strong>de</strong>rem gegen <strong>de</strong>n Terror <strong>de</strong>r<br />
Geheimpolizei und die fehlen<strong>de</strong> Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit.<br />
Ungarn erklärt seinen Austritt aus <strong>de</strong>m Warschauer Pakt. Sowjetische Truppen<br />
kämpfen <strong>de</strong>n Aufstand nie<strong>de</strong>r.<br />
In <strong>de</strong>r DDR kommt es zu einzelnen Protesten unter Künstlern und Stu<strong>de</strong>nten (z.B. an<br />
<strong>de</strong>r Humboldt-Universität Berlin).<br />
Während <strong>de</strong>r Volkserhebung in Posen sichert ein polnischer Panzer <strong>de</strong>n<br />
Eingang <strong>de</strong>r Staatsbank, 28. Juni 1956<br />
Quelle: ullstein bild, Bild 00123050<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1961<br />
Schließung <strong>de</strong>r Sektorengrenze zu<br />
West-Berlin, Beginn <strong>de</strong>s Mauerbaus<br />
am 13. August<br />
Seit Jahren baut die SED-Regierung ihre Sperranlagen zur <strong>Bund</strong>esrepublik und<br />
um West-Berlin aus. Diese können aber die Flucht von letztlich ca. 2,7 Millionen<br />
enttäuschten DDR-Bürgern in <strong>de</strong>n Westen nicht verhin<strong>de</strong>rn, da die Sperranlagen<br />
zwischen West-Berlin und <strong>de</strong>r DDR weiter passiert wer<strong>de</strong>n können. Die Berliner<br />
Mauer stoppt schlagartig <strong>de</strong>n Flüchtlingsstrom.<br />
Bayerische Grenzpolizisten (links) und<br />
DDR-Grenzer patrouillieren an <strong>de</strong>r<br />
Demarkationslinie bei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher<br />
Staaten, Herbst 1952.<br />
Quelle: Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth<br />
Bau <strong>de</strong>r Berliner Mauer an <strong>de</strong>r Harzer<br />
Straße,<br />
18. August 1961<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Bild B 145-00014423,<br />
Fotograf: Siegmann<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1965<br />
„Kahlschlagplenum“<br />
Die 11. Tagung <strong>de</strong>s Zentralkomitees<br />
<strong>de</strong>r SED<br />
Auf <strong>de</strong>m 11. Plenum <strong>de</strong>s Zentralkomitees wen<strong>de</strong>t sich Erich Honecker,<br />
Verantwortlicher für Sicherheitsfragen <strong>de</strong>s ZK, im Namen <strong>de</strong>s Politbüros „gegen das<br />
Alte und Rückständige aus <strong>de</strong>r kapitalistischen Vergangenheit und gegen Einflüsse<br />
<strong>de</strong>r kapitalistischen Unkultur und Unmoral, wie sie in <strong>de</strong>r amerikanischen Sex-<br />
Propaganda und <strong>de</strong>r Verherrlichung <strong>de</strong>s Banditentums zum Ausdruck kommen.”<br />
In <strong>de</strong>r Folge kehrt die SED zu einer restriktiven Kulturpolitik zurück. Das Plenum hat<br />
massive Auswirkungen auf die Kulturszene <strong>de</strong>r DDR. Der Parteiapparat beschnei<strong>de</strong>t<br />
ein weiteres Mal die künstlerische Freiheit von „Kulturschaffen<strong>de</strong>n“ und die<br />
individuelle Selbstentfaltung von Jugendlichen. Es wer<strong>de</strong>n zahlreiche Filme,<br />
Theaterstücke, Bücher und Musikgruppen verboten.<br />
Foto von <strong>de</strong>n Dreharbeiten zum DEFA-Spielfilm „Spur <strong>de</strong>r Steine“ 1965,<br />
<strong>de</strong>r im Ergebnis <strong>de</strong>r restriktiven Kulturpolitik 1966 praktisch verboten<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Quelle: DEFA-Stiftung, Klaus D. Schwarz<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1968<br />
Nie<strong>de</strong>rschlagung <strong>de</strong>s<br />
„Prager Frühlings“ durch die<br />
Warschauer-Pakt-Staaten im August<br />
Anfang <strong>de</strong>s Jahres übernimmt Alexan<strong>de</strong>r Dubček die Führung <strong>de</strong>r Kommunistischen<br />
Partei <strong>de</strong>r ČSSR. Mit breiter Unterstützung durch die tschechoslowakische<br />
Bevölkerung versuchen die „Reformkommunisten“, <strong>de</strong>n Staat zu <strong>de</strong>mokratisieren und<br />
einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen. Am 21. August fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r<br />
Reformprozess durch eine militärische Intervention von fünf Warschauer-Pakt-<br />
Staaten, angeführt von <strong>de</strong>r Sowjetunion, ein jähes En<strong>de</strong>.<br />
In <strong>de</strong>r DDR kommt es zu etlichen Protesten gegen <strong>de</strong>n Einmarsch in die ČSSR.<br />
In Prag protestieren Bürger gegen die sowjetische Besetzung, 26. August 1968.<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV Neubran<strong>de</strong>nburg, AU 836/70, Beiakte, Seite 329 (Urheber: unbekannt)<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1972<br />
Abschluss <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen<br />
Grundlagenvertrags im Dezember<br />
In einem Grundlagenvertrag verpflichten sich bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche Staaten zur<br />
Entwicklung gutnachbarschaftlicher Beziehungen auf gleichberechtigter Basis und<br />
zum Gewaltverzicht. Der Austausch von Ständigen Vertretern wird<br />
vereinbart. Die DDR wird von <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik zwar als Völkerrechtssubjekt,<br />
aber nicht als Staat anerkannt.<br />
Unterzeichnung <strong>de</strong>s Grundlagenvertrags durch <strong>Bund</strong>esminister<br />
Egon Bahr (links) und DDR-Staatssekretär Michael Kohl in Ost-<br />
Berlin, 21. Dezember 1972<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Bild B 145-00004707, Fotograf: Lothar Schaack<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1973<br />
Aufnahme <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik und<br />
<strong>de</strong>r DDR in die UNO<br />
Am 18. September 1973 nehmen die Vereinten Nationen die Deutsche<br />
Demokratische Republik und die <strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland als Mitglie<strong>de</strong>r auf. Die<br />
USA, die UdSSR, Großbritannien und Frankreich begrüßen gemeinsam diesen<br />
Schritt, verweisen aber nach wie vor auf ihre Rechte in Bezug auf Berlin und<br />
Deutschland als Ganzes. Der Beitritt war von bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten im<br />
Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Grundlagenvertrag vereinbart wor<strong>de</strong>n.<br />
Die DDR ist durch ihren Beitritt zur UNO anerkanntes Mitglied <strong>de</strong>r<br />
Völkergemeinschaft und nimmt nun diplomatische Beziehungen zu <strong>de</strong>n meisten<br />
Staaten <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> auf. Die in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s „kalten Krieges“ übliche Propaganda<br />
gegeneinan<strong>de</strong>r lässt <strong>de</strong>utlich nach, die grundsätzliche Gegnerschaft jedoch bleibt<br />
bestehen.<br />
Die Fahnen <strong>de</strong>r BRD und <strong>de</strong>r DDR wehen auf <strong>de</strong>m UNO-Gelän<strong>de</strong><br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, Bild 183-M0925-406, Fotograf: Joachim Spremberg<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1975<br />
Unterzeichnung <strong>de</strong>r<br />
KSZE-Schlussakte in Helsinki<br />
im August<br />
Auf <strong>de</strong>r Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)<br />
vereinbaren die europäischen Staaten, die USA und Kanada die Anerkennung<br />
<strong>de</strong>r Nachkriegsgrenzen, verstärkte wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit,<br />
vertrauensbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Maßnahmen und die Beachtung <strong>de</strong>r Menschenrechte. Die<br />
Schlussakte wird zu einem zentralen Dokument für Oppositionelle und Ausreisewillige<br />
in <strong>de</strong>r DDR.<br />
DDR-Staatschef Erich Honecker (2. von links) und <strong>Bund</strong>eskanzler<br />
Helmut Schmidt (2. von rechts) vor Beginn <strong>de</strong>r Konferenz in<br />
Helsinki, 30. Juli 1975<br />
<strong>Bund</strong>esregierung, Bild 145-00009688, Fotograf: Engelbert Reineke<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1976<br />
Ausbürgerung von Wolf Biermann<br />
Der Lie<strong>de</strong>rmacher und Lyriker Wolf Biermann ist in <strong>de</strong>n 1960er Jahren nur einem<br />
kleinen Kreis <strong>de</strong>r kritischen DDR-Intellektuellen mit seinen Lie<strong>de</strong>rn und Texten<br />
bekannt.<br />
In seinen Lie<strong>de</strong>rn besingt er die Wi<strong>de</strong>rsprüche zwischen <strong>de</strong>r sozialistischen I<strong>de</strong>e und<br />
ihrer Umsetzung und wird dafür immer wie<strong>de</strong>r mit Auftrittsverboten belegt.<br />
Schon 1971 plant die Stasi, Biermann wegen „Staatsgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Hetze“<br />
einzusperren und ihn in die <strong>Bund</strong>esrepublik abzuschieben.<br />
Nach elfjährigem Auftrittsverbot darf er 1976 in Berlin-Prenzlauer Berg in einer Kirche<br />
ein Konzert geben. Danach wird er von <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik zu einer Tournee<br />
eingela<strong>de</strong>n. Die SED-Führung erlaubt die Reise. Nach seinem ersten Auftritt am 13.<br />
November 1976 in Köln erfährt Wolf Biermann über die Presse von seiner<br />
Ausbürgerung aus <strong>de</strong>r DDR.<br />
Die ARD sen<strong>de</strong>t sein Konzert in voller Länge. Er wird im ganzen Land bekannt, und<br />
ein Sturm <strong>de</strong>s Protestes bricht aus.<br />
In einem offenen Brief an die SED-Spitze for<strong>de</strong>rn 13 namhafte DDR-Schriftsteller die<br />
Rücknahme <strong>de</strong>r Ausbürgerung. Viele Künstler schließen sich <strong>de</strong>m Protest an.<br />
Schikanen <strong>de</strong>r DDR-Führung treiben zahlreiche Künstler ins Exil, an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n<br />
verhaftet o<strong>de</strong>r dürfen nicht mehr auftreten. Bei vielen Menschen entwickelt sich eine<br />
<strong>de</strong>utlich distanziertere Haltung zur DDR.<br />
Der Lie<strong>de</strong>rmacher Wolf Biermann gibt eine Pressekonferenz.<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, B 145 Bild-00013889, Fotograf: Lothar Schaack<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1980<br />
Streik auf <strong>de</strong>r Leninwerft in Danzig<br />
im August und Gründung<br />
<strong>de</strong>r Gewerkschaft Solidarność<br />
Am 1. Juli kommt es in Polen, ausgelöst durch Preissteigerungen, zu lan<strong>de</strong>sweiten<br />
Streiks. Bald streiken auch die Arbeiter auf <strong>de</strong>r Danziger Leninwerft. Unter <strong>de</strong>r<br />
Führung <strong>de</strong>s Elektrikers Lech Wałęsa wird ein Streikkomitee gegrün<strong>de</strong>t, aus <strong>de</strong>m<br />
nach wenigen Monaten die unabhängige Gewerkschaft Solidarność (Solidarität) mit<br />
zehn Millionen Mitglie<strong>de</strong>rn hervorgeht. Der visafreie Reiseverkehr zwischen <strong>de</strong>r DDR<br />
und Polen wird von <strong>de</strong>r SED-Führung wie<strong>de</strong>r aufgehoben.<br />
Lech Wałęsa<br />
Transparentaufschrift: Unabhängige Selbstverwaltete<br />
Gewerkschaft Gdansk<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1986<br />
27. Parteitag <strong>de</strong>r KPdSU im Februar:<br />
Beginn <strong>de</strong>r Glasnost- und<br />
Perestroika-Politik<br />
Michail Gorbatschow, Staats- und Parteichef <strong>de</strong>r Sowjetunion, kündigt <strong>de</strong>n Umbau<br />
<strong>de</strong>s politischen und wirtschaftlichen Systems an. Glasnost und Perestroika (Offenheit<br />
und Umgestaltung) führen schließlich zu öffentlichen Debatten und einer<br />
beginnen<strong>de</strong>n Demokratisierung. Die SED-Führung lehnt das ab und frustriert dadurch<br />
die Bürger im eigenen Land.<br />
Handzettel eines unbekannten Urhebers aus Berlin vom Juni 1989, links Erich<br />
Honecker, rechts Michail Gorbatschow<br />
Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV Berlin, Abt. XX, Nr. 3791<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1989<br />
Öffnung <strong>de</strong>r Berliner Mauer<br />
am 9. November<br />
Günter Schabowski, Sekretär <strong>de</strong>s ZK <strong>de</strong>r SED für Informationswesen, erklärt<br />
vor <strong>de</strong>r internationalen Presse, dass es ab sofort keine Einschränkungen<br />
mehr für Reisen in die <strong>Bund</strong>esrepublik und nach Westberlin gäbe. Daraufhin<br />
eilen zehntausen<strong>de</strong> Menschen zu <strong>de</strong>n Grenzübergangsstellen <strong>de</strong>r DDR und<br />
erzwingen <strong>de</strong>ren Öffnung.<br />
Maueröffnung am Berliner<br />
Grenzübergang<br />
Bornholmer Brücke, 9. November 1989<br />
Quelle Fotograf: A. Schoelzel<br />
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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
1990<br />
Wie<strong>de</strong>rvereinigung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Staaten am 3. Oktober<br />
Im Zwei-plus-Vier-Vertrag stimmen die Siegermächte <strong>de</strong>s Zweiten Weltkriegs einer<br />
Wie<strong>de</strong>rvereinigung zu. Nach <strong>de</strong>m Kollaps <strong>de</strong>r SED-Diktatur fan<strong>de</strong>n am 18. März die<br />
ersten freien Wahlen zur Volkskammer statt. Regierung und Parlament beschlossen,<br />
zuerst eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik und<br />
dann <strong>de</strong>n staatlichen Beitritt zu vollziehen. Der Einigungsvertrag zwischen <strong>de</strong>r<br />
<strong>Bund</strong>esrepublik und <strong>de</strong>r DDR enthält auch Regelungen zum Umgang mit <strong>de</strong>m Erbe<br />
<strong>de</strong>r Staatssicherheit.<br />
<strong>Bund</strong>esinnenminister<br />
Wolfgang Schäuble (links) und<br />
DDR-Staatssekretär Günther Krause<br />
nach <strong>de</strong>r Unterzeichnung <strong>de</strong>s<br />
Einigungsvertrags in Ostberlin,<br />
31. August 1990<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Bild 145-00046824,<br />
Fotograf: Klaus Lehnartz<br />
Fast eine Million Menschen feiern<br />
am Bran<strong>de</strong>nburger Tor<br />
die wie<strong>de</strong>r gewonnene <strong>de</strong>utsche Einheit,<br />
3./4. Oktober 1990.<br />
Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Bild 145-00184359<br />
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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />
Literatur zum Thema Stasi<br />
Ammer, Thomas / Memmler, Hans-Joachim (Hg.): Staatssicherheit in <strong>Rostock</strong>. Zielgruppen,<br />
Metho<strong>de</strong>n, Auflösung, Edition Deutschland Archiv, Köln 1991.<br />
Behnke, Klaus / Fuchs, Jürgen: Zersetzung <strong>de</strong>r Seele. Psychologie und Psychiatrie im<br />
Dienst <strong>de</strong>r Stasi, Rotbuch Verlag, Hamburg 1995.<br />
Engelmann, Roger / Vollnhals, Clemens (Hg.): Justiz im Dienste <strong>de</strong>r Parteiherrschaft.<br />
Rechtspraxis und Staatssicherheit in <strong>de</strong>r DDR, Links-Verlag, Berlin 1999.<br />
Fricke, Karl-Wilhelm: Die DDR-Staatssicherheit. Entwicklung, Strukturen, Aktionsfel<strong>de</strong>r,<br />
Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1995.<br />
Gieseke, Jens: Die DDR-Staatssicherheit. Schild und Schwert <strong>de</strong>r Partei. In: Deutsche<br />
Zeitbil<strong>de</strong>r. <strong>Bund</strong>eszentrale für politische Bildung, Bonn 2001.<br />
Kowalczuk, Ilko-Sascha: Endspiel. Die Revolution von 1989 in <strong>de</strong>r DDR. Verlag C. H. Beck<br />
oHG, München 2008.<br />
Müller, Bodo: Faszination Freiheit. Die spektakulärsten Fluchtgeschichten. Links-Verlag,<br />
Berlin 2004.<br />
Müller, Christine / Müller, Bodo: Über die Ostsee in die Freiheit: Dramatische<br />
Fluchtgeschichten. Delias Klasing, Bielefeld 1992.<br />
Pingel-Schliemann, Sandra: Lebenswege … Im Schatten <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes.<br />
LStU, Schwerin 2008.<br />
Pingel-Schliemann, Sandra: Zersetzen: Strategie einer Diktatur, eine Studie. Robert-<br />
Havemann-Gesellschaft, Berlin 2002.<br />
Rohrbach, Carmen: Solange ich atme: Meine dramatische Flucht über die Ostsee ans En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Welt. Fre<strong>de</strong>rking und Thaler Verlag, München 2003.<br />
Rusch, Claudia: Meine freie <strong>de</strong>utsche Jugend. S. Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2003.<br />
Süß, Walter: Das Verhältnis von SED und Staatssicherheit. Eine Skizze seiner Entwicklung.<br />
BF informiert, Nr. 17, <strong>BStU</strong> Berlin 1997.<br />
Vogt-Müller, Christine: Hinter <strong>de</strong>m Horizont liegt die Freiheit. Flucht über die Ostsee,<br />
Schicksale, Fotos, Dokumente. Delias Klasing Verlag, Bielefeld 2003.<br />
63
Impressum:<br />
Der <strong>Bund</strong>esbeauftragte für die Unterlagen <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes<br />
<strong>de</strong>r ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik<br />
Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />
Hohen Tannen 11<br />
18196 Wal<strong>de</strong>ck<br />
Tel.: 038208 826-0<br />
Fax: 038208 826-1219<br />
E-Mail: astrostock@bstu.bund.<strong>de</strong><br />
Ansprechpartner:<br />
Dr. Michael Heinz Tel.: 038208 8261320<br />
Weitere Informationen unter: www.bstu.bund.<strong>de</strong><br />
Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong><br />
Goetheplatz 5/6<br />
18055 <strong>Rostock</strong><br />
Tel.: 0381 2035670<br />
Fax: 0381 20356729<br />
E-Mail: sekretariat-isg-rostock@web.<strong>de</strong><br />
Ansprechpartner:<br />
Eva König Tel.: 0381 2035680<br />
Thomas Döring Tel.: 0381 2035670<br />
Weitere Informationen unter: www.isg-rostock.<strong>de</strong><br />
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