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Schulmappe Rostock - BStU - Bund.de

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Angebote und Materialien<br />

Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />

Der <strong>Bund</strong>esbeauftragte für die Unterlagen <strong>de</strong>s<br />

Staatssicherheitsdienstes <strong>de</strong>r ehemaligen<br />

Deutschen Demokratischen Republik<br />

Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />

Hohen Tannen 11, 18196 Wal<strong>de</strong>ck-Dummerstorf


<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong><br />

„An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

„An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Eine didaktisch-methodische Handreichung zur<br />

Arbeit mit <strong>de</strong>r CD-ROM<br />

„Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR“<br />

- Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht -<br />

1


<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

0. Vorwort 3<br />

1. Einsatzmöglichkeiten / Voraussetzungen 4<br />

2. Historischer Rahmen 5–6<br />

3. Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens: Das war die Stasi 7<br />

4. Themenblöcke<br />

4.1. Betroffene im Visier <strong>de</strong>r Stasi. Metho<strong>de</strong>n und Wirkungsweise 8<br />

4.2. Die unsichtbare Mauer 9<br />

4.3. Rollenspiel: Die Fälle Gunnar und Klaus 10<br />

4.4. Arbeit mit Aktenauszügen zu Jugendlichen 11<br />

5. Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens: Stasi Ohn(e) Macht 12–13<br />

6. Arbeitsblätter:<br />

M 1: Schild und Schwert 14<br />

M 2: Auszug aus Richtlinie 1/79 und Wörterbuch <strong>de</strong>r Stasi 15<br />

M 3: Verhörmetho<strong>de</strong>n 16<br />

M 4: Die Stasi hat mich nicht gebrochen 17–19<br />

M 5 Die unsichtbare Mauer 20–22<br />

M 6 Oranienburger pad<strong>de</strong>ln um ihr Leben 23–25<br />

M 7 Drei Greifswal<strong>de</strong>r Ärzte fliehen über die Ostsee in die Freiheit 26–28<br />

M 8: Junge <strong>Rostock</strong>er wer<strong>de</strong>n zum OV „Signal“ 29–30<br />

M 9: Klaus Ketzler: „Ich kann in diesem Staat nicht leben!“ 31–32<br />

M10: Auszug aus <strong>de</strong>r Verfassung 33<br />

M11: Auszug aus <strong>de</strong>r UN-Menschenrechtscharta 34–35<br />

M12: Auszug aus <strong>de</strong>m Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR 36<br />

M13 Beispiele <strong>de</strong>r Opposition in <strong>de</strong>r DDR 37<br />

M14 Situation in <strong>de</strong>r DDR 38<br />

M15 Kampf <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft Solidarność in Polen 39<br />

M16 Glasnost und Perestroika in <strong>de</strong>r UdSSR 40<br />

M17 „Sputnik“-Verbot 41<br />

M18 Wahlen in <strong>de</strong>r DDR 42<br />

M19 DDR-Bürger suchen Wege in die Freiheit 43<br />

M20 Losungen vom 9. November 1989 44–45<br />

M21 Christoph Kleemann erinnert sich 46<br />

7. Zeitleiste 47–62<br />

8. Literatur zum Thema Stasi 63<br />

Impressum 64<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Handreichung für Lehrer zur CD-ROM<br />

„ Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR“<br />

- Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht -<br />

Vorwort:<br />

20 Jahre nach <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rvereinigung bei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher Staaten am 3. Oktober 1990 wird die<br />

Beschäftigung mit <strong>de</strong>r jüngsten <strong>de</strong>utschen Geschichte immer wichtiger.<br />

Die heutige junge Generation wur<strong>de</strong> schon in das geeinte Deutschland hineingeboren. Die<br />

DDR existiert nicht mehr und ist Geschichte. Ein Ost- und ein West<strong>de</strong>utschland gibt es nicht<br />

mehr. Aber die jungen Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren woher sie kommen.<br />

Sie müssen die Geschichte ihres Lan<strong>de</strong>s kennen lernen, im Guten wie im Schlechten, im<br />

Osten, wie im Westen.<br />

In unserem heutigen Leben ist das Recht „an<strong>de</strong>rs zu <strong>de</strong>nken“ selbstverständlich und<br />

unverzichtbar. Im östlichen Teil Deutschlands, in <strong>de</strong>r DDR, war das vor gut 20 Jahren noch<br />

ganz an<strong>de</strong>rs. Dort galt in je<strong>de</strong>r Hinsicht das Diktat einer absolut herrschen<strong>de</strong>n Partei – <strong>de</strong>r<br />

SED. Ihr wichtigstes Machtinstrument war das Ministerium für Staatssicherheit, im<br />

Volksmund Stasi genannt. Diese verstand sich als „Schild und Schwert <strong>de</strong>r Partei“ und sah<br />

ihre Hauptaufgabe in <strong>de</strong>r Verteidigung <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r SED gegen das eigene Volk.<br />

Von Anfang an ging <strong>de</strong>r Staatssicherheitsdienst gegen Menschen vor, die „an<strong>de</strong>rs dachten“,<br />

die mit eigenen I<strong>de</strong>en ihre Jugendkultur entfalteten, die lange o<strong>de</strong>r bunte Haare trugen o<strong>de</strong>r<br />

frei leben wollten, ohne Bevormundung. Die Macht <strong>de</strong>s MfS richtete sich auch gegen<br />

Menschen, die heimlich eine Flucht planten o<strong>de</strong>r sich mit eigenen Gedanken zur Abrüstung<br />

und zum Frie<strong>de</strong>n äußerten.<br />

Je<strong>de</strong>r heranwachsen<strong>de</strong> junge Mensch muss über Grundkenntnisse über diesen Teil unserer<br />

jüngsten Geschichte verfügen.<br />

Durch die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r DDR-Geheimpolizei als Stütze <strong>de</strong>r SED-Diktatur soll<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n, dass die Schüler Werte wie Freiheit, Pluralismus und Demokratie stärker<br />

schätzen lernen und für künftiges Han<strong>de</strong>ln berücksichtigen.<br />

Die CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“ wur<strong>de</strong> von<br />

<strong>de</strong>r Außenstelle <strong>Rostock</strong> zur Unterstützung <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r Lehrer entwickelt und 2007 an alle<br />

Schulen <strong>de</strong>s ehemaligen Ostseebezirkes <strong>Rostock</strong> geschickt.<br />

Durch die enge Zusammenarbeit <strong>de</strong>r Außenstelle <strong>Rostock</strong> <strong>de</strong>s <strong>BStU</strong> mit <strong>de</strong>m Innerstädtischen<br />

Gymnasium <strong>Rostock</strong> entstand <strong>de</strong>r Gedanke, gemeinsam eine didaktischmethodische<br />

Handreichung zu dieser CD zu erarbeiten. Diese Handreichung soll helfen, eine<br />

fundierte Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit diesem Teil <strong>de</strong>r DDR-Geschichte zu ermöglichen.<br />

Dr. Volker Höffer Thomas Döring<br />

Leiter <strong>de</strong>r Außenstelle <strong>Rostock</strong> <strong>de</strong>s <strong>BStU</strong> Schulleiter Innerstädtisches Gymnasium<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

1. Einsatzmöglichkeiten/Voraussetzungen<br />

Diese Handreichung richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer aller Schultypen, die in <strong>de</strong>n<br />

Klassenstufen 10–13, beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n Fächern Geschichte, Sozialkun<strong>de</strong>, Religion und<br />

Ethik unterrichten. Die Arbeit mit diesem Thema ist lehrplangerecht.<br />

Eine fächerübergreifen<strong>de</strong> Nutzung und Erweiterung <strong>de</strong>r Angebote durch eigene I<strong>de</strong>en ist<br />

ausdrücklich erwünscht.<br />

Grundlegen<strong>de</strong> Kenntnisse über die Entwicklung Deutschlands nach <strong>de</strong>m<br />

Zweiten Weltkrieg, die Entstehung bei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher Staaten, die DDR-Geschichte und ihr<br />

Gesellschaftssystem sollten vorhan<strong>de</strong>n sein.<br />

Bei <strong>de</strong>r Behandlung <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes in <strong>de</strong>r DDR ist beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>ssen<br />

Einordnung in das Herrschaftssystem <strong>de</strong>r SED wichtig.<br />

Diese Handreichung dient <strong>de</strong>r Vorbereitung und Durchführung insbeson<strong>de</strong>re eines<br />

Projekttages von sechs Unterrichtsstun<strong>de</strong>n, kann aber auch als Programm für ein halbes<br />

Schuljahr im Rahmen eines Geschichtskurses genutzt wer<strong>de</strong>n. Selbst <strong>de</strong>r Einsatz in zwei<br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>nkbar.<br />

Die Handreichung ist so konzipiert, dass sie sehr variabel eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Aufbau <strong>de</strong>r Handreichung:<br />

Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens zum Thema Stasi in <strong>de</strong>r DDR (Kapitel 3)<br />

ca. eine Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />

Rolle, Aufgaben, Struktur und Machtapparat <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes <strong>de</strong>r DDR<br />

Themenblöcke (Kapitel 4)<br />

je Themenblock ca. eine Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />

Die vier verschie<strong>de</strong>nen Themenblöcke ermöglichen <strong>de</strong>m Lehrer, <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r<br />

Beschäftigung mit <strong>de</strong>m Thema selbst zu bestimmen und einzelne Themen auszuwählen<br />

o<strong>de</strong>r in Gruppenarbeit alle Themen zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

▪ Betroffene im Visier <strong>de</strong>r Stasi/Metho<strong>de</strong>n und Wirkungsweise<br />

▪ Die unsichtbare Mauer<br />

▪ Fallbeispiele Gunnar und Klaus<br />

▪ Aktenauszüge zu Jugendlichen<br />

5. Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens zu „Stasi Ohn(e)Macht“ (Kapitel 5)<br />

ca. eine Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />

Ereignisse auf <strong>de</strong>m Weg zur Friedlichen Revolution, Erinnerung an die erste<br />

Demonstration in <strong>Rostock</strong>, Losungen einer Demonstration in <strong>Rostock</strong>.<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

2. Historischer Rahmen<br />

Entstehung und Wirkungsweise <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes in <strong>de</strong>r DDR<br />

Nach <strong>de</strong>m Sieg <strong>de</strong>r Alliierten über das Hitlerregime im Mai 1945 gestaltete sich die<br />

vereinbarte Demokratisierung Deutschlands in <strong>de</strong>n einzelnen Besatzungszonen sehr<br />

unterschiedlich.<br />

Während die westlichen Besatzungsmächte <strong>de</strong>n Demokratisierungsprozess unterstützten,<br />

begann die Sowjetunion in ihrer Besatzungszone mit Hilfe <strong>de</strong>utscher Kommunisten eine<br />

stalinistische „Diktatur <strong>de</strong>s Proletariats“ aufzubauen.<br />

Ein politisches System nach sowjetischem Vorbild wur<strong>de</strong> etabliert. Zentrales Merkmal dieses<br />

Systems war ab April 1946 die Vorherrschaft <strong>de</strong>r Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands<br />

(SED).<br />

Dazu gehörte auch die schrittweise Errichtung eines Sicherungsorgans nach <strong>de</strong>m Vorbild <strong>de</strong>r<br />

sowjetischen Geheimpolizei.<br />

Am 8. Februar 1950 verabschie<strong>de</strong>te die DDR-Volkskammer das „Gesetz über die Bildung<br />

<strong>de</strong>s Ministeriums für Staatssicherheit“. Ein entsprechen<strong>de</strong>r Beschluss <strong>de</strong>s SED-Politbüros<br />

war <strong>de</strong>m vorausgegangen. Parlament und Ministerrat erhielten bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stasi keine<br />

Kontrollmöglichkeit.<br />

Dennoch war <strong>de</strong>r Staatssicherheitsdienst kein „Staat im Staate“, son<strong>de</strong>rn das wichtigste<br />

Machtinstrument <strong>de</strong>r SED, ihr „Schild und Schwert“. Nach <strong>de</strong>m streng geheimen Statut <strong>de</strong>s<br />

MfS von 1969 war <strong>de</strong>r Geheimdienst <strong>de</strong>m Programm und <strong>de</strong>n Beschlüssen <strong>de</strong>s<br />

Zentralkomitees und <strong>de</strong>s Politbüros <strong>de</strong>r SED verpflichtet. Erst an dritter Stelle wur<strong>de</strong> darin<br />

<strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Verfassung aufgeführt. Zur Durchsetzung <strong>de</strong>r Parteilinie waren SED und<br />

Stasi eng verzahnt. Nahezu alle Mitarbeiter waren Genossen. Nicht selten beklei<strong>de</strong>ten<br />

höhere Stasi-Offiziere wichtige SED-Ämter. Als Nachrichtendienst, Geheimpolizei und<br />

Untersuchungsorgan besaß die Stasi eine große Machtfülle, ohne dass ihre Aufgaben und<br />

Befugnisse gesetzlich genau <strong>de</strong>finiert waren. Die wichtigste Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Staatssicherheitsdienstes war es, die Macht <strong>de</strong>r SED, die zu keinem Zeitpunkt <strong>de</strong>mokratisch<br />

legitimiert war, gegen das eigene Volk zu sichern. Entsprechend <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung von Erich<br />

Mielke, Minister für Staatssicherheit von 1957 bis 1989, „Wir müssen alles wissen“, agierte<br />

das MfS.<br />

Bestrebt, tatsächliche und vermeintliche Fein<strong>de</strong> unschädlich zu machen, ging die Stasi<br />

gegen Menschen vor, die „an<strong>de</strong>rs dachten“, die z.B. mit eigenen I<strong>de</strong>en ihre Jugendkultur<br />

entfalteten, die lange o<strong>de</strong>r bunte Haare trugen und frei leben wollten, ohne Bevormundung.<br />

Sie verfolgten auch Menschen, die heimlich eine Flucht planten o<strong>de</strong>r für Abrüstung in West<br />

und Ost eintraten. Um eine lückenlose Überwachung aller Bereiche <strong>de</strong>r DDR zu erreichen,<br />

wur<strong>de</strong> ein flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>s Netz von Stasi-Dienststellen aufgebaut. Die Zahl <strong>de</strong>r<br />

Hauptamtlichen Mitarbeiter wuchs von anfangs etwa 2700 auf 91 000 Mitarbeiter 1989.<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) wur<strong>de</strong>n zur „Hauptwaffe im Kampf gegen <strong>de</strong>n Feind“, wie<br />

Erich Mielke die 189 000 IM (1989) bezeichnete. Ein Netzwerk <strong>de</strong>r Bespitzelung unter<br />

Kollegen, Freun<strong>de</strong>n und Familien wur<strong>de</strong> geknüpft. Wer ins Visier <strong>de</strong>s MfS geriet, war einem<br />

Apparat ausgeliefert, <strong>de</strong>r über alle nur <strong>de</strong>nkbaren Mittel und Metho<strong>de</strong>n verfügte, um<br />

Wi<strong>de</strong>rstand und Lebensmut zu brechen. Die Folgen für die Betroffenen konnten unter<br />

an<strong>de</strong>rem Schulrausschmiss, Studienverbot, Berufverbot, Zersetzung o<strong>de</strong>r Haft be<strong>de</strong>uten.<br />

Bis in die achtziger Jahre hatte sich <strong>de</strong>r Sicherheitsapparat zu einer ungeheuren Macht<br />

entwickelt, die allein <strong>de</strong>r SED unterworfen war. Dennoch wuchs in <strong>de</strong>r Endphase <strong>de</strong>s SED-<br />

Regimes die Unruhe in <strong>de</strong>r Bevölkerung in einem nie gekannten Ausmaß.<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

3. Zur Sicherung <strong>de</strong>s Grundwissens löst die Klasse arbeitsteilig<br />

folgen<strong>de</strong> Arbeitsaufgaben<br />

Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />

Das war die Stasi.<br />

Der Staatssicherheitsdienst war die wichtigste Machtstütze <strong>de</strong>r SED<br />

– ihr „Schild und Schwert“.<br />

Materialien:<br />

▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“<br />

S. 7, 8, 10, 23, 24<br />

▪ Arbeitsblätter: M1: „Schild und Schwert“, M2: Richtlinie 1/79 und Auszug aus Wörterbuch<br />

<strong>de</strong>r Stasi<br />

Arbeitsauftrag:<br />

Erarbeiten Sie Rolle, Aufgaben, Organisationsweise und Machtapparat <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes<br />

<strong>de</strong>r DDR.<br />

Arbeiten Sie in 4 Gruppen: 1. Gruppe: Aufgabe 1–2 / 2. Gruppe: Aufgabe 3<br />

3. Gruppe: Aufgabe 4 / 4. Gruppe: Aufgabe 5<br />

Präsentieren Sie die Ergebnisse in übersichtlicher Form. Formulieren Sie offene Fragen.<br />

1. Charakterisieren Sie <strong>de</strong>n Staatssicherheitsdienst und seine Stellung in <strong>de</strong>r DDR.<br />

Deuten Sie die Symbolik von M1.<br />

Material: CD-ROM S. 7, M1: „Schild und Schwert“<br />

2. Stellen Sie dar, nach welchem Prinzip die Stasi organisiert war.<br />

Material: CD-ROM S. 8<br />

3. Das MfS sah sich als Hauptwaffe im Kampf gegen innere und äußere Fein<strong>de</strong>.<br />

Begrün<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r DDR, warum die „Arbeit am Feind“ wichtig war.<br />

Erläutern Sie mit Ihren Worten, wer für die Stasi ein Feind war.<br />

Wie sollte <strong>de</strong>r Feind bekämpft wer<strong>de</strong>n?<br />

Material: M2: Auszug aus Richtlinie 1/79, Wörterbuch <strong>de</strong>r Stasi<br />

4. Erarbeiten Sie sich Kenntnisse über die Hauptamtlichen und die Inoffiziellen<br />

Mitarbeiter.<br />

Erläutern Sie, wie die Stasi mit Betrieben und Einrichtungen „politisch-operativ“<br />

zusammenwirkte.<br />

Material: CD-ROM S. 10, 12, 13, 23, 24<br />

5. Untersuchen Sie das Leben von Erich Mielke im historischen Kontext.<br />

Stellen Sie die wichtigsten Abschnitte seines Lebens und seiner Karriere dar. Welche<br />

Charaktereigenschaften waren entschei<strong>de</strong>nd für Erich Mielkes Aufstieg?<br />

Material: Internet<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

4. Themenblöcke<br />

4.1 Betroffene im Visier <strong>de</strong>r Stasi/Metho<strong>de</strong>n und Wirkungsweise<br />

5–6 Schüler<br />

Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />

Das Ziel <strong>de</strong>s DDR-Staatssicherheitsdienstes war es, eine möglichst flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong><br />

Kontrolle <strong>de</strong>r DDR-Bevölkerung zu gewährleisten und gegebenenfalls Nichtanpassung<br />

und Wi<strong>de</strong>rstand zu unterdrücken.<br />

Materialien:<br />

▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“ S.<br />

11, 14–22,<br />

▪ Arbeitsblätter: M3: Verhörmetho<strong>de</strong>n, M4: „Die Stasi hat mich nicht gebrochen.“<br />

Arbeitsauftrag:<br />

Zwei Schüler erarbeiten die Überwachungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stasi und fin<strong>de</strong>n eine Form <strong>de</strong>r<br />

Präsentation in Absprache mit <strong>de</strong>n Gruppenmitglie<strong>de</strong>rn. Zwei Schüler vermitteln ihren<br />

Mitschülern einen Einblick in Verhörmetho<strong>de</strong>n. Der Fall von Frau May-Britt Krüger wird von<br />

einem Schüler dargestellt.<br />

1. Erarbeiten Sie Überwachungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stasi und erklären Sie diese.<br />

Material: CD-ROM S. 11, 14–20, 22<br />

2.1. Versetzten Sie sich in die Situation <strong>de</strong>s Häftlings, <strong>de</strong>r in Untersuchungshaft<br />

war, weil er mit einem Schlauchboot versuchte, aus <strong>de</strong>r DDR zu fliehen.<br />

Stellen Sie dazu eine Verhörszene nach.<br />

Material: M3: Verhörmetho<strong>de</strong>n<br />

2.2. Informieren Sie sich über die Haftbedingungen in <strong>de</strong>r<br />

Untersuchungshaftanstalt <strong>de</strong>r Staatssicherheit in <strong>Rostock</strong> und beziehen Sie<br />

die Situation von Frau May-Britt Krüger vom Sommer bis Oktober 1989 ein.<br />

Material: CD-ROM S. 21, M4: „Die Stasi hat mich nicht gebrochen.“<br />

3. Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse und diskutieren Sie mit <strong>de</strong>r Klasse, was <strong>de</strong>r<br />

Einsatz dieser Metho<strong>de</strong>n für Betroffene be<strong>de</strong>utete und noch heute be<strong>de</strong>utet.<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

4.2. Die unsichtbare Mauer<br />

3–6 Schüler<br />

Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />

Die am 13. August 1961 in Berlin errichtete Mauer und die Grenzsicherungsanlagen<br />

zur BRD waren allgegenwärtig.<br />

Aber wie wur<strong>de</strong> die Grenze entlang <strong>de</strong>r Ostseeküste gesichert? Welche Aufgaben<br />

hatte <strong>de</strong>r Staatssicherheitsdienst?<br />

Materialien:<br />

▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“<br />

S. 9,<br />

▪ Arbeitsblätter: M5: Die unsichtbare Mauer, M6: Oranienburger pad<strong>de</strong>lten für ein Leben in<br />

Freiheit, M7: Die tollkühne Flucht im Schlauchboot<br />

Arbeitsauftrag:<br />

Arbeiten Sie in drei Gruppen. Eine Gruppe verschafft sich einen Überblick über die Aufgaben<br />

<strong>de</strong>r Stasi im Ostseeraum und die Grenzsicherung. Die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gruppen arbeiten zu<br />

je einem Fluchtversuch über die Ostsee.<br />

Bereiten Sie eine anschauliche Präsentation vor.<br />

1. Erläutern Sie, warum die Stasi die benannten „Hauptaufgaben“ als beson<strong>de</strong>rs<br />

wichtig ansah.<br />

Material: CD-ROM S. 9<br />

2. Beschäftigen Sie sich im Folgen<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Hauptaufgabe „Verhin<strong>de</strong>rung von<br />

Fluchtversuchen“. Stellen Sie dar, worin die Problematik <strong>de</strong>r sogenannten<br />

Grenzsicherung an <strong>de</strong>r Ostsee bestand und wie das SED-Regime und <strong>de</strong>r<br />

Staatssicherheitsdienst diese Aufgabe lösten.<br />

Material: M5: Die unsichtbare Mauer<br />

3. Die Oranienburger Familie führte ein materiell gesichertes Leben in <strong>de</strong>r DDR,<br />

trotz<strong>de</strong>m wollte sie im Juli 1982 die DDR illegal verlassen.<br />

Erarbeiten Sie, warum die Familie dieses Leben aufgab und welche<br />

Schwierigkeiten sie bewusst auf sich nahm.<br />

Erörtern Sie die Rolle <strong>de</strong>r Kutterbesatzung, <strong>de</strong>s Seefahrtsamtes und <strong>de</strong>r Stasi.<br />

Stellen Sie das Zusammenwirken <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen gesellschaftlichen und<br />

staatlichen Einrichtungen und die Resonanz in <strong>de</strong>r Bevölkerung dar.<br />

Sagen Sie Ihre Meinung dazu.<br />

Material: M6: Oranienburger pad<strong>de</strong>lten für ein Leben in Freiheit<br />

4. Schil<strong>de</strong>rn und begrün<strong>de</strong>n Sie die Flucht <strong>de</strong>r drei Ärzte.<br />

Erläutern und begrün<strong>de</strong>n Sie die Maßnahmen <strong>de</strong>r Stasi.<br />

Material: M7: Die tollkühne Flucht im Schlauchboot<br />

5. Bereiten Sie eine anschauliche Präsentation vor, in <strong>de</strong>r Sie bei<strong>de</strong> Fluchtfälle<br />

vergleichen. Diskutieren Sie, warum auch die Ostseeküste so stark bewacht<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

4.3. Themenblock<br />

Rollenspiel: Die Fälle Gunnar und Klaus<br />

3–6 Schüler<br />

Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />

Die Macht <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes richtete sich u.a. gegen Menschen, die<br />

an<strong>de</strong>rs dachten, in Freiheit leben o<strong>de</strong>r ihr Land verlassen wollten.<br />

Materialien:<br />

▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“<br />

S. 49–54, S. 25–29<br />

▪ Arbeitsblätter: M8: Text zum OV „Signal“, M9: Text zu Klaus Ketzler, M10: Auszug aus <strong>de</strong>r<br />

Verfassung <strong>de</strong>r DDR, M11: Auszug aus <strong>de</strong>r UN-Menschenrechtscharta<br />

Arbeitsauftrag:<br />

Drei Schüler lesen zuerst das Rollenspiel laut vor.<br />

Bearbeiten Sie dann in zwei Gruppen die Aufgaben 2–4 zu Gunnar und Klaus.<br />

Mit <strong>de</strong>r Aufgabe 5 bereiten Sie Ihre Präsentationen vor.<br />

1. Lesen Sie das Rollenspiel mit verteilten Rollen laut vor (3 Schüler).<br />

Material: CD-ROM, S. 49–54<br />

2. Erarbeiten Sie Motive und Handlungen von Gunnar und Klaus in <strong>de</strong>n 80er<br />

Jahren <strong>de</strong>r DDR.<br />

Erläutern Sie, durch welche Metho<strong>de</strong>n die Stasi die „Täter“ überführte.<br />

Material: M8: Text zum OV „Signal“, M9: Text zu Klaus Ketzler<br />

3. Erörtern Sie auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s Strafgesetzbuches <strong>de</strong>r DDR, aus Ihrer<br />

Sicht und <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes, ob das Strafmaß für<br />

Gunnar und Klaus angemessen war.<br />

Material: CD-ROM S. 25–29<br />

4. Die Betroffenen wur<strong>de</strong>n verurteilt, weil sie aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r DDR-Obrigkeit<br />

gegen die auf <strong>de</strong>r Verfassung basieren<strong>de</strong>n Gesetze verstoßen haben.<br />

Diskutieren Sie auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Auszüge aus <strong>de</strong>r Verfassung und<br />

internationaler Vereinbarungen das Vorgehen gegen Gunnar und Klaus.<br />

Formulieren Sie <strong>de</strong>n Diskussionsstand für die Präsentation.<br />

Material: M10: Auszug aus <strong>de</strong>r Verfassung, M11: UN-Menschenrechtscharta<br />

5. Bei <strong>de</strong>r Präsentation führen Sie das Rollenspiel auf und stellen Ihre zuvor<br />

zusammengefassten Arbeitsergebnisse vor.<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

4.4. Themenblock<br />

Arbeit mit Aktenauszügen zu Jugendlichen<br />

4–8 Schüler<br />

Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />

Die Devise von Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit, war:<br />

„Genossen, wir müssen alles wissen“.<br />

Dementsprechend agierte <strong>de</strong>r Staatssicherheitsdienst auch gegenüber Jugendlichen.<br />

Die Stasi legte Operative Personenkontrollen (OPK) und Operative Vorgänge (OV) an,<br />

um Jugendliche mit „feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen zu<br />

bekämpfen, zu zerschlagen, zu zersetzen und zu liquidieren“.<br />

Jugendliche als Inoffizielle Mitarbeiter waren für die Stasi eine unverzichtbare Quelle.<br />

Materialien:<br />

▪ CD-ROM „Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR. Materialien für <strong>de</strong>n Unterricht“,<br />

S. 11, 31–45<br />

▪ Arbeitsblatt: M12: Auszug aus <strong>de</strong>m Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR, 1974<br />

Arbeitsauftrag:<br />

Arbeiten Sie in 4 Gruppen. Je<strong>de</strong> Gruppe beschäftigt sich mit einem Aktenauszug und erfüllt<br />

die Aufgaben 2 und 3.<br />

Mit <strong>de</strong>r Aufgabe 4 bereiten Sie sich gemeinsam auf Ihre Präsentationen vor.<br />

1. Lesen Sie <strong>de</strong>n jeweiligen Aktenauszug und beantworten Sie die dazu<br />

gehören<strong>de</strong>n Arbeitsaufgaben. Veranschaulichen Sie <strong>de</strong>n Fall auf einem<br />

Plakat.<br />

Material: CD-ROM, S. 31–35, 36–39, 40–42, 43–45<br />

2. Stellen Sie die einzelnen Fallbeispiele mit Hilfe <strong>de</strong>r Plakate in Ihrer Gruppe<br />

vor.<br />

3. Lesen Sie <strong>de</strong>n Auszug aus <strong>de</strong>m Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR.<br />

Wie bestimmte <strong>de</strong>r Staat die Rolle <strong>de</strong>r Jugend?<br />

Vergleichen Sie diese mit <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r vier Jugendlichen.<br />

Material: M12: Auszug aus <strong>de</strong>m Jugendgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR<br />

4. Fassen Sie Ihre Erkenntnisse für die Präsentation zusammen:<br />

Erläutern Sie anhand <strong>de</strong>r Fallbeispiele, wie die Stasi in <strong>de</strong>r DDR mit <strong>de</strong>r<br />

Jugend umging.<br />

Stellen Sie sich vor, Sie wür<strong>de</strong>n heute so han<strong>de</strong>ln wie die Schüler aus <strong>de</strong>n<br />

Aktenbeispielen.<br />

Diskutieren Sie, ob Sie dadurch mit <strong>de</strong>m Staat und <strong>de</strong>m Grundgesetz in<br />

Konflikt geraten wür<strong>de</strong>n. Beziehen Sie Ihre Mitschüler in die Diskussion<br />

ein.<br />

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5. „Stasi Ohn(e) Macht“<br />

Zeitvorgabe ca. 45 Minuten<br />

Einstieg durch Lehrer:<br />

Seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1970er Jahre formierten sich unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>r evangelischen Kirche<br />

Frie<strong>de</strong>ns-, Menschenrechts- und Umweltgruppen. Diese wuchsen trotz ständiger<br />

Überwachung und Verfolgung insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r zweiten Hälfte <strong>de</strong>r 1980er Jahre zu einer<br />

immer stärker wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n politischen Opposition. Die Zahl <strong>de</strong>r Ausreiseantragsteller in <strong>de</strong>n<br />

Westen stieg stetig. Die schlechte Wirtschafts- und Versorgungslage, fehlen<strong>de</strong> politische<br />

Freiheiten und fehlen<strong>de</strong> Reisefreiheit sowie die Entwicklungen im Ostblock führten 1989 zu<br />

einer tiefen Krise.<br />

Die SED war angesichts <strong>de</strong>r Reformen Gorbatschows (Generalsekretär <strong>de</strong>s Zentralkomitees<br />

<strong>de</strong>r Kommunistischen Partei <strong>de</strong>r Sowjetunion) und <strong>de</strong>r Umwälzungen in Polen und<br />

Ungarn ratlos und selbst nicht reformbereit. Auf die Fluchtwelle über Ungarn, auf die<br />

Botschaftsbesetzungen und die Demonstrationen im eigenen Land hatte sie keine Antwort.<br />

Den Bürgern galt die Stasi als das Machtinstrument <strong>de</strong>r SED gegen die eigene Bevölkerung.<br />

Deshalb geriet sie En<strong>de</strong> Oktober selbst ins Zentrum <strong>de</strong>r Proteste. Erstmals ohne SED-<br />

Vorgaben versuchte die Stasi allein, sich <strong>de</strong>r neuen Lage anzupassen. Bis zuletzt sammelte<br />

sie noch „Beweise“ gegen Oppositionelle. Bei <strong>de</strong>r Besetzung <strong>de</strong>r einzelnen Stasi-Zentralen<br />

durch empörte Bürger wie in <strong>Rostock</strong> am 4./5. Dezember 1989 leistete sie keinen großen<br />

Wi<strong>de</strong>rstand. Mit <strong>de</strong>r Entlassung <strong>de</strong>r Mitarbeiter bis zum 31. März 1990 war auch das formale<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes gekommen.<br />

Materialien: Die Materialien stellen eine Auswahl dar und sollen zu Recherchen anregen.<br />

Arbeitsblätter: M13: Beispiele <strong>de</strong>r Opposition in <strong>de</strong>r DDR, M14: Situation in <strong>de</strong>r DDR,<br />

M15: Kampf <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft Solidarność in Polen, M16: Glasnost und<br />

Perestroika in <strong>de</strong>r UdSSR, M17: „Sputnik“-Verbot, M18: Wahlen in <strong>de</strong>r DDR, M19: Wege in<br />

die Freiheit, M20: Losungen vom 9. November 1989, M21: Christoph Kleemann erinnert sich.<br />

Arbeitsauftrag für Schüler:<br />

Die Aufgabe 1 wird in sieben Gruppen bearbeitet und gemeinsam ausgewertet.<br />

Erfüllen Sie dann die Aufgabe 2 paarweise und präsentieren Sie die Ergebnisse im<br />

Unterrichtsgespräch.<br />

Der Lehrer stellt die Aufgabe 3 und <strong>de</strong>n Text auf Folie vor. Danach wird die Aufgabe erfüllt.<br />

Zur Aufgabe 4 führt <strong>de</strong>r Lehrer o<strong>de</strong>r ein Schüler die Abschlussdiskussion und organisiert die<br />

Präsentation.<br />

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1. Erschließen Sie die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r einzelnen Ereignisse und erläutern Sie <strong>de</strong>ren<br />

Einfluss auf die Friedliche Revolution 1989 in <strong>de</strong>r DDR.<br />

Formulieren Sie zum jeweiligen Text eine Schlagzeile.<br />

Material:<br />

M13: Beispiele <strong>de</strong>r Opposition in <strong>de</strong>r DDR,<br />

M14: Situation in <strong>de</strong>r DDR,<br />

M15: Kampf <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft Solidarność in Polen,<br />

M16: Glasnost und Perestroika in <strong>de</strong>r UdSSR,<br />

M17: „Sputnik“-Verbot,<br />

M18: Wahlen in <strong>de</strong>r DDR,<br />

M19: Wege in die Freiheit<br />

2. Am 9. November 1989 vereinigten sich in <strong>Rostock</strong> 40 000 Menschen zu einer<br />

Demonstration.<br />

Erklären Sie, wie sich in <strong>de</strong>n Losungen dieser Demonstranten die Gesamtsituation in<br />

<strong>de</strong>r DDR wi<strong>de</strong>rspiegelte.<br />

Ordnen Sie die gefor<strong>de</strong>rten Verän<strong>de</strong>rungen nach Themen.<br />

Material: M20: Losungen vom 9. November 1989<br />

3. Seit 1950 hat die Stasi die Bevölkerung bespitzelt, unterdrückt, eingesperrt,<br />

verführt, eingeschüchtert und verfolgt.<br />

Beschreiben Sie vor diesem Hintergrund, was die Demonstranten bei <strong>de</strong>r ersten<br />

Demonstration in <strong>Rostock</strong> am 19. Oktober 1989 innerlich bewegt haben könnte und<br />

welches Signal hiervon für die weitere Entwicklung ausging.<br />

Material: M21: Christoph Kleemann erinnert sich<br />

4. Die Friedliche Revolution 1989 wird rückblickend oft zu <strong>de</strong>n größten Erfolgen in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Geschichte gezählt.<br />

Vergleichen Sie die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Friedlichen Revolution mit an<strong>de</strong>ren<br />

Revolutionen in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Geschichte.<br />

Warum gehört dieses Ereignis in die Geschichtsbücher?<br />

Fertigen Sie dazu eine nachhaltige Präsentation an.<br />

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Material 1<br />

Quelle Grafik: <strong>BStU</strong><br />

Das MfS: „Schild und Schwert“ <strong>de</strong>r SED<br />

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Material 2<br />

Aus <strong>de</strong>r Präambel zur „Richtlinie 1/79 für die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern (IM)<br />

und Gesellschaftlichen Mitarbeitern (GMS)“ gehen neben <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r IM auch<br />

die weitreichen<strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s MfS hervor:<br />

1 „Die weitere Ausgestaltung <strong>de</strong>r entwickelten sozialistischen Gesellschaft in <strong>de</strong>r DDR,<br />

die allseitige Stärkung <strong>de</strong>r sozialistischen Staatengemeinschaft, <strong>de</strong>r Kampf um <strong>de</strong>n<br />

Frie<strong>de</strong>n, die Vertiefung und <strong>de</strong>n weiteren Ausbau <strong>de</strong>r Entspannung sowie um die<br />

Durchsetzung <strong>de</strong>r Prinzipien <strong>de</strong>r friedlichen Koexistenz erfolgen in harter Klassen-<br />

5 auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Imperialismus.<br />

Der zuverlässige Schutz <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Entwicklung, die allseitige Gewähr-<br />

leistung <strong>de</strong>r inneren Sicherheit <strong>de</strong>r DDR und die Stärkung <strong>de</strong>r sozialistischen Staa-<br />

tengemeinschaft erfor<strong>de</strong>rn die weitere Verstärkung <strong>de</strong>r Arbeit am Feind und <strong>de</strong>r vor-<br />

beugen<strong>de</strong>n, scha<strong>de</strong>nsverhüten<strong>de</strong>n Arbeit. Damit ist wirksam zur kontinuierlichen<br />

10 Durchsetzung <strong>de</strong>r Politik <strong>de</strong>r Partei- und Staatsführung beizutragen.<br />

Die erfor<strong>de</strong>rliche hohe gesellschaftliche und politisch-operative Wirksamkeit <strong>de</strong>r poli-<br />

tisch-operativen Arbeit insgesamt ist durch eine höhere Qualität und Wirksamkeit<br />

<strong>de</strong>r Arbeit mit <strong>de</strong>n IM – <strong>de</strong>r Hauptwaffe im Kampf gegen <strong>de</strong>n Feind – zu erreichen.“<br />

Abgedruckt in: Müller-Enbergs, Helmut (Hg.): Inoffizielle Mitarbeiter <strong>de</strong>s Ministeriums für Staatssicherheit,<br />

Teil 1: Richtlinien und Durchführungsbestimmungen. Berlin 2001, S. 305 ff.<br />

Wer im Sinne <strong>de</strong>s MfS ein Feind war, wur<strong>de</strong> im Wörterbuch <strong>de</strong>r Staatssicherheit<br />

<strong>de</strong>finiert:<br />

„Feind“<br />

1 Personen, die in Gruppen o<strong>de</strong>r individuell <strong>de</strong>m Sozialismus wesensfrem<strong>de</strong> politisch-<br />

i<strong>de</strong>ologische Haltungen und Anschauungen absichtsvoll entwickeln und in ihrem<br />

praktischen Verhalten durch gezieltes Hervorrufen von Ereignissen o<strong>de</strong>r Bedingun-<br />

gen, die die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung generell o<strong>de</strong>r in einzel-<br />

5 nen Seiten gefähr<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r schädigen, eine Verwirklichung dieser Handlungen und<br />

Anschauungen anstreben.“<br />

Suckut, Siegfried (Hg.): Das Wörterbuch <strong>de</strong>r Staatssicherheit. Definitionen zur<br />

„politisch-operativen Arbeit“. Berlin 2001, S. 121.<br />

Quelle: Hamann, Christoph / Janowitz, Axel: Feindliche Jugend? Verfolgung und Disziplinierung Jugendlicher durch das<br />

Ministerium für Staatssicherheit. Berlin BSTU, LISUM Berlin, 2006.<br />

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Material 3<br />

Verhörmetho<strong>de</strong>n<br />

Jürgen Fuchs (1)<br />

„Ich habe es in <strong>de</strong>r U-Haft neun Monate erlebt, intensiv erlebt, als Betroffener. Nicht<br />

nur als einer, <strong>de</strong>r darüber spricht und schreibt, wie ich es jetzt tue o<strong>de</strong>r als Autor<br />

getan habe. Ich konnte das live studieren. Man muss sich diese Interventionen,<br />

diese Druckanwendung vorsätzlich vorstellen. Auch in einem Team, das vor- und<br />

nachbespricht, auch mithört jeweils o<strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>otechnik verwen<strong>de</strong>t. Sie waren ja sehr<br />

gut technisch ausgerüstet, japanische Importe […] Ein Vernehmungsführer, ein<br />

Leiter einer Abteilung, ein Vorgesetzter, <strong>de</strong>r ruft dann auch mal an und sagt, mach’<br />

es so und so. O<strong>de</strong>r kommt herein. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkt sich eine an<strong>de</strong>re Überraschung aus,<br />

ein „Bonbon“, wie sie sagten. Ja, gehen wir mal in diese Situation hinein, stellen sie<br />

uns vor. Also, da ist ein Gefangener, <strong>de</strong>r in einer Einzelzelle untergebracht ist, in<br />

einem „Verwahrraum“ im Gefängnistrakt. Der wird dann verhört, wird eine Treppe<br />

hochgeführt, durch eine Eisentür, dann ist er im Vernehmertrakt. So dicht ist alles<br />

gebaut. Gehen wir mal zwei Möglichkeiten durch. Eine Möglichkeit ist, dass<br />

<strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r ihn verhört o<strong>de</strong>r „vernimmt“, einmal beson<strong>de</strong>rs freundlich zu ihm ist,<br />

Zigaretten anbietet usw., möglicherweise auch <strong>de</strong>r Träger von guten Nachrichten ist:<br />

„bald raus“ o<strong>de</strong>r „es wird nicht so schlimm“ o<strong>de</strong>r „viele Grüße von Ihren Eltern“, o<strong>de</strong>r<br />

ihm Briefe von zu Hause zu lesen gibt, „ach so, Post ist gekommen“. Das ist jetzt<br />

<strong>de</strong>r gesprächsstrategische Teil, <strong>de</strong>n man durchaus in <strong>de</strong>r Psychologie studieren<br />

kann. Derselbe Mensch, möglichst noch ohne Übergang, sagt dann die<br />

schlechteren Nachrichten: „Es steht schlecht, es geht alles schief“ o<strong>de</strong>r wird selbst<br />

grob. Ist also ganz und gar nicht mehr sympathisch wie an <strong>de</strong>n vorangegangenen<br />

Tagen. Alles war Maske, Spiel, Strategie. Und wenn man sich dann ein wenig<br />

eingelassen hat, erleichtert war über <strong>de</strong>n freundlichen Ton vorher, etwas gehofft<br />

hatte und so weiter, dann bricht vieles zusammen. Es verwan<strong>de</strong>lt sich also ein<br />

Mensch, <strong>de</strong>r sich als Mitmensch gab, zum Gegenmenschen, innerhalb einer<br />

Situation. Das ist dann oft eine schwere traumatische, eine schockieren<strong>de</strong> Situation<br />

für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m es begegnet.“<br />

Quelle: Fuchs, Jürgen: „…und wann kommt <strong>de</strong>r Hammer?“ Psychologie, Opposition und Staatssicherheit. Berlin<br />

1990, S. 20–21.<br />

(1) Jürgen Fuchs (1950–1999) war DDR-Bürgerrechtler und Schriftsteller.<br />

Er protestierte gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann und wur<strong>de</strong> im November<br />

1976 verhaftet. Nach neun Monaten Haft im MfS-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen<br />

kam er durch internationale Proteste frei und wur<strong>de</strong> nach West-Berlin entlassen.<br />

Seit <strong>de</strong>m Fall <strong>de</strong>r Mauer bemühte sich Jürgen Fuchs beson<strong>de</strong>rs um die Aufklärung <strong>de</strong>r<br />

Verbrechen <strong>de</strong>s MfS.<br />

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Material 4 (Seite 1 von 3)<br />

May-Britt Krüger<br />

Die Stasi hat mich nicht gebrochen<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />

Es ist ein trüber Herbsttag 2009.<br />

Ich, May-Britt Krüger, geboren 1966, heute 43<br />

Jahre alt, habe mich entschlossen, die<br />

ehemalige Untersuchungshaftanstalt <strong>de</strong>r<br />

Staatssicherheit in <strong>Rostock</strong> aufzusuchen.<br />

Mir ist etwas flau in <strong>de</strong>r Magengegend.<br />

Heute ist dort ein Ort <strong>de</strong>s Ge<strong>de</strong>nkens, erlittenes<br />

Unrecht wird in mühevoller Kleinarbeit<br />

dokumentiert und <strong>de</strong>r Öffentlichkeit so<br />

zugänglich gemacht. Unfassbar, dass dort<br />

zwischen 1960 bis 1989 fast 5000 Frauen,<br />

Männer und Jugendliche einsaßen – so wie<br />

auch ich.<br />

Das Erste, was mir beim Betreten <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s auffällt, ist dieser unangenehme Geruch.<br />

Das riecht noch genauso muffig wie früher. Den langen trostlosen Flur im ersten Obergeschoss<br />

entlanggehend, durchfährt mich ein Schauer und Erinnerungen steigen in mir auf.<br />

Hier war ich vor 20 Jahren für drei Monate, als eine <strong>de</strong>r letzten Insassen dieser Haftanstalt<br />

gefangen, bevor die Friedliche Revolution <strong>de</strong>r DDR ein En<strong>de</strong> setzte.<br />

Mein Verbrechen? – Aus heutiger Sicht unfassbar.<br />

Im Sommer 1989 brachen mein Vater, ein befreun<strong>de</strong>tes Paar und ich in Richtung Ungarn<br />

auf. Unsere Freun<strong>de</strong> wollten, fest entschlossen, in <strong>de</strong>n Westen fliehen, wir hatten vor,<br />

Bekannte in Ungarn zu besuchen. Ob wir unsere Meinung geän<strong>de</strong>rt hätten, nach<strong>de</strong>m wir vor<br />

Ort die genauen Umstän<strong>de</strong> hätten absehen können, weiß ich nicht. Es war auch nicht mehr<br />

wichtig, <strong>de</strong>nn unsere angebliche Flucht en<strong>de</strong>te auf <strong>de</strong>r Autobahn <strong>Rostock</strong>-Berlin, Abfahrt<br />

Dummerstorf. Hier erwartete uns die Staatssicherheit.<br />

Es begann eine dreimonatige Lei<strong>de</strong>nszeit aus zermürben<strong>de</strong>r Isolation, totaler Überwachung<br />

und <strong>de</strong>n Willen brechen<strong>de</strong>n Verhören.<br />

Meine Erinnerung an die erste Nacht nach <strong>de</strong>r Verhaftung ist noch heute sehr präsent.<br />

Weinend und verzweifelt saß ich in <strong>de</strong>r Ecke <strong>de</strong>r engen Zelle, versuchte zu begreifen. Sofort<br />

wur<strong>de</strong> ich barsch ermahnt, mich so zu setzen, dass man mich sehen kann, da die kleine<br />

Ecke von <strong>de</strong>n Wachen über <strong>de</strong>n Türspion nicht einsehbar war.<br />

Alle zehn Minuten ging das Licht an und Augen sahen ohne ein Wort durch <strong>de</strong>n Türspion.<br />

Am nächsten Morgen verlas mir ein Mann in Zivil meine mir zur Last gelegten Verbrechen.<br />

Die Anklage lautete auf Ban<strong>de</strong>nbildung (vier Leute), Mitwisserschaft und versuchte<br />

Republikflucht, drohen<strong>de</strong>s Strafmaß bis zu acht Jahren Haft.<br />

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Material 4 (Seite 2 von 3)<br />

Die folgen<strong>de</strong>n Verhöre ließen nicht lange auf sich warten. Der erste Vernehmer brüllte mich<br />

in einschüchtern<strong>de</strong> Weise nur an, <strong>de</strong>r nächste versuchte es auf die sanfte, vertrauensvolle<br />

Tour. Sie verlangten, mein ganzes Leben zu erzählen. Immer wie<strong>de</strong>r erklärten sie mir die<br />

Vorzüge <strong>de</strong>r DDR und dass wohl in meinem Elternhaus bei meiner Erziehung etwas schief<br />

gelaufen sein musste.<br />

Insgesamt verhörte mich die Staatssicherheit in dieser Zeit 26-mal. Sagen, was sie hören<br />

wollten, konnte und kann ich bis heute nicht.<br />

Die Haftbedingungen sollten dazu beitragen, <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>r Inhaftierten zu beugen. Oft<br />

fragte ich mich, ob die Wahrheit überhaupt interessiert.<br />

Die angeordneten Schlafregeln veranlassten die Wärter, mich immer wie<strong>de</strong>r zu wecken.<br />

„Hän<strong>de</strong> auf die Bett<strong>de</strong>cke, Gesicht zur Tür!“, so dass sie für die Wärter je<strong>de</strong>rzeit sichtbar<br />

waren.<br />

Eine namenlose Zeit begann, Bett eins, zwei o<strong>de</strong>r drei, je nach Zellenbelegung. Das war von<br />

nun an mein Name – eine Zahl.<br />

Beim Öffnen <strong>de</strong>r Tür, musste ich mich neben mein Bett o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Stuhl stellen, ein Reflex,<br />

<strong>de</strong>r mich noch einige Zeit in Freiheit verfolgte. Schon beim Betreten <strong>de</strong>s Zimmers durch eine<br />

weitere Person sprang ich Haltung annehmend neben <strong>de</strong>n Sessel, nun allerdings im<br />

Wohnzimmer meiner Eltern.<br />

Beim Schließen <strong>de</strong>r Tür richtete ich gezwungenermaßen, einer weiteren Regel folgend, das<br />

Gesicht zur Wand.<br />

Freigang hieß, nicht eine Blume zu sehen, einen Vogel zu hören, frische Luft auf <strong>de</strong>r Haut zu<br />

spüren, es be<strong>de</strong>utete, in einem gemauerten Käfig von 2 m x 3 m gehen zu können und das<br />

ständig im Visier <strong>de</strong>r Wärter.<br />

Persönliche Dinge wie eine Uhr, ein Buch o<strong>de</strong>r einen Stift gab es nicht, die Schuhe hatten<br />

keine Schnürsenkel. Irgendwann, das Gefühl für Zeit war nicht mehr <strong>de</strong>utlich, konnte ich mir<br />

über eine Liste hauseigene Bücher bestellen. Diese Lektüre verschlang ich, las von Kraft und<br />

von viel Leid. An<strong>de</strong>re Inhaftierte hatten mit <strong>de</strong>n Fingernägeln Worte, manchmal ganze Sätze<br />

unterstrichen, die einen Einblick in Ihre Seelen gaben.<br />

Duschen durften wir zweimal in <strong>de</strong>r Woche, auch hier wie<strong>de</strong>r nur unter <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r<br />

Wärter.<br />

Schloss ich meine Augen und konzentrierte mich auf das Rauschen <strong>de</strong>s Wassers, fühlte ich<br />

mich einen kleinen Moment weit fort!<br />

Privatsphäre gab es hier an diesem Ort nicht, die Toiletten in <strong>de</strong>r Zelle, Blicke und immer<br />

wie<strong>de</strong>r Blicke.<br />

Um aufkommen<strong>de</strong> Vertrautheit zu unterbin<strong>de</strong>n wechselten in <strong>de</strong>n einzelnen Zellen die<br />

Mitinsassen häufig.<br />

Mit 23 Jahren und noch ein junges Mädchen, für mich war vieles peinlich und äußerst<br />

unangenehm. Dann auch das noch, bei meiner Verhaftung hatte ich meine Regel und<br />

musste Wärter – Männer – teilweise gleichaltrig, nach Bin<strong>de</strong>n fragen.<br />

Selbstverständliche Dinge, wie Körperhygiene, eine Scheibe Brot schnei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r eine Tür<br />

öffnen waren unmöglich für mich. Während meiner Inhaftierung bekam ich meine Regel nicht<br />

wie<strong>de</strong>r, dafür braune Flecken am Körper, verstärkten Haarwuchs an Armen und Beinen und<br />

gleichzeitig starken Haarausfall am Kopf. Die Haftärzte versicherten mir, es wäre nur Stress,<br />

heute weiß man, es waren Hormonbehandlungen.<br />

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Material 4 (Seite 3 von 3)<br />

Auch in <strong>Rostock</strong> fan<strong>de</strong>n die ersten Demonstrationen statt, ich hörte Rufe wie: “Stasi in die<br />

Produktion!“ Natürlich keimte Hoffnung auf, aber wie wür<strong>de</strong> sich das auf mich auswirken?<br />

Bei <strong>de</strong>r nächsten Demonstration ließ die Stasi im Innenhof Motoren von Lastwagen laufen,<br />

so konnten wir nichts mehr hören.<br />

En<strong>de</strong> Oktober wur<strong>de</strong> ich durch die Amnestie für politische Gefangene entlassen. Meine<br />

Peiniger warnten mich: „Wenn sie an einer Demonstration teilnehmen, sind sie schneller<br />

wie<strong>de</strong>r hier, als sie gucken können!“<br />

Soweit kam es glücklicherweise nicht.<br />

Jahrelang noch vernahm ich das Knarren und Knallen <strong>de</strong>r Stiefel auf <strong>de</strong>n Gängen, erwachte<br />

nachts schweißgeba<strong>de</strong>t, hörte das Geräusch, wenn die Klappe <strong>de</strong>s Türspions beiseite<br />

geschoben wur<strong>de</strong> und sah diese unablässig auf mich gerichteten Augen.<br />

Noch heute läuft mir ein Schauer kalt <strong>de</strong>n Rücken herunter und es stellen sich die Haare auf,<br />

wenn ein Schlüsselbund laut auf einen Tisch geworfen wird. Geräusche, Gerüche und selbst<br />

die Gestik mancher Menschen holen meine Erinnerungen immer wie<strong>de</strong>r hoch.<br />

Für mich persönlich ist es ein Triumph, dass ich einen Beitrag dazu leiste, dass so etwas<br />

nicht wie<strong>de</strong>r geschieht, dass ich über meine Erlebnisse re<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn das wur<strong>de</strong> mir von<br />

meinen damaligen Vernehmern untersagt – und so zeige ich Ihnen:<br />

„Ihr habt mich nicht gebrochen!!!!!“<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />

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Material 5 (Seite 1 von 3)<br />

Volker Höffer<br />

Die unsichtbare Mauer<br />

Ein zentrales Problem <strong>de</strong>s SED-Staates war von Anfang an <strong>de</strong>r nie versiegen<strong>de</strong> Strom von<br />

Menschen, die aus <strong>de</strong>r DDR weg wollten. In <strong>de</strong>n vierzig Jahren ihrer Existenz verließen mehr<br />

als drei Millionen Menschen <strong>de</strong>n „ersten <strong>de</strong>utschen Arbeiter- und Bauernstaat“. Allein aus<br />

<strong>de</strong>m heutigen Mecklenburg-Vorpommern flüchteten zwischen 1950 und 1989 über 540 000<br />

Menschen o<strong>de</strong>r reisten aus.<br />

Seit 1952 und beson<strong>de</strong>rs ab 1961 ließ die SED-Führung ein nach innen gerichtetes, kaum<br />

überwindliches Grenzsystem aufbauen. Damit wollte sie vor allem die Massenflucht <strong>de</strong>r<br />

eigenen Bevölkerung stoppen.<br />

Der Stasi oblag es, Fluchtversuche schon „vorbeugend“ zu verhin<strong>de</strong>rn. Im Auftrag <strong>de</strong>r SED<br />

befahl Stasi-Chef Erich Mielke 1961:<br />

„Die entschei<strong>de</strong>ndste Schwerpunktaufgabe <strong>de</strong>s MfS ist <strong>de</strong>r Kampf gegen die<br />

Republikflucht“, die „zielgerichtete Vorbeugung, Verhin<strong>de</strong>rung und Bekämpfung von<br />

feindlich-negativen Angriffen gegen die Staatsgrenze“.<br />

Alle Diensteinheiten waren darin eingebun<strong>de</strong>n. Für die Bezirksverwaltung (BV) <strong>Rostock</strong><br />

stellte die Verhin<strong>de</strong>rung von Fluchtversuchen über die Seegrenze eine Kernaufgabe dar.<br />

Kontrollpunkt in Warnemün<strong>de</strong><br />

Quelle: <strong>BStU</strong><br />

An<strong>de</strong>rs als die „Staatsgrenze West“ o<strong>de</strong>r Ost-Berlin ließ sich die Ostseeküste mit ihren<br />

Buchten, Haffs, Inseln und Strän<strong>de</strong>n nicht einfach absperren. Ohne Genehmigung konnten<br />

Personen und Fahrzeuge bis an die Küste gelangen. Der Ostseebezirk war das größte<br />

Urlaubergebiet <strong>de</strong>r DDR. Zum Beispiel erholten sich hier 1988 rund 13,5 Millionen DDR-<br />

Bürger und 175 000 Auslän<strong>de</strong>r, zu <strong>de</strong>nen man auch Bürger <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik rechnete.<br />

Zu<strong>de</strong>m sollte die DDR-Küste nach außen normal erscheinen, mit Ba<strong>de</strong>betrieb, Schifffahrt<br />

und Sportbootbetrieb. 59 Zeltplätze und 37 Bootshäfen lagen im Grenzgebiet. Eine völlige<br />

Überwachung konnte unter diesen Umstän<strong>de</strong>n selbst die Stasi nicht realisieren.<br />

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Material 5 (Seite 2 von 3)<br />

Wegen <strong>de</strong>r scheinbar nicht so starken Abschottung <strong>de</strong>r Seegrenze betrachteten viele<br />

Menschen eine Flucht über die Ostsee als einen einfacheren Weg in ein selbstbestimmtes<br />

Leben. Sie entwickelten die abenteuerlichsten Seefahrzeuge, segelten, pad<strong>de</strong>lten o<strong>de</strong>r<br />

schwammen um ihre Freiheit und oft genug um ihr Leben.<br />

Nur je<strong>de</strong>r Sechste erreichte sein Ziel.<br />

5636 Menschen versuchten 1961 bis 1989, über die Ostsee zu fliehen. 913 (16,2 %) <strong>de</strong>r<br />

Fluchten verliefen erfolgreich. 4549 (80,7 %) wur<strong>de</strong>n schon bei <strong>de</strong>r Vorbereitung an ihrem<br />

Wohnort ent<strong>de</strong>ckt, beim Ablan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auf See verhaftet. 174 (3,1 %) bezahlten ihren<br />

Traum mit <strong>de</strong>m Leben. Hinzu kamen 1256 sogenannte „Absteiger“ (Stasi-Begriff), also<br />

Seeleute, die in westlichen Häfen für immer von Bord <strong>de</strong>r DDR gingen.<br />

Das Grenzregime an <strong>de</strong>r Ostsee war tief gestaffelt. Es umfasste Seegrenze, Küstenbereich<br />

und einen 5 km breiten Küstenstreifen – das sogenannte grenznahe Hinterland. Im engen<br />

„politisch-operativen Zusammenwirken“ (POZW) zwischen <strong>de</strong>r 6. Grenzbriga<strong>de</strong> Küste,<br />

Volksmarine, Volkspolizei, Staatssicherheitsdienst, Zoll, <strong>de</strong>n Parteileitungen <strong>de</strong>r SED,<br />

weiteren staatlichen Organen, Grenzaktiven, Besatzungen von Fischkuttern und an<strong>de</strong>ren<br />

DDR-Schiffen sowie vielen Spitzeln und freiwilligen Helfern versuchte man, die Grenze nach<br />

innen, gegen das eigene Volk abzuriegeln.<br />

Das seeseitige System <strong>de</strong>r „Grenzabsicherung“<br />

Zum Bestand <strong>de</strong>r 6. Grenzbriga<strong>de</strong> Küste gehörten in Spitzenzeiten 18 Hochsee-Minensuch-<br />

und Räumschiffe, 10 Grenzboote und 6 Kutter mit über 530 Einsatzkräften. Die Schiffe<br />

waren mit Waffen, Radaren und hydroakustischen Geräten ausgerüstet. Unterstützt durch<br />

DDR-Han<strong>de</strong>lsschiffe und Fischkutter suchte man auch mit Kampfhubschraubern nach<br />

Flüchten<strong>de</strong>n.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong><br />

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Material 5 (Seite 3 von 3)<br />

Das landseitige System <strong>de</strong>r „Grenzsicherung“<br />

Die Überwachung <strong>de</strong>r Einheimischen und Urlauber<br />

reichte von <strong>de</strong>r Küste bis etwa 5 km ins Lan<strong>de</strong>sinnere.<br />

Die rund 600 km lange Küstenlinie wur<strong>de</strong> von fast 1 000<br />

Soldaten <strong>de</strong>r 6. Grenzbriga<strong>de</strong> Küste bewacht. Entlang<br />

<strong>de</strong>r Küste stan<strong>de</strong>n dutzen<strong>de</strong> Beobachtungstürme,<br />

ausgerüstet mit Suchscheinwerfern und Radar. Spezielle<br />

Funkmesstürme verfolgten <strong>de</strong>n Schiffsverkehr und<br />

versuchten, Flüchtlinge aufzuspüren.<br />

Zusätzlich wur<strong>de</strong>n mobile Suchscheinwerfer und bewaffnete<br />

Posten eingesetzt. Das grenznahe Hinterland überwachten<br />

vor allem Volkspolizei und freiwillige Grenzhelfer.<br />

Typische Grenzhelfer waren Parteisekretäre, FDJ-<br />

Funktionäre, Kampfgruppenmitglie<strong>de</strong>r, häufig auch<br />

Bürgermeister und ihre Stellvertreter. Die Grenzhelfer<br />

hielten an <strong>de</strong>n Verkehrswegen zur Küste Ausschau nach<br />

verdächtigen Personen, Fahrzeugen und möglichen<br />

Fluchtmitteln im Gepäck.<br />

Das Beispiel Grevesmühlen<br />

1988 versuchten 292 Personen im Bezirk <strong>Rostock</strong> über die Grenze aus <strong>de</strong>r DDR zu<br />

entkommen. 164 Personen allein im Kreis Grevesmühlen, davon 97 über die Ostsee, von<br />

<strong>de</strong>nen es nur vier Flüchtlinge schafften. Die Überwachung und insbeson<strong>de</strong>re auch die<br />

Beteiligung „ehrenamtlicher“ Kräfte waren in diesem Grenzkreis beson<strong>de</strong>rs stark.<br />

Eine Stasi-„Übersicht über die real vorhan<strong>de</strong>nen und einsetzbaren inoffiziellen und offiziellen<br />

Kräfte“ zur Grenzüberwachung vom 28. Juli 1983 zeigt eine Momentaufnahme <strong>de</strong>s gegen<br />

die eigenen Bürger gerichteten Grenzsystems.<br />

Beteiligt waren:<br />

- Kreisdienststelle (KD) <strong>de</strong>r Stasi Grevesmühlen<br />

- Volkspolizeikreisamt Grevesmühlen, beson<strong>de</strong>rs die Transportpolizei<br />

- Grenztruppen <strong>de</strong>r DDR<br />

- Abteilung Innere Angelegenheiten vom Rat <strong>de</strong>s Kreises Grevesmühlen.<br />

Der Grevesmühlener Abschnitt <strong>de</strong>r „Staatsgrenze Nord/Küste“ maß nur 35 km. Doch neben<br />

<strong>de</strong>n hauptamtlichen offiziellen Kräften wur<strong>de</strong>n hier noch 194 inoffizielle o<strong>de</strong>r freiwillige Helfer<br />

eingesetzt. Hinzu kamen noch rund 200 Mitglie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen sogenannten<br />

„Grenzsicherheitsaktiven“ <strong>de</strong>r örtlichen Gemein<strong>de</strong>n.<br />

Diese Kräfte waren mitverantwortlich, Mitbürger aufzuspüren und daran zu hin<strong>de</strong>rn, ein<br />

Leben nach ihren Vorstellungen zu leben. Nicht selten trugen sie damit direkte Mitschuld an<br />

langen und harten Haftstrafen.<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Material 6 (Seite 1 von 3)<br />

Volker Höffer<br />

Oranienburger pad<strong>de</strong>ln für ein Leben in Freiheit<br />

Wir schreiben <strong>de</strong>n 22. Juli 1982. Die Familie X aus <strong>de</strong>m Kreis Oranienburg, eine Mutter mit<br />

ihren drei Söhnen und einer Schwiegertochter, passieren mit ihren bei<strong>de</strong>n Trabis die Brücke<br />

von Wolgast auf die Insel Usedom. Doch im Unterschied zu <strong>de</strong>n unzähligen an<strong>de</strong>ren<br />

Urlaubern sind sie nicht auf <strong>de</strong>r Suche nach Sommer, Strand und Sonnenschein. Sie suchen<br />

etwas ganz an<strong>de</strong>res – eine günstige Gelegenheit, um aus <strong>de</strong>r DDR zu fliehen.<br />

Doch warum wollen sie weg? Sie besitzen doch ein Eigenheim, ansehnliche Ersparnisse,<br />

diverse Wertsachen und nicht zuletzt die zwei Trabanten. Die Stasi stellt später fest: „Soziale<br />

Probleme bestan<strong>de</strong>n nicht.“<br />

Was war es dann? Die ständigen kleinen und großen Schikanen, mit <strong>de</strong>nen die DDR-Organe<br />

von „Staat und Partei“ verhin<strong>de</strong>rten, dass <strong>de</strong>r Familienteil „Ost“ <strong>de</strong>n Familienteil „West“<br />

besuchen konnte. Großeltern, Eltern und Geschwister lebten in <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik.<br />

Dazu die Wolgaster Stasi: „Als Motiv für <strong>de</strong>n ungesetzlichen Grenzübertritt wur<strong>de</strong><br />

herausgearbeitet, dass sie keine Reisefreiheit besitzen und unbedingt zu <strong>de</strong>n Verwandten in<br />

die BRD wollten“.<br />

Die DDR schuf sich ihre Gegner mal wie<strong>de</strong>r selbst.<br />

Die Schwiegertochter kennt Usedom gut, arbeitet sie doch schon mehrere Monate in einem<br />

FDGB-Heim auf <strong>de</strong>r Insel. Sie hat bei Spaziergängen und Strandvergnügen nach Feierabend<br />

die einzelnen Strandabschnitte, die günstigsten Waldstücke und die besten<br />

Zufahrtsmöglichkeiten erkun<strong>de</strong>t.<br />

Sie mel<strong>de</strong>n sich auf <strong>de</strong>m Zeltplatz Neuendorf-Lützow an und bauen ihre Zelte auf. Am 23.<br />

Juli fahren sie mit <strong>de</strong>n Trabis durch die Gegend, gehen mal hier und mal dort an <strong>de</strong>n Strand<br />

zum Sonnen und Ba<strong>de</strong>n. Schließlich entschei<strong>de</strong>n sie sich für <strong>de</strong>n Strandabschnitt hinter<br />

Trassenhei<strong>de</strong>. Gespannt hören sie <strong>de</strong>n Wetterbericht. Die Wetterlage soll gut bleiben.<br />

Gegen 23.00 Uhr schleichen sie sich vom Zeltplatz. Mit bei<strong>de</strong>n PKW fahren sie zum<br />

Betriebsferienheim Klosterfel<strong>de</strong> und holen das gesamte Gepäck raus. Zwei Faltboote sind<br />

zum Schutz vor möglichen Kontrollen getarnt als Zelte verpackt. Entlang eines Zaunes<br />

bewegen sie sich wie Schatten in Richtung Ostsee. Sie haben <strong>de</strong>n Ort geschickt gewählt.<br />

Das Gelän<strong>de</strong> ist uneben. Der Fichtenwald zwischen Zeltstraße und Ostsee liefert zusätzliche<br />

Deckung. Keine Beleuchtung weit und breit. Sowohl von <strong>de</strong>r Zeltstraße als auch von See ist<br />

das Gelän<strong>de</strong> nicht einsehbar.<br />

Und sie haben auch etwas Glück.<br />

Die „Kräfte zur Sicherung <strong>de</strong>r Staatsgrenze“ sind in dieser Nacht in diesem Abschnitt eher<br />

spärlich verteilt. Ein Funkstreifenwagen <strong>de</strong>s Volkspolizeikreisamtes (VPKA) Wolgast<br />

patrouilliert zwischen Karlshagen und Koserow. Zwei Mitarbeiter und drei Freiwillige Helfer<br />

<strong>de</strong>s Grenzaktivs Trassenhei<strong>de</strong> sichern lediglich die ca. 50 m vom Strand gelegene<br />

Ausstellungshalle an <strong>de</strong>r Strandstrasse. Ein Scheinwerfer <strong>de</strong>r Grenztruppen scheint von<br />

Zinnowitz in Richtung Zempin auf die Ostsee. Das ist alles.<br />

Zur eigenen Entlastung wird die Stasi später anführen, dass „in diesem Bereich im Jahr 1964<br />

<strong>de</strong>r letzte Angriff erfolgte und (dieser) daher nicht zur Hauptangriffsrichtung gehörte“.<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Material 6 (Seite 2 von 3)<br />

Etwa 150 m von <strong>de</strong>r Zeltstraße entfernt baut Familie X mit geübten Griffen, die Männer sind<br />

schließlich Schlosser bzw. Elektromonteure, die bei<strong>de</strong>n Faltboote zusammen. Gegen 01.30<br />

Uhr <strong>de</strong>s neuen Tages, also am 24. Juli 1982, lan<strong>de</strong>n sie ca. 500 m von <strong>de</strong>r Strandstraße<br />

entfernt mit <strong>de</strong>m Kurs auf Bornholm ab.<br />

Im ersten Faltboot, angetrieben durch einen Tümmlermotor, sitzen die bei<strong>de</strong>n Frauen und<br />

einer <strong>de</strong>r Männer. Die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Männer lassen sich im zweiten Boot ziehen. Die See<br />

liegt ruhig. Naht <strong>de</strong>r Scheinwerferkegel, <strong>de</strong>cken sie sich mit einer dunklen Plane ab und<br />

bleiben so unbemerkt.<br />

Doch das Glück ist nicht von Dauer.<br />

Sie sind schon 40 Seemeilen (!) nordöstlich <strong>de</strong>r O<strong>de</strong>rbank, da wer<strong>de</strong>n sie gegen 08.00 Uhr<br />

morgens vom Kapitän eines Fischkutters aus Karlshagen ent<strong>de</strong>ckt. Die drei Männer und<br />

zwei Frauen fragen die Fischer noch ahnungslos, ob sie Deutsche seien und wüssten, wo<br />

Bornholm liegt.<br />

Die Sache ist also klar – Flüchtlinge! Ohne zu zögern for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Kapitän, ein SED-Genosse,<br />

alle fünf auf, an Bord <strong>de</strong>s Kutters zu kommen. Die Flüchtlinge realisieren erst jetzt, dass es<br />

sich um einen DDR-Kutter han<strong>de</strong>lt. Sie versuchen noch zu fliehen. Doch sie sind ohne<br />

Chance. Der Kutter umkreist sie und bremst sie immer wie<strong>de</strong>r. Ein hohes Risiko für die<br />

kleinen, wackligen Boote, ein ungleiches Ringen.<br />

Quelle : <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt. VI, Nr. 200 (Pad<strong>de</strong>lboot an<strong>de</strong>rer Flüchtlinge)<br />

Doch so schnell geben die Flüchtlinge nicht auf. Sie, die schon fast alles riskiert haben, nur<br />

um ihre Verwandten in <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik sehen zu können. Schließlich droht <strong>de</strong>r Kapitän,<br />

dass er die Boote mit Leuchtraketen seeuntüchtig schießt.<br />

Im Stasi-Bericht heißt es dazu: „Diesen Sachverhalt bitte nicht auswerten“.<br />

Erst jetzt geben die fünf Oranienburger erschöpft, enttäuscht und gezeichnet auf.<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Material 6 (Seite 3 von 3)<br />

Der Kutter nimmt Kurs auf Karlshagen. Als er die DDR-Küstengewässer erreicht, gibt er per<br />

UKW-Funk Meldung über seinen beson<strong>de</strong>ren Fang. Das Seefahrtsamt informiert sofort die<br />

Stasi-Stelle in Wolgast. Als <strong>de</strong>r Kutter gegen 12.25 Uhr in Karlshagen anlegt, steht die Stasi<br />

schon am Kai und nimmt die zwei Frauen und drei Männer sofort fest.<br />

Die ganze Geschichte hat viel Aufsehen in <strong>de</strong>r Gegend erregt. Die „Partner <strong>de</strong>s Operativen<br />

Zusammenwirkens“ (POZW) wur<strong>de</strong>n durch die Stasi mehr o<strong>de</strong>r weniger Maß genommen,<br />

wegen ihrer „Luschigkeit“ und lückenhaften Überwachung. Die Freiwilligen Helfer sollten<br />

aufgestockt sowie Mitarbeiter <strong>de</strong>r Betriebsferienheime, die Zeltplatzwärter, Rettungsschwimmer<br />

und FDJ-Ordnungsgruppen in die Überwachung integriert wer<strong>de</strong>n.<br />

Auf die Bürgermeister wur<strong>de</strong> Druck ausgeübt, die Grenzaktive ernster zu betreiben und<br />

<strong>de</strong>ren Wirkung zu kontrollieren. Auch musste fortan <strong>de</strong>r Wald ständig von Unter- und<br />

Bruchholz freigehalten wer<strong>de</strong>n, um freie Sicht zu ermöglichen.<br />

Wie reagierte die Bevölkerung?<br />

In einer Meldung an <strong>de</strong>n 1. Kreissekretär von Wolgast fasste die Stasi-Kreisdienststelle die<br />

Reaktion <strong>de</strong>r Bevölkerung zusammen. In diese Information sind auch die Meldungen <strong>de</strong>s<br />

Abschnittsbevollmächtigten (ABV) <strong>de</strong>r Volkspolizei, <strong>de</strong>r entwe<strong>de</strong>r offiziell o<strong>de</strong>r inoffiziell mit<br />

<strong>de</strong>r Stasi paktierte, eingeflossen. Demnach sei es unter <strong>de</strong>n Fischern von Karlshagen zu<br />

„keinen negativen Diskussionen gekommen“. Nur in einigen Fällen gab es „politische<br />

Unklarheiten“ bzw. „negative Haltungen“. Ein Mann, selbst SED-Genosse, äußerte, dass ihm<br />

die Gefangenen leid täten. Schließlich seien sie schon so weit auf See gewesen. Ein an<strong>de</strong>rer<br />

Mann hielt die Verhaftung sogar für ungesetzlich. Schließlich wären die Flüchtlinge schon<br />

außerhalb <strong>de</strong>r Territorialgewässer <strong>de</strong>r DDR gewesen. Ein Karlshäger lehnte es ab, bei <strong>de</strong>r<br />

„vorbeugen<strong>de</strong>n Sicherung <strong>de</strong>r Staatsgrenze Nord“ mitzuwirken. Er äußerte, er besäße dafür<br />

nicht „die politisch-i<strong>de</strong>ologische Klarheit…“.<br />

Die fünf Flüchtlinge wur<strong>de</strong>n in die Stasi-Untersuchungshaftanstalt nach <strong>Rostock</strong> gebracht.<br />

Sie wur<strong>de</strong>n nach § 213 Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR (ungesetzlicher Grenzübertritt) verurteilt<br />

und erhielten verschie<strong>de</strong>n hohe Haftstrafen.<br />

Die Kutterbesatzung wur<strong>de</strong> belobigt, war doch so „bei <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s ungesetzlichen<br />

Grenzübertritts … ein einmütiges richtiges Han<strong>de</strong>ln aller Besatzungsmitglie<strong>de</strong>r zu<br />

verzeichnen“.<br />

Das Leben in Karlshagen ging weiter, die fünf Oranienburger waren schnell vergessen. Die<br />

Überwachung dieses Grenzabschnitts wur<strong>de</strong> verstärkt.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AKG 61, Bd. 3<br />

(Kursiv geschriebene Zitate sind originale Stasiformulierungen.)<br />

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Material 7 (Seite 1 von 3)<br />

Drei Greifswal<strong>de</strong>r Ärzte fliehen über die Ostsee in die Freiheit<br />

1. „Die tollkühne Flucht <strong>de</strong>r drei ‚DDR’-Ärzte im Schlauchboot“<br />

Artikel von Dieter Klein, Bild-Zeitung, Hamburg 16. Juli 1980<br />

Das Schlauchboot schaukelte auf <strong>de</strong>r unruhigen Ostsee. Die Augen <strong>de</strong>r Männer waren rot<br />

vom Salzwasser, die Lippen geschwollen, die Finger klamm vor Kälte. Bertram Ka<strong>de</strong>n (28)<br />

steuerte <strong>de</strong>n Außenbordmotor. Michael Schulz (27) hielt <strong>de</strong>n kleinen Schulkompass in <strong>de</strong>n<br />

Hän<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Weg in die Freiheit wies.<br />

Wenige Kilometer entfernt ein zweites Schlauchboot. Dort kämpfte Ulrich Sei<strong>de</strong>l (28) gegen<br />

<strong>de</strong>n Wind und das kalte Wasser.<br />

Die drei Männer, junge Ärzte aus <strong>de</strong>r DDR, hatten die lange verabre<strong>de</strong>te Flucht gewagt. Sie<br />

wohnten in Greifswald, arbeiteten in verschie<strong>de</strong>nen Unikliniken. Bertram Ka<strong>de</strong>n ist mit einer<br />

Lehrerin verheiratet. „Wir wohnten in 19 Quadratmetern. Das habe ich nicht mehr<br />

ausgehalten.“<br />

2. Stasi-Maßnahmen nach <strong>de</strong>r gelungene Flucht<br />

Für 5000 Mark kauften sich die drei Ärzte zwei<br />

gebrauchte Schlauchboote. Im September letzten<br />

Jahres versuchten sie es das erste Mal. Ein<br />

Sturm trieb die Flüchtlinge an Land zurück. Jetzt<br />

wagten sie es wie<strong>de</strong>r, mit sechs Flaschen Bier<br />

und einer halben Dauerwurst. Michael Schulze<br />

erzählt: „Suchscheinwerfer huschten übers<br />

Wasser – wir hofften, beteten, duckten uns ins<br />

Boot.“<br />

Da tauchte plötzlich ein Schiff aus <strong>de</strong>m Nebel auf.<br />

Um Himmels Willen, das ist ein DDR-Kutter.<br />

Nichts wie weg!<br />

Plötzlich ein großes Schiff – ein Ausflugsdampfer.<br />

Wir riefen laut um Hilfe, winkten. Die Leute an <strong>de</strong>r<br />

Reling winkten fröhlich zurück, lachten. Wir<br />

weinten.<br />

Nach elf Stun<strong>de</strong>n auf See, halb erfroren, nahm<br />

ein dänischer Marinekutter die bei<strong>de</strong>n seekranken<br />

Flüchtlinge an Bord.<br />

Ulrich Sei<strong>de</strong>l war von einer schwedischen Segeljacht<br />

gerettet wor<strong>de</strong>n.<br />

Die Stasi erfuhr erst durch eine Meldung <strong>de</strong>r Nachrichtenagentur AFP von <strong>de</strong>r erfolgreichen<br />

Flucht <strong>de</strong>s Greifswal<strong>de</strong>r Arztes, Bertram Ka<strong>de</strong>n, und seiner Mitflüchtlinge. Die <strong>Rostock</strong>er<br />

Stasi-Bezirksverwaltung eröffnete am 17. Juli 1980 <strong>de</strong>n Operativen Vorgang „Schlauchboot“.<br />

Haftbefehl und strafrechtliche Untersuchung folgten.<br />

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Material 7 (Seite 2 von 3)<br />

Mehr als ein dreiviertel Jahr untersuchte die Stasi Hintergrün<strong>de</strong>, Vorbereitungen und Ablauf.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re forschte sie nach Unterstützern im Familien- und Freun<strong>de</strong>skreis, um diese<br />

nach § 213 <strong>de</strong>s DDR-Strafgesetzbuches wegen „Beihilfe zur Republikflucht“ zu belangen.<br />

In Zusammenarbeit verschie<strong>de</strong>ner Diensteinheiten <strong>de</strong>r Stasi und <strong>de</strong>r Volkspolizei wur<strong>de</strong>n<br />

zunächst in <strong>de</strong>r Nähe von Greifswald das Auto <strong>de</strong>r Flüchtigen gefun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Besitzer<br />

ermittelt. Die umfangreichen Ermittlungen in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s „Tatortes“ blieben ergebnislos.<br />

Dennoch war dadurch klar, dass die drei Ärzte ihre Schlauchboote in Ludwigsburg in <strong>de</strong>r<br />

Nähe von Greifswald ins Wasser ließen und Kurs auf Bornholm nahmen.<br />

Die Flüchtlinge gingen das hohe Risiko einer Flucht über die Ostsee ein, weil sie in <strong>de</strong>r DDR<br />

unbefriedigen<strong>de</strong> berufliche Entwicklungschancen und politische Verhältnisse sahen.<br />

Familienangehörige, Freun<strong>de</strong>, Kollegen und Bekannte wur<strong>de</strong>n verhört und teilweise bis in die<br />

persönliche Sphäre ausspioniert. Nach Auswertung von Berichten Inoffizieller Mitarbeiter,<br />

Postkontrolle und Zeugenvernehmungen schätzte die Stasi neun Personen aus <strong>de</strong>m Umfeld<br />

<strong>de</strong>r „Täter“ als gefähr<strong>de</strong>t gemäß § 213 („ungesetzlicher Grenzübertritt“) Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r<br />

DDR ein.<br />

Auch nach Abschluss <strong>de</strong>r Ermittlungen zu <strong>de</strong>r gelungenen Flucht hielt die Stasi fünf von<br />

diesen Personen unter verstärkter Kontrolle. Weitere 17 Personen im Umfeld <strong>de</strong>r Flüchtlinge<br />

stan<strong>de</strong>n unter allgemeiner Beobachtung.<br />

Die Stasi suchte nach Erklärungen für die Flucht <strong>de</strong>r Ärzte und fand diese schon in <strong>de</strong>r<br />

Studienzeit. Nach <strong>de</strong>r Einschätzung <strong>de</strong>r Stasi waren sie „Träger und Verbreiter politischi<strong>de</strong>ologischer<br />

Diversion“ (1) und „labile, politisch-negative Stu<strong>de</strong>nten“. Sie hatten Kontakt zu<br />

Personen, die ebenfalls aus <strong>de</strong>r DDR flüchteten.<br />

Die Stasi musste feststellen, dass eine Rückkehr <strong>de</strong>r Ärzte in die DDR unwahrscheinlich war,<br />

da auch die engsten Angehörigen nicht bereit waren, die Geflohenen dazu zu bewegen.<br />

Dennoch sandte sie ihre Spitzel auch in die <strong>Bund</strong>esrepublik und in die ČSSR, um die<br />

Flüchtlinge dort unter „operative Kontrolle“ zu halten und Rückverbindungen in die DDR zu<br />

unterbin<strong>de</strong>n. Am 8. Mai 1981 stellte die Stasi die direkte Bearbeitung ein, hielt aber die<br />

Postüberwachung und Postzollfahndung aufrecht.<br />

Das „Fluchtauto“, ein PKW „Wartburg 311“, ging nicht in <strong>de</strong>n Besitz <strong>de</strong>r Angehörigen über,<br />

son<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> „beschlagnahmt“.<br />

Die Ermittlungen zu <strong>de</strong>n Familien <strong>de</strong>r Geflohenen ergaben keine Hinweise auf eine<br />

Mitwisser- bzw. Mittäterschaft gemäß § 225 Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR.<br />

Anträge <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r DDR Gebliebenen auf Familienzusammenführung wur<strong>de</strong>n jahrelang<br />

abgelehnt. Dennoch hielten die Angehörigen die Anträge auf Ausreise aufrecht und lehnten<br />

auch eine Scheidung konsequent ab. Nach <strong>de</strong>r Antragstellung auf Ausreise durften sie oft<br />

ihren Beruf, z.B. als Lehrerin nicht mehr ausüben. Eine Tätigkeit als pflegerische Hilfskraft in<br />

einem kirchlichen Krankenhaus war oft die einzige Möglichkeit, <strong>de</strong>n Lebensunterhalt zu<br />

verdienen.<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Material 7 (Seite 3 von 3)<br />

Die Stasi schloss <strong>de</strong>n Vorgang „Schlauchboot“ 1981 ab.<br />

Der Akte wur<strong>de</strong> noch 1988 ein Bericht <strong>de</strong>s Inoffiziellen Mitarbeiters (IM) „Dietmar Schettler“<br />

beigefügt. Dieser IM informierte die Stasi über einen Besuch von Herrn Ka<strong>de</strong>n (2) bei einem<br />

Arzt in <strong>de</strong>r DDR. Ka<strong>de</strong>n schil<strong>de</strong>rte ihm seine Flucht. Der Arzt erzählte davon seinem<br />

Bekannten, eben jenem IM „Dietmar Schettler“.<br />

So erfuhr die Stasi acht Jahre nach <strong>de</strong>r Flucht, dass diese wirklich geplant war und Ka<strong>de</strong>n<br />

schon 1979 einen Fluchtversuch unternommen hatte.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AOP 1285/81, <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AU 1249/81.<br />

(1) Unter „Politisch-i<strong>de</strong>ologischer Diversion“ (PiD) verstand die Staatssicherheit jegliche, von <strong>de</strong>r Linie <strong>de</strong>r SED abweichen<strong>de</strong><br />

Einflussnahme auf die Meinungsbildung <strong>de</strong>r Bevölkerung <strong>de</strong>r DDR. Darunter fielen alle Formen <strong>de</strong>r kritischen<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ologie und Politik <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Partei o<strong>de</strong>r auch mit alltäglichen Problemen wie z.B.<br />

<strong>de</strong>r Mangelwirtschaft und <strong>de</strong>r Umweltsituation in <strong>de</strong>r DDR.<br />

(2) Herr Ka<strong>de</strong>n durfte nach seiner Flucht „schon“ 1988 das erste Mal in die DDR einreisen. Nach <strong>de</strong>m Besuch von Erich<br />

Honecker bei Helmut Kohl 1987 kam es zu einer Erleichterung im Reiseverkehr zwischen bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten.<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Material 8 (Seite 1 von 2)<br />

Junge <strong>Rostock</strong>er wer<strong>de</strong>n zum OV „Signal“<br />

Dörte Neubauer Gunnar und Ute Christopher<br />

Ein ganzes Bün<strong>de</strong>l von Maßnahmen wur<strong>de</strong><br />

eingeleitet, um die „Täter“ zu i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />

Maßnahmen <strong>de</strong>r Stasi<br />

• Einsatz von Fährtenhun<strong>de</strong>n<br />

• ca. 90 „Befragungen“, wobei grundsätzlich<br />

Schriftproben genommen wur<strong>de</strong>n<br />

• Geruchsproben von 16 Verdächtigen<br />

• Postkontrollen<br />

• Überwachungen und Beobachtungen<br />

• Wanzeneinbau<br />

• Einsatz von mehr als zehn „IM“<br />

• Informationen von Ka<strong>de</strong>rabteilungen abgefor<strong>de</strong>rt<br />

(heute: Personalbüros in Betrieben)<br />

Zwei Ereignisse waren <strong>de</strong>r<br />

Anlass, dass die <strong>Rostock</strong>er Stasi<br />

<strong>de</strong>n Operativen Vorgang (OV)<br />

„ Signal“ anlegte:<br />

► eine Frie<strong>de</strong>nswache junger<br />

<strong>Rostock</strong>er am 1. September 1985<br />

am Mahnmal für die Opfer <strong>de</strong>s<br />

Faschismus;<br />

► in <strong>de</strong>r Nacht vom 2. zum 3.<br />

September 1985 in <strong>Rostock</strong><br />

auftauchen<strong>de</strong>, zumeist pazi-<br />

fistische<br />

Losungen.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU 2164/87, Bd. 1, S. 63<br />

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Material 8 (Seite 2 von 2)<br />

Als Urheber ermittelte die Stasi Ute, Dörte und Gunnar aus <strong>de</strong>r Evangelischen Andreas-<br />

Gemein<strong>de</strong> in <strong>Rostock</strong>, verhaftete sie und ließ sie nach § 220 Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR<br />

(„Öffentliche Herabwürdigung“) verurteilen.<br />

Alle drei stan<strong>de</strong>n für zunehmend mehr Jugendliche, die sich mit <strong>de</strong>n Zustän<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r DDR<br />

nicht länger abfin<strong>de</strong>n wollten. Mit ihrer Aktion protestierten sie gegen Gleichgültigkeit bzw.<br />

Anpassung und drückten ihren Unmut über die bestehen<strong>de</strong>n Verhältnisse aus.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU 1857/87, Bd. 1, S. 182<br />

Auszüge aus Vernehmungsprotokollen zeigen die Motive <strong>de</strong>r drei jungen <strong>Rostock</strong>er.<br />

Diese Abwandlung eines<br />

Udo-Jürgens-Liedtextes<br />

fand die Stasi bei <strong>de</strong>r<br />

Durchsuchung von<br />

Gunnars Wohnung.<br />

Dörte Neubauer: „Ich stehe <strong>de</strong>n Ereignissen um mich herum kritisch gegenüber … und<br />

ziehe Schlussfolgerungen, die ich dann offen vertrete … dass ich es<br />

nicht gut fin<strong>de</strong>, dass Sie mit unseren Gefühlen rumspielen, um noch<br />

etwas rauszuholen … “<br />

Ute Christopher: „Ich will mit allem hier Schluss machen und ein ganz neues Leben<br />

anfangen. Es wur<strong>de</strong>n mir hier nicht genug Möglichkeiten für meine<br />

berufliche Entwicklung gegeben. Ein beantragtes Pädagogikstudium<br />

wur<strong>de</strong> abgelehnt. Weiterhin gibt es in <strong>de</strong>r DDR keine Reisemöglichkeiten<br />

in an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt. Außer<strong>de</strong>m bin ich mit vielen gesellschaftlichen<br />

Bereichen in <strong>de</strong>r DDR nicht zufrie<strong>de</strong>n.“<br />

Gunnar Christopher: „Wir waren <strong>de</strong>r Auffassung, dass es in <strong>de</strong>r DDR genug ‚Mitläufer’ und<br />

‚Ja-Sager’ gibt, die die gesellschaftlichen Verhältnisse in <strong>de</strong>r DDR<br />

einfach hinnehmen, ohne sich gegen bestimmte Fragen<br />

auszusprechen o<strong>de</strong>r dagegen aufzutreten. Davon ausgehend<br />

gelangten wir zu <strong>de</strong>r Auffassung, dass wir <strong>de</strong>n Bürgern von <strong>Rostock</strong><br />

öffentlichkeitswirksam zeigen sollten, dass es auch Menschen gibt, die<br />

an<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>nken zu Fragen <strong>de</strong>r Freiheit, <strong>de</strong>r Meinungsäußerung und<br />

Ungleichheit, die es unserer Meinung nach in <strong>de</strong>r DDR gibt …“<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Material 9 (Seite 1 von 2)<br />

Klaus Ketzler: „Ich kann in diesem Staat nicht leben!“<br />

Klaus Ketzler war schon in <strong>de</strong>n 70er Jahren mit <strong>de</strong>n politischen Verhältnissen in <strong>de</strong>r DDR<br />

unzufrie<strong>de</strong>n. Durch <strong>de</strong>n Briefwechsel und mehrmaligen persönlichen Kontakt in <strong>de</strong>r DDR mit<br />

USA-Bürgern geriet Klaus Ketzler in das „Blickfeld“ <strong>de</strong>s MfS – eine erste Operative Personenkontrolle<br />

(OPK) wur<strong>de</strong> 1975 zu ihm durchgeführt.<br />

In seinen persönlichen Freiheiten eingeschränkt, unzufrie<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Wahlsystem, <strong>de</strong>r<br />

schlechten Versorgung mit alltäglichen Dingen und <strong>de</strong>r ständigen i<strong>de</strong>ologischen Beeinflussung<br />

konnte und wollte er in diesem Staat nicht mehr leben. Am 8. Januar 1980 stellte er für<br />

sich und seine Familie einen Antrag auf ständige Ausreise aus <strong>de</strong>r DDR.<br />

Entsprechend <strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>r SED wur<strong>de</strong> sein Antrag vom zuständigen Rat <strong>de</strong>r Stadt<br />

<strong>Rostock</strong>, Abteilung Innere Angelegenheiten als „rechtswidrig“ abgelehnt. Eine erneute OPK<br />

mit <strong>de</strong>m Ziel, die Übersiedlung zu verhin<strong>de</strong>rn, war die Folge.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU, 1252/84, Bd. 1, S. 117 (Auszug)<br />

„Vorbeugegespräche“ <strong>de</strong>s MfS sowie „Zurückdrängungsmaßnahmen“ <strong>de</strong>s Betriebes und <strong>de</strong>r<br />

staatlichen Organe führten nicht zum erwarteten<br />

Erfolg. Wegen <strong>de</strong>r Vielzahl von Eingaben und<br />

Beschwer<strong>de</strong>n betrachteten die DDR-Behör<strong>de</strong>n<br />

Klaus Ketzler als „hartnäckigen“ Antragsteller.<br />

Nach fast vier Jahren vergeblichen Bemühens<br />

kündigte er bei einer Aussprache weitere Aktivitäten<br />

an. Zwei Tage später berichtete ein<br />

Inoffizieller Mitarbeiter (IM) <strong>de</strong>r Stasi über einen<br />

Buchstaben „A“ aus Papier und eine brennen<strong>de</strong><br />

Kerze im Fenster <strong>de</strong>r Wohnung <strong>de</strong>r Familie<br />

Ketzler. Am nächsten Morgen wur<strong>de</strong> Klaus<br />

Ketzler wegen „öffentlich-wirksamer<br />

Demonstrativhandlung“ verhaftet.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU 1252/84, GA, ASt Bd. 3, S. 93<br />

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Material 9 (Seite 2 von 2)<br />

Die Stasi ermittelte wegen „Beeinträchtigung staatlicher und gesetzlicher Tätigkeit“ (§ 214<br />

Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR). Bei <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Verhören in <strong>de</strong>r Untersuchungshaft wur<strong>de</strong><br />

Klaus Ketzler entlockt, was <strong>de</strong>m MfS durch Postkontrolle, IM-Einsatz und Abhörmaßnahmen<br />

schon längst bekannt war. Die Ketzlers hatten ihre Verwandten in <strong>de</strong>r BRD brieflich um Hilfe<br />

durch die „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte e.V.“ in Frankfurt/Main gebeten.<br />

Für die DDR-Organe be<strong>de</strong>utete dies eine „Lan<strong>de</strong>sverräterischer Agententätigkeit“ (§ 100<br />

StGB-DDR).<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, BV <strong>Rostock</strong>, AU 1252/84, GA, ASt, Bd. 2, S. 74/75<br />

Klaus Ketzler wur<strong>de</strong> zu<br />

drei Jahren Freiheitsstrafe<br />

verurteilt und am<br />

14. Februar 1985 aus <strong>de</strong>r Haft<br />

in die BRD entlassen.<br />

Stationen <strong>de</strong>r Haft:<br />

30. Oktober 1983 Verhaftung durch die Stasi<br />

30. Oktober 1983 – 28. Februar 1984 U-Haft beim MfS in <strong>Rostock</strong><br />

23. Februar 1984 Urteilsverkündung<br />

28. Februar 1984 – Juni 1984 Strafvollzug Cottbus<br />

Juni 1984 – 30. Januar 1985 Strafvollzug Bran<strong>de</strong>nburg<br />

30. Januar 1985 – 14. Februar 1985 „Abschiebehaft“ <strong>de</strong>s MfS in<br />

Karl-Marx-Stadt<br />

14. Februar 1985 Entlassung aus <strong>de</strong>r Haft unter Begleitung<br />

<strong>de</strong>s MfS bis zur Grenze zur BRD<br />

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Material 10<br />

Auszug aus <strong>de</strong>r Verfassung <strong>de</strong>r DDR<br />

Artikel 19 (2) Achtung und Schutz <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> und Freiheit <strong>de</strong>r Persönlichkeit sind<br />

Gebot für alle staatlichen Organe, alle gesellschaftliche Kräfte und<br />

je<strong>de</strong>n einzelnen Bürger.<br />

Artikel 20 (1) Je<strong>de</strong>r Bürger <strong>de</strong>r Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig von<br />

seiner Nationalität, seinem weltanschaulichen o<strong>de</strong>r religiösen Bekenntnis,<br />

seiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten.<br />

Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle Bürger sind vor <strong>de</strong>m<br />

Gesetz gleich.<br />

Artikel 27 (1) Je<strong>de</strong>r Bürger <strong>de</strong>r Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, <strong>de</strong>n<br />

Grundrechten dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu<br />

äußern. Dieses Recht wird durch kein Dienst- o<strong>de</strong>r Arbeitsverhältnis<br />

beschränkt. Niemand darf benachteiligt wer<strong>de</strong>n, wenn er von diesem Recht<br />

Gebrauch macht.<br />

(2) Die Freiheit <strong>de</strong>r Presse, <strong>de</strong>s Rundfunks und <strong>de</strong>s Fernsehens ist<br />

gewährleistet.<br />

Artikel 28 (1) Alle Bürger haben das Recht, sich im Rahmen <strong>de</strong>r Grundsätze und Ziele<br />

<strong>de</strong>r Verfassung friedlich zu versammeln.<br />

Artikel 30 (1) Die Persönlichkeit und Freiheit je<strong>de</strong>s Bürgers <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Demokratischen Republik sind unantastbar.<br />

Artikel 31 (1) Post- und Fernmel<strong>de</strong>geheimnis sind unverletzbar.<br />

Artikel 37 (3) Je<strong>de</strong>r Bürger hat das Recht auf Unverletzbarkeit seiner Wohnung.<br />

Artikel 39 (1) Je<strong>de</strong>r Bürger <strong>de</strong>r Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, sich<br />

zu seinem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen<br />

auszuüben.<br />

Artikel 86 Die sozialistische Gesellschaft, die politische Macht <strong>de</strong>s werktätigen Volkes,<br />

ihre Staats- und Rechtsordnung sind die grundlegen<strong>de</strong> Garantie für die<br />

Einhaltung und Verwirklichung <strong>de</strong>r Verfassung im Geiste <strong>de</strong>r Gerechtigkeit,<br />

Gleichheit, Brü<strong>de</strong>rlichkeit und Menschlichkeit.<br />

Quelle: Verfassung <strong>de</strong>r DDR vom 6. April 1968 in <strong>de</strong>r Fassung <strong>de</strong>s Gesetzes zur Ergänzung und Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Verfassung <strong>de</strong>r<br />

DDR vom 7. Oktober 1974, Berlin 1984.<br />

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Material 11 (Seite 1 von 2)<br />

Allgemeine Erklärung <strong>de</strong>r Menschenrechte vom 10. Dezember 1948<br />

- Auszug -<br />

(seit Aufnahme in die UNO 1973 von <strong>de</strong>r DDR anerkannt)<br />

Artikel 1<br />

Alle Menschen sind frei und gleich an Wür<strong>de</strong> und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft<br />

und Gewissen begabt und sollen einan<strong>de</strong>r im Geiste <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>rlichkeit begegnen.<br />

Artikel 2<br />

Je<strong>de</strong>r hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkün<strong>de</strong>ten Rechte und Freiheiten, ohne<br />

irgen<strong>de</strong>inen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion,<br />

politischer o<strong>de</strong>r sonstiger Anschauung, nationaler o<strong>de</strong>r sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt<br />

o<strong>de</strong>r sonstigem Stand.<br />

Artikel 3<br />

Je<strong>de</strong>r hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit <strong>de</strong>r Person.<br />

Artikel 5<br />

Niemand darf <strong>de</strong>r Folter o<strong>de</strong>r grausamer, unmenschlicher o<strong>de</strong>r erniedrigen<strong>de</strong>r Behandlung<br />

o<strong>de</strong>r Strafe unterworfen wer<strong>de</strong>n.<br />

Artikel 7<br />

Alle Menschen sind vor <strong>de</strong>m Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf<br />

gleichen Schutz durch das Gesetz.<br />

Artikel 8<br />

Je<strong>de</strong>r hat Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei <strong>de</strong>n zuständigen innerstaatlichen<br />

Gerichten gegen Handlungen, durch die seine ihm nach <strong>de</strong>r Verfassung o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m<br />

Gesetz zustehen<strong>de</strong>n Grundrechte verletzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Artikel 9<br />

Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s verwiesen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Artikel 10<br />

Je<strong>de</strong>r hat bei <strong>de</strong>r Feststellung seiner Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen ihn<br />

erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes<br />

und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.<br />

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Material 11 (Seite 2 von 2)<br />

Artikel 12<br />

Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und<br />

seinen Schriftverkehr o<strong>de</strong>r Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe o<strong>de</strong>r<br />

Beeinträchtigungen.<br />

Artikel 13<br />

1. Je<strong>de</strong>r hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort<br />

frei zu wählen.<br />

2. Je<strong>de</strong>r hat das Recht, je<strong>de</strong>s Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein<br />

Land zurückzukehren.<br />

Artikel 17<br />

1. Je<strong>de</strong>r hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit an<strong>de</strong>ren Eigentum<br />

innezuhaben.<br />

2. Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt wer<strong>de</strong>n.<br />

Artikel 18<br />

Je<strong>de</strong>r hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt<br />

die Freiheit ein, seine Religion o<strong>de</strong>r seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit,<br />

seine Religion o<strong>de</strong>r seine Weltanschauung allein o<strong>de</strong>r in Gemeinschaft mit an<strong>de</strong>ren,<br />

öffentlich o<strong>de</strong>r privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu<br />

bekennen.<br />

Artikel 19<br />

Je<strong>de</strong>r hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht<br />

schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehin<strong>de</strong>rt anzuhängen sowie über Medien je<strong>de</strong>r Art<br />

und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen<br />

und zu verbreiten.<br />

Artikel 20<br />

1. Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und zu Vereinigungen<br />

zusammenzuschließen.<br />

Artikel 30<br />

Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt wer<strong>de</strong>n, dass sie für einen Staat,<br />

eine Gruppe o<strong>de</strong>r eine Person irgen<strong>de</strong>in Recht begrün<strong>de</strong>t, eine Tätigkeit auszuüben o<strong>de</strong>r<br />

eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung <strong>de</strong>r in dieser Erklärung verkün<strong>de</strong>ten<br />

Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.<br />

Quelle: www.un.org/Depts/german/grunddok/ar217a3.html<br />

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Material 12<br />

Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR<br />

I.<br />

Die Entwicklung <strong>de</strong>r Jugend zu sozialistischen Persönlichkeiten<br />

§ 1<br />

(1) Vorrangige Aufgabe bei <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>r entwickelten sozialistischen Gesellschaft ist<br />

es, alle jungen Menschen zu Staatsbürgern zu erziehen, die <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>s Sozialismus treu<br />

ergeben sind, als Patrioten und Internationalisten <strong>de</strong>nken und han<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>n Sozialismus<br />

stärken und gegen alle Fein<strong>de</strong> zuverlässig schützen. Die Jugend trägt selbst hohe<br />

Verantwortung für ihre Entwicklung zu sozialistischen Persönlichkeiten.<br />

(2) Aufgabe je<strong>de</strong>s jungen Bürgers ist es, auf sozialistische Art zu arbeiten, zu lernen und zu<br />

leben, selbstlos und beharrlich zum Wohle seines sozialistischen Vaterlan<strong>de</strong>s – <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Demokratischen Republik – zu han<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>n Freundschaftsbund mit <strong>de</strong>r<br />

Sowjetunion und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren sozialistischen Bru<strong>de</strong>rlän<strong>de</strong>rn zu stärken und für die allseitige<br />

Zusammenarbeit <strong>de</strong>r sozialistischen Staatengemeinschaft zu wirken. Es ist ehrenvolle Pflicht<br />

<strong>de</strong>r Jugend, die revolutionäre Traditionen <strong>de</strong>r Arbeiterklasse und die Errungenschaften <strong>de</strong>s<br />

Sozialismus zu achten und zu verteidigen, sich für Frie<strong>de</strong>n und Völkerfreundschaft<br />

einzusetzen und antiimperialistische Solidarität zu üben. Alle jungen Menschen sollen sich<br />

durch sozialistische Arbeitseinstellung und soli<strong>de</strong>s Wissen und Können auszeichnen, hohe<br />

moralische und kulturelle Werte ihr eigen nennen und aktiv am gesellschaftlichen und<br />

politischen Leben, an <strong>de</strong>r Leitung von Staat und Gesellschaft teilnehmen. Ihr Streben, sich<br />

<strong>de</strong>n Marxismus-Leninismus, die wissenschaftliche Weltanschauung <strong>de</strong>r Arbeiterklasse,<br />

anzueignen und sich offensiv mit <strong>de</strong>r imperialistischen I<strong>de</strong>ologie auseinan<strong>de</strong>rzusetzen, wird<br />

allseitig geför<strong>de</strong>rt. Die jungen Menschen sollen sich durch Eigenschaften wie<br />

Verantwortungsgefühl für sich und an<strong>de</strong>re, Kollektivbewusstsein und Hilfsbereitschaft,<br />

Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit, Ehrlichkeit und Beschei<strong>de</strong>nheit, Mut und Standhaftigkeit,<br />

Ausdauer und Disziplin, Achtung vor <strong>de</strong>n Älteren, ihren Leistungen und Verdiensten sowie<br />

verantwortungsbewusstes Verhalten zum an<strong>de</strong>ren Geschlecht auszeichnen. Sie sollen sich<br />

gesund und leistungsfähig halten.<br />

Quelle: Jugendgesetz <strong>de</strong>r DDR, 28. Januar 1974, Gesetzblatt I Nr. 5, S.45.<br />

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Material 13<br />

Beispiele <strong>de</strong>r Opposition in <strong>de</strong>r DDR<br />

Angesichts <strong>de</strong>r atomaren Hochrüstung in Ost und West und <strong>de</strong>r Umweltverschmutzung<br />

entstan<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>r Kirche En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er/Anfang <strong>de</strong>r 80er Jahre überall in <strong>de</strong>r<br />

DDR Frie<strong>de</strong>ns- und Umweltgruppen.<br />

Leitspruch <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsgruppen war „Schwerter zu Pflugscharen“.<br />

Die wichtigste Öko-Gruppe war die Berliner Umweltbibliothek mit ihren illegalen „Umweltblättern“.<br />

Seit 1986 informierte sie über Umweltprobleme in <strong>de</strong>r DDR und entwickelte sich zur<br />

wichtigsten Zeitschrift <strong>de</strong>r Opposition.<br />

Die meisten <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>ns- und Umweltgruppen traten auch immer stärker für Bürgerrechte<br />

ein. Da sie Missstän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r DDR bzw. die Politik <strong>de</strong>r SED kritisierten, galten sie als<br />

„Fein<strong>de</strong>“ und wur<strong>de</strong>n auch durch die Stasi massiv bekämpft.<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esstiftung Aufarbeitung, Dr. Robert Grünbaum<br />

Logo <strong>de</strong>r DDR-Frie<strong>de</strong>nbewegung – die abgebil<strong>de</strong>te Skulptur war ein Geschenk <strong>de</strong>r Sowjetunion an die<br />

UNO im Jahre 1959 und steht noch heute vor <strong>de</strong>ren Hauptquartier in New York<br />

Schon das offene Tragen eines solchen Aufnähers in <strong>de</strong>r DDR führte zu Konsequenzen.<br />

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Material 14<br />

Situation in <strong>de</strong>r DDR<br />

In <strong>de</strong>r DDR herrschte immer Mangelwirtschaft. Schlangen vor Geschäften gehörten zum<br />

üblichen Bild. Seit Anfang <strong>de</strong>r 1980er Jahre verschlechterte sich die ökonomische Lage so<br />

sehr, dass selbst die Versorgung mit „Waren <strong>de</strong>s täglichen Bedarfs“ immer weniger gesichert<br />

war.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt. BdL, Nr. 50<br />

Auch <strong>de</strong>r bauliche Zustand <strong>de</strong>r alten Kerne <strong>de</strong>r meisten<br />

Dörfer und Städte sowie vieler Straßen war sehr<br />

schlecht.<br />

„Ruinen schaffen ohne Waffen“ dichtete <strong>de</strong>r Volksmund<br />

in Abwandlung eines Mottos <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsbewegung<br />

angesichts <strong>de</strong>s massiven Verfalls.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt. VIII, Nr 1,<br />

Bd. 18, S. 150<br />

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Material 15<br />

Kampf <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft in Polen<br />

Die Streiks und die Entstehung <strong>de</strong>r unabhängigen Gewerkschaft Solidarność 1980/81 in<br />

Polen blieben auch auf die DDR nicht ohne Wirkung. Die SED fürchtete, dass das polnische<br />

Beispiel Schule machen könnte.<br />

Daher verschärften SED und Stasi die Kontrollen an <strong>de</strong>r Grenze zu Polen und die Überwachung<br />

<strong>de</strong>r oppositionellen Bestrebungen in <strong>de</strong>r DDR. In Abstimmung mit <strong>de</strong>r polnischen<br />

Geheimpolizei wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Einsatz von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) in Polen intensiviert.<br />

Einigen davon gelang es, bis an die Führung <strong>de</strong>r Solidarność heranzukommen. Einer von<br />

ihnen war IM „Henryk“ <strong>de</strong>r <strong>Rostock</strong>er Stasi-Bezirksverwaltung, <strong>de</strong>r am Polytechnikum in<br />

Danzig (Gdansk) lehrte.<br />

Solidarność-Führer Lech Wałęsa<br />

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Material 16<br />

Glasnost und Perestroika in <strong>de</strong>r UdSSR<br />

Für alle Staaten <strong>de</strong>s Ostblocks war <strong>de</strong>r Machtantritt Michail Gorbatschows (1) von zentraler<br />

Be<strong>de</strong>utung. Angesichts <strong>de</strong>r katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in <strong>de</strong>r<br />

Sowjetunion setzte er unter <strong>de</strong>n Losungen Glasnost (2) und Perestroika (3) fundamentale<br />

Reformen durch. Auch nahm er kaum noch Einfluss auf die Entwicklungen in <strong>de</strong>n übrigen<br />

Staaten <strong>de</strong>s sowjetischen Imperiums.<br />

Viele Menschen, die auf Reformen auch in <strong>de</strong>r DDR hofften, verfolgten diese Entwicklung mit<br />

großer Sympathie. Die greisen und starrköpfigen SED-Spitzenka<strong>de</strong>r erwiesen sich jedoch als<br />

„Betonköpfe“ und lehnten Verän<strong>de</strong>rungen ab.<br />

(1) 1985 bis August 1991 Generalsekretär <strong>de</strong>s Zentralkomitees <strong>de</strong>r Kommunistischen Partei <strong>de</strong>r<br />

Sowjetunion und damit <strong>de</strong>r „erste Mann“ in <strong>de</strong>r Sowjetunion.<br />

(2) Offenheit, Transparenz.<br />

(3) Umbau (Umgestaltung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft).<br />

Erich Honecker und Michael Gorbatschow<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV Berlin, Abt. XX, Nr. 3791<br />

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Material 17<br />

„Sputnik“-Verbot<br />

Das Verbot <strong>de</strong>r Ausgabe <strong>de</strong>r sowjetischen Zeitschrift „Sputnik“ (1) vom Oktober 1988 wegen<br />

eines kritischen Artikels über Stalin brachte selbst für viele SED-Mitglie<strong>de</strong>r „das Fass zum<br />

Überlaufen“. Es zeigte, dass mit <strong>de</strong>r SED-Spitze keine Reformen nach sowjetischem Beispiel<br />

zu erwarten waren. Am 19. November 1988 wur<strong>de</strong> die Zeitschrift von <strong>de</strong>r Postzeitungsliste<br />

<strong>de</strong>r DDR gestrichen, was einem Verbot gleichkam.<br />

(1) Sputnik heißt Satellit, Reisegefährte o<strong>de</strong>r Begleiter. Seit 1967 erschien die Zeitschrift in mehreren<br />

Sprachen.<br />

Flugblatt aus <strong>de</strong>m Bezirk <strong>Rostock</strong><br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AKG Nr. 1031, Seite 49<br />

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Material 18<br />

Wahlen in <strong>de</strong>r DDR<br />

Die Kommunalwahl (1) am 7. Mai 1989 zeigte, dass in <strong>de</strong>r DDR ernstzunehmen<strong>de</strong><br />

oppositionelle Gruppierungen entstan<strong>de</strong>n waren. Erstmals nutzten überall in <strong>de</strong>r DDR eine<br />

größere Zahl couragierte Frauen und Männer die Wahlkabinen, stimmten gegen die<br />

Kandidaten <strong>de</strong>r „Nationalen Front“, überwachten die Stimmenauszählungen und wiesen<br />

massive Fälschungen beim sogenannten „Zettelfalten“ (2) nach.<br />

(1) Wie immer gab es nur eine Einheitsliste mit Kandidaten <strong>de</strong>r Blockparteien <strong>de</strong>r Nationalen Front,<br />

<strong>de</strong>r man zustimmen konnte o<strong>de</strong>r nicht.<br />

(2) Ironische Bezeichnung <strong>de</strong>r Bevölkerung für die Wahlen in <strong>de</strong>r DDR.<br />

Überwachung <strong>de</strong>r Stimmauszählung durch Bürger in Berlin<br />

Quelle: Archiv <strong>Bund</strong>esstiftung zur Aufarbeitung <strong>de</strong>r SED-Diktatur, Bestand Klaus Mehner, 89_0507_POL_Wahlen_05<br />

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Material 19<br />

Wege in die Freiheit<br />

Als Ungarn im Frühsommer 1989 seine Grenze zu Österreich öffnete, setzte ein<br />

Massenansturm vor allem junger und gut ausgebil<strong>de</strong>ter DDR-Bürger auf diesen vermeintlich<br />

einfachen Fluchtweg in <strong>de</strong>n „gol<strong>de</strong>nen Westen“ ein. Dieser Exodus wirkte auf die Krise in <strong>de</strong>r<br />

DDR wie ein Brandbeschleuniger und war <strong>de</strong>r auslösen<strong>de</strong> Funke für die ab Anfang<br />

September einsetzen<strong>de</strong>n Massenproteste.<br />

Die Fotos zeigen die Besetzung <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen<br />

Botschaft in Prag durch über 5 500 DDR-Bürger und die<br />

erste Demonstration in <strong>Rostock</strong> am 19. Oktober 1989.<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Fotograf: Seebo<strong>de</strong><br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt XX, Nr. 615, S. 30<br />

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Material 20 (Seite 1 von 2)<br />

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Material 20 (Seite 2 von 2)<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, AGL 16<br />

(1) Bürgerbewegung, gegrün<strong>de</strong>t am 9./10. September 1989 in Grünhei<strong>de</strong> bei Berlin.<br />

(2) In Leipzig fan<strong>de</strong>n schon seit September „Montags<strong>de</strong>mos“ statt, die be<strong>de</strong>utendste bereits am<br />

9. Oktober 1989 mit ca. 70 000 Teilnehmern.<br />

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Material 21<br />

Arbeitsaufgabe:<br />

Seit 1950 hat die Stasi die Bevölkerung bespitzelt, unterdrückt, eingesperrt, verführt,<br />

eingeschüchtert und verfolgt. Beschreiben Sie vor diesem Hintergrund, was die<br />

Demonstranten bei <strong>de</strong>r ersten Demonstration in <strong>Rostock</strong> am 19. Oktober 1989 innerlich<br />

bewegte und welches Signal hiervon für die weitere Entwicklung ausging.<br />

Christoph Kleemann (1) erinnert sich:<br />

Als sich die erste Gruppe von Menschen unter <strong>de</strong>m bunten Schmetterling in Bewegung setzt,<br />

reiht sich alles ein. An <strong>de</strong>r „Alten Münze“ vorbei in die Kröpeliner Straße, ein Zug mit <strong>de</strong>n<br />

bewussten Kerzen – einem uralten Kirchensymbol. Die erste Nebenstraße: Ängstliche<br />

Blicke, ob Polizei über die Demonstranten herfällt. Nichts geschieht. […] Und schon fallen die<br />

ersten Sprechchöre ein, ganz an<strong>de</strong>rs als gewohnt. Statt staatskonformer Losungen ertönen<br />

plötzlich die Rufe: „Reiht euch ein!“, „Rettet das Land!“, „Stasi in die Produktion!“ In einigen<br />

Fenstern links und rechts <strong>de</strong>r Straße stehen ebenfalls Kerzen, Zeichen <strong>de</strong>r Sympathie. Die<br />

Straße wird enger. Eine Baustelle versperrt <strong>de</strong>n halben Weg. Eine strategisch günstige<br />

Gelegenheit, <strong>de</strong>n Zug zu stoppen, ein paar Leute mit Schlägen zu empfangen und die<br />

Menge zu zersprengen. Aber nichts <strong>de</strong>rgleichen geschieht. Da sind nur die stillen Begleiter<br />

<strong>de</strong>s Zuges. Stasi-Mitarbeiter, die nicht mitklatschen, keine Kerzen tragen. Dann kommt das<br />

Kröpeliner Tor in Sicht. Ein Blick nach hinten – ein fast endloser Zug. Und bisher ohne<br />

Zwischenfälle. Dann schwenkt <strong>de</strong>r Zug nach links – Richtung August-Bebel-Straße. Und<br />

dort, gleich neben <strong>de</strong>m Wallrestaurant, wie<strong>de</strong>r das Klatschen, das hier höllisch schallt,<br />

gewaltig. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Das Hochhaus kommt in Sicht, die „Windmühle“.<br />

Je<strong>de</strong>r weiß, dass hier viele Stasi-Mitarbeiter wohnen. Ein irres Pfeifkonzert setzt ein. „Stasi<br />

raus!“, „Stasi in die Produktion!“ […] das Stasi-Haus, in <strong>de</strong>m die Bezirksbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Ministeriums für Staatssicherheit sitzt, ist das gefürchtetste Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ganzen Stadt,<br />

immer beleuchtet, immer bewacht. Heute ist kein Außenlicht zu sehen, kein Wachhaben<strong>de</strong>r<br />

steht vor <strong>de</strong>r Tür. Aber hinter <strong>de</strong>n Fenstern <strong>de</strong>s großen Saales […] huschen Gestalten<br />

vorbei. Hinter <strong>de</strong>n bewehrten Toren, wie später zu erfahren ist, steht man auf <strong>de</strong>m Sprung.<br />

Rufe, Pfiffe, über <strong>de</strong>n Lautsprecher eine Stimme: „Verlassen Sie <strong>de</strong>n Platz! Lösen Sie die<br />

Demonstration auf!“ Lachen und Klatschen. Viele tropfen ihre Kerzen auf <strong>de</strong>n Fliesen <strong>de</strong>s<br />

Vorplatzes fest. Aber <strong>de</strong>r Zug geht weiter – bis zum Rathaus. Der Neue Markt (2) – wahrscheinlich<br />

zum ersten Mal in <strong>de</strong>r DDR-Zeit – ist voller freiwillig Versammelter. Dann zerstreut<br />

sich die Menge: „Bis zum nächsten Donnerstag!“ wird gerufen. Und so ist es je<strong>de</strong>n<br />

Donnerstag bis En<strong>de</strong> Januar: 5 000, 10 000, 20 000 Menschen. Eine Zeitung berichtet<br />

begeistert sogar von 70 000 Teilnehmern.<br />

(1) Christoph Kleemann war Pastor in <strong>Rostock</strong>, aktiv im Neuen Forum, übte verschie<strong>de</strong>ne<br />

kommunale Ämter aus, war Lehrer und von 1999 bis 2009 Leiter <strong>de</strong>r <strong>BStU</strong>-Außenstelle <strong>Rostock</strong>.<br />

(2) Damals Ernst-Thälmann-Platz.<br />

Nebeneingang zur Bezirksverwaltung für Staatssicherheit <strong>Rostock</strong><br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV <strong>Rostock</strong>, Abt. XX Nr. 1534 Bild 6<br />

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<strong>BStU</strong>, Außenstelle <strong>Rostock</strong> „An<strong>de</strong>rsDenkenVerboten“<br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

1945<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges<br />

und Aufteilung Deutschlands in<br />

Besatzungszonen<br />

Nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg und <strong>de</strong>m Sieg über das Nazi-Regime glie<strong>de</strong>rn die<br />

alliierten Siegermächte Deutschland in vier Besatzungszonen. Auch die ehemalige<br />

Reichshauptstadt Berlin wird in einen amerikanischen, britischen, französischen und<br />

sowjetischen Sektor aufgeteilt.<br />

Berlin, Oranienstraße - Einwohner neben<br />

zerstörter Straßenbahn und Wasserlachen<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv; Bild 183-J31338<br />

Winston Churchill, Harry S. Truman, J. W. Stalin<br />

(von links), die führen<strong>de</strong>n Staatsmänner<br />

Großbritanniens, <strong>de</strong>r USA und <strong>de</strong>r Sowjetunion,<br />

während <strong>de</strong>r Potsdamer Konferenz, Juli 1945<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv; Bild 183-H-27035<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

1949<br />

Gründung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik am<br />

24. Mai und <strong>de</strong>r DDR am 7. Oktober<br />

Die Sowjetunion genehmigte in ihrer Besatzungszone die Gründung <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Demokratischen Republik (DDR). Zuvor ist mit Unterstützung <strong>de</strong>r Westalliierten die<br />

<strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland entstan<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong> Staaten entwickeln sich in<br />

gegensätzliche politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Richtungen.<br />

Hermann Schäfer unterzeichnet das Grundgesetz<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, B 145 Bild-00047567, Fotograf: Hans Hubmann<br />

Massenkundgebung in Ostberlin anlässlich <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>r<br />

DDR und <strong>de</strong>r Wahl Wilhelm Piecks zum Staatspräsi<strong>de</strong>nten, 11.<br />

Oktober 1949<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, Bild 183-S88778, Fotograf: Eva Kemlein<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

1950<br />

Gesetz über die Bildung <strong>de</strong>s<br />

Ministeriums für Staatssicherheit<br />

(MfS)<br />

Schon vor <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>r DDR schufen die sowjetische Besatzungsmacht und die<br />

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) Strukturen einer politischen<br />

Geheimpolizei, aus <strong>de</strong>nen dann am 8. Februar 1950 das Ministerium für<br />

Staatssicherheit hervorging. Das von <strong>de</strong>r Volkskammer <strong>de</strong>r DDR beschlossene<br />

Gesetz enthält keinerlei Aussagen über Befugnisse und Stellung <strong>de</strong>s neuen<br />

Ministeriums. Das MfS steht ganz in <strong>de</strong>r Tradition <strong>de</strong>r sowjetischen Geheimpolizei.<br />

Gesetzblatt <strong>de</strong>r DDR vom 21. Februar 1950, Gesetz über die Bildung<br />

eines Ministeriums für Staatssicherheit<br />

Quelle: <strong>BStU</strong><br />

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1953<br />

Generalstreik und Volksaufstand<br />

in <strong>de</strong>r DDR um <strong>de</strong>n 17. Juni<br />

In über 700 Städten und Gemein<strong>de</strong>n kommt es zu Streiks, Demonstrationen<br />

und zur Erstürmung öffentlicher Gebäu<strong>de</strong>. Die Aufständischen for<strong>de</strong>rn zunächst<br />

soziale Verbesserungen, aber dann sehr schnell auch freie Wahlen und die<br />

Entmachtung <strong>de</strong>r SED.<br />

Sowjetische Panzer schlagen für die SED <strong>de</strong>n Volksaufstand nie<strong>de</strong>r.<br />

Demonstranten gehen durchs Bran<strong>de</strong>nburger Tor<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, B145 Bild-00203065<br />

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1956<br />

Posener Arbeiteraufstand im Juni<br />

und Volksaufstand in Ungarn<br />

im Oktober<br />

In <strong>de</strong>r polnischen Industriestadt Posen for<strong>de</strong>rt die Bevölkerung bessere<br />

Lebensbedingungen und protestiert gegen hohe Arbeitsnormen. Es kommt zu<br />

gewalttätigen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen. Massiver militärischer Einsatz been<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n<br />

Aufstand.<br />

In Budapest richtet sich <strong>de</strong>r Volksaufstand unter an<strong>de</strong>rem gegen <strong>de</strong>n Terror <strong>de</strong>r<br />

Geheimpolizei und die fehlen<strong>de</strong> Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit.<br />

Ungarn erklärt seinen Austritt aus <strong>de</strong>m Warschauer Pakt. Sowjetische Truppen<br />

kämpfen <strong>de</strong>n Aufstand nie<strong>de</strong>r.<br />

In <strong>de</strong>r DDR kommt es zu einzelnen Protesten unter Künstlern und Stu<strong>de</strong>nten (z.B. an<br />

<strong>de</strong>r Humboldt-Universität Berlin).<br />

Während <strong>de</strong>r Volkserhebung in Posen sichert ein polnischer Panzer <strong>de</strong>n<br />

Eingang <strong>de</strong>r Staatsbank, 28. Juni 1956<br />

Quelle: ullstein bild, Bild 00123050<br />

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1961<br />

Schließung <strong>de</strong>r Sektorengrenze zu<br />

West-Berlin, Beginn <strong>de</strong>s Mauerbaus<br />

am 13. August<br />

Seit Jahren baut die SED-Regierung ihre Sperranlagen zur <strong>Bund</strong>esrepublik und<br />

um West-Berlin aus. Diese können aber die Flucht von letztlich ca. 2,7 Millionen<br />

enttäuschten DDR-Bürgern in <strong>de</strong>n Westen nicht verhin<strong>de</strong>rn, da die Sperranlagen<br />

zwischen West-Berlin und <strong>de</strong>r DDR weiter passiert wer<strong>de</strong>n können. Die Berliner<br />

Mauer stoppt schlagartig <strong>de</strong>n Flüchtlingsstrom.<br />

Bayerische Grenzpolizisten (links) und<br />

DDR-Grenzer patrouillieren an <strong>de</strong>r<br />

Demarkationslinie bei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher<br />

Staaten, Herbst 1952.<br />

Quelle: Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth<br />

Bau <strong>de</strong>r Berliner Mauer an <strong>de</strong>r Harzer<br />

Straße,<br />

18. August 1961<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Bild B 145-00014423,<br />

Fotograf: Siegmann<br />

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1965<br />

„Kahlschlagplenum“<br />

Die 11. Tagung <strong>de</strong>s Zentralkomitees<br />

<strong>de</strong>r SED<br />

Auf <strong>de</strong>m 11. Plenum <strong>de</strong>s Zentralkomitees wen<strong>de</strong>t sich Erich Honecker,<br />

Verantwortlicher für Sicherheitsfragen <strong>de</strong>s ZK, im Namen <strong>de</strong>s Politbüros „gegen das<br />

Alte und Rückständige aus <strong>de</strong>r kapitalistischen Vergangenheit und gegen Einflüsse<br />

<strong>de</strong>r kapitalistischen Unkultur und Unmoral, wie sie in <strong>de</strong>r amerikanischen Sex-<br />

Propaganda und <strong>de</strong>r Verherrlichung <strong>de</strong>s Banditentums zum Ausdruck kommen.”<br />

In <strong>de</strong>r Folge kehrt die SED zu einer restriktiven Kulturpolitik zurück. Das Plenum hat<br />

massive Auswirkungen auf die Kulturszene <strong>de</strong>r DDR. Der Parteiapparat beschnei<strong>de</strong>t<br />

ein weiteres Mal die künstlerische Freiheit von „Kulturschaffen<strong>de</strong>n“ und die<br />

individuelle Selbstentfaltung von Jugendlichen. Es wer<strong>de</strong>n zahlreiche Filme,<br />

Theaterstücke, Bücher und Musikgruppen verboten.<br />

Foto von <strong>de</strong>n Dreharbeiten zum DEFA-Spielfilm „Spur <strong>de</strong>r Steine“ 1965,<br />

<strong>de</strong>r im Ergebnis <strong>de</strong>r restriktiven Kulturpolitik 1966 praktisch verboten<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Quelle: DEFA-Stiftung, Klaus D. Schwarz<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

1968<br />

Nie<strong>de</strong>rschlagung <strong>de</strong>s<br />

„Prager Frühlings“ durch die<br />

Warschauer-Pakt-Staaten im August<br />

Anfang <strong>de</strong>s Jahres übernimmt Alexan<strong>de</strong>r Dubček die Führung <strong>de</strong>r Kommunistischen<br />

Partei <strong>de</strong>r ČSSR. Mit breiter Unterstützung durch die tschechoslowakische<br />

Bevölkerung versuchen die „Reformkommunisten“, <strong>de</strong>n Staat zu <strong>de</strong>mokratisieren und<br />

einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen. Am 21. August fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r<br />

Reformprozess durch eine militärische Intervention von fünf Warschauer-Pakt-<br />

Staaten, angeführt von <strong>de</strong>r Sowjetunion, ein jähes En<strong>de</strong>.<br />

In <strong>de</strong>r DDR kommt es zu etlichen Protesten gegen <strong>de</strong>n Einmarsch in die ČSSR.<br />

In Prag protestieren Bürger gegen die sowjetische Besetzung, 26. August 1968.<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV Neubran<strong>de</strong>nburg, AU 836/70, Beiakte, Seite 329 (Urheber: unbekannt)<br />

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1972<br />

Abschluss <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen<br />

Grundlagenvertrags im Dezember<br />

In einem Grundlagenvertrag verpflichten sich bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche Staaten zur<br />

Entwicklung gutnachbarschaftlicher Beziehungen auf gleichberechtigter Basis und<br />

zum Gewaltverzicht. Der Austausch von Ständigen Vertretern wird<br />

vereinbart. Die DDR wird von <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik zwar als Völkerrechtssubjekt,<br />

aber nicht als Staat anerkannt.<br />

Unterzeichnung <strong>de</strong>s Grundlagenvertrags durch <strong>Bund</strong>esminister<br />

Egon Bahr (links) und DDR-Staatssekretär Michael Kohl in Ost-<br />

Berlin, 21. Dezember 1972<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Bild B 145-00004707, Fotograf: Lothar Schaack<br />

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1973<br />

Aufnahme <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik und<br />

<strong>de</strong>r DDR in die UNO<br />

Am 18. September 1973 nehmen die Vereinten Nationen die Deutsche<br />

Demokratische Republik und die <strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland als Mitglie<strong>de</strong>r auf. Die<br />

USA, die UdSSR, Großbritannien und Frankreich begrüßen gemeinsam diesen<br />

Schritt, verweisen aber nach wie vor auf ihre Rechte in Bezug auf Berlin und<br />

Deutschland als Ganzes. Der Beitritt war von bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten im<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Grundlagenvertrag vereinbart wor<strong>de</strong>n.<br />

Die DDR ist durch ihren Beitritt zur UNO anerkanntes Mitglied <strong>de</strong>r<br />

Völkergemeinschaft und nimmt nun diplomatische Beziehungen zu <strong>de</strong>n meisten<br />

Staaten <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> auf. Die in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s „kalten Krieges“ übliche Propaganda<br />

gegeneinan<strong>de</strong>r lässt <strong>de</strong>utlich nach, die grundsätzliche Gegnerschaft jedoch bleibt<br />

bestehen.<br />

Die Fahnen <strong>de</strong>r BRD und <strong>de</strong>r DDR wehen auf <strong>de</strong>m UNO-Gelän<strong>de</strong><br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, Bild 183-M0925-406, Fotograf: Joachim Spremberg<br />

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1975<br />

Unterzeichnung <strong>de</strong>r<br />

KSZE-Schlussakte in Helsinki<br />

im August<br />

Auf <strong>de</strong>r Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)<br />

vereinbaren die europäischen Staaten, die USA und Kanada die Anerkennung<br />

<strong>de</strong>r Nachkriegsgrenzen, verstärkte wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit,<br />

vertrauensbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Maßnahmen und die Beachtung <strong>de</strong>r Menschenrechte. Die<br />

Schlussakte wird zu einem zentralen Dokument für Oppositionelle und Ausreisewillige<br />

in <strong>de</strong>r DDR.<br />

DDR-Staatschef Erich Honecker (2. von links) und <strong>Bund</strong>eskanzler<br />

Helmut Schmidt (2. von rechts) vor Beginn <strong>de</strong>r Konferenz in<br />

Helsinki, 30. Juli 1975<br />

<strong>Bund</strong>esregierung, Bild 145-00009688, Fotograf: Engelbert Reineke<br />

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1976<br />

Ausbürgerung von Wolf Biermann<br />

Der Lie<strong>de</strong>rmacher und Lyriker Wolf Biermann ist in <strong>de</strong>n 1960er Jahren nur einem<br />

kleinen Kreis <strong>de</strong>r kritischen DDR-Intellektuellen mit seinen Lie<strong>de</strong>rn und Texten<br />

bekannt.<br />

In seinen Lie<strong>de</strong>rn besingt er die Wi<strong>de</strong>rsprüche zwischen <strong>de</strong>r sozialistischen I<strong>de</strong>e und<br />

ihrer Umsetzung und wird dafür immer wie<strong>de</strong>r mit Auftrittsverboten belegt.<br />

Schon 1971 plant die Stasi, Biermann wegen „Staatsgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Hetze“<br />

einzusperren und ihn in die <strong>Bund</strong>esrepublik abzuschieben.<br />

Nach elfjährigem Auftrittsverbot darf er 1976 in Berlin-Prenzlauer Berg in einer Kirche<br />

ein Konzert geben. Danach wird er von <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik zu einer Tournee<br />

eingela<strong>de</strong>n. Die SED-Führung erlaubt die Reise. Nach seinem ersten Auftritt am 13.<br />

November 1976 in Köln erfährt Wolf Biermann über die Presse von seiner<br />

Ausbürgerung aus <strong>de</strong>r DDR.<br />

Die ARD sen<strong>de</strong>t sein Konzert in voller Länge. Er wird im ganzen Land bekannt, und<br />

ein Sturm <strong>de</strong>s Protestes bricht aus.<br />

In einem offenen Brief an die SED-Spitze for<strong>de</strong>rn 13 namhafte DDR-Schriftsteller die<br />

Rücknahme <strong>de</strong>r Ausbürgerung. Viele Künstler schließen sich <strong>de</strong>m Protest an.<br />

Schikanen <strong>de</strong>r DDR-Führung treiben zahlreiche Künstler ins Exil, an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n<br />

verhaftet o<strong>de</strong>r dürfen nicht mehr auftreten. Bei vielen Menschen entwickelt sich eine<br />

<strong>de</strong>utlich distanziertere Haltung zur DDR.<br />

Der Lie<strong>de</strong>rmacher Wolf Biermann gibt eine Pressekonferenz.<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esarchiv, B 145 Bild-00013889, Fotograf: Lothar Schaack<br />

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1980<br />

Streik auf <strong>de</strong>r Leninwerft in Danzig<br />

im August und Gründung<br />

<strong>de</strong>r Gewerkschaft Solidarność<br />

Am 1. Juli kommt es in Polen, ausgelöst durch Preissteigerungen, zu lan<strong>de</strong>sweiten<br />

Streiks. Bald streiken auch die Arbeiter auf <strong>de</strong>r Danziger Leninwerft. Unter <strong>de</strong>r<br />

Führung <strong>de</strong>s Elektrikers Lech Wałęsa wird ein Streikkomitee gegrün<strong>de</strong>t, aus <strong>de</strong>m<br />

nach wenigen Monaten die unabhängige Gewerkschaft Solidarność (Solidarität) mit<br />

zehn Millionen Mitglie<strong>de</strong>rn hervorgeht. Der visafreie Reiseverkehr zwischen <strong>de</strong>r DDR<br />

und Polen wird von <strong>de</strong>r SED-Führung wie<strong>de</strong>r aufgehoben.<br />

Lech Wałęsa<br />

Transparentaufschrift: Unabhängige Selbstverwaltete<br />

Gewerkschaft Gdansk<br />

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1986<br />

27. Parteitag <strong>de</strong>r KPdSU im Februar:<br />

Beginn <strong>de</strong>r Glasnost- und<br />

Perestroika-Politik<br />

Michail Gorbatschow, Staats- und Parteichef <strong>de</strong>r Sowjetunion, kündigt <strong>de</strong>n Umbau<br />

<strong>de</strong>s politischen und wirtschaftlichen Systems an. Glasnost und Perestroika (Offenheit<br />

und Umgestaltung) führen schließlich zu öffentlichen Debatten und einer<br />

beginnen<strong>de</strong>n Demokratisierung. Die SED-Führung lehnt das ab und frustriert dadurch<br />

die Bürger im eigenen Land.<br />

Handzettel eines unbekannten Urhebers aus Berlin vom Juni 1989, links Erich<br />

Honecker, rechts Michail Gorbatschow<br />

Quelle: <strong>BStU</strong>, MfS, BV Berlin, Abt. XX, Nr. 3791<br />

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1989<br />

Öffnung <strong>de</strong>r Berliner Mauer<br />

am 9. November<br />

Günter Schabowski, Sekretär <strong>de</strong>s ZK <strong>de</strong>r SED für Informationswesen, erklärt<br />

vor <strong>de</strong>r internationalen Presse, dass es ab sofort keine Einschränkungen<br />

mehr für Reisen in die <strong>Bund</strong>esrepublik und nach Westberlin gäbe. Daraufhin<br />

eilen zehntausen<strong>de</strong> Menschen zu <strong>de</strong>n Grenzübergangsstellen <strong>de</strong>r DDR und<br />

erzwingen <strong>de</strong>ren Öffnung.<br />

Maueröffnung am Berliner<br />

Grenzübergang<br />

Bornholmer Brücke, 9. November 1989<br />

Quelle Fotograf: A. Schoelzel<br />

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1990<br />

Wie<strong>de</strong>rvereinigung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utschen Staaten am 3. Oktober<br />

Im Zwei-plus-Vier-Vertrag stimmen die Siegermächte <strong>de</strong>s Zweiten Weltkriegs einer<br />

Wie<strong>de</strong>rvereinigung zu. Nach <strong>de</strong>m Kollaps <strong>de</strong>r SED-Diktatur fan<strong>de</strong>n am 18. März die<br />

ersten freien Wahlen zur Volkskammer statt. Regierung und Parlament beschlossen,<br />

zuerst eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik und<br />

dann <strong>de</strong>n staatlichen Beitritt zu vollziehen. Der Einigungsvertrag zwischen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bund</strong>esrepublik und <strong>de</strong>r DDR enthält auch Regelungen zum Umgang mit <strong>de</strong>m Erbe<br />

<strong>de</strong>r Staatssicherheit.<br />

<strong>Bund</strong>esinnenminister<br />

Wolfgang Schäuble (links) und<br />

DDR-Staatssekretär Günther Krause<br />

nach <strong>de</strong>r Unterzeichnung <strong>de</strong>s<br />

Einigungsvertrags in Ostberlin,<br />

31. August 1990<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Bild 145-00046824,<br />

Fotograf: Klaus Lehnartz<br />

Fast eine Million Menschen feiern<br />

am Bran<strong>de</strong>nburger Tor<br />

die wie<strong>de</strong>r gewonnene <strong>de</strong>utsche Einheit,<br />

3./4. Oktober 1990.<br />

Quelle: <strong>Bund</strong>esregierung, Bild 145-00184359<br />

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Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong> Das Ministerium für Staatssicherheit <strong>de</strong>r DDR<br />

Literatur zum Thema Stasi<br />

Ammer, Thomas / Memmler, Hans-Joachim (Hg.): Staatssicherheit in <strong>Rostock</strong>. Zielgruppen,<br />

Metho<strong>de</strong>n, Auflösung, Edition Deutschland Archiv, Köln 1991.<br />

Behnke, Klaus / Fuchs, Jürgen: Zersetzung <strong>de</strong>r Seele. Psychologie und Psychiatrie im<br />

Dienst <strong>de</strong>r Stasi, Rotbuch Verlag, Hamburg 1995.<br />

Engelmann, Roger / Vollnhals, Clemens (Hg.): Justiz im Dienste <strong>de</strong>r Parteiherrschaft.<br />

Rechtspraxis und Staatssicherheit in <strong>de</strong>r DDR, Links-Verlag, Berlin 1999.<br />

Fricke, Karl-Wilhelm: Die DDR-Staatssicherheit. Entwicklung, Strukturen, Aktionsfel<strong>de</strong>r,<br />

Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1995.<br />

Gieseke, Jens: Die DDR-Staatssicherheit. Schild und Schwert <strong>de</strong>r Partei. In: Deutsche<br />

Zeitbil<strong>de</strong>r. <strong>Bund</strong>eszentrale für politische Bildung, Bonn 2001.<br />

Kowalczuk, Ilko-Sascha: Endspiel. Die Revolution von 1989 in <strong>de</strong>r DDR. Verlag C. H. Beck<br />

oHG, München 2008.<br />

Müller, Bodo: Faszination Freiheit. Die spektakulärsten Fluchtgeschichten. Links-Verlag,<br />

Berlin 2004.<br />

Müller, Christine / Müller, Bodo: Über die Ostsee in die Freiheit: Dramatische<br />

Fluchtgeschichten. Delias Klasing, Bielefeld 1992.<br />

Pingel-Schliemann, Sandra: Lebenswege … Im Schatten <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes.<br />

LStU, Schwerin 2008.<br />

Pingel-Schliemann, Sandra: Zersetzen: Strategie einer Diktatur, eine Studie. Robert-<br />

Havemann-Gesellschaft, Berlin 2002.<br />

Rohrbach, Carmen: Solange ich atme: Meine dramatische Flucht über die Ostsee ans En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Welt. Fre<strong>de</strong>rking und Thaler Verlag, München 2003.<br />

Rusch, Claudia: Meine freie <strong>de</strong>utsche Jugend. S. Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2003.<br />

Süß, Walter: Das Verhältnis von SED und Staatssicherheit. Eine Skizze seiner Entwicklung.<br />

BF informiert, Nr. 17, <strong>BStU</strong> Berlin 1997.<br />

Vogt-Müller, Christine: Hinter <strong>de</strong>m Horizont liegt die Freiheit. Flucht über die Ostsee,<br />

Schicksale, Fotos, Dokumente. Delias Klasing Verlag, Bielefeld 2003.<br />

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Impressum:<br />

Der <strong>Bund</strong>esbeauftragte für die Unterlagen <strong>de</strong>s Staatssicherheitsdienstes<br />

<strong>de</strong>r ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik<br />

Außenstelle <strong>Rostock</strong><br />

Hohen Tannen 11<br />

18196 Wal<strong>de</strong>ck<br />

Tel.: 038208 826-0<br />

Fax: 038208 826-1219<br />

E-Mail: astrostock@bstu.bund.<strong>de</strong><br />

Ansprechpartner:<br />

Dr. Michael Heinz Tel.: 038208 8261320<br />

Weitere Informationen unter: www.bstu.bund.<strong>de</strong><br />

Innerstädtisches Gymnasium <strong>Rostock</strong><br />

Goetheplatz 5/6<br />

18055 <strong>Rostock</strong><br />

Tel.: 0381 2035670<br />

Fax: 0381 20356729<br />

E-Mail: sekretariat-isg-rostock@web.<strong>de</strong><br />

Ansprechpartner:<br />

Eva König Tel.: 0381 2035680<br />

Thomas Döring Tel.: 0381 2035670<br />

Weitere Informationen unter: www.isg-rostock.<strong>de</strong><br />

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