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Schulmappe Erfurt (PDF, 2MB, Datei ist barrierefrei ... - BStU - Bund.de

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<strong>BStU</strong>-Außenstelle <strong>Erfurt</strong> Die Außenstelle <strong>de</strong>s <strong>BStU</strong> <strong>Erfurt</strong><br />

Die Auflösung <strong>de</strong>r Staatssicherheit im Bezirk <strong>Erfurt</strong><br />

Am 4. Dezember 1989 wur<strong>de</strong> in <strong>Erfurt</strong> die erste <strong>de</strong>r 15 Bezirksverwaltungen (BV) <strong>de</strong>s<br />

Staatssicherheitsdienstes von Bürgern besetzt. Auslöser waren die schwarzen Rauchwolken,<br />

die über <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Andreasstraße <strong>de</strong>utlich erkennbar aufstiegen. 1 Für die<br />

Einwohner <strong>Erfurt</strong>s lag die Vermutung nahe, dass Akten und an<strong>de</strong>re Unterlagen vernichtet<br />

wur<strong>de</strong>n. Diese Aktion erwies sich als Initialzündung zur Besetzung aller weiteren Dienststellen<br />

<strong>de</strong>s MfS. Die ersten Mutigen waren die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Arbeitskreises "Frauen für Verän<strong>de</strong>rung",<br />

die gegen diese Vernichtung aktiv wur<strong>de</strong>n. Sie besetzten zuerst die Ein- und Ausgänge<br />

und hielten neben mehreren Pkw auch Lkw und ein Müllauto an und ließen die Tore<br />

mit <strong>de</strong>n Fahrzeugen verbarrikadieren.<br />

Nach zähen Verhandlungen mit <strong>de</strong>m diensthaben<strong>de</strong>n MfS-Offizier trafen ein Militärstaatsanwalt<br />

sowie zwei weitere Staatsanwälte ein und berieten mit <strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>r Bezirksverwaltung<br />

und Vertretern <strong>de</strong>r Bürger das weitere Vorgehen. Als erstes wur<strong>de</strong> beschlossen, einer<br />

Delegation von zehn Bürgern <strong>de</strong>n Zutritt zu gestatten. 2 Nach einiger Zeit drängten weitere<br />

200 Personen in das Gebäu<strong>de</strong>.<br />

Sie fan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Wirtschaftsräumen eine Kohlenheizung, die im "Spannungsfall" die installierte<br />

Gasheizung ersetzen sollte. Um <strong>de</strong>n Ofen herum lagen Aktendullis 3 , leere Aktenordner,<br />

zerrissene Papiere und Asche. 4 In einem an<strong>de</strong>ren Raum stand eine Verkollerungsanlage, in<br />

<strong>de</strong>r Papier in großen Trommeln vermahlen und mit Wasser zu einem Brei vermengt wur<strong>de</strong>.<br />

Nach mehreren Inspektionen <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong>n die Aktenräume versiegelt und eine<br />

unabhängige Kontrollgruppe aus engagierten Bürgern gebil<strong>de</strong>t. Deren vorrangige Aufgabe<br />

war die Sicherung <strong>de</strong>r Akten als Beweismaterial in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Militärstaatsanwalt.<br />

Im Dezember 1989 konstituierte sich aus diesen engagierten Bürgern das Bürgerkomitee,<br />

welches diese Aufgaben langfr<strong>ist</strong>ig wahrnahm. Allerdings hatten Mitarbeiter <strong>de</strong>r<br />

Stasi noch bis En<strong>de</strong> Dezember Zugang zu ihren Arbeitsplätzen. Damit bestand weiterhin die<br />

Möglichkeit, Unterlagen verschwin<strong>de</strong>n zu lassen, ehe die Stasi aufgelöst wur<strong>de</strong>.<br />

Im Zuge <strong>de</strong>r Sicherstellung wur<strong>de</strong>n die Akten von mehreren Personen gesichtet, umgeräumt,<br />

vermischt und notdürftig gelagert. Die Akten wur<strong>de</strong>n schließlich, im Rahmen <strong>de</strong>r Amtshilfe,<br />

durch Mitarbeiter <strong>de</strong>s Thüringischen Staatsarchivs Weimar 5 nach archivischen Gesichtspunkten<br />

gekennzeichnet und geordnet. In <strong>de</strong>r Untersuchungshaftanstalt <strong>de</strong>s MfS lagerten<br />

viele Akten ungeordnet und unter schlechten Bedingungen. Sie waren dort aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Kreisdienststellen (KD) <strong>de</strong>poniert wor<strong>de</strong>n. 6 Die Akten enthielten u. a. personenbezogene<br />

Informationen von etwa 200 000 Einwohnern <strong>de</strong>s Bezirks <strong>Erfurt</strong>. Dazu kamen<br />

Auswertungen, Berichte, Anweisungen und Richtlinien für die innere Verwaltung <strong>de</strong>r Staatssicherheit.<br />

Die Umlagerungen wur<strong>de</strong>n unter Anleitung <strong>de</strong>r Archivare <strong>de</strong>s Staatsarchivs und<br />

ständiger Kontrolle durch das Bürgerkomitee durchgeführt. Allerdings ergaben Stichproben,<br />

dass das Aktenmaterial schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vollständig war. Als erste<br />

Maßnahme zur Erschließung wur<strong>de</strong>n die Unterlagen aus <strong>de</strong>n Büros von Müll und an<strong>de</strong>ren<br />

Fremdkörpern gereinigt und in L<strong>ist</strong>en erfasst. Durch die Art <strong>de</strong>r "Übergabe" <strong>de</strong>r Akten aus<br />

<strong>de</strong>n Büros <strong>de</strong>r MfS-Mitarbeiter gab es keine Übersichten <strong>de</strong>s strukturellen Aufbaus o<strong>de</strong>r an-<br />

1<br />

Vgl. Die Geschichte <strong>de</strong>s Bürgerkomitees in <strong>Erfurt</strong> – Zeitzeugenberichte. Hg: TLStU; Gesellschaft für<br />

Zeitgeschichte. <strong>Erfurt</strong> 2004.<br />

2<br />

siehe auch Kopiervorlage: Fernschreiben von J. Schwarz.<br />

3<br />

Plastikteile zum Auffä<strong>de</strong>ln von gelochten Seiten.<br />

4<br />

Vgl. Gieseke, Jens: Die DDR-Staatssicherheit. Schild und Schwert <strong>de</strong>r Partei; Hg.: <strong>Bund</strong>eszentrale<br />

für politische Bildung. Bonn 2000, S. 96 ff.<br />

5<br />

In <strong>de</strong>r Archivorganisation <strong>de</strong>r DDR war es ab 1965 Thüringisches Staatsarchiv für <strong>de</strong>n Bezirk <strong>Erfurt</strong><br />

(mit unterstellten H<strong>ist</strong>orischen Staatsarchiven bzw. Außenstellen Altenburg, Gotha, Greiz) und firmiert<br />

nach <strong>de</strong>r Neugründung <strong>de</strong>s Fre<strong>ist</strong>aates seit 1991 als Thüringisches Hauptstaatsarchiv.<br />

Vgl. www.thueringen.<strong>de</strong>/<strong>de</strong>/staatsarchive/weimar, 20.8.2008.<br />

6<br />

Vgl. Stein, Eberhard: Sorgt dafür, dass sie die Mehrheit nicht hinter sich kriegen. MfS und SED im<br />

Bezirk <strong>Erfurt</strong>. Hg. <strong>BStU</strong> (BF informiert Nr. 22). Berlin 1999.<br />

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