Schulmappe Erfurt (PDF, 2MB, Datei ist barrierefrei ... - BStU - Bund.de
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<strong>BStU</strong>-Außenstelle <strong>Erfurt</strong> Beispiele<br />
als unzuverlässig eingestuften Einwohner <strong>de</strong>r Grenzregionen ohne Vorankündigung von Mitarbeitern<br />
<strong>de</strong>s MfS in Begleitung <strong>de</strong>r örtlichen Bürgerme<strong>ist</strong>er und Polizei aus <strong>de</strong>n Häusern<br />
geholt und innerhalb weniger Stun<strong>de</strong>n auf Lastwagen und Zügen ins Lan<strong>de</strong>sinnere transportiert.<br />
Sie wussten oft nicht, wohin die Reise ging und konnten nur das Nötigste mitnehmen.<br />
Es wur<strong>de</strong>n zwar Inventarl<strong>ist</strong>en angefertigt mit <strong>de</strong>m Hinweis, nach erfolgter Umsiedlung könne<br />
das bewegliche Gut nachgeholt wer<strong>de</strong>n, aber dies war me<strong>ist</strong> unmöglich. So wur<strong>de</strong>n z. B.<br />
Bauernfamilien in Neubauwohnungen untergebracht und konnten schon aus Platzgrün<strong>de</strong>n<br />
ihr Vieh und die Einrichtung <strong>de</strong>r Häuser nicht mitnehmen. Die Entschädigung, die staatlicherseits<br />
gezahlt wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ckte in <strong>de</strong>n me<strong>ist</strong>en Fällen nicht einmal <strong>de</strong>n materiellen Wert. In<br />
<strong>de</strong>n Städten, in die die "Zwangsumgesie<strong>de</strong>lten" transportiert wur<strong>de</strong>n, war man teilweise nicht<br />
auf so viele Neuzugänge vorbereitet, so dass keine o<strong>de</strong>r völlig unzureichen<strong>de</strong> Wohnungen<br />
zur Verfügung stan<strong>de</strong>n. Oftmals waren die Wohnungen auch viel zu klein, sodass etwa eine<br />
fünfköpfige Familie in einer Dreiraumwohnung unterkommen musste, bis eine an<strong>de</strong>re Lösung<br />
gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>. Beruflich sah die Lage ähnlich aus. So wur<strong>de</strong>n Menschen, die ihr Leben<br />
in <strong>de</strong>r Landwirtschaft gearbeitet hatten, auf einmal zu Hilfsdiensten in Fabriken geschickt.<br />
Viele Bauern schmerzte es auch, dass zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Umsiedlung die Ernte vor<br />
<strong>de</strong>r Tür stand o<strong>de</strong>r in vollem Gange war. Die Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r vertriebenen Familien mussten kurz<br />
vor o<strong>de</strong>r während <strong>de</strong>r Abschlussprüfungen die Schule wechseln o<strong>de</strong>r sie vorzeitig, dann ohne<br />
Abschluss, verlassen. Vertrieben wur<strong>de</strong>n vor allem:<br />
• Gegner <strong>de</strong>s Systems,<br />
• "Ostflüchtlinge" und "Volks<strong>de</strong>utsche",<br />
• ehemalige Berufssoldaten <strong>de</strong>r Wehrmacht,<br />
• Leute mit Beziehungen zum "Westen",<br />
• illegale Grenzgänger,<br />
• Kaufleute, Unternehmer, Großbauern, Handwerker, Gastwirte und sonstige freie Berufe,<br />
<strong>de</strong>nen Verstöße gegen Bewirtschaftungsvorschriften o<strong>de</strong>r unerlaubte Westverbindungen<br />
vorgeworfen wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Die Gastwirtschaften und die Bauernhöfe mit Anbauflächen wur<strong>de</strong>n sowohl im Grenzgebiet<br />
als auch im übrigen Land von <strong>de</strong>r HO bzw. <strong>de</strong>n LPG übernommen. Die HO war die staatliche<br />
Han<strong>de</strong>lsorganisation. Sie betrieb u. a. Kaufhallen, Lä<strong>de</strong>n und Gaststätten. Die LPG o<strong>de</strong>r<br />
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft war ein Zusammenschluss aller Bauern unter<br />
staatlicher Kontrolle. Diese "Kollektivierung" geschah unter Zwang, sodass es bald keine<br />
privat wirtschaften<strong>de</strong>n Bauern mehr gab.<br />
Fluchtversuche<br />
Trotz <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n Sicherung <strong>de</strong>r Grenzanlagen kam es immer wie<strong>de</strong>r zu Fluchtversuchen.<br />
Allerdings erreichten nur wenige überhaupt die Grenzanlagen. Um ein Beispiel zu<br />
nennen: von 200 Fluchtwilligen, die die Fünfkilometerzone erreichten, gelangten zwölf Personen<br />
an die Grenze, d. h. in <strong>de</strong>n 500 m Schutzstreifen, und nur fünf schafften dann tatsächlich<br />
die Überwindung <strong>de</strong>s Grenzzauns. Viele wur<strong>de</strong>n bereits im Wohnort durch IM "ent<strong>de</strong>ckt" und<br />
verhaftet o<strong>de</strong>r dann auf <strong>de</strong>m Weg ins Grenzgebiet von <strong>de</strong>r Polizei o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Grenztruppen<br />
festgenommen. Ihnen drohte bei Verurteilung wegen § 213 (ungesetzlicher Grenzdurchbruch)<br />
nach Strafgesetzbuch <strong>de</strong>r DDR (StGB) eine Haftstrafe von einem bis acht Jahren. 20<br />
20 Vgl. § 213, GBl. <strong>de</strong>r DDR v. 2.7.1979.<br />
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