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Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum

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<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />

<strong>Unternehmertum</strong><br />

Nummer 27 / Oktober 2011


UNTERNEHMERTUM<br />

3 Editorial: Jetzt die Zuversicht nicht<br />

verlieren!<br />

4 Nationalrätin Brigitte Häberli-Koller:<br />

«Eine starke Wirtschaft braucht einen<br />

starken Staat»<br />

6 Dr. Robert Maus: «Wer im öffentli-<br />

chen <strong>Die</strong>nst tätig ist, muss unter-<br />

nehmerisch denken und handeln»<br />

10 Michel Grunder: um schlagkräftige<br />

Argumente nie verlegen<br />

BEGEGNUNG<br />

13 Dr. h. c. Annemarie Huber-Hotz: «Frei-<br />

willigkeit ist Teil unseres Milizsystems»<br />

18 Ausflug in eine unbekannte Klangwelt<br />

20 Akkordeon und Cello <strong>–</strong> eine unge-<br />

wöhnliche Kombination<br />

22 Auch <strong>für</strong> Unternehmer gilt: Wer Frei-<br />

heiten geniesst, trägt Verantwortung<br />

28 <strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> Dr. h. c. Walter Reists<br />

Lebenswerk zum Wohle einer freien<br />

Gesellschaft<br />

<strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />

<strong>Unternehmertum</strong><br />

Nummer 27 / Oktober 2011<br />

© Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, Ermatingen<br />

GESPRÄCH<br />

32 Sicherheit als bedeutender Standort-<br />

faktor<br />

37 Ständiges Hinterfragen bremst das<br />

Management<br />

40 Tool erkennt ethische Charakteristik<br />

von Stellenbewerbern<br />

42 <strong>Die</strong> Unternehmenskultur als Schlüssel<br />

zur Innovation<br />

44 <strong>Die</strong> Fähigkeit zur Selbstreflexion fehlt<br />

in vielen Lokalredaktionen<br />

47 Neue Arbeitswelt verlangt bessere<br />

Koordination zwischen Schule und<br />

Familie<br />

50 Gegenseitige Erwartungen von Schule<br />

und Eltern stimmen of nicht überein<br />

Herausgeberin<br />

Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum<br />

CH-8272 Ermatingen<br />

Telefon +41 71 663 23 23<br />

Fax +41 71 663 23 24<br />

info@lilienberg.ch<br />

www.lilienberg.ch<br />

AUSBLICK<br />

53 Heidi Wunderli-Allenspach: ETH stärkt<br />

den Wissens- und Werkplatz Schweiz<br />

55 «Allgemeine Wehrpflicht» im Fokus<br />

des neuen Armee-Zyklus<br />

BILDUNG<br />

56 Frauenförderung auf <strong>Lilienberg</strong><br />

57 Aktiver Austausch: Regionalgruppe<br />

Winterthur zu Gast im Haus der Wirtschaft<br />

in Schaffhausen<br />

MITGLIEDSCHAFT<br />

58 Eine Mitgliedschaft als <strong>Lilienberg</strong><br />

Freund lohnt sich<br />

BLICKWINKEL<br />

60 Information als unternehmerische<br />

Kernaufgabe <strong>–</strong> auch in der Politik<br />

Redaktion und Konzeption<br />

<strong>Lilienberg</strong> <strong>Unternehmertum</strong>, Hinwil<br />

Stefan Bachofen, Wilhelm Knecht<br />

Bilder <strong>–</strong> Fredy Blunier, Vinzenz Zahner<br />

Layout <strong>–</strong> Alinéa AG, Wetzikon<br />

Druck <strong>–</strong> pmc, Oetwil am See<br />

3<br />

Von Christoph Vollenweider<br />

Jetzt die Zuversicht<br />

nicht verlieren!<br />

Das Editorial in der letzten Ausgabe unserer<br />

<strong>Zeitschrift</strong> stand ganz im Zeichen<br />

der Zuversicht. Seit diesem Sommer wird<br />

unsere Zuversicht allerdings auf eine harte<br />

Probe gestellt, nachdem uns eine Reihe<br />

von Meldungen aus der wohltuenden<br />

Sommerruhe aufgeschreckt hat: Das unfassbare<br />

Massaker an Jugendlichen im<br />

friedlichen Norwegen, die Brutalität der<br />

Kämpfe im libyschen Aufstand sowie die<br />

massiven Plünderungen und Brandschatzungen<br />

in verschiedenen Städten Grossbritanniens<br />

haben uns aufgeschreckt und<br />

betroffen gemacht.<br />

Zur ganz grossen Verunsicherung beigetragen<br />

haben allerdings die jüngsten<br />

Entwicklungen in der Wirtschaft: <strong>Die</strong><br />

schier bodenlose Verschuldung verschiedener<br />

Euro-Länder, das Taumeln Griechenlands<br />

am finanziellen Abgrund, die<br />

Kursstürze an den Börsen und vor allem<br />

das Absacken des Euro gegenüber dem<br />

Franken haben uns schockiert und machen<br />

uns Angst. <strong>Die</strong> Schweiz, welche die<br />

meisten wirtschaftspolitischen Hausaufgaben<br />

gut gemacht und ihre öffentlichen<br />

Finanzen weitgehend im Griff hat,<br />

EDIToRIAL<br />

scheint nun die Zeche <strong>für</strong> den europäischen<br />

Schlendrian bezahlen zu müssen:<br />

Unsere Unternehmer, unser Staat und<br />

unsere Gesellschaft stehen vor sehr grossen<br />

Herausforderungen, die von allen<br />

Verantwortungsträgern Besonnenheit,<br />

Umsicht, Klugheit <strong>–</strong> und eben wieder viel<br />

Zuversicht verlangen!<br />

<strong>Die</strong> bisherigen Reaktionen vonseiten der<br />

Betroffenen und Verantwortungsträger<br />

auf diese grossen Herausforderungen<br />

müssen wir als ermutigend werten, hat<br />

doch bis jetzt kaum jemand wirklich den<br />

Kopf verloren oder sich in tiefsten Pessimismus<br />

gehüllt. Das verleiht uns wieder<br />

etwas Zuversicht. Doch die Krise ist längst<br />

nicht ausgestanden, trotz des überraschenden<br />

und entschlossenen Schrittes<br />

unserer Nationalbank.<br />

Alle diese Ereignisse zeigen, wie entfesselt<br />

und kaum mehr kontrollierbar die<br />

Kräfte geworden sind, die den Globus<br />

beherrschen. Sie zeigen auch, dass die<br />

Schweiz zwar von vielen Ereignissen nicht<br />

direkt betroffen ist, aber deren Auswirkungen<br />

ganz direkt und schmerzhaft<br />

spürt, vor allem in der Wirtschaft. Unan-<br />

genehm und gefährlich ist auch das um<br />

sich greifende Gefühl, nicht mehr verstehen,<br />

geschweige denn beeinflussen zu<br />

können, was um uns herum eigentlich<br />

geschieht.<br />

<strong>Die</strong>se Situation aber zwingt geradezu die<br />

Unternehmer und Politiker, ja alle Verantwortungsträger<br />

in der Gesellschaft, sich<br />

intensiv mit diesen Problemen und Entwicklungen<br />

auseinanderzusetzen: Nur<br />

wer versteht, was vor sicht geht, kann<br />

nach Lösungen suchen und der Verunsicherung<br />

entgegenwirken!<br />

<strong>Die</strong> Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

beschäftigt <strong>–</strong> thematisch breit abgestützt<br />

durch die sieben Aktionsfelder mit<br />

den Hintergründen der Ereignisse und<br />

Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft sowie mit den kommenden<br />

Entwicklungen. So findet im kommenden<br />

Februar ein Symposium zum Thema Globalisierung<br />

statt, so lotet ein neuer Zyklus<br />

ab Oktober die Grenzen des Marktes in<br />

der Landwirtschaft aus. Im Weiteren werden<br />

wir uns den komplexen Verflechtungen<br />

mit unserem Nachbar Deutschland<br />

widmen und den vielfältigen Folgen der<br />

Personenfreizügigkeit.<br />

Nutzen auch Sie die Gelegenheit, sich<br />

vertieft und gründlich zu informieren, zu<br />

lernen und sich selber einzubringen!


4 5<br />

Von Nationalrätin Brigitte Häberli-Koller*<br />

Der Bildvergleich ist so abgedroschen<br />

wie haltlos: hier der Staatsdiener mit<br />

Ärmelschoner vor Stempelkissen und<br />

Aktenberg <strong>–</strong> dort der Unternehmer, der<br />

hemdsärmelig via Handy seine Geschäfte<br />

managt. Der Vergleich suggeriert,<br />

dass staatliches Handeln stets langfädig,<br />

ineffizient und rückständig sei, derweil<br />

die moderne Wirtschaft immer kreativ,<br />

innovativ, effizient und zumeist erfolgreich<br />

funktioniert.<br />

Beide Bilder enthalten eine Spur Wahrheit<br />

<strong>–</strong> und sind dennoch unzutreffend. Ich<br />

habe in Grossfirmen schon drögere Beamtenseelen<br />

angetroffen als in vielen<br />

Amtsstuben und in öffentlichen Verwaltungen<br />

schon mehr Innovation und Kreativität<br />

als in mancher «modernen Firma»<br />

erlebt.<br />

Der Staat <strong>–</strong> das sind wir alle<br />

Vorurteile und Klischees bringen uns also<br />

nicht weiter. Denn es stellt sich längst<br />

nicht mehr die Frage, ob wir mehr oder<br />

weniger Staat brauchen <strong>–</strong> wohl aber,<br />

welchen Staat wir uns wünschen. Gerade<br />

UNTERNEHMERTUM<br />

«Eine starke Wirtschaft<br />

braucht einen starken Staat»<br />

in Wahlkampf-Zeiten erwarte ich anstelle<br />

von Vorurteilen mehr Augenmass und<br />

Vernunft. Der Staat <strong>–</strong> das sind wir alle.<br />

<strong>Die</strong> Unternehmer und Wirtschaftsführer<br />

ebenso wie der Bürger und der Staatsdiener.<br />

Frage gegenseitiger Aufgaben<br />

und Erwartungen<br />

Also lautet die Kernfrage, welches die<br />

Aufgaben des Staates gegenüber der<br />

Wirtschaft sind <strong>–</strong> und was umgekehrt das<br />

Gemeinwesen von der Wirtschaft erwarten<br />

darf. Oder etwas zugespitzt: Wovon<br />

sollte der Staat bei der Wirtschaft seine<br />

Finger lassen <strong>–</strong> und wo liegen die Grenzen<br />

der Ansprüche der Wirtschaft gegenüber<br />

dem Staat. Hier habe ich mir <strong>–</strong> in<br />

einer KMU-Familie aufgewachsen <strong>–</strong><br />

schon früh und aus eigener Anschauung<br />

eine Meinung gebildet. Der Staat sorgt<br />

<strong>für</strong> klare Regeln, garantiert der Wirtschaft<br />

eine hohe Rechts- und damit Investitionssicherheit.<br />

Er sorgt <strong>für</strong> eine gute Infrastruktur,<br />

eine optimale Bildung und eine<br />

hochstehende Forschung. Der Staat legt<br />

sodann die sozialen Standards fest und<br />

überwacht ihre Einhaltung. <strong>Die</strong> Wirtschaft<br />

ihrerseits entwickelt, produziert<br />

und vermarktet Produkte und <strong>Die</strong>nstleistungen,<br />

bietet faire Arbeitsplätze an und<br />

trägt mit Steuern und Abgaben zur gesunden<br />

Finanzierung der öffentlichen<br />

Haushalte bei.<br />

Doch seit einiger Zeit unterscheidet man<br />

in der Wirtschaft zwischen «Patrons» und<br />

«Managern». Und bei der öffentlichen<br />

Hand registrieren wir immer öfter Ermessensspielräume<br />

zugunsten von knackig<br />

präsentierten Start-up-Unternehmen und<br />

zulasten langjähriger <strong>–</strong> eben traditioneller<br />

<strong>–</strong> Firmen. Hier investieren Patrons in die<br />

Substanz ihrer Unternehmen <strong>–</strong> also in ihr<br />

Personal und die Erforschung und Entwicklung<br />

neuer Produkte. Dort produzieren<br />

übereifrige Beamte im Bestreben nach<br />

«Benchmarking» und einem zunehmenden<br />

regionalen Wettbewerbsdenken eine<br />

neue Hackordnung zwischen Stadt und<br />

Land <strong>–</strong> zwischen den Sprachkulturen oder<br />

den Bergregionen. Ich ermuntere zum<br />

Schritt zurück zur Normalität. Das Erfolgsrezept<br />

der Schweiz beruht auf einer Politik,<br />

die von Verantwortung, Ausgleich<br />

und Respekt geprägt ist.<br />

Erfolgsgeschichte<br />

gemeinsam schreiben<br />

Immerhin schreiben Staat und Wirtschaft<br />

schon lange gemeinsam an der Erfolgsgeschichte<br />

der Schweiz. Ein überzeugendes<br />

Beispiel dieses Zusammenwirkens ist<br />

unser Berufsbildungssystem. <strong>Die</strong> gewerbliche<br />

und kaufmännische Berufsbildung<br />

zählt zu den weltweit besten ihrer Art.<br />

Inzwischen verfügen wir über das durchlässigste<br />

Bildungssystem der Welt <strong>–</strong> mithin<br />

das effizienteste: Es reicht von der<br />

Volksschule über den Berufsabschluss<br />

und die Maturität bis hin zur Fachhochschule<br />

und sogar Universität. Wir haben<br />

die Vorzüge der Bologna-Reform <strong>für</strong> unser<br />

Bildungssystem konsequent genutzt<br />

und bemühen uns weiterhin, wirtschaftsnah<br />

auszubilden. Es wird dabei eine wichtige<br />

Aufgabe der Volksschule bleiben,<br />

junge Menschen noch stärker zu befähigen,<br />

eine Berufsausbildung zu bestehen.<br />

<strong>Die</strong> Diskussion über Matura- und Hochschul-Quoten<br />

verliert angesichts der ausgezeichneten<br />

Lage der Berufsbildung ihre<br />

<strong>–</strong> zumeist herbeigeredete <strong>–</strong> Schärfe.<br />

Ein weiteres wichtiges Feld der Zusammenarbeit<br />

bildet die Forschung. Unsere<br />

weltweit anerkannten technischen Hochschulen<br />

in Zürich und Lausanne sowie<br />

staatliche Forschungsinstitutionen im<br />

Energie- und Landwirtschaftsbereich helfen<br />

mit, dass unsere Produkte Weltspitze<br />

bleiben. Von der Mikromechanik über die<br />

Nanotechnologie und Pharmakologie bis<br />

hin zur hochstehenden Energie- und Umweltforschung<br />

deckt die Schweiz ein<br />

Spektrum ab, das unsere Hightech-Unternehmen<br />

auch künftig vergleichsweise<br />

resistent gegen finanzpolitische Verwerfungen<br />

der Märkte machen kann.<br />

Jetzt ist der Staat dran<br />

Wir haben also keinen Grund, unser Licht<br />

unter den Scheffel zu stellen. <strong>Die</strong> Pionierund<br />

Wirtschaftsnation Schweiz ist eine<br />

nahezu einzigartige Erfolgsgeschichte.<br />

Keine Frage, dass wir uns darauf nicht<br />

ausruhen dürfen. Wir stehen in der<br />

Pflicht, dass der Staat die Wirtschaft <strong>–</strong><br />

und dabei vor allen Dingen die KMU als<br />

eigentlichen Motor <strong>–</strong> nicht durch hohe<br />

Steuern, Abgaben und administrative<br />

Aufwände erwürgt. <strong>Die</strong> Wirtschaft hat<br />

sich in den vergangenen drei Jahrzehnten<br />

reformiert und die neuen, globalen Herausforderungen<br />

angenommen. Jetzt ist<br />

der Staat dran. Immerhin hat der Bundesrat<br />

meine bereits 2009 eingereichte Motion<br />

<strong>für</strong> eine durchgreifende Regierungsform<br />

<strong>für</strong> gut und hilfreich befunden.<br />

Nationalrätin Brigitte Häberli-Koller<br />

kandidiert diesen Herbst <strong>für</strong> einen Sitz<br />

im Ständerat.<br />

Tröstlich, dass inzwischen sogar einige<br />

<strong>–</strong> wenngleich zaghafte <strong>–</strong> Vorschläge der<br />

Landesregierung vorliegen. Auch eine<br />

Reise um die Welt beginnt mit dem ersten<br />

Schritt vor der eigenen Haustür.<br />

*Brigitte Häberli-Koller ist Nationalrätin<br />

aus Bichelsee (TG), Vizepräsidentin der<br />

CVP/EVP/GLP-Fraktion und Mitglied der<br />

Finanzkommission sowie der Kommission<br />

<strong>für</strong> Wissenschaft, Bildung und Kultur. Sie<br />

setzt sich <strong>für</strong> ein starkes duales Bildungssystem<br />

sowie da<strong>für</strong> ein, dass alle Kinder<br />

die gleichen Startbedingungen erhalten.<br />

Gesunde Staatsfinanzen als Schweizer<br />

Erfolgsprinzip und die Sanierung der Sozialwerke<br />

bilden weitere Schwerpunkte<br />

ihres Wirkens. Brigitte Häberli-Koller kandidiert<br />

am 23. Oktober <strong>für</strong> den Ständerat<br />

als Nachfolgerin von Ständerat Dr. Philipp<br />

Stähelin. Bei der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum zeichnet Brigitte<br />

Häberli-Koller zusammen mit Dr. Heinz<br />

Bachmann <strong>für</strong> die Anlässe im Aktionsfeld<br />

Bildung & Sport verantwortlich.


6 7<br />

Von Dr. Robert Maus*<br />

Ist der Landrat als Leiter einer staatlichen<br />

und kommunalen Verwaltungsbehörde<br />

ein Unternehmer? Ist der Vergleich mit<br />

einem Unternehmer der Wirtschaft, einem<br />

Unternehmer im eigentlichen Sinn,<br />

überhaupt zulässig? In den 24 Jahren, in<br />

welchen es mir vergönnt war, Behörden<br />

und Gremien zu leiten, habe ich kaum<br />

anders handeln können als ein mittelständischer<br />

Unternehmer.<br />

Klare Strukturen und Kompetenzen<br />

in der Verwaltung<br />

Das Landratsamt stellt Produkte her,<br />

nicht aus Eisen oder Stahl, sondern «nur»<br />

aus Papier. Aber diese Papiere enthalten<br />

Genehmigungen, Erlaubnisse <strong>für</strong> Planung<br />

und Erschliessung der Gewerbeund<br />

Industriegebiete, <strong>für</strong> den Bau der<br />

Strassen, der Strom-, Gas- und Wasserleitungen<br />

sowie der Produktions- und<br />

Verwaltungsgebäude der Unternehmen<br />

der Wirtschaft. All diese Entscheide müssen<br />

zügig und zeitnah gefällt werden.<br />

Um das zu ermöglichen, wird das Amt<br />

von 650 Mitarbeitenden straff organisiert.<br />

Klare Strukturen, Zuständigkeiten<br />

UNTERNEHMERTUM<br />

«Wer im öffentlichen <strong>Die</strong>nst tätig ist,<br />

muss unternehmerisch denken und handeln»<br />

und Kompetenzen erfordern aber auch<br />

ständige Kommunikation.<br />

Der Landrat hat da<strong>für</strong> die alleinige Regelungskompetenz.<br />

In Konstanz wurden<br />

dazu sieben Abteilungen (Dezernate) geschaffen,<br />

deren Leiter jede Woche im<br />

«jour fix» durch Beratung der wichtigen<br />

Post rasche Entscheidungen quer durch<br />

alle Dezernate gewährleisten. Was wichtige<br />

Post ist, entscheidet der Landrat<br />

durch Aussonderung aus der gesamten<br />

täglichen Eingangspost und einem darauf<br />

gestützten Rücksprachesystem, das auch<br />

kontrolliert wird. <strong>Die</strong>ses gestattet dem<br />

CEO, von seiner Befugnis Gebrauch zu<br />

machen, sowohl Weisungen zur Bearbeitung<br />

des Einzelfalles zu erteilen als auch<br />

den Fall zur Chefsache zu erklären und<br />

selbst zu entscheiden.<br />

Unternehmenskultur formt das Amt<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> das Funktionieren<br />

einer solch straffen Organisation ist das<br />

uneingeschränkte Vertrauen der Führungskräfte<br />

untereinander und zu den<br />

Mitarbeitenden. Der Fleiss des Chefs,<br />

seine absolute Pünktlichkeit, seine Fairness,<br />

seine Solidarität zu allen im Hause,<br />

seine Verantwortung <strong>für</strong> Entscheidungen<br />

schaffen das Klima und den Teamgeist<br />

der Mannschaft und ihre Solidarität. Ganz<br />

wichtig ist, dass die Mitarbeitenden nach<br />

ihren Stärken eingesetzt werden, dass<br />

der Chef <strong>für</strong> jeden Mitarbeiter ansprechbar<br />

ist, dass er sich um seine Leute kümmert,<br />

wenn nötig auch in privaten Angelegenheiten<br />

Ratgeber ist. Wenn dann<br />

auch der Humor nicht unterdrückt wird,<br />

kommt die Unternehmenskultur zustande,<br />

welche das Amt formt.<br />

Grosse Verantwortung erfordert die kommunale<br />

Seite des Landrats, der auch Vorsitzender<br />

des kommunalen Parlaments<br />

«Kreistag» ist, dort aber kein Stimmrecht<br />

hat. Das jährliche Budget <strong>für</strong> die Verwaltung,<br />

die Berufsschulen, Sporthallen,<br />

Kreisstrassen und Abfallbeseitigungsanlagen<br />

erfordert vorausschauende, strategische<br />

Planung und klare Prioritäten. <strong>Die</strong><br />

Finanzierung von Grossprojekten wie der<br />

Kompostierungsanlage, des Amtsgebäudes<br />

oder des Nahverkehrszuges «See-<br />

Dr. Robert Maus<br />

haas» schöpft die Einschätzungsfähigkeit<br />

<strong>für</strong> finanzielle Machbarkeiten und parlamentarische<br />

Mehrheiten voll aus. Aber<br />

hier hinkt der Vergleich unternehmerischen<br />

Fühlens, Denkens und Handelns:<br />

Der Unternehmer muss sich <strong>für</strong> seine<br />

Entscheidungen keine Mehrheiten eines<br />

heterogenen, parteipolitischen Parlaments<br />

beschaffen.<br />

<strong>Die</strong> Macht des Vorsitzenden<br />

<strong>Die</strong> Tätigkeit als Vorsitzender eines Verwaltungsrates,<br />

eines Beirates oder Stiftungsrates<br />

basiert auf denselben Prinzipien.<br />

Vom Vorsitzenden wird nicht die<br />

Fachkompetenz verlangt, sondern die<br />

Fähigkeit zur Koordinierung der Kernkompetenzen<br />

aller Mitglieder. Zuhören,<br />

zusammenfassen, Verständnis aufbringen,<br />

Meinungen akzeptieren und dann<br />

möglichst grosses Einvernehmen herbeiführen<br />

ist die Macht des Vorsitzenden.<br />

<strong>Die</strong> Verbindung von Amt in Konstanz,<br />

Mandat in Stuttgart und in der Rundfunkanstalt<br />

in Baden-Baden erfordert ein<br />

strenges Zeitmanagement über sieben<br />

Tage in der Woche, genau so wie dies<br />

von einem Unternehmer gefordert wird.<br />

Budgets im Vergleich<br />

Das Budget des Landkreises Konstanz, das der Landrat dem Kreisparlament<br />

zur Genehmigung vorlegt, beträgt im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre<br />

200 Millionen Euro im Verwaltungshaushalt und 10 Millionen Euro im Investitionshaushalt.<br />

Das Budget des Rundfunksenders, über das zuerst der Verwaltungsrat<br />

und anschliessend der Rundfunkrat entscheidet, lag im vergangenen Kalenderjahr<br />

bei rund 2,5 Milliarden Euro.<br />

Der berufliche Werdegang von Dr. Robert Maus<br />

1961 bis 1969: Richter, Staatsanwalt, Notar<br />

1970 bis 1973: Bürgermeister von Gottmadingen<br />

1972 bis 1996: Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg<br />

1973 bis 1997: Landrat des Landkreises Konstanz<br />

1978 bis 1998: Vorsitzender des Verwaltungsrates des Südwestfunks Baden-<br />

Baden (SWR) und der Werbegesellschaft im Südwestfunk GmbH<br />

1998 bis 2002: Vorsitzender des Finanzausschusses des Verwaltungsrates des<br />

SWR<br />

1991 bis 2003: Präsident des Bodenseerates, seither Vizepräsident<br />

1993 bis 1997: Präsident des Landkreistages Baden-Württemberg<br />

1970 bis heute: Verschiedene Verwaltungsrats- und Stiftungsratsmandate, unter<br />

anderem beim Kraftwerk Laufenburg<br />

1999 bis heute: Vorsitzender des Aufsichtsrates der Excelsis Business Technology<br />

AG, Stuttgart


8<br />

Unternehmerisches Denken auch in die Verwaltung hineintragen<br />

«Eine kundenorientierte dienstleistende und professionell arbeitende Verwaltung<br />

ist Voraussetzung und Wesensmerkmal funktionierender Staaten.» <strong>Die</strong>se Aussage<br />

stammt von Botschafter Walter Fust, nachzulesen in der <strong>Lilienberg</strong> Dokumentation<br />

«Fühlen <strong>–</strong> Denken <strong>–</strong> Handeln: 20 Jahre <strong>Lilienberg</strong>». Sie untermauert das Ziel der Stiftung<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, das unternehmerische Denken und Handeln in<br />

alle Bereiche der Gesellschaft hineinzutragen. Nicht nur an der Spitze von Unternehmungen<br />

oder in der Wirtschaft braucht es unternehmerisch denkende und handelnde<br />

Menschen, sondern überall, wo Menschen Verantwortung übernommen<br />

haben, insbesondere auch in der Verwaltung.<br />

<strong>Die</strong> Verwaltung arbeite nicht in einer geschützten Werkstatt, sondern sei ständigen<br />

Veränderungen ausgesetzt, so Walter Fust. Um diese Veränderungen rechtzeitig<br />

zu antizipieren, um der Politik gute Entscheidungsgrundlagen vorzubereiten,<br />

ohne die politische Güterabwägung vorwegzunehmen, müsse die Verwaltung das<br />

Denken anderer (Unternehmer, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Medien, Lobbyisten<br />

etc.) gut kennen und damit umgehen können. «Grössere Verwaltungseinheiten,<br />

vor allem aber jene, welche Aufträge haben, die weit über administrative Aufgaben<br />

hinausgehen, sind gefordert, ihren Denk- und Handlungsspielraum gut zu nutzen<br />

und Beweglichkeit zu leben.» Dabei stellten sich laut Walter Fust unter anderem die<br />

Fragen, ob Verwaltungsangestellte von Unternehmern lernen können, wie unternehmerisches<br />

Denken in die Verwaltung Einzug finde, wenn es noch nicht dort<br />

ist, oder welche Führungserfahrung Verwaltungsspitzen mitbringen müssen und<br />

wo sie sich diesbezüglich weiterbilden können. Der hier vorliegende Artikel von<br />

Dr. Robert Maus zeigt am Beispiel des Landrates Konstanz auf, wie unternehmerischem<br />

Fühlen, Denken und Handeln in einem wichtigen Verwaltungssektor nachgelebt<br />

wird. (Bacs)<br />

* Dr. Robert Maus (78), Doktor der<br />

Rechte und baden-württembergischer<br />

Politiker der CDU, war unter anderem<br />

von 1973 bis 1997 Landrat des Landkreises<br />

Konstanz und von 1972 bis 1996<br />

Mitglied des Landtages von Baden-<br />

Württemberg. Seit über 40 Jahren hat<br />

er zudem verschiedene Verwaltungsrats-<br />

und Stiftungsratsmandate inne.<br />

Gastautoren als<br />

Vergleichspersönlichkeiten<br />

<strong>Die</strong> eigene <strong>Unternehmertum</strong>-Philosophie<br />

zum Vergleich stellen, nicht als<br />

Lehrmeinung, sondern als Beispiel <strong>für</strong><br />

<strong>lebendiges</strong> <strong>Unternehmertum</strong>. So lautet<br />

ein zentraler, von Dr. h. c. Walter<br />

Reist akzentuierter Unternehmens-<br />

Grundsatz. <strong>Die</strong> Teilnehmenden der<br />

zahlreichen Gesprächs- und Bildungsveranstaltungen<br />

auf <strong>Lilienberg</strong> stehen<br />

auf Augenhöhe mit ausgewiesenen<br />

Persönlichkeiten, leiten aus dem<br />

Erfahrungsaustausch ihre persönlichen<br />

Meinungen ab, um die vielfäl-<br />

tigen Herausforderungen im eigenen<br />

Unternehmen zu meistern. Seit einiger<br />

Zeit stellt sich auch in der <strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Zeitschrift</strong> in der Rubrik «<strong>Unternehmertum</strong>»<br />

eine Unternehmerpersönlichkeit<br />

zum Vergleich. Zuletzt der ehemalige<br />

Nationalrat Peter Bodenmann, Hotel-<br />

Unternehmer im Kanton Wallis (Ausgabe<br />

Nr. 25), und Thomas E. Kern, CEO von<br />

Unique, der Betriebsgesellschaft des Flughafens<br />

Zürich-Kloten (Ausgabe Nr. 26).<br />

Für die vorliegende aktuelle Ausgabe<br />

konnte die Redaktion der <strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Zeitschrift</strong> Dr. Robert Maus aus Gottmadingen<br />

(DE), ehemals Landrat des<br />

Der Landkreis Konstanz weist eine Fläche<br />

von knapp 820 Quadratkilometern<br />

auf. Er umfasst 25 Gemeinden mit insgesamt<br />

fast 280 000 Einwohnern.<br />

Landkreises Konstanz und Mitglied<br />

des Landtages von Baden-Württemberg,<br />

als Gastautor gewinnen.<br />

Wie alle bisherigen Autoren formuliert<br />

auch Robert Maus Gedanken zu<br />

grundsätzlichen unternehmerischen<br />

Themen und vertritt dabei seine persönliche<br />

Meinung. <strong>Die</strong>s soll anderen<br />

Unternehmerinnen und Unternehmern<br />

ermöglichen, die Erkenntnisse<br />

im unternehmerischen Wirken in den<br />

Vergleich zu den eigenen Standpunkten<br />

zu bringen. (Bacs)


10 11<br />

Von Andreas Jäggi<br />

Seit 2009 ist Michel Grunder verantwort-<br />

lich im Aktionsfeld Unternehmenskultur<br />

und -ethik. Sein zweiter Themen-Zyklus<br />

steht unter dem Titel «Ethische Werte<br />

des <strong>Unternehmertum</strong>s». Der studierte<br />

Philosoph ist um schlagende Argumente<br />

<strong>–</strong> auf <strong>Lilienberg</strong> und anderswo <strong>–</strong> nicht<br />

verlegen. In seinem Berufsalltag als PR-<br />

Berater führt er <strong>für</strong> Unternehmen, Verbände<br />

und Organisationen das Wort, zur<br />

Erholung lässt er als Boxer auch gerne mal<br />

die Fäuste sprechen.<br />

Michel Grunder ist in den Achtzigerjahren<br />

zusammen mit zwei jüngeren Geschwistern<br />

in Adligenswil bei Luzern aufgewachsen.<br />

Nach dem Gymnasium in<br />

Luzern studierte er Philosophie mit dem<br />

Schwerpunkten Metaethik und Wirtschaftsethik,<br />

daneben Schweizer Geschichte<br />

und theoretische Philosophie.<br />

Heute nach den Beweggründen gefragt,<br />

meint er lachend: «Motiviert hat mich<br />

rückblickend ein eher verklärtes, romantisiertes<br />

und idealisiertes Bild der Philosophie.<br />

Auch wenn ich mir das anders<br />

UNTERNEHMERTUM<br />

EDIToRIAL<br />

Michel Grunder:<br />

um schlagkräftige Argumente nie verlegen<br />

vorgestellt habe, faszinierten mich letztlich<br />

die rationalen Elemente, die Stringenz,<br />

das analytische Denken.»<br />

Rasanter Aufstieg zum Leiter<br />

einer PR-Agentur<br />

Nach dem Studium in Bern stieg er direkt<br />

ins Berufsleben ein. Erste praktische Erfahrungen<br />

sammelte er in einer PR-Agentur<br />

in Zürich. Rasch zeigte sich, dass sich<br />

sein analytisches Denken, gepaart mit<br />

einem starken Umsetzungswillen <strong>für</strong><br />

pragmatische Lösungen und seinem Talent<br />

zum Schreiben, ideal <strong>für</strong> dieses Berufsfeld<br />

eignen. So machte er rasch Karriere.<br />

Seit 2008 arbeitet er bei der PR-<br />

Agentur Farner in der Niederlassung Bern<br />

und brachte es in weniger als drei Jahren<br />

zu deren Leiter. Im Berner Team arbeiten<br />

insgesamt zehn Kommunikationsfachleute.<br />

Seine Schwerpunkte liegen vorwiegend<br />

im Bereich der Public Affairs <strong>für</strong><br />

Unternehmen und Verbände. Er ist spezialisiert<br />

auf Stakeholder- und Issues-<br />

Management, aber auch in der Finanzkommunikation<br />

<strong>für</strong> grosse Unternehmen<br />

tätig. Gefragt nach den Branchen seiner<br />

Kunden, nennt er primär die Bereiche<br />

Logistik, Verkehr, Energie und Klima. Obwohl<br />

sein Arbeitsort die Bundeshauptstadt<br />

ist, will Michel Grunder seinen<br />

Wohnort Luzern nicht aufgeben. Wie<br />

sollte er auch, denn von seiner Wohnung<br />

nahe dem Löwendenkmal sieht er, dass<br />

Tausende um die halbe Erde fliegen, um<br />

diese Stadt zu besuchen.<br />

Grundlage <strong>für</strong> verantwortliches<br />

unternehmerisches Handeln<br />

Als Michel Grunder angefragt wurde,<br />

sich im Aktionsfeld Unternehmenskultur<br />

und -ethik zu engagieren, sagte er ohne<br />

langes Zögern zu: «<strong>Lilienberg</strong> bietet die<br />

einmalige Möglichkeit, meine Leidenschaft<br />

<strong>für</strong> Philosophie mit unternehmerischen<br />

Herausforderungen in Verbindung<br />

zu bringen.» Er konzipierte als<br />

Erstes den Zyklus «Sinn und Ethik im<br />

<strong>Unternehmertum</strong>». Wichtig ist ihm dabei,<br />

dass sich die Diskussion nicht an<br />

Einzelfällen und in der Beliebigkeit der<br />

jeweiligen Gefühlslage der Teilnehmer<br />

Michel Grunder (rechts mit rotem Helm) im Boxkampf gegen einen zehn Kilo schwereren<br />

Iraker.<br />

erschöpft. Michel Grunder will mehr. Für<br />

ihn soll Unternehmensethik die Grundlage<br />

<strong>für</strong> verantwortliches unternehmerisches<br />

Handeln legen. Deshalb hat er in<br />

seinem zweiten Zyklus «Ethische Werte<br />

des <strong>Unternehmertum</strong>s» einen systematischen<br />

Ansatz gewählt. Über mehrere<br />

Veranstaltungen hinweg hat er ein Tool<br />

entwickelt, das die ethische Grundlage<br />

von Personen greifbar macht. Dabei wurden<br />

Werte definiert, Interviewmethoden<br />

festgelegt und auch erste Praxistests<br />

durchgeführt. Das Tool soll insbesondere<br />

Personalfunktionen bei der Frage helfen,<br />

ob Arbeitnehmende mit den Corporate<br />

Values harmonieren. Das Tool wird<br />

nun in einem Feldtest bei verschiedenen<br />

Unternehmen erprobt. Und vielleicht<br />

kann es bald als «<strong>Lilienberg</strong>-Modell»<br />

einer breiteren Öffentlichkeit nahegebracht<br />

werden.<br />

«Boxen lehrt dich den<br />

Respekt vor dem Gegner»<br />

Spätestens seit den Erfolgen der boxenden<br />

Brüder Klitschko ist es auch <strong>für</strong> Laien<br />

klar: Boxen und Köpfchen schliessen sich<br />

nicht aus, im Gegenteil. Vielleicht unbewusst<br />

folgte Michel Grunder deshalb an<br />

der Universität dem alten griechischen<br />

Ideal, neben dem Schärfen des Geistes<br />

das Training des Körpers nicht zu vernachlässigen.<br />

Eine ausgezeichnete Gelegenheit<br />

dazu fand er im legendären Berner<br />

Boxklub von Charlie Bühler. Hier hatten<br />

schon Fritz Chervet und Max Hebeisen<br />

geboxt. Als Amateurboxer <strong>–</strong> Boxen nach<br />

olympischem Regelwerk <strong>–</strong> stieg er als<br />

Mittelgewichtler ins Seilgeviert. Aus Michel<br />

Grunders Sicht wertvolle Erfahrungen:<br />

«Bei Boxwettkämpfen lernt man, mit<br />

spürbarem Druck umzugehen. Es stärkt<br />

das Vertrauen in deine Fähigkeiten und<br />

lehrt dich den Respekt vor dem Gegner.»<br />

Und wie ist das, wenn man k. o. geht? Bei<br />

Wettkämpfen habe er nie einen Abbruch<br />

erlebt. <strong>Die</strong> Anspannung im Kampf sei sehr<br />

gross, und man könne deutlich mehr als<br />

im Training einstecken. Im Training jedoch<br />

habe er schon einige auf die Bretter geschickt;<br />

und sei auch selber mehrmals<br />

nach Kopf- oder Lebertreffern k. o. gegangen.<br />

Bei einem Kopf-K.-O. verliere man<br />

entweder die Orientierung, oder alles<br />

werde plötzlich schwarz. Meist folgten<br />

dann Kopfschmerzen und ein steifer Hals.<br />

«Bei der Leber zieht es einem ein paar<br />

Sekunden nach dem Treffer alle Eingeweide<br />

zusammen, man kriegt keine Luft mehr,<br />

hat weiche Knie und geht zu Boden. Ziemlich<br />

schmerzhaft. Aber nach 20 Sekunden<br />

ist alles wieder gut.»<br />

Heute bestreitet Michel Grunder zwar<br />

keine Wettkämpfe mehr. Das wöchentliche<br />

Boxtraining hat er aber beibehalten,<br />

und da verbinden sich dann auch wieder<br />

Hobby mit Beruf, wenn er alte Hasen wie<br />

Hansruedi Moser, den Informationschef<br />

der Bundeskanzlei, oder den ehemaligen<br />

Sprecher von Bundesrat Villiger, Daniel<br />

Eckmann, als Sparringpartner hat.


Und was wir von Michel Grunder sonst noch wissen wollten …<br />

Hier halte ich mich am liebsten auf: Luzern, deshalb nehme ich das Pendeln<br />

nach Bern in Kauf.<br />

Ich bin ein Muffel beim: Aufräumen.<br />

Das kann ich nicht ausstehen: Unzuverlässigkeit.<br />

Ich habe Angst vor: Leberhaken mag ich nicht.<br />

Eine Schwäche habe ich <strong>für</strong>: Ich komme aus Luzern, deshalb: Eichhof-Bier.<br />

Meine Lieblingsfilme sind: Das wechselt häufig.<br />

Zurzeit liegt in meinem CD-Player: Bon Iver.<br />

Meine jetzige Bettlektüre: «Der virtuelle Schriftsteller» von Paul Eduard.<br />

Mein erstes Geld habe ich verdient: Als Casserolier in der EPA.<br />

Mein Vorbild ist: Das fängt bei meinen Grosseltern an …<br />

Mein Erholungsrezept ist: Intensives Sparring.<br />

Als Kind wollte ich: Musiker werden.<br />

<strong>Die</strong> genialste Erfindung ist: <strong>Die</strong> Digitalisierung der Musik.<br />

Am <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum schätze ich: Den ungezwungenen<br />

Gedankenaustausch.<br />

Michel Grunder (hier vor dem Bundeshaus)<br />

leitet die Niederlassung Bern der<br />

PR-Agentur Farner.<br />

13<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Am 65. <strong>Lilienberg</strong> Forum vom 7. September<br />

hob Dr. h. c. Annemarie Huber-Hotz<br />

die sowohl volkswirtschaftlich als auch<br />

gesellschaftspolitisch grosse Bedeutung<br />

der Freiwilligenarbeit hervor. Als frühere<br />

erste Schweizer Bundeskanzlerin und<br />

Führungspersönlichkeit in verschiedenen<br />

NPOs, seit Kurzem als Präsidentin des<br />

Schweizerischen Roten Kreuzes, schöpft<br />

sie aus einem immensen Wissens- und<br />

Erfahrungspotenzial.<br />

«Ich freue mich, dass wir uns im Europäischen<br />

Jahr der Freiwilligkeit von<br />

Ihnen inspirieren lassen können», sagte<br />

Christoph Vollenweider, Mitglied des<br />

Führungsteams der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum, einleitend zu<br />

Dr. h. c. Annemarie Huber-Hotz. Und der<br />

Moderator, Prof. Dr. Dres h. c. Bernd<br />

Rüthers, der auch sehr viele deutsche<br />

Gäste im Publikum begrüssen konnte,<br />

ergänzte: «<strong>Die</strong> Stiftung <strong>Lilienberg</strong> ist Produkt<br />

und ‹Denkmal› der Freiwilligkeit.»<br />

Annemarie Huber Hotz unterstrich den<br />

ihr zugestandenen Freiraum, indem sie<br />

den Titel zum Referat selbstbestimmend<br />

BEGEGNUNG<br />

Dr. h. c. Annemarie Huber-Hotz:<br />

«Freiwilligkeit ist Teil unseres Milizsystems»<br />

wählte. Unter «Freiwillig professionell <strong>–</strong><br />

professionell freiwillig» wolle sie Leitideen<br />

<strong>–</strong> da und dort aber auch nur Denkanstösse<br />

<strong>–</strong> vermitteln.<br />

Um die Merkmale einer NPO, einer gemeinnützigen<br />

Organisation, besser zu<br />

verstehen, muss man sie mit anderen<br />

Organisationen, also auch mit einer Unternehmung,<br />

vergleichen. Als NPO bezeichnet<br />

man jene Organisationen, die<br />

«ergänzend zu Staat und Markt» bestimmte<br />

Bedürfnisse abdecken. Sie verfolgen<br />

keine wirtschaftlichen Gewinnziele,<br />

sondern dienen gemeinnützigen,<br />

sozialen, kulturellen oder wissenschaftlichen<br />

Zwecken.<br />

Namhafte Institutionen als NPOs<br />

Um den Forum-Teilnehmenden die Möglichkeit<br />

zu geben, sich mit den Strukturen<br />

und Zielsetzungen einer NPO besser vertraut<br />

zu machen, nannte Annemarie<br />

Huber-Hotz drei namhafte Institutionen,<br />

<strong>für</strong> die sie selber in leitenden Funktionen<br />

wirksam war oder immer noch ist (siehe<br />

<strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong> Nr. 26, Seite 62). Sie<br />

erläuterte deren Organisation und Aufgaben,<br />

und zwar mit Blick auf ihre Entstehung<br />

und Entwicklung wie auf ihren<br />

Gegenwarts- und Zukunftsbezug.<br />

«Für mehr Menschlichkeit»: Dr. h. c Annemarie<br />

Huber-Hotz, Präsidentin des Schweizerischen<br />

Roten Kreuzes.


14 15<br />

Schweizerisches Rotes Kreuz<br />

(SRK)<br />

Gegründet: 1866<br />

Rechtsform: Verein mit 29 Mitgliedorganisationen<br />

und 2 Institutionen<br />

(humanitäre Stiftung und Blutspende<br />

SRK AG)<br />

Organisation:<br />

• dezentral, mit Bezug zur Basis (seit<br />

Juni 2011 stärkere Vertretungen<br />

seitens der Regionen)<br />

• Rotkreuzversammlung: 97 Delegierte<br />

• Geschäftsprüfungskommission<br />

• Rotkreuzrat: 9 ehrenamtliche<br />

Mitglieder<br />

• Ausschüsse<br />

• Konsultationsgremien<br />

• Kooperationssystem <strong>für</strong> die<br />

Rotkreuz-Kantonalverbände<br />

• Geschäftsstelle SRK: 238 Stellen,<br />

Umsatz 90 Millionen Franken<br />

• Präsidenten- und Geschäftsführerkonferenz<br />

Tätigkeit:<br />

• Gesundheit, Integration, Rettung<br />

im In- und Ausland<br />

Finanzierung:<br />

• Aufträge, Spenden/Legate, eigene<br />

Mittel<br />

Anzahl Freiwillige: 50 000<br />

Schweizer Berghilfe<br />

(SBH)<br />

Gegründet: 1942<br />

Rechtsform: 1941 bis 2004 Verein,<br />

seit 2005 Stiftung<br />

Organisation:<br />

• Berghilferat: 23 ehrenamtliche<br />

Mitglieder<br />

• Stiftungsrat: 7 ehrenamtliche<br />

Mitglieder<br />

• Experten/-innen: 40 im Ehrenamt<br />

• Projektausschuss: 4 ehrenamtlich<br />

• Geschäftsstelle: 17 Stellen, Umsatz<br />

25 Millionen Franken<br />

Tätigkeit:<br />

• Unterstützung der Bergbevölkerung/<br />

Berggebiet<br />

Finanzierung:<br />

• Spenden und Legate<br />

Schweizerische Gemeinnützige<br />

Gesellschaft (SGG)<br />

Gegründet: 1810<br />

Rechtsform: Verein mit Einzel- und<br />

Kollektivmitgliedern<br />

Organisation:<br />

• Gesellschaftsversammlung: Abgeordnete<br />

der kantonalen, regionalen<br />

und lokalen gemeinnützigen<br />

Gesellschaften, der übrigen Kollektivmitglieder,<br />

der Gremien und<br />

Stiftungen, Einzelmitglieder<br />

• Geschäftsprüfungskommission<br />

• Zentralkommission: mindestens<br />

19 ehrenamtlicher Mitglieder<br />

• Vorstand: 11 ehrenamtliche<br />

Mitglieder<br />

• Kommissionen<br />

• Geschäftsstelle: 6 Stellen, Umsatz<br />

5 Millionen Franken<br />

Tätigkeit:<br />

• Einzelhilfe<br />

• Projektbeiträge<br />

• eigene Projekte, Rütli<br />

Finanzierung:<br />

• Legate<br />

Zeit und Arbeit geben<br />

«Freiwilligkeit», so Annemarie Huber-<br />

Hotz, «ist ein wesentliches Merkmal einer<br />

Bürgergemeinschaft. Freiwilligkeit ist in<br />

der Schweiz stark verankert und Teil des<br />

Milizsystems. Sie ist als hohes volkswirtschaftliches<br />

Gut und als bedeutender Faktor<br />

in unserem Sozialstaat zu werten.»<br />

Freiwilligkeit basiere auf: «die richtige Zeit<br />

und die richtige Arbeit geben». <strong>Die</strong> formelle<br />

Freiwilligkeit ist durch Einsatz in einer<br />

Organisation und in einem Ehrenamt,<br />

die informelle Freiwilligkeit durch Hilfeleistungen<br />

wie etwa an Familie, Freunde,<br />

Nachbarn gekennzeichnet. Geld geben<br />

(Spenden), Infrastrukturen, den guten Ruf,<br />

zum Beispiel den Namen einer Unternehmung,<br />

zur Verfügung stellen zählen mit<br />

dazu. Freiwillig und/oder ehrenamtlich<br />

tätig sein bedeute nicht in jedem Fall, dies<br />

unbezahlt zu tun, sagte Annemarie Huber-<br />

Hotz. «Je nach Grösse und Komplexität<br />

der Organisation, je nach Belastung und<br />

Verantwortung sind auch minimale Entschädigungen<br />

angezeigt.» Wesentlich sei<br />

die Transparenz. Freiwillig dürfe keineswegs<br />

unprofessionell bedeuten, so Annemarie<br />

Huber-Hotz. «Gefordert werden<br />

funktionsbezogen fachliches Können und<br />

eine hohe Identifikation mit dem Sinngehalt<br />

der jeweiligen NPO. Professionalität<br />

Freiwilligenarbeit ist<br />

hoch im Kurs<br />

Rund 1,5 Millionen Menschen, also<br />

jede vierte Person, engagieren sich<br />

in der Schweiz in formeller Freiwilligkeit<br />

(28 Prozent der erwachsenen<br />

Männer, 20 Prozent Frauen). Rund<br />

1,3 Millionen Menschen, also jede<br />

fünfte Person, engagiert sich in<br />

der Schweiz in informeller Freiwilligkeit<br />

(26 Prozent Frauen, 15 Prozent<br />

Männer).<br />

beinhaltet die Bereitschaft zur ergänzenden<br />

Ausbildung. Dazu gehört aber auch<br />

das Wissen um die Konsequenz des Handelns,<br />

eine innovative Kreativität, die Fähigkeit<br />

zum Führen, Entscheiden, Überzeugen<br />

und Kommunizieren, somit auch<br />

zur Präsentation und Repräsentation. Voraussetzung<br />

zur Leistung, zum Können<br />

und zur Akzeptanz sind Charaktereigenschaften<br />

wie Integrität, Loyalität, Fairness,<br />

Anstand, Verlässlichkeit, Deutlichkeit und<br />

Verbindlichkeit der Aussage, Risikobereitschaft<br />

und Zivilcourage. <strong>Die</strong> Mitarbeitenden<br />

müssen ihr Pflichtgefühl mit ihrem<br />

Ehrgefühl in Übereinstimmung bringen,<br />

und zwar eben auch bei Ausbleiben von<br />

(sichtbaren) Gegenleistungen.<br />

Parallelen zu den Führungsgremien<br />

in der Wirtschaft<br />

Das Spektrum der Führungsaufgaben ist<br />

je nach NPO unterschiedlich geprägt. Im<br />

Vergleich zur Unternehmensführung in<br />

der Wirtschaft gibt es aber oft Parallelen.<br />

Zu den Kernaufgaben der NPO zählen:<br />

• Behandlung von Grundsatzfragen<br />

• Erlass der Statuten und Reglemente<br />

• Festlegung von Politik, Zielen, Strategien<br />

(zur strategischen Führung zählt<br />

auch die Finanzplanung)<br />

• Rahmenbedingungen, Standards, Führungsinstrumente<br />

• Aufsicht, Controlling, Risikomanagement,<br />

Zertifizierung<br />

• Repräsentation und Kommunikation<br />

• Erschliessen von Netzwerken (in Bezug<br />

auf Sponsoren, Behörden, Wirtschaft<br />

usw.)<br />

• Generell: Wahrnehmung der Corporate<br />

Governance betreffend die Gesamtheit<br />

von Massnahmen, Regelungen,<br />

Prozesse und Mitteleinsatz, in<br />

Übereinstimmung mit den deklarierten<br />

Prinzipien (Leitbild, Handlungsgrundsätze<br />

usw.)<br />

• Standortbestimmungen (sich periodisch<br />

selbst hinterfragen)


16 17<br />

Von besonderer Bedeutung bei Mitgliedern<br />

der NPO-Leitungsgremien ist deren<br />

Unabhängigkeit von Dritt-Interessengruppen.<br />

<strong>Die</strong> Glaubwürdigkeit der NPO<br />

würde sonst stark gefährdet. Ein Mittel<br />

hierzu besteht im Ehrenkodex. Gefordert<br />

ist auch hier weitestgehender Einblick.<br />

Zusammen eine lernende<br />

Organisation<br />

«Dass sich die Aufgaben des Leitungsgremiums<br />

auf der einen und jene der Geschäftsleitung<br />

auf der anderen Seite nie<br />

überschneiden, ist wohl eine Illusion»,<br />

erörterte Annemarie Huber-Hotz. «Ich<br />

sehe das Leitungsgremium als Sparringpartner<br />

der Geschäftsleitung.» Als Präsidentin<br />

des Schweizerischen Roten<br />

Kreuzes laute ihr Grundsatz, nur hineinzuschauen,<br />

aber sich nicht in den operativen<br />

Bereich der Institution einzumischen.<br />

<strong>Die</strong> richtigen Fragen zu stellen, sei aber<br />

wichtig. «Meine Auffassung: Das Leitungsgremium<br />

und die Geschäftsleitung<br />

zusammen sind eine lernende Organisation.<br />

Hierzu bedarf es permanenter, tragfähiger<br />

Brückenschläge.»<br />

<strong>Die</strong> zentrale Aufgabe der Geschäftsleitung<br />

besteht in der Führung der Geschäftsstelle,<br />

im Umsetzen der Zielvorgaben,<br />

in der optimalen Kommunikation,<br />

nach innen und nach aussen. <strong>Die</strong> Geschäftsleitung<br />

bildet <strong>für</strong> das Leitungsgremium<br />

einen Think-Tank. <strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />

setzt <strong>–</strong> beidseitig <strong>–</strong> Vertrauen<br />

voraus. Zu beachten gilt es insbesondere<br />

auch die rechtlichen Grundlagen,<br />

das Reporting und ein professionelles<br />

Qualitätsmanagement.<br />

Diskrete Professionalität gefordert<br />

Ein Erfolgsfaktor <strong>für</strong> NPOs liegt in der<br />

Rekrutierung der Freiwilligen beziehungsweise<br />

ehrenamtlich Tätigen, allem<br />

voran <strong>für</strong> die Leitungsgremien. <strong>Die</strong><br />

Anforderungsprofile sind genau zu definieren<br />

und bei den Anstellungen verantwortungsvoll<br />

zu befolgen. Bei Funktionsübernahme<br />

sind die Vorbildung und das<br />

Erkennen allfälliger Weiterausbildung<br />

wesentliche Kriterien. Zudem führen die<br />

Auswertung der Lebens- und Berufserfahrungen<br />

<strong>für</strong> die Freiwilligen da und dort<br />

zu neuen Tätigkeitsfeldern. Im Umgang<br />

mit Freiwilligen ist diskrete Professionalität<br />

wichtig. Schliesslich sind situative Anerkennung<br />

wie stete Wertschätzung der<br />

Freiwilligen von Bedeutung.<br />

Viele Motive <strong>für</strong><br />

Freiwilligeneinsätze<br />

In der Diskussion mit dem Plenum stand<br />

die Frage nach der eigentlichen Motivation<br />

zum Freiwilligeneinsatz im Zentrum.<br />

Als Beweggründe hierzu wurden genannt:<br />

• Wille, zum Wohle von Staat und Gesellschaft<br />

über die Vorschriften hinaus<br />

etwas mitzugestalten<br />

• Bereitschaft, in der Freizeit <strong>für</strong> gemeinnützige<br />

Aufgaben zur Verfügung zu<br />

stehen<br />

• Übernahme von Aktivitäten in NPOs<br />

nach der Pensionierung<br />

• Suchen neuer Herausforderungen vonseiten<br />

«Jung-Pensionierter»<br />

• Freude, in der Gemeinschaft persönliche,<br />

brachliegende Fähigkeiten einzubringen<br />

• Mitarbeiten unter Gleichgesinnten, in<br />

neuen Teams: Begegnungen mit bisher<br />

Unbekannten, auch mit Eingewanderten<br />

von anderen Staaten <strong>–</strong> in diesem Feld<br />

erkennt man noch grosse Ressourcen<br />

Im Rahmen der Diskussion wurden auch<br />

Erschwernisse zur Interesseweckung an<br />

Freiwilligenarbeit geortet:<br />

• Zuweilen mangelndes Verständnis der<br />

Arbeitgeber<br />

• Konkurrenz durch überschäumende<br />

Freizeitangebote<br />

• Nur minimale Berichterstattung in den<br />

Medien (auch Erfolge <strong>–</strong> etwa im Sinne<br />

der Best Practice <strong>–</strong> werden nicht oder<br />

nur geringfügig kommentiert)<br />

• Erschwernisse infolge staatlicher Eingriffe:<br />

Gesetze, Rahmenbedingungen,<br />

Bürokratie (Beispiel: <strong>für</strong> bestimmte Berufe<br />

zu hohe Bildungsstandards)<br />

• Mangelnde Risikobereitschaft<br />

Wichtigste Voraussetzung zu einem<br />

überzeugten «Ja» ist die persönliche<br />

Identifikation mit der NPO-Zielsetzung.<br />

Personen, die in der entsprechenden NPO<br />

positive Erfahrungen gesammelt haben,<br />

sind wohl die besten Referenzen und am<br />

ehesten in der Lage, grundsätzlich Inter-<br />

EDIToRIAL<br />

Forum-Moderator Prof. Dr. Dres h. c. Bernd Rüthers (rechts) nahm in der Plenumsdiskussion<br />

zahlreiche Fragen an die Referentin entgegen.<br />

essierte, seien es Personen aus dem familiären<br />

Umfeld oder aus dem Freundesund<br />

Bekanntenkreis, <strong>für</strong> ein Mit-Engagement<br />

zu begeistern.<br />

Moderator Bernd Rüthers kritisierte die<br />

Entwicklung der Bildungssysteme insofern,<br />

als diese eben auch zum freiwilligen<br />

Beitrag an der Gemeinschaft verpflichtet<br />

seien. Den Studierenden sei der Sinngehalt<br />

der Freiwilligenarbeit bewusst aufzuzeigen.<br />

<strong>Die</strong>se Ausrichtung, so Professor<br />

Rüthers, müsste sich auch in den Lehrplänen<br />

widerspiegeln. Gastgeber Christoph<br />

Vollenweider lobte zum Abschluss<br />

des Anlasses das ganzheitliche Denken,<br />

das auch die gemeinnützigen Organisationen<br />

nachhaltig präge. Er sei davon<br />

überzeugt, dass unsere Gesellschaft und<br />

unser Staatswesen als Gesamtes profitieren,<br />

wenn möglichst viele Menschen, die<br />

irgendwo in der Gesellschaft Verantwortung<br />

übernommen haben, ganzheitlich<br />

denken und handeln.<br />

«Wir erachten die Sorge <strong>für</strong> die<br />

Armen und Unglücklichen als<br />

eine unerlässliche Menschenpflicht.<br />

Und ist es dann aber nicht<br />

auch ebenso richtig, anzunehmen,<br />

dass die Pflicht des Christen diese<br />

Menschenpflicht dahin veredeln<br />

möchte, dass man auch überdies<br />

freiwillig mehr sorge und arbeite<br />

und beitrage, als was gesetzmässig<br />

auferlegt werden kann?»<br />

Caspar Hirzel, erster Präsident der<br />

SGG, an der Gründungsversammlung<br />

im Jahre 1810.<br />

65. <strong>Lilienberg</strong> Forum vom 7. September<br />

2011, «Jahr der Freiwilligkeit <strong>–</strong> Gedanken<br />

zur Führung einer Freiwilligen-Organisation»,<br />

mit Dr. h. c. Annemarie Huber-<br />

Hotz, Präsidentin des Schweizerischen<br />

Roten Kreuzes; Gastgeberin: Stiftung<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, vertreten<br />

durch Christoph Vollenweider, Leiter<br />

<strong>Unternehmertum</strong>; Moderation: Prof. Dr.<br />

Dres h. c. Bernd Rüthers.


18 19<br />

Von Margrit Bösch<br />

Ausflug in eine<br />

unbekannte Klangwelt<br />

Einen spannenden Abend erlebten die<br />

geladenen Gästen des <strong>Lilienberg</strong> Rezitals<br />

vom 21. Juni. Mit dem Engagement des<br />

Wiener Glasharmonika Duos ist es Gastgeberin<br />

Susanne Rau-Reist gelungen,<br />

zwei einzigartige Musiker auf <strong>Lilienberg</strong><br />

zu holen. Das Ehepaar Christa und Gerald<br />

Schönfeldinger <strong>–</strong> sie spielt die Glasharmonika,<br />

er das Verrophon <strong>–</strong> beherrscht diese<br />

Instrumente, auch auf internationalem<br />

Parkett, wie keine anderen Interpreten.<br />

Lang und umfassend ist die Liste der Konzerte,<br />

die das Wiener Glasharmonika Duo<br />

in viele Winkel Europas geführt hat, fast<br />

wie ein Sog. Sehr lang sogar <strong>für</strong> ein künstlerisches<br />

Unternehmen, das die unbestrittene<br />

Exotik seiner Instrumente <strong>für</strong> eine<br />

BEGEGNUNG<br />

selten vorgeführte ästhetische Metamorphose<br />

nützt. <strong>Die</strong> Glasharmonika besteht<br />

aus Glasschalen, die sich auf einer gemeinsamen<br />

Achse befinden. <strong>Die</strong> Glasschalen<br />

werden mit einem Fussantrieb in<br />

Rotation versetzt und mit den Händen,<br />

vergleichbar mit einem Tasteninstrument,<br />

gespielt. Das Verrophon besteht aus in<br />

einem Holzkorpus befestigten Glasröhren,<br />

die, an den oberen Rändern angespielt,<br />

das Glas zum Schwingen bringen<br />

und so die Töne erklingen lassen.<br />

<strong>Die</strong> Welt der Glasklänge eröffnete sich<br />

dem Ehepaar Schönfeldinger Anfang der<br />

Neunzigerjahre. Zunächst wählten sie<br />

nach ihrem Violinstudium die Orchesterlaufbahn.<br />

Ein Musikrätsel in den «Salz-<br />

burger Nachrichten» liess das Ehepaar<br />

auf das spezielle Instrument, die Glasharmonika,<br />

aufmerksam werden. Beim Besuch<br />

einer historischen Ausstellung in der<br />

Wiener Hofburg sahen sie erstmals die<br />

rotierende Walze mit den ineinandergeschobenen<br />

Schalen. Es folgte ein Besuch<br />

beim Instrumentenbauer Sascha Reckert<br />

in München, aus dessen Fundus auch das<br />

von ihm entwickelte Verrophon auf seine<br />

Entdeckung wartete. Mit der Gründung<br />

des Wiener Glasharmonika Duos wurde<br />

auch die Wiederentdeckung eines Instruments<br />

vollzogen, das nach seiner sensationellen<br />

Karriere im 18. Jahrhundert<br />

in einen fast zweihundertjährigen Dornröschenschlaf<br />

versunken war.<br />

Aus einem reichen Repertoire<br />

Gespielt wurden am <strong>Lilienberg</strong> Rezital «In<br />

einer Mondnacht in Luzern» von Gottfried<br />

Keller, das «Siciliano» von Carl Röllig,<br />

Wolfgang Amadeus Mozarts spritziger<br />

«Deutscher Tanz in C-Dur» sowie die<br />

melancholisch und mystisch klingende<br />

«Gnossienne Nr. 1» von Erik Satie. Es<br />

folgte das «Allegretto und Menuett» des<br />

berühmten Politikers und Erfinders Benjamin<br />

Franklin, der 1761 an der Erfindung<br />

Moderator Andreas Müller-Crepon<br />

(Mitte) interviewt das Musikerehepaar<br />

Christa und Gerald Schönfeldinger.<br />

der Glasharmonika massgeblich beteiligt<br />

war. Nach Mozarts «Adagio <strong>für</strong> Glasharmonika»<br />

spielte das brillante Duo Franz<br />

Schuberts Kompositionen «Drei Ländler»<br />

und «Ellens Gesang» sowie das «Ave<br />

Maria», bei dem Christa Schönenfeldinger<br />

zart auch ihre schöne Stimme einfliessen<br />

liess. Dargeboten wurden<br />

schliesslich Gerald Schönenfeldingers<br />

eigene Komposition «Devas Tanz», zwei<br />

Tänze aus Böhmen und Siebenbürgen,<br />

das «Da pacem Domine» von Arvo Pärt<br />

und zum Schluss der «Trolltanz» von<br />

Edvard Grieg.<br />

Das Publikum zollte dem fantastischen,<br />

in einzigartiger Harmonie und gefühlvoll<br />

spielenden Duo frenetischen Beifall und<br />

wurde mit der wohlbekannten humorigen<br />

«Pink-Panther-Melodie» belohnt,<br />

was bei vielen Besuchern ein Schmunzeln<br />

hervorzauberte.


20<br />

Von Stefan Bachofen<br />

In den Hörgenuss eines sommerlich be-<br />

flügelnden Programms mit spanischem<br />

und südamerikanischem Flair kamen die<br />

knapp 150 Gäste des dritten <strong>Lilienberg</strong><br />

Rezitals dieses Jahres. Mit dem Akkordeon<br />

gelangte ein Instrument zum Einsatz,<br />

das bisher auf <strong>Lilienberg</strong> noch nie zum<br />

Zuge gekommen war. Akkordeon und<br />

Cello <strong>–</strong> ohnehin eine nicht gerade alltägliche<br />

Kombination.<br />

Als Instrument des Volkes ist das Akkordeon<br />

in der Schweiz sehr präsent. Am<br />

16. August fand es laut der Gastgeberin<br />

Susanne Rau-Reist erstmals auch Eingang<br />

ins Konzertprogramm eines <strong>Lilienberg</strong><br />

Rezitals, das jeweils vor einem Publikum<br />

mit gehobenen Ansprüchen stattfindet.<br />

Mit der 32-jährigen Viviane Chassot begrüsste<br />

die Moderatorin, DRS-2-Musikredaktorin<br />

Eva Oertle Zippelius, eine der<br />

bekanntesten Akkordeonistinnen unseres<br />

Landes. Regelmässig spielt die in Wollerau<br />

aufgewachsene Schwyzerin, die<br />

heute als freischaffende Musikerin in<br />

Leipzig lebt, mit Kammermusikpartnern<br />

wie dem international berühmten Vogler<br />

BEGEGNUNG<br />

Akkordeon und Cello <strong>–</strong> eine<br />

ungewöhnliche Kombination<br />

Quartett Berlin. Am Rezital im <strong>Lilienberg</strong><br />

Zentrum trat sie <strong>–</strong> übrigens zum ersten<br />

Mal überhaupt <strong>–</strong> zusammen mit dem<br />

Cellisten Julian Arp auf, einem 30-jährigen<br />

deutschen Nachwuchskünstler, den<br />

sie vor einem Jahr beim Kammermusikfestival<br />

in Homburg kennengelernt hatte.<br />

«Musikalisch hat es zwischen uns auf<br />

Anhieb gefunkt», so die Schwyzerin<br />

schmunzelnd. Arp unterrichtet an der<br />

Hochschule <strong>für</strong> Musik Hanns Eisler in Berlin<br />

und spielt ein eigens <strong>für</strong> ihn angefertigtes<br />

Instrument des Geigenbaumeisters<br />

Stephan von Baehr, ein Modell nach dem<br />

Stauffer-ex-Cristiani-Cello von Antonio<br />

Stradivari.<br />

Ein sehr vielseitig einsetzbares<br />

Instrument<br />

Wer denkt bei Komponisten aus dem<br />

Zeitalter des Barocks wie Johann Sebastian<br />

Bach oder Jean-Philippe Rameau<br />

spontan an das Akkordeon? Wohl nur die<br />

wenigsten. Viel eher wird das Akkordeon<br />

mit Skihüttenromantik, Ländler- und<br />

Schlagermusik sowie Schneewalzern in<br />

Verbindung gebracht. Als das Instrument<br />

1829 in Wien erfunden wurde, hatte niemand<br />

das klassische Repertoire im Visier.<br />

Zunächst in seiner musikalischen Bandbreite<br />

begrenzt, hat das Akkordeon durch<br />

Weiterentwicklungen und Erweiterungen<br />

seit Mitte des 20. Jahrhunderts Möglichkeiten<br />

wie kaum ein anderes Instrument.<br />

Hervorragende Interpreten wie<br />

Mogens Ellegaard, Hugo Noth, Ivan Koval<br />

oder Friedrich Lips inspirierten zeitgenössische<br />

Komponisten und öffneten dem<br />

Instrument den Weg in die Konzertsäle.<br />

«Es war nur eine Frage der Zeit, bis das<br />

Repertoire klassischer Musik <strong>für</strong> das Akkordeon<br />

entdeckt wurde», sagte die Moderatorin.<br />

Auch Viviane Chassot beschäftigt<br />

sich seit mehreren Jahren mit der<br />

Transkription alter Musik auf dem Akkordeon<br />

und bringt so die reichhaltigen und<br />

vielseitigen Gestaltungsmöglichkeiten<br />

des Instrumentes zum Ausdruck. <strong>Die</strong> Gäste<br />

des <strong>Lilienberg</strong> Rezitals erhielten davon<br />

eine eindrückliche Kostprobe: zuerst mit<br />

Johann Sebastian Bachs 4-Satz-Sonate<br />

BWV 1028 in D-Dur <strong>für</strong> Cello und Akkordeon,<br />

die ursprünglich <strong>für</strong> Viola da Gamba<br />

und Cembalo geschrieben worden<br />

war, dann mit den «Pièces de clavecin»,<br />

einem Akkordeon-Soloprogramm von<br />

Jean-Philippe Rameau. Rameau, einer der<br />

Viviane Chassot und Julian Arp bestritten<br />

am <strong>Lilienberg</strong> Rezital ihr erstes<br />

gemeinsames Konzert: zwei Musiker<br />

im perfekt harmonierenden Duett.<br />

bedeutendsten Komponisten von Cembalo-Werken,<br />

widmete sich neben seiner<br />

Tätigkeit als Organist der Opernkomposition<br />

und der Musiktheorie. 1745 war er<br />

Hofkomponist von Ludwig XV.<br />

Musikalische Zeitreise<br />

von Bach bis Piazzolla<br />

Überhaupt bot das August-Rezital eine<br />

faszinierende musikalische Zeitreise:<br />

Nach den alten Kompositionen von Bach<br />

und Rameau spielten Viviane Chassot und<br />

Julian Arp zwei Werke von Astor Piazzolla<br />

<strong>–</strong> ein Soloprogramm <strong>für</strong> Akkordeon<br />

und in der Version <strong>für</strong> Cello und Akkordeon<br />

das berühmte «Oblivion», das die<br />

Zuhörer in eine eher melancholische Stimmung<br />

versetzte. Piazzolla war ein argentinischer<br />

Komponist des 20. Jahrhunderts<br />

und auf seinem Bandoneon der unbestrittene<br />

Meister des klassischen Tangos.<br />

Er gründete zahlreiche Tango-Orchester<br />

und -Ensembles, mit denen er vor allem<br />

seine eigenen, auf dieser Tanzform basierenden<br />

Kompositionen spielte. Astor<br />

Piazzolla gilt als Begründer des Tango<br />

Nuevo, einer Gegenbewegung zum traditionellen<br />

Tango Argentino. Er schuf in<br />

seiner Musik eine Synthese zwischen dem<br />

traditionellen Tango, klassischer Musik<br />

und Jazz. Piazzollas «Oblivion» ist ein<br />

langsames und melancholisches Stück,<br />

das sowohl mit als auch ohne Akkordeon<br />

gespielt werden kann.<br />

Es folgten die temperamentvollen «Spanischen<br />

Tänze» von Enrique Granados und<br />

als Finale die «Suite populaire espagnole»,<br />

sieben spanische Volkslieder von Manuel<br />

de Falla, bearbeitet <strong>für</strong> die dunkle samtige<br />

Stimme des Cellos und die Klangfarben<br />

des Akkordeons. Granados war spanischer<br />

Pianist und Chopin-Spezialist. De Falla, der<br />

nach Studien in Madrid und Paris die Finessen<br />

der Kompositionskunst kennenlernte<br />

und danach begann, sich auf die<br />

Musik seiner Heimat zu besinnen, pflegte<br />

eine plastische Musiksprache ohne Postkartenromantik,<br />

die in der andalusischen<br />

Heimat des Komponisten ihre Wurzeln<br />

hat. Der sechste und überaus fulminant<br />

endende letzte Satz zum Abschluss des<br />

Rezitals zum Beispiel ist ein spanischer<br />

Tanz <strong>–</strong> eine wunderbare Einstimmung der<br />

Gäste in einen lauen Sommerabend mit<br />

einem wie gewohnt reichhaltigen Apéro<br />

auf dem <strong>Lilienberg</strong> Anwesen.<br />

Weltgrösstes Akkordeon<br />

wiegt über 100 Kilogramm<br />

Das grösste Akkordeon der Welt,<br />

das auch im Guinness-Buch der<br />

Rekorde erwähnt wird, befindet<br />

sich im Musikinstrumenten-<br />

Museum Markneukirchen. Wie<br />

Moderatorin Eva Oertle Zippelius<br />

dem Publikum erklärte, ist es 1,80<br />

Meter hoch, besitzt 128 Diskanttasten<br />

und 423 Bassknöpfe, davon<br />

360 klingende, und wiegt über 100<br />

Kilogramm. <strong>Die</strong>ses Gewicht erforderte<br />

das Anbringen von Rädern,<br />

damit das Instrument überhaupt<br />

erst bewegt werden konnte. Der<br />

Balg kann bis zu 2000 Liter Luft<br />

aufnehmen. Zum Vergleich: Das<br />

Akkordeon von Viviane Chassot<br />

wiegt «nur» rund 16 Kilogramm.


22<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Aus der Sicht des <strong>Unternehmertum</strong>s ist<br />

es gerade in einer Zeit der Krise wichtig,<br />

sich der grundlegenden Werte zum unternehmerischen<br />

Wirken zu besinnen. Im<br />

Vorfeld der Ehrung von Dr. h. c. Walter<br />

Reist durch die Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />

vom 30. Juni erläuterten vier<br />

Unternehmerinnen und Unternehmer im<br />

Rahmen eines Panelgesprächs, wie sie die<br />

Werte Freiheit und Verantwortung in ihren<br />

Unternehmen einbringen.<br />

Auf dem Podium im <strong>Lilienberg</strong> Zentrum<br />

sassen Gabriella Meyer, Geschäftsführerin<br />

und Miteigentümerin der Firma<br />

Bioengineering AG in Wald (ZH), FDP-<br />

Nationalrat Markus Hutter, Inhaber und<br />

Verwaltungsratspräsident der Winterthurer<br />

Hutter Dynamics, eines unabhängigen<br />

Familienunternehmens, das mit<br />

Automobilen der BMW Group und Gebrauchtwagen<br />

handelt, Günther<br />

Widmann, Präsident des Verwaltungsrates<br />

der Firma Metriks Schweiz AG in Basel,<br />

sowie <strong>Die</strong>ter Bachmann, Geschäftsführer<br />

und Eigentümer der Gottlieber<br />

Spezialitäten AG in Gottlieben (TG). «<strong>Die</strong><br />

BEGEGNUNG<br />

Auch <strong>für</strong> Unternehmer gilt:<br />

Wer Freiheiten geniesst, trägt Verantwortung<br />

Diskussion verspricht spannend zu werden»,<br />

sagte Moderator Christoph Vollenweider<br />

einleitend, «handelt es sich doch<br />

bei den Podiumsmitwirkenden um jüngere<br />

Persönlichkeiten, die andere<br />

Schwerpunkte setzen als Vertreter der<br />

älteren Unternehmergeneration.»<br />

Nachfolgend ein Auszug aus dem Podiumsgespräch.<br />

Den Mitarbeitenden Vorbild sein<br />

Christoph Vollenweider: «Ist Freiheit <strong>für</strong><br />

Sie als Unternehmerin und als Unternehmer<br />

überhaupt ein Thema, womit Sie sich<br />

beschäftigen? Wo und wann werden Sie<br />

mit diesem Thema konfrontiert?»<br />

Gabriella Meyer: «Es wäre falsch, zur<br />

Beantwortung dieser Frage mit der übergeordneten<br />

Sicht der Unternehmung zu<br />

beginnen. Als Unternehmerin habe ich<br />

mir vorerst darüber im Klaren zu sein,<br />

welche Rolle mir als Mensch zukommt,<br />

ich habe mich folgerichtig selbst zu definieren.<br />

<strong>Die</strong>s bedingt Mut und wohl auch<br />

Demut. Meine Wertehaltungen müssen<br />

mich befähigen, ein Unternehmen in<br />

Freiheit und Verantwortung zu führen.<br />

Ich muss meinen Mitarbeitenden gegenüber<br />

Vorbild sein: Sie alle sollen ihre<br />

Funktionen in Freiheit und eigenem Verantwortungsbewusstsein<br />

wahrnehmen.<br />

Freiheit und Verantwortung sollen dann<br />

von der Unternehmung umfassend, sozusagen<br />

als Summe aller Beiträge, nach<br />

innen und nach aussen gelebt und verdeutlicht<br />

werden.»<br />

Neue Gesetze als Einschränkung<br />

Markus Hutter: «Als Unternehmer <strong>–</strong> und<br />

zugleich als Parlamentarier <strong>–</strong> beurteile ich<br />

auch den Sinn politischer Demarchen. <strong>Die</strong><br />

zunehmende Einschränkung persönlicher<br />

und unternehmerischer Freiheit durch<br />

neue Gesetze und Verordnungen bereitet<br />

mir Sorge. Stellvertretend hierzu nenne<br />

ich die Einschränkungen in der Vertragsfreiheit<br />

in der Automobilbranche<br />

und die staatlichen Lenkungsabgaben.<br />

<strong>Die</strong> Freiheit beim Kaufentscheid wird dadurch<br />

stark beeinträchtigt. Zudem werden<br />

wir durch administrative Vorschriften<br />

<strong>–</strong> verbunden mit hohen Kostenfolgen <strong>–</strong><br />

belastet. <strong>Die</strong> Handels- und Gewerbefreiheit<br />

ist noch intakt, aber sie darf nicht<br />

noch mehr beschnitten werden. Mit Aufkommen<br />

von Missbräuchen wird gegenüber<br />

der Politik (oft verständlicherweise)<br />

der Ruf nach neuen Gesetzen laut. Es gilt,<br />

dies zu verhindern. <strong>Die</strong> Bürgerinnen und<br />

Bürger müssen sowohl aus gesellschaftlicher<br />

wie aus wirtschaftlicher Sicht vermehrt<br />

ihre Eigenverantwortung wahrnehmen.»<br />

Liberales Schweizer Wertesystem<br />

Günther Widmann: «Unter Freiheit verstehe<br />

ich die Chance, zu jeder Zeit, an<br />

jedem Ort und in jeder Situation zwischen<br />

verschiedenen Möglichkeiten und ohne<br />

äusseren Zwang entscheiden zu können.<br />

Mit der Entscheidung geht dann auch die<br />

Verantwortung an den Entscheidungsträger<br />

über, er hat die nicht delegierbare<br />

Rechenschaft über die Konsequenzen<br />

abzulegen. Das liberale Schweizer Wirtschafts-<br />

und Wertesystem ist weltweit<br />

führend. Nur vier weitere Länder, nämlich<br />

die USA, Irland, Australien und Neuseeland,<br />

sind vergleichbar weit entwickelt.<br />

Das Bekenntnis zur Eigenverantwortung<br />

widerspiegelt sich in der Schweiz mannigfach,<br />

so beispielsweise in der Gesundheits-<br />

und Altersvorsorge, in der Erzie-<br />

Diskutierten engagiert über die Bedeutung der Werte Freiheit und Verantwortung<br />

im <strong>Unternehmertum</strong>: Gabriella Meyer (oben links), Nationalrat Markus Hutter (oben<br />

rechts), <strong>Die</strong>ter Bachmann (unten links) und Günther Widmann.<br />

hung sowie im Bekenntnis zur Heimat und<br />

in der globalen Orientierung. Bei<br />

der Gründung unserer Schweizer Unternehmung<br />

schätzten wir das kooperativkonstruktive<br />

Verhalten der kantonalen<br />

Steuerbehörden sowie die generelle<br />

Kundenorientierung in den öffentlichen<br />

Verwaltungen. Generell gilt <strong>für</strong> mich als<br />

Unternehmer der Grundsatz, allenfalls aufgrund<br />

von Gesetzen vorhandene Prämissen<br />

nicht als Entschuldigung <strong>für</strong> passives<br />

Verhalten oder Misserfolge heranzuziehen,<br />

sondern die <strong>für</strong> Unternehmer potenziell<br />

vielfältig vorhandenen Möglichkeiten<br />

zu erkennen und diese, stets auf Verantwortung<br />

basierend, aktiv zu nutzen.»<br />

Staatliche Eingriffe verhindern<br />

<strong>Die</strong>ter Bachmann: «Staatliche Eingriffe<br />

<strong>–</strong> hierzu zählen vor allem Gesetze und<br />

Verordnungen <strong>–</strong> sind weitestgehend zu<br />

verhindern. <strong>Die</strong> Innovationsfähigkeit der<br />

Unternehmer darf nicht durch Interventionen<br />

gefährdet werden. Im Bereich der<br />

Nahrungsmittelindustrie unterliegen wir<br />

heute zudem der Gefahr, dass man bei<br />

neuen Produkten a priori gesundheitsschädigende<br />

Einflüsse annimmt. Derartige<br />

Negativeinflüsse, oft einhergehend<br />

mit lange dauernden und die Entwicklung<br />

behindernden Studien, müssen abgewehrt<br />

werden. Voraussetzung zur Aufrechterhaltung<br />

und Wahrnehmung unternehmerischer<br />

Freiräume ist indessen,<br />

dies gilt <strong>für</strong> alle Branchen, eine sich stets<br />

auf Ethik stützende Eigenverantwortung.<br />

Schon als junger Mensch ist man sich<br />

doch in der Regel des unmittelbaren Verbundes<br />

von Freiheit und Verantwortung<br />

bewusst.»


24<br />

<strong>Die</strong> Bioengineering AG beliefert Labors, in denen kleinste Organismen gezüchtet<br />

werden, mit modernsten Apparaturen und Anlagen. Mit über 130 Mitarbeitenden<br />

ist das Unternehmen von Gabriella Meyer die grösste Arbeitgeberin in der Zürcher<br />

Oberländer Gemeinde Wald.<br />

Gesetze schränken Freiheit<br />

des Unternehmers ein<br />

Christoph Vollenweider: «<strong>Die</strong> Folge von<br />

Freiheitsmissbrauch einerseits und von<br />

Vernachlässigung der Wahrnehmung<br />

von Verantwortung andererseits sind<br />

Regulierungen und Gesetze: Interventionen,<br />

die den Freiheitsgrad schmälern.<br />

Rufen indessen die Unternehmer nicht<br />

allzu oft nach Hilfe seitens des Staates,<br />

wie etwa heute bei den tiefen Kursen<br />

des US-Dollar und des Euro? Mit welchen<br />

Umfeldern sind Sie in Ihren Unternehmungen<br />

konfrontiert? Wie agieren oder<br />

wie reagieren Sie?»<br />

Verantwortung lässt sich<br />

nicht delegieren<br />

Gabriella Meyer: «Freiheit und Verantwortung<br />

gehören wie Zwillinge zusammen.<br />

Im Unternehmen tragen die Mit-<br />

arbeitenden parallel zu den ihnen zur<br />

Funktionswahrnehmung eingeräumten<br />

Freiheiten auch die Eigenverantwortung.<br />

<strong>Die</strong>se lässt sich nicht delegieren: Interne<br />

Kontrollstellen machen wenig Sinn. Solche<br />

entlasten die Mitarbeitenden nicht.<br />

<strong>Unternehmertum</strong> geht mit der Akzeptanz<br />

von Risiken einher. Auch diese lassen sich<br />

nicht delegieren. Als Unternehmerin habe<br />

ich die Umweltfaktoren zu akzeptieren.<br />

Hierzu zählen auch die wechselhaften<br />

globalen Veränderungen, vorwiegend<br />

jene auf den Beschaffungs- und auf den<br />

Absatzmärkten. Staatlicher Support<br />

kommt den Grossunternehmen zugute.<br />

Als KMU können und wollen wir nicht<br />

auf die Hilfe des Staates warten. Wir sind<br />

zu 99 Prozent im Export tätig, rund um<br />

die Welt. Wir müssen, sei es in China,<br />

Indien oder in Bangladesch, bedürfnisund<br />

zeitgerecht handeln. Da werden von<br />

allen Mitarbeitenden Höchstleistungen,<br />

verbunden mit Eigenverantwortung, gefordert.»<br />

Wider den Egoismus<br />

Markus Hutter: «In der Gesamtbetrachtung<br />

von Freiheit und Verantwortung soll<br />

der Fokus auch auf Gerechtigkeit liegen.<br />

Zweck der Freiheit kann es nicht sein, nur<br />

<strong>für</strong> sich, als Egoist, Geld zu fördern. Als<br />

Unternehmer habe ich auch <strong>für</strong> das Wohl<br />

der Mitarbeitenden zu sorgen. In der<br />

westlichen Welt haben wir allerdings,<br />

insbesondere in der Finanzwirtschaft,<br />

eine verheerende Selbstbedienungsmentalität<br />

erlebt. <strong>Die</strong>ser Missbrauch führt nun<br />

zur politischen Aufarbeitung. <strong>Die</strong>se mündet<br />

in neuen Gesetzen und somit in Eindämmungen:<br />

nicht nur bei jenen Unternehmen,<br />

die zur Verursachergruppe<br />

zählen, sondern eben auch bei den anderen.<br />

Als Schweizer dürfen wir uns glücklich<br />

schätzen, dass wir im internationalen<br />

Vergleich bezüglich Freiheitsräume gut<br />

dastehen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />

ist global betrachtet der freie<br />

Markt, somit die Freiheit im Austausch<br />

von Gütern und <strong>Die</strong>nstleistungen. Den<br />

neu aufkommenden Tendenzen zum Protektionismus<br />

ist Einhalt zu gebieten. Zum<br />

schwachen US-Dollar und zum schwa-<br />

chen Euro: Im Export sind wir in einzelnen<br />

Branchen, wie etwa in der Maschinenindustrie,<br />

stark gefordert. Vom Staat<br />

brauchen wir wirtschaftsförderliche Rahmenbedingungen<br />

und unternehmensfreundliche<br />

Reformen. Hierzu zählt auch<br />

die Unternehmenssteuerreform. Beim<br />

hohen Wechselkurs des Schweizer Frankens<br />

sollten wir indessen vermehrt auch<br />

von Importen profitieren.»<br />

Nicht noch mehr<br />

vom Staat erwarten<br />

Günther Widmann: «Im Vergleich zur<br />

Schweiz fordern die Bürgerinnen und<br />

Bürger Deutschlands vom Staat allzu viel,<br />

ohne hierbei aber Freiheiten einbüssen<br />

zu wollen und ohne sich ihrer Eigenverantwortung<br />

genügend bewusst zu sein.<br />

Meine Überzeugung: Wir müssen die<br />

gegebene Freiheit <strong>–</strong> auch unternehmerisch<br />

<strong>–</strong> konsequenter nutzen und nicht<br />

noch mehr vom Staat erwarten. <strong>Die</strong><br />

Schweiz benötigt hier keine Nachhilfe, sie<br />

hat vielmehr eine Vorbildfunktion. Sowohl<br />

in der Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

2008/10 als auch in der heutigen Situation<br />

der Währungskrisen zeigen sich die<br />

Schweizer Industrieunternehmen insgesamt<br />

robust. <strong>Die</strong> Schweizer Bankenlandschaft<br />

und die Feinsteuerung durch die<br />

<strong>Die</strong> Hutter Dynamics von Markus Hutter ist heute die offizielle BMW- und Mini-<br />

Vertretung im Grossraum Winterthur und Schaffhausen.<br />

Schweizer Nationalbank konnten bisher<br />

sowohl eine Inflationsgefahr als auch eine<br />

Liquiditätskrise verhindern.»<br />

Marktwirtschaft zwingt<br />

zu Höchstleistungen<br />

<strong>Die</strong>ter Bachmann: «Unser Unternehmen<br />

hat einen hohen USA-Exportanteil. Der<br />

schwache Dollar ringt uns Höchstleistungen<br />

ab. <strong>Die</strong> allseits geschätzte Qualität<br />

unserer Produkte hilft uns, die jetzige Situation<br />

zu meistern. <strong>Die</strong> freie Marktwirtschaft,<br />

somit die Mitbewerber, zwingen<br />

uns zu diesen hohen Leistungen. Einer<br />

unserer Grundsätze: Wir müssen uns auf<br />

den Märkten mit unseren Produkten differenzieren.<br />

Alleinstellungsmerkmale sind<br />

ausschlaggebend. <strong>Die</strong> jetzige Situation<br />

fordert uns noch vermehrt zu Innovationen<br />

und zu höherer Produktionseffizienz.<br />

Insofern werden wir, gerade ohne Hilfe<br />

seitens des Staates, noch stärker.»<br />

Leitgedanken weitervermitteln<br />

Christoph Vollenweider: «Liberalismus ist<br />

nicht <strong>für</strong> Regellosigkeit, sondern <strong>für</strong> kla-<br />

re Regeln. Wem kommen diese zugute,<br />

und welche Leitgedanken möchten Sie<br />

den unternehmerisch Verantwortlichen<br />

gerne weitervermitteln?»<br />

Gute Resultate gemeinsam feiern<br />

<strong>Die</strong>ter Bachmann: «Als Unternehmer bin<br />

ich unter Beachtung der Rahmenbedingungen<br />

<strong>–</strong> somit auch der Gesetze <strong>–</strong> primär<br />

den Geldgebern beziehungsweise den<br />

Aktionären gegenüber verantwortlich.<br />

<strong>Die</strong>s zeigt sich indessen nicht einfach in<br />

Umsatzerhöhung und kurzfristiger Gewinnoptimierung.<br />

Der Erfolg muss nachhaltig<br />

sein. Hiermit will ich auch die<br />

Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden,<br />

gegenüber Kunden und Lieferanten,<br />

schliesslich auch gegenüber Staat<br />

und Gesellschaft wahrnehmen. Innerhalb<br />

der Unternehmung lege ich Wert auf den


26 27<br />

Teamgeist. Es kann nicht sein, dass Misserfolge<br />

nur den Mitarbeitenden angelastet,<br />

Erfolge aber vom Unternehmer oder<br />

von den Führungskräften <strong>für</strong> sich allein in<br />

Anspruch genommen werden. Gute Resultate<br />

sind nur mit Einbezug aller Mitarbeitenden<br />

erzielbar, und somit sind solche<br />

Ergebnisse auch gemeinsam zu feiern.»<br />

Berufsausbildung nicht delegieren<br />

Gabriella Meyer: «Wir haben in der<br />

Schweiz ein starkes Bildungssystem. Zunehmend<br />

macht sich jedoch ein Mangel<br />

an Lehrlingen bemerkbar. Wir brauchen<br />

nicht nur Leute mit akademischen Abschlüssen.<br />

Vermehrt sollen die Lehrlinge<br />

(wieder) in unseren eigenen Betrieben<br />

ausgebildet werden. Auch in der Berufsausbildung<br />

können wir Verantwortung<br />

nicht nach aussen, an Berufsbildungszentren,<br />

delegieren. Generell müssen wir als<br />

Unternehmerinnen und Unternehmer die<br />

als richtig erkannten Werte vorleben, also<br />

Vorbild sein. Wir müssen von unserer<br />

Aufgabe gegenüber allen Anspruchsgruppen,<br />

auch gegenüber der Gemeinschaft,<br />

überzeugt sein, und wir müssen<br />

die Mitarbeitenden dazu begeistern, am<br />

jeweiligen Arbeitsplatz selber Unternehmer<br />

zu sein. Als Voraussetzung zu erfolgreichem<br />

Wirken müssen wir innerhalb<br />

und ausserhalb der Unternehmung partnerschaftlich<br />

Vertrauen schaffen.»<br />

Gute Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> Unternehmer schaffen<br />

Markus Hutter: «Der Missbrauch von<br />

Freiheit ruft nach Begrenzungen. Dazu<br />

wird, zum Schutze aller, zukunftsgerichtete<br />

und verantwortungsvolle Politik gefordert.<br />

Vorrangig ist es indessen, den<br />

Unternehmern Rahmenbedingungen zur<br />

Verfügung zu halten, aufgrund deren sie,<br />

weltweit betrachtet, erfolgreich wirken<br />

können. Eine funktionierende Wirtschaft<br />

ist ein Grundpfeiler <strong>für</strong> Stabilität und<br />

Wohlergehen eines Staates. Nicht nur die<br />

Statuten, sondern insbesondere das tägliche<br />

Handeln sollen die korrekte Wahrnehmung<br />

von Freiheit und Verantwortung<br />

verdeutlichen und bestätigen.»<br />

Eigene Fehler eingestehen<br />

Günther Widmann: «Ein Unternehmer,<br />

dies zählt zum Vorbildcharakter, muss<br />

<strong>Die</strong> Gottlieber Hüppen sind den Schokoladenliebhabern weit über die Landesgrenze<br />

hinaus als Leckerbissen bekannt. Geschäftsführer <strong>Die</strong>ter Bachmann legt innerhalb der<br />

Unternehmung Wert auf den Teamgeist und steht ab und zu selbst in der Bäckerei.<br />

auch eigene Fehler eingestehen können.<br />

Man darf die Schuld nicht nur bei den<br />

Mitarbeitenden suchen. Zu den Gesetzen<br />

und Rahmenbedingungen: <strong>Die</strong>se sind das<br />

eine, Kreativität und Durchsetzungsvermögen<br />

<strong>–</strong> was bei den Mitarbeitenden<br />

und in der Folge auf den Märkten Begeisterung<br />

auslöst <strong>–</strong> ist das andere. Ich wünsche<br />

mir <strong>für</strong> alle unternehmerisch Verantwortlichen<br />

mehr Begeisterung.»<br />

Wertehaltungen stets hinterfragen<br />

Christoph Vollenweider hob am Schluss<br />

des Podiums seine Überzeugung hervor,<br />

dass die Podiumsmitwirkenden in ihren<br />

Unternehmungen Freiheit und Verantwortung<br />

in Wort und Tat wahrnehmen. <strong>Die</strong>s<br />

beweisen in besonderem Masse auch ihre<br />

übereinstimmenden Voten, wonach man<br />

sich von Zeit zu Zeit bewusst «aus der<br />

Unternehmung herauslösen» müsse. Es<br />

gehöre zur Pflicht, sich stets von Neuem<br />

zu orientieren, den vorherrschenden Zeit-<br />

Günther Widmann (links) erbringt mit seiner Firma Metriks Schweiz AG Beratungsdienstleistungen<br />

<strong>für</strong> Unternehmen, unter anderem in den Bereichen Projektmanagement<br />

und Organisationsentwicklung.<br />

geist und die Wertehaltungen im Wandel<br />

zu erkennen und zu hinterfragen, um sich<br />

neu auszurichten und im Unternehmen<br />

mit Vorbildfunktion «aufrecht zu stehen».<br />

Unternehmerisches Gespräch vom<br />

30. Juni 2011, «Gelebte Werte in einer Zeit<br />

des Wandels. Freiheit und Verantwortung<br />

im <strong>Unternehmertum</strong> heute», mit<br />

<strong>Die</strong>ter Bachmann, Unternehmer, Gottlieber<br />

Spezialitäten AG, Gottlieben, Nationalrat<br />

Markus Hutter, Unternehmer, Hutter<br />

Dynamics, Winterthur, Gabriella Meyer,<br />

Unternehmerin, Bioengineering AG,<br />

Wald, und Günther Widmann, Unternehmer,<br />

Metriks Schweiz AG, Basel;<br />

Gastgeber <strong>–</strong> in Vertretung der Stiftung<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum <strong>–</strong> und Moderation:<br />

Christoph Vollenweider, Leiter<br />

<strong>Unternehmertum</strong>.


28<br />

Von Stefan Bachofen<br />

<strong>Die</strong> Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />

ehrte im Anschluss an das Podiumsgespräch<br />

vom 30. Juni den Gründer der<br />

Ferag und der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum,<br />

Dr. h. c. Walter Reist,<br />

<strong>für</strong> sein Lebenswerk. Walter Reist erhielt<br />

die Ehrenurkunde <strong>für</strong> die Förderung des<br />

freiheitlichen <strong>Unternehmertum</strong>s auf <strong>Lilienberg</strong>,<br />

<strong>für</strong> sein generelles Wirken als<br />

Staatsbürger <strong>für</strong> Freiheit und Verantwortung<br />

sowie <strong>für</strong> sein Einstehen zugunsten<br />

einer freien und unabhängigen Schweiz.<br />

<strong>Die</strong> Laudatio auf den Geehrten hielt Prof.<br />

Dr. Dres h. c. Bernd Rüthers, ehemaliger<br />

Rektor der Universität Konstanz und Mitglied<br />

des <strong>Lilienberg</strong>rates.<br />

«<strong>Die</strong> Karriere eines Grossunternehmers<br />

und Weltmarktführers war ihm nicht geschenkt<br />

worden. Nein, sie war das Ergebnis<br />

harter, zielstrebiger Arbeit», würdigte<br />

Prof. Dr. Dres h. c. Bernd Rüthers seinen<br />

langjährigen Weggefährten und Freund<br />

Dr. h. c. Walter Reist. Der Laudator machte<br />

deutlich: «Der Pfad von Walter Reist<br />

zum Erfolg war nie eine bequeme Seilbahnfahrt<br />

nach oben gewesen.» Ein als<br />

BEGEGNUNG<br />

<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> Dr. h. c. Walter Reists Werk<br />

zum Wohle einer freien Gesellschaft<br />

möglich erkanntes Ziel habe er jedoch<br />

stets als Herausforderung gesehen, fantasievoll<br />

und kreativ zu handeln, um es,<br />

wenn nötig gegen alle Widerstände, unbeirrt<br />

anzustreben. «Mut zum Handeln,<br />

zum Wagnis des Neuen, des Unbekannten<br />

sowie Zuversicht und Ausdauer zeichneten<br />

Walter Reist ein Leben lang aus<br />

und sind die Grundlagen seines Erfolges.»<br />

Weltmarktführer in seiner Branche<br />

Mit seiner Erfindergabe, seinem unternehmerischen<br />

Geschick und seiner Unternehmenskultur<br />

wurde der gelernte<br />

Maschinenbauer Walter Reist, der sich als<br />

junger Mann einst in Abendkursen berufsbegleitend<br />

zum Maschineningenieur<br />

ausbilden liess, Revolutionär eines Produktionsprozesses<br />

sowie Weltmarktführer<br />

und gesuchter Vertragspartner im<br />

Bereich der Förder- und Verarbeitungssysteme<br />

in der Druckindustrie. «Heute<br />

wird in allen Erdteilen kaum eine Zeitung<br />

gelesen, die nicht nach dem System der<br />

Ferag verarbeitet und transportiert worden<br />

ist.»<br />

Walter Reist war, wie ein freier Bauer auf<br />

eigener Scholle <strong>–</strong> dies sein ursprünglicher<br />

Berufswunsch <strong>–</strong>, ein unabhängiger Unternehmer<br />

in einer von ihm gegründeten<br />

und geleiteten Unternehmung geworden.<br />

Eine Unternehmung, die er ganz<br />

nach seinen Wünschen, Plänen und Neigungen<br />

entwickeln konnte. Bernd Rüthers:<br />

«Von Anfang an sah er das Unternehmen<br />

als eine ganzheitliche organische<br />

Einheit, in der die Motivation der Mitarbeitenden<br />

eine entscheidende Grundlage<br />

dauerhaften Gelingens war. <strong>Die</strong> Mitarbeiter<br />

sollten sich mit dem Unternehmen<br />

identifizieren können.» «Arbeit ist keine<br />

Ware» lautete, in Anlehnung an das Buch<br />

seines Freundes Ernst Jucker, stets die<br />

Devise von Walter Reist. Arbeit zu schaffen<br />

und zu erhalten, ist <strong>für</strong> ihn noch heute<br />

eine zentrale Pflicht jedes freien, sozial<br />

verantwortlichen Unternehmers.<br />

Mit <strong>Lilienberg</strong> dem Land<br />

etwas zurückgeben<br />

Walter Reists Erfolg als Grossunternehmer<br />

war offenkundig und faszinierend.<br />

«Doch das Erreichte genügte ihm nicht»,<br />

betonte Bernd Rüthers. «Statt sich mit<br />

dem verdienten Geld eine Luxusjacht<br />

oder einer Fluchtvilla in Florida zu kaufen,<br />

wollte er der Gesellschaft und dem Land,<br />

die ihm diese Chance zum Erfolg gegeben<br />

hatten, etwas zurückgeben. Nicht eine<br />

«milde Gabe», sondern einen Beitrag <strong>für</strong><br />

Prof. Dr. Dres h. c. Bernd Rüthers hält die<br />

Laudatio auf seinen langjährigen Weggefährten<br />

und Freund Dr. h. c. Walter Reist.<br />

die Sicherung des Gemeinwesens, <strong>für</strong><br />

den gemeinsamen Weg in die Zukunft.<br />

Denn Walter Reist war und ist «mit heissem<br />

Herzen» Eidgenosse, Bürger seines<br />

Landes, Patriot». Er entschloss sich, dem<br />

<strong>Unternehmertum</strong> in der Schweiz eine<br />

Begegnungsstätte und einen Leuchtturm<br />

Dr. Hans Peter Pfister, Präsident der Stiftung Freiheit & Verantwortung (links), überreicht<br />

Dr. h. c. Walter Reist die Urkunde.<br />

zu setzen. Per Handschlag erwarb er vor<br />

26 Jahren von seinem Freund Dr. Paul<br />

Bigliardi das traumhaft schöne Anwesen<br />

auf historischem Boden, den <strong>Lilienberg</strong>,<br />

ein landschaftliches Schmuckstück mit<br />

dem Blick ins Weite des Bodenseeraums.<br />

In der Folge realisierte Walter Reist hier<br />

ein einmaliges Projekt, das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum.<br />

Bernd Rüthers: «Dabei<br />

hatte er immer zuerst die <strong>für</strong> die Schweiz<br />

wichtigen KMU-Unternehmer im Auge.»<br />

<strong>Lilienberg</strong> wurde aber auch zum Zentrum<br />

eines Kräftefeldes, das seit 1989 auf vielfältige<br />

Weise ausstrahlt. Es wurde, wie<br />

die Zahl der herausragenden Referenten<br />

und Gäste beweist, zu einem regionalen,<br />

nationalen und internationalen Begegnungszentrum.<br />

«Im Vordergrund steht<br />

dabei das Ziel von Walter Reist, die existenzielle<br />

Bedeutung des freien, gesellschaftlich<br />

und politisch verantwortlichen<br />

und engagierten <strong>Unternehmertum</strong>s öffentlich<br />

sichtbar, bewusst und wirkungsvoll<br />

zu machen.» In der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum stecke seine zweite<br />

Lebensleistung neben den Erfolgen als<br />

Unternehmer, so der Laudator. «In seltener<br />

Uneigennützigkeit und Grosszügigkeit<br />

hat Walter Reist hier ein Werk zum<br />

Wohle des ganzen Landes geschaffen.


30<br />

<strong>Die</strong> Wirtschaft, die Wissenschaft, die Kultur,<br />

die Politik, die Gesellschaft und nicht<br />

zuletzt auch die Armee haben <strong>Lilienberg</strong><br />

viel zu verdanken.»<br />

Ein zuverlässiger Freund<br />

der Menschen<br />

Doch Bernd Rüthers würdigte nicht nur<br />

den Unternehmer Walter Reist, sondern<br />

genauso den Menschen Walter Reist. Ein<br />

zuverlässiger Freund sei er, vielen Menschen<br />

habe er im Laufe seines Lebens<br />

geholfen. Er gehe auf sie zu, spreche sie<br />

an, fange sie mit seinem Charme, öffne<br />

sie mit seiner Offenheit. «Er hat die glückliche<br />

Natur eines geborenen Optimisten.<br />

Schwere Erfahrungen, auch zeitweilige<br />

Niederlagen sind ihm nicht fremd. Aber<br />

sie drückten ihn nie dauerhaft nieder,<br />

sondern spornten ihn stets von Neuem<br />

an. <strong>Die</strong> Chancen, die das Leben bietet,<br />

lässt er nicht vorüberziehen, er greift sie<br />

auf und gestaltet sie.» Mit seiner Ausstrahlung<br />

schaffe er mühelos Kontakte,<br />

auch Kommunikation und Gemeinsamkeit<br />

unter bis dahin Fremden.<br />

Lotti Reist <strong>–</strong> die Seele<br />

seines Erfolges<br />

«Etwas fehlt noch, wenn Walter Reist und<br />

sein Lebenswerk zutreffend gewürdigt<br />

werden sollten», schloss Bernd Rüthers<br />

die Würdigung. «Das ist seine Frau, das<br />

ist Lotti Reist.» Ohne sie wäre der Lebensweg<br />

von Walter Reist nicht zu erklären,<br />

auch und gerade weil sie in der Öffentlichkeit<br />

nur selten wahrgenommen werde.<br />

«Der Gemeinderat Hinwil hat dies vor<br />

vier Jahren richtig erkannt und auch ihr<br />

die Ehrenbürgerwürde verliehen. <strong>Die</strong><br />

heutige Ehrung von Walter Reist durch<br />

die Stiftung Freiheit & Verantwortung ist<br />

nicht zuletzt auch das Fest von Lotti Reist.<br />

Sie hat ihren Mann durch dick und dünn<br />

begleitet, war die Seele des Erfolgs <strong>–</strong> vor<br />

allem auch in schwierigen Zeiten. An<br />

ihrer Seite und durch sie ist Walter Reist<br />

jung, unverbildet und immer voller Pläne<br />

geblieben.»<br />

Nach der Übergabe der Urkunde: Dr. h. c. Walter Reist (Zweiter von links) zusammen<br />

mit Laudator Prof. Dr. Dres h. c. Bernd Rüthers (rechts) und den Vertretern der<br />

Stiftung Freiheit & Verantwortung, Dr. Hans Peter Pfister (Zweiter von rechts) und<br />

Robert Nef.<br />

Walter Reist: «Freiheit und Verantwortung bedeuten Lebensgestaltung»<br />

«So habe ich Professor Rüthers noch nie erlebt <strong>–</strong> wunderbar offen hat er mir heute<br />

Abend sein Herzblut geschenkt. Davon kann ich ihm leider fast nichts zurückgeben»,<br />

dankte Dr. h. c. Walter Reist mit berührenden und zugleich humorvollen<br />

Worten seinem Weggefährten <strong>für</strong> die Laudatio. Als ihm die Verantwortlichen der<br />

Stiftung Freiheit & Verantwortung vor mehr als einem Jahr offenbarten, dass sie<br />

ihn heute <strong>für</strong> sein Lebenswerk ehren wollten, sei er zuerst überrascht gewesen<br />

und habe spontan gedacht, dass es doch noch andere Persönlichkeiten gebe, die<br />

es auch oder, aus seiner Sicht, mehr verdient hätten, geehrt zu werden. Doch nun<br />

freue er sich natürlich zutiefst über die Urkunde.<br />

Auf <strong>Lilienberg</strong> sollte <strong>lebendiges</strong> <strong>Unternehmertum</strong> sichtbar gemacht werden. Das<br />

sei sein Lebensziel, seine Vision gewesen, die er mit der Gründung der Stiftung<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum umsetzen wollte. «<strong>Unternehmertum</strong> ist <strong>für</strong> mich<br />

unternehmerisches Wirken mit Fühlen, Denken und Handeln durch Fordern, Fördern<br />

und Finden. So erreichen wir unser Ziel. Dazu brauchen wir Zeit und Zuversicht,<br />

die uns schliesslich zur unternehmerischen Eigenständigkeit verhelfen.»<br />

Dabei spielten <strong>für</strong> ihn als Unternehmer stets auch die Werte Freiheit und<br />

Verantwortung eine zentrale Rolle. Freiheit und Verantwortung bedeuteten<br />

Lebensgestaltung, so Walter Reist. Ohne Freiheit und Verantwortung wäre die<br />

Lebensexistenz des Unternehmers undenkbar. Ein wenig philosophisch werdend,<br />

veranschaulichte er diesen Gedanken: «Wenn der Unternehmer frei fühlt, verantwortet<br />

er das Schöpferische, wenn er frei denkt, verantwortet er das Kreative, und<br />

wenn er frei handelt, verantwortet er das Konstruktive.» <strong>Die</strong>s alles tue er, indem<br />

er sich selbst fordere, das Wirken des Gegenübers fördere, um so Gemeinsamkeiten<br />

und Erfolg zu finden. <strong>Die</strong>s müsse das Ziel sein, dazu brauche man sich aber<br />

immer auch die nötige Zeit zu nehmen, um schliesslich Zuversicht zu gewinnen<br />

und Lösungen zu finden.<br />

Einen wesentlichen Anteil auf dem Weg zum Erfolg trage seine Frau Lotti, pflichtete<br />

Walter Reist dem Laudator Bernd Rüthers bei. «Sie hat mich stets begleitet.<br />

Ohne sie an meiner Seite wäre alles das, was ich in den vergangenen Jahrzehnten<br />

als Unternehmer erreicht habe, undenkbar gewesen.» Schliesslich dankte Walter<br />

Reist seiner Tochter Susanne Rau-Reist und seinem Schwiegersohn Gerd Rau<br />

da<strong>für</strong>, dass sie in seine Fussstapfen getreten sind und die Ferag in Hinwil mit Erfolg<br />

weiterführen. (Bacs)<br />

«Wer das Unmögliche nicht<br />

wagt, wird das Mögliche<br />

nie erreichen»<br />

Walter Reist ist die dritte Schweizer<br />

Persönlichkeit, welche die Ehrenurkunde<br />

der Stiftung Freiheit &<br />

Verantwortung erhalten hat. Seine<br />

Vorgänger waren der inzwischen<br />

verstorbene ehemalige Urner Ständerat<br />

Franz Muheim (2007) und<br />

der frühere Botschafter Dr. iur.<br />

Carlo S. F. Jagmetti (2009). «Nachdem<br />

wir bei den beiden ersten<br />

Ehrungen den Fokus auf die Politik<br />

und die Diplomatie gerichtet<br />

haben, fällt die Ehre diesmal einem<br />

überaus vorbildlichen Wirtschaftsvertreter<br />

mit einem abgerundeten<br />

Leistungsausweis zu», sagte Dr.<br />

Hans Peter Pfister, Präsident der<br />

Stiftung Freiheit & Verantwortung,<br />

in seiner Begrüssungsansprache.<br />

Wegweisend <strong>für</strong> den Entscheid<br />

der Stiftungsrates, in diesem Jahr<br />

Walter Reist auszuzeichnen, sei<br />

seine Förderung des freiheitlichen<br />

<strong>Unternehmertum</strong>s mit der Gründung<br />

der Bildungsstätte <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum. Walter Reists<br />

Lebenswerk könne, so Hans Peter<br />

Pfister, am treffendsten mit dem<br />

Leitsatz «Wer das Unmögliche<br />

nicht wagt, wird das Mögliche nie<br />

erreichen» zusammengefasst werden.<br />

(Bacs)


32 33<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Auftrag, Leistung und Ressourcen müssen<br />

wieder in Einklang gebracht werden:<br />

So lautete die zentrale Forderung<br />

der Teilnehmenden an der Besonderheit<br />

«Armee» vom 2. September. <strong>Die</strong> Politik ist<br />

gefordert, die Leistungsfähigkeit unserer<br />

Armee wieder ins Lot zu bringen. Nationalrat<br />

Thomas Hurter, Divisionär Daniel<br />

Baumgartner und Brigadier Hans-Peter<br />

Walser vermittelten hierzu klare Vorgaben.<br />

Thematisiert wurde namentlich die<br />

zukunftsbezogene Leistungsanforderung<br />

an die Armee.<br />

Zurzeit arbeiten die Armeeverantwortlichen<br />

mit Hochdruck daran, die vom Bundesrat<br />

im Armeebericht geforderte Armee<br />

mit 80 000 Armeeangehörigen, mit<br />

einem Jahresbudget von 4,4 Milliarden<br />

Franken zu konzipieren, dies bei maximal<br />

5 Millionen zu leistenden <strong>Die</strong>nsttagen<br />

pro Jahr. «Es zeichnet sich jedoch ab,<br />

dass sich eine Lösung ohne massive Abstriche<br />

bei den verlangten Leistungen<br />

nicht realisieren lässt. Abstriche, die das<br />

Gesamtsystem der Armee beschädigen,<br />

untergraben die Glaubwürdigkeit unse-<br />

GESPRÄCH<br />

Sicherheit als<br />

bedeutender Standortfaktor<br />

rer Armee», mahnte Divisionär Daniel<br />

Baumgartner, Chef Logistikbasis der Armee,<br />

auf <strong>Lilienberg</strong>.<br />

Ein gesunder Staat muss sich auf Sicherheit<br />

und Wachstum stützen. Das eine<br />

ohne das andere ist undenkbar. Wachstum<br />

gewährleistet zudem Wohlstand,<br />

Sicherheit indessen kostet, vergleichbar<br />

etwa mit einer Versicherung. Was muss<br />

unsere «Sicherheits-Versicherung», die<br />

Armee, in Zukunft decken beziehungsweise<br />

leisten können?<br />

<strong>Die</strong>se Gesamtleistung der Armee werde<br />

laut Divisionär Baumgartner jene Sicherheit<br />

generieren, die unserem Staat und<br />

unserer Bevölkerung Wohlstand ermöglicht.<br />

Das erwähnte Leistungsprofil kostet<br />

minimal 5 Milliarden Franken, und es benötigt<br />

mindestens 100 000 Soldaten. «Es<br />

müssen Mittel <strong>für</strong> die Beschaffung eines<br />

neuen Kampfflugzeuges sowie <strong>für</strong> die<br />

flächendeckende Ausrüstung unserer Milizformationen<br />

und die Sanierung der maroden<br />

Immobilien bereitgestellt werden.»<br />

Zum erforderlichen Leistungsprofil<br />

der Armee zählen:<br />

• die Fähigkeit, mit einem robusten<br />

Verteidigungssystem das Gefecht<br />

der verbundenen Waffen mit Einsatzverbänden<br />

bis Stufe Brigade<br />

beziehungsweise Kampfgruppe<br />

trainieren zu können, um so das<br />

Zusammenwirken von Elementen<br />

am Boden und in der Luft, aus<br />

den Bereichen Führung und Führungsunterstützung,<br />

Aufklärung,<br />

Kampf und Kampfunterstützung<br />

sowie der logistischen und sanitätsdienstlichen<br />

Unterstützung<br />

sicherzustellen<br />

• eine jederzeit geschützte dritte<br />

Dimension, Schutz im Cyberspace,<br />

eine sichergestellte Führungsfähigkeit<br />

der Regierung in<br />

allen Lagen<br />

• Wahrnehmung unserer nationalen<br />

Interessen im Ausland mit<br />

friedensunterstützenden Operationen<br />

• Unterstützung der zivilen Behörden<br />

mit einem starken Element,<br />

das in Krisensituationen ohne<br />

Verzug und über längere Zeit zur<br />

Verfügung steht<br />

Während der vergangenen Jahre dominierte<br />

in der Politik noch die Meinung,<br />

Wachstum sei auch bei Reduktion der<br />

Sicherheit gewährleistet. <strong>Die</strong> Armee wurde<br />

fast «totgespart». Jetzt aber ist ein<br />

Sinneswandel offensichtlich: Es werden<br />

auch Plädoyers <strong>für</strong> eine starke Schweiz<br />

mit einer starken Armee, basierend auf<br />

Jahresbudgets von mindestens 5 Milliarden<br />

Franken, laut.<br />

Ohne funktionierende Logistik<br />

keine Auftragserfüllung<br />

«Wir sind seit Jahren unterfinanziert, und<br />

wir haben von unserer Substanz gelebt.<br />

Wir haben es verpasst, unsere Systeme<br />

zeitgerecht zu modernisieren», sprach<br />

Divisionär Daniel Baumgartner Klartext.<br />

Das habe kostspielige Konsequenzen,<br />

insbesondere bei der Logistik. «Nicht nur<br />

im materiellen, sondern auch im personellen<br />

Bereich ging viel Substanz verloren.<br />

Der Personalabbau, einhergehend mit<br />

Outsourcing, hatte den Verlust von wichtigen<br />

Kompetenzen zur Folge.»<br />

<strong>Die</strong> Logistikbasis der Armee umfasst heute<br />

über 3200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />

zusätzlich mehr als 220 Lehrlinge.<br />

Alle setzen sich täglich mit qualitativ<br />

hochstehender Arbeit <strong>für</strong> die Sicherheit<br />

unseres Landes ein. Divisionär Baumgartner:<br />

«Ich spreche mich <strong>für</strong> die Aufrechterhaltung<br />

dezentraler Logistikzentren<br />

aus, dies vor allem aus Gründen gesicherter<br />

und zeitgerechter Versorgung, aber<br />

auch, um regionale Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten.<br />

Wir wollen wieder eine<br />

robuste Logistik aufbauen, eine Logistik,<br />

die auch in Krisen leistungsfähig ist und<br />

alle Aufträge der Armee, zusammen mit<br />

der Industrie, zeitgerecht erfüllen kann.»<br />

Naive Argumente der Armeegegner<br />

Als zweiter Referent sprach SVP-Nationalrat<br />

Thomas Hurter, Swiss- und Militärpilot:<br />

Um zu verstehen, was die Armee künftig<br />

leisten muss, gelte es, das Umfeld sowie<br />

die Leistungen der Armee zu kennen. «Unsere<br />

Armee muss weiterhin einen wichtigen<br />

Beitrag zur Sicherheit in unserem Lande<br />

leisten.» Eigentlich sei es erstaunlich,<br />

wenn etwa bei Unternehmensansiedlungen<br />

in der Schweiz vorerst nur die Steuern<br />

thematisiert werden. «Dabei ist es doch<br />

offensichtlich, dass viele gerade wegen der<br />

Sicherheit, der Stabilität und der politischen<br />

Verlässlichkeit zu uns kommen.»<br />

Hochkarätiges Podium: Divisionär Daniel Baumgartner, Brigadier Hans-Peter Walser und SVP-Nationalrat Thomas Hurter (von links).


34<br />

«Ich bin schockiert», so Nationalrat Hurter,<br />

«welche Gründe <strong>für</strong> eine Reduzierung<br />

oder gar eine Abschaffung der Armee<br />

genannt werden. Argumente wie «Wir<br />

haben sie noch nie gebraucht und werden<br />

sie nicht brauchen» seien sehr naiv.<br />

«Wir sind an dieser Entwicklung selber<br />

nicht ganz unschuldig. Da sich die Bedrohungslagen<br />

weltweit verändert haben,<br />

wiesen wir unserer Armee immer neue<br />

Aufgaben zu, gleichzeitig wurden die<br />

Finanzen gekürzt.» Mit dem Verkleinern,<br />

aber auch dem Verstecken der Armee ist<br />

laut Thomas Hurter aber auch die Bereitschaft<br />

der Bevölkerung, unsere Armee zu<br />

akzeptieren, gesunken.<br />

Armee muss milizfähig bleiben<br />

Fakt ist: In Armeefragen steht die Schweiz<br />

vor einem Wendepunkt. <strong>Die</strong> Sicherheitspolitische<br />

Kommission des Nationalrates<br />

spricht von einem Armee-Jahresbudget<br />

von 5 Milliarden Franken, von Lücken, die<br />

es zu schliessen gilt, und von der Erneuerung<br />

der Luftwaffe. «Dennoch stehen<br />

wir eigentlich an einem Scheidepunkt des<br />

Seins oder Nicht-Seins unserer Armee,<br />

dies auch unter der Perspektive der Milizfähigkeit»,<br />

sagte Thomas Hurter. <strong>Die</strong><br />

von der Sicherheitspolitischen Kommission<br />

geforderte Grösse mit 100 000 Ar-<br />

meeangehörigen «kratzt bereits daran».<br />

Auch die kantonalen Militär- und Zivilschutzdirektoren<br />

sprechen sich übrigens<br />

mehrheitlich <strong>für</strong> eine künftige Armee mit<br />

mindestens 100 000 Armeeangehörigen<br />

und einem Kostendach von rund 5 Milliarden<br />

Franken aus.<br />

Für Nationalrat Hurter ist klar: <strong>Die</strong> allgemeine<br />

Wehrpflicht und die Milizarmee<br />

müssen aufrechterhalten werden. «Unsere<br />

Armee basiert auf Gemeinschaftssinn<br />

und auf dem Willen, sich <strong>für</strong> die Sicherheit<br />

unseres Landes einzusetzen.<br />

Dazu benötigen wir ein Heer und eine<br />

Luftwaffe.» Eine Teilerneuerung der Luftwaffe,<br />

verbunden mit einem nachhaltigen<br />

und innovativen Konjunkturprogramm,<br />

könne sich die Schweiz durchaus<br />

leisten. «Es liegen verschiedenste Finanzierungsmodelle<br />

vor.»<br />

Herausforderungen der Armee<br />

haben sich verändert<br />

Um sich den veränderten Herausforderungen<br />

schneller anpassen zu können,<br />

müsse die Organisation der Armee aber<br />

flexibler werden. Künftig werden die Fähigkeiten<br />

zur Auftragserfüllung im Vordergrund<br />

stehen, unabhängig von der<br />

jeweiligen Truppengattung. <strong>Die</strong> Bekämp-<br />

fung des Terrorismus, die Landesverteidigung<br />

und die Unterstützung der Bevölkerung<br />

bei Katastrophen haben höchste<br />

Priorität.» <strong>Die</strong> Armee müsse aber auch<br />

gemeinsame Lösungswege mit der Industrie<br />

und den Hochschulen beschreiten.<br />

<strong>Die</strong>s etwa durch eine Koordination der<br />

Ausbildung, allenfalls mittels Job-Rotation,<br />

flexiblerer und kürzerer WK-Modelle.<br />

Parallel dazu brauche die Armee einen<br />

guten «Grundstock» an Profis. Sein wichtigstes<br />

Anliegen sei es, so Thomas Hurter,<br />

«dass unsere jungen Armeeangehörigen<br />

in ihren <strong>Die</strong>nstleistungen wieder vermehrt<br />

das Führen lernen sollten». Hierzu<br />

seien zusammen mit der Wirtschaft gemeinsame<br />

Lösungen zu suchen.<br />

Zu den geplanten Standortkonzepten der<br />

Armee meinte Thomas Hurter, dass die<br />

Vor- und Nachteile eines Rückzugs aus<br />

den Regionen nicht nur aus finanzieller<br />

Warte betrachtet werden dürfen. «Es<br />

geht um die Aufrechterhaltung der Verankerung<br />

der Armee und deren Akzeptanz<br />

in der Bevölkerung. Der Druck von<br />

Industrie und Wirtschaft auf die Armee<br />

wird weiter zunehmen. Man ist immer<br />

weniger bereit, Arbeitnehmer <strong>für</strong> den<br />

Militärdienst freizustellen. Doch die Wirtschaft<br />

muss erkennen, dass die Armee<br />

Das Interesse am Armeeanlass von Anfang September war riesig: Über 200 Personen wohnten dem Podiumsgespräch bei, darunter<br />

auch drei grosse Delegationen junger Armeeangehöriger, die mit Begeisterung der Einladung der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

folgten.<br />

einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit<br />

leistet. Sicherheit kann aber nicht zum<br />

Nulltarif garantiert werden, sondern sie<br />

kostet Geld.» Hierzu sei, mit Blick auf<br />

künftige Beschaffungen von Grosssystemen<br />

(Panzer, Luftwaffe), auch an neue<br />

Möglichkeiten zu denken, so etwa Mittelzuweisungen<br />

an das VBS aus Verkäufen<br />

von Armeeliegenschaften.<br />

Weiterentwicklung<br />

in welche Richtung?<br />

Ebenfalls auf dem Podiums sass Brigadier<br />

Hans-Peter Walser, Chef Stellvertreter<br />

Armeestab / Chef Armeeplanung: Er<br />

verwies auf das im «sicherheitspolitischen<br />

Bericht» 2010 festgehaltene Ziel.<br />

«Wir müssen die Handlungsfreiheit,<br />

Selbstbestimmung und Integrität der<br />

Schweiz und ihrer Bevölkerung gegen<br />

direkte und indirekte Bedrohungen und<br />

Gefahren schützen sowie einen Beitrag<br />

zu Stabilität und Frieden jenseits unserer<br />

Grenzen leisten.» Kurz: <strong>Die</strong> Schweiz müsse<br />

den «Schutz von Land und Leuten»<br />

bestmöglich gewährleisten. <strong>Die</strong> erste<br />

Aufgabe bestehe darin, die Gefahren zu<br />

analysieren und das entsprechende Leistungsprofil<br />

unserer Armee zu definieren.<br />

<strong>Die</strong>se Aufgabe sei komplex. Bereits die<br />

Frage nach den heutigen und vor allem<br />

den morgigen Bedrohungen lasse sich<br />

nicht so einfach beantworten. «Wir erleben<br />

jeden Tag, wie rasch sich die Weltla-<br />

ge und somit die Gefahreneinschätzung<br />

ändern kann.»<br />

Verteidigung als Kernkompetenz<br />

Der Bundesrat hat mit dem Armeebericht<br />

vom Oktober 2010 die Konsequenzen von<br />

möglichen Bedrohungen und Gefahren<br />

<strong>für</strong> die Armee abgeleitet. Danach habe er<br />

laut Brigadier Walser den analytischen<br />

Pfad verlassen und losgelöst vom geforderten<br />

Leistungsprofil die finanziellen<br />

Rahmenbedingungen definiert. Zum Leistungsprofil<br />

zählt die Kernkompetenz Verteidigung.<br />

<strong>Die</strong> Armee müsse aber, so Brigadier<br />

Walser, auch dazu beitragen, wahrscheinlichere<br />

Bedrohungen zu bewältigen,<br />

namentlich durch eine Unterstützung


36 37<br />

unserer zivilen Behörden durch die ABC-<br />

Abwehr-Einsatzkompanie, etwa im Fall<br />

von Katastrophen im In- und Ausland wie<br />

Giftgasunfällen und Terroranschlägen.<br />

Hinzu kommen Überwachungs-, Sicherungs-<br />

und Bewachungsaufgaben sowie<br />

die logistische und sanitätsdienstliche Unterstützung.<br />

Damit könne ein funktionierendes<br />

Wirtschafts- und Gesellschaftsleben<br />

gewährleistet werden. Schliesslich<br />

müsse die Armee auch sicherheitspolitisch<br />

sinnvolle und qualitativ hochstehende Beiträge<br />

der Friedensförderung leisten.<br />

Laut Brigadier Walser soll die Armee <strong>für</strong><br />

den Erhalt und die Weiterentwicklung der<br />

Kernkompetenz Verteidigung in einem<br />

umfassenden und vernetzten System das<br />

Gefecht der verbundenen Waffen mit<br />

Einsatzverbänden bis Stufe Brigade beziehungsweise<br />

Kampfgruppe schulen.<br />

«Dazu braucht es Panzer, Schützenpanzer,<br />

Flieger sowie alle wichtigen Komponenten<br />

des Gesamtverbundes.»<br />

Fazit des <strong>Lilienberg</strong> Podiums: <strong>Die</strong> aktuelle<br />

Planung der vom Bundesrat vorgegebenen<br />

Eckwerte zeigt klar auf, dass sich<br />

das notwendige Leistungsprofil mit nur<br />

80 000 Angehörigen der Armee und<br />

4,4 Milliarden nicht realisieren lässt. Verknüpft<br />

mit der Frage «Was muss die<br />

Schweizer Armee in Zukunft leisten kön-<br />

nen?» ist auch die Frage «Wie muss die<br />

Schweizer Armee in Zukunft die geforderten<br />

Leistungen erbringen?». Der Bundesrat<br />

hat hierzu klar festgelegt, dass er<br />

am Milizsystem und an der allgemeinen<br />

Militärdienstpflicht festhalten will.<br />

In der von Moderator Peter Forster geleiteten<br />

Diskussion liessen die Wortmeldungen<br />

aus dem Publikum eine zunehmende<br />

Bereitschaft zur Festigung und zur effizienten<br />

Entwicklung unserer Armee erkennen.<br />

<strong>Die</strong> Statements untermauerten die<br />

von den Referenten erörterten Forderungen,<br />

dies insbesondere mit Bezug auf:<br />

• Allgemeine Militärdienstpflicht<br />

• Milizarmee<br />

• Tiger-Teilersatz<br />

• Alimentierung der Logistikbasis der<br />

Armee<br />

• Dezentrale Logistikzentren<br />

• Zusammenarbeit mit den Kantonen<br />

Hervorgehoben wurde zudem die Notwendigkeit<br />

besserer zielgerichteter Absprachen<br />

zwischen der Wirtschaft und<br />

den Hochschulen. Im Hinblick auf den<br />

Erfolg auf politischer Ebene unterstrich<br />

Gastgeber Walter Reist das Erfordernis<br />

einer umfassend bedachten Definition<br />

des Begriffs «Sicherheit».<br />

Besonderheit «Armee» vom 2. Sep-<br />

tember 2011; «Was muss die Schweizer<br />

Armee künftig leisten können?», mit<br />

Nationalrat Thomas Hurter, Swiss- und<br />

Militärpilot, Schaffhausen, Divisionär Daniel<br />

Baumgartner, Chef Logistikbasis der<br />

Armee, und Brigadier Hans-Peter Walser,<br />

Chef Stellvertreter Armeestab / Chef Armeeplanung;<br />

Gastgeber: Dr. h. c. Walter<br />

Reist, Präsident des Stiftungsrates der<br />

Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum;<br />

Moderation: Dr. Peter Forster, Mitglied<br />

des <strong>Lilienberg</strong>rates.<br />

Von Bruno Fuchs<br />

Ständiges Hinterfragen<br />

bremst das Management<br />

Rund 30 Gäste verfolgten das Gespräch<br />

mit Prof. Dr. Werner Inderbitzin, dem<br />

scheidenden Rektor der Zürcher Hochschule<br />

<strong>für</strong> Angewandte Wissenschaften.<br />

Werner Inderbitzin leitete die Hochschule<br />

seit der Gründung. Auf <strong>Lilienberg</strong> erörterte<br />

er, nach welchen Grundsätzen er<br />

dies getan hatte. Dass die Führung einer<br />

Hochschule alles andere als einfach ist,<br />

zeigten seine Ausführungen.<br />

«An Hochschulen gibt es in jedem Fall<br />

eine Führung», sagte der scheidende<br />

Gründungsrektor der Zürcher Hochschule<br />

<strong>für</strong> Angewandte Wissenschaften<br />

(ZHAW) Prof. Dr. Werner Inderbitzin<br />

am unternehmerischen Gespräch vom<br />

13. September zum Thema «Können und<br />

sollen Hochschulen geführt werden?».<br />

Dass Führung einer Hochschule mitunter<br />

sehr anspruchsvoll ist, sickerte bei den<br />

Ausführungen von Werner Inderbitzin<br />

immer wieder durch. So sprach er im<br />

Zusammenhang mit der ZHAW von einer<br />

Expertenorganisation, deren Angehörige<br />

«etwas anders ticken», da sie Forschung<br />

als auch Lehre eines Fachgebie-<br />

GESPRÄCH<br />

tes betreiben. Sie seien sich von der<br />

Forschung her gewohnt, Gegebenes<br />

und Wissen zu hinterfragen. Im Management<br />

wirkt sich dieses Vorgehen bremsend<br />

aus. Zudem sei man als Leiter einer<br />

Hochschule nicht einfach anerkannt,<br />

sondern es brauche auch fachliche Akzeptanz<br />

vonseiten der Dozenten.<br />

Im Zusammenhang mit der Akzeptanz<br />

wollte Christoph Vollenweider, Gesprächsleiter<br />

und Leiter <strong>Unternehmertum</strong><br />

bei der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum,<br />

wissen, ob es bei der Führung<br />

einer Hochschule auch zu einem Machtwort<br />

kommen könne. «Klar musste ich<br />

Machtworte sprechen, aber diese endeten<br />

nie im Streit», antwortete Werner<br />

Inderbitzin. Als Beispiel nannte er die<br />

Budgetsitzungen, wo jeder Fachleiter nur<br />

gerade <strong>für</strong> sein Gebiet schaue. Jeder wisse<br />

aber auch, dass der Rektor schliesslich<br />

entscheidet, und so sei meist gesittet<br />

diskutiert worden.<br />

Hochschulen nähern sich<br />

der Privatwirtschaft an<br />

Beim Aufbau der Zürcher Fachhochschule<br />

ist ein Trend zum CEO-Modell unverkennbar.<br />

Heute wolle man wissen, was<br />

der Nutzen und Gewinn der Forschung<br />

an einer Hochschule sei, so Werner Inderbitzin.<br />

Politik und Gesellschaft würden<br />

von den Hochschulen Expertentum und<br />

Nützlichkeit verlangen.<br />

Obwohl traditionell organisierte Hochschulen<br />

nach wie vor eine Abneigung<br />

gegen jede Art von Hierarchie haben,<br />

kommen laut Werner Inderbitzin im ope-<br />

Prof. Dr. Werner Inderbitzin trat zum<br />

Ende seiner ZHAW-Laufbahn als Referent<br />

auf <strong>Lilienberg</strong> auf.


38 39<br />

rativen Bereich moderne Management-<br />

Methoden zur Anwendung. Dabei denkt<br />

er an die finanzielle Führung beispielsweise<br />

im Bereich Projekte, an Personalführung<br />

wie Mitarbeiterbeurteilung, an<br />

Salärsysteme mit hoher Leistungsgerechtigkeit<br />

oder ans Management der Infrastruktur.<br />

Zum Personal sagte Werner<br />

Inderbitzin: «Personal ist die wertvollste<br />

und knappste Ressource einer Hochschu-<br />

le.» Deshalb müsse es eine Kultur geben,<br />

die Hochschulangehörigen anzuleiten<br />

und ihnen gute Rahmenbedingungen zu<br />

schaffen, damit sie sich persönlich und<br />

fachlich weiterentwickeln können.<br />

Weniger Verwaltung <strong>–</strong><br />

mehr Mitsprache?<br />

Dass Fachhochschulen nicht einfach zu<br />

führen sind, zeigte auch die Kritik, die<br />

Referent Prof. Dr. Werner Inderbitzin (rechts) zusammen mit Gastgeber und Moderator Christoph Vollenweider.<br />

Christoph Vollenweider im Umfeld der<br />

ZHAW wahrnahm. Gemäss dem Moderator<br />

fühlen sich Dozenten oftmals übergangen.<br />

Denn sie monieren, dass sie als<br />

Gruppe keinen Einfluss hätten. Demgegenüber<br />

habe die sachunkundige<br />

Verwaltung viel mehr Gewicht als die<br />

Experten. So könne die Verwaltung<br />

beispielsweise zu viel bei der Notengebung<br />

mitreden.<br />

Werner Inderbitzin sieht in der Partizipa-<br />

tion eine Schwierigkeit. Er verweist aber<br />

auch auf das rasche Wachstum der ZHAW,<br />

das eine gewisse Anonymität nach sich<br />

ziehe. An einer Versammlung sei es nicht<br />

mehr möglich, dass alle mitreden können,<br />

meinte der scheidende Rektor. Er könne<br />

nachvollziehen, dass Dozenten vermehrt<br />

Administratives erledigen müssen, doch<br />

greife die Verwaltung nicht in den akademischen<br />

Auftrag ein.<br />

In der anschliessenden Diskussion wurde<br />

Werner Inderbitzin auf die Studiengebühren<br />

angesprochen. Das sei Sache des<br />

Kantons, die Höhe der Gebühren festzulegen,<br />

die derzeit zwischen 600 und<br />

800 Franken pro Semester liegen, antwortete<br />

er. Ginge es nach ihm, lägen die<br />

Gebühren höher. Seine Überlegungen<br />

haben pädagogische Gründe. Er sagte:<br />

«Der Student soll wissen, dass das Studium<br />

eine Investition <strong>für</strong> die Zukunft ist.»<br />

Mit Blick auf die USA meinte er aber auch,<br />

dass das Modell in den Vereinigten Staaten<br />

nicht einfach auf die Schweiz übertragen<br />

werden könne. Geschichte und<br />

Gesellschaft der beiden Länder seien sehr<br />

unterschiedlich.<br />

Vom Rektor zum Stiftungspräsidenten<br />

der ZHAW<br />

Ende August trat Werner Inderbitzin<br />

als Rektor der ZHAW zurück<br />

und übernahm das Präsidium der<br />

Stiftung ZHAW. Er war seit 1979<br />

Dozent an der damaligen HWV<br />

Zürich, später an der Zürcher<br />

Hochschule Winterthur. Von 1998<br />

bis 2000 leitete er das Departement<br />

Wirtschaft und Management<br />

dieser Schule und war anschliessend<br />

bis 2005 deren Rektor. Ab<br />

2006 bis zur Gründung der ZHAW<br />

im September 2007 leitete er das<br />

Umsetzungsprojekt und wurde<br />

erster Rektor dieser Hochschule.<br />

Werner Inderbitzin kommt aus<br />

dem Kanton Uri, machte bei der<br />

AKAD die Matura und studierte<br />

Ökonomie.<br />

Zusammenschluss<br />

von vier Institutionen<br />

<strong>Die</strong> ZHAW entstand 2007 aus dem<br />

Zusammenschluss der vier zuvor<br />

selbstständigen Institutionen Zürcher<br />

Hochschule Winterthur, Hochschule<br />

Wädenswil, Hochschule<br />

<strong>für</strong> Angewandte Psychologie und<br />

Hochschule <strong>für</strong> Soziale Arbeit. Sie<br />

umfasst die Departemente Architektur<br />

und Bau, Technik, Wirtschaft,<br />

Linguistik, Gesundheit, Life<br />

Sciences, Psychologie und Soziale<br />

Arbeit. Im Frühlingssemester 2011<br />

zählte die Hochschule 9100 Studierende,<br />

die 25 Bachelor-Studiengänge<br />

belegen.<br />

Unternehmerisches Gespräch vom 13. September<br />

2011; «Können und sollen Hochschulen<br />

geführt werden? <strong>Die</strong> Fachhochschulen<br />

als dynamische Player in der Bildungslandschaft<br />

Schweiz <strong>–</strong> <strong>Die</strong> Herausforderungen<br />

an die Führung», mit Prof.<br />

Dr. Werner Inderbitzin, scheidender Gründungsrektor<br />

der ZHAW und neuer Präsident<br />

der Stiftung ZHAW; Gastgeber (in<br />

Vertretung der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum)<br />

und Moderation: Christoph<br />

Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong>.


40 41<br />

Von Michel Grunder<br />

Über ein knappes Jahr lang entwickelten<br />

Kernteam, Gastreferenten und Teilnehmer<br />

im Rahmen des Zyklus «Ethische<br />

Werte des <strong>Unternehmertum</strong>s» ein Tool,<br />

das dazu dient, die ethische Ausrichtung<br />

von Personen in Interviewsituationen zu<br />

erkennen. <strong>Die</strong> sogenannte Werte-Profil-<br />

Analyse soll beispielsweise bei der Entscheidung<br />

helfen, ob ein Arbeitnehmer<br />

<strong>–</strong> insbesondere dessen ethische Charakteristik<br />

<strong>–</strong> mit den Value-Statements einer<br />

Organisation harmoniert.<br />

Das dritte Kolloquium des Aktionsfeldes<br />

Unternehmenskultur & -ethik vom 15. Juni<br />

schloss nicht nur den Zyklus ab, sondern<br />

es stellte auch die bisher erarbeiteten<br />

Grundlagen auf die Probe. Das sind einerseits<br />

die <strong>für</strong> Unternehmen und Wirtschaft<br />

massgeblichen Werte, andererseits die<br />

Methodik, mit der die ethische Charakteristik<br />

von Personen erfragt wird.<br />

GESPRÄCH<br />

Tool erkennt ethische Charakteristik<br />

von Stellenbewerbern<br />

Werte-Profil-Analyse<br />

auf dem Prüfstand<br />

Das Kolloquium stand hauptsächlich im<br />

Zeichen von Gruppenarbeiten. Unter der<br />

Aufsicht von Andreas Hürlimann, themissinglink,<br />

Walter Stürm, Econag Executive<br />

Consulting AG, und Thomas Pandiani,<br />

Eligendo AG, führten die Gäste auf der<br />

Basis der definierten Wertekriterien und<br />

Fragen gegenseitig Interviews. Sie prüften<br />

dabei die Tauglichkeit der auf <strong>Lilienberg</strong><br />

entwickelten Werte-Profil-Analyse<br />

anhand realer Berufserlebnisse und authentischer<br />

Interviewsituationen.<br />

Befragt wurden die Teilnehmenden jeweils<br />

zu einzelnen Werten und konkreten<br />

Situationen, in welchen diese Werte<br />

relevant sind. Jeder Situation wurden<br />

Verhaltensmuster zugeordnet, die als<br />

vollständig, teilweise oder gar nicht<br />

wertkonform gelten. <strong>Die</strong> Kunst <strong>für</strong> den<br />

Gesprächsführer besteht jeweils darin,<br />

die Kandidaten nach ihrem Verhalten in<br />

vergleichbaren Situationen zu befragen<br />

und ihre Handlungsmuster zu beurteilen.<br />

Das Tool bestand den Praxistext, wird nun<br />

aber noch verbessert. Beispielsweise werden<br />

die Werte verdichtet. Das soll Doppelspurigkeiten<br />

verhindern. Zudem müssen<br />

Wege gesucht werden, um einzelnen<br />

Branchen Rechnung zu tragen. Nicht alle<br />

Sektoren erfragen dieselben ethischen<br />

Qualitäten.<br />

Tool geht mit neuem Zyklus<br />

in die nächste Runde<br />

<strong>Die</strong> bisherigen Arbeiten erfolgten<br />

auf <strong>Lilienberg</strong> in einem relativ<br />

«geschützten» Rahmen. Für<br />

den Zyklus 2012 wird das Tool den<br />

<strong>Lilienberg</strong> vorübergehend verlassen<br />

und Anwendung in HR-Abteilungen<br />

von verschiedenen Unternehmen<br />

finden. Im Rahmen von<br />

Kolloquien werden ab 2012 die<br />

Unternehmen ihre Erfahrungen mit<br />

der Werte-Profil-Analyse darlegen.<br />

Wer Interesse an der Werte-Profil-<br />

Analyse hat, kann sie via E-Mail bei<br />

Michel Grunder beziehen.<br />

michel.grunder@lilienberg.ch<br />

Zyklus «Ethische Werte des Unterneh-<br />

mertums»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium vom<br />

15. Juni 2011, «Werte-Assessments im<br />

Praxistest», mit Andreas Hürlimann, Managing<br />

Partner themissinglink, Oetwil an<br />

der Limmat, Thomas Pandiani, Eligendo<br />

AG, Zürich, und Walter Stürm, Inhaber<br />

Econag Executive Consulting AG, Kloten;<br />

Moderation: Michel Grunder (Aktionsfeld<br />

Unternehmenskultur & -ethik).<br />

Angeregte Pausengespräche im Blumenmeer auf dem <strong>Lilienberg</strong> Anwesen: Walter<br />

Stürm, Moderator Michel Grunder, Andreas Hürlimann und Thomas Pandiani (von Links).


42<br />

Von Max Becker<br />

Weshalb kommt es vor, dass zwar «kreative<br />

Ideen» vorhanden sind, aber der<br />

Markt-Durchbruch doch nicht gelingen<br />

will? Wo bleiben die Innovationen stecken?<br />

Oft sind ja nicht die Ideen das Problem<br />

in der Innovationskette, sondern die<br />

Rahmenbedingungen, der Durchhaltewille<br />

und die Methodik <strong>–</strong> die Kultur eben.<br />

Das Kolloquium vom 28. Juni fokussierte<br />

sich auf die Situation bei kleineren und<br />

mittleren Unternehmungen. Ihre Chance<br />

ist die ausgeprägte Kundennähe und die<br />

Möglichkeit, rasch reagieren zu können.<br />

In Vertretung des krankheitsbedingt verhinderten<br />

Dr. Peter Kohlhaas (Dimando<br />

AG, Zürich) gab Martin Hoch, Mitglied<br />

des Kernteams im Aktionsfeld Wirtschaft<br />

& Industrie, zunächst einen Überblick<br />

über «Innovationskiller». Dazu gehören<br />

zum Beispiel Aussagen wie: «Unser Betrieb<br />

ist zu klein <strong>für</strong> Innovationen», «Wir<br />

haben nicht genügend Kapital <strong>für</strong> Innovationen»,<br />

oder: «Das kann ich mit meinen<br />

Mitarbeitern nicht machen». Martin<br />

Hoch stellte den Unternehmer als Innovator<br />

in den Vordergrund: Er muss selbst<br />

GESPRÄCH<br />

<strong>Die</strong> Unternehmenskultur<br />

als Schlüssel zur Innovation<br />

in Innovationsprozesse involviert sein, er<br />

muss aber auch vorgeben, dass gerade<br />

Innovation nicht immer gradlinig verläuft<br />

und oft auch Sinnfragen aufwirft.<br />

Teufelskreis oder Engelskreis?<br />

Jeder Mitarbeitende macht täglich neue<br />

Erfahrungen und Beobachtungen, in der<br />

Produktion, im Verkaufsgespräch oder bei<br />

der Montage. <strong>Die</strong> Summe dieser Erfahrungen<br />

muss Saatgut <strong>für</strong> Innovation sein.<br />

<strong>Die</strong> entscheidende Frage ist, ob diese Erfahrungen<br />

in einen Teufelskreis, der in<br />

Missverständnissen, Misstrauen und<br />

schliesslich Paralyse enden kann, oder in<br />

einen «Engelskreis» münden, bei dem sich<br />

die Erfahrungen in Beschleunigung, Engagement<br />

und Verbindlichkeit wechselseitig<br />

bedingen. Aus dieser Haltung heraus<br />

wird vorhandenes Wissen neu geordnet,<br />

und es werden neue Prozesse in Gang<br />

gesetzt <strong>–</strong> auch bei KMU-Betrieben. Eine<br />

explizite Fehlertoleranz ist dabei unabdingbar.<br />

Innovation als Chefsache muss<br />

dazu führen, dass alle Mitarbeitenden ein<br />

Grund-Credo zur dauernden innovativen<br />

Verbesserung der Prozesse verinnerlichen.<br />

«Vollkommene Transparenz»<br />

als Innovationsförderung<br />

Am Beispiel der Ergon Informatik AG zeigte<br />

Gabriela Keller, Informatik-Ing. ETH und<br />

Mitglied der Geschäftsleitung, wie in ihrer<br />

Unternehmung Kräfte durch Engagement<br />

freigesetzt werden können. <strong>Die</strong> Firma<br />

wurde 1984 gegründet, beschäftigt heute<br />

140 Mitarbeitende und weist einen<br />

Jahresumsatz von 27 Millionen Franken<br />

auf. Ihr Kerngeschäft sind Software-Lösungen.<br />

90 Prozent der Mitarbeitenden<br />

weisen laut Gabriela Keller einen Hochschulabschluss<br />

aus. Sie alle sind in Inno-<br />

Den Abschluss fand das Kolloquium<br />

mit einer «outdoor session» auf dem<br />

<strong>Lilienberg</strong> Anwesen, wo Teilnehmende<br />

und Referenten die Chancen <strong>für</strong> KMU-<br />

Unternehmer im Marktwettbewerb mit<br />

vationsprojekten <strong>für</strong> Kunden eingesetzt,<br />

bei denen kein Platz <strong>für</strong> Routine ist. «Wir<br />

entwickeln, was der Kunde braucht, nicht,<br />

was er will», sagte Gabriela Keller. <strong>Die</strong><br />

Ergon Informatik AG fusst auf dem Grundsatz<br />

von selbstorganisierten Teams, die<br />

als unabhängige Einheiten agieren. Wegweisende<br />

Entscheide werden bei Ergon<br />

«basisdemokratisch», das heisst unter hoher<br />

ideeller Mitbestimmung der Mitarbeitenden<br />

getroffen: Geschäftsvorgänge<br />

und Systeme sind transparent, bis hin<br />

zur vollkommenen Salärtransparenz, was<br />

auch variable Salärkomponenten von bis<br />

zu 20 Prozent beinhaltet.<br />

<strong>Die</strong> Mitbestimmung wird so weit getrieben,<br />

dass die Mitarbeitenden durch<br />

Mehrheitsentscheid gegen Beschlüsse<br />

ihrer Unternehmensleitung ein «Veto»<br />

<strong>Die</strong> Moderatoren Dr. Max Becker (rechts) und Anton Bucher (links), zusammen mit<br />

den Referenten Garbiella Keller und Martin Hoch.<br />

Weitere Anlässe im Rahmen des Zyklus 2011<br />

• 25. Oktober 2011: Tagung zum Thema «Innovationstransfer <strong>–</strong> <strong>für</strong> die Praxis ein<br />

entscheidender Erfolgsfaktor»; mit Walter Steinlin, Präsident KTI, Leiter Swisscom<br />

Outlook, Bern, Prof. Clemens Dransfeld, Leiter Institut <strong>für</strong> Kunststofftechnik,<br />

Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), Windisch, und Christoph<br />

Nägeli, Mitglied der Geschäftsleitung Nägeli AG, Güttingen.<br />

• 25. Oktober 2011: Ausserordentliches Gespräch zum selben Thema mit Prof.<br />

Dr. <strong>Die</strong>ter M. Imboden, Präsident des Verwaltungsrates des Schweizerischen<br />

Nationalfonds, Zürich.<br />

passenden Illustrationen resümierten. einlegen können, was von Ergon als wich- <strong>Die</strong> lebhafte Diskussion wurde mit einer Zyklus «Innovation <strong>–</strong> was bringt Untertiger<br />

unternehmerischer und innovations- sommerlichen «outdoor session» abgenehmen weiter?»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium<br />

fördernder Wert gesehen wird. Für die schlossen, bei der die Kernpunkte der vom 28. Juni 2011, «Wie Innovation in<br />

Umsetzung dieser Grundsätze erhielt die KMUs nochmals resümiert wurden: Kun- Gang setzen? Welche Unternehmenskul-<br />

Firma den Prix Egalité 2011 in der Katedennähe, Mitarbeiter-Engagement, Fehtur braucht es dazu?», mit Martin Hoch,<br />

gorie KMU.<br />

lertoleranz. Ob die bei Ergon hochgehal- Mitglied des Kernteams im Aktionsfeld<br />

tene «Basisdemokratie» auch andernorts Wirtschaft & Industrie, Zürich, und Gab-<br />

zum Erfolg führt, blieb an diesem Kolloriela Keller, Mitglied der Geschäftsleitung<br />

quium, bei Temperaturen über 30 Grad, Ergon Informatik AG, Zürich; Moderation:<br />

heiss umstritten.<br />

Dr. Max Becker und Anton Bucher (Aktionsfeld<br />

Wirtschaft & Industrie).


44<br />

Von Barbara Meili<br />

<strong>Die</strong> Debatte um Qualität in den Medien<br />

ist ein gesellschaftliches Dauerthema; an<br />

ihr nehmen Fachpersonen ebenso rege<br />

teil wie die breite Bevölkerung. Hat der<br />

Lokaljournalismus bei der Sicherstellung<br />

von Qualität mit spezifischen Herausforderungen<br />

zu kämpfen? Unterscheidet<br />

sich die Arbeit in den Lokalredaktionen<br />

von derjenigen in anderen Medienbüros?<br />

Oder sind Lokalmedien letztlich denselben<br />

strukturellen Veränderungen ausgesetzt<br />

wie die gesamte Branche? <strong>Die</strong>sen<br />

Fragen widmete sich das Kolloquium des<br />

Aktionsfeldes Medien & Kommunikation<br />

vom 7. Juli im Jahreszyklus «Regional- und<br />

Lokalmedien der Zukunft».<br />

Prof. Dr. Vinzenz Wyss, Professor <strong>für</strong> Journalistik<br />

und Medienforschung an der<br />

Zürcher Hochschule <strong>für</strong> Angewandte<br />

Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur,<br />

präsentierte in seinem Referat «Arbeitsbedingungen<br />

und Qualität im Lokaljournalismus»<br />

neuere Befunde aus der Forschung.<br />

Seine Fragestellungen galten den<br />

strukturellen Bedingungen, denen Journalisten<br />

verschiedener Medientypen heu-<br />

GESPRÄCH<br />

<strong>Die</strong> Fähigkeit zur Selbstreflexion<br />

fehlt in vielen Lokalredaktionen<br />

te unterworfen sind. Dabei stützte er sich<br />

auf zwei Erhebungen, welche die Entwicklungen<br />

von den späten Neunzigerjahren<br />

bis zum Jahr 2010 reflektieren.<br />

Der Fokus dieser Studien lag auf der Redaktionsarbeit<br />

und auf Qualitätsaspekten;<br />

rein wirtschaftliche Fragestellungen<br />

wurden nicht einbezogen. <strong>Die</strong> Studien<br />

erfassten die Arbeitsbedingungen von<br />

SRG-Medien (Radio und Fernsehen), Privatrundfunk,<br />

Printmedien und Lokalmedien<br />

sowie in der neueren Untersuchung<br />

zusätzlich von Gratiszeitungen<br />

und Online-Medien. Mit quantitativen<br />

und qualitativen Methoden hatten die<br />

Forschenden unter anderem untersucht,<br />

ob und wo sich in Schweizer Redaktionen<br />

«prekäre» Zustände feststellen liessen:<br />

Bereiche wie verringerte soziale Sicherheit,<br />

erschwerte Arbeitsbedingungen<br />

und ein geringer Professionalisierungsgrad<br />

der Mitarbeitenden sowie schwache<br />

Praktiken der Qualitätssteuerung.<br />

Journalisten lassen sich<br />

zu wenig weiterbilden<br />

<strong>Die</strong> Arbeit im Lokaljournalismus scheint<br />

sich, was die messbaren Hauptkriterien<br />

betrifft, nicht signifikant von derjenigen<br />

in anderen Medientypen zu unterscheiden.<br />

Vinzenz Wyss zieht aber insgesamt<br />

ein eher düsteres Fazit: «Der Begriff ‹prekäre<br />

Zustände› ist keine Übertreibung. <strong>Die</strong><br />

aktuelle Untersuchung zeigt ein unschönes<br />

Bild des Journalismus in der Schweiz.<br />

<strong>Die</strong> Medienhäuser investieren zu wenig<br />

in attraktive Arbeitsbedingungen und<br />

Qualitätssicherung, um guten Journalismus<br />

auch <strong>für</strong> die Zukunft zu gewährleisten.<br />

<strong>Die</strong> negativen Folgen werden wir<br />

vielleicht allzu bald erleben.» Journalisten<br />

sind weniger zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen<br />

als vor zehn Jahren. <strong>Die</strong><br />

Instrumente zur Qualitätssicherung sind<br />

auf manchen Redaktionen nur wenig entwickelt.<br />

Und trotz der vielen Lehrinstitutionen,<br />

die im erforschten Zeitraum entstanden,<br />

sind die Journalisten nicht besser<br />

ausgebildet und profitieren zu wenig von<br />

Weiterbildungsangeboten. Ein Teilnehmer<br />

ergänzte aus seiner Erfahrung als<br />

früherer Chefredaktor des «Zürcher Oberländers»,<br />

dass er bei den Mitarbeitenden<br />

erstaunlich wenig eigene Motivation <strong>für</strong><br />

Weiterbildungen wahrnahm. Selbstrefle-<br />

xion und Fehlerkultur seien auf vielen<br />

Redaktionen Schwachstellen. In der Diskussion<br />

wurde aber auch Hoffnung geäussert:<br />

auf Talent und Engagement einzelner<br />

Journalisten ebenso wie auf neue<br />

Kanäle und Finanzierungsmodelle.<br />

Lokales unter der Lupe<br />

des Presserats<br />

Dr. Philip Kübler, Dozent <strong>für</strong> Medienrecht<br />

an der Universität Zürich und Mitglied des<br />

Presserates, analysierte in seinem Referat<br />

«Wenn Regional- und Lokalmedien den<br />

Dr. Barbara Meili vom Aktionsfeld Medien & Kommunikation und Prof. Dr. Vinzenz Wyss (rechts)<br />

lauschen in der Pause den Ausführungen von Dr. Philip Kübler.<br />

Presserat beschäftigen» eine Reihe von<br />

spezifischen Beschwerdefällen, zu denen<br />

das Gremium in jüngerer Zeit Stellung<br />

bezogen hatte. Als Erstes erläuterte er<br />

die unterschiedlichen Vorgehensweisen<br />

von Presserat und Justiz. Anders als die


46 47<br />

Justiz hat der Presserat keine Sanktionsmöglichkeiten.<br />

Ein wichtiges Merkmal ist<br />

der niederschwellige Zugang zu dieser<br />

Institution. Der Presserat kann aus grundsätzlichem<br />

medienethischem Interesse<br />

ebenso wie aus spontaner Empörung von<br />

Lesenden konsultiert werden. Betroffene<br />

können ihn zwecks rascher Richtigstellung<br />

oder auch aus taktischen Gründen<br />

angehen. Der Presserat will dazu beitragen,<br />

dass Journalisten sich ihrer grossen<br />

Verantwortung bewusst sind und entsprechend<br />

handeln. «Rechtsbefolgung<br />

und angewandte Ethik sind ein notwendiges<br />

Korrektiv zur Medienfreiheit und<br />

zu den rechtlichen Privilegien der Medien.<br />

Erodieren Fairness und Selbstregulierung,<br />

so wird die Justiz zu Wort kommen»,<br />

konstatiert Philip Kübler.<br />

Der Kodex des Presserates unterscheidet<br />

nicht nach Mediengattungen, das heisst,<br />

seine Kriterien gelten gleichermassen <strong>für</strong><br />

überregionale wie <strong>für</strong> regionale Publikationen.<br />

Bei den Beschwerdefällen dominieren<br />

überregionale und grosse regionale<br />

Titel klar. Von den rund 70 Stellungnahmen<br />

des Presserats befassten sich<br />

2010 etwa zwei Drittel mit Erzeugnissen<br />

aus solchen Quellen. Generell stellt Philip<br />

Kübler fest, dass die Fälle in den vergan-<br />

genen Jahren vielfältiger und aus Sicht<br />

des Juristen interessanter geworden sind.<br />

Artikel mit Sorgfalt anonymisieren<br />

Der Referent stellte vier Gruppen von<br />

Fällen vor, die aus verschiedenen Deutschschweizer<br />

Lokalmedien vor den Presserat<br />

gelangten und zu denen das Gremium<br />

Leitentscheide publiziert hat. Manche<br />

Fälle hätten sich von der Problemstellung<br />

her auch bei grösseren Medien ereignen<br />

können, doch eine besondere Herausforderung<br />

im lokalen Umfeld ist die leichtere<br />

Erkennbarkeit von Personen. Hier<br />

kann ein harmlos scheinendes Detail die<br />

Identität verraten, diejenige von Tätern,<br />

Opfern oder Zeugen. In der Lokalberichterstattung<br />

müssen somit grössere Anstrengungen<br />

unternommen werden, um<br />

Artikel mit der gebotenen Sorgfalt zu<br />

anonymisieren.<br />

Zu den allgemeinen Risiken und Chancen<br />

von Lokalmedien zieht Philip Kübler folgenden<br />

Schluss: «Lokale Medien zeichnen<br />

sich durch Nähe aus: Nähe zur Sache,<br />

Nähe zu den Personen. <strong>Die</strong>se Verankerung<br />

bringt, verglichen mit grossen<br />

Medien, die Gefahr der Verbrüderung,<br />

begünstigt aber auch Anstand und Rücksichtnahme.»<br />

Weiterer Anlass im Rahmen<br />

des Zyklus 2011<br />

• Montag, 26. September 2011,<br />

17 bis 19 Uhr: Ausserordentliches<br />

Gespräch zum Thema<br />

«Lebendige Medien <strong>für</strong> lebendige<br />

Regionen: Was ist zu tun?»<br />

(Berichterstattung über diesen<br />

Anlass in der <strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong><br />

Nr. 28).<br />

Zyklus «Regional- und Lokalmedien der<br />

Zukunft: Wer nutzt, wer macht, wer<br />

finanziert sie?»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium<br />

vom 7. Juli 2011, «Lokaljournalismus und<br />

Qualität», mit Prof. Dr. Vinzenz Wyss,<br />

Professor <strong>für</strong> Journalistik und Medienforschung,<br />

ZHAW, Winterthur, und<br />

Dr. Philip Kübler, Dozent <strong>für</strong> Medienrecht,<br />

Universität Zürich, und Mitglied des Presserates;<br />

Moderation: Dr. Barbara Meili<br />

und Werner Schwarzwälder (Aktionsfeld<br />

Medien & Kommunikation).<br />

Von Heinrich Wirth<br />

Am 6. Juli führten die Verantwortlichen<br />

des Aktionsfeldes Bildung & Sport das<br />

zweite Kolloquium im Rahmen des Zyklus<br />

«Soll und kann Schule alles können?»<br />

durch. Thema waren die Lebensrealitäten<br />

von Familien, Kindern und Jugendlichen.<br />

<strong>Die</strong> Familienstrukturen haben sich in den<br />

vergangenen Jahren stark verändert.<br />

Neue Arten von Familiengemeinschaften<br />

stehen heute im Vordergrund. <strong>Die</strong>s hat<br />

Auswirkungen auf die Volksschule.<br />

Dr. Lucrezia Meier-Schatz, Nationalrätin<br />

und Geschäftsführerin von Pro Familia<br />

Schweiz, Véronique Polito Schmidt, Zentralsekretärin<br />

<strong>für</strong> Bildungspolitik des<br />

Schweizerischen Gewerkschaftsbundes,<br />

und Kirsten Oertle, Foto Prisma, Frauenfeld<br />

und Mutter von zwei Kindern im<br />

Volksschulalter, stellten in den einführenden<br />

Kurzreferaten die heutigen Lebensrealitäten<br />

von Familien, Kindern und Jugendlichen<br />

aus verschiedener Optik dar.<br />

GESPRÄCH<br />

Neue Arbeitswelt verlangt bessere<br />

Koordination zwischen Schule und Familie<br />

Familien verändern sich stetig<br />

Eine dieser Veränderungen liegt darin,<br />

dass Frauen heute deutlich weniger Kinder<br />

haben als früher, im Durchschnitt sind<br />

es nur gerade etwa 1,5 Kinder. Mit anderen<br />

Worten: Einzelkinder sind keine Einzelerscheinungen.<br />

Schweizerinnen sind<br />

heute «gebärunfreundlich», wie Lucrezia<br />

Meier-Schatz referierte. Insbesondere<br />

gelte dies <strong>für</strong> Akademikerinnen, denn<br />

75 Prozent von ihnen bleiben kinderlos.<br />

Heirat und Familie sind keine Selbstverständlichkeit<br />

mehr wie zu Zeiten des<br />

Babybooms. Seit 1970 nehmen individualisierte<br />

Lebensformen stark zu. Da<strong>für</strong><br />

stehen Begriffe wie etwa DINKs (double<br />

income no kids), Living-apart-together;<br />

Einelternfamilien; Patchwork-Familien,<br />

Regenbogenfamilien und Queer-Familien,<br />

also Familiengemeinschaften von homosexuellen<br />

oder lesbischen Eltern.<br />

Stress nimmt zu<br />

Sehr viele dieser verschiedenen Lebensgemeinschaften<br />

sind zunehmend Stresssituationen<br />

ausgesetzt. Ein Drittel aller<br />

Kinder und Jugendlicher lebt heute in<br />

einkommensschwachen Familien mit einem<br />

steuerbaren Einkommen von unter<br />

50 000 Franken. 75 Prozent aller Eltern<br />

sind Doppelverdiener, weil häufig ein einziges<br />

Einkommen nicht mehr zum Leben<br />

ausreicht. Ein Drittel aller Mütter von Kindern<br />

unter fünf Jahren sind berufstätig,<br />

was nur funktioniert, weil vor allem<br />

Grosseltern in der Kleinkinderbetreuung<br />

engagiert sind. <strong>Die</strong>s ist zunehmend möglich,<br />

da Grosseltern heute älter werden<br />

und das bei besserer Gesundheit als<br />

früher.<br />

In der Freizeit hat vor allem die Digitalisierung<br />

unserer Welt massive Veränderungen<br />

gebracht. <strong>Die</strong>se macht auch vor<br />

der Familie nicht halt. Zwar verbringen die<br />

Kinder und Jugendlichen nach wie vor<br />

gerne ihre Freizeit zusammen mit Kolleginnen<br />

und Kollegen, doch gewinnen<br />

digitale Medien zunehmend an Bedeutung.<br />

PC und Internet laufen anderen<br />

Freizeitaktivitäten den Rang ab. <strong>Die</strong>s hat<br />

auch den Vorteil, dass Kinder und Jugendliche<br />

ihre Freizeit verbringen können,<br />

ohne auf Geschwister angewiesen zu


48<br />

sein. Möglich ist dies auch, weil 99 Prozent<br />

aller Familien über einen oder<br />

mehrere PC verfügen. <strong>Die</strong>ser hohe Mediengebrauch<br />

überfordert Eltern jedoch<br />

zunehmend, denn sie sind häufig noch<br />

«digital immigrants» und nicht «digital<br />

natives» wie ihre Kinder. Deshalb haben<br />

Eltern riesige Erwartungen an die Schule,<br />

was die Medienerziehung betrifft. Sie<br />

spüren, dass Kinder und Jugendliche in<br />

der digitalen Welt ihrer Kontrolle entgleiten.<br />

<strong>Die</strong> neue Arbeitswelt<br />

Heute ist der Arbeitsmarkt stark im Umbruch:<br />

In den vergangenen Jahren ist der<br />

<strong>Die</strong>nstleistungssektor um mehr als zwei<br />

Drittel gewachsen, während im Sekundärsektor<br />

(besonders im Maschinenbau<br />

und im Druckereigewerbe) die Beschäftigtenzahlen<br />

entsprechend abgenommen<br />

haben. <strong>Die</strong> Berufe, die eine hohe<br />

Qualifizierung verlangen, nehmen zu.<br />

<strong>Die</strong>s führt <strong>–</strong> zusammen mit der Einwanderung<br />

von sehr gut qualifizierten Arbeitskräften<br />

aus der EU <strong>–</strong> zu einem immer<br />

höheren Druck auf die wenig erfolgreichen<br />

Schülerinnen und Schüler. <strong>Die</strong>sen<br />

gelingt es immer weniger, in der Arbeitswelt<br />

Fuss zu fassen.<br />

<strong>Die</strong> zunehmende Flexibilität der Arbeitsbedingungen<br />

«exportieren» den Arbeitsdruck<br />

aus dem Beruf in die Familien.<br />

Berufstätige Eltern müssen zeitlich<br />

flexibel sein. Bei Berufstätigkeit beider<br />

Eltern wird so die Kinderbetreuung<br />

schwierig: Zeitpläne müssen immer neu<br />

und immer kurzfristiger ausgehandelt<br />

werden, besonders dann, wenn Unterrichtszeiten<br />

und Stundenpläne der Schule<br />

auch flexibilisiert und individualisiert<br />

werden. Sogar bestorganisierte Familien<br />

mit der Möglichkeit, Kinderbetreuung<br />

und Berufsarbeit in eigener Kompetenz<br />

zu organisieren, weil sie als Unternehmer<br />

im eigenen Betrieb arbeiten, kommen<br />

so an den Rand der (strukturellen)<br />

Überforderung. Ganz besonders betroffen<br />

sind aber alleinerziehende Mütter:<br />

Frauen haben trotz der Verweiblichung<br />

des Arbeitsmarktes häufig eine schwache<br />

Stellung und können ihre Kinderbetreuungsarbeit<br />

kaum vor Anforderungen<br />

der Berufsarbeit schützen, denn<br />

Frauen sind im Tieflohnsegment noch<br />

erheblich übervertreten.<br />

Kontinuität und Konstanz<br />

fehlen oft<br />

Innovative Schulen bemühen sich, Eltern<br />

zu unterstützen <strong>–</strong> auch mit individuellen<br />

Informationen via Internet. Doch beste-<br />

hen hier auch Grenzen. Jugendliche und<br />

Kinder haben auch ein legitimes Anrecht<br />

auf eine Privatsphäre. Wenn zur zunehmenden<br />

Leistungs- und Lernkontrolle der<br />

Schule noch eine (zu) grosse Kontrolle<br />

der Eltern über das tägliche Genügen<br />

oder Ungenügen ihrer Kinder in der Schule<br />

kommt, dann kann es zu eng werden<br />

<strong>für</strong> diese Kinder.<br />

<strong>Die</strong> neue Arbeitswelt mit ihren Anforderungen<br />

der Flexibilität und zunehmender<br />

Verfügbarkeit ausserhalb der Arbeitszeiten<br />

verträgt sich schlecht mit einer<br />

ruhigen Familienzeit, wo Kontinuität<br />

und Konstanz wichtig wären, um Kindern<br />

Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln.<br />

<strong>Die</strong> Schule trägt aber mit ihren<br />

Unterrichtszeiten auch selber zur Diskontinuität<br />

bei. Es fragt sich, wie lange<br />

Schule und Familie noch ohne (freiwilliges)<br />

Tagesschulangebot auskommen<br />

können.<br />

<strong>Die</strong> Verantwortlichen der Schulen und<br />

die Familien wissen, dass die Arbeitswelt<br />

höhere Qualifikationen verlangt als früher,<br />

was <strong>für</strong> die Schule mehr Gewichtung<br />

auf Leistungs- und Lernorientierung bedeutet,<br />

besonders und zunehmend in<br />

den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften<br />

und Technik. <strong>Die</strong> Verantwortli-<br />

Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, Dr. Heinz Bachmann, Véronique Polito Schmidt, Kirsten Oertle und Nationalrätin und Ständeratskandidatin<br />

Brigitte Häberli-Koller (von links) im Park des <strong>Lilienberg</strong> Anwesens.<br />

chen der Schulen wissen auch, dass Eltern<br />

auf ihre Unterstützung bei der Medienerziehung<br />

angewiesen sind. Sie müssen<br />

jedoch unvoreingenommen sehen, dass<br />

es viele Familienformen gibt und dass in<br />

all diesen Formen gute und weniger gute<br />

Erziehungsleistungen möglich sind.<br />

Schulen vermehrt auch Lebensort<br />

<strong>Die</strong> zunehmende Internationalisierung<br />

der Arbeitswelt und die Individualisierung<br />

der Lebensformen werden dazu führen,<br />

dass die Schulen nicht nur Lernort,<br />

sondern auch Lebensort <strong>für</strong> Kinder und<br />

Jugendliche sind, was zu Grenzverwischungen<br />

führt. Nicht nur innerhalb der<br />

Familien muss immer wieder neu ausgehandelt<br />

werden, wie der Alltag und die<br />

Freizeit organisiert sind. Auch zwischen<br />

Schule und Familien wird künftig besser<br />

koordiniert werden müssen, wer was tut<br />

und wo<strong>für</strong> Schule und Familie jeweils<br />

verantwortlich sind <strong>–</strong> und das relativ permanent<br />

und immer wieder neu.<br />

Zyklus «Soll und kann Schule alles kön-<br />

nen?»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium vom 6. Juli<br />

2011, «Lebensrealitäten in der Schweiz<br />

2011» mit Nationalrätin Lucrezia Meier-<br />

Schatz, Geschäftsführerin Pro Familia<br />

Schweiz, St. Peterzell, Kirsten Oertle, Foto<br />

Prisma, Frauenfeld, und Véronique Polito<br />

Schmidt, Zentralsekretärin <strong>für</strong> Bildungspolitik<br />

SGB/Unia, Bern; Moderation:<br />

Dr. Heinz Bachmann und Nationalrätin<br />

Brigitte Häberli-Koller (Aktionsfeld Bildung<br />

& Sport).


50 51<br />

Von Heinrich Wirth und Heinz Bachmann<br />

Am 2. August fand das dritte und letzte<br />

Kolloquium innerhalb des Zyklus «Soll<br />

und kann Schule alles können?» des Aktionsfeldes<br />

Bildung & Sport statt. Das<br />

Thema lautete: «Was kann die Schule<br />

leisten und was nicht? Wer füllt die Lücke<br />

zwischen dem Kann und dem Soll?»<br />

Eine der Erkenntnisse: <strong>Die</strong> Erwartungen<br />

der Schule an die Eltern und jene der<br />

Eltern an die Schule sind oftmals nicht<br />

deckungsgleich. Zudem: Gesellschaftliche<br />

Entwicklungen werden immer schneller,<br />

während Bildungs- und Erziehungsprozesse<br />

Zeit brauchen, die Schule also Entschleunigung<br />

benötigte und nicht noch<br />

mehr Tempo.<br />

Anhand des «Bildungsberichtes Schweiz<br />

2010» (Aarau, 2010, Schweizerische Koordinationsstelle<br />

<strong>für</strong> Bildungsforschung)<br />

sowie konkreter Beispiele präsentierte<br />

Prof. Heinrich Wirth, ehemaliger Prorektor<br />

an der Pädagogischen Hochschule<br />

Thurgau, was die Volksschule erreicht.<br />

Nämlich: 90 Prozent aller Volksschülerinnen<br />

und Volksschüler schaffen den Abschluss<br />

einer Sek-II-Ausbildung (Lehrab-<br />

GESPRÄCH<br />

Gegenseitige Erwartungen von<br />

Schule und Eltern stimmen oft nicht überein<br />

schluss oder Mittelschulabschluss). Kinder<br />

aus Migrationsfamilien, welche die<br />

ganze Volksschule in der Schweiz durchlaufen,<br />

werden erfolgreich als Schweizerinnen<br />

und Schweizer sozialisiert. Und<br />

die zweite Migrationsgeneration in der<br />

Schweiz hat wesentlich bessere Bildungsabschlüsse<br />

als die erste, ein im Vergleich<br />

mit anderen europäischen Ländern sehr<br />

gutes Resultat.<br />

Damit ist aber ebenfalls gesagt, dass es,<br />

vor allem in der Deutschschweiz, nicht<br />

gelingt, <strong>für</strong> Kinder der ersten Migrationsgeneration<br />

und Kinder aus bildungsarmen<br />

Milieus Chancengleichheit im Bildungsbereich<br />

herzustellen. Insbesondere<br />

kann die Volksschule Sprachrückstände<br />

nicht kompensieren. Sie hat auch ganz<br />

allgemein einen eher schwachen Erfolg<br />

bei der Förderung der (Schul-)Sprache<br />

Hochdeutsch. Ebenso muss der Erfolg in<br />

den Fächern Mathematik, Informatik,<br />

Naturwissenschaften und Technik als<br />

bescheiden beurteilt werden.<br />

Wettbewerb und Stress<br />

als Folgen der Globalisierung<br />

Um zu beurteilen, was die Schule kann<br />

und was nicht, muss die Institution Schule<br />

vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen<br />

Situation gesehen werden, die<br />

sich laut Professor Wirth durch folgende<br />

Stichworte charakterisieren lässt: Globalisierung<br />

bei gleichzeitiger Lokalisierung;<br />

Individualisierung und Multioptionsgesellschaft<br />

sowie Kontrollgesellschaft. Verkürzt<br />

gesagt, führe Globalisierung zu<br />

vermehrtem Wettbewerb und Stress,<br />

was bis auf die Ebene der Primarschule<br />

wirkt. Individualisierung führe zur (neuen)<br />

Unübersichtlichkeit, wobei dann die<br />

Kontrollgesellschaft versuche, diese Unübersichtlichkeit<br />

abzubauen und durch<br />

Benchmark-Untersuchungen und Standardisierungen<br />

die gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen zu steuern.<br />

«Gesellschaftliche Entwicklungen werden<br />

immer schneller, während Bildungsund<br />

Erziehungsprozesse Zeit brauchen,<br />

die Schule also Entschleunigung bräuchte<br />

und nicht noch mehr Tempo», sagte<br />

Nationalrätin Brigitte Häberli-Koller und Dr. Heinz Bachmann führten in wie gewohnt souveräner Manier durch das Kolloquium des<br />

Aktionsfeldes Bildung & Sport.<br />

Professor Wirth. Gute (Lern-)Leistungen<br />

sind dort möglich, wo Interessen bei Kindern<br />

und Jugendlichen geweckt und<br />

aufgenommen werden können, was bei<br />

zu starker Standardisierung schwierig ist<br />

und ganz besonders leistungsschwache<br />

Kinder zusätzlich beeinträchtigt.<br />

Kurz: <strong>Die</strong> Entwicklungen der Gesellschaft<br />

und die Möglichkeiten der Schule sind<br />

zum Teil dissonant, wobei die Schule nie<br />

etwas wesentlich anderes leisten kann,<br />

als die Gesellschaft will. Solange beispielsweise<br />

in der Deutschschweiz eine<br />

dergestalt hohe Ambivalenz zur hochdeutschen<br />

Sprache besteht, kann die<br />

Schule keine besseren Lernleistungen in<br />

Hochdeutsch hervorbringen. Und solange<br />

das gesellschaftliche Ansehen und der<br />

finanzielle Erfolg von Wirtschaftsleuten<br />

und Juristinnen und Juristen ungleich viel<br />

höher ist als der von Ingenieuren und<br />

Naturwissenschaftlerinnen, werden die<br />

besten Mittelschülerinnen und Mittelschüler<br />

eben Wirtschaft studieren und<br />

nicht Technik und Naturwissenschaften,<br />

trotz noch so vielen schulischen Förde-<br />

rungsprogrammen in den Fächern Ma-<br />

thematik, Informatik, Naturwissenschaf-<br />

ten und Technik.<br />

Konflikte zwischen<br />

Schule und Familien<br />

Dass Dissonanzen von Schule und Gesellschaft<br />

sich ganz konkret in Konflikten<br />

zwischen Schule und Familie niederschlagen,<br />

verdeutlichte Johann-Christoph Rudin,<br />

Rechtsanwalt und Mitinhaber der<br />

Mediationsfirma Schulsupport, Zürich, in<br />

seinem Referat. Schulsupport ist seit zehn<br />

Jahren mit einer Kombination von Konfliktmanagement<br />

und Rechtsberatung<br />

tätig, wobei nicht Eltern, sondern Schulen<br />

beraten werden. Johann-Christoph Rudin<br />

schätzt, dass es Schulen gelingt, mit ihren<br />

eigenen Ressourcen 95 Prozent der Konflikte<br />

zu bearbeiten, und dass nur gerade<br />

die restlichen 5 Prozent der Konflikte zur<br />

Konsultation von Schulsupport führen.<br />

Das erste Ziel sei immer eine rechtliche<br />

Deeskalierung, «denn das Recht ist häufig<br />

ein schlechter Ratgeber». Recht zu<br />

bekommen, könne die Zusammenarbeit<br />

von Schule und Familie verunmöglichen.<br />

Konflikte würden deshalb in einem Mediationsverfahren<br />

bearbeitet. Es sind die<br />

verschiedenen inneren Scripts von Lehrpersonen<br />

und Eltern, die Konflikte schaffen,<br />

und diese sind häufig Spiegel dissonanter<br />

gesellschaftlicher Entwicklung<br />

und schulischer Aufgaben.<br />

Für Eltern ist ihr Kind einzigartig, und <strong>für</strong><br />

(Lern-)Misserfolge gibt es Schuldige, die<br />

man benennen muss, nämlich Lehrpersonen,<br />

während <strong>für</strong> Lehrpersonen Erfolg<br />

nicht «machbar» ist. Bei den Konflikten<br />

steht dann auch das Thema «Hochbegabung»<br />

weit oben. Für Eltern sind 8 Prozent<br />

aller Kinder hochbegabt, während<br />

Fachleute von 1 bis 2 Prozent Hochbegabten<br />

ausgehen. <strong>Die</strong>s reflektiere vor<br />

allem sehr hohe Ansprüche der Eltern<br />

auch an sich selber, sagte Johann-Christoph<br />

Rudin. «Sie wollen doch in einer<br />

Zeit, in der Leistung und Konkurrenz zunehmen,<br />

die besten Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

ihre Kinder schaffen, in der globalisierten<br />

Welt dereinst erfolgreich zu sein.» Es seien<br />

vorwiegend schweizerische Mittel-


52<br />

standsfamilien, die sich in einen destruktiven<br />

Konflikt mit der Schule verheddern,<br />

insbesondere solche, wo der Vater sich<br />

auf dem Weg einer erfolgreichen Karriereentwicklung<br />

befindet. <strong>Die</strong> «NZZ am<br />

Sonntag» hat da<strong>für</strong> den Begriff der<br />

«Kampfeltern» geprägt. Solche Eltern<br />

wohnen heute nicht mehr in den Städten,<br />

sondern in den Agglomerationsgürteln<br />

der Wirtschaftszentren, die kantonsübergreifend<br />

weit in vormals ländliche Gebiete<br />

hineinreichen.<br />

Vorläufiges Fazit<br />

Was <strong>für</strong> eine erfolgreiche Gesellschaft<br />

als Ganzes gilt, nämlich<br />

gegenläufige Entwicklungen und<br />

Unübersichtlichkeit auszuhalten, gilt<br />

letztlich auch <strong>für</strong> tiefe Konflikte<br />

zwischen Schule und Eltern; sich<br />

bewusst zu sein, dass die gegenseitigen<br />

Erwartungen häufig nicht übereinstimmen<br />

und damit zu leben,<br />

also den Dissens zu akzeptieren,<br />

ohne in Resignation oder hektische<br />

Überaktivität zu verfallen.<br />

In der Diskussion mit dem Publikum wurde<br />

deutlich, dass es sinnvoll ist, wahrzunehmen,<br />

was die Schule nicht zu leisten<br />

vermag, ohne sie dabei abzuwerten. Und<br />

dass es ebenso sinnvoll ist, die Schule in<br />

kleinen Schritten weiter zu entwickeln.<br />

Gleichzeitig soll festgestellt werden, in<br />

welchen Bereichen andere als schulische<br />

Institutionen sinnvolle Arbeit leisten können,<br />

zum Beispiel bei der vorschulischen<br />

Förderung von Kindern mit (Schul-)<br />

Sprachdefiziten.<br />

Zyklus «Soll und kann Schule alles<br />

können?»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium vom<br />

22. August 2011, «Was kann die Schule<br />

leisten und was nicht? Wer füllt die Lücke<br />

zwischen dem Kann und dem Soll?»,<br />

mit Prof. Heinrich Wirth, ehemaliger Prorektor<br />

der Pädagogischen Hochschule<br />

Thurgau, und Johann-Christoph Rudin,<br />

Rechtsanwalt, Mitinhaber der Mediationsfirma<br />

Schulsupport, Zürich; Moderation:<br />

Dr. Heinz Bachmann und Nationalrätin<br />

Brigitte Häberli-Koller (Aktionsfeld<br />

Bildung & Sport).<br />

Weitere Anlässe im Rahmen<br />

des Zyklus 2011<br />

• 16. November 2011: Tagung zum<br />

Thema «Was können Lehrpersonen<br />

leisten und was nicht?»; mit<br />

Matthias Fuchs, stellvertreteder<br />

Prorektor Lehre, Pädagogische<br />

Hochschule Thurgau, Andrea<br />

Schlegel, Oberstufenlehrerin,<br />

Seuzach, Paul Schnewlin, Ober<br />

stufenlehrer, Winterthur, und<br />

Beat W. Zemp, Zentralpräsident<br />

Dachverband Schweizer Lehrerinnen<br />

und Lehrer.<br />

• 16. November 2011: Ausserordentliches<br />

Gespräch zum Abschluss des<br />

Zyklus zum Thema «Schule aus Sicht<br />

eines Kinderarztes»; mit Dr. med.<br />

Urs A. Hunziker, Leiter der Kinderklinik<br />

Winterthur.<br />

53<br />

Von Stefan Bachofen<br />

Gast des letzten <strong>Lilienberg</strong> Forums in die-<br />

sem Jahr, des 66. insgesamt, ist am Don-<br />

nerstag, 10. November, Prof. Dr. Heidi<br />

Wunderli-Allenspach. <strong>Die</strong> erste Rektorin<br />

in der bald 160-jährigen Geschichte der<br />

ETH Zürich referiert im <strong>Lilienberg</strong> Zentrum<br />

zum Thema «<strong>Die</strong> Position der ETH in unserem<br />

Bildungssystem und ihre Bedeutung<br />

<strong>für</strong> den Werkplatz Schweiz».<br />

<strong>Die</strong> 64-jährige Heidi Wunderli-Allenspach<br />

trat an der ETH Zürich am 1. September<br />

2007 das Rektorenamt als Nachfolgerin<br />

des altershalber zurückgetretenen Konrad<br />

Osterwalder an. In ihrer Funktion als<br />

Rektorin ist sie <strong>für</strong> die Belange der Lehre<br />

zuständig. Damit zeichnet sie verantwortlich<br />

<strong>für</strong> die Zulassung zu den Studien auf<br />

allen Stufen sowie <strong>für</strong> die Organisation<br />

und Kontrolle des Studienbetriebs einschliesslich<br />

des Prüfungswesens. Im Weiteren<br />

erteilt die ETH-Rektorin die Lehrberechtigungen<br />

und Lehraufträge und lädt<br />

Gastdozierende ein. Sie ist zuständig <strong>für</strong><br />

die Zusammenarbeit mit den Mittelschulen<br />

und die Vereinbarung hochschulübergreifender<br />

Studiengänge sowie den Aus-<br />

AUSBLICK<br />

Heidi Wunderli-Allenspach:<br />

ETH stärkt den Wissens- und Werkplatz Schweiz<br />

ETH-Rektorin Prof. Dr. Heidi Wunderli-Allenspach überreicht im Herbst 2010 einer<br />

frischgebackenen Doktorin die Urkunde. Insgesamt 192 junge Menschen erlangten<br />

vor einem Jahr an der ETH die Doktorwürde.


54 55<br />

tausch von Studierenden. Zudem ist sie<br />

Mitglied der vierköpfigen Schulleitung<br />

der ETH Zürich.<br />

Plädoyer <strong>für</strong> starkes<br />

duales Bildungssystem<br />

Als Rektorin der ETH Zürich setzt sich<br />

Heidi Wunderli-Allenspach <strong>für</strong> eine klare<br />

Positionierung der ETH in der Bildungslandschaft<br />

Schweiz ein. Sie plädiert <strong>für</strong><br />

ein starkes duales Bildungssystem mit den<br />

Fachhochschulen und der Berufsbildung<br />

einerseits und den beiden ETH und den<br />

Universitäten mit ihrer Grundlagenforschung<br />

andererseits. Der Werkplatz und<br />

der Wirtschaftsstandort Schweiz brauchen<br />

laut der ETH-Rektorin beide Arten<br />

von Berufs- und Fachleuten, und sie brauchen<br />

noch mehr von ihnen. <strong>Die</strong> ETH Zürich<br />

kommt ihrem nationalen Auftrag<br />

nach und bildet 50 Prozent mehr Studierende<br />

aus als noch vor zehn Jahren, und<br />

dies bei praktisch gleich gebliebenen<br />

Budgetmitteln. Im Kampf um mehr Ressourcen<br />

sollten die Hochschulen aber<br />

nicht gegeneinander ausgespielt werden,<br />

so Heidi Wunderli.<br />

Professorin <strong>für</strong> Biopharmazie<br />

Der Aufstieg der Biologin und Biopharmazeutin<br />

Heidi Wunderli verlief rasant:<br />

1986 wurde sie Assistenzprofessorin an<br />

der ETH Zürich, 1992 ausserordentliche<br />

Professorin. 1995 erfolgte schliesslich die<br />

Berufung als ordentliche Professorin <strong>für</strong><br />

Biopharmazie am Institut <strong>für</strong> Pharmazeutische<br />

Wissenschaften der ETH Zürich.<br />

Doktorarbeit<br />

an der Uni Basel verfasst<br />

Heidi Wunderli-Allenspach wird im Gespräch<br />

mit dem <strong>Lilienberg</strong> Publikum auch<br />

über die Anfänge ihrer Laufbahn berichten.<br />

Nach dem Abschluss ihres Biologiestudiums<br />

an der Abteilung <strong>für</strong> Naturwissenschaften<br />

der ETH Zürich hatte sie an<br />

der Universität Zürich ein Zweitstudium<br />

<strong>für</strong> experimentelle Medizin und Biologie<br />

absolviert und am Biozentrum der Universität<br />

Basel ihre Doktorarbeit verfasst.<br />

Anschliessend war sie zwei Jahre an<br />

der Duke University in Durham (North<br />

Carolina, USA), drei Jahre am Schweizerischen<br />

Institut <strong>für</strong> Experimentelle Krebsforschung<br />

in Epalinges und ebenfalls drei<br />

Jahre am Institut <strong>für</strong> Immunologie und<br />

Virologie der Uni Zürich als Postdoktorandin<br />

tätig. Als Postdoktoranden bezeichnet<br />

man Wissenschaftler, die nach<br />

Beendigung ihrer Promotion an einer<br />

Universität oder einem Forschungsinstitut<br />

befristet angestellt sind und während<br />

dieser Zeit an Forschungsprojekten mitarbeiten.<br />

Von Martin von Orelli<br />

Es ist unbestreitbar, dass sich die Schwei-<br />

zer Armee seit einigen Jahren in einer<br />

anspruchsvollen Umbauphase befindet.<br />

Jeder Umbau ist von Unwägbarkeiten<br />

gesäumt. Wären es nur Lappalien, könnte<br />

man getrost darüber hinweggehen.<br />

Mit der Absicht der «Gruppe Schweiz<br />

ohne Armee» (GSoA), eine Volksinitiative<br />

zur Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht<br />

zu lancieren, betreten wir nun aber<br />

ein Feld, in welchem es nicht nur um ein<br />

ganz wesentliches Prinzip unserer Landesverteidigung,<br />

sondern auch um eine<br />

staats- und gesellschaftspolitische Fragestellung<br />

geht.<br />

Mit der Absicht der GSoA, die allgemeine<br />

Wehrpflicht grundsätzlich infrage stellen<br />

zu wollen, kann man verschiedenartig<br />

umgehen. Entweder man verurteilt ein<br />

solches Ansinnen in Bausch und Bogen<br />

und geht zur Tagesordnung über, oder<br />

man überlässt es dem Souverän, sich ein-<br />

AUSBLICK<br />

«Allgemeine Wehrpflicht» im<br />

Fokus des neuen Armee-Zyklus<br />

mal mehr zu Armeefragen zu äussern,<br />

ohne dabei selber etwas beizutragen. Der<br />

dritte Weg besteht darin, sich mit der<br />

Problematik auseinanderzusetzen und<br />

fundiert Pro und Contra zu diskutieren.<br />

Einfach anzunehmen, dass eine solche<br />

Initiative a priori keine Chance hätte, wäre<br />

blauäugig.<br />

Ausgehend von der Tatsache, dass sich<br />

das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum immer<br />

wieder um Armeeprobleme gekümmert<br />

und eindeutig Farbe bekannt hat, ist es<br />

angebracht, dem Thema «Allgemeine<br />

Wehrpflicht» einen eigenen Zyklus zu<br />

widmen.<br />

Zielsetzungen des Zyklus<br />

Es geht darum,<br />

• die in der Bundesverfassung verankerte<br />

allgemeine Wehrpflicht in einen grösseren<br />

Rahmen zu stellen;<br />

• Stärken und Schwächen des heutigen<br />

Systems zu erkennen;<br />

• falls die allgemeine Wehrpflicht ersetzt<br />

werden soll, Alternativen aufzuzeigen<br />

und zu werten;<br />

• die Frage zu beantworten, ob, nachdem<br />

die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft<br />

wäre, ein späteres Zurückkommen<br />

vorstellbar ist;<br />

• ganz konkret im Hinblick auf eine mögliche<br />

Volksabstimmung zum Thema «Abschaffung<br />

der allgemeinen Wehrpflicht»<br />

einen Beitrag zur unvoreingenommenen<br />

Meinungsbildung zu leisten;<br />

Am 17. Oktober analysiert das Kernteam<br />

des Aktionsfeldes Sicherheit &<br />

Armee die Fragestellung näher, und es<br />

legt den thematischen und zeitlichen<br />

Aufbau des Zyklus sowie das methodische<br />

Vorgehen fest. Im Verlaufe der<br />

ersten Jahreshälfte 2012 sind drei Kolloquien,<br />

im Herbst 2012 ein eintägiger<br />

Anlass geplant. <strong>Die</strong> Verantwortlichen<br />

des neuen Zyklus freuen sich, ein zahlreiches<br />

Publikum an den verschiedenen<br />

Anlässen begrüssen zu dürfen, geht es<br />

doch um ein wehrpolitisch bedeutsames<br />

Thema, das niemanden gleichgültig<br />

lassen kann.


56 57<br />

Von Glenn Mueller<br />

Mit der Bildungssparte «Frauenförderung»<br />

werden aktuelle Themen zur Gender-Problematik<br />

im unternehmerischen<br />

Umfeld behandelt. Jolanda Moser, die die<br />

Veranstaltung konzipiert hat, will bewusst<br />

eine Brücke zwischen Unternehmern<br />

und Unternehmerinnen schaffen<br />

und damit das Verständnis auf beiden<br />

Seiten fördern. Denn das Beste aus beiden<br />

Welten garantiert den maximalen<br />

Mehrwert <strong>für</strong> Ihr Unternehmen.<br />

Mit dem ersten Fachgespräch vom Mittwoch,<br />

26. Oktober, zum Thema «Der<br />

gesunde Mitarbeitermix <strong>–</strong> Frauenförderung<br />

als Potenzial <strong>für</strong> Ihr Unternehmen»<br />

ist es Jolanda Moser gelungen, als Vergleichsperson<br />

den obersten Personalverantwortlichen<br />

von Microsoft Schweiz,<br />

René Villiger, zu überzeugen, seine Erfahrungen<br />

in Bezug auf Frauenförderung,<br />

Arbeitsplatzattraktivität und Kostenfaktoren<br />

zu teilen. Begleitet wird René Villiger<br />

von Vanessa Kammermann-Gentile,<br />

Marketing-Managerin Microsoft Schweiz.<br />

Dass diese Thematik aktueller denn je ist,<br />

zeigt die Tatsache, dass sich bereits jetzt<br />

namhafte Teilnehmer angemeldet haben.<br />

BILDUNG<br />

Frauenförderung auf <strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Die</strong>ser Auftaktveranstaltung folgen weitere<br />

Bildungsanlässe. Wollen auch Sie sich<br />

<strong>für</strong> diese Art der Frauenförderung engagieren?<br />

Jolanda Moser freut sich auf Ihre<br />

Kontaktaufnahme, Telefon 071 663 23 23.<br />

Weitere Fachgespräche zu<br />

anderen Themen bis Ende 2011<br />

• Mittwoch, 12. Oktober 2011:<br />

«Erfolgreiche Verhandlungsstrategien:<br />

So pack ich es an und<br />

setz mich durch!», mit Maria<br />

Hof-Glatz, Diplom-Psychologin.<br />

• Donnerstag, 20. Oktober 2011:<br />

«Frankenstärke <strong>–</strong> Welche Massnahmen<br />

kann man als KMU<br />

ergreifen?»<br />

• <strong>Die</strong>nstag, 29. November 2011:<br />

«Wie analysiere und entwickle<br />

ich meine Marke? <strong>–</strong> Ein Praxisbeispiel»,<br />

mit <strong>Die</strong>ter Bachmann,<br />

Gottlieber Spezialitäten AG.<br />

Jolanda Moser, Begleiterin der <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmensführung, zeichnet<br />

<strong>für</strong> das Fachgespräch «Der gesunde<br />

Mitarbeitermix <strong>–</strong> Frauenförderung als<br />

Potenzial <strong>für</strong> Ihr Unternehmen» verantwortlich.<br />

Von Peter Fischli*<br />

Was kann die beschauliche Region am<br />

Rhein, zwischen Hegau, Klettgau und<br />

Schwarzwald gelegen, den Winterhurer<br />

<strong>Lilienberg</strong>ianern bieten, was es nicht auch<br />

an der Eulach und an der Töss gibt?<br />

Seit dem Referat von Beat Hedinger,<br />

Geschäftsführer von «Schaffhauserland<br />

Tourismus» und «Schaffhauser Blauburgunderland»,<br />

ist klar, dass die vier Leuchttürme<br />

der Region<br />

• Rheinfall<br />

• Stein am Rhein<br />

• Stadt Schaffhausen<br />

• Landschaft und Wein<br />

attraktive Gründe <strong>für</strong> einen lohnenden<br />

Besuch im «kleinen Paradies» sind.<br />

Schweizweit einzigartig ist die Symbiose<br />

zwischen Wein und Tourismus sowie<br />

Tourismus und Wein. Eine packende Aufgabe<br />

<strong>für</strong> den Chef und seine 21 Mitarbeitenden<br />

<strong>–</strong> die meisten von ihnen sind<br />

übrigens mit einem Vollpensum angestellt.<br />

BILDUNG<br />

Aktiver Austausch: Regionalgruppe Winterthur<br />

zu Gast im Haus der Wirtschaft in Schaffhausen<br />

«Geschichten» erzählen (… vielleicht<br />

auch ein wenig mitschreiben?). Impulse<br />

setzen, beraten, empfehlen, vernetzen,<br />

Pakete schnüren. <strong>Die</strong> Region bekannter<br />

machen, Produkte von Mitgliedern anbieten<br />

und verkaufen. <strong>Die</strong>se Aufgaben<br />

nehmen «Schaffhauserland Tourismus»<br />

und «Schaffhauser Blauburgunderland»<br />

wahr, beide sind damit wichtige Visitenkarten<br />

und Aushängeschilder des «kleinen<br />

Paradieses».<br />

<strong>Lilienberg</strong> zu Besuch im Schaffhauser<br />

Blauburgunderland: <strong>Die</strong> Mitglieder der<br />

Regionalgruppen Winterthur und Schaffhausen<br />

begegneten sich im Haus der<br />

Wirtschaft in Schaffhausen zum Gedankenaustausch.<br />

Dank dem Schaffhauser <strong>Lilienberg</strong>ianer<br />

Thomas Imobersteg, der «Schaffhauserland<br />

Tourismus» seit dem vergangenen<br />

Frühling präsidiert, durften die Mitglieder<br />

der Regionalgruppe Winterthur Einblicke<br />

in Tourismusförderung, Produkt- und<br />

Standortvermarktung gewinnen. Ebenfalls<br />

konnten die Mitglieder der Regionalgruppe<br />

Schaffhausen beim Apéro und<br />

Nachtessen ihre Winterthurer Kolleginnen<br />

und Kollegen mit den Vorzügen des<br />

Schaffhauser Weins bekannt machen.<br />

Vor allem aber gab es viele angeregte<br />

Gespräche. Gesamthaft gesehen war es<br />

ein sehr gelungener Abend.<br />

* Peter Fischli ist Leiter der Regionalgruppe<br />

Schaffhausen.


58 59<br />

Von Stefan Bachofen<br />

Dabei sein, wenn ETH-Rektorin Heidi<br />

Wunderli-Allenspach oder Emanuel<br />

Probst, CEO von Jura Elektroapparate AG,<br />

aus ihrem persönlichen Wirkungskreis<br />

erzählen. Hautnah miterleben, wie VBS-<br />

Chef Ueli Maurer und Korpskommandant<br />

André Blattmann über die künftigen Herausforderungen<br />

unserer Armee denken.<br />

Oder zusammen mit ausgewiesenen<br />

Fachleuten aus dem Bereich Landwirtschaft<br />

Impulse <strong>für</strong> eine ganzheitliche und<br />

nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft<br />

setzen. <strong>Die</strong>s alles ist auf <strong>Lilienberg</strong><br />

möglich.<br />

Eine Mitgliedschaft in der <strong>Lilienberg</strong> Gemeinschaft<br />

lohnt sich: Für lediglich 500<br />

Franken pro Jahr erleben <strong>Lilienberg</strong><br />

Freunde auf dem idyllisch gelegenen<br />

Anwesen am Untersee als Teil eines einmaligen<br />

unternehmerischen Netzwerks<br />

Auseinandersetzungen mit hochkarätigen<br />

Persönlichkeiten aus dem In- und<br />

dem grenznahen Ausland. Sie diskutieren<br />

mit ihnen die relevanten wirtschaftlichen,<br />

politischen und gesellschaftlichen<br />

Themen unserer Zeit <strong>–</strong> immer auf Au-<br />

MITGLIEDSCHAFT<br />

Eine Mitgliedschaft als<br />

<strong>Lilienberg</strong> Freund lohnt sich<br />

genhöhe und mit einem direkten Bezug<br />

zum <strong>Unternehmertum</strong>.<br />

Im Detail heisst das: <strong>Lilienberg</strong> Freunde<br />

können unentgeltlich immer zusammen<br />

mit einer Begleitperson an unseren Diskussionsveranstaltungen<br />

teilnehmen,<br />

nämlich an den:<br />

• Foren<br />

• Besonderheiten<br />

• Kolloquien<br />

• Tagungen (ohne Begleitperson)<br />

• Ausserordentlichen Gesprächen<br />

• <strong>Lilienberg</strong> Gesprächen<br />

Ausserdem erhalten <strong>Lilienberg</strong> Freunde<br />

unsere Publikationen, insbesondere die<br />

vierteljährlich erscheinende <strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Zeitschrift</strong>, den «<strong>Lilienberg</strong> Ausblick» mit<br />

dem ausführlichen Veranstaltungskalender<br />

sowie die «<strong>Lilienberg</strong> Schrift».<br />

«Ein Gramm Unternehmergeist<br />

wiegt mehr als ein Kilogramm<br />

Bürokratie.»<br />

(Arno Sölter, deutscher Publizist)<br />

<strong>Lilienberg</strong> Freunde können unentgeltlich an Gesprächsveranstaltungen teilnehmen,<br />

beispielsweise an Foren und <strong>Lilienberg</strong> Gesprächen.<br />

Im Anschluss an die Veranstaltungen auf <strong>Lilienberg</strong> werden unter den Teilnehmenden Freundschaften geknüpft und vertieft <strong>–</strong><br />

zum Beispiel beim Apéro im Park.


60 61<br />

Von Jörg Kündig*<br />

«Führen heisst, einen Menschen dazu zu<br />

bringen, das zu tun, was man will, weil<br />

er es selbst will.» <strong>Die</strong>ses Zitat von Dwight<br />

D. Eisenhower, dem ehemaligen amerikanischen<br />

General und nachmaligen<br />

US-Präsidenten, möchte ich meinen<br />

Überlegungen voranstellen.<br />

<strong>Die</strong> Formulierung mag zwar etwas hart<br />

und militärisch klingen, ist aber getragen<br />

von der Erkenntnis, dass der Mensch beim<br />

Erreichen von bestimmten Zielen eine<br />

ganz entscheidende Rolle spielt und das<br />

Erreichen der Ziele nur gemeinsam möglich<br />

ist. Voraussetzung da<strong>für</strong> ist, dass der<br />

Mensch weiss, worum es geht, dass er<br />

über die Vorstellungen seines Vorgesetzten<br />

Klarheit hat und dass er überzeugt<br />

und motiviert ist. Mit anderen Worten,<br />

er muss informiert sein.<br />

Ungewissheit als Gefahr<br />

Das Umfeld wandelt sich <strong>–</strong> in Unternehmen,<br />

in Institutionen oder auch in den<br />

Gemeinden. <strong>Die</strong> Führung muss sich auf<br />

Veränderungen einrichten und sie bewältigen.<br />

Wenn in solchen Situationen nie-<br />

BLICKWINKEL<br />

Information als unternehmerische Kernaufgabe <strong>–</strong><br />

auch in der Politik<br />

mand weiss, wie die Leitung die Entwicklung<br />

des Unternehmens beurteilt und<br />

welche Massnahmen sie plant, herrscht<br />

zunehmende Unsicherheit. Bald machen<br />

die wildesten Gerüchte die Runde. Es<br />

entstehen Existenzsorgen, welche die<br />

Organisation richtiggehend lähmen. Wer<br />

nimmt schon neue Projekte in Angriff,<br />

wer sprüht schon von Ideen, wenn seine<br />

Gedanken von der Angst über die eigene<br />

Zukunft dominiert werden? Niemand.<br />

Gerade in einer Arbeitsmarktsituation, in<br />

der Fachkräfte oder qualifizierte Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter Mangelware<br />

sind <strong>–</strong> als Branchenbeispiel sei das Gesundheitswesen<br />

genannt <strong>–</strong>, ist das geradezu<br />

fatal. <strong>Die</strong> Besten werden raschmöglichst<br />

das Unternehmen verlassen, und<br />

die resultierende Negativspirale führt zu<br />

Know-how- und zu Qualitätsverlust; das<br />

Image einer Firma wird beschädigt, und<br />

die verbleibenden Mitarbeitenden sehen<br />

sich einem noch höheren Druck ausgesetzt.<br />

Es gibt nichts Schlimmeres als Ungewissheit.<br />

Proaktiv informieren, um<br />

Gerüchten zuvorzukommen<br />

<strong>Die</strong>ser Ungewissheit kann begegnet werden,<br />

indem informiert wird. Dabei ist die<br />

Unternehmensführung gefordert, diese<br />

Aufgabe gegenüber der Belegschaft proaktiv<br />

wahrzunehmen. Es gilt, sich nicht<br />

nur in schwierigen Zeiten daran zu erinnern,<br />

dass ein Kommunikationskonzept<br />

besteht, das es anzuwenden gilt, obwohl<br />

dann die Übermittlung von Informationen<br />

natürlich noch bedeutungsvoller ist.<br />

Informieren, und zwar in regelmässigen<br />

Abständen, ist eine ständige Pflicht der<br />

Unternehmensführung. Sie in guten Zeiten<br />

zu vernachlässigen, ist kurzsichtig und<br />

bringt die Vorgesetzten schnell in die<br />

Rolle der Überbringer von schlechten<br />

Nachrichten. Auch in guten Zeiten sollen<br />

ja von den Unternehmen ganzheitliche<br />

Ziele erreicht werden. Nur mit der überzeugenden<br />

und motivierenden Information<br />

gelingt das, was Eisenhower gemeint<br />

hat. <strong>Die</strong> Mitarbeitenden identifizieren<br />

sich mit einem Ziel und engagieren sich<br />

<strong>für</strong> dessen Erreichung.<br />

Unternehmerisch <strong>–</strong><br />

auch in der Gemeinde<br />

Es stellt sich die Frage, inwieweit ein privatwirtschaftlich<br />

geführtes Unternehmen<br />

mit einer öffentlichrechtlichen Körperschaft<br />

oder einer Gemeinde vergleichbar<br />

ist. Gelten da die gleichen unternehmerischen<br />

Grundsätze? Ein erster Blick<br />

macht zuerst die offensichtlichen Unterschiede<br />

deutlich. Lange Entscheidungswege<br />

im politischen Entscheidungsprozess,<br />

Aufgabenerfüllung durch Behördenmitglieder<br />

im Nebenamt, die alle vier<br />

Jahre neu gewählt werden müssen, oder<br />

Steuern, die nicht (nur) von der unternehmerischen<br />

Leistung einer Gemeinde abhängig<br />

sind.<br />

Der zweite Blick macht aber klar, dass es<br />

mehr als nur eine Parallele gibt. Auch in<br />

einer Gemeinde muss es um die ganzheitliche<br />

Betrachtung gehen. Das Verhalten<br />

des Führungsorgans darf sich nicht<br />

nur einseitig an ein bestimmtes Publikum<br />

richten. Entscheide, die sich einzig und<br />

allein an den finanziellen Möglichkeiten<br />

orientieren, sind oft kurzsichtig. Denn klar<br />

ist: Der Mensch, der Bürger muss im Mittelpunkt<br />

stehen. <strong>Die</strong> Menschen müssen<br />

Entscheide mittragen, müssen einzelnen<br />

Abstimmungsvorlagen zustimmen oder<br />

Kandidatinnen und Kandidaten bei Wahlen<br />

unterstützen. Und hier greifen wieder<br />

dieselben Überlegungen wie in einem<br />

Unternehmen. Entscheide können nur<br />

mitgetragen, nachvollzogen werden,<br />

wenn die Leute wissen, worum es geht,<br />

wenn sie verstehen, welche Überlegungen<br />

hinter einem getroffenen Entscheid<br />

stehen, wenn sie sich hinter ein gemeinsames<br />

Ziel stellen können. Das kann dadurch<br />

erreicht werden, dass die Leitungsgremien<br />

der Behörden informieren. Sei<br />

es schriftlich über direkte Ansprachen,<br />

sei es an speziellen Veranstaltungen. Information<br />

ist auch in einer Gemeinde eine<br />

zentrale Aufgabe der Behörden.<br />

Ja, Information ist eine<br />

unternehmerische Kernaufgabe<br />

Jeder Einzelne von uns wird von Nachrichten<br />

überschüttet, und gerade auch<br />

die sozialen Netzwerke, wie wir sie vom<br />

Internet her kennen (Facebook etc.), tragen<br />

das ihrige dazu bei, dass sich Wissen,<br />

Teil- und Halbwahrheiten ihren Weg bahnen.<br />

Sie beeinflussen das Denken und<br />

Handeln von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,<br />

von Geschäftspartnern und<br />

natürlich von allen Bürgerinnen und Bürgern.<br />

Auf dieser Basis ziehen sie individuell<br />

ihre Schlüsse, oder sie zweifeln<br />

Jörg Kündig<br />

möglicherweise Entscheide an, wehren<br />

sich dagegen. Gerade das macht Information<br />

zu einer grossen Herausforderung.<br />

Sie zu bewältigen, zu informieren,<br />

ist eine unternehmerische Kernaufgabe,<br />

nicht nur in der Privatwirtschaft.<br />

* Jörg Kündig (51) ist Betriebsökonom<br />

HWV und arbeitet als selbstständiger<br />

Finanzberater und Treuhänder. Er ist<br />

Gemeindepräsident von Gossau ZH und<br />

Präsident der Gemeindepräsidenten des<br />

Bezirks Hinwil. Zudem wirkt er als Verwaltungsratspräsident<br />

der Gesundheitsversorgung<br />

Zürcher Oberland - GZO AG<br />

und als Mitglied des Verwaltungsrates<br />

der Rahn AG, Zürich. Bei der Stiftung<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum ist Jörg<br />

Kündig Begleiter des Aktionsfeldes Politik<br />

& Gesellschaft.


62 63<br />

oRGANISATIoN<br />

Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum ...<br />

ist ein unternehmerisches Erlebnis- und Begegnungszentrum. Mit seiner traumhaften Lage und seiner einmaligen Umgebung ist <strong>Lilienberg</strong><br />

eine Oase des Nachdenkens, wo man sich finden, einbringen und klären kann. Das Unternehmerforum ist ein Ort der Begegnung,<br />

der Gespräche und der Bildung. Hier treffen sich unternehmerisch denkende und wirkende Persönlichkeiten aus allen Bereichen sowie<br />

deren Mitarbeiterschaft. Um die Ziele zu verwirklichen, bietet das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum unternehmerisch interessierten Menschen<br />

in den drei Bereichen Begegnung, Gespräch und Bildung verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten an.<br />

BEGEGNUNG GESPRÄCH BILDUNG<br />

In verschiedenen Einzelveranstaltungen<br />

mit aussergewöhnlichen Persönlichkeiten<br />

treffen sich unternehmerische<br />

Menschen aus Wirtschaft, Politik,<br />

Gesellschaft und Armee und kommen<br />

miteinander ins Gespräch, um sich gegenseitig<br />

zu begegnen und nachhaltig<br />

kennenzulernen.<br />

Im Bereich Begegnung unterscheiden<br />

wir folgende Veranstaltungen:<br />

■ Im <strong>Lilienberg</strong> Forum tritt eine aussergewöhnliche<br />

Persönlichkeit auf und<br />

berichtet aus ihrem Wirkungskreis.<br />

■ Der <strong>Lilienberg</strong> Preis wird alle zwei<br />

Jahre an beispielhafte unternehmerische<br />

Persönlichkeiten und Institutionen<br />

verliehen.<br />

■ <strong>Die</strong> <strong>Lilienberg</strong> Rezitale dienen der<br />

Begegnung von Persönlichkeiten in<br />

einem kulturellen Rahmen, der<br />

gleichzeitig jungen Künstlern eine<br />

wertvolle Plattform bietet.<br />

Im Bereich Gespräch werden wirtschaftliche,<br />

politische und gesellschaftliche<br />

Fragen im Zusammenhang mit dem<br />

<strong>Unternehmertum</strong> in folgenden Aktionsfeldern<br />

behandelt:<br />

<strong>–</strong> Sicherheit & Armee<br />

<strong>–</strong> Medien & Kommunikation<br />

<strong>–</strong> Gesundheit & Umwelt<br />

<strong>–</strong> Unternehmenskultur & -ethik<br />

<strong>–</strong> Wirtschaft & Industrie<br />

<strong>–</strong> Politik & Gesellschaft<br />

<strong>–</strong> Bildung & Sport<br />

<strong>Die</strong> Fragestellungen werden in Gesprächszyklen<br />

vertieft behandelt, die in<br />

der Regel ein Jahr dauern und aus mehreren<br />

Kolloquien, einer Tagung und einem<br />

abschliessenden Ausserordentlichen<br />

Gespräch bestehen. Daneben werden<br />

kurze Zyklen organisiert, welche herausfordernde<br />

tagesaktuelle Themen zum<br />

Inhalt haben.<br />

Unter dem Motto «Unternehmer schulen<br />

Unternehmer» bietet <strong>Lilienberg</strong><br />

Erlebnis-Gesprächstage sowohl zu unternehmerischen<br />

Grundsatzthemen als<br />

auch zu Sach- und Fachthemen an. Im<br />

Mittelpunkt stehen jeweils eine Vergleichspersönlichkeit<br />

und deren unternehmerische<br />

Erfahrungen. <strong>Die</strong> Seminarteilnehmer<br />

denken dabei selber vertieft<br />

über sich und über die eigene Position<br />

nach und bringen gegenseitig ihre Erfahrungen<br />

ein.<br />

■ Unternehmergespräche<br />

Unternehmergespräche behandeln die<br />

unternehmerischen Grundsatzfragen,<br />

zum Beispiel: Aufbau und Organisation,<br />

Generationenwechsel, finanzielle Stärkung.<br />

■ Sachgespräche<br />

In Sachgesprächen geht es vor allem um<br />

die Fragen rund um den geeigneten Mitteleinsatz.<br />

■ Fachgespräche<br />

In diesen Gesprächen geht es in erster<br />

Linie um die Bewältigung der Alltagsprobleme<br />

von KMUs wie Rekrutierung und<br />

Schulung von Mitarbeitern, Verhandlung<br />

mit Banken.


<strong>Lilienberg</strong> <strong>Unternehmertum</strong><br />

Industriestrasse 1<br />

CH-8340 Hinwil<br />

Telefon +41 44 938 70 00<br />

Fax +41 44 938 70 99<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

Blauortstrasse 10<br />

CH-8272 Ermatingen<br />

Telefon +41 71 663 23 23<br />

Fax +41 71 663 23 24<br />

info@lilienberg.ch<br />

www.lilienberg.ch

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