Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum
Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum
Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum
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<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />
<strong>Unternehmertum</strong><br />
Nummer 22 / Mai 2010
UNTERNEHMERTUM<br />
3 Editorial<br />
4 Mit Weitsicht zu neuen Horizonten<br />
aufbrechen<br />
6 Der gute Unternehmer stellt sich<br />
den Veränderungen<br />
BEGEGNUNG<br />
8 Peter Brabeck-Letmathe: Schweiz<br />
darf Standortvorteil nicht preisge-<br />
ben<br />
13 Ausdrucksstarke Stimme <strong>–</strong> gefühl-<br />
volle Lieder<br />
15 Gelebtes <strong>Unternehmertum</strong> <strong>–</strong> Wal-<br />
ter Reists Beitrag an die moderne<br />
Medienindustrie<br />
20 <strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> die Fundgrube <strong>für</strong><br />
Menschensammler<br />
<strong>Lilienberg</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />
<strong>Unternehmertum</strong><br />
Nr. 22 <strong>–</strong> Mai 2010<br />
© Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, Ermatingen<br />
GESPRÄCH<br />
23 Dr. David W. Syz: Filmemacher mit<br />
Fokus auf die Entwicklungspolitik<br />
27 «Ja zur Schweiz»: Ja zur eigenstän-<br />
digen Rechtsordnung <strong>–</strong> Ja zu einer<br />
freiheitlichen Wirtschaftsordnung<br />
31 Schweizer Armee: Auftrag und<br />
Ressourcen müssen übereinstim-<br />
men<br />
36 Ethik soll im Unternehmen Einzug<br />
halten<br />
38 Wertschätzung und Respekt sind<br />
keine Worthülsen<br />
39 Agrarfreihandel in Frage gestellt<br />
42 Weg von der «Guillotine 65»<br />
44 Welche Nutzen haben Medien <strong>für</strong><br />
die Demokratie?<br />
45 Wirtschaft fordert neue Ausrich-<br />
tung der Ausbildung <strong>für</strong> General-<br />
stabsoffiziere<br />
Herausgeberin<br />
Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum<br />
CH-8272 Ermatingen<br />
Telefon +41 71 663 23 23<br />
Fax +41 71 663 23 24<br />
info@lilienberg.ch<br />
www.lilienberg.ch<br />
48 <strong>Die</strong> Lust an der Behördenarbeit in<br />
BILDUNG<br />
60 Berechtigte Hoffnungen nach der<br />
Finanzkrise<br />
SCHLUSSPUNKT<br />
63 <strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> ein Ort unternehmeri-<br />
scher Kreativität<br />
Redaktion und Konzeption<br />
<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, Hinwil<br />
Stefan Bachofen, Wilhelm Knecht<br />
Bilder<br />
Fredy Blunier, Sandra Stierberger,<br />
Vinzenz Zahner<br />
Druckvorstufe<br />
Zürichsee Druckereien AG, Stäfa<br />
Druck<br />
der Gemeinde wecken<br />
50 Positiver Start ins Leben als Schlüs-<br />
selfaktor<br />
51 Leistungsstarke sollen stärker ge-<br />
fördert werden<br />
53 Hausärzte leiden unter dem Kos-<br />
tendruck<br />
58 Zu viele Regulierungen im Gesund-<br />
heitswesen<br />
pmc, Oetwil am See
3<br />
Von Christoph Vollenweider<br />
<strong>Die</strong> 22. Ausgabe der <strong>Lilienberg</strong>zeitschrift<br />
erscheint in einemneuen Kleid.Inunserer<br />
frisch und modern gestalteten Publika-<br />
tion berichten wir wiederüber die vielfäl-<br />
tigenAktivitäten des<strong>Lilienberg</strong> Unterneh-<br />
merforums.Neben demErscheinungsbild<br />
passen wir auch die Erscheinungshäufig-<br />
keit an. Indiesem Jahr wird unsere Zeit-<br />
schrift drei Mal (statt bisher zwei Mal)<br />
herauskommen, ab2011 viermal jährlich<br />
<strong>–</strong> knapper im Umfang, aber inhaltlich<br />
deutlichaktueller alsbisher!<br />
<strong>Die</strong>sen Zeitpunkt <strong>für</strong> die Erneuerung<br />
unserer<strong>Zeitschrift</strong> habenwir nichtzufällig<br />
gewählt. Das neue Bild unserer Publika-<br />
tion symbolisiert auch den Wandel, dem<br />
sich der <strong>Lilienberg</strong> unterziehen will: Das<br />
<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum befindet<br />
sich seit diesem Frühjahr auf dem Weg<br />
zurunternehmerischen Eigenständigkeit!<br />
Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum und<br />
seine Aktivitäten sind seit seinem Beste-<br />
hen Verkörperung und Umsetzung der<br />
Ziele der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unterneh-<br />
merforum, nämlich die Förderung des<br />
unternehmerischen,freiheitlichen Gedan-<br />
kengutes, kurz des<strong>Unternehmertum</strong>s.<br />
EDIToRIaL<br />
Unternehmerisches Denken<br />
und Wirken auf <strong>Lilienberg</strong><br />
<strong>Lilienberg</strong> begleitet und stärkt die Unter-<br />
nehmerschaft in ihrem Selbstverständnis<br />
und Wirken. <strong>Lilienberg</strong> ist ein Zentrum,<br />
wo sich Unternehmer und unternehme-<br />
risch Interessierte aus allen Kreisen tref-<br />
fen und austauschen. Dabei gewinnen<br />
sie Halt, Wertschätzung und Zuversicht.<br />
Zudem stärkt <strong>Lilienberg</strong> die Unterneh-<br />
merschaft in der Auseinandersetzung<br />
mit den relevanten wirtschaftlichen, poli-<br />
tischen und gesellschaftlichen Fragen<br />
unserer Zeit. <strong>Lilienberg</strong> ist ein Ort des<br />
Austauschs und gegenseitigen Lernens.<br />
<strong>Lilienberg</strong> stellt seine <strong>Unternehmertum</strong>-<br />
Philosophie, welche im wesentlichen<br />
auf ganzheitlichem Denken und Wir-<br />
ken unter Berücksichtigung der mensch-<br />
lichen, sachlichen und wirtschaftlichen<br />
Aspekte beruht, zum Vergleich <strong>–</strong>nicht<br />
als Lehrmeinung, sondern als Beispiel <strong>für</strong><br />
gelebtes<strong>Unternehmertum</strong>.<br />
Nach gut 20Jahren unternehmerischen<br />
Denkens hält auf <strong>Lilienberg</strong> nun auch<br />
das unternehmerische Wirken und Han-<br />
deln in eigener Sache Einzug: Das Unter-<br />
nehmerforum wird künftig als Unterneh-<br />
men geführt, das heisst, dass wir den<br />
Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
schreitet in die Eigenständigkeit<br />
Marktbedürfnissen noch mehr Beach-<br />
tung schenkenund unsere Produkte <strong>–</strong>die<br />
vielfältigen Aktivitäten <strong>–</strong> entsprechend<br />
gestalten undvermarktenwerden, wobei<br />
festzuhalten ist, dass am Zweck der Stif-<br />
tung nichts geändertwird.<br />
Wirsindüberzeugt, dass dieExistenzvon<br />
<strong>Lilienberg</strong> nur dann <strong>für</strong> die Zukunft als<br />
einzigartigesunternehmerischesErlebnis-<br />
zentrum gesichert werden kann, wenn<br />
es auch unternehmerisch geführt wird.<br />
Der Präsident des Stiftungsrates, Dr. h.c.<br />
Walter Reist, hat zudiesem Zweck die<br />
operative Leitung einem Dreierteam<br />
anvertraut: Aron Moser leitet das Unter-<br />
nehmerforum in Ermatingen, Daniel<br />
Anderes ist <strong>für</strong> die Finanzen und die Ver-<br />
waltung zuständig, während Christoph<br />
Vollenweider als Leiter <strong>Unternehmertum</strong><br />
den Sinn und Geist der Stiftung ver-<br />
tritt und <strong>für</strong> die Aktionsfelder zuständig<br />
ist. Das neue Leitungsteam ist sich sei-<br />
ner grossen Verantwortung bewusst und<br />
wird die anspruchsvolle, aber erfüllende<br />
unternehmerische Aufgabe mit Kreativi-<br />
tät, Risikobereitschaft und Engagement<br />
anpacken.<br />
Ihnenwünschen wirvielVergnügen beim<br />
Lesen unserer <strong>Zeitschrift</strong>. Wir freuen uns,<br />
mit Ihnen zusammen interessante und<br />
weiterführende Aktivitäten und Begeg-<br />
nungen auf<strong>Lilienberg</strong> zu erleben!
4<br />
Von Hans Gall<br />
Mit Weitsicht zu neuen<br />
Horizonten aufbrechen<br />
«Nicht immer fährt eine Gondelbahn<br />
auf den Berg!» Das gemeinsame Ziel<br />
kann oft nur über einen beschwerli-<br />
chen, steinigen und steilen Weg erreicht<br />
werden. Umso grösser sind aber die<br />
Befriedigung und die Freude, wenn wir<br />
den «Gipfel» erreicht haben. Wir schöp-<br />
fen Selbstvertrauen und können mit der<br />
errungenen Weitsicht neue Horizonte<br />
erkennen.<br />
Keine neue Weisheit, aber eine tief emp-<br />
fundene Erfahrung. Dazu einige, <strong>für</strong><br />
mich entscheidende Erfahrungswerte.<br />
Begeisterung <strong>für</strong> die Zielsetzung der<br />
Organisation, die Marke, die Aufgabe<br />
und/oder <strong>für</strong> das Produkt sind wesent-<br />
liche Voraussetzungen <strong>für</strong> das Enga-<br />
gement und die Leistungsbereitschaft.<br />
Dabei spielen das Sozialprestige in der<br />
Gesellschaft, der Markterfolg und die<br />
erreichte Wertschöpfung eine entschei-<br />
dende Rolle.<br />
Erkenntnis: <strong>Die</strong> unternehmerischen<br />
Werte, die Unternehmenskultur und der<br />
Einbezug der Familie als strategisches<br />
Zielfenster sind wichtige Grundlagen <strong>für</strong><br />
den unternehmerischen Erfolg.<br />
UNTERNEHMERTUM<br />
Hohe Ziele als Ansporn<br />
Ausgehend von einer Idee sind klare<br />
Ziele und Rahmenbedingungen zu for-<br />
mulieren und mit der notwendigen<br />
Begeisterung und Zuversicht dem Team<br />
und/oder den Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern zu kommunizieren. Dabei<br />
spielt auch die emotionale Komponente<br />
eine wichtige Rolle, im Sinne von: «Es<br />
wird schwierig werden, ich bin aber<br />
sicher, dass wir mit unserer Erfahrung<br />
und unseren Kompetenzen diese Her-<br />
ausforderung meistern werden».<br />
Erkenntnis: Hohe, aber erreichbare Ziele<br />
sind eine Wertschätzung gegenüber<br />
dem Team und den Mitarbeitern. Sie<br />
spornen an und fördern die Leistungs-<br />
bereitschaft.<br />
Alle Menschen streben nach Wertschät-<br />
zung und Anerkennung. Eine wichtige<br />
Leadershipqualität besteht deshalb darin,<br />
dieStärken undSchwächen derMitarbei-<br />
ter zuerkennen und sie inder Arbeitsor-<br />
ganisation und/oder Teambildung sach-<br />
und stufengerecht zu berücksichtigen.<br />
Erkenntnis: <strong>Die</strong> Rollenverteilung und die<br />
Rollenakzeptanz sind im Hinblick auf<br />
die Arbeitsorganisation und/oder die<br />
Teambildung ein Schlüsselfaktor <strong>für</strong> den<br />
Erfolg.<br />
Zielsetzungen müssen erfüllbar sein<br />
In allen Prozessen ist die sach- und<br />
stufengerechte Mitverantwortung ent-<br />
scheidend. Zu einer Aufgabenübertra-<br />
gung gehören deshalb zwingend auch<br />
klare, erfüllbare und terminierte Zielset-<br />
zungen, Leitplanken mit den entspre-<br />
chenden Freiräumen und stufen- und<br />
sachbezogenen Kompetenzen.<br />
Erkenntnis: <strong>Die</strong> Identifikation mit der<br />
Aufgabe, die Akzeptanz gegenüber den<br />
Vorgaben und positive Zwischenbespre-<br />
chungen im Sinne des Coachings füllen<br />
den «Energietank» der Mitarbeiter und<br />
sind deshalb weitere Schlüsselfaktoren<br />
<strong>für</strong> den Erfolg.<br />
Zeitdruck ist kontraproduktiv<br />
Erfolg gründet auf der Erkennung und<br />
mentalen Vorwegnahme der mittelfris-<br />
tigen und langfristigen Zukunft (Trends)<br />
und damit auf rechtzeitigen Impulsen<br />
<strong>für</strong> die Forschung und Entwicklung.<br />
Erkenntnis: Von Zeit zu Zeit Distanz<br />
suchen und sich die Zeit zur Klärung<br />
der eigenen Situation (Werte, Ideen,<br />
Haltungen, Prioritäten usw.) nehmen.<br />
Zersplitterung und Zeitdruck führen oft
5<br />
dazu, dass der Unternehmer vor lauter<br />
Bäumen den Wald nicht mehr sieht.<br />
Markt- und/oder Führungserfolg basiert<br />
auf einer umfassenden Wahrnehmung,<br />
auf ständigen Benchmarks und der Ver-<br />
<strong>Lilienberg</strong> lebt: Das Unternehmerforum bildet eine einmalige Begegnungsplattform<br />
<strong>für</strong> engagierte Unternehmer und Führungskräfte.<br />
besserung der eigenen Produkte im Hin-<br />
blick auf einen hohen Kundennutzen.<br />
Dazu gehören auch Werte wie zum<br />
Beispiel Qualität, Fairness, Vertrauen,<br />
Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit.<br />
Menschlich, sachlich, wirtschaftlich<br />
Unternehmerisches Wirken und Füh-<br />
rung sind ganzheitliche Tätigkeiten und<br />
umfassen immer<br />
•die menschliche,<br />
•die sachliche und<br />
•die wirtschaftliche Ebene.<br />
Wenn wir dies auf der Metaebene<br />
der Führung und branchenübergrei-<br />
fend betrachten, stellen wir fest, dass<br />
die Anforderungen an Unternehmer<br />
und Führungspersönlichkeiten in allen<br />
Gesellschaftsbereichen praktisch iden-<br />
tisch sind.<br />
Ganz im Gegensatz zur Sachkompe-<br />
tenz, die man sich aneignen oder ein-<br />
kaufen kann, stehen die menschlichen,<br />
emotionalen und innovativen Quali-<br />
täten, gepaart mit dem notwendigen<br />
Weitblick und der Begabung zur sach-<br />
und zeitgerechten Wahrnehmung, <strong>für</strong><br />
Unternehmer und Führungspersönlich-<br />
keiten im Zentrum.<br />
In diesem Sinne bildet das <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum eine einmalige<br />
Begegnungs-, Austausch- und Erlebnis-<br />
plattform <strong>für</strong> engagierte Unternehmer<br />
und Führungspersönlichkeiten.
6<br />
Von Peter Weiss<br />
Seit über 15 Jahren habe ich Einblick in<br />
die verschiedensten Unternehmungen.<br />
Zu den Kunden meiner Firma gehören<br />
Staatsbetriebe, KMUs sowie börsenko-<br />
tierte Grossbetriebe in Industrie, Han-<br />
del und <strong>Die</strong>nstleistung. <strong>Die</strong>se so unter-<br />
schiedliche Kundschaft ermöglichte es<br />
mir, über die Jahre hinweg, verschie-<br />
denste Unternehmer und Unterneh-<br />
menskulturen genauer zu beobachten<br />
und zu unterscheiden. Tatsache ist: Am<br />
erfolgreichsten sind jene Unternehme-<br />
rinnen und Unternehmer, die in der<br />
Lage sind, sich verändernden Phänomen<br />
anzupassen.<br />
Peter Weiss<br />
Inhaber und Geschäftsführer der Axcent AG,<br />
Volketswil<br />
Zweck des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb<br />
von Software; IT-Projektleitung und Umsetzung<br />
(Servicemanagement & Outsourcing)<br />
Peter Weiss ist Leiter der <strong>Lilienberg</strong>-Regionalgruppe<br />
Glattal<br />
UNTERNEHMERTUM<br />
Der gute Unternehmer stellt<br />
sich den Veränderungen<br />
Am besten spürbar ist nicht etwa der<br />
Unterschied zwischen Staatsbetrieben<br />
auf der einen und privaten Wirtschafts-<br />
betrieben auf der anderen Seite. Nein,<br />
es ist, zumindest aufgrund meiner eige-<br />
nen Erfahrungen, der Unterschied zwi-<br />
schen Unternehmungen, bei denen der<br />
Eigentümer selbst im Betrieb präsent ist,<br />
und Firmen, deren Eigentümer anonym<br />
sind, wie etwa bei grossen Publikums-<br />
Aktiengesellschaften.<br />
<strong>Die</strong> anonymen Eigentümer<br />
Grundsätzlich stellt sich bereits ganz an<br />
der Spitze die Frage: Wer entscheidet in<br />
Unternehmen, bei denen kein Aktionär<br />
eine eindeutige Mehrheit hat? Welches<br />
ist die Motivation der einzelnen Gremi-<br />
enmitglieder?<br />
Sehr oft habe ich gerade in unsicheren<br />
Zeiten erlebt, dass in solchen Unterneh-<br />
men Kaderleute kurzfristig ausgewech-<br />
selt werden und Begriffe wie Loyalität<br />
und Stolz, zu einer Firma zu gehören,<br />
nichts mehr bedeuten. <strong>Die</strong> Konse-<br />
quenzen sind oftmals, dass politisches<br />
Verhalten, um zu überleben, vor dem<br />
eigentlichen unternehmerischen Den-<br />
ken kommt. Oder noch schlimmer: Man<br />
nutzt die Zeit, in der man eine Position<br />
innehat, um sich persönlich maximal zu<br />
bereichern.<br />
Im Gegensatz zu Grossunternehmen<br />
kenne ich keinen KMU-Betrieb, der zur<br />
Kostenreduktion nicht auf Einsparun-<br />
gen im kleinen Rahmen und nicht erst<br />
ab jährlich einer halben Million Fran-<br />
ken verzichtet. Und von Grossunterneh-<br />
men kennt man gar Führungskräfte mit<br />
einem Jahreseinkommen von über einer<br />
halben Million Franken, die auf «krea-<br />
tive» Ideen kommen, um 40 Franken <strong>für</strong><br />
eine Taxifahrt ja nicht aus dem eigenen<br />
Portemonnaie bezahlen zu müssen. Sol-<br />
ches ist in KMU-Betrieben, allein schon<br />
weil es intern sofort bemerkt werden<br />
könnte, kaum der Fall. Fazit: Bei Unter-
7<br />
nehmen mit anonymen Eigentümern<br />
werden vor allem die finanziellen Konse-<br />
quenzen von Handlungen und Entschei-<br />
den nur in geringem Masse durch eine<br />
einzelne Person oder das Management<br />
mitverantwortet oder gar mitgetragen.<br />
<strong>Die</strong> erfolglosen Eigentümer<br />
Allein die Anwesenheit eines Eigentü-<br />
mers ist allerdings noch lange keine<br />
Garantie <strong>für</strong> den nachhaltigen Erfolg<br />
eines Unternehmens. <strong>Die</strong>se Erkenntnis<br />
konnte ich vor allem in der ehemaligen<br />
Textilindustrie gewinnen.<br />
In manchen traditionsreichen Textilbe-<br />
trieben der Schweiz war ich mit der<br />
Tatsache konfrontiert, dass die Leitung<br />
der Unternehmung über Generationen<br />
in Familienhand war. Familienmitglieder,<br />
die lange imSchatten des Vorgängers<br />
standen undoft durch mehr oderminder<br />
sanften Druck der Familie indie Position<br />
gedrängt wurden, unabhängig von den<br />
eigenen beruflichen Vorstellungen. So<br />
habe ich«Unternehmer» vonWebereien<br />
mit über 200 Personen kennengelernt,<br />
die mir sagten, dass sie eigentlich lieber<br />
Lehrer oder Künstler geworden wären.<br />
Statt mit echtem, innovativem Unter-<br />
nehmertum konnten sie durch die zum<br />
Teil grossenBesitztümer aus derVergan-<br />
genheit (vor allem Immobilien) Fehlent-<br />
scheide selber finanzieren und unrenta-<br />
ble Betriebe auf diese Weise über Jahre<br />
am Leben erhalten. Man könnte also<br />
sagen, dass auch ein gewisser Leidens-<br />
druckvon aussenfehlte. Leider hatten in<br />
solchen Firmen oft Kräfte, die eine grös-<br />
sere Veränderung herbeiführen wollten,<br />
keine Zukunft. Wie sollten sie auch,<br />
wenn derInhaber,aus welchen Gründen<br />
auch immer, ohnehin keine Veränderun-<br />
gen herbeiführen wollte?<br />
Fazit: Von meinen fünfzehn ehemaligen<br />
Kunden im Textilbereich bestehen heute<br />
nur noch drei. <strong>Die</strong> restlichen haben sich<br />
mehrheitlich auf die Umwandlung und<br />
Verwaltung der Geschäftsimmobilien<br />
in Lofts, Gewerbeliegenschaften oder<br />
Neubauten «spezialisiert».<br />
<strong>Die</strong> erfolgreichen Eigentümer<br />
Wesentlich positivere Erfahrungen habe<br />
ich mit Unternehmungen gemacht, die<br />
durch Unternehmer geführt werden,<br />
deren Motivation es ist, die Unterneh-<br />
mung stets neuen Gegebenheiten und<br />
sich verändernden gesellschaftlichen<br />
und politischen Phänomenen anzupas-<br />
sen. Ihr Antrieb ist es nicht, nach ihrem<br />
Ableben als reichste Person in Erinne-<br />
rung zu bleiben, sondern vielmehr wäh-<br />
rend ihres unternehmerischen Daseins<br />
auf eine gute Balance zwischen Arbeit,<br />
Familie und gesellschaftlicher Verant-<br />
wortung zu achten.<br />
Ich habe in der dritten Generation<br />
geführte Betriebe erlebt, die noch nie<br />
so erfolgreich waren wie jetzt. <strong>Die</strong>s,<br />
weil die «abtretende» Generation sich<br />
auf die «Pensionierung» vorbereitet und<br />
früh angefangen hatte, eine Tätigkeit<br />
ausserhalb der Unternehmung aufzu-<br />
nehmen.<br />
Auf<strong>Lilienberg</strong> den Weitblick fördern<br />
Aus meiner Sicht ist <strong>für</strong> einen Unterneh-<br />
mer unerlässlich, sich auch ausserhalb<br />
seiner Firma <strong>für</strong> verschiedenste Themen<br />
zu interessieren und sich weitergehend,<br />
auch in der Gesellschaft und in der<br />
Öffentlichkeit zu engagieren. <strong>Die</strong>s ver-<br />
hindert die Betriebsblindheit, fördert<br />
liberales Gedankengut und hilft auch<br />
in erfolgreichen Zeiten, die Bodenhaf-<br />
tung nicht zu verlieren. Denn erfolg-<br />
reiche Unternehmer sind auf erfolgrei-<br />
che Teams in der Politik, der Bildung,<br />
der Gesellschaft und gar auch in ande-<br />
ren Betrieben angewiesen, dies etwa<br />
im Rahmen von Kooperationsprojek-<br />
ten. <strong>Lilienberg</strong> und unsere Regional-<br />
gruppe bieten <strong>für</strong> mich genau diese<br />
Beziehungs- und Gesprächsgrundlage,<br />
und ich bin stolz, ein Teil des <strong>Lilienberg</strong>-<br />
Teams sein zu dürfen.
8<br />
Von Wilhelm Knecht<br />
Peter Brabeck-Letmathe, Verwaltungs-<br />
ratspräsident und CEO der Nestlè S.A.<br />
beleuchtete am 18. März im Rahmen<br />
des 60. <strong>Lilienberg</strong>-Forums die vorran-<br />
gigen Aspekte des Standortvorteils der<br />
Schweiz. Eine seiner zentralen Aussa-<br />
gen: «<strong>Die</strong> richtige Kombination von ver-<br />
nünftigen Rahmenbedingungen mit<br />
verantwortlicher Unternehmensführung<br />
durch Verwaltungsrat und Geschäftslei-<br />
tung haben Nestlé <strong>–</strong> und einige andere<br />
globale Unternehmen mit Sitz in der<br />
Schweiz <strong>–</strong> sehr erfolgreich gemacht.»<br />
Dr. h.c. Walter Reist, Präsident des Stif-<br />
tungsrates der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />
nehmerforum, begrüsste Peter Brabeck-<br />
Letmathe:«Es istuns eine Ehre,Sie im 20.<br />
Jahr des Bestehens des <strong>Lilienberg</strong>-Unter-<br />
nehmerforums unter uns zu wissen. Herr<br />
Brabeck, wir sind stolz darauf, dass Sie<br />
vonVevey aus Nestlé weltweit führenund<br />
derart unsere «schweizerische Eigenart»<br />
in derganzenWeltversinnbildlichen.»<br />
Gesprächsmoderator Prof. Dr. Dres h.c.<br />
Bernd Rüthers: «Zum heutigen Thema<br />
haben wir einen Referenten gewonnen,<br />
BEGEGNUNG<br />
«Schweiz darf Standortvorteil<br />
nicht preisgeben»<br />
der inbesonderer Weise Kompetenz in<br />
der Sache verkörpert. <strong>Die</strong> Nestlé S.A.<br />
ist der grösste Lebensmittelkonzern der<br />
Welt.» Schon der Umsatz <strong>–</strong> er lag im<br />
Jahre 2008 bei 110 Milliarden Franken<br />
<strong>–</strong>deutet eine erfolgreiche, nachhaltige<br />
Unternehmensführung und Unterneh-<br />
menskultur an», betonte der Moderator.<br />
Weltweit 290000 Nestlé-<br />
Mitarbeitende<br />
Der Konzernsitz sowie die wichtigsten<br />
Entscheidungs- und Verwaltungsgre-<br />
mien der Nestlé-Gruppe liegen in der<br />
Schweiz: Nestec (die Einheit, in der Ver-<br />
waltungs- und Forschungstätigkeiten<br />
zusammengefasst sind), Nestlé Schweiz,<br />
Nestlé Nutrition, Nespresso, sowie<br />
Cereal Partners Worldwide.<br />
Ende 2009 beschäftige Nestlé weltweit<br />
über 290000 Mitarbeitende, davon<br />
rund 9000 in der Schweiz. <strong>Die</strong> Zahl der<br />
hierzulande Beschäftigten ist steigend,<br />
dank der Ausrichtung zahlreicher Akti-<br />
vitäten auf die globalen Märkte, dem<br />
Aufbau neuer Einrichtungen <strong>für</strong> For-<br />
schung und Entwicklung und der erfolg-<br />
reichen Einführung des Nespresso-Sys-<br />
tems <strong>für</strong> Kaffee. Zwischen 1999 und<br />
2009 betrug das Beschäftigungswachs-<br />
tum im Inland 2700 Nettostellen. Nestlé<br />
besitzt zwar Produktionsstätten auf der<br />
ganzen Welt, dennoch ist die Schweiz<br />
eine ihrer bedeutendsten Drehscheiben<br />
<strong>für</strong> den Export. Wertmässig werden die<br />
von der Nestlé-Gruppe hergestellten<br />
Produkte um rund zwei Drittel expor-<br />
tiert. In den vergangenen zehn Jahren<br />
tätigte Nestlé in der Schweiz Investiti-<br />
onen von über 2,5 Milliarden Franken.<br />
<strong>Die</strong> wirtschaftliche Bedeutung von<br />
Nestlé in der Schweiz beschränke sich<br />
nicht auf Umsatzzahlen oder Aus-<br />
fuhren helvetischer Tochtergesellschaf-<br />
ten, wusste Peter Brabeck-Letmathe in<br />
seinem Vortrag zu berichten. «Hinzu<br />
kommen substanzielle Geldflüsse aus<br />
Beratungs- und Verwaltungsdienstleis-<br />
tungen sowie Lizenzgebühren <strong>für</strong> Pa-<br />
tente der schweizerischen Forschungs-<br />
und Entwicklungszentren von Nestlé,<br />
welche von den Gruppengesellschaften<br />
auf der ganzen Welt genutzt werden.»<br />
Zwischen 1999 und 2008 stieg die Bör-<br />
senkapitalisierung von Nestlé innerhalb<br />
eines Jahrzehnts um 47,6 Milliarden<br />
Franken. Eine Ergänzung erfährt diese
9<br />
Summe durch die jährlich ausgeschüt-<br />
teten Dividenden, die sich kumuliert<br />
auf 32,6 Milliarden Franken belaufen.<br />
Zusammengerechnet hat Nestlé in den<br />
zehn letzten Geschäftsjahren den Wohl-<br />
stand ihrer Aktionäre um 74,1 Milliarden<br />
Franken gemehrt.<br />
Lob <strong>für</strong> das verlässliche<br />
Rechtssystem<br />
Peter Brabeck-Letmathe: «Wenn ich im<br />
folgenden von Corporate Governance<br />
spreche, meine ich, wie das Unterneh-<br />
men auf oberster Stufe aufgrund der<br />
hiesigen Rahmenbedingungen geführt<br />
wird. Dabei geht es namentlich um das<br />
Zusammenspiel von Verwaltungsrat und<br />
Geschäftsleitung.»<br />
Für Nestlé sei die Schweiz bis heute auf-<br />
grund ihres Rechtssystems ein eindeuti-<br />
ger Standortvorteil. «<strong>Die</strong>sen Vorteil der<br />
Rechtssicherheit und der Verlässlichkeit<br />
des Rechtssystems gilt es unbedingt zu<br />
bewahren, um nicht zu sagen, aufgrund<br />
gewisser Ereignisse dieses Jahres sogar<br />
wiederherzustellen.»<br />
Hinzu komme die Flexibilität des Rechts-<br />
systems. «<strong>Die</strong> Flexibilität ermöglicht es<br />
den einzelnen Unternehmen, hier die<br />
<strong>für</strong> sie und ihre Aktionäre beste Organi-<br />
sationsstruktur zu finden, um langfristi-<br />
gen Mehrwert zu schaffen.»<br />
Minder-Initiative schwächt<br />
Standort Schweiz<br />
Rechtssicherheit, Flexibilität und sinn-<br />
volle Kompetenzverteilung gehörten<br />
bisher zu den drei wichtigsten Stand-<br />
ortvorteilen in der Schweiz. Gleichzei-<br />
tig kennzeichneten diese Punkte die<br />
drei grössten Mängel der Revisionsvor-<br />
schläge,wie sieetwainder sogenannten<br />
«Abzocker-Initiative» von Thomas Min-<br />
der gefördert werden. «<strong>Die</strong> Annahme<br />
dieser Initiative würde den Unterneh-<br />
mensstandort Schweiz schwächen»,<br />
sprach Peter Brabeck-Letmathe Klartext.<br />
«Der Verwaltungsrat, aber auch etwa<br />
Pensionskassenvertreter, wären einem<br />
grossenMassanRechtsunsicherheitaus-<br />
geliefert, wären sie doch dauernd dem<br />
Risiko strafrechtlicher Verfolgung ausge-<br />
setzt.Unternehmen würden in einrecht-<br />
liches Korsett gezwungen, das nicht <strong>für</strong><br />
alle Aktiengesellschaften passen kann,<br />
auch nicht allen kotierten. <strong>Die</strong> an sich<br />
gut gemeinte Stärkung der Aktionärs-<br />
rechte kann sich schnell als sehr kontra-<br />
produktiv erweisen.»<br />
<strong>Die</strong> Entwicklungen der vergangenen<br />
Jahre hätten laut dem Referenten dazu<br />
Nestlé-Verwaltungsratspräsident<br />
Peter Brabeck-Letmathe (links)<br />
diskutiert mit Gesprächsmoderator<br />
Prof. Dr. Dres h.c. Bernd Rüthers.<br />
geführt, dass die Praxis der grossen<br />
Unternehmen noch einen Schritt wei-<br />
ter gegangen ist und heute imjewei-<br />
ligen Corporate Governance- und<br />
Compensation Report ein Ausmass<br />
von Informationen gegeben ist, was<br />
vor einigen Jahren noch nicht denk-<br />
bar gewesen wäre. Andere Unterneh-<br />
men seien hierbei der Praxis von Nestlé<br />
gefolgt und haben ihren Kompensa-<br />
tionsbericht erstmals freiwillig einer<br />
separaten Konsultativ-Abstimmung<br />
ihrer Aktionäre unterworfen. «Es<br />
bleibt abzuwarten, bis das neue Akti-<br />
enrecht indieser Sache geklärt ist. Fällt<br />
die Schweiz aufgrund der inzwischen<br />
vorliegenden Gesetzesvorschläge hin-<br />
ter das Ausland zurück?», fragte Peter<br />
Brabeck-Letmathe besorgt. Economie-<br />
suisse habe dies unlängst inBezug auf
10<br />
die USA, England, Deutschland und<br />
Irland untersuchen lassen.<br />
<strong>Die</strong>se kürzlich publizierte Studie bestä-<br />
tige, dass sich das Modell der Kon-<br />
sultativ-Abstimmung auch im Ausland<br />
mehrheitlich durchsetzt. Im Ausland<br />
bleiben flexible Vergütungen an die Ver-<br />
waltungsräte trotz aufgeregten Medi-<br />
enberichten durchaus zulässig. Der Ver-<br />
waltungsrat konstituiere sich in den<br />
untersuchten Ländern weiterhin selbst,<br />
habe flexible Amtszeiten und einen von<br />
der Generalversammlung klar abge-<br />
trennten Zuständigkeitsbereich. «Und<br />
die Verantwortung des persönlich haf-<br />
tenden Verwaltungsrats bleibt eine zivil-<br />
rechtliche, nicht eine strafrechtliche. In<br />
diesen und anderen Punkten geht die<br />
Volksinitiative von Thomas Minder zu<br />
weit und würde die Schweiz eines ih-rer<br />
wichtigsten Standortvorteile berauben.»<br />
Staatliche Eingriffe oder<br />
Privatsektor?<br />
Es stelle sich laut Peter Brabeck-Letma-<br />
the die Frage, wie viel Regulierung durch<br />
den Staat nötig ist, und ob der Privat-<br />
sektor wirklich nicht in der Lage ist, die<br />
Probleme der Corporate Governance zu<br />
lösen. «Meiner Meinung nach ist die-<br />
ser grundsätzlich dazu fähig, solange<br />
er gewisse Vorgaben vom Gesetzge-<br />
ber und von den Aufsichtsbehörden<br />
erhält.»<br />
Jede gute Firma kreiert Mehrwert.<br />
Beim Nestlé-Konzept der «Gemein-<br />
samen Wertschöpfung» gehe es aber<br />
darum, bewusst dort tätig zu wer-<br />
den, wo die Interessen der verschie-<br />
denen Anspruchsgruppen überlappen<br />
und der gemeinsame Mehrwert allen<br />
Anspruchsgruppen zugute kommt <strong>–</strong><br />
«also uns, aber auch unseren Mitar-<br />
beitenden, Aktionären, dem Staat und<br />
der Gemeinschaft insgesamt. Ein aktu-<br />
elles Beispiel ist unsere Beteiligung am<br />
McKinsey Water Project mit dem Ziel,<br />
den Regierungen ein Werkzeug an die<br />
Hand zu geben, um die von uns erwar-<br />
tete «Wasserkrise» zu bekämpfen.»<br />
«Jetzt, woder Wettbewerb zwi-<br />
schen den meist stark über-<br />
schuldeten Ländern immer schär-<br />
fer wird, wäre esdoppelt falsch,<br />
wenn die Schweiz ihren Standort-<br />
vorteil einer sinnvollen Corporate<br />
Governance aus der Hand geben<br />
würde.»<br />
Peter Brabeck-Letmathe<br />
Es spreche vieles da<strong>für</strong>, in eine gute<br />
Corporate Governance und soziale Ver-<br />
antwortung zu investieren. «Der Ruf<br />
des Unternehmers verbessert sich, die<br />
Zufriedenheit der Kunden steigt, das<br />
Unternehmen werde <strong>für</strong> Anleger attrak-<br />
tiv, die Integrität, Motivation und Pro-<br />
duktivität der Mitarbeitenden erhöhen<br />
sich, und die geschäftlichen Kosten und<br />
Risiken sinken. Für mich steht indessen<br />
die Schaffung von Vertrauen im Vorder-<br />
grund.»<br />
<strong>Die</strong> Rolle des Staates sollte in den Augen<br />
des Nesté-Verwaltungsratspräsidenten<br />
nur darin bestehen, <strong>für</strong> die Unterneh-<br />
men stabile geschäftliche und rechtli-<br />
che Rahmenbedingungen zu schaffen.<br />
Der Staat sollte nicht übertreiben und<br />
keine Regulierungen mit kontrapro-<br />
duktiven Nebenleistungen machen und<br />
so die Unternehmen und ihre Verwal-<br />
tungsräte entrechten. Ein Beispiel einer<br />
kontraproduktiven Regulierung sei die<br />
im Parlament debattierte Einzeloffen-<br />
legung der Entschädigungen. «Es ist<br />
sonnenklar, dass diese zu einer weiteren<br />
Lohnspirale nach oben führen würde,<br />
genau wie dies vor wenigen Jahren<br />
bei den CEOs der Fall war, als die Ein-<br />
zeloffenlegung eingeführt wurde: Jeder<br />
wird seine Entlöhnung mit Positionen im
11<br />
eigenen Unternehmen und bei Drittfir-<br />
men vergleichen.»<br />
Es sei wichtig, dass der Verwaltungsrat<br />
<strong>für</strong>Entscheidungen,die <strong>für</strong>den langfristi-<br />
genErfolgdes Unternehmensvon zentra-<br />
lerBedeutung sind,verantwortlichbleibt.<br />
Nur der Verwaltungsrat verfüge über die<br />
erforderlichen Informationen und die<br />
Pflicht, die langfristigen Interessen des<br />
Unternehmens und seiner Anspruchs-<br />
gruppen zuwahren. <strong>Die</strong> Aktionäre hät-<br />
ten diesbezüglich keinerlei Treuepflicht<br />
gegenüberdem Unternehmen.<br />
<strong>Die</strong>s sei indessen kein Vorwand <strong>für</strong> die<br />
Unternehmen, einfach so weiterzu-<br />
machen wie bisher. Im Gegenteil: «Im<br />
Nachgang zur Krise sind gerade die<br />
internationalen Unternehmen gefor-<br />
dert, die globalen Rahmenbedingun-<br />
gen und die Mindeststandards <strong>für</strong> ihre<br />
globale Geschäftstätigkeit zu überprü-<br />
fen. Genau darin liegt ja das Wesen<br />
der Corporate Governance und der<br />
sozialen Verantwortung. Beides muss<br />
über die gesetzlichen Anforderungen<br />
hinausgehen. Verwaltungsräte und die<br />
Geschäftsleitungen sind aufgefordert,<br />
die Marschrichtung vorzugeben und die<br />
Unternehmenskultur sowie die Stan-<br />
dards zu schaffen.»<br />
Gastgeber Dr. h.c. Walter Reist (links) gibt Peter Brabeck-Letmathe vor dessen Auftritt<br />
im <strong>Lilienberg</strong>-Zentrum letzte Regie-Anweisungen.<br />
<strong>Die</strong>s sei von Seiten der Unternehmen<br />
möglich, weil das Schaffen von Ver-<br />
trauen und die «Gemeinsame Wert-<br />
schöpfung» allen Anspruchsgruppen<br />
zugute kommt. «Es gibt hier eine Inter-<br />
essenkongruenz aller Beteiligten.»<br />
Nicht am Rechtsstaatsprinzip<br />
rütteln<br />
Zur Rechtssetzung: Hier sei eine interna-<br />
tionale Koordination <strong>–</strong> egal ob in Bezug<br />
auf Kapitalvorschriften <strong>für</strong> die Banken,<br />
Vergütung, Governance oder andere<br />
Bereiche <strong>–</strong> wichtig, betonte Peter Bra-<br />
beck-Letmathe. Gerade die globalen<br />
Unternehmen sollten nicht zunehmend<br />
mit einer Vielzahl von unterschiedlichen<br />
und sich auch widersprechenden Rege-<br />
lungen konfrontiert werden. <strong>Die</strong> Staa-<br />
ten müssten, wenn es eine angemes-<br />
sene Regulierung durch den «Home<br />
Regulator» gibt, extraterritoriale Rege-<br />
lungen nach Möglichkeit vermeiden.<br />
Wo dies nicht möglich ist, habe sich<br />
das Prinzip des «comply or explain»<br />
als grundsätzlich tauglich erwiesen, dies<br />
auch laut einer Studie der Europäischen<br />
Kommission.<br />
Zur Rechtsanwendung: Das Bemü-<br />
hen der Regierungen, die Folgen der<br />
Krise inden Griff zubekommen, berge<br />
das Risiko, dass Länder ihre nationa-<br />
len Gesetze in bisher nicht gekanntem<br />
Ausmass mit extraterritorialer Wirkung<br />
anwenden. <strong>Die</strong>s habe zur Folge, dass<br />
«die ganze Welt zunehmend mit Zivil-<br />
und Strafverfahren eingedeckt wird».
12<br />
Peter Brabeck-Letmathe betonte aber,<br />
dass die Unternehmen alles, was in<br />
ihrer Macht steht, tun müssen, um<br />
sicher zu stellen, dass sie und ihre<br />
Mitarbeitenden sich umfassend an die<br />
anwendbaren Gesetzte und die dar-<br />
über hinausgehenden unternehmeri-<br />
schen Mindeststandards halten. «Nur<br />
so können sieberechtigterweise aufder<br />
Verhältnismässikgeit der Rechtsanwen-<br />
dung bestehen.»<br />
ZurRechtssicherheit: «Eskannnicht sein»,<br />
so der Referent, «dass in der Vergan-<br />
genheit getroffene Vereinbarungen rück-<br />
wirkend in Frage gestellt oder einseitig<br />
ausgeweitet werden, oder dass Gesetze<br />
plötzlich unvorhersehbar weit ausgelegt<br />
werden.» <strong>Die</strong>s gelte auch <strong>für</strong> Vereinba-<br />
rungen mit öffentlichen Stellen sowie <strong>für</strong><br />
zwischenstaatliche Abkommen. Wenn<br />
Anpassungen erforderlich sind, müssten<br />
diese nach bestem Wissen und Gewissen<br />
ausgehandelt werden. «Wer am Rechts-<br />
staatsprinzip rüttelt, erschwert die der-<br />
zeit so dringend benötigten Investitionen.<br />
Ohne Rechtsicherheit werden wir diese<br />
Krisenicht überwinden.»<br />
Das Opfer der Finanzwirtschaft<br />
<strong>Die</strong> Wortmeldungen in der anschlies-<br />
senden Diskussion waren vielfältig. <strong>Die</strong><br />
Schwerpunkte bezogen sich auf die von<br />
Peter Brabeck-Letmathe verdeutlichten,<br />
bei Nestlé gelebten Wertehaltungen.<br />
Ein Fokus innerhalb der von Bernd Rüt-<br />
hers geleiteten Gesprächsrunde richtete<br />
sich folgerichtig auf die Frage der Erzie-<br />
hung und der Bildung, dies als Basis<br />
zur Wertevermittlung. <strong>Die</strong> Bildungs-<br />
systeme zeigten diesbezüglich Lücken<br />
auf. Handlungsbedarf wurde <strong>–</strong> gerade<br />
auch im Kontext zu den Ursachen der<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise <strong>–</strong> geortet.<br />
Peter Brabeck-Letmathe gab hierbei zu<br />
bedenken, dass die Realwirtschaft <strong>für</strong><br />
die jetzige Wirtschaftskrise nicht verant-<br />
wortlich sei: «Vielmehr ist sie das Opfer<br />
der Finanzwirtschaft».<br />
Zur Politik: Ihre Hauptaufgabe liege<br />
nicht in der Regulierung sondern in der<br />
Stabilisierung beziehungsweise Schaf-<br />
fung freiheitlicher, wirtschaftsfördern-<br />
der Rahmenbedingungen, waren sich<br />
die Diskussionsteilnehmenden einig. <strong>Die</strong><br />
Standortvorteile der Schweiz seien zur<br />
Förderung der Prosperität unseres Lan-<br />
des Vorbedingung. «Der Vortrag und<br />
die Statements von Peter Brabeck-Let-<br />
mathe haben dies verdeutlicht», sagte<br />
Gastgeber Walter Reist. «Er hat uns<br />
gezeigt, welche Orientierung die Ver-<br />
antwortungsträger in Politik, Wirtschaft<br />
und Gesellschaft zur Zukunftsbewälti-<br />
gung einzunehmen haben. Walter Reist:<br />
«Herr Brabeck, wir danken Ihnen, dass<br />
Sie uns mit grosser Offenheit Einblick<br />
in ihr erfolgreich «gelebtes Unterneh-<br />
mertum» geboten haben. Sie haben die<br />
Vielseitigkeit Ihrer unternehmerischen<br />
Gedanken zugleich auch in der Trilogie<br />
«Ziel <strong>–</strong> Zeit <strong>–</strong> Zuversicht» <strong>–</strong> zur Reflexion<br />
gebracht.»<br />
60. <strong>Lilienberg</strong>-Forum vom 18. März<br />
2010 «Corporate Governance und<br />
Standort Schweiz» mit Peter Brabeck-<br />
Letmathe; Gastgeber: Dr. h.c. Walter<br />
Reist; Moderation: Prof. Dr. Dres h.c.<br />
Bernd Rüthers.
13<br />
Von Stefan Bachofen<br />
Im Zeichen der Lieder und der Oper<br />
standdas erste <strong>Lilienberg</strong>-Rezital indie-<br />
sem Jahr. Gut 100 Gäste lauschten am<br />
2. März der Mezzosopranistin Monica<br />
Brett-Crowther, die am Klavier vom<br />
Pianisten Paul Cibis begleitet wurde.<br />
Höhepunkt des Rezitals war der Abste-<br />
cher auf die Opernbühne ganz zum<br />
Schluss. Das Publikum quittierte den<br />
gelungenen Abend mit einem herzli-<br />
chen Applaus.<br />
Monica Brett-Crowther glänzte zum<br />
Start der diesjährigen Rezital-Serie im<br />
<strong>Lilienberg</strong>-Zentrum mit ihrer ausdrucks-<br />
starken Stimme und einem warmen<br />
Timbre. <strong>Die</strong> Stimmlage der jungen Sän-<br />
gerin gehört wohl zu den angenehms-<br />
ten. Sie kann in unteren Lagen wunder-<br />
schön sonor sein, um dann gleichwohl<br />
in höchste Töne aufzusteigen. Das Fach<br />
der Liedbegleitung gilt als besonders<br />
anspruchsvoll: Der Pianist muss sensi-<br />
bel auf die Sängerin eingehen und ihre<br />
Agogik, die Gestaltung des Tempos,<br />
spüren und aufnehmen. «Ein Pianist<br />
kann eine Sängerin vor grosse Prob-<br />
leme stellen», bekannte Paul Cibis im<br />
Gespräch mit der Moderatorin des Rezi-<br />
tals, DRS-2-Musikredaktorin Eva Oertle-<br />
Zippelius.<br />
BEGEGNUNG<br />
ausdrucksstarke Stimme <strong>–</strong><br />
gefühlvolle Lieder<br />
Von Verständigungsproblemen war<br />
an diesem Abend allerdings nichts zu<br />
spüren. Kein Wunder: Paul Cibis und<br />
Monica Brett-Crowther bilden seit Jah-<br />
ren ein eingespieltes Team. In Grossbri-<br />
tannien lernten sie sich kennen. Heute<br />
verstehen sie sich fast blind. Der 35-jäh-<br />
rige Pianist aus Deutschland, der auch<br />
als Coach am Trinity College of Music in<br />
London arbeitet, ist einer der weltweit<br />
gefragtesten Liedbegleiter. Das erstaunt<br />
nicht, absolvierte Paul Cibis doch wäh-<br />
rend seiner Ausbildung Meisterkurse bei<br />
Berühmtheiten wie der Mozart-Sänge-<br />
rin Elisabeth Schwarzkopf oder dem<br />
Bariton Thomas Hampson.<br />
Melancholische Schubert-Lieder<br />
Den Liederabend im <strong>Lilienberg</strong>-Zentrum<br />
gestalteten diebeiden Musikerabwechs-<br />
Verstehen sich fast blind: Mezzosopranistin Monica Brett-Crowther und<br />
Pianist Paul Cibis.
14<br />
lungsreich. Drei Kompositionen vonFranz<br />
Schubert bildeten den Auftakt des gut<br />
fünfundsiebzig-minütigen Programms.<br />
Schuberts Lieder und Liedzyklen zäh-<br />
len zuden schönsten und populärsten<br />
überhaupt.Mehrals sechshundertLieder<br />
schrieb Schubert während seines kurzen<br />
Lebens. Viele seiner Kompositionen wir-<br />
ken melancholisch gefühlvoll und führen<br />
so den Zuhörern indirekt die tragische<br />
Figur des Komponisten vor Augen. Drei<br />
dieser Lieder heissen«Im Frühling»,«Auf<br />
der Bruck» und «<strong>Die</strong> junge Nonne».<br />
Monica Brett-Crowther trug sieden Kon-<br />
zert-Besucherinnen und -Besuchern mit<br />
emotional angehauchter Stimme vor.<br />
Fast hundert Jahre später als Schubert<br />
erlebte Arnold Schönberg seinen Höhe-<br />
punkt als Komponist. Er übte als Leh-<br />
rer und Musiktheoretiker grossen Ein-<br />
fluss auf die damalige Musikszene aus<br />
und galt anfangs des zwanzigsten Jahr-<br />
hunderts als Begründer der sogenann-<br />
ten Zwölftonmusik. <strong>Die</strong> vier Lieder, die<br />
von der Bühne des <strong>Lilienberg</strong>-Zentrums<br />
erklangen <strong>–</strong>, «Erwartung», «Schenk mir<br />
deinen goldenen Kamm», «Erhebung»<br />
und «Waldsonne», durchs Band Liebes-<br />
lieder <strong>–</strong> stammen allerdings aus der<br />
ersten, noch tonalen Schaffensperiode<br />
Schönbergs.<br />
Mit spannungsgeladener Dramatur-<br />
gie sang Monica Brett-Crowther in der<br />
Folge die Geschichte der Shéhérazade.<br />
Mit dem Lied «Asie» entführte sie das<br />
Publikum <strong>für</strong> einige Minuten in eine<br />
ferne Welt. Tristan Klingsor als Autor des<br />
Gedichtes hatte den Komponisten Mau-<br />
rice Ravel übrigens persönlich gebeten,<br />
das Werk zu vertonen, wusste Modera-<br />
torin Eva Oertle-Zippelius zu erzählen.<br />
«Zueignung» und «Das Rosenband»,<br />
zwei sanfte Liebeslieder von Richard<br />
Strauss, standen am Ende des Lieder-<br />
teils. Dass Strauss über zweihundert Lie-<br />
der und Zyklen schrieb, verdankt die<br />
Nachwelt der Tante von Strauss. <strong>Die</strong>se<br />
war selber eine begabte Mezzosopranis-<br />
tin und bat ihren Neffen immer wieder,<br />
<strong>für</strong> sie Lieder zu komponieren.<br />
Leidenschaft pur zum Abschluss<br />
Höhepunkt des Rezitals war der Abste-<br />
cher in die Opernwelt zum Schluss der<br />
Veranstaltung. In einer Sequenz von<br />
Wolfgang Amadeus Mozarts Oper<br />
«Hochzeit des Figaro» spürte das Pub-<br />
likum Leidenschaft pur. Und mit Gioa-<br />
chino Rossinis Rosina aus dem «Bar-<br />
biere di Siviglia» kamen der Schwung<br />
der Oper sowie Wesen und Charak-<br />
ter Italiens aufs Parkett <strong>–</strong> lockere und<br />
leichte Kost, die ins Ohr ging und <strong>für</strong><br />
ein beschwingtes Ende des Rezitals<br />
sorgte. Monica Brett-Crowther bewies<br />
dabei, dass sie nicht nur das Fach der<br />
Liederinterpretation, sondern, am Kla-<br />
vier begleitet von Paul Cibis, auch das<br />
Opernmetier perfekt beherrscht.<br />
<strong>Die</strong> Zuhörerinnen und Zuhörer sowie<br />
Gastgeberin Susanne Rau-Reist wuss-<br />
ten es den beiden Künstlern zu danken.<br />
«Wir haben die Musiker heute Abend<br />
emotional gespürt», freute sich Susanne<br />
Rau. <strong>Die</strong> Musiker ihrerseits bedankten<br />
sich mit einem Ausschnitt aus der Oper<br />
Carmen, als Zugabe <strong>für</strong> die Gastfreund-<br />
schaft der Familien Reist und Rau auf<br />
<strong>Lilienberg</strong>.
15<br />
Von Wilhelm Knecht<br />
Walter Reists Beitrag an<br />
die moderne Medienindustrie<br />
Der 18. Februar bot in einem ausser-<br />
ordentlichen Rahmen Gelegenheit, das<br />
erfolgreiche Wirken von Dr. h.c. Walter<br />
Reist Revue passieren zu lassen: <strong>Die</strong>s an<br />
der Vernissage des von Karl Lüönd ver-<br />
fassten Buches «Gelebtes Unternehmer-<br />
tum». Als Ort zur Präsentation wurde<br />
der Standort der Hochschule <strong>für</strong> Tech-<br />
nik in Zürich gewählt. Hier absolvierte<br />
Walter Reist in den Fünfziger Jahren das<br />
Abendtechnikum.<br />
Karl Lüönd (links) präsentiert<br />
zusammen mit Dr. h.c. Walter Reist<br />
das Buch, das er über den Beitrag<br />
der Ferag zur modernen Medien-<br />
industrie geschrieben hat.<br />
BEGEGNUNG<br />
Walter Reist war Maschinenschlosser-<br />
lehrling bei den Georg-Fischer-Werken.<br />
Nach der Rekrutenschule besuchte er<br />
das Abendtechnikum Zürich, wo er<br />
im Jahre 1953 das Diplom als Maschi-<br />
nentechniker entgegennahm. In ihren<br />
Begrüssungsworten riefen die beiden<br />
heute am selben Standort wirkenden<br />
Rektoren, Prof. Dr. Jacques Bischoff<br />
(Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft Zürich,<br />
HWZ) und Prof. Dr. h.c. Bedi Büktas<br />
(Hochschule <strong>für</strong> Technik Zürich, HSZ-T),<br />
die harten Nachkriegsjahre, und damit<br />
die Studienzeit von Walter Reist in Erin-<br />
nerung. Beide Schulleiter gaben ihrer<br />
Freude darüber Ausdruck, einen frühe-<br />
ren Abendtechnikum-Absolventen will-<br />
kommen zu heissen, der heute welt-<br />
weit als Unternehmer und Pionier in der<br />
Medienbranche bekannt ist.<br />
«Walter Reist ist uns und unserer Hoch-<br />
schule über all die Jahre hinweg treu<br />
geblieben, er war stets grosszügiger<br />
Förderer und hat uns auch in schwieri-<br />
gen Zeiten unterstützt», betonte Bedi<br />
Büktas. «Er hat bereits als Student an<br />
unserer Schule Grundsteine <strong>für</strong> sei-<br />
nen späteren Erfolg gelegt und hält<br />
diese Quelle zum späteren unterneh-<br />
merischen Wirken nachhaltig in freund-<br />
schaftlicher Erinnerung.»<br />
Von der NZZ zu Murdochs Imperium<br />
«NZZ und Murdoch <strong>–</strong> die beiden Mar-<br />
kennamen stehen <strong>für</strong> die Pole, zwischen<br />
denen sich das Medienwesen in den<br />
vergangenen fünfzig Jahren entwickelt<br />
hat», sagte Buchautor und Publizist<br />
Karl Lüönd zu Beginn seines Referates.<br />
<strong>Die</strong> NZZ, vor über zweihundert Jahren<br />
gegründet, sei der Prototyp des welt-<br />
erkundenden Blattes, das zwei Funkti-<br />
onen hatte: dem Zürcher Handelsbür-<br />
gertum die Welt und die Wirtschaft zu<br />
erklären, und als liberale Plattform an<br />
der Staatsbildung und der Politik mit-<br />
zuarbeiten. «<strong>Die</strong> NZZ war sozusagen<br />
das Markenzeichen <strong>für</strong> die klassische<br />
Schweizer Tagespresse bis in die Sieb-<br />
ziger und Achtziger Jahre: fest veran-<br />
kert in einer politischen, manchmal auch<br />
ethisch oder sozialpolitisch geprägten<br />
Weltanschauung. Murdoch dagegen<br />
steht <strong>für</strong> M wie Markt.» Der ruppige<br />
Australier habe schon die geerbten Blät-<br />
ter in seiner Heimat streng nach Markt-<br />
bedürfnissen umgekrempelt. Anschlies-<br />
send habe er sich auf seine bekannten<br />
Expeditionen aufgemacht: zunächst
16<br />
nach Grossbritannien, dann nach USA,<br />
in die Welt des Fernsehens und der<br />
Online-Medien.<br />
Vor etwas mehr als fünfzig Jahren sei<br />
aber noch eine andere Medienfigur in<br />
die Welt getreten, in die Märchenwelt<br />
von Walt Disney, so Karl Lüönd weiter:<br />
«Ich rede von Daniel Düsentrieb. Er ist<br />
die Kopfgeburt des berühmten Disney-<br />
Zeichners Carl Barks und war 1952 zum<br />
Markenzeichen <strong>für</strong> verarbeitende Fördertechnik<br />
Der junge Konstrukteur Walter Reist hatte <strong>für</strong> die «Neue Zürcher Zeitung» ein<br />
Problem gelöst, den schmierfreien Transport der frisch gedruckten Zeitungen<br />
von der Rotationsmaschine bis zur Verladerampe. Weil sein Arbeitgeber die<br />
Erfindung nicht weiterentwickeln wollte, machte er sich selbstständig und grün-<br />
dete 1957 die Ferag in Hinwil.<br />
Seither ist das Unternehmen auf 1500 Mitarbeitende angewachsen und welt-<br />
weit zum Markenzeichen <strong>für</strong> intelligente Zeitungstransportsysteme und verar-<br />
beitende Fördertechnik geworden. Ferag-Systeme haben Zeitungen und Zeit-<br />
schriften konkurrenzfähiger gemacht und verhelfen neuen Werbeformen zum<br />
Durchbruch.<br />
Im Jahre 1999 verlieh die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Wal-<br />
ter Reist in Anerkennung seiner bahnbrechenden Erfindungen auf dem Gebiet<br />
der Förderung, der Verarbeitung und des Versands von Druckerzeugnissen und<br />
deren erfolgreichen unternehmerischen Umsetzung die Würde eines Ehrendok-<br />
tors der Technischen Wissenschaften.<br />
Bis 1996 leitete Walter Reist das Unternehmen selbst, dann übernahmen<br />
Susanne Rau-Reist und Gerd Rau die Unternehmensführung.<br />
ersten Mal in einem Comic aufgetaucht.<br />
Ein Jahr später begann am anderen<br />
Ende der Erdachse, in Zürich West, eine<br />
weitere grosse Geschichte des Erfin-<br />
dens, nämlich die Geschichte der Ferag,<br />
gegründet vom Ingenieur Walter Reist.»<br />
Es war der nimmermüde Erfindungs-<br />
geist von Walter Reist und seinen Mit-<br />
arbeitern, es war die Zähigkeit und<br />
Unbeugsamkeit des Unternehmers und<br />
Karl Lüönd signiert sein Buch über<br />
Ferag-Gründer Walter Reist.<br />
seines verschworenen Umfelds, was zur<br />
gradlinigen Erfolgsgeschichte der Ferag<br />
führte, erzählte Karl Lüönd. «Walter<br />
Reist hatte die richtige Idee und die rich-<br />
tigen Produkte zur richtigen Zeit. Und<br />
damit sind wir zurück bei der NZZ und<br />
bei Murdoch.»<br />
Printmedien behaupteten sich<br />
trotz Fernsehen<br />
<strong>Die</strong> späten Fünfziger und die Sechzi-<br />
ger Jahre waren die grosse Zeit der<br />
gedruckten Medien. Denn es gab noch<br />
kein Fernsehen. Zeitungen und Zeit-<br />
schriften waren voll von Inseraten. <strong>Die</strong><br />
Mangelwirtschaft der Kriegsjahre lief<br />
aus, es herrschte Überfluss an Gütern.<br />
Es brach, aus Amerika kommend, das<br />
Zeitalter des wissenschaftlich gestütz-<br />
ten Marketings an: Marktforschung,<br />
Markenführung, Marktkommunikation<br />
wurden gelehrt und praktiziert. <strong>Die</strong>se<br />
Kommunikation in ihren verschiede-<br />
nen Ausprägungen <strong>–</strong> Werbung, Public<br />
Relations, Direct Marketing <strong>–</strong> mutierte<br />
vom Kunstgewerbe zu einer systema-<br />
tischen Prozesskette mit Standardver-<br />
fahren. Und es wurde sehr viel Geld in
17<br />
den Verdrängungskampf der Marken<br />
investiert. <strong>Die</strong>ses Werbegeld trieb die<br />
Publizistik an, in allen Industrienationen.<br />
1962 wurden in der Schweiz <strong>für</strong> die<br />
Markenwerbung 133,6 Millionen Fran-<br />
ken investiert. 1986 waren es 1400 Mil-<br />
lionen. Namentlich die Siebziger Jahre<br />
waren goldene Zeiten <strong>für</strong> die Tageszei-<br />
tungen. Bis 1977 gewannen sie bei der<br />
Markenwerbung noch Marktanteile der<br />
<strong>Zeitschrift</strong>en. Dann eroberten diese wie-<br />
der Marktanteile zurück, aber von 1982<br />
bis 1986 setzte nochmals eine gegen-<br />
läufige Bewegung ein. Das vom neu in<br />
den Markt getretenen Werbefernsehen<br />
abgeschöpfte Volumen wurde durch<br />
ein kontinuierliches Werbewachstum<br />
ausgeglichen, so dass die Printmedien<br />
nichts verloren, im Gegenteil.<br />
Mit ihren innovativen Angeboten <strong>–</strong><br />
zuerst Fördertechnik, dann die Erfin-<br />
dung des Einsteckens von Beilagen im<br />
Takt der laufenden Zeitungsproduktion<br />
<strong>–</strong> habe die Ferag den Wandel des Druck-<br />
und Verlagswesens vom Handwerk zur<br />
Industrie unterstützt und beschleu-<br />
nigt. Karl Lüönd: «Dank Ferag konnte<br />
sich der Drucker-Verleger gar mit klei-<br />
neren Produktionsanlagen begnügen,<br />
diese aber täglich während 24 Stunden<br />
nutzen, nämlich durch den Vordruck<br />
von nicht aktuellen Zeitungsteilen und<br />
deren anschliessendes Einstecken in den<br />
Schuppenstrom <strong>–</strong> bei einem Produkti-<br />
onstempo von zuletzt 45 000 Exemp-<br />
laren pro Stunde.» Das habe die teu-<br />
ren Druckanlangen auf einen Schlag<br />
rentabler gemacht, und Walter Reist<br />
konnte zugunsten der eigenen Unter-<br />
nehmensentwicklung mit einer ange-<br />
messenen Preisgestaltung an diesen<br />
Produktivitätsgewinnen der Verleger<br />
Anteil haben.<br />
Seit den späten Neunziger Jahren ist<br />
Ferag auch im Magazingeschäft tätig,<br />
keineswegs konkurrenzlos, aber füh-<br />
rend, weil sich das Hinwiler Unterneh-<br />
men nicht als Maschinenlieferant ver-<br />
steht, sondern als Problemlöser und<br />
Systemfinder, das seine Kunden mit<br />
Der Film zum Buch<br />
Als Parallele zum Buch «Gelebtes <strong>Unternehmertum</strong>»kann der von Walter Reist<br />
initiierte und von Mario Cortesi imJahr 2007 geschaffene Film über das gelebte<br />
<strong>Unternehmertum</strong> bezeichnet werden: <strong>Die</strong> Horizonte erweitern sich, bis hin zu<br />
Unternehmensphilosophien und unternehmerisch bedachten Wertehaltungen.<br />
Mario Cortesi: «Walter Reist hat eine erfolgreiche Unternehmensgruppe auf-<br />
gebaut. Was lag bei der Gedankenfindung zum Thema <strong>Unternehmertum</strong> also<br />
näher, als das Erfahrungspotential und das Gedankengut von Walter Reist selbst<br />
als Quelle heranzuziehen?»<br />
Marketing-Ideen versorgt, das aber<br />
auch dauerhafter Partner ist in Berei-<br />
chen wie Service, Unterhalt oder techni-<br />
scher Ausbildung.<br />
«Ideen wurden mir geschenkt»<br />
Unter der Leitung von Matthias Ackeret,<br />
Chefredaktor des Magazins «persön-<br />
lich», nahmen Walter Reist, Karl Lüönd<br />
und der Verwaltungsratspräsident der<br />
Ferag, Heinz Möckli, zum Abschluss der<br />
Buchvernissage an einer Podiumsdiskus-<br />
sion teil.<br />
«Ich habe die über 4000 Patente eigent-<br />
lich nicht geschaffen. <strong>Die</strong> Ideen <strong>für</strong> Inno-<br />
vationen wurden mir geschenkt», ant-<br />
wortete Walter Reist auf die Frage des<br />
Moderators, wodas Geheimnis seines<br />
Erfolges liege. «Im Übrigen verdankte
18<br />
ich den steten technischen Fortschritt<br />
auch meinem Team, und besonders<br />
den Kunden, die mir bei der Verwirk-<br />
lichung der Ideen mit Tests sowie mit<br />
eigenen Gedanken zur Seite standen.»<br />
<strong>Die</strong> Auflagen der bezahlten Zeitun-<br />
gen würden heute in erschreckendem<br />
Masse sinken, stellte Moderator Mat-<br />
thias Ackeret fest. Er wollte von Walter<br />
Reist wissen, ob die Zeitung nicht zuse-<br />
hends vom Markt verschwinden werde.<br />
Schon beim Aufkommen des Fernse-<br />
hens habe man das Verschwinden der<br />
Zeitungen prophezeit, sagte Walter<br />
Reist, und was passierte? «<strong>Die</strong> Aufla-<br />
gen stiegen zum Teil noch rasant, und<br />
es wurden neue Produkte, wie etwa die<br />
Sonntagszeitungen und die Gratiszei-<br />
tungen, lanciert.» Mit den industriellen<br />
Verarbeitungsmöglichkeiten von Ferag<br />
hätten die Verleger die Produktions-<br />
kosten <strong>für</strong> ihre Zeitungen enorm sen-<br />
ken und zugleich Produktinnovationen<br />
anbieten können, auch zugunsten der<br />
Werbekunden. «Denken wir nur an das<br />
Geschäft mit den Beilagen.»<br />
Matthias Ackeret sprach Heinz Möckli<br />
daraufhin auf die Finanzkrise an, die<br />
Engagierte Diskussion über das Erfolgsgeheimnis der Ferag und die Zukunft der Medienbranche. Von links: Publizist und Buchautor<br />
Karl Lüönd, Moderator Matthias Ackeret, Ferag-Gründer Dr. h.c. Walter Reist und Ferag-VR-Präsident Heinz Möckli.
19<br />
unter anderem zur Folge hatte, dass die<br />
Unternehmen weniger Werbemittel zur<br />
Verfügung haben. <strong>Die</strong>s führte zu Einbrü-<br />
chen im Anzeigenbereich. Ob die Ferag<br />
dies verkraften könne? Natürlich leide<br />
die Ferag ebenfalls unter dieser Ent-<br />
wicklung, gestand Heinz Möckli. «Wir<br />
sind aber stark zukunftsgerichtet, wir<br />
antizipieren die Medientrends.» Auch<br />
im angestammten Bereich könne die<br />
Ferag den Verlegern attraktive Möglich-<br />
keiten zu neuer Wertschöpfung bieten.<br />
Stellvertretend <strong>für</strong> andere Beispiele wies<br />
Heinz Möckli auf das neue geschaffene<br />
Produkt «MemoStick» zur Werbenut-<br />
zung auf der Titelseite der Zeitungen<br />
hin. <strong>Die</strong> Rücklauf-Quote sei im Vergleich<br />
zu herkömmlichen Werbemitteln um<br />
das Fünffache gesteigert worden.<br />
Karl Lüönd meinte, dass die Leser-, die<br />
Print- und die Werbemärkte generell<br />
sowohl aus geografischen wie aus sach-<br />
lichen Bedürfnis-Perspektiven sehr dif-<br />
ferenziert betrachtet werden müssten.<br />
Während in einigen Nationen die Markt-<br />
anteile der Zeitungen wegen zuneh-<br />
mender Nutzung der neuen Medien<br />
sinken, gehe <strong>für</strong> Zeitungen in anderen<br />
Weltregionen «die Post erst recht ab»,<br />
etwa in Asien und in Südamerika. Ferag<br />
habe es zudem verstanden, weltweit<br />
<strong>–</strong> zum Teil auch mit Partnern vor Ort <strong>–</strong><br />
Nischenmärkte aufzubauen.<br />
Und Heinz Möckli betonte, die Unter-<br />
nehmensorganisation der Ferag sei<br />
stark kundenorientiert. Ihre Marketing-<br />
gesellschaften befänden sich weltweit<br />
<strong>–</strong> in 18 Nationen gar mit selbständigen<br />
Tochterunternehmen <strong>–</strong> im permanenten<br />
Informationsaustausch. «Im Printme-<br />
dienbereich bearbeiten wir nebst den<br />
Zeitungen auch den <strong>Zeitschrift</strong>enmarkt.<br />
Dank der Weitsicht von Walter Reist sind<br />
wir innerhalb unserer Firmengruppe<br />
auch in der Lage, Marktleistungen in<br />
anderen Branchen anzubieten, etwa in<br />
den Bereichen Food und Pharma.»<br />
«Walter Reist denkt als Verleger»<br />
Zum Abschluss der Diskussion fragte<br />
Matthias Ackeret Walter Reist, wie er<br />
jeweils so rasch das Kundenvertrauen<br />
gewonnen habe. Der Moderator<br />
erwähnte namentlich die durch einen<br />
Handschlag besiegelte Kundenakqui-<br />
sition von Murdoch mit einem Auf-<br />
tragsvolumen von immerhin 150 Millio-<br />
nen Franken. Unternehmerisch gesehen<br />
gehe es immer um drei Aspekte: mensch-<br />
lich, sachlich, wirtschaftlich, antwortete<br />
Walter Reist. An vorderster Stelle stehe<br />
das Persönliche, somit der menschli-<br />
che Faktor. «Murdoch war damals noch<br />
ein Nobody. Ich habe ihm aber mit<br />
unseren Systemen, ausgehend von part-<br />
nerschaftlicher Zusammenarbeit, zum<br />
Aufstieg verholfen.» Das Wichtigste sei<br />
immer ein korrektes menschliches Bezie-<br />
hungsverhältnis zu den Kunden.<br />
Karl Lüönd. doppelte nach, Ferag sei<br />
so erfolgreich, weil ihre Mitarbeiten-<br />
den den Verlegern helfen, <strong>für</strong> sich neue<br />
Wertschöpfungsketten zu generieren.<br />
«<strong>Die</strong>s gilt auch im Zeitalter des Inter-<br />
nets. Walter Reist denkt als Verleger, er<br />
erkennt reale Möglichkeiten zur inhalt-<br />
lichen Stärkung der Zeitungen und<br />
<strong>Zeitschrift</strong>en, somit zur Förderung der<br />
Attraktivität <strong>für</strong> die Leser und <strong>für</strong> die<br />
Werbebranche, ebenso aber zur Wahr-<br />
nehmung von Optionen im zukunftsge-<br />
richteten Medienverbund.»<br />
Vernissage des Buches «Gelebtes Unter-<br />
nehmertum. Verarbeitende Fördertech-<br />
nik <strong>–</strong> Der Beitrag von Walter Reist an<br />
die moderne Medienindustrie» von Karl<br />
Lüönd, erschienen im Verlag NZZ Libro,<br />
vom 18. Februar 2010 an der Hoch-<br />
schule <strong>für</strong> Wirtschaft Zürich.
20<br />
Von Stefan Bachofen<br />
Indem Walter Reist auf <strong>Lilienberg</strong> eine<br />
Plattform <strong>für</strong> den unternehmerischen<br />
Austausch schuf, hat er sich als bewuss-<br />
ter und moderner, weil ganzheitlich<br />
denkender Unternehmer ausgewiesen.<br />
<strong>Die</strong>s war eine der Kernaussagen von<br />
Karl Lüönd am 29. Forum-Gespräch.<br />
Der Publizist und Buchautor schilderte<br />
in einem pointierten Referat «20 Jahre<br />
<strong>Lilienberg</strong> aus meiner Sicht».<br />
Zum Abschluss des traditionellen Lili-<br />
enberg-Gremientages lud Gastgeber<br />
Dr. h.c. Walter Reist am 24. März<br />
die Mitglieder des <strong>Lilienberg</strong>rates,<br />
der Aktionsfelder, des <strong>Lilienberg</strong>rings<br />
sowie Freunde und ehemalige Preisträ-<br />
ger zum Forum-Gespräch ein. Sympa-<br />
thisch und einfühlsam kündigte er den<br />
Referenten Karl Lüönd an, den Doyen<br />
der Deutschschweizer Journalisten<br />
und Publizisten. Karl Lüönd, heute<br />
65, hatte unlängst unter dem Titel<br />
«Gelebtes <strong>Unternehmertum</strong>» auch<br />
ein aussergewöhnliches Buch über<br />
Walter Reist und dessen Lebenswerk<br />
geschrieben (siehe Artikel auf Seite<br />
15). «20 Jahre <strong>Lilienberg</strong> aus meiner<br />
BEGEGNUNG<br />
<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> die Fundgrube<br />
<strong>für</strong> Menschensammler<br />
Sicht» lautete die Überschrift seines<br />
Referates am Forum-Gespräch.<br />
<strong>Lilienberg</strong> stand <strong>für</strong> die Erneuerung<br />
Karl Lüönd hatte Walter Reist im April<br />
1989 kennengelernt. Er berichtete, als<br />
Journalist eingeladen, über die Eröff-<br />
nung des <strong>Lilienberg</strong>-Zentrums. Kas-<br />
par Villiger, damals seit etwas mehr als<br />
zwei Monaten im Bundesrat, hielt die<br />
Eröffnungsrede, erinnert er sich. «Ich<br />
ging hin und begegnete am Untersee<br />
einem zauberhaften Platz und einem<br />
interessanten Menschen namens Walter<br />
Reist», beschrieb Karl Lüönd seinen ers-<br />
ten Besuch auf <strong>Lilienberg</strong>. Seither habe<br />
es keine einzige Reise zum <strong>Lilienberg</strong><br />
gegeben, die nicht mit überraschenden<br />
und spannenden Begegnungen verbun-<br />
den gewesen war. «Für alle, die Men-<br />
schen sammeln <strong>–</strong> und damit auch <strong>für</strong><br />
einen Journalisten <strong>–</strong> ist <strong>Lilienberg</strong> eine<br />
wahre Fundgrube. Ist man kontaktfreu-<br />
dig, langweilt man sich nie», erzählte<br />
der Gründer und frühere langjährige<br />
Chefredaktor der «Züri-Woche». Genau<br />
das könne man von vielen anderen und<br />
bedeutend teureren Anlässen, zu denen<br />
Karl Lüönd<br />
man als Journalist zuweilen eingeladen<br />
wird, nicht behaupten, so Karl Lüönd<br />
mit einem leicht süffisanten Unterton.<br />
<strong>Die</strong> Eröffnung von <strong>Lilienberg</strong> 1989<br />
erfolgte fast zeitgleich mit den dramati-<br />
schen Ereignissen im ehemaligen Jugo-<br />
slawien und in der alten Sowjetunion<br />
<strong>–</strong> «und das wiederum war beinahe sym-<br />
bolisch», sagte Karl Lüönd. «Denn Lili-<br />
enberg stand auch <strong>für</strong> Perestroika und<br />
Glasnost, das heisst <strong>für</strong> die Erneuerung<br />
des alten Systems aus dem Geist der<br />
Transparenz und aus dem Geist der<br />
Geschichte.» Unternehmerische Men-<br />
schen aus allen Branchen, Sparten und<br />
Betriebsgrössen, Menschen, die sich<br />
zuvor auf das eigene Fachgebiet spezi-<br />
alisiert hatten und dem Röhrenblick ver-<br />
fallen waren, spürten in jener Zeit, wie<br />
sich die Schere des Widerspruchs immer<br />
weiter öffnete. Da war zum einen der<br />
ständige und wachsende wirtschaftliche<br />
Druck, der Zeit raubt und zu zusätzli-<br />
chen Anstrengungen zwingt: Druck von<br />
der Konkurrenz, vom Ausland, von den<br />
Sozialpartnern, vom Staat. Und da war<br />
zum andern der Zwang, sich in einer
21<br />
kompliziert gewordenen Welt auszu-<br />
kennen, die gesellschaftliche Mechanik<br />
zu verstehen, zu lernen, mit anderen<br />
Standpunkten umzugehen, Alternativen<br />
<strong>für</strong> das eigene Handeln, die eigene Exis-<br />
tenz zu erkunden und zu erproben. Karl<br />
Lüönd: «Das war viel verlangt von einem<br />
KMU-Unternehmer, der am 20. jedes<br />
Monats die Lohnzahlungen auslösen<br />
muss und dem die Kunden, die Behör-<br />
den, die Konkurrenz und der Verband<br />
ständig im Nacken sitzen.»<br />
Ganzheitlich denken<br />
Für den Gründer und langjährigen Pat-<br />
ronder Feragstand fest:Damusstesich<br />
etwas ändern. Deshalb seien genau<br />
diese KMU-Unternehmer, die nie Zeit<br />
<strong>für</strong> das Wichtige haben, weil sie immer<br />
das Dringende erledigen müssen, auf<br />
<strong>Lilienberg</strong> die Zielgruppe von Wal-<br />
ter Reist gewesen, rief der Referent<br />
dem Publikum in Erinnerung. «Walter<br />
Reist hatte früh gemerkt, dass man<br />
als Unternehmer nur erfolgreich sein<br />
kann, wenn man nicht bloss sein eige-<br />
nes Metier beherrscht und sich seine<br />
geschäftliche Nische sichert.» Kurz:<br />
Ganzheitliches Denken war gefragt.<br />
Walter Reist sei sofort klar gewesen,<br />
dass man sich dazu auch im gesell-<br />
schaftlichen Gefüge bewegen, sich um<br />
Politik, um Ideen, um Haltungen und<br />
Werte kümmern muss. «Denn darauf<br />
bauen Bildung, Forschung, Wohlfahrt,<br />
Verteidigung, Ordnungsdienst und alle<br />
anderen Dinge, die miteinander erst<br />
eine Gesellschaft bilden, in der sich<br />
möglichstallemöglichst sicher undeini-<br />
germassen frei fühlen können.» Und<br />
Walter Reist erkannte, dass auch die<br />
Armee, das Hochschulwesen oder die<br />
Fürsorge besser funktionierten, wenn<br />
sie nach unternehmerischen Prinzipien<br />
organisiert und geführt sind.<br />
Karl Lüönd (rechts) im Gespräch mit Nationalrat Bruno Zuppiger.<br />
«Der gute Journalist ist einer, der<br />
alles weiss, was er schreibt, aber<br />
nicht alles schreibt, was er weiss.»<br />
Karl Lüönd<br />
Der gesellschaftlich wache, bewusste,<br />
moderne, weil ganzheitlich denkende<br />
Walter Reist schuf mit <strong>Lilienberg</strong> einen<br />
Denkplatz, eine Plattform <strong>für</strong> den unter-<br />
nehmerischen Austausch. Unternehme-<br />
rinnen und Unternehmer können auf
22<br />
<strong>Lilienberg</strong> die relevanten wirtschaftli-<br />
chen, politischen und gesellschaftlichen<br />
Fragen unserer Zeit diskutieren. «So<br />
gesehen wirkt <strong>Lilienberg</strong> auch nach aus-<br />
sen, in die Gesellschaft hinein <strong>–</strong> <strong>für</strong> jene<br />
Gesellschaft, die es ermöglicht hatte,<br />
dass Walter Reist mit seinen Ideen und<br />
Erfindungen so viel Geld verdienen<br />
konnte und deshalb in der Lage war, mit<br />
<strong>Lilienberg</strong> so viel so grosszügig zurück-<br />
zugeben», sagte Karl Lüönd.<br />
Der Experte mit der Panoramasicht<br />
Er bestritt nicht, dass die heutige Zeit,<br />
die im Zeichen der Krise und der Abzo-<br />
cke, im Zeichen von Egoismus steht,<br />
nicht die beste sei <strong>für</strong> Leute, die sich<br />
Unternehmer nennen. «Unter dem fal-<br />
schen Siegel des <strong>Unternehmertum</strong>s ist<br />
es auch zu schlimmen Fehlentwicklun-<br />
«98 Prozent der Menschen verste-<br />
hen von 98 Prozent der Sachthe-<br />
men nichts. Demokratie ist dem-<br />
zufolge die Staatsform, in der jene,<br />
die am wenigsten verstehen am<br />
meisten zu sagen haben. Deshalb<br />
braucht es den Journalismus immer<br />
<strong>–</strong> als intellektuelle <strong>Die</strong>nstleistung.»<br />
Karl Lüönd<br />
gen gekommen.» Auf <strong>Lilienberg</strong> sieht<br />
der Publizist jedoch «die guten Werte<br />
des soliden Schweizer Unternehmer-<br />
tums bewahrt und aufgehoben.» Will<br />
heissen das Bekenntnis zu der vom<br />
Markt definierten Leistung und die<br />
ganzheitliche Anschauung der Dinge.<br />
«Der moderne Unternehmer ist eben<br />
nicht mehr der Experte mit dem Röh-<br />
renblick, sondern der mit der Panora-<br />
masicht, mit dem Radar, der alle 360<br />
Grad umkreist.» Modern sei der Unter-<br />
nehmer, und auch der unternehmerisch<br />
wirkende Funktionär, Journalist, Kader-<br />
militär oder Professor nur, wenn er sich<br />
aktiv um die Gemeinschaft kümmert<br />
und so dazu beiträgt, dass der Rah-<br />
men hält. «So gesehen ist <strong>Lilienberg</strong><br />
der Brennpunkt einer hochmodernen,<br />
topaktuellen, weil sozial verpflichteten<br />
und gesellschaftlich wachen postindust-<br />
riellen Leistungsgesellschaft.»
23<br />
Von Wilhelm Knecht<br />
Am 4. März trat das <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />
nehmerforum mit Filmemacher Dr.<br />
David W. Syz, ehemaliger Staatssekre-<br />
tär und Direktor des Staatssekretaria-<br />
tes <strong>für</strong> Wirtschaft (Seco) in Dialog. Das<br />
103. <strong>Lilienberg</strong>-Gespräch zeigte Irrwege<br />
der Entwicklungspolitik auf und legte,<br />
unternehmerisch bedacht, Perspektiven<br />
<strong>für</strong> erfolgreich begehbare Wege offen.<br />
Dr. h.c. Walter Reist, Präsident des Stif-<br />
tungsrates der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />
nehmerforum, begrüsste Dr. David W.<br />
Syz auf <strong>Lilienberg</strong> herzlich. Nachfolgend<br />
GESPRÄCH<br />
Filmemacher mit Fokus auf die<br />
Entwicklungszusammenarbeit<br />
Dr. David W. Syz: «Das Begleiten von<br />
Menschen war mir immer ein Anliegen.»<br />
Auszüge aus dem Gespräch, das er als<br />
Gastgeber mit David W. Syz führte:<br />
Herr Dr. Syz, Sie haben in Ihrem Wer-<br />
degang eine enorme Vielseitigkeit von<br />
Wissen und Können bewiesen. Wo<br />
lagen die Quellen und die Motive zu<br />
Ihrem erfolgreichen Lebensaufbau?<br />
David W. Syz: Mein Werdegang ent-<br />
wickelte sich Schritt <strong>für</strong> Schritt. Vorerst<br />
habe ich, ohne grosse Begeisterung,<br />
an der Universität Zürich Jurisprudenz<br />
studiert. Dann folgte die MBA-Zusatz-<br />
ausbildung am Insead in Fontainebleu<br />
(Frankreich). Ein anderer Weg wäre die<br />
Diplomatenausbildung gewesen, aber<br />
ich trachtete nach einer beruflichen<br />
Funktion, in der man rasch Ergebnisse<br />
erzielen konnte.<br />
Zwischen 1973 und 1999 belegten Sie<br />
verschiedene Managementpositionen in<br />
der Elektrowatt-Gruppe und Sie waren<br />
CEO bei der SIG. Was bewog Sie dann<br />
zur Übernahme der Direktion beim<br />
Seco, und welche Erfahrungen machten<br />
Sie dort?<br />
<strong>Die</strong> Anfrage von Bundesrat Pascal<br />
Couchepin kam sehr überraschend.<br />
Das Staatssekretariat <strong>für</strong> Wirtschaft<br />
wurde indieser Form neu etabliert. Ich<br />
erkannte meinen Auftrag auch darin,<br />
dem Seco etwas «unternehmerischen<br />
Geist einzuhauchen». <strong>Die</strong>s war aller-<br />
dings schwierig, denn ein Bundesamt<br />
steht jastets in Abhängigkeiten, unter<br />
ganz differenzierten Einflüssen der<br />
Politik. Man muss sehr viele Leute ein-<br />
beziehen, wenn man etwas bewegen<br />
will. <strong>Die</strong>se berufliche Erfahrung war<br />
indessen mit dem Einblick indie glo-<br />
balen Zusammenhänge verbunden. <strong>Die</strong><br />
Erkenntnisse will ich nunmehr weiter-<br />
geben. Ich will vor allem junge Leute<br />
<strong>für</strong> die Fragen der Globalisierung und<br />
der Entwicklungszusammenarbeit sen-<br />
sibilisieren. Da<strong>für</strong> sind Filme ein gutes<br />
Medium.<br />
Ihre Schaffenskraft ist beeindruckend.<br />
Wie meistern Sie eine derartige Vielfalt<br />
in ihren Aktivitäten? Ist es auch eine<br />
gewisse Art von Neugierde, oder ist es<br />
ein starkes Zeichen von Barmherzigkeit,<br />
die dieser neuen Wirksamkeit zugrunde<br />
liegt?<br />
Ich bin bürgerlich verankert, somit auch<br />
werteorientiert. Aber Geld und Kapital
24<br />
steht bei mir nicht im Vordergrund. Das<br />
Begleiten von Menschen war mir stets<br />
ein Anliegen. Auch in der Ausübung<br />
meiner Führungsaufgaben in der Wirt-<br />
schaft achtete ich stark auf eine geord-<br />
nete Personalpolitik. Gab es denn ein-<br />
mal eine schlaflose Nacht, dann wohl<br />
eher aus Sorge um die Mitarbeiten-<br />
den als etwa aus Gründen der Finan-<br />
zen. Massstäbe zur Correctness, auch<br />
gegenüber den Kunden und Geschäfts-<br />
partnern, habe ich schon von meinem<br />
Vater <strong>–</strong> er war Direktor bei der Alu-<br />
suisse <strong>–</strong> mit auf den Weg bekommen.<br />
Von ihm lernte ich, nicht mit dem ers-<br />
ten Resultat <strong>–</strong> und sei es noch so gut<br />
<strong>–</strong> zufrieden zu sein, sondern stets noch<br />
Besseres, noch Sinnvolleres anzustre-<br />
ben. In dieser Haltung liegt sicher auch<br />
mein Filmemachen begründet: Ich kann<br />
so von meinem Wissen und meinen<br />
Wertehaltungen der Gesellschaft etwas<br />
zurückgeben. Als Mitglied des Verwal-<br />
tungsrates der Credit Suisse bringe ich<br />
auch meine klare Meinung zur jetzigen<br />
Debatte über die Boni ein.<br />
Von <strong>Lilienberg</strong> her blicken wir auf die<br />
Halbinsel Reichenau, auf St. Georg.<br />
Auch von dort her wurden uns Wer-<br />
tehaltungen vermittelt. Setzen Sie sich<br />
auch mit diesen Quellen auseinander?<br />
Ich vertiefe mich stark in einschlägige<br />
Literatur. Hierbei richte ich mich auf<br />
direkt relevante Fragen, insbesondere<br />
auf die weltweiten Entwicklungszusam-<br />
menhänge. Ich stosse oft auf Unehrlich-<br />
keiten. <strong>Die</strong> Staaten <strong>–</strong> so auch die USA<br />
<strong>–</strong> verfolgen unter dem Deckmantel der<br />
Entwicklungsarbeit allzu oft Eigeninte-<br />
ressen.<br />
Als Unternehmer, als Präsident des Ver-<br />
waltungsrates <strong>–</strong>heute bei der Huber &<br />
Suhner AG <strong>–</strong>müssen Sie eine gewisse<br />
Härte zeigen. Sind Sie imVergleich mit<br />
IhremEngagement <strong>für</strong>die Entwicklungs-<br />
länder mit Gegensätzen konfrontiert?<br />
Der kapitalistische Geist hat seine<br />
Berechtigung, aber Ehrlichkeit gehört<br />
dazu. Begriffe wie Korruption oder<br />
Transparenz gilt es zuweilen zu rela-<br />
tivieren. Sie haben je nach Ländern,<br />
Sitten, Traditionen und Regierungsfor-<br />
men- beziehungsweise Machenschaf-<br />
ten unterschiedlichen Gehalt. Werte-<br />
ordnungen können wechseln, wenn<br />
Individuen ums Überleben kämpfen<br />
oder wenn ihnen Regierungsbeamte<br />
permanent korruptes Handeln vorleben.<br />
Wie beurteilen Sie den Konkurrenz-<br />
kampf unter den Kontinenten selbst?<br />
«Kurzfristig verursacht der globale<br />
Handel oft Probleme. Langfristig<br />
schafft er aber Wohlstand <strong>für</strong> das<br />
betroffene Land.»<br />
<strong>Die</strong> im Welthandel liierten Staaten ver-<br />
folgen unterschiedliche Ziele, dies auch<br />
im Wissen um differenzierte Denkwei-<br />
sen und Anspruchshaltungen seitens der<br />
Handelspartner beziehungsweise der<br />
jeweiligen Import- und Exportländer. Ein<br />
Beispiel:ChinatätigtinAfrikaGrossinves-<br />
titionen,verbunden aber auch mit gewal-<br />
tigemAufkaufvon Ländernund Ressour-<br />
cen. Mit diesem Involvement <strong>–</strong> etwa<br />
in Landwirtschaftssektoren <strong>–</strong>sind auch<br />
Arbeitsplätze <strong>für</strong> die Einheimischen, ein-<br />
hergehend mit einem grösseren Selbst-<br />
versorgungsgrad <strong>für</strong> Nahrungsprodukte,<br />
verbunden. China hegt hierbei indessen<br />
strategische Ziele: Man will langfristig<br />
kontinentale Ressourcen sichern. Derar-<br />
tige Strategien <strong>–</strong>inBezug auf Rohstoffe<br />
generell <strong>–</strong>verfolgen auch andere Natio-<br />
nen, zum Beispiel die USA oder Indien.<br />
Der offene Welthandel schafft Prob-<br />
leme, in der Schweiz ist auch die Land-<br />
wirtschaft stark betroffen. Geraten Sie<br />
da von Seiten der schweizerischen Inter-<br />
essenvertreter der Agrarwirtschaft nicht<br />
unter enormen Druck? Und zu einer<br />
meiner vier unternehmerischen Kernfra-<br />
gen: «Was macht Sie stark?»<br />
David W. Syz<br />
Ich vertrete meine Überzeugungen <strong>–</strong><br />
auch starkem Lobbying gegenüber <strong>–</strong>und
25<br />
stehe <strong>für</strong> das nach reiflicher Überlegung<br />
als richtig Erkannte ein. Wir sind einver-<br />
standen, alles zu liberalisieren, ausser die<br />
Landwirtschaft. Aber <strong>für</strong> die Entwick-<br />
lungsländerist gerade dieser BereichAus-<br />
gangspunkt <strong>für</strong> eine Exportwirtschaft.<br />
Generell: Es braucht Win-Win-Situatio-<br />
nen. Wasmacht mich stark?Ich betrachte<br />
es als wesentliche Aufgabe, meine Über-<br />
zeugungen an Meinungsbildner und Ent-<br />
scheidungsträger in Politik, Wirtschaft<br />
undGesellschaftzuvermitteln,umneuen<br />
Denk- und Handlungsweisen zum Durch-<br />
bruchzuverhelfen.MeinWissengebeich<br />
an Studierendeund Nachwuchskräfte, an<br />
dieEntscheidungsträgerder Zukunftwei-<br />
David W. Syz und seine Dokumentarfilme<br />
ter: Im Jahre 2009 hatte ich hierzu auch<br />
an über 50 Schulenund Bildungsinstituti-<br />
onen Gelegenheit.<br />
Entwicklungsländer brauchen<br />
Schutz<br />
Als Gesprächsbasis zur Diskussion prä-<br />
sentierte David W. Syz den Film «Beyond<br />
a Dollar a Day. <strong>–</strong> <strong>Die</strong> unbarmherzigen<br />
Samariter». <strong>Die</strong>ser Dokumentarfilm, der<br />
sich auf Peru, Mozambique und Pakis-<br />
tan bezieht, zeigt Wege und Irrwege<br />
der Entwicklungspolitik auf.<br />
David W. Syz vermittelte einen geschicht-<br />
lichen Rückblick über die Entwicklungs-<br />
Der erste Film von David W. Syz bildet und informiert: Indem er den «Stahl-Krieg»<br />
zum Thema nimmt, zeigt er die Funktionsweise des globalisierten Handels sowie<br />
die Sackgassen, in welche die Verhandlungen und Vorgaben der Welthandelsor-<br />
ganisation (WTO) führen. David W. Syz: «Im Seco konnte ich mitverfolgen, dass<br />
sich dies <strong>für</strong> Klein- und Mittelbetriebe bis in die Schweiz ausgewirkt hatte.»<br />
Aufgrund der Risiken einer Rückkehr zum Protektionismus müssen die Schweiz<br />
und die anderen westlichen Staaten einen Solidaritätsbeweis erbringen. Hiermit<br />
wird Vertrauen geschaffen. Das wiederum befruchtet die Diskussionen innerhalb<br />
der WTO. Zurzeit glauben die Länder im Süden, dass die reichen Länder nicht<br />
bereit seien, etwas zu geben. Deshalb blockieren sie jeden Fortschritt der Doha-<br />
Runde. «Man kann nicht alles haben und nichts geben. Das ist es, was ich im Film<br />
«Stahl-Krieg» zeigen will!»<br />
Gastgeber Dr. h.c. Walter Reist (rechts)<br />
befragt Dr. David W. Syz über seinen<br />
Werdegang.<br />
politik generell: <strong>Die</strong> Länder des Südens<br />
waren 1945 fast alle noch Kolonien,<br />
ausser den «anglo-saxon Offsprings»,<br />
und verfügten über sehr tiefe Pro-Kopf-<br />
Einkommen. Nach 1963 hatte die Ent-<br />
kolonialisierung aus diesen Gebieten<br />
unabhängige Staaten gemacht, aber der<br />
Abstand zu den reichen Ländern hatte<br />
sich eher noch vergrössert. <strong>Die</strong> Schil-<br />
derung von Vorort-Situationen, belegt<br />
mit einer Vielzahl von Gesprächen mit<br />
betroffenen Menschen, auch mit Ver-<br />
antwortlichen der Handelspolitik, mit<br />
Ministern, mit Unternehmern, Delegier-<br />
ten von Nichtregierungsorganisationen<br />
(NGO) und weltweit tätigen Institutio-<br />
nen <strong>–</strong> zudem mit Kritikern der Globali-<br />
sierung <strong>–</strong> zeigt die Folgen von Fehlver-
26<br />
halten, aber auch die hoffnungsvollen<br />
Perspektiven bei wohlbedachten Vorge-<br />
hensschritten.<br />
David W. Syz: «Ich bin nach wie vor<br />
der Meinung, dass die Deregulierung<br />
und Liberalisierung des Weltmarktes<br />
richtig ist und etwas bringt. Aber die<br />
Entwicklungsländer brauchen einen<br />
gewissen Schutz, weil sie Nachholbe-<br />
darf haben. Eine übereilte und oft ego-<br />
istische Betrachtungsweise der grossen<br />
Exportnationen ist nicht in Ordnung.»<br />
Zur Globalisierung meinte er: «Es ist<br />
wichtig, dass man nicht der kapitalisti-<br />
schen Logik allein folgt. Unternehmen<br />
sind nicht mehr nur da<strong>für</strong> da, Profite<br />
<strong>für</strong> die Aktionäre zu schaffen. Vielmehr<br />
müssen diese auch Verantwortung <strong>für</strong><br />
diejenigen übernehmen, welche die<br />
Folgen ihres unternehmerischen Tuns<br />
zu spüren bekommen.» Entschuldung<br />
und Kapitaltransfers genügen nicht.<br />
Vorrangig ist es, den Einheimischen<br />
der Entwicklungsländer zum eigenen<br />
<strong>Unternehmertum</strong> zu verhelfen, dies mit-<br />
tels umfassender Bildung, Knowhow-<br />
und Technologietransfers (auch <strong>für</strong><br />
Geschäftsfelder der Zukunft, wie etwa<br />
im Umwelt- und Energiebereich), zielge-<br />
richteter Investitionen, zeitgerechter Inf-<br />
rastrukturen (Telekommunikation, Ver-<br />
kehr), angepasster Rechtsgrundlagen,<br />
Finanzierungshilfen (auch Mikrokredite!)<br />
und liberaler Rahmenbedingungen.<br />
<strong>Die</strong> unternehmerische<br />
Grundhaltung<br />
Trotz massiver Entwicklungshilfe, die in<br />
den vergangenen fünfzig Jahren geflos-<br />
sen ist, bleibt die globale Armut über-<br />
wältigend. Mehr als 1 Milliarde Men-<br />
schen leben mit weniger als 1 Dollar<br />
im Tag. <strong>Die</strong> Barmherzigkeit der Sama-<br />
riter hat wenig geholfen. «Wenn arme<br />
Länder aus eigener Kraft nachhaltigen<br />
Wohlstand schaffen sollen, müssen wir<br />
das unternehmerische Potenzial aller<br />
Bevölkerungsschichten fördern. Wenn<br />
Unternehmen in den Entwicklungs-<br />
ländern vermehrt aktiv werden sollen,<br />
muss die Rolle der Entwicklungshilfe<br />
und der Investitionen neu überdacht<br />
werden!»<br />
«Verzögerte Gerechtigkeit ist ver-<br />
weigerte Gerechtigkeit. ZurGerech-<br />
tigkeit zählt gerade eben <strong>für</strong> die<br />
Entwicklungsländer der Freiraum<br />
<strong>für</strong> eigene Strategien».<br />
Yash Tandon, Wirtschafts-<br />
wissenschafter aus Uganda<br />
<strong>Die</strong> Voten aus dem Plenum waren vielfäl-<br />
tig. Im Zentrum stand die sensitive Frage<br />
von Seiten von Christoph Vollenwei-<br />
der, die in vielen Entwicklungsländern<br />
vorherrschende Korruption betreffend.<br />
David W. Syz: «Der Kampf gegen die<br />
Korruption besteht primär <strong>–</strong> bereichs-<br />
und stufenübergreifend <strong>–</strong> in einer steten<br />
Verbesserung der Transparenz!»<br />
Dr. h.c. Walter Reist verdeutlichte als<br />
«Gedanken auf den Weg» das gerade<br />
auch <strong>für</strong> die Entwicklungsländer gel-<br />
tende unternehmerische Primat des<br />
«Schaffens von Arbeit», dies als Voraus-<br />
setzung zur menschlichen Entfaltung,<br />
somit zum Wohlergehen von Gesell-<br />
schaft und Staat. <strong>–</strong> «In diesem Sinn und<br />
Geist begleiten wir Sie, Herr Dr. Syz,<br />
auch in die Zukunft hinein.»<br />
103. <strong>Lilienberg</strong>-Gespräch vom 4. März<br />
2010 mit Dr. David W. Syz, Filmema-<br />
cher und Verwaltungsratspräsident der<br />
Huber + Suhner AG; Gastgeber und<br />
Moderation: Dr. h.c. Walter Reist, Präsi-<br />
dent des Stiftungsrates der Stiftung Lili-<br />
enberg Unternehmerforum.
27<br />
Von Wilhelm Knecht<br />
Dem <strong>Lilienberg</strong>-Engagement <strong>für</strong> die<br />
eigenständige Schweiz liegen die erar-<br />
beiteten Denkanstösse zur Erneuerung<br />
des Bundesbriefes zugrunde. Das Doku-<br />
ment «Ja zur Schweiz» wurde seit dem<br />
Jahre 1999 parteiübergreifend, in oft<br />
kontroverser Auseinandersetzung und<br />
auch mit Vertretern jüngerer Generatio-<br />
nen entwickelt. Mit dem Anlass vom 14.<br />
Januar fand die Gesprächsreihe ihren<br />
Abschluss.<br />
Dr. h.c. Walter Reist, Präsident des Stif-<br />
tungsrates der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />
nehmerforum, hiess die Anwesenden,<br />
insbesonderedie beiden Podiumsteilneh-<br />
mer, alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher,<br />
Vizepräsident der SVP Schweiz, sowie<br />
Roger Köppel, Verleger und Chefredak-<br />
tor der «Weltwoche», willkommen.<br />
Ausländische Unternehmer<br />
schätzen die Schweiz<br />
Der vorgegebene Titel «Ja zur Schweiz»<br />
wirke eigentlich etwas eigenartig, be-<br />
merkte Christoph Blocher zu Beginn sei-<br />
nes Referats. «Sollte dieses Bekenntnis<br />
nicht selbstverständlich sein?», fragte er.<br />
GESPRÄCH<br />
Ja zur eigenständigen Rechtsordnung <strong>–</strong><br />
Ja zu einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung<br />
Stets treffe erausländische Unternehmer,<br />
die ausgehend von vielfältigen internati-<br />
onalen Tätigkeiten, auch verbunden mit<br />
eigenenausländischen Produktionsstand-<br />
orten und somit mit direkten Vergleichs-<br />
möglichkeiten zuihren Niederlassungen<br />
in der Schweiz, die Vorzüge unseres Lan-<br />
des im Standort-Wettbewerb bekun-<br />
den. «Sie schätzen die schweizerische<br />
Unabhängigkeit, die Fähigkeiten unserer<br />
Arbeitskräfte, ihren Fleiss und ihre Pünkt-<br />
lichkeit, dieRechtssicherheit. Sieschätzen<br />
auch die gute Steuersituation.» Für aus-<br />
ländische Investoren biete die Schweiz<br />
ausgezeichnete Rahmenbedingungen,<br />
betonte der Vizepräsident der nationa-<br />
len SVP. «<strong>Die</strong>se Unternehmer sagen uns,<br />
dass sie gerade von der Schweiz aus ihre<br />
internationalen Aktivitäten gut lenken<br />
können. Sie ermuntern uns, die Eigen-<br />
ständigkeit zubewahren, nicht etwa der<br />
Europäischen Union (EU) beizutreten,<br />
sondern vielmehr unser Selbstbewusst-<br />
sein zu fördern und zu stärken.»<br />
Christoph Blocher warf die Frage auf,<br />
was das Besondere an der Schweiz sei.<br />
Und er beantwortete die Frage auch<br />
Von links: Alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher, Dr. h.c. Walter Reist, Gesprächs-<br />
moderator Dr. Peter Forster und Roger Köppel.
28<br />
gleich: «Unsere Verfassung aus dem<br />
Jahre 1848 und schon unser Bundes-<br />
brief aus dem Jahre 1291 haben uns<br />
Wohlstand gebracht. Wir haben 700<br />
Jahre Eigenständigkeit bewahrt und uns<br />
stets gegen fremde Richter und Obrig-<br />
keiten gewehrt. <strong>Die</strong> Bundesverfassung<br />
schützt uns nicht nur nach aussen, son-<br />
dern auch nach innen. <strong>Die</strong> Schweizer<br />
Bürger wollen selbst bestimmen.» Es sei<br />
allerdings schwierig gewesen, die Bun-<br />
desverfassung zu etablieren. Vom Aus-<br />
land <strong>–</strong> gerade auch innerhalb Europa<br />
<strong>–</strong> sei das Vorgehen der Schweiz gerügt<br />
worden. Es dürfe doch nicht sein, dass<br />
in der Schweiz «der Pöbel» regiert. «Im<br />
Ausland, eben auch in unseren Nachbar-<br />
staaten, hatte man Angst, man würde<br />
die Rechte der Schweizer Bürger auch<br />
bei ihnen einfordern. <strong>Die</strong>s wollte man<br />
unter allen Umständen verhindern.»<br />
Mit der Bundesverfassung lebe die<br />
Schweiz nun schon seit über 160 Jah-<br />
ren und die Erfahrung zeige, dass sie so<br />
falsch nicht sein kann. Christoph Blo-<br />
cher: «Unsere Bürgerinnen und Bürger<br />
können wählen, und sie können auch<br />
über Sachfragen bestimmen. Wir legen<br />
die Gesetze, die auch <strong>für</strong> die Verwal-<br />
tung zwingende Basis sind, selber fest.<br />
Der Souverän soll auch gegen innen<br />
skeptisch sein, sonst eignet sich die<br />
Obrigkeit zu viel Macht an.»<br />
<strong>Die</strong> Schweizerinnen und Schweizer ver-<br />
fügen über das Recht der Volksinitiative<br />
und des Referendums. <strong>Die</strong> grosse Stärke,<br />
somit auch der Wert der Volksabstim-<br />
mungen, liege in der direkten Demokra-<br />
tie, sagte der ehemalige Justizminister<br />
im Bundesrat. «Unsere Freiheitsrechte<br />
sind umfassend, denken wir nur an die<br />
Glaubens- und Gewissensfreiheit, an die<br />
Handels- und Gewerbefreiheit oder an<br />
die Medienfreiheit. Hinzu kommen auch<br />
die persönlichen Rechte. Sogar Vorga-<br />
ben <strong>für</strong> Steuern sind in der Bundesver-<br />
fassung verankert.» Als Beispiel nannte<br />
Christoph Blocher die Festsetzung der<br />
Mehrwertsteuer, die der Zustimmung<br />
von Volk und Ständen unterliegt. <strong>Die</strong><br />
direkte Demokratie bedeute Interventi-<br />
onismus durch das Volk, auch im Hin-<br />
blick auf das Sparen. Wichtig, so der<br />
Referent: «<strong>Die</strong> direkte Demokratie setzt<br />
freiheitliches Gedankengut und Eigen-<br />
verantwortung voraus.»<br />
Völkerrecht als Gefahr <strong>für</strong><br />
die Schweiz<br />
Man höre, vielleicht weniger vom Aus-<br />
land als von innen her, Unkenrufe,<br />
wonach sich die Schweiz in Gefahr<br />
«<strong>Die</strong> Meinung der Be<strong>für</strong>worter<br />
der EU-Mitgliedschaft, wir sollten<br />
doch gleich lange Spiesse haben,<br />
ist schon a priori falsch, denn wir<br />
wollen nicht gleich lange Spiesse,<br />
sondern längere!»<br />
Alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher<br />
befinde, legte Christoph Blocher dar.<br />
<strong>Die</strong>s sei bedenklich. «Denn wir sollten<br />
uns, im Gegensatz zu gewissen Mei-<br />
nungsbildnern, vielmehr der Vorteile<br />
der Schweiz erinnern.» Und Bezug neh-<br />
mend zum Sonderfall Schweiz: «Wir<br />
sind anders als die Anderen, doch dies<br />
ist mehrheitlich mit Stärken verbunden.<br />
Auch die Geschichte lehrt, dass wir uns<br />
seit jeher anders verhalten mussten als<br />
andere.»<strong>Die</strong> Schweizverfüge über keine<br />
Bodenschätze, sie habe keinen Zugang<br />
zum Meer und keinen eigentlichen Bin-<br />
nenmarkt. «Derartige Nachteile sind<br />
wettzumachen. <strong>Die</strong> Schweiz hat grosse<br />
Chancen, sich auch in der Zukunft zu<br />
bewähren. Voraussetzung hierzu ist das<br />
Erkennen und Bejahen unserer Werte-<br />
haltungen. Das Schweizer Volk trägt<br />
somit bei der Wahl ihrer Politikerinnen<br />
und Politiker höchste Verantwortung.»<br />
Eine der Gefahren bestehe in der Ausle-<br />
gung des Völkerrechts. «In der direkten<br />
Demokratie bestimmt die Mehrheit des<br />
Volkes. Das Völkerrecht darf die Mei-<br />
nung des Volkes nicht relativieren oder<br />
gar aushebeln.»<br />
«EU hat Demokratiedefizite»<br />
Nach Christoph Blocher trat als zwei-<br />
ter Referent Roger Köppel auf. «Ich
29<br />
hatte Zugang zu gewissen Hintergrund-<br />
gesprächen bei den Koalitionsver-<br />
handlungen der Deutschen Bundesre-<br />
gierung», sagte der Chefredaktor und<br />
Verleger der «Weltwoche» einleitend.<br />
«Beim Anhören von fünf Experten <strong>–</strong> es<br />
ging um die Kompromissfindung bei<br />
der Erhöhung der Mehrwertsteuer, dies<br />
zufolge des drastischen Finanzhaushal-<br />
tes <strong>–</strong> gab ich dem Regierungssprecher<br />
zu bedenken, dass ich die Ausführun-<br />
gen der Sachverständigen nicht verstan-<br />
den hatte.» <strong>Die</strong> Antwort des Regie-<br />
rungssprechers: «Wir trauen eben den<br />
Experten». In der Schweiz wäre sol-<br />
ches undenkbar, machte Roger Köppel<br />
klar. Gerade wegen der Komplexität<br />
von politischen und inhaltlichen Diskus-<br />
sionen sei es Pflicht, den Bürgerinnen<br />
und Bürgern gegenüber Transparenz zu<br />
schaffen. «<strong>Die</strong> EU hat Demokratiedefi-<br />
zite. Aber auch in unserem überblick-<br />
baren Staatswesen zeigt es sich, dass<br />
es schwierig ist, die Bürgerinnen und<br />
Bürger von einer durch den Mainstream<br />
der Medien herbeigeführten Meinungs-<br />
bildung abzuhalten.»<br />
«Unabhängigkeit gibt es nicht»: <strong>Die</strong>s sei<br />
noch während der Zeitspanne der Expo<br />
02 die zeitgemässe Botschaft gewe-<br />
sen <strong>–</strong> akzentuiert gar von hochrangi-<br />
gen politischen Persönlichkeiten. <strong>Die</strong><br />
Schweiz müsse sich neu, in einem enge-<br />
ren Verbund zum Ausland, positionie-<br />
ren und sich nun par tout öffnen, war<br />
die vorherrschende Meinung. Auch die<br />
Lehrinhalte der Universitäten reflektier-<br />
ten dieses Plädoyer. Vom Ausland her<br />
wurden die Angriffe gegenüber dem<br />
«Sonderfall Schweiz» deutlicher. Der<br />
Schweiz wurden Attribute wie «rück-<br />
wärts gerichtet», «nationalistisch», oder<br />
«Rosinenpicker» zuteil. Roger Köppel:<br />
«Innenpolitisch schlossen sich sogar<br />
Mitglieder des Bundesrates in gewissen<br />
Statements gegenüber dem Ausland<br />
dieser Meinung an. Vermehrt wurde <strong>–</strong><br />
auch im Zusammenhang mit Schwierig-<br />
keiten in der Regierung <strong>–</strong> etwa der Ruf<br />
zum Nachdenken über einen EU-Beitritt<br />
hörbar.»<br />
Da dränge sich der Vergleich mit dem<br />
<strong>Unternehmertum</strong> auf: Würde man auf<br />
Führungsstufe in einem Unternehmen<br />
die Rettung durch Einbindung in einen<br />
mächtigeren Apparat, zum Beispiel in<br />
einen Konzern, also mit übermächti-<br />
ger Beeinflussung von aussen, als beste<br />
Lösung erkennen? Würde man die ent-<br />
scheidenden Erfolgsfaktoren, die zur<br />
bisherigen Wohlfahrt führten. vernach-<br />
lässigen?<br />
Alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher<br />
Für Roger Köppel sind auf Staatsebene<br />
die direkte Demokratie, der Föderalis-<br />
mus und die Neutralität die wichtigsten<br />
Erfolgsfaktoren, denen die Schweize-<br />
rinnen und Schweizer die Wohlfahrt zu<br />
verdanken haben. <strong>Die</strong> direkte Demokra-<br />
tie sei in unserem Staat sozusagen das<br />
«institutionalisierte Misstrauen». «Der<br />
Souverän wünscht, von Seiten der Poli-<br />
tik soweit wie möglich in Ruhe gelassen<br />
zu werden. Der Souverän will die Macht<br />
nicht abgeben. Bei der direkten Demo-<br />
kratie setzt man sich der Auseinander-<br />
setzung aus, aber die mittels Mehrheit<br />
getroffenen Entscheide werden dann<br />
mitgetragen. Wenn Institutionen in der<br />
direkten Demokratie Verzögerungen<br />
orten, dann mag dies zum Teil begrün-<br />
det sein. Durch die Mehrheit des Volkes<br />
herbeigeführte Entscheide beflügeln<br />
indessen später die Prozesse.»<br />
Der Föderalismus fördere die Standort-<br />
vorteile zwischen den Kantonen und<br />
somit auch die Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Roger Köppel: «<strong>Die</strong> Kantone sind inno-<br />
vativ gefordert und tragen so auch<br />
zur internationalen Konkurrenzfähigkeit<br />
bei. Der Wettbewerb erstreckt sich auf
30<br />
die einzelnen Regionen. Er fordert die<br />
Eigenverantwortung. <strong>Die</strong> Schweiz zeigt<br />
sich dank der durch den Föderalismus<br />
hinzugewonnener Flexibilität auch im<br />
Rahmen der Globalisierung anpassungs-<br />
fähiger als andere Staaten.»<br />
<strong>Die</strong> Neutralität schliesslich sei nicht als<br />
geschichtslastig in Frage zu stellen.<br />
Vielmehr stelle sie <strong>für</strong> unser Land einen<br />
gewaltigen Sicherheits- und Stabilitäts-<br />
faktor dar. »Neutralität bindet Welt-<br />
offenheit nicht zurück. Im Gegenteil:<br />
Wenn wir keine Bündnisse eingehen,<br />
so ist ein Mitdenken und Mitfühlen<br />
auf allen Seiten möglich und die Hand-<br />
lungsräume bleiben offen. <strong>Die</strong>s gilt<br />
auch <strong>für</strong> das Erbringen guter <strong>Die</strong>nste»,<br />
betonte der «Weltwoche»-Chefredak-<br />
tor. Im Übrigen sei Neutralität gerade<br />
auch aus dem Blickwinkel der Wirt-<br />
schaftspolitik, somit aus der Perspek-<br />
tive des <strong>Unternehmertum</strong>s, als Vorteil<br />
zu erkennen.<br />
Finanzwelt als dritte Macht<br />
Gesprächsmoderator Dr. Peter Forster<br />
nahm in der Diskussion Bezug auf die<br />
Grundwerte der Schweiz mit christli-<br />
chem Hintergrund, das Image der<br />
Schweiz im globalen Umfeld sowie den<br />
Einsatz der Schweizer Armee im Aus-<br />
land. Christoph Vollenweider stellte eine<br />
Schlüsselfrage: «<strong>Die</strong> Schweiz charakte-<br />
risierte sich bisher, eben als Sonderfall,<br />
auch gegenüber dem Ausland mit den<br />
beiden Mächten Volk und Regierung.<br />
Inwieweit könnte nun eine dritte Macht,<br />
nämlich diejenige der Finanzwelt, hin-<br />
zukommen?» Alt Bundesrat Christoph<br />
Blocher definierte die jetzige Machtstel-<br />
lung der Banken als «too big to fail». Er<br />
vertrat dezidiert die Meinung, dass die<br />
Macht der Finanzwelt beziehungsweise<br />
jene der Banken nun einer neuen Kont-<br />
rollfähigkeit bedürfe.<br />
Ausserordentliches Gespräch «Ja zur<br />
Schweiz»; Nr. 16 vom 14. Januar 2010<br />
Roger Köppel<br />
«Ja zur eigenständigen Rechtsord-<br />
nung <strong>–</strong> Ja zu einer freiheitlichen Wirt-<br />
schaftsordnung» mit alt Bundesrat Dr.<br />
Christoph Blocher, Vizepräsident SVP<br />
Schweiz, Herrliberg und Roger Köppel,<br />
Verleger und Chefredaktor «Weltwo-<br />
che», Zürich; Gastgeber: Dr. h.c. Walter<br />
Reist; Moderation: Dr. Peter Forster.<br />
«Wenn die EU die Schweiz als Son-<br />
derfall bezeichnet, so sollten wir<br />
dies aus unserer Perspektive nicht<br />
als Nachteil, sondern als Vorteil<br />
werten, etwa mit der Genugtu-<br />
ung, dass wir als Sonderfall ‹mehr<br />
Bodennähe› haben dürfen, als die<br />
von oben kontrollierten Mitglied-<br />
staaten der EU».<br />
Roger Köppel
31<br />
Von Wilhelm Knecht<br />
Im Rahmen der Gesprächsreihe «Unsere<br />
Armee braucht stärkeren politisch-<br />
finanziellen Rückhalt» kamen am 23.<br />
Februar Ständerat Dr. Hermann Bürgi<br />
und Korpskommandant André Blatt-<br />
mann, Chef der Armee, zu Wort. <strong>Die</strong><br />
Stabilisierung und Fortentwicklung der<br />
Armee setzt eine Konsensfindung zwi-<br />
schen Politik und Armee voraus.<br />
Als ersten Referenten hiess der Modera-<br />
tor Dr. Peter Forster Ständerat Dr. Her-<br />
mann Bürgi, Mitglied der Sicherheits-<br />
politischen Kommission, willkommen.<br />
<strong>Die</strong> Armee habe in den vergangenen<br />
zwanzig Jahren, seit der Auflösung des<br />
Warschauer Paktes im Jahre 1991, an<br />
Rückhalt verloren, dies sowohl in der<br />
«Zur Eigenständigkeit der Schweiz<br />
gehören aus unserem Selbstver-<br />
ständnis heraus effiziente Instru-<br />
mente zur Gewährleistung der<br />
Sicherheit unseres Landes und<br />
damit eine glaubwürdige Armee.»<br />
Christoph Vollenweider<br />
Gesellschaft als auch in der Politik. «Fakt<br />
ist, dass heute Aufträge und Ressour-<br />
cen nicht mehr übereinstimmen.» Vieles<br />
in der Armee stimme zwar. <strong>Die</strong> Armee<br />
funktioniere, dort, wo sie «praktiziert»<br />
wird, also vor allem auf den unteren Stu-<br />
fen und in den Schulen gut. «Ich meine<br />
sogar, dass die Armee, im Vergleich zu<br />
meiner eigenen Militärdienstzeit heute<br />
viel grössere Fähigkeiten hat», so Her-<br />
mann Bürgi.<br />
GESPRÄCH<br />
Schweizer armee: auftrag und Ressourcen<br />
müssen übereinstimmen<br />
Um die Defizite und damit die Heraus-<br />
forderungen der Armee zu erkennen,<br />
müssten die neusten Berichte wahrge-<br />
nommen werden. Hermann Bürgi erin-<br />
nerte an die Analysen im Jahre 2009.<br />
Es wurden damals 51 Massnahmen auf-<br />
gelistet. Deren Umsetzung bedarf nun<br />
eines Controllings. «Bei beschlossenen,<br />
aber nicht durchgeführten Aufgaben<br />
stellen wir sowohl an den Chef der<br />
Armee wie an den Chef VBS unsere<br />
Fragen.» <strong>Die</strong> Liste wurde auch im Inter-<br />
net veröffentlicht. <strong>Die</strong>s zeigt, dass die<br />
Armeeführung besorgt ist und auch bei<br />
den Stimmbürgerinnen und Stimmbür-<br />
gern Transparenz schaffen will.<br />
<strong>Die</strong> Armee befindet sich in einem Trans-<br />
formationsprozess. Ständerat Hermann<br />
Bürgi: «Wir stehen noch in der Struk-<br />
turierung der Armee XXI. Es ist dies die<br />
in der Schweiz bisher grösste Armeere-<br />
form.» Sie sei noch nicht abgeschlossen.<br />
Sie betreffe auch die Führungsstruktu-<br />
ren. <strong>Die</strong> Chargen seien zum Teil nicht<br />
besetzt, es fehle an Personal und an<br />
Know-how. <strong>Die</strong> Kaderbestände seien<br />
ungenügend, was auch Mängel in der<br />
Ausbildung zur Folge habe. Bei den ein-<br />
zelnen Chargen fehle die Führungser-<br />
fahrung. «Es bestehen auch Defizite in<br />
der Logisitk: <strong>Die</strong> Logistikbasis der Armee<br />
funktioniert zum Teil nicht», sprach Her-<br />
mann Bürgi Klartext.<br />
Budget seit 1985 um 45 Prozent<br />
gesenkt<br />
<strong>Die</strong> Ressourcen und die Aufträge<br />
stimmten laut dem Referenten nicht<br />
überein. «<strong>Die</strong> Finanzlage stimmt<br />
nicht.» Zur Erinnerung: Seit 1985 wur-<br />
den die Budgets <strong>–</strong>inflations-bereinigt,<br />
also ohne Teuerung <strong>–</strong> um 45 Pro-<br />
zent gesenkt. Und auch später wurden<br />
vom Parlament neue Sparmassnahmen
32<br />
zulasten der Armee beschlossen. In<br />
den Medien suche man nun die Schul-<br />
digen, etwa mit der kritischen Frage:<br />
«Was hat man mit unserer Armee<br />
gemacht?» Mit einem jährlichen Bud-<br />
get von unter 4 Milliarden Franken<br />
befindet sich die Schweizer Armee am<br />
Ende der Skala vergleichbarer europäi-<br />
scher Staaten.<br />
<strong>Die</strong>se Ausgangslage rufe nach Konse-<br />
quenzen, nach «Aufräumen der Miss-<br />
stände». Zu beachten ist dabei: Zwei<br />
Drittel der Ausgaben fallen heute<br />
auf die Betriebskosten, <strong>für</strong> Investitio-<br />
nen bleibt nur noch ein Drittel übrig.<br />
<strong>Die</strong> neue Technologie ist weiterhin<br />
mit hohen Betriebskosten verbunden.<br />
Genügende Rüstungsprogramme sind<br />
kaum mehr realisierbar. <strong>Die</strong> Konse-<br />
quenz: <strong>Die</strong> Bereitschaft unserer Armee<br />
ist <strong>–</strong>inBezug auf das Material <strong>–</strong>nicht<br />
mehr gewährleistet.<br />
Reduktion der Bestände droht<br />
Zu den notwendigen Ressourcen der<br />
Armee zählen indessen auch die perso-<br />
nellen Bestände. Jetzt, im Jahre 2010,<br />
sind wir bereits in der Zwangslage, die<br />
Bestände zu reduzieren. Konkret heisst<br />
dies, dass bei den 20 Infanterie-Batail-<br />
lonen die Personalbestände abgebaut<br />
werden müssen <strong>–</strong> dies hauptsächlich<br />
wegen der demografischen Entwick-<br />
lung <strong>–</strong> mit weiteren Folgen wie Mangel<br />
an Kadernachwuchs und an Berufsmi-<br />
litär. «Parallel hierzu stellen wir fest,<br />
dass viele junge Schweiter den Zivil-<br />
dienst gegenüber dem Militärdienst<br />
bevorzugen», bedauerte Ständerat Her-<br />
mann Bürgi. «So wie die Armee heute<br />
strukturiert ist, können wir personell<br />
<strong>–</strong> schon mittelfristig bedacht <strong>–</strong> nicht<br />
mithalten.» <strong>Die</strong> Aufträge seien, somit<br />
auch wegen zunehmend kleiner wer-<br />
denden Bestände, mit den Ressourcen<br />
nicht mehr im Gleichgewicht.<br />
Warten auf Sicherheitspolitischen<br />
Bericht<br />
Unsere Bundesverfassung und das Mili-<br />
tärgesetz werden eigentlich missachtet.<br />
Der Handlungsbedarf wurde schon an<br />
früheren armeebezogenen <strong>Lilienberg</strong>-<br />
Anlässen aufgezeigt.Heute istdie Armee<br />
aus dem Blickwinkel der gesamten<br />
Sicherheitspolitik «gefährlich unterfinan-<br />
ziert» Als erster Schritt dränge sich laut<br />
Hermann Bürgi auf, dass sich die Politik<br />
dieses Problems bewusst wird, denn im<br />
Laufe der vergangenen zehn Jahre habe<br />
sich die Mehrheit der Politikerinnen und<br />
Politikernicht odernur am Randemit der<br />
Armee befasst. <strong>Die</strong> Politik habe die Rea-<br />
Ständerat Dr. Hermann Bürgi hat<br />
seine persönlichen Überzeugun-<br />
gen und Auffassungen auch in der<br />
<strong>Lilienberg</strong>schrift Nr. 24, «Ja zur<br />
Armee», Edition 2009, dargelegt,<br />
dies im Sonderbeitrag «Armeere-<br />
formen im politischen Prozess».<br />
lität verdrängt. «Bereits imJahre 2003<br />
habenwir,hierauf <strong>Lilienberg</strong>, zusammen<br />
mit Korpskommandant Ulrico Hess, fest-<br />
gestellt, dass die Schmerzgrenze erreicht<br />
ist. Von Seiten der Politik sind nun Vor-<br />
stösse erforderlich und es ist höchste<br />
Zeit, der Öffentlichkeit die Augen zuöff-<br />
nen <strong>–</strong>auch umdie Sicherheit als einer<br />
der Standortvorteile unseres Landes auf-<br />
rechtzuerhalten.» Erwartet werde der<br />
umfassend aufbereitete Sicherheitspoliti-<br />
sche Bericht, verbunden mit einer klaren<br />
Bedrohungsanalyse, umdaraus den Auf-<br />
trag an die Armee abzuleiten. «Hierbei<br />
muss die Autonomie der Verteidigung<br />
mitbedacht werden.»<br />
«Sicherheit ist keine<br />
Selbstvertändlichkeit»<br />
«Es sind noch keine dreissig Jahre her,<br />
als von Seiten fremder Armeen noch<br />
Angriffspläne auf die Schweiz exisitier-<br />
ten», sagte Korpskommandant André<br />
Blattmann, der Chef der Armee, zu<br />
Beginn seines Referats. Niemand wisse,<br />
wie sich die Lage global entwickelt.<br />
<strong>Die</strong> der Armee übertragenen Aufga-<br />
ben müssten mit den Ressourcen in<br />
einem Gleichgewicht stehen, betonte<br />
der Armeechef. «<strong>Die</strong> Debatten <strong>–</strong> insbe-<br />
sondere in den Sicherheitspolitischen
33<br />
Kommissionen <strong>–</strong> sind dringend. <strong>Die</strong> fol-<br />
genden Entschlüsse sollten womöglich<br />
in einen Bundesbeschluss münden, um<br />
so die Verbindlichkeiten gesetzlich zu<br />
verankern.»<br />
Viele Bedrohungen sind denkbar<br />
<strong>Die</strong> möglichen Gefahren und Bedro-<br />
hungen <strong>für</strong> die Schweiz seien sehr<br />
unterschiedlich. André Blattmann: «Wir<br />
kennen die Katastrophenfälle und die<br />
Ereignisse, bei denen umgehend die<br />
Armee angefordert wird. Zu den Bedro-<br />
hungsszenarien zählen auch Entwick-<br />
lungen in Bezug auf die Einwanderung<br />
von Ausländern sowie der Kampf um<br />
Ressourcen wie Wasser, Rohstoffe und<br />
Energie. Auf der Liste der möglichen<br />
Bedrohungen stehen im weiteren Terro-<br />
rismus, religiöser Extremismus, Weiter-<br />
verbreitung und Weitergabe von Mas-<br />
senvernichtungswaffen, Cyber Warfare<br />
Hinwiler unter sich. Von links: Gemeindepräsident Walter Bachofen, Dr. h.c. Walter<br />
Reist und Korpskommandant André Blattmann, Chef der Armee.<br />
und hiermit verbunden die Spionage<br />
mittels Hacking.» Ein Lahmlegen von<br />
Computernetzwerken stelle die Füh-<br />
rungsfähigkeit in Frage. «Kriege finden<br />
heute auch im und via Internet statt. <strong>Die</strong><br />
Armee muss diesbezüglich Eigenstän-<br />
digkeit bewahren.»<br />
Für André Blattmann stellt sich die zen-<br />
trale Frage: «Befinden wir uns auf dem<br />
Weg von der Bedrohungs- zur Ressour-<br />
cenorientierung?» Seine Antwort: «Ja,<br />
schon seit längerem. Bereits die Armee<br />
XXI und der Entwicklungsschritt 08/11<br />
bezeugen dies. Unsere heutige Armee<br />
stellt sozusagen eine Mischung zwi-<br />
schen Bedrohungs- und Fähigkeitsori-<br />
entierung dar.» Schon von den Infan-<br />
terie Bataillonen her, abgeleitet von<br />
den wahrscheinlichsten Bedrohungs-<br />
lagen mit Unterstützung der zivilen<br />
Behörden, sei erkennbar, dass die Fähig-<br />
keitsorientierung wesentlich durch die<br />
Ressourcen gesteuert wird.<br />
Schutz von Land und Leuten<br />
Welches sind die wichtigsten Aufga-<br />
ben der Armee? Sie habe vorrangig den<br />
«courant normal», oder eine möglichst<br />
rasche Rückkehr dazu nach Aufhebung<br />
des Normalzustandes, zu gewährleis-<br />
ten, so André Blattmann. <strong>Die</strong>s bein-
<strong>Die</strong> Referate von Ständerat Dr. Hermann Bürgi und Armeechef André Blattmann lockten auch viele Militär-Kaderleute auf <strong>Lilienberg</strong>.<br />
halte die Unterstützung der zivilen<br />
Behörden imInland, etwa inBezug auf<br />
Schutz wichtiger Objekte und Räume,<br />
das Offenhalten von Transversalen, die<br />
Betriebssicherheit der Wirtschaft und<br />
den Zugang zu Schulen. «Vor allem gilt<br />
es, die Führungsfähigkeit von Bund,<br />
Kantonen <strong>–</strong>und der Armee selbst <strong>–</strong>zu<br />
sichern.»<br />
Der Auftrag der Armee beinhaltet den<br />
Schutz von Land und Leuten, bis hin<br />
zur Landes-Verteidigung. <strong>Die</strong> Aufgaben<br />
seien stets sehr personalintensiv. Allein<br />
schon <strong>für</strong> den Einsatz an den wichtigs-<br />
ten Objekten entlang der Achse der A2<br />
(Kernkraftwerke, Hauptbahnhöfe, Post-<br />
verteilzentren) wären 30000 Armeean-<br />
gehörige nötig. Auch die Katastrophen-<br />
hilfe setzt eine permanente Bereitschaft<br />
von Truppenteilen voraus. Ausserhalb<br />
der Armee ist hierzu niemand in der<br />
Lage. Im weiteren geht der Chef der<br />
Armee davon aus, dass die Blaulicht-<br />
organisationen, also insbesondere die<br />
Polizei, bei den jetzigen Beständen nach<br />
40 Stunden <strong>für</strong> autonome Einsätze<br />
überfordert sind.<br />
Und zu den Beiträgen unserer Armee zur<br />
Friedensförderung im Ausland, meinte<br />
André Blattmann: «<strong>Die</strong> Vorgaben sei-<br />
tens der Politik sind festgelegt. Es gibt<br />
einen direkten Bezug zu den Interessen<br />
der Schweiz. Von Seiten internationaler<br />
Institutionen kommt uns <strong>für</strong> diese Ein-<br />
sätze hohe Anerkennung zuteil.»<br />
<strong>Die</strong> Armee bedeutet eine Investition in<br />
die Sicherheit unseres Landes. Der Ver-<br />
gleich zu einer nationalen Versicherung<br />
drängt sich auf: Je tiefer die Prämie,<br />
desto höher das Risiko beziehungsweise<br />
der Selbstbehalt. Das Verteidigungsbud-<br />
get befindet sich im stetigen Sinkflug.<br />
Es war im vergangenen Jahr 40 Prozent<br />
kleiner als im Jahre 1990 und umfasst<br />
heute noch 0,8 Prozent des Brutto-<br />
Inlandsprodukts (BIP).<br />
«<strong>Die</strong> Stabilität unserer Armee ist gefähr-<br />
det», warnte Korpskommandant André<br />
Blattmann. Es seien nur noch wenige<br />
Bataillone voll ausgerüstet, insbesondere<br />
unter Beachtung, dass gleichzeitig auch<br />
Schulen <strong>–</strong>mit entsprechender Material-<br />
zuteilung <strong>–</strong>laufen. <strong>Die</strong> Glaubwürdigkeit<br />
gegenüber den Angehörigen der Armee<br />
und damit gegenüber der Miliz werde<br />
unterlaufen. «<strong>Die</strong> Armee muss als Gan-<br />
zes Aufträge erfüllen können, man kann<br />
nicht Mosaiksteine herauslösen, sonst ist<br />
das Gesamtsystem in Frage gestellt.»<br />
Bedrohungslagen liessen sich nicht von<br />
den verfügbaren Ressourcen her defi-<br />
nieren. «Zu beachten ist zudem, dass<br />
Planungsschritteder Armee(dazu zählen<br />
auch Rüstungsmittel) eine Umsetzung<br />
vonfünfbis sechs Jahrenerfordern.Klare
35<br />
Vorgaben seitens der Politik sind unab-<br />
dingbar. <strong>Die</strong>se setzen auch Entschlüsse<br />
bezüglichdes Ausmasses undder Artder<br />
Gewährleistung der Verteidigungskom-<br />
petenz voraus.»<br />
«Ich stehe hinter dem Miliz-Prinzip»<br />
Das Miliz-Prinzip entspreche unserer<br />
Denkhaltung, auch der Selbstverant-<br />
wortung. «Es bietet qualifizierte Miliz-<br />
soldaten und -kader, ebenso mass-<br />
geschneiderte Aufgebote. Und zudem<br />
beinhaltet es eine wesentliche soziale<br />
Funktion und fördert den Zusammen-<br />
halt. In der Schweiz gibt es keine Alter-<br />
native dazu. Der Chef Armee: «Ich stehe<br />
vorbehaltlos hinter dem Miliz-Prinzip.»<br />
In der anschliessenden Plenumsdiskus-<br />
sion nahm Moderator Peter Forster zahl-<br />
reiche Wortmeldungen entgegen. Im<br />
Vordergrund standen zentrale Fragen<br />
wie «Sicherheit durch Kooperation»<br />
oder eben «Nicht-Kooperation», die<br />
demographische Entwicklung und deren<br />
Folgen auf die personellen Bestände,<br />
Sinn und Art der Auslandeinsätze sowie<br />
der Tiger Teil-Ersatz (TTE). Als vorrangig<br />
wurde der auf das Frühjahr 2010 zur<br />
Definition des Armeeauftrages erwar-<br />
tete neue Sicherheitspolitische Bericht<br />
bezeichnet. «Es liegt dringend in unse-<br />
rem Staatsinteresse», so Peter Forster,<br />
«dass im Eidgenössischen Parlament<br />
durch die Rechts- und Mitteparteien die<br />
Mehrheit gesichert wird, um der fort-<br />
schrittlichen Weiterentwicklung unserer<br />
Armee zuzustimmen.»<br />
Zum Abschluss sagte Christoph Vollen-<br />
weider: «Es gilt stets, die Ergebnisse der<br />
<strong>Lilienberg</strong>-Anlässe den politisch Verant-<br />
wortlichen weiterzuvermitteln. Ebenso<br />
wichtig ist es nun, dass die Impulse<br />
<strong>für</strong> eine starke, glaubwürdige Armee,<br />
auch unter dem Aspekt der Förderung<br />
der Sicherheit <strong>für</strong> den Wirtschaftsstand-<br />
ort der Schweiz, durch die Teilnehmen-<br />
den in ihren Beziehungskreisen verstärkt<br />
werden.»<br />
22. Ausserordentliches Gespräch «Ar-<br />
mee» vom 23. Februar 2010 «Unsere<br />
Armee braucht stärkeren politisch-<br />
finanziellen Rückhalt. Aufträge und Res-<br />
sourcen müssen übereinstimmen» mit<br />
Ständerat Dr. Hermann Bürgi und Korps-<br />
kommandant André Blattmann, Chef<br />
der Armee; Gastgeber: Dr. h.c. Walter<br />
Reist, Präsident des Stiftungsrates der<br />
Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum;<br />
Moderation: Dr. Peter Forster.
36<br />
Von Carmen Andrea Reidt<br />
In Zeiten der Wirtschaftskrise und der<br />
hohen Bonusauszahlungen werden die<br />
Stimmen laut, die sich <strong>für</strong> mehr Gerech-<br />
tigkeit und Ethik einsetzen. Ist das bloss<br />
ein Trend oder wird Ethik im Unterneh-<br />
men Einzug halten? Eine von vielen<br />
Fragen, die an der Tagung und einem<br />
Ausserordentlichen Gespräch des Akti-<br />
onsfeldes Unternehmenskultur & Unter-<br />
nehmensethik diskutiert wurden.<br />
Was ist Ethik? Wie steht sie im Zusam-<br />
menhang mit der Unternehmenskultur?<br />
Rendite versus Moral? Und: Lohnt sich<br />
das? Oder anders gefragt: muss es sich<br />
überhaupt lohnen?<br />
PD Dr. theol. Stefan Grotefeld und<br />
Damian Henzi versuchen das Thema aus<br />
unterschiedlichen Perspektiven anzu-<br />
gehen, erfuhren die Teilnehmenden<br />
der <strong>Lilienberg</strong>-Tagung vom 10. März.<br />
Stefan Grotefeld, Leiter der Fachstelle<br />
Kirche & Wirtschaft, nähert sich dem<br />
Thema über einen wissenschaftlichen<br />
Ansatz. Damian Henzi, CEO der Hoch-<br />
dorf Holding AG, bringt seine praktische<br />
Sichtweise mit ein. Im Vordergrund ste-<br />
hen die Auseinandersetzung mit dem<br />
Thema und der vorläufige Abschluss des<br />
Zyklus Unternehmenskultur & Unter-<br />
nehmensethik.<br />
Vier Einwände <strong>–</strong> Wirtschaftsethik ist…<br />
•unmoralisch (Marktwirtschaft nötigt zu marktkonformem Verhalten, Eigeninte-<br />
resse/Moral kommen in Konflikt)<br />
•paramoralisch (Wirtschaft hat eigene Sonder-Moral, die Alltagsmoral wird<br />
übertrumpft)<br />
•amoralisch (Wirtschaft und Moral sind zwei Subsysteme mit eigenen Gesetzen)<br />
•moralisch (Markt sorgt <strong>für</strong> Effizienz/gerechte Verteilung)<br />
Unternehmensethik <strong>–</strong> zwei Ansätze:<br />
•Ökonomik als bessere Ethik (Homann)<br />
Moral über Regulierung (Marktwirtschaft), unterscheiden zwischen Spielregeln<br />
(Moral) und Spielzügen (Wettbewerb)<br />
•Republikanische Unternehmensethik (Steinmann & Löhr)<br />
Verantwortung bei Res Publica (Friedensvorbehalt), Subsidiarität aus Effizienz-<br />
gründen.<br />
GESPRÄCH<br />
Ethik soll im Unternehmen<br />
Einzug halten<br />
Mehrwert Ethik <strong>für</strong> die Wirtschaft<br />
«Ethik und Unternehmenskultur: Reflek-<br />
tion über Moral. Wer setzt die Mass-<br />
Damian Henzi<br />
stäbe?», fragte Moderator <strong>Die</strong>trich Pes-<br />
talozzi in seiner Einführung. «Ethisches<br />
Handeln ist nur mit entsprechender Kul-<br />
tur möglich und kann nicht nur regula-<br />
torisch erfolgen», sagte er.<br />
In seinem Impulsreferat zeigte Ste-<br />
fan Grotefeld auf, wie sich die beiden<br />
Lebensbereiche Ethik und Wirtschaft<br />
zueinander verhalten. Er erläuterte den<br />
Mehrwert Ethik <strong>für</strong> die Wirtschaft und<br />
damit auch <strong>für</strong> die Unternehmen.<br />
Stefan Grotefeld
37<br />
Ethik-Management-Vorschläge seien<br />
zahlreich, so der Referent. «Entschei-<br />
dend ist aber nicht das Volumen, son-<br />
dern dieUmsetzung.Wichtig dazu sind:<br />
Wertediskussion (Wertekodex), Ver-<br />
antwortlichkeit/Vorleben auf höchster<br />
Stufe, Glaubwürdigkeit, Integrität und<br />
Intensität.»<br />
Ethik-Mehrwert, der schwer messbar<br />
ist, ergebe sich aus dem Reputations-<br />
gewinn, zufriedenen Mitarbeitern, Prä-<br />
vention gegen das staatliche Eingreifen<br />
und der Investition in das Umfeld. Meist<br />
bewirke Ethik weder finanziellen Nutzen<br />
noch Schaden. Es gebe jedoch Unter-<br />
nehmen, <strong>für</strong> die Ethik essentiell ist (zum<br />
Beispiel Corporate Social Responsibility<br />
ist Strategie/Identität, hohe Visibilität).<br />
Ethik soll nicht aus finanziellen Gründen<br />
erfolgen, sondern «because it`s the right<br />
thing to do», hielt Stefan Grotefeld fest.<br />
Sinnorientiertes<br />
Unternehmensleitbild<br />
«<strong>Die</strong> Hochdorf-Gruppe entwickelt sich,<br />
auch aufgrund der ethischen Unterneh-<br />
mensführung, gut», freute sich CEO<br />
Damian Henzi als weiterer Referent der<br />
Tagung und des Ausserordentlichen<br />
Gesprächs. Ein sinn- und wertorientier-<br />
tes Unternehmensleitbild stehe dabei im<br />
Zentrum, die Best Partner Vision sei der<br />
Leitstern. <strong>Die</strong> langjährige Tradition und<br />
die zugrundeliegenden Werte bildeten<br />
die Basis.<br />
<strong>Die</strong> Umsetzung des Leitbildes werde in<br />
der ethischen Verantwortung gegen-<br />
über den Stakeholdern ersichtlich.<br />
Wichtige Aspekte <strong>für</strong> Damian Henzi<br />
sind:<br />
•<strong>Die</strong> Wirtschaftskrise ist im Kern eine<br />
Wertekrise.<br />
•Welche Welt wollen wir? Ist die Wirt-<br />
schaft <strong>für</strong> den Menschen da oder<br />
umgekehrt?<br />
•Nachhaltiges Wirtschaften ist nur über<br />
ethisches <strong>Unternehmertum</strong> erreichbar.<br />
•Haltung prägt Handlung.<br />
•«Handle nur nach derjenigen Maxime,<br />
durch die du zugleich wollen kannst,<br />
dass sie ein allgemeines Gesetz<br />
werde.» (Immanuel Kant, Kategori-<br />
scher Imperativ)<br />
•Neun Gebote des Managers (Kodex),<br />
nicht Shareholdervalue sondern Maxi-<br />
mierung aller Stakeholder ist erstre-<br />
benswert.<br />
Lohnfragen sind laut Damian Henzi<br />
moralisch relevante Fragen (Individual-<br />
PD Dr. theol. Stefan Grotefeld<br />
ethik/Mikroebene, Verantwortung ist<br />
beim Individuum). Daneben gibt es die<br />
Makroebene (Ordnungsebene, Indiz<br />
eines Mangels), die Metaebene (Refle-<br />
xion über Sprache) und die Mesoebene<br />
(Unternehmensstufe) der Ethik.<br />
Schliesslich sei Unternehmensethik ein<br />
dauernder Prozess und Kampf, der viel<br />
Einsatz erfordert. «Dabei ist es wich-<br />
tig, Unternehmenswerte zum Leben zu<br />
erwecken. Ethik kann sich aber auch im<br />
Verhalten äussern, es geht nicht bloss<br />
um eine schwarz/weiss Entscheidung,<br />
sondern um das vertretbare Mass, das<br />
gefunden werden muss.»<br />
Zyklus «<strong>Die</strong> Wirkung der Unternehmens-<br />
kultur verstärken <strong>–</strong> ganz praktisch»; Lili-<br />
enberg-Tagung und Ausserordentliches<br />
Gespräch vom 10. März 2010 «Mehr-<br />
wert Ethik» mit PD Dr. Stefan Grotefeld,<br />
Leiter Fachstelle Kirche & Wirtschaft,<br />
evangelisch-reformierte Landeskirche<br />
des Kantons Zürich, und Damian Henzi,<br />
CEO Hochdorf Holding AG, Hochdorf;<br />
Gastgeberin: Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />
nehmerforum, begleitet durch Dr. And-<br />
reas Jäggi, Mitglied des <strong>Lilienberg</strong>rats;<br />
Moderation: <strong>Die</strong>trich Pestalozzi und<br />
Michel Grunder (Aktionsfeld Unterneh-<br />
menskultur und Unternehmensethik).
38<br />
Von Michel Grunder<br />
2009 war <strong>für</strong> den Industriesektor ein<br />
anspruchsvolles Jahr. Global wurde die<br />
stärkste Rezession seit 70 Jahren ver-<br />
zeichnet. Zusätzlich wurde die Schwei-<br />
zer Exportindustrie durch einen star-<br />
ken Franken gehemmt. Der Umsatz des<br />
Industriekonzerns Georg Fischer ist im<br />
Zuge der Wirtschaftskrise Mitte 2009<br />
im Vorjahresvergleich um 38 Prozent<br />
eingebrochen, was Sparmassnahmen<br />
nötig machte.<br />
Dr. Stephan Wittmann, Leiter Human<br />
Resources beim Schweizer Industrie-<br />
konzern Georg Fischer (GF), erläuterte<br />
im Rahmen des <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquiums<br />
«Ethisch fundiertes Management inder<br />
Praxis» die Massnahmen des Konzerns<br />
zur Reduktion der Personalkosten <strong>–</strong>bei-<br />
spielsweise Kurzarbeit oder strukturelle<br />
Anpassungen der Personalkapazität.<br />
Weil die Personalausgaben umrund 25<br />
Prozentgesenkt werdenmussten,leitete<br />
das Sparprogramm <strong>für</strong> alle Mitarbeiten-<br />
den von GF eine anspruchsvolle Zeit ein.<br />
Laut StephanWittmannstiessdiese Stra-<br />
tegie dennoch auf Akzeptanz. Entschei-<br />
GESPRÄCH<br />
Wertschätzung und Respekt<br />
sind keine Worthülsen<br />
dend da<strong>für</strong> waren zwei Gründe. Zum<br />
einenseien dieGrundwerte desHuman-<br />
Resources-Managements wie «Wert-<br />
schätzung»und «Vertrauen»keine Wor-<br />
thülsen, sondern feste Ankerpunkte in<br />
der Unternehmenskultur von GF. Von<br />
der sukzessive aufgebauten Vertrauens-<br />
basis und vom gegenseitigen Respekt<br />
habe das Unternehmen in der Krise pro-<br />
fitiert, so der Referent. Zweitens habe<br />
auch das Management seinen Beitrag<br />
zur Problemlösung leisten müssen. «<strong>Die</strong><br />
weltweit 280 obersten Führungskräfte<br />
haben freiwillig auf 10 Prozent <strong>–</strong> der<br />
CEOsogar auf20Prozent <strong>–</strong>des Monats-<br />
salärs verzichtet, und sie mussten auf-<br />
grund der wirtschaftlichen Lage zudem<br />
starkeEinbussen beiden variablen Lohn-<br />
bestandteile hinnehmen», sagte Ste-<br />
phan Wittmann. Auch der Verwaltungs-<br />
rat verzichtete auf 10 Prozent seiner<br />
Barentschädigung. <strong>Die</strong>ses Signal aus der<br />
Führungsetage habe die Akzeptanz <strong>für</strong><br />
und das Vertrauen indie Entscheide der<br />
Konzernleitung gestärkt.<br />
Im Zuge der Wirtschaftskrise wurden<br />
nicht nur Personal- und Lohnmassnah-<br />
Anregende Gespräche auch in der<br />
Pause: Dr. Stephan Wittmann (links)<br />
diskutieret mit den Teilnehmern<br />
des Kolloquiums.<br />
men bei GF, sondern Management-Ver-<br />
gütungen insgesamt stark thematisiert.<br />
«Löhne explodieren ins Exorbitante»<br />
oder «egoistische Abzocker mit irrwit-<br />
zigen Gehältern» titelten die Medien. Im<br />
Zentrum der Gruppendiskussion stan-<br />
den die beiden Fragen: «Wie lässt sich<br />
dieseDebatte versachlichen undlässt sie<br />
sich auf ethischem Terrain ausfechten?»<br />
<strong>Die</strong> Teilnehmenden waren sich einig, dass<br />
die öffentliche Diskussion zu wenig dif-<br />
ferenziert geführt werde, auf dem sub-<br />
jektiven Gerechtigkeitsempfinden ein-<br />
zelner Personen basiere und durch we-<br />
nige exzessive Beispiele jeweils neuen<br />
Aufwind erhalte.<br />
Ansprüche an die Fachkompetenz<br />
Auf dem Weg hin zu mehr Salärgerech-<br />
tigkeit stellte Stephan Wittmann drei<br />
Lösungsansätze zur Diskussion, die im<br />
Plenum auf positive Resonanz stiessen.<br />
Erstens müsse die Professionalisierung<br />
der Compensation Committees voran-
39<br />
getrieben werden. «Das stellt Ansprü-<br />
che an die Fachkompetenz der einzelnen<br />
Mitglieder und macht den Beizug von<br />
Fachexperten unausweichlich.» Zwei-<br />
tens müsse das Ethos der Human-<br />
Resources- Verantwortlichen gefördert<br />
werden. «Denn sie müssen der Selbst-<br />
bedienungsmentalität entgegentreten<br />
können, und sie sind Mittler im Pro-<br />
zess des fairen Interessensausgleichs<br />
über Saläransprüche.» Und drittens, so<br />
Stephan Wittmann, müssten Top-Kader<br />
ihre moralische Verantwortung wahr-<br />
nehmen. «Ohne moralische Anstren-<br />
gung und Tugenden wie «Bescheiden-<br />
heit» ist Salärgerechtigkeit eine Utopie.»<br />
Zyklus «Sinn und Ethik im Unterneh-<br />
mertum»; <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom<br />
28. Januar 2010 «Ethisch fundiertes<br />
Management in der Praxis» mit Dr. Ste-<br />
phan Wittmann, Leiter Human Resources<br />
Konzern, Georg Fischer AG, Schaffhau-<br />
sen; Moderation: Michel Grunder (Akti-<br />
onsfeld Unternehmenskultur &-ethik).<br />
GESPRÄCH<br />
Von Stefan Bachofen<br />
agrarfreihandel in Frage gestellt<br />
Bundesrat und Parlament sollen die Pläne<br />
<strong>für</strong>den Agrarfreihandelbegraben.Solau-<br />
tetdas einhellige Fazitder Teilnehmenden<br />
des ersten Kolloquiums im <strong>Lilienberg</strong>-Zyk-<br />
lus «Offensivstrategie <strong>für</strong> die Ernährungs-<br />
wirtschaft <strong>–</strong>eine ganzheitliche Landwirt-<br />
schaftspolitik der Schweiz». <strong>Die</strong> Meinung<br />
der bäuerlichen Klientel ist klar: Unter-<br />
zeichnet die Schweiz das Abkommen mit<br />
der EU<strong>für</strong> eine Liberalisierung des Agrar-<br />
handels, verschärft sich das Bauernster-<br />
ben in unseremLanddramatisch.<br />
Fakt ist: <strong>Die</strong> offizielle Schweizer Politik,<br />
hier verkörpert von Bundespräsidentin<br />
Doris Leuthard, unter anderem Land-<br />
wirtschaftsministerin, strebt ein Abkom-<br />
men mit der Europäischen Union (EU)<br />
<strong>für</strong> einen Agrarfreihandel an. <strong>Die</strong>ses soll,<br />
so die Begründung aus Bundesbern, der<br />
Schweizer Landwirtschaft neue Absatz-<br />
märkte eröffnen. Mit tieferen Preisen<br />
<strong>für</strong> Landwirtschaftsprodukte würde die<br />
«Hochpreisinsel Schweiz» eine Korrektur<br />
erfahren. Und last but not least könnte<br />
die Schweiz durch den Import von Billig-<br />
nahrungsmitteln aus dem Ausland einen<br />
wichtigen Beitrag zur finanziellen Unter-<br />
stützung vieler Kleinbauern inEntwick-<br />
lungsländern leisten.<br />
Nationalrätin Maya Graf vertritt eine klare Meinung gegen den Agrarfreihandel.<br />
Rechts Prof. Dr. Hans Hurni, Mitverfasser des Weltagrarberichts.
Von links: Prof. Dr. Hans Hurni, Peter Kistler, Nationalrätin Maya Graf, Prof. Ernst<br />
Wüthrich und Christoph Vollenweider.<br />
Freihandel hat verheerende Folgen<br />
Das sehen die Fachleute aus der Land-<br />
wirtschaftsbranche anders. <strong>Die</strong> Auswir-<br />
kungen des globalen Agrarfreihandels,<br />
wie ihn der Bundesrat und die Mehrheit<br />
des Parlamentes derzeit fordern, hätten<br />
verheerende, ja geradezu katastrophale<br />
Folgen <strong>–</strong> <strong>für</strong> den Schweizer Bauern-<br />
stand, <strong>für</strong> die Natur und <strong>für</strong> die Dritte<br />
Welt. «Wir leisten den Kleinbauern in<br />
den Entwicklungsländern, die ihre Ware<br />
mit reiner Muskelkraft herstellen, einen<br />
Bärendienst, wenn wir mit dem Agrar-<br />
freihandel die Grenzen öffnen», sagte<br />
Professor Dr. Hans Hurni von der Uni-<br />
versität Bern, Mitverfasser des Weltag-<br />
rarberichtes, auf dem Podium des Lilien-<br />
berg-Kolloquiums vom 13. April. Zwar<br />
sei eine Verdoppelung der Produktivi-<br />
tät der Kleinbetriebe in Drittweltstaaten<br />
theoretisch möglich. «Denn Kleinbau-<br />
ern in afrikanischen oder südamerika-<br />
nischen Ländern haben weltweit das<br />
grösste Steigerungspotenzial im Bereich<br />
der Produktivität. Doch sie produzie-<br />
ren die Nahrungsmittel nicht primär <strong>für</strong><br />
den Weltmarkt, sondern <strong>für</strong> kleinräu-<br />
mige Märkte, damit die Menschen im<br />
eigenen Land langfristig überleben kön-<br />
nen.» Zudem fehle es in diesen Ländern<br />
vielerorts an der nötigen Infrastruktur,<br />
um die Güter ins Ausland zu transpor-<br />
tieren. «Das alles steht im Weltagrarbe-<br />
richt», erklärte Hans Hurni.<br />
<strong>Die</strong> Grüne Nationalrätin und Biobäuerin<br />
Maya Graf doppelte nach: «Vom Frei-<br />
handel profitieren, abgesehen von der<br />
Bevölkerung in Industrieländern, in ers-<br />
ter Linie multinationale Konzerne sowie<br />
Grossgrundbesitzer, die ihre Landwirt-<br />
schaftsprodukte ins Ausland absetzen,<br />
nicht aber die armen Kleinbauern.»<br />
Auch flösse in Drittweltstaaten ohne<br />
demokratische Systeme das Geld sehr<br />
oft ins Portemonnaie der Regierungs-<br />
mitglieder, hob die Nationalrätin den<br />
Mahnfinger.<br />
Nicht nur Maya Graf und Hans Hurni<br />
kritisieren Bundesrätin Doris Leuthards<br />
Agrarpolitik scharf. <strong>Die</strong> meisten Schwei-<br />
zer Bauern tun dies. Stellvertretend <strong>für</strong><br />
seinen Berufsstand gab der Reichen-<br />
burger Gemüsebauer Peter Kistler zu<br />
bedenken, «dass der Agrarfreihandel<br />
über Leben und Tod in der Schwei-<br />
zer Landwirtschaft entscheidet.» Mit<br />
der völligen Liberalisierung des Agrar-<br />
handels und der Importflut von Bllig-<br />
produkten aus dem Ausland würden<br />
die Schweizer Landwirte an den Rand<br />
des wirtschaftlichen Ruins getrieben,<br />
warnte Peter Kistler in seinem kämpfe-<br />
rischen Referat. In der Schweiz könnten<br />
mit der Öffnung der Grenzen nur noch<br />
die nicht nachhaltigen Intensivbetriebe<br />
und Monokulturen überleben, welche<br />
eine zerstörerische Wirkung auf Boden,<br />
Vegetation und Klima haben.<br />
Ganzheitliche Landwirtschaftspolitik<br />
Dass viele Schweizer Politiker eine rein<br />
wirtschaftliche Interessenspolitik betrei-<br />
ben und die bäuerliche Landwirtschaft<br />
sowie die Umwelt dem Weltmarktpreis<br />
opfern wollen, schmerze ihn als Öko-<br />
nom mit Umwelt- und Gesellschafts-
41<br />
bewusstsein und bäuerlichen Wurzeln,<br />
sagte der Gesprächsmoderator Profes-<br />
sor Ernst Wüthrich. Er wolle die Veran-<br />
staltungsreihe auf <strong>Lilienberg</strong> nutzen, um<br />
mit den Referenten und Teilnehmern die<br />
Schweizer Landwirtschaftspolitik nicht<br />
nur ökonomisch, sondern fachlich fun-<br />
diert, ganzheitlich und langfristig zu<br />
betrachten und dabei auch die mensch-<br />
lichen und sachlichen Argumente zu<br />
berücksichtigen.<br />
Es gebe durchaus eine ganzheitliche<br />
Alternative zum Agrarfreihandel, beteu-<br />
erte Nationalrätin Maya Graf. Ernäh-<br />
rungssouveränitätdurch eine ökologisch<br />
betriebene Landwirtschaft zu schaffen,<br />
könnte dieLösung sein,sagte sie. Ernäh-<br />
rungssouveränität bedeutet das Recht<br />
eines Landes, seine Landwirtschafts-<br />
und Ernährungspolitik selber zubestim-<br />
menund zu definieren,ohnePreis-Dum-<br />
ping <strong>für</strong> Agrar-Rohstoffe gegenüber<br />
anderen Ländern zu betreiben. Damit<br />
werde die lokale landwirtschaftliche<br />
Produktion begünstigt. Der Parlamen-<br />
tarierin der Grünen Partei schwebt eine<br />
ökologische Landwirtschaft vor. «Damit<br />
würden die Rechte der Bauern und<br />
Landfamilien geachtet, unsere Bauern<br />
mit kleinen und mittelgrossen Betrieben<br />
vor Billigimporten geschützt und die<br />
Selbstversorgung der Schweiz durch die<br />
Landwirtschaft verbessert.»<br />
Darüber, ob in der Schweiz zwingend<br />
die Produktion von biologischen Nah-<br />
rungsmitteln forciert werden muss,<br />
waren sich die Teilnehmenden aller-<br />
dings uneins. <strong>Die</strong>se Frage stehe nicht<br />
im Zentrum, meinten viele. «Gemein-<br />
sam gegen den Agrarfreihandel und<br />
den Import von Billigprodukten kämp-<br />
fen um nicht noch mehr Kunden an die<br />
Billigdiscounter zu verlieren, soll unser<br />
wichtigstes Ziel sein», meinte ein Land-<br />
wirt aus dem Zürcher Oberland. Und<br />
Gemüsebauer Peter Kistler stimmte ihm<br />
zu: «Im Gegensatz zu Aldi und Lidl<br />
bieten wir dem Konsumenten qualita-<br />
tiv hochwertige Grundnahrungsmittel<br />
und Frischprodukte an. Wir wollen das<br />
auch in Zukunft tun <strong>–</strong> zu einem fairen<br />
Weitere Veranstaltungen<br />
Preis, damit wir, die Landwirte, über-<br />
leben können, ohne auf Almosen des<br />
Bundes in Form von Stützungsbeiträgen<br />
angewiesen zu sein.»<br />
Zyklus «Offensivstrategie <strong>für</strong> die Ernäh-<br />
rungswirtschaft <strong>–</strong> eine ganzheitliche<br />
Landwirtschaftspolitik der Schweiz»;<br />
<strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom 13. April<br />
2010 «Folgen des Agrarfreihandels<br />
gemäss Weltagrarbericht. Ernährungs-<br />
souveränität der Schweiz als Alterna-<br />
tive?» mit Nationalrätin Maya Graf, Bio-<br />
bäuerin, Sissach, Prof. Dr. Hans Hurni,<br />
Universität Bern, Mitverfasser Weltag-<br />
rarbericht und Peter Kistler, Gemüse-<br />
bauer, Reichenburg; Moderation: Prof.<br />
Ernst Wüthrich, Fachhochschule Nord-<br />
westschweiz, Institut <strong>für</strong> Wettbewerbs-<br />
fähigkeit und Kommunikation, Olten<br />
(Aktionsfeld Wirtschaft & Industrie).<br />
•<strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom Donnerstag, 27. Mai 2010, 14 bis 18 Uhr. «Wo steht<br />
die Schweizer Landwirtschaft als Faktor der Schweizer Volkswirtschaft?».<br />
•<strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom Montag, 21. Juni 2010, 14 bis 18 Uhr. «<strong>Die</strong> Schwei-<br />
zer Landwirtschaft von der defensiven Bittstellerrolle zur gestalterischen souve-<br />
ränen Offensivkraft: <strong>Die</strong> Möglichkeiten einer Offensivstrategie».<br />
•Tagung und Ausserordentliches Gespräch vom Donnerstag, 9. September<br />
2010, 9.30 bis 16.15 Uhr und 17 bis 19 Uhr.
42<br />
Von Max Becker<br />
Weg von der «Guillotine 65»<br />
Ein gut funktionierender Arbeitsmarkt<br />
bildet das Rückgrat des Wohlstandes<br />
in der Schweiz. Was ist zu tun, um<br />
die Vitalität dieses Marktes zu erhal-<br />
ten und zu stärken, der, vor allem in<br />
Zeiten von konjunkturellen Turbulen-<br />
zen, immer wieder neuen Belastungs-<br />
proben ausgesetzt ist? Welches sind<br />
die Trends, die in den nächsten zehn<br />
Jahren auf uns zukommen? Mit diesen<br />
Fragen setzten sich die Teilnehmenden<br />
im ersten Kolloquium des neuen Zyklus<br />
Dr. Patrik Schellenbauer<br />
des Aktionsfeldes Wirtschaft &Indust-<br />
rie auseinander.<br />
Dr. Patrik Schellenbauer von Avenir<br />
Suisse ging in seinem Referat von ver-<br />
schiedenen zugrunde liegenden Fakto-<br />
ren aus:<br />
GESPRÄCH<br />
•Alterung der Gesellschaft<br />
•Fortschreitende Arbeitsteilung<br />
•Anhaltende Tertiarisierung und Inter-<br />
nationalisierung<br />
•Steigende Ansprüche an die funktio-<br />
nale und geografische Mobilität<br />
Er stellte eine «sozio-kulturelle» Verjün-<br />
gung fest: 60-Jährige sind noch nicht<br />
alt. Und er wies auf die tendenziell sin-<br />
kende Korrelation zwischen Leistungs-<br />
fähigkeit und biologischem Alter hin,<br />
wobei jedoch die individuellen Unter-<br />
schiede von älteren Menschen in Bezug<br />
auf die Leistungsfähigkeit gross seien.<br />
«Ausserdem fallen Alterspyramide und<br />
Unternehmens-Hierarchien immer mehr<br />
auseinander», sagte Patrik Schellen-<br />
bauer. «Erfahrene Mitarbeitende erhal-<br />
ten oftmals junge Chefs.» Der Trend<br />
zum früheren Pensionsalter konnte<br />
gebrochen werden, nicht zuletzt weil<br />
die vorzeitigen Pensionierungen <strong>für</strong> die<br />
Unternehmungen nicht mehr attraktiv<br />
wurden, aber auch weil es nicht mehr<br />
«schick» ist, früher in Rente zu gehen.<br />
<strong>Die</strong> Frage stelle sich auch, so der Refe-<br />
rent, ob der Arbeitsmarkt die «neuen<br />
Alten» absorbieren wird: Es zeige sich,<br />
dass Arbeitslosigkeit ab 50 zwar selte-<br />
ner, aber zunehmend hartnäckig wird.<br />
Dazu komme, dass die Erwerbsquote<br />
der Frauen <strong>–</strong> gerade jener im fortge-<br />
schrittenen Alter <strong>–</strong> stärker auf ökonomi-<br />
sche Anreize reagiert als jene der Män-<br />
ner und damit eher steuerbar scheint.<br />
Gerade wenn weibliches Einkommen,<br />
falls es als Zweiteinkommen anfällt,<br />
aus der Sicht der Steuerbelastung als<br />
wenig attraktiv wahrgenommen wer-<br />
den könnte, sind Unsicherheiten über<br />
die künftigen Entwicklungen vorauszu-<br />
sehen.<br />
Weiterbildung hört mit 50 nicht auf<br />
Charles Bélaz, Präsident von Swissstaf-<br />
fing (Verband der Personaldienstleister<br />
in der Schweiz) sah in seinem Refe-<br />
rat ein zunehmendes Ungleichgewicht<br />
zwischen Arbeitnehmern und Arbeit-<br />
gebern voraus: Erstere sind seiner Mei-<br />
nung nach am längeren Hebel, vor allem<br />
auf dem Sektor der fachlich gut quali-<br />
fizierten Arbeitskräfte, während er bei
43<br />
den Gering- und Falsch-Qualfizierten<br />
eine Unterbeschäftigung vorhersieht.<br />
Er wies auch auf die unterschiedlichen<br />
Blickwinkel der Generationen hinsicht-<br />
lich des Arbeitsmarkts hin: Jede Gene-<br />
ration hat eigene Ideen zum Funktio-<br />
nieren des Markts, und jede Generation<br />
wird von andern Motiven getrieben,<br />
am Markt teilzuhaben. Ausserdem: <strong>Die</strong><br />
Bedenken bezüglich der Einwanderung<br />
Charles Bélaz<br />
hält Charles Bélaz <strong>für</strong> unbegründet. Hin-<br />
gegen hob er die Wichtigkeit des Qua-<br />
lifikations-Niveaus der Zuwandernden<br />
und der Weiterbildungs-Anstrengungen<br />
quer durch alle Berufsgruppen hervor.<br />
«Weiterbildung darf mit 50 nicht auf-<br />
hören.»<br />
Hin zu neuen sozialen Netzwerken<br />
In der Diskussion wurde auf die zuneh-<br />
mende Bedeutung von zwei Phänome-<br />
nen aufmerksam gemacht: Zunächst<br />
auf jenes der neuen Medien (soziale<br />
Netzwerke), welche tradierte Formen<br />
der Kommunikation ablösen und den<br />
Arbeitsmarkt der Zukunft wesent-<br />
lich beeinflussen könnten. So spielen<br />
diese Netzwerke bei der Personalsuche<br />
schon heute eine zunehmende Bedeu-<br />
tung <strong>–</strong> sie erhöhen die Transparenz <strong>für</strong><br />
alle Beteiligten, dann aber auch auf die<br />
zunehmende Bedeutung des «dritten<br />
Alters», das heisst der Lebensphase zwi-<br />
schen voller Erwerbstätigkeit und Ruhe-<br />
stand, in der sich neue Beschäftigungs-<br />
und Aktivitätsmuster <strong>für</strong> immer mehr<br />
Leute abzeichnen (Teilzeiterwerb, Auf-<br />
bau eigener unternehmerischer Aktivi-<br />
täten, benevol-Tätigkeiten, Zweitausbil-<br />
dung) . <strong>Die</strong>s alles sind Elemente, die <strong>–</strong> als<br />
Schritt in die richtige Richtung <strong>–</strong> von der<br />
eindimensionalen «Guillotine 65» weg-<br />
führen, welche die Gesellschaft über<br />
lange Zeit geprägt hat.<br />
Zyklus «Arbeitsmarkt 2020 <strong>–</strong> eine unter-<br />
nehmerische und gesellschaftliche Her-<br />
ausforderung»; <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium<br />
vom 14. April 2010 «Entwicklung des<br />
Arbeitsmarktes <strong>–</strong> Thesen und Trends»<br />
mit Dr. Patrik Schellenbauer, Avenir<br />
Suisse, Zürich und Charles Bélaz, Prä-<br />
sident Swissstaffing (Verband der Per-<br />
sonaldienstleiter der Schweiz), Zürich;<br />
Moderation: Dr. Max Becker und Anton<br />
Bucher (Aktionsfeld Wirtschaft & Indus-<br />
trie).
44<br />
Von Barbara Meili<br />
Damit die Demokratie funktioniert, sind<br />
Qualitätsmedien unabdingbar. Im Zeit-<br />
alter von Internet und Gratiszeitungen<br />
ist vor allem im Printbereich der Fort-<br />
bestand der Qualitätsmedien in Gefahr.<br />
Können demokratierelevante Medien<br />
die digitale Revolution überleben? Ein<br />
Zyklus im Aktionsfeld Medien & Kom-<br />
munikation widmet sich dieser Frage.<br />
Das Internet hat interessierten Nutzern<br />
eine breite Palette von neuen Angeboten<br />
gebracht, die jederzeit und unentgeltlich<br />
zur Verfügung stehen. <strong>Die</strong>s gilt auch <strong>für</strong><br />
journalistischeLeistungen vonhoher Qua-<br />
lität. <strong>Die</strong>se Entwicklung hat insbesondere<br />
diePrintmedienineinetiefe Krisegestürzt.<br />
Leserinnen und Leser sind immer weni-<br />
ger bereit, <strong>für</strong> Inhalte zubezahlen, und<br />
die Werbebranche sucht sich zunehmend<br />
neue Kanäle. <strong>Die</strong> Demokratie ist aber<br />
<strong>für</strong> ihr Funktionieren auf Qualitätsmedien<br />
angewiesen, dieprofessionellorganisierte<br />
Redaktionen,einegrosseVerbreitung und<br />
eine starke Marke haben. Einzelperso-<br />
nen und Nischenprodukte können in den<br />
demokratischen Prozessenkeine tragende<br />
Funktion übernehmen.<br />
GESPRÄCH<br />
Welchen Nutzen haben Medien<br />
<strong>für</strong> die Demokratie?<br />
Innovative Formen sind gesucht<br />
Können traditionsreiche demokratie-<br />
relevante Medien die digitale Revolu-<br />
tion überleben? Welche alternativen<br />
Modelle haben eine Chance, sich am<br />
Medienmarkt durchzusetzen? Gibt es<br />
innovative Formen <strong>für</strong> die Organisation<br />
von Redaktionen, <strong>für</strong> Finanzierung und<br />
Trägerschaft von demokratierelevanten<br />
Medien? <strong>Die</strong>se Fragen werden Expo-<br />
nenten aus Wissenschaft und Praxis in<br />
den einzelnen Anlässen des Zyklus von<br />
verschiedenen Seiten beleuchten.<br />
Im ersten Kolloquium, das am 15. März<br />
stattfand, referierten Dr. Matthias Künz-<br />
ler und Dr. Manuel Puppis zum Thema<br />
«Vom Nutzen der Medien <strong>für</strong> die Demo-<br />
Weitere Veranstaltungen<br />
kratie». <strong>Die</strong> beiden Medienwissen-<br />
schaftler sind als Oberassistenten am<br />
Institut <strong>für</strong> Publizistikwissenschaft und<br />
Medienforschung (IPMZ) der Universi-<br />
tät Zürich tätig. Sie zeigten die Leistung<br />
des heutigen Schweizer Mediensystems<br />
<strong>für</strong> die Demokratie und welche Anfor-<br />
derungen die Medien in Bezug auf die<br />
demokratische Gesellschaft zu erfüllen<br />
haben, die Rolle von Markt und Staat<br />
und wie sich dieses Gefüge durch die<br />
Online-Medien verändert. Damit legten<br />
Matthias Künzler und Manuel Puppis ein<br />
solides wissenschaftliches Fundament<br />
<strong>für</strong> die künftigen Diskussionen.<br />
Ihre Ausführungen ergänzte ein Vertre-<br />
ter der politischen Praxis, der Kantons-<br />
•<strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom Montag, 31. Mai 2010, 14bis 18 Uhr: «Ist das<br />
Thema Demokratie <strong>für</strong> den künftigen Medienmarkt noch relevant?»<br />
•<strong>Lilienberg</strong> Kolloquium vom<strong>Die</strong>nstag, 31.August2010, 14 bis18Uhr:«Erfolgs-<br />
modelle <strong>für</strong> Qualitätsmedien: ‹Best Practice› aus der Print- und Online-Welt».<br />
•Tagung und Ausserordentliches Gespräch vom <strong>Die</strong>nstag, 9. November 2010,<br />
9.30 bis 16.15 Uhr und 17 bis 19Uhr: «Wie können sich demokratierelevante<br />
Medien finanzieren? Auf der Suche nach neuen Modellen».<br />
Von links: Dr. Matthias Künzler, Werner<br />
Schwarzwälder, Dr. Barbara Meili, Josef<br />
Bieri, Dr. Manuel Puppis.
45<br />
rat und ehemalige Kreuzlinger Stadt-<br />
ammann Josef Bieri. Er erläuterte die<br />
Kommunikationsbedürfnisse einer gros-<br />
sen, sozial vielschichtigen Gemeinde<br />
und stellte einen innovativen Lösungs-<br />
ansatz im Medienverbund zur Informa-<br />
tion der Bevölkerung vor.<br />
Medienbranche soll profitieren<br />
Das Thema «Haben demokratierelevante<br />
Medien nach der digitalen Revolution<br />
noch eine Chance?» liegt im Schnitt-<br />
bereich von Theorie und Praxis und ist<br />
deshalb von beiden Seiten noch wenig<br />
bewirtschaftet worden. <strong>Die</strong> Resultate<br />
des Zyklus sollen sowohl <strong>für</strong> die Medi-<br />
enwissenschafts-Community alsauch<strong>für</strong><br />
dieMedienbranche einenNutzenstiften.<br />
Zyklus «Haben demokratierelevante<br />
Medien nach der digitalen Revolution<br />
noch eine Chance?»; <strong>Lilienberg</strong>-Kollo-<br />
quium vom 15. März 2010 «Vom Nut-<br />
zen der Medien <strong>für</strong> die Demokratie» mit<br />
Dr. Matthias Künzler und Dr. Manuel<br />
Puppis, Oberassistenten am Institut <strong>für</strong><br />
Publizistikwissenschaft und Medien-<br />
forschung der Universität Zürich, Josef<br />
Bieri, vorm. Stadtammann, Kreuzlingen;<br />
Moderation: Dr. Barbara Meili und Wer-<br />
ner Schwarzwälder (Aktionsfeld Medien<br />
& Kommunikation).<br />
Ausgangspunkt des aktuellen Zyklus des<br />
Aktionsfeldes Sicherheit & Armee war<br />
die Feststellung, dass der Anteil an Miliz-<br />
Generalstabsoffizieren (Gst Of) im Korps<br />
der Gst Of in der Armee XXI tendenziell<br />
abgenommen hat. Der Anteil an Gst Of,<br />
die entweder in der Privatindustrie, als<br />
zivile Staatsangestellte oder selbstän-<br />
dig erwerbend sind, bewegt sich heute<br />
noch in der Grössenordnung von ledig-<br />
lich 15 bis 20 Prozent vom Gesamtbe-<br />
stand der Generalstabslehrgänge I und<br />
II. Mit Blick auf die Zukunftsgestaltung<br />
der Armee sind Miliz-Generalstabsof-<br />
fiziere aber von grösster Bedeutung.<br />
<strong>Die</strong> Ausrichtung der Ausbildung muss<br />
sich jedoch ändern, fordern Politik und<br />
Wirtschaft.<br />
GESPRÄCH<br />
Von Martin von Orelli<br />
Wirtschaft fordert neue<br />
ausrichtung der ausbildung<br />
<strong>für</strong> Generalstabsoffiziere<br />
Spricht man von der schweizerischen<br />
Milizarmee, kann es nicht gleichgültig<br />
sein, ob das Korps der Generalstabs-<br />
offiziere vornehmlich aus Berufsmili-<br />
tärs und Verwaltungsangestellten des<br />
Departements <strong>für</strong> Verteidigung, Bevöl-<br />
kerungsschutz und Sport (VBS) besteht<br />
und die «klassischen» Milizoffiziere nur<br />
mehr eine «Randerscheinung» darstel-<br />
len. Was spontan als Verlust bedauert<br />
wird, erweist sich bei vertiefter Analyse<br />
als Symptom einer ausserordentlich viel-<br />
schichtigen Thematik, die nach wie vor<br />
Emotionen zu wecken vermag. Denn<br />
sie betrifft direkt Fragen rundum die<br />
Schweizer Milizarmee. Es ist in gewis-<br />
sem Masse eine Frage der intellektuel-<br />
len Redlichkeit, wie wir damit umgehen.<br />
Fachkompetenz ginge verloren<br />
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass<br />
Generalstäbe mehr und mehr zum ver-<br />
längerten Arm der Verwaltungen wer-<br />
Franz Wipfli
46<br />
den. Auch im militärischen Kontext<br />
scheint es immer mehr um unschein-<br />
bares und anonymes Verwaltungshan-<br />
deln zu gehen. Da aber Verwaltungs-<br />
handeln geregelten Bahnen folgt, kann<br />
der Eindruck entstehen, dass die mit<br />
dem Milizsystem einhergehende Viel-<br />
falt höchstens noch in kleinem Umfang<br />
erwünscht ist. Dabei ist man sich einig,<br />
dass nur das Milizsystem Diversität bie-<br />
tet. Sollten die «klassischen» Miliz-<br />
Generalstabsoffiziere der Armee fehlen,<br />
würde es der Armee im besten Sinn<br />
des Wortes an Fachkompetenz <strong>für</strong> die<br />
Zukunftsgestaltung fehlen.<br />
Im Zuge der Arbeiten auf <strong>Lilienberg</strong><br />
wurden zahlreiche externe Exponenten<br />
aus Wirtschaft, Politik, Armee angehört.<br />
Dabei war entscheidend, dass sich ins-<br />
besondere die Vertreter aus Wirtschaft<br />
und Politik auch zum «Preis» geäus-<br />
sert haben, den das Ergreifen der Lauf-<br />
bahn als Generalstabsoffiziere <strong>für</strong> sie<br />
zur Folge gehabt hat beziehungsweise<br />
noch haben wird.<br />
<strong>Die</strong> verschiedenen zivilen Redner waren<br />
sich einig, dass die gesellschaftliche<br />
Wertschätzung militärischer Führungs-<br />
erfahrung sinkt, insbesondere auch sei-<br />
tens der Privatwirtschaft. Grundsätzlich<br />
wird erheblicher Handlungsbedarf in<br />
der schweizerischen Sicherheitspolitik<br />
geortet. Alles ist daran zu setzen, dass<br />
die zurzeit bestehende Blockade in der<br />
Sicherheitspolitik ein Ende findet.<br />
Neue Ausbildungsschwerpunkte<br />
gefordert<br />
<strong>Die</strong> Wirtschaft fordert eine Optimie-<br />
rung der Wertschöpfung zwischen mili-<br />
tärischer und ziviler Ausbildung. Klar ist<br />
eine Aussage, wonach der Gst Of «neu<br />
definiert» werden müsse. Unbestrit-<br />
ten bleibt die notwendige Grundaus-<br />
bildung. Aber in den fortgeschrittenen<br />
Lehrgängen ist vom rein militärischen<br />
Wissen und Können tendenziell Abstand<br />
zu nehmen und ein «generelleres, über<br />
die Armee hinausgehendes Know-how»<br />
anzuvisieren. Es werden also neue Aus-<br />
bildungsschwergewichte <strong>für</strong> die höhe-<br />
ren Stufen gefordert.<br />
Mehr auf der praktischen Seite wurde<br />
der Gst Of als homo oeconomicus<br />
betrachtet, der mit seiner Zeit haus-<br />
hälterisch umgehen muss. Es geht um<br />
das Setzen von Prioritäten, die er auf-<br />
grund einer Kosten-Nutzen-Analyse<br />
setzt. In der militärischen Ausbildung<br />
sind die Kosten als Opportunitätskos-<br />
ten zu bezeichnen, die daraus entste-<br />
hen, dass die Ressource Zeit nur ein Mal<br />
und nur <strong>für</strong> Nutzenstiftendes eingesetzt<br />
werden kann. <strong>Die</strong>ser Nutzen scheint<br />
unter anderem ein wichtiges Element<br />
zu sein, das <strong>für</strong> den Entscheid <strong>für</strong> oder<br />
wider eine Generalstabslaufbahn den<br />
Ausschlag gibt.<br />
Alle sind sich einig, dass die General-<br />
stabsausbildung zwingend anspruchs-<br />
voll zu sein hat. Milizoffiziere kommen<br />
nur, wenn hohe Ansprüche gestellt wer-<br />
den. Ungenügende Teilnehmer müssen<br />
ausscheiden. <strong>Die</strong> Generalstabs-Ausbil-<br />
dung soll aber nicht in Konkurrenz zu<br />
zivilen Bildungsinstitutionen treten, da<br />
dies immer auf Kompromisslösungen<br />
zu Ungunsten der militärischen Bedürf-<br />
nisse hinauslaufen wird. Eine General-<br />
Oberst i Gst Hans Schatzmann,<br />
Präsident der Schweizerischen<br />
Offiziersgesellschaft.
Kompetente Gesprächsrunde, von links: Brigadier Rolf Oehri, Brigadier Daniel Keller, Dr. Rolf Dörig und Nationalrat Peter Malama.<br />
Ganz rechts Moderator Dr. Martin von Orelli, Divisionär aD.<br />
stabsausbildung kann komplementär,<br />
zum Beispiel zu einem MBA, erfolgen.<br />
Fazit<br />
•In der schweizerischen Sicherheitspo-<br />
litik bleibt die Lage schwierig, was<br />
unter anderem auch Auswirkungen<br />
auf die Bereitschaft junger Kader hat,<br />
sich in der Armee zu engagieren.<br />
•Politik und Wirtschaft fordern eine<br />
neue Ausrichtung der Generalstabs-<br />
offiziersausbildung, insbesondere <strong>für</strong><br />
die höheren Lehrgänge.<br />
•Alle Exponenten sind sich im Grund-<br />
satz einig, dass der eigentliche Mehr-<br />
wert einer Generalstabsausbildung<br />
sowohl militärisch als auch <strong>für</strong> das<br />
Zivile unbestritten ist.<br />
•Was hingegen die Vermittlung des<br />
Mehrwertes der Generalstabsausbil-<br />
dung betrifft, so besteht echter Hand-<br />
lungsbedarf. Insbesondere in inter-<br />
national tätigen Konzernen hat die<br />
schweizerische Generalstabsausbil-<br />
dung kaum noch einen eigenständi-<br />
gen Stellenwert.<br />
<strong>Die</strong> zahlreichen, wertvollen Diskussio-<br />
nen haben gezeigt, dass die oberfläch-<br />
liche Feststellung, wonach der Anteil<br />
an «klassischen» Miliz Gst Of abneh-<br />
mend ist, nur ein erster Schritt ist. Sehr<br />
viel anspruchsvoller ist es, Remedur zu<br />
schaffen, denn <strong>–</strong> so die Worte eines<br />
engagierten Miliz Gst Of: «Wenn es ein<br />
echtes Milizsystem geben soll, ist es <strong>–</strong><br />
auch <strong>für</strong> Gst Of <strong>–</strong> relevant zu gestalten».<br />
Zyklus «Generalstabsoffiziere <strong>–</strong> heute<br />
und morgen»; Unternehmerisches Ge-<br />
spräch vom 12. Januar 2010 «Führung in<br />
Armee und Wirtschaft» mit Joel Gierin-<br />
ger, Credit Suisse <strong>–</strong> Credit Risk Manage-<br />
ment Provate Banking, und Oliver Mül-<br />
ler, Assistant CEO, Elektrizitätswerke<br />
des Kantons Zürich; Unternehmerisches<br />
Gespräch vom 11. Februar 2010 «Füh-<br />
rung in Armee und Wirtschaft» mit Hans<br />
Schatzmann, Rechtsanwalt und Notar,<br />
Präsident der Schweizerischen Offiziers-<br />
gesellschaft, Oberst i Gst; Unternehme-<br />
risches Gespräch vom 31. März 2010<br />
«Führung in Armee und Wirtschaft»<br />
mit Franz Wipfli, ehemaliges Mitglied<br />
der erweiterten Konzernleitung Zurich<br />
Financial Services, ehemaliger Stabschef<br />
Panzerbrigade 3; Unternehmerisches<br />
Gespräch vom 15. April 2010 «Führung<br />
in Armee und Wirtschaft» mit Prof.<br />
Jürg Kessler, Rektor, HTW, Chur; Tagung<br />
und Ausserordentliches Gespräch vom<br />
27. Januar 2010 «Laufbahn als General-<br />
stabsoffizier: Herausforderungen, Hür-<br />
den, Chancen» mit Oberst i Gst Chris-<br />
toph Grossmann, Winterthur, Major i<br />
Gst Jean-Pierre Krause, Zürich, Major i<br />
Gast Markus M. Müller, Baden, Oberst<br />
i Gst Heinz Wegmüller, Emmen, Dr. Rolf<br />
Dörig, Präsident des Verwaltungsrates<br />
der Swiss Life Holding, Zürich, Brigadier<br />
Daniel Keller, Stab CdA, Bern, Kdt der<br />
Infanteriebrigade 5, Nationalrat Peter<br />
Malama, Direktor Gewerbeverband<br />
Basel-Stadt, und Brigadier Rolf Oehri,<br />
Kdt der Generalstabsschule, Luzern;<br />
Moderation aller Veranstaltungen: Dr.<br />
Martin von Orelli, Divisionär aD (Akti-<br />
onsfeld Sicherheit & Armee).
48<br />
Von Jörg Kündig<br />
Das Gewinnen von Behördenmitglie-<br />
dern, die Arbeit im Behördenteam und<br />
die Kommunikation sind wichtige Ele-<br />
mente, um der wachsenden Politik-<br />
verdrossenheit entgegenzuwirken, die<br />
Stimmabstinenz zu reduzieren und<br />
die Milizbeteiligung zu erhöhen oder<br />
zumindest zu erhalten. Der vom Akti-<br />
onsfeld Politik & Gesellschaft durchge-<br />
führte Zyklus zu diesem Thema fand<br />
GESPRÄCH<br />
<strong>Die</strong> Lust an der Behördenarbeit<br />
in der Gemeinde wecken<br />
seinen Abschluss mit einer Tagung und<br />
einem Ausserordentlichen Gespräch.<br />
Als Grundlage <strong>für</strong> die intensive Diskus-<br />
sion der zahlreich anwesenden Lilien-<br />
berg-Freunde, Interessenten und Gäste,<br />
die meistens auch direkt oder wenigs-<br />
tens im Umfeld von Behörden aktiv sind,<br />
dienten Kurzreferate. <strong>Die</strong> Thesen regten<br />
an, sie provozierten aber auch.<br />
<strong>Die</strong> Teilnehmenden der Tagung diskutierten mit Engagement über die Frage, wie der<br />
Einstieg in eine Behördentätigkeit schmackhaft gemacht werden soll.<br />
Im ersten Teil zeigte Sabine Sieber,<br />
Gemeindepräsidentin von Sternenberg<br />
und Kantonsrätin, Wege auf, wie aus<br />
ihrerSicht dieStimmberechtigten zurver-<br />
mehrtenMitarbeit in kommunalen Behör-<br />
den motiviert werden könnten. Es folgte<br />
Hans-Peter Wüthrich, ehemaliger Berufs-<br />
offizier (Brigadier aD) und jetzt als Coach<br />
in der Führungsausbildung selbständig.<br />
Er führte aus, welche Voraussetzungen<br />
erfüllt sein müssen, dass Behörden im<br />
Team erfolgreicharbeitenkönnen.<br />
Etwas bewegen in der Demokratie<br />
<strong>Die</strong> vonHans-Peter Hulligerund Jörg Kün-<br />
dig geleitete, mit Engagement geführte<br />
Diskussion ergab, dass es im Staatsver-<br />
ständnis und bei der Mitarbeit im Staat<br />
deutlichen Ausbildungsbedarf gäbe. Hier<br />
seien die Schulen gefordert. Ausserdem<br />
wären in den Augen der Teilnehmenden<br />
so genannte Gemeindeforen geeignet,<br />
diezeigenkönnten,was dieBehörden tun<br />
können,tun müssenodertun dürfen. Sol-<br />
cheGemeindeforen solltenverdeutlichen,<br />
dass es tatsächlich möglich ist, etwas<br />
zu bewegen, nicht nur im Behördenamt,<br />
sondern grundsätzlich in unserer Staats-<br />
form, der direkten Demokratie. Gleichzei-<br />
tig könnte auf diese Weise die Betroffen-<br />
heit bei Sachfragen aufgefangen werden.<br />
Eine positive Haltung der amtierenden
Behördensahen dieTagungs-Teilnehmen-<br />
denebenfalls alssehrwichtig an,umneue<br />
Kandidatinnen undKandidaten zu gewin-<br />
nen und schliesslich müsste vermehrt<br />
aktiv umBehördenmitglieder geworben<br />
werden <strong>–</strong>hier wäre auch externe Unter-<br />
stützung denkbar.<br />
Einigkeit herrschte auch darüber, dass<br />
nur eine positive Ausstrahlung der akti-<br />
ven Behördenmitglieder und die sicht-<br />
bare Lust an der Behördenarbeit sowohl<br />
<strong>für</strong> einen Weiterverbleib im jeweiligen<br />
Amtals auch <strong>für</strong>neueBewerbungen sor-<br />
gen können. Dementsprechend sei ent-<br />
scheidend, dass die Behörden zu Teams<br />
mit klaren Strukturen, Verantwortlichkei-<br />
ten und Spielregeln zusammenwachsen.<br />
Bewusst kommunizieren<br />
Im weiteren Verlauf der Diskussion kam<br />
die Kommunikation als ebenfalls wich-<br />
tiges Element zur Sprache. Nach einem<br />
Eintrittsreferat von Kuno Ledergerber,<br />
ehemaliger Gemeinderat von Bassers-<br />
dorf und Dozent ander Zürcher Hoch-<br />
schule <strong>für</strong> Angewandte Wissenschaften<br />
(ZHAW), wurde deutlich, dass auch hier<br />
Handlungsbedarf besteht. Kommunika-<br />
tion müsse bewusst und klar strukturiert<br />
erfolgen; imVordergrund stehe jeweils<br />
dieFrage,was wie, warum,von wem, an<br />
Von links: Hans-Peter Wüthrich, Kuno Ledergerber, Sabine Sieber, Hans-Peter Hulliger.<br />
wen und womit übermittelt werden soll.<br />
<strong>Die</strong>se Fragen seien genauso vorgängig<br />
zu analysieren und zu beantworten wie<br />
jene nach der Auffälligkeit der Art und<br />
Weise. Zudem sei sehr entscheidend,<br />
dass die Behördenmitglieder ehrlich und<br />
authentisch, aber auch offen sind, zu-<br />
und hinhören können, Ansprechpart-<br />
ner selbst <strong>für</strong> kleine Anliegen sind und<br />
Freude ander Aufgabe vermitteln.<br />
Ausserordentliches Gespräch<br />
zum Abschluss<br />
Direkt anschliessend an die Tagung<br />
wurden die Resultate und Erkenntnisse<br />
einem noch breiteren Publikum vorge-<br />
stellt. Zunächst fassten die Referentin<br />
und die Referenten nochmals ihre Aus-<br />
führungen zusammen. Danach präsen-<br />
tierte Hans-Peter Hulliger die Ergebnisse<br />
der Tagung und stellte sie gleichzeitig<br />
zur Diskussion. Es entstand eine inte-<br />
ressante Debatte, welche die von den<br />
Tagungsteilnehmenden aufgestellten<br />
Leitsätze und Thesen hinterfragte und<br />
vertiefte, als Schlussfolgerung jedoch<br />
weitgehend bestätigte. Als zusätzlichen<br />
Aspekt brachten die Anwesenden ein,<br />
dass Wahlen und besonders das Wahl-<br />
verfahren <strong>für</strong> die Bevölkerung transpa-<br />
rent und interessant sein müssten. Stille<br />
Wahlen wurden eher als Hindernis <strong>für</strong><br />
eine aktive Beteiligung beurteilt.<br />
In der Folge sollen die wichtigsten<br />
Punkte, die der gesamte Zyklus<br />
ergab, zu einem Grundlagenpapier<br />
zusammengefasst werden und<br />
auch anderen interessierten Krei-<br />
sen zugänglich gemacht werden.<br />
Zyklus «Politikverdrossenheit, Stimmab-<br />
stinenz, Milizbeteiligung <strong>–</strong> Wie weiter<br />
mit der Konkordanzdemokratie?»; Lili-<br />
enberg-Tagung und Ausserordentliches<br />
Gespräch vom 15. April 2010 mit Kuno<br />
Ledergerber, Gemeinderat Bassersdorf<br />
von 1994 bis 2006, Dozent ZHAW, Win-<br />
terthur, Sabine Sieber, Gemeindeprä-<br />
sidentin Sternenberg und Hans-Peter<br />
Wüthrich, Ermatingen; Moderation:<br />
Hans-Peter Hulliger und Jörg Kündig<br />
(Aktionsfeld Politik & Gesellschaft).
50<br />
Von Georg Leumann<br />
Positiver Start ins Leben<br />
als Schlüsselfaktor<br />
«Wann beginnt die Bildung?». Unter<br />
diesem Titel führte das Aktionsfeld Bil-<br />
dung & Sport am 18. Januar ein Kol-<br />
loquium mit Professor Dr. Alexander<br />
Grob, Ordinarius <strong>für</strong> Entwicklungs- und<br />
Persönlichkeitspsychologie an der Uni-<br />
versität Basel, durch. Alexander Grob<br />
informierte über Schlüsselfaktoren in<br />
der frühen Kindheit, die den späte-<br />
ren Lern- und Lebenserfolg wesentlich<br />
bestimmen.<br />
Professor Dr. Alexander Grob stellte<br />
am <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium neue For-<br />
schungsergebnisse aus der Universität<br />
Basel und aus dem Ausland vor. Seine<br />
Ausführungen fasste er mit folgenden<br />
Thesen zusammen:<br />
•<strong>Die</strong> früheste Kindheit ist entscheidend<br />
da<strong>für</strong>, welches Bild sich die Kinder<br />
von der Welt und von ihrem Tun in<br />
der Welt machen. Zentral hier<strong>für</strong> sind<br />
Erfahrungen der eigenen Wirksam-<br />
keit.<br />
•<strong>Die</strong> Entdeckung der Welt ist ein wich-<br />
tiger Prozess. <strong>Die</strong> mütterliche Sensivi-<br />
tät ist ein zentraler Faktor.<br />
•Neugierige Erkundung setzt Sicher-<br />
heit voraus. Neugier und Sicherheit<br />
sind Kehrseiten derselben Medaille.<br />
•Verhaltensregulation erfolgt in den<br />
ersten Lebensjahren hauptsächlich<br />
durch die Umgebung, erst später wird<br />
diese bei positivem Gedeihen verin-<br />
nerlicht.<br />
•Eine Umwelt, die echte Rückmeldung<br />
gibt, ist <strong>für</strong> die Reife der Kinder von<br />
grösster Bedeutung.<br />
•EsexistierenwirksameProgramme, die<br />
frühe Entwicklungsrisiken zugunsten<br />
positiverEntfaltung verändernkönnen.<br />
In einem Fazit stellte der Wissenschaftler<br />
fest: Personen, die einen positiven Start<br />
ins Leben vorfinden, erhalten Entwick-<br />
lungsvorteile, die sich über die Lebens-<br />
spanne verstärken. Personen, die einen<br />
negativen Start ins Leben haben, hinge-<br />
gen erhalten Entwicklungsnachteile, die<br />
sich leider über die ganze Lebensspanne<br />
verstärken.<br />
GESPRÄCH<br />
Eigenverantwortung stärken<br />
<strong>Die</strong> Diskussion zeigte auf, dass die Erzie-<br />
hungsleistungen vieler Familien auch<br />
Prof. Dr. Alexander Grob<br />
heute noch das beste Umfeld <strong>für</strong> gute<br />
Betreuungsformen während der frühen<br />
Kindheit sind. Sie schaffen gute Vor-<br />
aussetzungen <strong>für</strong> eine erfolgreiche Ent-<br />
wicklung der Kinder. Bei wachsendem<br />
Anteil der Kinder birgt der familiale<br />
Kontext heute aber vermehrt Entwick-<br />
lungsrisiken mit späteren Entwicklungs-<br />
folgen, die unserer Gesellschaft immer<br />
grösser werdende Kosten verursachen.<br />
<strong>Die</strong> Politik habe künftig die notwen-<br />
digen Rahmenbedingungen <strong>für</strong> gute<br />
Betreuungsmöglichkeiten der Kinder<br />
von Risikogruppen zu schaffen, waren<br />
sich die Teilnehmenden der Diskussion<br />
einig. Dabei dürfen aber keine Obliga-<br />
torien verordnet werden, die zu einem<br />
Erziehungsstaat führen könnten. «Ein<br />
freiheitlicher Staat darf nicht alle Fami-<br />
lien in ein einheitliches Schema zwin-<br />
gen. Er muss die Eigenverantwortung<br />
stärken», lautete der Tenor am Kol-<br />
loquium. Neue Forschungsergebnisse<br />
sollten der Öffentlichkeit gut verständ-<br />
lich kommuniziert werden. Geeignete
51<br />
Anreize könnten professionelle Bera-<br />
tung und Unterstützung bereits nach<br />
der Geburt gewährleisten.<br />
Migranten sollen Deutsch lernen<br />
Für den späteren Schulerfolg seien vor<br />
demSchuleintritt ausreichende Deutsch-<br />
kenntnisse wichtig. Im Kanton Basel<br />
Stadt müssten darum bereits jetzt Kin-<br />
der mit nicht ausreichenden Deutsch-<br />
kenntnissen ein Jahr vor dem Kindergar-<br />
teneintritt während eines Jahres anzwei<br />
Halbtagen in Spielgruppenihre Deutsch-<br />
kompetenz verbessern. Zur Integration<br />
in die Schweiz und zur Stärkung unseres<br />
Bildungswesens seien, ähnlich wie es<br />
beispielsweise auch Australien fordert,<br />
von Migranten genügende Deutsch-<br />
kenntnisse zu verlangen. <strong>Die</strong> Pädago-<br />
gische Hochschule Thurgau baut mit<br />
der Universität Konstanz ihr Lehr- und<br />
Forschungsangebot der frühen Kindheit<br />
auf. Sie bildet neu auch Fachlehrkräfte<br />
<strong>für</strong> frühkindliche Pädagogik aus.<br />
Zyklus «Welches Bildungssystem stärkt<br />
die Schweiz?»; <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium<br />
vom 18. Januar 2010 «Wann beginnt<br />
die Bildung?» mit Prof. Dr. Alexander<br />
Grob, Fakultät <strong>für</strong> Psychologie, Universi-<br />
tät Basel; Moderation: Georg Leumann<br />
(Aktionsfeld Bildung & Sport).<br />
<strong>Die</strong> Attraktivität des Lehrerberufs muss<br />
verbessert, und leistungsstarke Ober-<br />
stufenschülerinnen und -schüler sollten<br />
intensiver gefördert werden, zum Bei-<br />
spiel in Progymnasien. <strong>Die</strong>s ist das Fazit<br />
des <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquiums vom 22.<br />
März mit dem Titel «Braucht es in der<br />
Volksschule Selektion <strong>–</strong> sind Progymna-<br />
sien nötig?»<br />
GESPRÄCH<br />
Von Georg Leumann<br />
Leistungsstarke sollen besser<br />
gefördert werden<br />
Christian Aeberli, Chef der Abteilung<br />
Volksschule im Departement Bildung,<br />
Kultur und Sport des Kantons Aargau,<br />
setzte sich in seinem Impulsreferat <strong>für</strong><br />
eine möglichst späte Selektion in der<br />
Volksschule ein. Mit empirischen Unter-<br />
suchungsergebnissen, beispielsweise aus<br />
Finnland, belegte er seinen Standpunkt.<br />
Er verlangt die Verbesserung der Attrak-<br />
tivität des Lehrerberufes. <strong>Die</strong> Einführung<br />
von Langzeitgymnasien ist in seinen<br />
Augen nur sinnvoll, wenn in der Schweiz<br />
die Maturitätsquote erhöht werden<br />
sollte. <strong>Die</strong> Maturitätsquote entspricht<br />
dem Anteil Personen, die ein gymnasia-<br />
les Maturitätszeugnis erworben haben,<br />
gemessen an der 19-jährigen, ständigen<br />
Wohnbevölkerung der Schweiz.<br />
Beat Unternährer, Unternehmer und<br />
Kantonsrat der SVP im Kanton Aargau,<br />
verlangte in seinem Einführungsreferat<br />
ein klar gegliedertes Bildungssystem<br />
mit früher Selektion. <strong>Die</strong> zunehmenden<br />
Forderungen nach integrativen Schulen<br />
sieht er auch ideologisch begründet.<br />
Er stellte fest, dass in Einheitsschulen<br />
die leistungsstarken Schülerinnen und<br />
Schüler unterfordert sind.<br />
Mehr Bildungsleistung verlangt<br />
In der differenziert geführten Diskussion<br />
wiesen die Teilnehmenden auf die heute<br />
stark geförderte Integrationsidee in der<br />
Christian Aeberli
Von links: Georg Leumann, Nationalrätin Brigitte Häberli-Koller, Beat Unternährer<br />
und Christian Aeberli.<br />
Volksschule hin. <strong>Die</strong>s im Zusammenhang<br />
mit den Entwicklungen in den Sonder-<br />
schulen, der durchlässigen und integrier-<br />
ten Oberstufe und der Förderung von<br />
Gesamtschulen.<br />
Leistungsstarke Schülerinnen und Schü-<br />
ler könnten heute, trotz zunehmen-<br />
den individualisierenden Unterrichtsfor-<br />
men, zu wenig gefördert werden. Der<br />
fortschreitende wirtschaftliche Struk-<br />
turwandel zur Wissensgesellschaft der<br />
Zukunft verlange mehr Bildungs- und<br />
Ausbildungsleistung.<br />
Integrative Formen könnten den Soziali-<br />
sierungsauftrag der Schule gut erfüllen<br />
und gehörten in die ersten Schuljahre,<br />
später sei in der Volksschule Selektion<br />
notwendig, damit die Schüler besser<br />
auf die Berufswelt und die weiterfüh-<br />
renden Schulen vorbereitet werden. Das<br />
Klassenlehrerprinzip sollte auch auf der<br />
Oberstufe wieder gestärkt werden und<br />
die Durchlässigkeit gewährleistet blei-<br />
ben.<br />
Progymnasien als Standortvorteil<br />
In Sport und Musik werden heute<br />
begabte Schülerinnen und Schüler<br />
mit sehr guten Rahmenbedingungen<br />
besonders gefördert, damit sie in ihren<br />
Bereichen einmal erfolgreich sein kön-<br />
nen. Intellektuell leistungsstarke und<br />
motivierte Oberstufenschülerinnen und<br />
Oberstufenschüler sollten in festen<br />
Leistungsklassen wie zum Beispiel Pro-<br />
gymnasien ebenfalls gefördert werden.<br />
«Der Wirtschaft und Forschung in der<br />
Schweiz fehlen heute Leistungsträger»,<br />
so die Meinung im Plenum. In der breit<br />
angelegten Evaluation der Maturitäts-<br />
schulen schnitten Maturandinnen und<br />
Maturanden der Langzeitgymnasien in<br />
fast allen Testbereichen besser ab als<br />
jene der Kurzzeitgymnasien. Im Kan-<br />
ton Zürich hat sich das Progymnasium<br />
bewährt, es wurde nicht in die Ober-<br />
stufenreform einbezogen. Der Zustrom<br />
wächst weiter. Progymnasien werden<br />
immer mehr zu einem Standortvorteil.<br />
<strong>Die</strong> Politik sollte darum auch <strong>für</strong> weitere<br />
Kantone deren Einführung prüfen.<br />
Qualität des Lehrberufs in Gefahr?<br />
In der Diskussion wurde immer wieder<br />
auf den grossen Einfluss der Lehrperso-<br />
nen auf die wichtige Unterrichtsqualität<br />
hingewiesen. Ihre Rekrutierung stehe<br />
heute in starker Konkurrenz zu den<br />
vielen Ausbildungswegen und vielseiti-<br />
gen Tätigkeitsfeldern der Wirtschaft, die<br />
gerade <strong>für</strong> leistungsorientierte Jugendli-<br />
Beat Unternährer
53<br />
che immer mehr interessante und her-<br />
ausfordernde Angebote machen kann.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklungen im Bildungswesen<br />
führten gerade in den vergangenen Jah-<br />
ren zu einer Überregulierung und dem<br />
damit verbundenen Verlust von Gestal-<br />
tungsspielräumen, die zu den Qualitä-<br />
ten des Lehrberufes zählten.<br />
Zyklus «Welches Bildungssystem stärkt<br />
die Schweiz?»; <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium<br />
vom 22. März 2010 «Braucht es in der<br />
Volksschule Selektion <strong>–</strong> sind Progym-<br />
nasien nötig?» mit Christian Aeberli,<br />
Departement <strong>für</strong> Bildung, Kultur und<br />
Sport des Kantons Aargau, und Beat<br />
Unternährer, Unternehmer und Kan-<br />
tonsrat, Kanton Aargau; Moderation:<br />
Georg Leumann und Nationalrätin Bri-<br />
gitte Häberli-Koller (Aktionsfeld Bildung<br />
& Sport).<br />
GESPRÄCH<br />
Von Wilhelm Knecht<br />
Hausärzte leiden<br />
unter dem Kostendruck<br />
Welches sind die Chancen der Ökonomi-<br />
sierung im Gesundheitswesen, welches<br />
allfällige Risiken? Darüber diskutierten<br />
die Teilnehmenden zum Abschluss des<br />
Gesprächszyklus zusammen mit Reprä-<br />
sentanten aus Ärzteschaft, Spitälern<br />
und Politik. Fazit: <strong>Die</strong> Ökonomisierung<br />
könnte zu einer besseren Zusammenar-<br />
beit aller Beteiligter führen. Als negativ<br />
wird die Verbetrieblichung der medizini-<br />
schen Arbeit empfunden.<br />
Gesprächsmoderator Dr. med. Peter<br />
Eichenberger zeigte die Spannungsfel-<br />
der um die Ökonomisierung im Gesund-<br />
heitswesen auf, dies mit speziellem Hin-<br />
weis auf den Leistungsauftrag und den<br />
Kostendruck. Im Gesundheitswesen<br />
seien verschiedenste Akteure vonein-<br />
ander abhängig: Patienten, Leistungs-<br />
erbringer, Versicherer. <strong>Die</strong> Politik spiele<br />
dabei eine bedeutende Rolle. Unter<br />
den Leistungserbringern und den Ver-<br />
sicherern nehme der Erfolgs- und der<br />
Wettbewerbsdruck stetig zu. «Eine<br />
Ökonomisierung im schweizerischen<br />
Gesundheitswesen ist überfällig», gab<br />
Peter Eichenberger zu bedenken. Wo<br />
liegen die Hauptprobleme? Wie soll<br />
es weitergehen? Welche Gewichtung<br />
kommt der Eigenverantwortung, Soli-<br />
darität, Kompetenzregelung und Ver-<br />
netzung zu?<br />
Der Ruf nach Ökonomisierung im Ge-<br />
sundheitswesen wurde durch den jüngs-<br />
ten massiven Anstieg der Kassenprä-<br />
mien erneut verstärkt. Welches sind die<br />
Folgen <strong>für</strong> die ärztliche Grundversor-<br />
gung, <strong>für</strong> die medizinische Pflege zu<br />
Hause, <strong>für</strong> die Spitäler? Von Bedeutung<br />
seien jedoch nicht nur mögliche Kos-<br />
tensenkungen, sondern auch, und dies<br />
vorrangig, die erzielbaren Vorteile <strong>für</strong><br />
den Patienten, sagte Peter Eichenberger.<br />
Trotz der Systemkomplexität gelte es, zu<br />
tragfähigen und optimalen Lösungen<br />
<strong>für</strong> die Patienten zu kommen.<br />
Bundesbern benachteiligt Ärzte<br />
Dr. med. Ernst Gähler erläuterte das<br />
Thema aus der Sicht der Ärzte. Er ist<br />
Facharzt <strong>für</strong> Allgemein Medizin FMH<br />
und Vizepräsident FMH Verbindung der<br />
Schweizer Ärzte. <strong>Die</strong> monetäre Betrach-<br />
tung sei das eine, das Wohl der Patien-
54<br />
ten das andere, so der Referent. «Für<br />
mich als Arzt steht der Wert, der durch<br />
die Kosten <strong>für</strong> den Patienten, <strong>für</strong> das<br />
Individuum, erzielbar ist, im Vorder-<br />
grund.» Der Leistungskatalog Tarmed,<br />
ein zur Kostenregulation eingeführtes<br />
Instrument, sei sehr ausgedehnt. <strong>Die</strong><br />
Kosten liessen sich aber, parallel zum<br />
Fortschritt der (teureren) Medizin, wohl<br />
kaum senken, auch weil die Menschen<br />
immer älter werden.<br />
Der Ausgabenanstieg setze sich fort. <strong>Die</strong><br />
Kostenanalyse zeige, dass die Gesund-<br />
heitsausgaben bei der ambulanten<br />
Behandlung in Spitälern im Vergleich<br />
zur ambulanten Behandlung bei den<br />
Ärzten massiv steigen. <strong>Die</strong> spitalam-<br />
bulante Behandlung stehe im Wettbe-<br />
werb mit der Grundversorgung durch<br />
die privat praktizierenden Ärzte. «Letz-<br />
tere sind auf Basis des Tarmed stark<br />
benachteiligt»<br />
Der Prämienanstieg 2010 führte unter<br />
den Eidgenössischen Parlamentariern<br />
zu einem Überaktivismus <strong>–</strong> zumeist<br />
gerichtet auf Bereiche, in denen Kosten-<br />
senkungen ohnehin nicht ins Gewicht<br />
fallen. 80 Prozent der diskutierten Mass-<br />
nahmen betrafen den praxisambulanten<br />
Bereich. Beim spitalambulanten Bereich<br />
wurden trotz des aufgezeigten enor-<br />
men Kostenanstiegs keine Massnahmen<br />
ergriffen. Ein Konsens lag laut den Aus-<br />
führungen von Ernst Gähler bisher aus-<br />
ser Reichweite.<br />
Zu den Verlierern zähle eindeutig die<br />
Hausarztmedizin. <strong>Die</strong> Erhebungen zeig-<br />
ten, dass gerade sie patientenfreund-<br />
lich, qualitativ gut und kostengünstig<br />
ist: «<strong>Die</strong> Hausärzte sind Garant <strong>für</strong> eine<br />
gut funktionierende Grundversorgung.<br />
Der Vorteil liegt zudem darin, dass der<br />
Hausarzt seine Patienten in der Regel<br />
über Jahre kennt und deshalb über vie-<br />
les Klarheit hat. Beim erneuten Arztbe-<br />
such entfallen also schon deswegen etli-<br />
che Kostenfaktoren.»<br />
Bundesbern und die Krankenkassen<br />
stellten sich gegen die Hausarztme-<br />
dizin, bedauerte Ernst Gähler «Eines<br />
der Negativ-Beispiele erkennt man in<br />
der Revision des Labortarifs. Ein Allge-<br />
meinpraktiker ist auf Laboreinrichtun-<br />
gen angewiesen.» <strong>Die</strong> Tarifänderungen<br />
bei den Laboranalysen brächten indes-<br />
sen grosse Einbussen. Ebenso nachtei-<br />
lig wirke sich die Reduktion der Ver-<br />
triebsmarge bei den Medikamenten und<br />
die Abschaffung der ärztlichen Medika-<br />
mentenabgabe aus.<br />
Rolf Zehnder<br />
<strong>Die</strong> Ärzte forderten einen nutzenorien-<br />
tierten Wettbewerb mit den Spitälern,<br />
sagte der Referent. «Wenn ein Arbeit-<br />
nehmer nach Krankheit eine Woche frü-<br />
her in den Arbeitsprozess zurückkehren<br />
kann, ist dies doch gerade auch wirt-<br />
schaftlich ein Qualitätsnachweis. Mit<br />
anderen Worten: «Nötig ist der Über-<br />
gang zu einer Gesamtkostenbetrach-<br />
tung, auch unter Einbezug der volks-<br />
wirtschaftlichen Dimension.»<br />
Wichtiges Networking unter Ärzten<br />
Peter Eichenberger legte in der Diskus-<br />
sion zu Ernst Gählers Referat den Fokus<br />
auf die Frage, wie man die jungen Ärzte<br />
wieder mehr dazu motivieren könnte,<br />
den Beruf als Hausarzt auszuüben. Ernst<br />
Gähler akzentuierte hierbei auch den<br />
<strong>für</strong> die Hausärzte entstehenden Nut-<br />
zen, der über engere, persönliche Netz-<br />
werke mit Berufskollegen, sowohl mit<br />
Allgemeinmedizinern wie mit Fachspe-<br />
zialisten, gebildet werden kann. <strong>Die</strong><br />
so kooperierenden Ärzte finden sich<br />
zudem auch oft in gemeinsam organi-<br />
sierten Weiterbildungszirkeln.<br />
Dr. Hans-Ulrich Kull zeigte anschliessend<br />
die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis<br />
auf. Von besonderer Bedeutung sei eine<br />
engere Zusammenarbeit auch <strong>für</strong> Ärz-
55<br />
tinnen, die <strong>–</strong> beispielsweise infolge Mut-<br />
terpflichten <strong>–</strong> das Berufspensum besser<br />
optimieren können.<br />
Unternehmerisches Kantonsspital<br />
Als weiterer Referent trat Rolf Zehnder,<br />
Direktor des Kantonsspitals Winterthur,<br />
auf. «Ein nicht ökonomisiertes Gesund-<br />
heitswesen gab es noch nie», so seine<br />
These. Und mit Bezug auf die Ausfüh-<br />
rungen von Ernst Gähler, sozusagen als<br />
herausfordernde Antithese, meinte er:<br />
«Je höher das Angebot und je leichter<br />
der Zugang zum Angebot, desto krän-<br />
ker ist die Bevölkerung.»<br />
Als Direktor eines Kantonsspitals sei er<br />
auch unternehmerisch tätig. «Wir müs-<br />
sen auf die potenziellen Kunden <strong>–</strong> also<br />
auf den Markt <strong>–</strong> achten. <strong>Die</strong>s fordert<br />
von uns Planung, Investitionen, bedürf-<br />
nisgerechte Angebote. Wir haben uns<br />
Von links: Rolf Zehnder, Dr. med. Peter Eichenberger, Dr. med. Ernst Gähler,<br />
Regierungsrat Bernhard Koch, Dr. med. Hans-Ulrich Kull.<br />
Regierungsrat Bernhard Koch<br />
betriebswirtschaftlich kontinuierlich zu<br />
verbessern. Wir müssen sowohl die Fix-<br />
kosten als auch die variablen Kosten im<br />
Griff haben.»<br />
<strong>Die</strong> Patienten würden zumeist gerne ein<br />
öffentliches Spital wählen. «Der Kampf<br />
um den «Marktanteil» verschärft sich<br />
indessen.»<br />
<strong>Die</strong> Kostenexplosion, vor allem die über-<br />
proportionale Kostenentwicklung in der<br />
sozialen Krankenversicherung, sei einer<br />
der Hauptgründe, dass die Ökonomisie-<br />
rung im Gesundheitswesen in den ver-<br />
gangenen Jahren so stark vorangetrie-<br />
ben wurde, erläuterte Rolf Zehnder. <strong>Die</strong><br />
Kosten stiegen aber genauso im medizi-<br />
nischen Bereich. «Allerdings gab es hier<br />
auch Kostenreduktionen, so dank bes-<br />
serer Systematik in der Behandlung und<br />
Verkürzung der Spitalaufenthaltsdauer.<br />
<strong>Die</strong> höheren Heilungsraten wirkten sich<br />
<strong>für</strong> die Volkswirtschaft <strong>–</strong> bis hin zu den<br />
einzelnen Arbeitgeberunternehmen <strong>–</strong><br />
positiv aus.<br />
Ein zusätzlicher Druck zur Ökonomisie-<br />
rung sei die permanent anzustrebende<br />
Wettbewerbsfähigkeit. <strong>Die</strong>ser Druck<br />
werde in starkem Masse von Seiten<br />
der Privatspitäler erzeugt. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nst-
56<br />
leistungsbereiche seien mitbetroffen,<br />
somit auch die «Unternehmenskultur» <strong>–</strong><br />
bis hin zur Kundennähe, Freundlichkeit,<br />
Servicebereitschaft.<br />
Hans-Ulrich Kull nahm in der Diskus-<br />
sionsrunde die Frage auf, ob und wie<br />
Gesundheit als Gesamtbegriff definiert<br />
Dr. med. Ernst Gähler<br />
werden könne. Unter den Gesprächs-<br />
teilnehmenden war man sich einig:<br />
Massgebend zur Antwortfindung sind<br />
weitgehend die Anspruchshaltung und<br />
die Befindlichkeit des Patienten. Ver-<br />
schiedene Wortmeldungen betrafen<br />
den Kostenfaktor Gesundheit im inter-<br />
nationalen Vergleich. Ebenso erörter-<br />
ten die Anwesenden die zunehmende<br />
Problemstellung bei der Verkürzung von<br />
Spitalaufenthalten und den nötigen Ein-<br />
satz der Spitex sowie die wahrzuneh-<br />
mende Bereitschaft zur Aufnahme und<br />
zur Betreuung Angehöriger im Famili-<br />
enkreis.<br />
Thurgau mit tieferen Kosten<br />
«Es gibt kein nicht ökonomisches Ge-<br />
sundheitswesen», stellte auch Regie-<br />
rungsrat Bernhard Koch, Gesundheits-<br />
direktor des Kantons Thurgau, klar. <strong>Die</strong><br />
Kostenentwicklung im Gesundheits-<br />
wesen des Kantons Thurgau zeige <strong>für</strong><br />
die Zeitspanne von 2000 bis 2008 ein<br />
erfreuliches Bild.: «Im gesamtschwei-<br />
zerischen Vergleich liegt der Kanton<br />
Thurgau bezogen auf die Spital- und<br />
Betriebskosten pro Einwohner erheblich<br />
tiefer und auch die Prämienentwicklung<br />
ist im Vergleich günstiger verlaufen. <strong>Die</strong><br />
reale Kostenentwicklung pro Fall ist sig-<br />
nifikant tiefer als das Durchschnittsre-<br />
sultat der Schweiz.» <strong>Die</strong> Kosteneffizi-<br />
enzsteigerung könne innert fünf Jahre<br />
mit mindestens 15 Prozent ausgewiesen<br />
werden. Der Fallkostenvergleich sei <strong>für</strong><br />
den Kanton Thurgau positiv.<br />
Zudem zeige die Entwicklung der Brut-<br />
toleistungen der Obligatorischen Kran-<br />
kenpflegeversicherung <strong>für</strong> den Kanton<br />
Thurgau pro versicherte Person <strong>für</strong> den<br />
Zeitraum 1997 bis 2008 eine weniger<br />
belastende Entwicklung als der schwei-<br />
zerische Durchschnitt. <strong>Die</strong> Bruttokosten<br />
pro versicherte Person im Jahre 2009<br />
lagen in der ganzen Schweiz bei rund<br />
262 Franken, im Kanton Thurgau indes-<br />
sen bei 222 Franken. <strong>Die</strong> monatliche<br />
Durchschnittsprämie <strong>für</strong> Erwachsene<br />
liegt im Kanton Thurgau <strong>–</strong> schon seit<br />
einer Vielzahl von Jahren <strong>–</strong> tiefer als in<br />
der übrigen Schweiz. <strong>Die</strong> Behandlungen<br />
beim Arzt umfassen im Thurgau 18 Pro-<br />
zent der Gesamtkosten, die Spitalkosten<br />
(stationär) 28 Prozent, Spital (ambulant)<br />
18 Prozent, die Medikamente 17 Pro-<br />
zent. <strong>Die</strong> grösste Steigerung gegenüber<br />
dem Vorjahr liegt beim Spital (ambulant)<br />
und umfasst 11,7 Prozent, beim Spital<br />
(stationär) beträgt sie 2,2 Prozent, bei<br />
den Behandlungen beim Arzt 1,1 Pro-<br />
zent, bei den Medikamenten 3,8 Pro-<br />
zent.
57<br />
<strong>Die</strong> abschliessende Diskussion bezog<br />
sich auf Zusatzaspekte, so auch auf die<br />
Organisation des Notfalldienstes, der<br />
sich in verschiedenen Kantonen zuneh-<br />
mend auf Einsätze der Hausärzte in<br />
Spital-Aufnahmezentren verlagert. Ge-<br />
Chancen der Ökonomisierung im Gesundheitswesen<br />
•Verbesserte Zusammenarbeit aller Beteiligter<br />
rade dadurch könnten Kantone und<br />
Regionen die Ökonomisierung fördern<br />
und den Patienten Erleichterungen im<br />
Zugang zu medizinischen Hilfeleistun-<br />
gen bieten. Unmissverständlich wurden<br />
in der Plenumsdiskussion Gesamtüber-<br />
•Reduktion Aufenthaltsdauer durch Prozess- und Schnittstellenoptimierung<br />
•Mehr Transparenz in der Leistungserbringung (Benchmark)<br />
•Wettbewerb um Preise und Qualität /Kosteneinsparungen<br />
•Optimierungen im bestehenden System<br />
(auch durch finanziellen Druck auf Lieferanten/Medikamente)<br />
•Spezialisierung/Bildung von Kompetenzzentren<br />
•Strukturanpassungen/Beachtung kritischer Grössen<br />
Risiken der Ökonomisierung im Gesundheitswesen<br />
•Verbetrieblichung der medizinischen Arbeit (Patient ist nur noch Produkt)<br />
•Wachsender Teil der Ressourcen fliesst ins Management und wird patienten-<br />
bezogenen Tätigkeiten entzogen<br />
•Übermässige Reduktion der Aufenthaltsdauer im Spital<br />
•Unkoordinierte und sachlich nicht abgesicherte Verschiebung von Teilen<br />
der stationären Behandlungsnotwendigkeiten in den ambulanten Bereich<br />
(und umgekehrt)<br />
•Risikoselektion/Rationierung/Ethische Grenzen<br />
(Was/Wer darf noch wie viel kosten?)<br />
•Einseitige Ausrichtung der Spitäler auf lukrative Gebiete<br />
•«Entsolidarisierung» der Krankenversicherer/Billigkassen<br />
Regierungsrat Bernhard Koch<br />
legungen zu innovativen, mehr födera-<br />
listisch geprägten Lösungen (weniger<br />
Macht beim Bund <strong>–</strong> höhere Autonomie<br />
bei den Kantonen) gefordert, wohl auch<br />
ausgehend von der durch den Kanton<br />
Glarus im Verbund mit weiteren Ost-<br />
schweizer Kantonen lancierten Studie<br />
<strong>für</strong> kantonale oder interkantonale Ein-<br />
heitskrankenkassen.<br />
Zyklus «Ökonomisierung im Gesund-<br />
heitswesen»; <strong>Lilienberg</strong>-Tagung sowie<br />
Ausserordentliches Gespräch vom 19.<br />
Januar 2010 «Was wurde bei der Öko-<br />
nomisierung im Gesundheitswesen bis-<br />
her erreicht? Wie soll es weitergehen?<br />
Wer profitiert davon? Wer sind die Ver-<br />
lierer?» mit Dr. med. Ernst Gähler, Fach-<br />
arzt <strong>für</strong> Allgemeine Medizin FMH, Vize-<br />
präsident FMH, Herisau, Regierungsrat<br />
Bernhard Koch, Chef des Departemen-<br />
tes <strong>für</strong> Finanzen und Soziales, und Rolf<br />
Zehnder, Direktor des Kantonsspitals<br />
Winterthur, Stäfa; Moderation: Dr. med.<br />
Peter Eichenberger und Dr. med. Hans-<br />
Ulrich Kull (Aktionsfeld Gesundheit &<br />
Umwelt).
58<br />
Von Hans-Ulrich Kull<br />
Zu viele Regulierungen<br />
im Gesundheitswesen<br />
«Liberalisierung» tönt gut und ist in al-<br />
ler Munde. Im immer teurer werdenden<br />
Gesundheitswesen ist allerdings eher<br />
eine tiefgreifende Regulierung feststell-<br />
bar. Das erste Kolloquium im diesjähri-<br />
gen Zyklus des Aktionsfeldes Gesund-<br />
heit & Umwelt behandelte das Thema<br />
aus der Sicht der Grundversorger.<br />
Unter der Leitung von Dr. med. Peter<br />
Eichenberger gingen die Diskussionsteil-<br />
nehmenden des Kolloquiums der Frage<br />
nach, wie die Liberalisierung die medi-<br />
zinische Grundversorgung beeinflussen<br />
kann. <strong>Die</strong> Eingangsreferate hielten Dr.<br />
med. Walter Grete, Facharzt <strong>für</strong> Allge-<br />
meinmedizin, und Otto Bitterli, CEO der<br />
Sanitas-Gruppe.<br />
Er stelle zwar durchaus eine Liberali-<br />
sierung in den öffentlichen Spitälern<br />
fest, sagte Walter Grete und erwähnte<br />
die neuen Rechtsformen, die neuen<br />
Finanzierungsarten und die Aufhebung<br />
von territorialen Grenzen als Beispiele.<br />
In der Grundversorgung erkenne er<br />
jedoch eine Liberalisierung nicht. Der<br />
Praxisöffnungsstopp, das Praxisapothe-<br />
GESPRÄCH<br />
ken-Verbot, der Kontrahierungszwang,<br />
der Einheitstarif Tarmed und die dro-<br />
hende Einheitskasse bedeuteten viel-<br />
mehr Regulierung und nicht Liberalisie-<br />
rung. Der Zentralismus nehme zu, neue<br />
Managed-Care-Zwangsmodelle droh-<br />
ten, dasTarifdiktat mit denLabortarifen<br />
und der Trend zum Steuergeld anstelle<br />
von Kopfprämien hätten unangenehme<br />
Regulierungen zur Folge.<br />
Walter Grete fordert deshalb eine ver-<br />
besserte Partnerschaft zwischen den<br />
einzelnen Players im Gesundheitswesen<br />
und vor allem die duale Grundversor-<br />
gung mit einer Zusatzversicherung auch<br />
im ambulanten Bereich. «Erst so könnte<br />
eine Liberalisierung tatsächlich zur Her-<br />
ausforderung mit guten Chancen füh-<br />
ren», sagte Facharzt Walter Grete.<br />
Partikularinteressen als Hindernis<br />
In den Augen des Versicherers gebe es<br />
im Gesundheitswesen wichtige Verän-<br />
derungen, erläuterte anschliessend Otto<br />
Bitterli: Der Stellenwert des Hausarz-<br />
tes sei im elektronischen Zeitalter klei-<br />
ner geworden, der Einfluss der Politi-<br />
ker auf kantonaler und eidgenössischer<br />
Ebene nehme gleichzeitig zu, ohne dass<br />
diese jedoch eine klare Einigkeit fänden.<br />
«Statt Liberalisierung besteht heute ein-<br />
deutig die Tendenz zu vermehrter Regu-<br />
lierung», sprach der CEO der Sanitas-<br />
Gruppe Klartext.<br />
Der Kostendruck im Gesundheitswesen<br />
und auch der weit verbreitete Drang zur<br />
optimalen, möglichst billigen Versiche-<br />
rungsdeckungmachtenumfassendeSys- temveränderungen fast unmöglich. Otto<br />
Bitterli: «Alle Reformversuche scheitern<br />
an den Partikularinteressen.» Dabei hät-<br />
ten gerade die Ärzte und die Patienten,<br />
wenn sie endlich geeint wären, grosse<br />
Einflussmöglichkeiten. Wenn sich aber<br />
die Ärzte und die Krankenkassen nicht<br />
zu einvernehmlichen Lösungen zusam-<br />
menfinden, werde das Gesundheitswe-<br />
sen vom Staat reguliert. «<strong>Die</strong>ser hat kein<br />
Interesse aneiner Liberalisierung.»<br />
<strong>Die</strong> rege benutzte Diskussion zeigte die<br />
Schwierigkeitauf,aus demDilemma her-<br />
auszukommen. Einig waren sich die Teil-<br />
nehmerinnen undTeilnehmeraberinder<br />
Forderung, das Vertrauen in das zwar<br />
anerkannt gute, aber ineffiziente und<br />
zu teure Gesundheitswesen bald wieder<br />
herzustellen, den Kontrahierungszwang
59<br />
zugunsten eines klaren Wettbewerbs<br />
aufzuheben, den Praxiseröffnungsstopp<br />
raschmöglichst zu streichen, die Daten-<br />
transparenz zu verbessern, und den<br />
Föderalismus zugunsten von globaleren<br />
Lösungen zu verlassen. Das unterneh-<br />
merische Denken der jungen Ärzte sei<br />
zu fördern, fanden viele Anwesende.<br />
Schliesslichsollteder Patientals «Kunde»<br />
das blosse Konsumdenken ablegen und<br />
stattdessen als Teilhaber inden Wettbe-<br />
werb im Gesundheitswesen eingeschlos-<br />
sen werden.<br />
Zyklus «Mehr liberalisieren oder mehr<br />
regulieren im Gesundheitswesen?»; Lili-<br />
enberg-Kolloquium vom 8. März 2010<br />
«Wie kann die Liberalisierung die Grund-<br />
versorgung beeinflussen?» mit Dr. med.<br />
Walter Grete, Allgemeinmedizin FMH,<br />
Bachenbülach und Otto Bitterli, CEO,<br />
Sanitas Gruppe Zürich; Moderation: Dr.<br />
med. Peter Eichenberger (Aktionsfeld<br />
Gesundheit & Umwelt).<br />
<strong>Die</strong> Referenten Dr. med. Walter Grete (zweiter von links) und Otto Bitterli (zweiter von rechts) besprechen sich vor dem Kolloquium<br />
mit den Aktionsfeld-Verantwortlichen Dr. med. Peter Eichenberger (links) und Dr. med. Hans-Ulrich Kull.
60<br />
Von Max Becker<br />
Berechtigte Hoffnungen<br />
nach der Finanzkrise<br />
Weltweit gerieten die Finanzdienst-<br />
märkte im Jahr 2008 ins Schlingern.<br />
Risiken wurden falsch eingeschätzt,<br />
Anreize falsch gesetzt und die ersten<br />
sich abzeichnenden Alarmsignale nicht<br />
wahrgenommen. Im Rahmen eines<br />
Fachgesprächs auf <strong>Lilienberg</strong> versuchten<br />
hochkarätige Teilnehmende aus Politik<br />
und Wirtschaft, die aktuelle Lage des<br />
Finanzplatzes Schweiz zu bewerten.<br />
Weil die Märkte heute extrem vernetzt<br />
sind, konnte sich auch der Finanzplatz<br />
Schweiz der Krise nicht entziehen. Aller-<br />
dings ist anzumerken, dass innerhalb<br />
der Branche grosse Unterschiede zwi-<br />
schen den Bankinstituten festzustellen<br />
waren <strong>–</strong> es gab auch «weisse Schafe».<br />
<strong>Die</strong> Erosion der Märkte im Ausland<br />
führte aber auch dazu, dass nicht nur<br />
die Märkte an sich, sondern auch das<br />
Vertrauen in ihre Zukunft stark erschüt-<br />
tert wurden.<br />
Im Rahmen eines <strong>Lilienberg</strong>-Fachge-<br />
sprächs am 17. und 18. März unter-<br />
suchten Fachkräfte aus Politik und Wirt-<br />
schaft den Finanzplatz Schweiz und<br />
loteten aus, welche vertrauensbilden-<br />
den Massnahmen zu einer Renaissance<br />
des Finanzplatzes Schweiz beitragen<br />
könnten. <strong>Die</strong> Runde der Experten bot<br />
Gewähr da<strong>für</strong>, dass alle «stakeholders»<br />
vertreten waren:<br />
Einleitend stellte Dr. Hans Vontobel, Mit-<br />
Initiant des Fachgesprächs, fest, dass<br />
•den Zahlen in der heutigen Wirtschaft<br />
ein Stellenwert zugewiesen wird, den<br />
sie nicht verdienen. <strong>Die</strong> Werte haben<br />
gelitten, die Zahlen haben den Blick<br />
<strong>für</strong> das Ganze getrübt.<br />
•das kurzfristige Denken hinderlich <strong>für</strong><br />
die ganzheitliche Lösung von Proble-<br />
men ist.<br />
BILDUNG<br />
•sich die das Verhalten der Kunden<br />
geändert hat <strong>–</strong> ihre Rendite-Erwar-<br />
tungen waren mit ein Grund <strong>für</strong> oft<br />
falsche Risiko-Beurteilungen.<br />
«Finanz-Tornado» gut überstanden<br />
In der Diskussion stellten die Teilneh-<br />
menden zunächst fest, dass die Schweiz<br />
den «Finanz-Tornado» vergleichsweise<br />
gut überstanden habe. In der Tat: <strong>Die</strong><br />
Staatshilfe belief sich in der Schweiz<br />
nur auf rund 8 Prozent des Brutto-<br />
Inlandprodukts. Zum Vergleich: In den<br />
USA und Grossbritannien war sie rund<br />
10 Prozent grösser. Und selbst im wirt-<br />
schaftlich schwierigen Jahr 2009 gelang<br />
es der Schweiz, Schulden abzutragen.<br />
Allerdings sei nicht zu leugnen, so die<br />
Diskussionsvoten, dass die Probleme<br />
des Finanz-<strong>Die</strong>nstleistungssektors auch<br />
sichtbare Spuren in den andern Wirt-<br />
schafts-Sektoren <strong>–</strong> und damit auch auf<br />
dem Arbeitsmarkt <strong>–</strong> hinterlassen haben:<br />
<strong>Die</strong> Exporte in einzelnen Branchen (zum<br />
Beispiel der Auto-Zulieferbranche) erleb-<br />
ten noch nie gesehene Einbrüche, auch<br />
wenn aus heutiger Sicht festzustellen<br />
ist, dass eine Erholung absehbar ist.<br />
Andere Wirtschaftszweige, wie die Bau-<br />
wirtschaft, weisen einen Arbeitsvorrat<br />
auf, der es erlaubt, die Delle der Krise zu<br />
überbrücken.<br />
Als wichtigste Punkte kristallisierten sich<br />
heraus:<br />
«too big to fail»:<br />
Es ist nicht die Grösse eines Instituts,<br />
die eine Krise bewirken kann, sondern<br />
das Risikoprofil ist entscheidend <strong>–</strong> hier<br />
ist (auch) der Regulator gefragt. Am<br />
Schluss sind es aber nicht die «Weisun-<br />
gen» und «Richtlinien», sondern die
Von links: Hans Gall, Dr. Remi-F. Notter, Gerold Bührer, Dr. h.c. Jean-Daniel Gerber, Christoph Vollenweider, Andreas Rieger, Christine<br />
Holstein, Dr. Gerhard Schwarz, Urs Limacher, Dr. Hans-Ulrich Doerig, Lucius Dürr, Dr. Hans Vontobel, Martin Scholl, Prof. Ernst Mohr,<br />
Manfred Schellhammer, Stefan Loacker, Dr. Max Becker, Georg Staub. Nicht auf dem Foto: Dr. h.c. Walter Reist, Verena <strong>Die</strong>ner.<br />
Menschen, welche die Umsetzung zu<br />
verantworten haben <strong>–</strong> und welche auch<br />
die Anreize setzen. Bei allen Fragezei-<br />
chen um Grösse muss doch erkannt<br />
werden, dass «Kleinheit» allein auch<br />
keine Gewähr <strong>für</strong> Erfolg bietet.<br />
Bankkundengeheimnis:<br />
<strong>Die</strong> Änderung vonStandardsbraucht Zeit<br />
<strong>–</strong>esgibt keinen Grund <strong>für</strong> übereilte und<br />
unbedachte Aktionen, und eine unge-<br />
rechtfertigte Kriminalisierung von Bank-<br />
kunden muss vermieden werden. <strong>Die</strong><br />
Banken können auch nicht der verlän-<br />
gerte Arm von Steuerbehörden im In-<br />
undAusland werden. <strong>Die</strong> Unterscheidung<br />
zwischen Steuerbetrug und Steuerhin-<br />
terziehung muss weiter geklärt werden,<br />
aber auch hier: Es muss sichergestellt<br />
sein, dass Änderungen, die der Finanz-<br />
platz Schweiz anstrebt, auch von andern<br />
Finanzplätzen imgleichen Umfang nach-<br />
vollzogen werden. <strong>Die</strong> «gleich langen<br />
Spiesse»bleiben einThema.<br />
Regulierung:<br />
Es ist eine grosse Herausforderung, das<br />
richtige Mass an Regulierung zu fin-<br />
den <strong>–</strong> vielleicht waren fehlende oder<br />
zahnlose Regulierungen mit ein Grund<br />
<strong>für</strong> die Entstehung der Krise <strong>–</strong> aber<br />
das Kind sollte nicht mit dem Bad aus-<br />
geschüttet werden und eine «Regu-<br />
lierungswut» wird auch unternehme-<br />
rische Initiativen dämpfen. Und: <strong>Die</strong><br />
nächste Krise wird sicher wieder anders<br />
gestaltet sein <strong>–</strong>und dann sind wieder<br />
andere Regulierungen gefragt. Wenn<br />
man heute wüsste, was morgen regu-<br />
liert werden muss, gäbe eskeine Kri-<br />
sen mehr.<br />
Vertrauen:<br />
<strong>Die</strong> Finanzkrise war und ist nicht nur<br />
eine «Krise der Zahlen und Resul-<br />
tate», sondern eine Vertrauenskrise<br />
<strong>–</strong> und dies auf vielen Ebenen: zwi-<br />
schen den Finanz-instituten, zwischen<br />
Banken und Regulator, zwischen den<br />
Banken und der Öffentlichkeit, zwi-<br />
schen den Banken und der Politik. Wir<br />
alle wissen, dass Vertrauen in kurzer<br />
Zeit zerstört werden kann, aber es<br />
braucht viel Zeit, bis Geschäftsbezie-<br />
hungen wieder frei von Argwohn und<br />
Misstrauen sind.<br />
Sozialpartner/ Öffentlichkeit/<br />
Medien:<br />
<strong>Die</strong> Sozialpartnerschaft war während<br />
der Krise Belastungsproben ausgesetzt,<br />
aber sie hat sich als nachhaltig erwie-<br />
sen. <strong>Die</strong> Entwicklung der Beschäfti-<br />
gung nach der Krise hat auch gezeigt,<br />
dass Aussicht auf Erholung auf breiter<br />
Front besteht. Vielleicht werden aber<br />
die Beschäftigungsmuster der Zukunft<br />
nicht mehr die gleichen Muster wie<br />
heute sein. Gerade vor diesem Hinter-<br />
grund darf es kein Nachlassen bei der<br />
Ausbildung von Kader und Mitarbeiten-<br />
den geben.<br />
Krisen sind auch die Zeiten der Popu-<br />
listen; mit Schlagworten werden keine<br />
Krisen bewältigt, aber die mediale Auf-<br />
arbeitung der Krise ist natürlich unver-<br />
meidlich. <strong>Die</strong> heutige Medienlandschaft<br />
birgt die Gefahr der Personalisierung in<br />
sich <strong>–</strong> gefragt sind oft nicht Lösungen,<br />
sondern Schuldige, Täter und Opfer.<br />
Das zu bedauern, ist zwar verständlich,<br />
aber gleichzeitig muss anerkannt wer-<br />
den, dass das Rad der Zeit nicht zurück-<br />
gedreht werden kann.
62<br />
Zu früh <strong>für</strong> Schlussbeurteilung<br />
Es ist keine neue Erkenntnis, wenn<br />
man in Krisen auch Chancen sieht,<br />
aber gerade diese Krise weist die reale<br />
Chance zu einer Renaissance auf: <strong>Die</strong><br />
Rahmenbedingungen der Schweiz wer-<br />
den im internationalen Kontext als nach<br />
wie vor sehr gut bewertet und die wahr-<br />
nehmbaren Zeichen nach der Krise las-<br />
sen berechtigte Hoffnungen erkennen,<br />
dass die Krise nicht ohne Konsequenzen<br />
bleiben wird, allerdings ist es <strong>für</strong> eine<br />
abschliessende Beurteilung eindeutig zu<br />
früh. Einiges kann festgehalten werden:<br />
Es braucht<br />
•verstärkte Kooperations- und Dia-<br />
logbereitschaft von Wirtschaft und<br />
Politik;<br />
•den Mut, vom «Quartalsdenken»<br />
wegzukommen;<br />
•die Einsicht, dass die Schweiz sich in<br />
einem hochkompetitiven internatio-<br />
nalen Umfeld behaupten muss;<br />
•die Weitsicht, langfristig griffige,<br />
verbindliche (aber nicht einengende)<br />
Schlussfolgerungen zu ziehen: Wie-<br />
derherstellung der Werte, Vertrauen<br />
in die Stärke unserer Wirtschaft,<br />
Augenmass bei der Regulierung<br />
und entschlossenes, innovatives<br />
Handeln.<br />
Fachgespräch «Renaissance des Finanz-<br />
platzes Schweiz?» vom 17. bis 18. März<br />
2010. Moderation: Hans Gall, Mitglied<br />
des <strong>Lilienberg</strong>rates, und Dr. Hans Von-<br />
tobel, Ehrenpräsident der Vontobel<br />
Gruppe.<br />
Teilnehmerschaft aus Politik und Wirtschaft<br />
Moderatoren:<br />
•Hans Gall, <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
•Dr. Hans Vontobel, Ehrenpräsident der Vontobel <strong>–</strong> Gruppe<br />
Teilnehmende:<br />
Dr. h.c. Walter Reist, Präsident des Stiftungsrates der Stiftung<br />
<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
Gerold Bührer, Präsident Economiesuisse<br />
Verena <strong>Die</strong>ner, Ständerätin Kanton Zürich<br />
Dr. Hans-Ulrich Doerig, VR-Präsident Credit Suisse Group AG<br />
Lucius Dürr, Direktor Schweizerischer Versicherungsverband<br />
Dr. h.c. Jean-Daniel Gerber, Staatssekretär EVD, Direktor Seco<br />
Urs Limacher, Mitglied der Geschäftsleitung Zimmer GmbH<br />
Stefan Loacker, CEO Helvetia Versicherungen<br />
Prof. Ernst Mohr, Rektor der Universität St. Gallen<br />
Dr. Remi-F. Notter, Partner und GL-Mitglied Neue Partner Bank AG<br />
Andreas Rieger, Co-Präsident Unia,<br />
Manfred Schellhammer, CEO Kühne&Nagel Schweiz<br />
Martin Scholl, CEO Zürcher Kantonalbank<br />
Dr. Gerhard Schwarz, stv. Chefredaktor NZZ; designierter Direktor Avenir Suisse<br />
Georg Staub, Direktor Swissstaffing (Verband der Personaldienstleister der Schweiz)<br />
Christoph Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong> <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
Christine Holstein, Mitglieder der Direktion Swisscanto (Redaktion)<br />
Dr. Max Becker, Leiter Aktionsfeld «Wirtschaft und Industrie» <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />
nehmerforum.
63<br />
Von Andreas Jäggi<br />
SCHLUSSPUNKT<br />
<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> ein ort<br />
unternehmerischer Kreativität<br />
Kreativität und <strong>Unternehmertum</strong> bedin-<br />
gen sich wechselseitig. Das <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum fördert beides und<br />
setzt damit Impulse in vielseitigen Berei-<br />
chen der Gesellschaft.<br />
Kreativität ist ein wesentliches Element<br />
<strong>für</strong> ein erfolgreiches <strong>Unternehmertum</strong>.<br />
Ohne Kreativität ist keine Innovation<br />
möglich, und ohne Innovation besteht<br />
kein Unternehmen auf Dauer. Produkte<br />
und <strong>Die</strong>nstleistungen müssen laufend<br />
weiterentwickelt und verbessert wer-<br />
den, um sich den veränderten Kunden-<br />
bedürfnissen anzupassen.<br />
Als einer der ersten befasste sich um<br />
1950 Joy Paul Guilford intensiv mit dem<br />
Thema Kreativität. Seither hat sich die<br />
Kreativitätsforschung ständig weiter-<br />
entwickelt. Heute besteht weitgehend<br />
Einigkeit, dass der kreative Prozess in<br />
fünf Phasen eingeteilt werden kann.<br />
Nach einer Vorbereitungsphase folgt<br />
die Inkubations- oder Reifungsphase,<br />
bis sich dann die Einsicht oder das Aha-<br />
Erlebnis einstellt. Aber erst durch die ein-<br />
gehende Bewertung und die anschlies<br />
sende Ausarbeitung der Idee findet der<br />
Prozess sein Ende und mündet in echte<br />
Innovation.<br />
Routine als Kreativitätskiller<br />
Was nun hat dies alles mit dem Lilien-<br />
berg Unternehmerforum zu tun? Mei-<br />
ner Meinung nach viel, denn damit sich<br />
Kreativität entfalten kann, braucht es<br />
nicht nur Problemsensitivität, Konzent-<br />
ration, analytisches Denken und Mut zu<br />
Neuem, sondern auch Ablenkung und<br />
Veränderung, die inspirierende Umge-<br />
bung und das Gespräch mit anderen.<br />
Routine ist ein Kreativitätskiller. Viele<br />
haben beobachtet, dass ihre kreativs-<br />
ten Leistungen nicht an ihrem norma-<br />
len Arbeitsplatz entstehen. Eine Orts-<br />
veränderung, zum Beispiel eine Klausur<br />
oder eine Begegnung auf <strong>Lilienberg</strong> mit<br />
neuen Eindrücken und ohne den Druck<br />
der Alltagsgeschäfte lässt der Kreativität<br />
den nötigen Raum und macht aufge-<br />
schlossen <strong>für</strong> Veränderung.<br />
Doch <strong>Lilienberg</strong> bietet nicht nur die ein-<br />
fache Veränderung des Ortes, sondern<br />
ermöglicht mit seiner ganzen Anlage<br />
und besonders mit den Erlebnisräumen<br />
ein unverwechselbares inspirierendes<br />
Angebot seines genius loci. Der Besu-<br />
cher wird zum Nach- und Neudenken<br />
angeregt, erhält Impulse und einen Ein-<br />
blick in neue Denkzusammenhänge.<br />
Und vor allem lässt <strong>Lilienberg</strong> einen<br />
wohl fühlen <strong>–</strong> eine gute Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> kreative Leistungen.<br />
Mit dem Aha-Erlebnis der Idee ist<br />
jedoch nur der Anfang gemacht. Für<br />
ihre Bewertung ist das Gespräch mit<br />
anderen äusserst wertvoll, ja unverzicht-<br />
bar. Und wenn dies mit Menschen mit<br />
unternehmerischer Erfahrung gesche-<br />
hen kann, sind der Praxisbezug und<br />
die Chance auf eine realistische Ein-<br />
schätzung <strong>für</strong> die erfolgreiche Umset-<br />
zung am ehesten gegeben. Hier spielt<br />
das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum sei-<br />
nen wichtigsten Trumpf aus, als Ort, an<br />
dem sich unternehmerische Persönlich-<br />
keiten einfinden. Menschen, die offen<br />
sind, ihre Erfahrungen zu teilen und sich<br />
damit auch als «Sparringpartner» <strong>für</strong><br />
die eigene Kreativität anbieten.<br />
<strong>Die</strong> Vorzüge des <strong>Lilienberg</strong> Unterneh-<br />
merforums sind schon über zwei Jahr-
64<br />
zehnte erprobt und bewährt. Meine<br />
Vision ist, dass <strong>Lilienberg</strong> noch weit<br />
mehr als heute von der Unternehmer-<br />
schaft genutzt wird, dass sich <strong>Lilienberg</strong><br />
sozusagen zu dem Ort unternehmeri-<br />
scher Kreativität schlechthin entwickelt.<br />
Damit werden nicht nur Unternehmer,<br />
sondern die gesamte Gesellschaft starke<br />
Impulse erhalten.<br />
Dank Kreativität in eine<br />
sichere Zukunft<br />
Kreativität und der Wille zur Um-<br />
und Durchsetzung neuer Ideen sind<br />
das Ge-genteil von Trägheit, untäti-<br />
gen Lamentierens oder gar Resignie-<br />
rens vor den grossen Herausforderun-<br />
gen der Zukunft und der Komplexität<br />
vieler Probleme. <strong>Die</strong> Kreativität des<br />
<strong>Unternehmertum</strong>s ist mehr als ein<br />
wirtschaftlicher Faktor, sondern das<br />
Lebenselixier unserer Gesellschaft und<br />
die Sicherung unserer Zukunft. Ohne<br />
unternehmerische Kreativität ist alles<br />
nichts. Hat dies nicht auch auch schon<br />
Johann Wolfgang von Goethe auf<br />
seine Art im «west-östlichen Divan»<br />
gesagt?<br />
«Und solang du das nicht hast,<br />
<strong>Die</strong>ses: Stirb und werde!<br />
Bist Du nur ein trüber Gast<br />
Auf der dunklen Erde.»<br />
Menschen mit unternehmerischer Erfahrung tauschen sich auf <strong>Lilienberg</strong> aus <strong>–</strong> eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> kreative Leistungen.
65<br />
Eine Begegnung auf <strong>Lilienberg</strong> lässt Alltagsgeschäfte vergessen und macht aufgeschlossen <strong>für</strong> Veränderung.
66<br />
oRGaNISaTIoN<br />
Nutzen einer Mitgliedschaft<br />
Ziel des <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
ist der Erhalt und die Förderung des<br />
lebendigen <strong>Unternehmertum</strong>s. Unter-<br />
stützen Sie unser Engagement mit einer<br />
Mitgliedschaft als…<br />
… <strong>Lilienberg</strong> Freund<br />
Für einen Jahresbeitrag von CHF 500.<strong>–</strong><br />
sind Sie Mitglied der <strong>Lilienberg</strong> Gemein-<br />
schaft und können unentgeltlich mit<br />
einer Begleitperson unternehmerische<br />
Auseinandersetzungen in unserenForen,<br />
Rezitals, Besonderheiten, Kolloquien,<br />
Tagungen (ohne Begleitung), Ausseror-<br />
dentlichen Gesprächen und <strong>Lilienberg</strong>-<br />
Gesprächen erleben. Ausserdem erhal-<br />
ten Sie alle Publikationen, neben der<br />
«<strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong>», dem «<strong>Lilienberg</strong><br />
Ausblick» auch die «<strong>Lilienberg</strong> Schrift»<br />
und das «<strong>Lilienberg</strong> Spektrum».<br />
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können SieohneBegleitung unentgeltlich<br />
unsere Foren und Besonderheiten erle-<br />
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beispielsweise an Foren im <strong>Lilienberg</strong>-Zentrum.
oRGaNISaTIoN<br />
Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum ...<br />
ist ein unternehmerisches Erlebnis- und Begegnungszentrum. Mit seiner traumhaften Lage und seiner einmaligen Umgebung ist Lilien-<br />
berg eine Oasedes Nachdenkens, wo mansichfinden, einbringen undklärenkann. DasUnternehmerforumist einOrt derBegegnung,<br />
der Gespräche und der Bildung. Hier treffen sich unternehmerisch denkende und wirkende Persönlichkeiten aus allen Bereichen sowie<br />
deren Mitarbeiterschaft. Umdie Ziele zu verwirklichen, bietet das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum unternehmerisch interessierten Men-<br />
schen in den drei Bereichen Begegnung, Gespräch und Bildung verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten an.<br />
BEGEGNUNG<br />
In verschiedenen Einzelveranstaltun-<br />
gen mit aussergewöhnlichen Persön-<br />
lichkeiten treffen sich unternehmeri-<br />
sche Menschen aus Wirtschaft, Politik,<br />
Gesellschaft und Armee und kommen<br />
miteinander ins Gespräch, um sich<br />
gegenseitig zu begegnen und nachhal-<br />
tig kennen zu lernen.<br />
Im Bereich Begegnung unterscheiden<br />
wir folgende Veranstaltungen:<br />
■ Im <strong>Lilienberg</strong> Forum tritt eine ausser-<br />
gewöhnliche Persönlichkeit auf und<br />
berichtet aus ihrem Wirkungskreis.<br />
■ Der <strong>Lilienberg</strong>-Preis wird alle zwei<br />
Jahre an beispielhafte unternehme-<br />
rische Persönlichkeiten und Instituti-<br />
onen verliehen.<br />
■ <strong>Die</strong> <strong>Lilienberg</strong>-Rezitale dienen der<br />
Begegnung von Persönlichkeiten<br />
in einem kulturellen Rahmen, der<br />
gleichzeitig jungen Künstlern eine<br />
wertvolle Plattform bietet.<br />
Im Bereich Gespräch werden wirtschaft-<br />
liche, politische und gesellschaftliche<br />
Fragen im Zusammenhang mit dem<br />
<strong>Unternehmertum</strong> in folgenden Aktions-<br />
feldern behandelt:<br />
<strong>–</strong>Sicherheit & Armee<br />
<strong>–</strong>Medien & Kommunikation<br />
<strong>–</strong>Gesundheit & Umwelt<br />
<strong>–</strong>Unternehmenskultur & -ethik<br />
<strong>–</strong>Wirtschaft & Industrie<br />
<strong>–</strong>Politik & Gesellschaft<br />
<strong>–</strong>Bildung & Sport<br />
<strong>Die</strong> Fragestellungen werden in<br />
Gesprächszyklen vertieft behandelt, die<br />
in der Regel ein Jahr dauern und aus<br />
mehreren Kolloquien, einer Tagung und<br />
einem abschliessenden Ausserordentli-<br />
chen Gespräch bestehen. Daneben wer-<br />
den kurze Zyklen organisiert, welche<br />
herausfordernde tagesaktuelle Themen<br />
zum Inhalt haben.<br />
GESPRÄCH<br />
BILDUNG<br />
Unter dem Motto «Unternehmer schu-<br />
len Unternehmer» bietet <strong>Lilienberg</strong><br />
Er-lebnis-Gesprächstage sowohl zu un-<br />
ternehmerischen Grundsatzthemen als<br />
auch zu Sach- und Fachthemen an. Im<br />
Mittelpunkt stehen jeweils eine Ver-<br />
gleichspersönlichkeit und deren unter-<br />
nehmerische Erfahrungen. <strong>Die</strong> Seminar-<br />
teilnehmer denken dabei selber vertieft<br />
über sich und über die eigene Posi-<br />
tion nach und bringen gegenseitig ihre<br />
Erfahrungen ein.<br />
■ Unternehmergespräche<br />
Unternehmergespräche behandeln die<br />
unternehmerischen Grundsatzfragen,<br />
zum Beispiel: Aufbau und Organisation,<br />
Generationenwechsel, finanzielle Stär-<br />
kung.<br />
■ Sachgespräche<br />
In Sachgesprächen geht esvor allem um<br />
die Fragen rund umden geeigneten Mit-<br />
teleinsatz.<br />
■ Fachgespräche<br />
In diesen Gesprächen geht es in erster<br />
Linie um die Bewältigung der Alltages-<br />
probleme von KMUs wie Rekrutierung<br />
und Schulung von Mitarbeitern, Ver-<br />
handlung mit Banken.
<strong>Lilienberg</strong> <strong>Unternehmertum</strong><br />
Industriestrasse 1<br />
CH-8340 Hinwil<br />
Telefon +41 44 938 70 00<br />
Fax +41 44 938 70 99<br />
<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
Blauortstrasse 10<br />
CH-8272 Ermatingen<br />
Telefon +41 71 663 23 23<br />
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