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Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum

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<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />

<strong>Unternehmertum</strong><br />

Nummer 22 / Mai 2010


UNTERNEHMERTUM<br />

3 Editorial<br />

4 Mit Weitsicht zu neuen Horizonten<br />

aufbrechen<br />

6 Der gute Unternehmer stellt sich<br />

den Veränderungen<br />

BEGEGNUNG<br />

8 Peter Brabeck-Letmathe: Schweiz<br />

darf Standortvorteil nicht preisge-<br />

ben<br />

13 Ausdrucksstarke Stimme <strong>–</strong> gefühl-<br />

volle Lieder<br />

15 Gelebtes <strong>Unternehmertum</strong> <strong>–</strong> Wal-<br />

ter Reists Beitrag an die moderne<br />

Medienindustrie<br />

20 <strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> die Fundgrube <strong>für</strong><br />

Menschensammler<br />

<strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />

<strong>Unternehmertum</strong><br />

Nr. 22 <strong>–</strong> Mai 2010<br />

© Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, Ermatingen<br />

GESPRÄCH<br />

23 Dr. David W. Syz: Filmemacher mit<br />

Fokus auf die Entwicklungspolitik<br />

27 «Ja zur Schweiz»: Ja zur eigenstän-<br />

digen Rechtsordnung <strong>–</strong> Ja zu einer<br />

freiheitlichen Wirtschaftsordnung<br />

31 Schweizer Armee: Auftrag und<br />

Ressourcen müssen übereinstim-<br />

men<br />

36 Ethik soll im Unternehmen Einzug<br />

halten<br />

38 Wertschätzung und Respekt sind<br />

keine Worthülsen<br />

39 Agrarfreihandel in Frage gestellt<br />

42 Weg von der «Guillotine 65»<br />

44 Welche Nutzen haben Medien <strong>für</strong><br />

die Demokratie?<br />

45 Wirtschaft fordert neue Ausrich-<br />

tung der Ausbildung <strong>für</strong> General-<br />

stabsoffiziere<br />

Herausgeberin<br />

Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum<br />

CH-8272 Ermatingen<br />

Telefon +41 71 663 23 23<br />

Fax +41 71 663 23 24<br />

info@lilienberg.ch<br />

www.lilienberg.ch<br />

48 <strong>Die</strong> Lust an der Behördenarbeit in<br />

BILDUNG<br />

60 Berechtigte Hoffnungen nach der<br />

Finanzkrise<br />

SCHLUSSPUNKT<br />

63 <strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> ein Ort unternehmeri-<br />

scher Kreativität<br />

Redaktion und Konzeption<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, Hinwil<br />

Stefan Bachofen, Wilhelm Knecht<br />

Bilder<br />

Fredy Blunier, Sandra Stierberger,<br />

Vinzenz Zahner<br />

Druckvorstufe<br />

Zürichsee Druckereien AG, Stäfa<br />

Druck<br />

der Gemeinde wecken<br />

50 Positiver Start ins Leben als Schlüs-<br />

selfaktor<br />

51 Leistungsstarke sollen stärker ge-<br />

fördert werden<br />

53 Hausärzte leiden unter dem Kos-<br />

tendruck<br />

58 Zu viele Regulierungen im Gesund-<br />

heitswesen<br />

pmc, Oetwil am See


3<br />

Von Christoph Vollenweider<br />

<strong>Die</strong> 22. Ausgabe der <strong>Lilienberg</strong>zeitschrift<br />

erscheint in einemneuen Kleid.Inunserer<br />

frisch und modern gestalteten Publika-<br />

tion berichten wir wiederüber die vielfäl-<br />

tigenAktivitäten des<strong>Lilienberg</strong> Unterneh-<br />

merforums.Neben demErscheinungsbild<br />

passen wir auch die Erscheinungshäufig-<br />

keit an. Indiesem Jahr wird unsere Zeit-<br />

schrift drei Mal (statt bisher zwei Mal)<br />

herauskommen, ab2011 viermal jährlich<br />

<strong>–</strong> knapper im Umfang, aber inhaltlich<br />

deutlichaktueller alsbisher!<br />

<strong>Die</strong>sen Zeitpunkt <strong>für</strong> die Erneuerung<br />

unserer<strong>Zeitschrift</strong> habenwir nichtzufällig<br />

gewählt. Das neue Bild unserer Publika-<br />

tion symbolisiert auch den Wandel, dem<br />

sich der <strong>Lilienberg</strong> unterziehen will: Das<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum befindet<br />

sich seit diesem Frühjahr auf dem Weg<br />

zurunternehmerischen Eigenständigkeit!<br />

Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum und<br />

seine Aktivitäten sind seit seinem Beste-<br />

hen Verkörperung und Umsetzung der<br />

Ziele der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unterneh-<br />

merforum, nämlich die Förderung des<br />

unternehmerischen,freiheitlichen Gedan-<br />

kengutes, kurz des<strong>Unternehmertum</strong>s.<br />

EDIToRIaL<br />

Unternehmerisches Denken<br />

und Wirken auf <strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Lilienberg</strong> begleitet und stärkt die Unter-<br />

nehmerschaft in ihrem Selbstverständnis<br />

und Wirken. <strong>Lilienberg</strong> ist ein Zentrum,<br />

wo sich Unternehmer und unternehme-<br />

risch Interessierte aus allen Kreisen tref-<br />

fen und austauschen. Dabei gewinnen<br />

sie Halt, Wertschätzung und Zuversicht.<br />

Zudem stärkt <strong>Lilienberg</strong> die Unterneh-<br />

merschaft in der Auseinandersetzung<br />

mit den relevanten wirtschaftlichen, poli-<br />

tischen und gesellschaftlichen Fragen<br />

unserer Zeit. <strong>Lilienberg</strong> ist ein Ort des<br />

Austauschs und gegenseitigen Lernens.<br />

<strong>Lilienberg</strong> stellt seine <strong>Unternehmertum</strong>-<br />

Philosophie, welche im wesentlichen<br />

auf ganzheitlichem Denken und Wir-<br />

ken unter Berücksichtigung der mensch-<br />

lichen, sachlichen und wirtschaftlichen<br />

Aspekte beruht, zum Vergleich <strong>–</strong>nicht<br />

als Lehrmeinung, sondern als Beispiel <strong>für</strong><br />

gelebtes<strong>Unternehmertum</strong>.<br />

Nach gut 20Jahren unternehmerischen<br />

Denkens hält auf <strong>Lilienberg</strong> nun auch<br />

das unternehmerische Wirken und Han-<br />

deln in eigener Sache Einzug: Das Unter-<br />

nehmerforum wird künftig als Unterneh-<br />

men geführt, das heisst, dass wir den<br />

Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

schreitet in die Eigenständigkeit<br />

Marktbedürfnissen noch mehr Beach-<br />

tung schenkenund unsere Produkte <strong>–</strong>die<br />

vielfältigen Aktivitäten <strong>–</strong> entsprechend<br />

gestalten undvermarktenwerden, wobei<br />

festzuhalten ist, dass am Zweck der Stif-<br />

tung nichts geändertwird.<br />

Wirsindüberzeugt, dass dieExistenzvon<br />

<strong>Lilienberg</strong> nur dann <strong>für</strong> die Zukunft als<br />

einzigartigesunternehmerischesErlebnis-<br />

zentrum gesichert werden kann, wenn<br />

es auch unternehmerisch geführt wird.<br />

Der Präsident des Stiftungsrates, Dr. h.c.<br />

Walter Reist, hat zudiesem Zweck die<br />

operative Leitung einem Dreierteam<br />

anvertraut: Aron Moser leitet das Unter-<br />

nehmerforum in Ermatingen, Daniel<br />

Anderes ist <strong>für</strong> die Finanzen und die Ver-<br />

waltung zuständig, während Christoph<br />

Vollenweider als Leiter <strong>Unternehmertum</strong><br />

den Sinn und Geist der Stiftung ver-<br />

tritt und <strong>für</strong> die Aktionsfelder zuständig<br />

ist. Das neue Leitungsteam ist sich sei-<br />

ner grossen Verantwortung bewusst und<br />

wird die anspruchsvolle, aber erfüllende<br />

unternehmerische Aufgabe mit Kreativi-<br />

tät, Risikobereitschaft und Engagement<br />

anpacken.<br />

Ihnenwünschen wirvielVergnügen beim<br />

Lesen unserer <strong>Zeitschrift</strong>. Wir freuen uns,<br />

mit Ihnen zusammen interessante und<br />

weiterführende Aktivitäten und Begeg-<br />

nungen auf<strong>Lilienberg</strong> zu erleben!


4<br />

Von Hans Gall<br />

Mit Weitsicht zu neuen<br />

Horizonten aufbrechen<br />

«Nicht immer fährt eine Gondelbahn<br />

auf den Berg!» Das gemeinsame Ziel<br />

kann oft nur über einen beschwerli-<br />

chen, steinigen und steilen Weg erreicht<br />

werden. Umso grösser sind aber die<br />

Befriedigung und die Freude, wenn wir<br />

den «Gipfel» erreicht haben. Wir schöp-<br />

fen Selbstvertrauen und können mit der<br />

errungenen Weitsicht neue Horizonte<br />

erkennen.<br />

Keine neue Weisheit, aber eine tief emp-<br />

fundene Erfahrung. Dazu einige, <strong>für</strong><br />

mich entscheidende Erfahrungswerte.<br />

Begeisterung <strong>für</strong> die Zielsetzung der<br />

Organisation, die Marke, die Aufgabe<br />

und/oder <strong>für</strong> das Produkt sind wesent-<br />

liche Voraussetzungen <strong>für</strong> das Enga-<br />

gement und die Leistungsbereitschaft.<br />

Dabei spielen das Sozialprestige in der<br />

Gesellschaft, der Markterfolg und die<br />

erreichte Wertschöpfung eine entschei-<br />

dende Rolle.<br />

Erkenntnis: <strong>Die</strong> unternehmerischen<br />

Werte, die Unternehmenskultur und der<br />

Einbezug der Familie als strategisches<br />

Zielfenster sind wichtige Grundlagen <strong>für</strong><br />

den unternehmerischen Erfolg.<br />

UNTERNEHMERTUM<br />

Hohe Ziele als Ansporn<br />

Ausgehend von einer Idee sind klare<br />

Ziele und Rahmenbedingungen zu for-<br />

mulieren und mit der notwendigen<br />

Begeisterung und Zuversicht dem Team<br />

und/oder den Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern zu kommunizieren. Dabei<br />

spielt auch die emotionale Komponente<br />

eine wichtige Rolle, im Sinne von: «Es<br />

wird schwierig werden, ich bin aber<br />

sicher, dass wir mit unserer Erfahrung<br />

und unseren Kompetenzen diese Her-<br />

ausforderung meistern werden».<br />

Erkenntnis: Hohe, aber erreichbare Ziele<br />

sind eine Wertschätzung gegenüber<br />

dem Team und den Mitarbeitern. Sie<br />

spornen an und fördern die Leistungs-<br />

bereitschaft.<br />

Alle Menschen streben nach Wertschät-<br />

zung und Anerkennung. Eine wichtige<br />

Leadershipqualität besteht deshalb darin,<br />

dieStärken undSchwächen derMitarbei-<br />

ter zuerkennen und sie inder Arbeitsor-<br />

ganisation und/oder Teambildung sach-<br />

und stufengerecht zu berücksichtigen.<br />

Erkenntnis: <strong>Die</strong> Rollenverteilung und die<br />

Rollenakzeptanz sind im Hinblick auf<br />

die Arbeitsorganisation und/oder die<br />

Teambildung ein Schlüsselfaktor <strong>für</strong> den<br />

Erfolg.<br />

Zielsetzungen müssen erfüllbar sein<br />

In allen Prozessen ist die sach- und<br />

stufengerechte Mitverantwortung ent-<br />

scheidend. Zu einer Aufgabenübertra-<br />

gung gehören deshalb zwingend auch<br />

klare, erfüllbare und terminierte Zielset-<br />

zungen, Leitplanken mit den entspre-<br />

chenden Freiräumen und stufen- und<br />

sachbezogenen Kompetenzen.<br />

Erkenntnis: <strong>Die</strong> Identifikation mit der<br />

Aufgabe, die Akzeptanz gegenüber den<br />

Vorgaben und positive Zwischenbespre-<br />

chungen im Sinne des Coachings füllen<br />

den «Energietank» der Mitarbeiter und<br />

sind deshalb weitere Schlüsselfaktoren<br />

<strong>für</strong> den Erfolg.<br />

Zeitdruck ist kontraproduktiv<br />

Erfolg gründet auf der Erkennung und<br />

mentalen Vorwegnahme der mittelfris-<br />

tigen und langfristigen Zukunft (Trends)<br />

und damit auf rechtzeitigen Impulsen<br />

<strong>für</strong> die Forschung und Entwicklung.<br />

Erkenntnis: Von Zeit zu Zeit Distanz<br />

suchen und sich die Zeit zur Klärung<br />

der eigenen Situation (Werte, Ideen,<br />

Haltungen, Prioritäten usw.) nehmen.<br />

Zersplitterung und Zeitdruck führen oft


5<br />

dazu, dass der Unternehmer vor lauter<br />

Bäumen den Wald nicht mehr sieht.<br />

Markt- und/oder Führungserfolg basiert<br />

auf einer umfassenden Wahrnehmung,<br />

auf ständigen Benchmarks und der Ver-<br />

<strong>Lilienberg</strong> lebt: Das Unternehmerforum bildet eine einmalige Begegnungsplattform<br />

<strong>für</strong> engagierte Unternehmer und Führungskräfte.<br />

besserung der eigenen Produkte im Hin-<br />

blick auf einen hohen Kundennutzen.<br />

Dazu gehören auch Werte wie zum<br />

Beispiel Qualität, Fairness, Vertrauen,<br />

Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit.<br />

Menschlich, sachlich, wirtschaftlich<br />

Unternehmerisches Wirken und Füh-<br />

rung sind ganzheitliche Tätigkeiten und<br />

umfassen immer<br />

•die menschliche,<br />

•die sachliche und<br />

•die wirtschaftliche Ebene.<br />

Wenn wir dies auf der Metaebene<br />

der Führung und branchenübergrei-<br />

fend betrachten, stellen wir fest, dass<br />

die Anforderungen an Unternehmer<br />

und Führungspersönlichkeiten in allen<br />

Gesellschaftsbereichen praktisch iden-<br />

tisch sind.<br />

Ganz im Gegensatz zur Sachkompe-<br />

tenz, die man sich aneignen oder ein-<br />

kaufen kann, stehen die menschlichen,<br />

emotionalen und innovativen Quali-<br />

täten, gepaart mit dem notwendigen<br />

Weitblick und der Begabung zur sach-<br />

und zeitgerechten Wahrnehmung, <strong>für</strong><br />

Unternehmer und Führungspersönlich-<br />

keiten im Zentrum.<br />

In diesem Sinne bildet das <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum eine einmalige<br />

Begegnungs-, Austausch- und Erlebnis-<br />

plattform <strong>für</strong> engagierte Unternehmer<br />

und Führungspersönlichkeiten.


6<br />

Von Peter Weiss<br />

Seit über 15 Jahren habe ich Einblick in<br />

die verschiedensten Unternehmungen.<br />

Zu den Kunden meiner Firma gehören<br />

Staatsbetriebe, KMUs sowie börsenko-<br />

tierte Grossbetriebe in Industrie, Han-<br />

del und <strong>Die</strong>nstleistung. <strong>Die</strong>se so unter-<br />

schiedliche Kundschaft ermöglichte es<br />

mir, über die Jahre hinweg, verschie-<br />

denste Unternehmer und Unterneh-<br />

menskulturen genauer zu beobachten<br />

und zu unterscheiden. Tatsache ist: Am<br />

erfolgreichsten sind jene Unternehme-<br />

rinnen und Unternehmer, die in der<br />

Lage sind, sich verändernden Phänomen<br />

anzupassen.<br />

Peter Weiss<br />

Inhaber und Geschäftsführer der Axcent AG,<br />

Volketswil<br />

Zweck des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb<br />

von Software; IT-Projektleitung und Umsetzung<br />

(Servicemanagement & Outsourcing)<br />

Peter Weiss ist Leiter der <strong>Lilienberg</strong>-Regionalgruppe<br />

Glattal<br />

UNTERNEHMERTUM<br />

Der gute Unternehmer stellt<br />

sich den Veränderungen<br />

Am besten spürbar ist nicht etwa der<br />

Unterschied zwischen Staatsbetrieben<br />

auf der einen und privaten Wirtschafts-<br />

betrieben auf der anderen Seite. Nein,<br />

es ist, zumindest aufgrund meiner eige-<br />

nen Erfahrungen, der Unterschied zwi-<br />

schen Unternehmungen, bei denen der<br />

Eigentümer selbst im Betrieb präsent ist,<br />

und Firmen, deren Eigentümer anonym<br />

sind, wie etwa bei grossen Publikums-<br />

Aktiengesellschaften.<br />

<strong>Die</strong> anonymen Eigentümer<br />

Grundsätzlich stellt sich bereits ganz an<br />

der Spitze die Frage: Wer entscheidet in<br />

Unternehmen, bei denen kein Aktionär<br />

eine eindeutige Mehrheit hat? Welches<br />

ist die Motivation der einzelnen Gremi-<br />

enmitglieder?<br />

Sehr oft habe ich gerade in unsicheren<br />

Zeiten erlebt, dass in solchen Unterneh-<br />

men Kaderleute kurzfristig ausgewech-<br />

selt werden und Begriffe wie Loyalität<br />

und Stolz, zu einer Firma zu gehören,<br />

nichts mehr bedeuten. <strong>Die</strong> Konse-<br />

quenzen sind oftmals, dass politisches<br />

Verhalten, um zu überleben, vor dem<br />

eigentlichen unternehmerischen Den-<br />

ken kommt. Oder noch schlimmer: Man<br />

nutzt die Zeit, in der man eine Position<br />

innehat, um sich persönlich maximal zu<br />

bereichern.<br />

Im Gegensatz zu Grossunternehmen<br />

kenne ich keinen KMU-Betrieb, der zur<br />

Kostenreduktion nicht auf Einsparun-<br />

gen im kleinen Rahmen und nicht erst<br />

ab jährlich einer halben Million Fran-<br />

ken verzichtet. Und von Grossunterneh-<br />

men kennt man gar Führungskräfte mit<br />

einem Jahreseinkommen von über einer<br />

halben Million Franken, die auf «krea-<br />

tive» Ideen kommen, um 40 Franken <strong>für</strong><br />

eine Taxifahrt ja nicht aus dem eigenen<br />

Portemonnaie bezahlen zu müssen. Sol-<br />

ches ist in KMU-Betrieben, allein schon<br />

weil es intern sofort bemerkt werden<br />

könnte, kaum der Fall. Fazit: Bei Unter-


7<br />

nehmen mit anonymen Eigentümern<br />

werden vor allem die finanziellen Konse-<br />

quenzen von Handlungen und Entschei-<br />

den nur in geringem Masse durch eine<br />

einzelne Person oder das Management<br />

mitverantwortet oder gar mitgetragen.<br />

<strong>Die</strong> erfolglosen Eigentümer<br />

Allein die Anwesenheit eines Eigentü-<br />

mers ist allerdings noch lange keine<br />

Garantie <strong>für</strong> den nachhaltigen Erfolg<br />

eines Unternehmens. <strong>Die</strong>se Erkenntnis<br />

konnte ich vor allem in der ehemaligen<br />

Textilindustrie gewinnen.<br />

In manchen traditionsreichen Textilbe-<br />

trieben der Schweiz war ich mit der<br />

Tatsache konfrontiert, dass die Leitung<br />

der Unternehmung über Generationen<br />

in Familienhand war. Familienmitglieder,<br />

die lange imSchatten des Vorgängers<br />

standen undoft durch mehr oderminder<br />

sanften Druck der Familie indie Position<br />

gedrängt wurden, unabhängig von den<br />

eigenen beruflichen Vorstellungen. So<br />

habe ich«Unternehmer» vonWebereien<br />

mit über 200 Personen kennengelernt,<br />

die mir sagten, dass sie eigentlich lieber<br />

Lehrer oder Künstler geworden wären.<br />

Statt mit echtem, innovativem Unter-<br />

nehmertum konnten sie durch die zum<br />

Teil grossenBesitztümer aus derVergan-<br />

genheit (vor allem Immobilien) Fehlent-<br />

scheide selber finanzieren und unrenta-<br />

ble Betriebe auf diese Weise über Jahre<br />

am Leben erhalten. Man könnte also<br />

sagen, dass auch ein gewisser Leidens-<br />

druckvon aussenfehlte. Leider hatten in<br />

solchen Firmen oft Kräfte, die eine grös-<br />

sere Veränderung herbeiführen wollten,<br />

keine Zukunft. Wie sollten sie auch,<br />

wenn derInhaber,aus welchen Gründen<br />

auch immer, ohnehin keine Veränderun-<br />

gen herbeiführen wollte?<br />

Fazit: Von meinen fünfzehn ehemaligen<br />

Kunden im Textilbereich bestehen heute<br />

nur noch drei. <strong>Die</strong> restlichen haben sich<br />

mehrheitlich auf die Umwandlung und<br />

Verwaltung der Geschäftsimmobilien<br />

in Lofts, Gewerbeliegenschaften oder<br />

Neubauten «spezialisiert».<br />

<strong>Die</strong> erfolgreichen Eigentümer<br />

Wesentlich positivere Erfahrungen habe<br />

ich mit Unternehmungen gemacht, die<br />

durch Unternehmer geführt werden,<br />

deren Motivation es ist, die Unterneh-<br />

mung stets neuen Gegebenheiten und<br />

sich verändernden gesellschaftlichen<br />

und politischen Phänomenen anzupas-<br />

sen. Ihr Antrieb ist es nicht, nach ihrem<br />

Ableben als reichste Person in Erinne-<br />

rung zu bleiben, sondern vielmehr wäh-<br />

rend ihres unternehmerischen Daseins<br />

auf eine gute Balance zwischen Arbeit,<br />

Familie und gesellschaftlicher Verant-<br />

wortung zu achten.<br />

Ich habe in der dritten Generation<br />

geführte Betriebe erlebt, die noch nie<br />

so erfolgreich waren wie jetzt. <strong>Die</strong>s,<br />

weil die «abtretende» Generation sich<br />

auf die «Pensionierung» vorbereitet und<br />

früh angefangen hatte, eine Tätigkeit<br />

ausserhalb der Unternehmung aufzu-<br />

nehmen.<br />

Auf<strong>Lilienberg</strong> den Weitblick fördern<br />

Aus meiner Sicht ist <strong>für</strong> einen Unterneh-<br />

mer unerlässlich, sich auch ausserhalb<br />

seiner Firma <strong>für</strong> verschiedenste Themen<br />

zu interessieren und sich weitergehend,<br />

auch in der Gesellschaft und in der<br />

Öffentlichkeit zu engagieren. <strong>Die</strong>s ver-<br />

hindert die Betriebsblindheit, fördert<br />

liberales Gedankengut und hilft auch<br />

in erfolgreichen Zeiten, die Bodenhaf-<br />

tung nicht zu verlieren. Denn erfolg-<br />

reiche Unternehmer sind auf erfolgrei-<br />

che Teams in der Politik, der Bildung,<br />

der Gesellschaft und gar auch in ande-<br />

ren Betrieben angewiesen, dies etwa<br />

im Rahmen von Kooperationsprojek-<br />

ten. <strong>Lilienberg</strong> und unsere Regional-<br />

gruppe bieten <strong>für</strong> mich genau diese<br />

Beziehungs- und Gesprächsgrundlage,<br />

und ich bin stolz, ein Teil des <strong>Lilienberg</strong>-<br />

Teams sein zu dürfen.


8<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Peter Brabeck-Letmathe, Verwaltungs-<br />

ratspräsident und CEO der Nestlè S.A.<br />

beleuchtete am 18. März im Rahmen<br />

des 60. <strong>Lilienberg</strong>-Forums die vorran-<br />

gigen Aspekte des Standortvorteils der<br />

Schweiz. Eine seiner zentralen Aussa-<br />

gen: «<strong>Die</strong> richtige Kombination von ver-<br />

nünftigen Rahmenbedingungen mit<br />

verantwortlicher Unternehmensführung<br />

durch Verwaltungsrat und Geschäftslei-<br />

tung haben Nestlé <strong>–</strong> und einige andere<br />

globale Unternehmen mit Sitz in der<br />

Schweiz <strong>–</strong> sehr erfolgreich gemacht.»<br />

Dr. h.c. Walter Reist, Präsident des Stif-<br />

tungsrates der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />

nehmerforum, begrüsste Peter Brabeck-<br />

Letmathe:«Es istuns eine Ehre,Sie im 20.<br />

Jahr des Bestehens des <strong>Lilienberg</strong>-Unter-<br />

nehmerforums unter uns zu wissen. Herr<br />

Brabeck, wir sind stolz darauf, dass Sie<br />

vonVevey aus Nestlé weltweit führenund<br />

derart unsere «schweizerische Eigenart»<br />

in derganzenWeltversinnbildlichen.»<br />

Gesprächsmoderator Prof. Dr. Dres h.c.<br />

Bernd Rüthers: «Zum heutigen Thema<br />

haben wir einen Referenten gewonnen,<br />

BEGEGNUNG<br />

«Schweiz darf Standortvorteil<br />

nicht preisgeben»<br />

der inbesonderer Weise Kompetenz in<br />

der Sache verkörpert. <strong>Die</strong> Nestlé S.A.<br />

ist der grösste Lebensmittelkonzern der<br />

Welt.» Schon der Umsatz <strong>–</strong> er lag im<br />

Jahre 2008 bei 110 Milliarden Franken<br />

<strong>–</strong>deutet eine erfolgreiche, nachhaltige<br />

Unternehmensführung und Unterneh-<br />

menskultur an», betonte der Moderator.<br />

Weltweit 290000 Nestlé-<br />

Mitarbeitende<br />

Der Konzernsitz sowie die wichtigsten<br />

Entscheidungs- und Verwaltungsgre-<br />

mien der Nestlé-Gruppe liegen in der<br />

Schweiz: Nestec (die Einheit, in der Ver-<br />

waltungs- und Forschungstätigkeiten<br />

zusammengefasst sind), Nestlé Schweiz,<br />

Nestlé Nutrition, Nespresso, sowie<br />

Cereal Partners Worldwide.<br />

Ende 2009 beschäftige Nestlé weltweit<br />

über 290000 Mitarbeitende, davon<br />

rund 9000 in der Schweiz. <strong>Die</strong> Zahl der<br />

hierzulande Beschäftigten ist steigend,<br />

dank der Ausrichtung zahlreicher Akti-<br />

vitäten auf die globalen Märkte, dem<br />

Aufbau neuer Einrichtungen <strong>für</strong> For-<br />

schung und Entwicklung und der erfolg-<br />

reichen Einführung des Nespresso-Sys-<br />

tems <strong>für</strong> Kaffee. Zwischen 1999 und<br />

2009 betrug das Beschäftigungswachs-<br />

tum im Inland 2700 Nettostellen. Nestlé<br />

besitzt zwar Produktionsstätten auf der<br />

ganzen Welt, dennoch ist die Schweiz<br />

eine ihrer bedeutendsten Drehscheiben<br />

<strong>für</strong> den Export. Wertmässig werden die<br />

von der Nestlé-Gruppe hergestellten<br />

Produkte um rund zwei Drittel expor-<br />

tiert. In den vergangenen zehn Jahren<br />

tätigte Nestlé in der Schweiz Investiti-<br />

onen von über 2,5 Milliarden Franken.<br />

<strong>Die</strong> wirtschaftliche Bedeutung von<br />

Nestlé in der Schweiz beschränke sich<br />

nicht auf Umsatzzahlen oder Aus-<br />

fuhren helvetischer Tochtergesellschaf-<br />

ten, wusste Peter Brabeck-Letmathe in<br />

seinem Vortrag zu berichten. «Hinzu<br />

kommen substanzielle Geldflüsse aus<br />

Beratungs- und Verwaltungsdienstleis-<br />

tungen sowie Lizenzgebühren <strong>für</strong> Pa-<br />

tente der schweizerischen Forschungs-<br />

und Entwicklungszentren von Nestlé,<br />

welche von den Gruppengesellschaften<br />

auf der ganzen Welt genutzt werden.»<br />

Zwischen 1999 und 2008 stieg die Bör-<br />

senkapitalisierung von Nestlé innerhalb<br />

eines Jahrzehnts um 47,6 Milliarden<br />

Franken. Eine Ergänzung erfährt diese


9<br />

Summe durch die jährlich ausgeschüt-<br />

teten Dividenden, die sich kumuliert<br />

auf 32,6 Milliarden Franken belaufen.<br />

Zusammengerechnet hat Nestlé in den<br />

zehn letzten Geschäftsjahren den Wohl-<br />

stand ihrer Aktionäre um 74,1 Milliarden<br />

Franken gemehrt.<br />

Lob <strong>für</strong> das verlässliche<br />

Rechtssystem<br />

Peter Brabeck-Letmathe: «Wenn ich im<br />

folgenden von Corporate Governance<br />

spreche, meine ich, wie das Unterneh-<br />

men auf oberster Stufe aufgrund der<br />

hiesigen Rahmenbedingungen geführt<br />

wird. Dabei geht es namentlich um das<br />

Zusammenspiel von Verwaltungsrat und<br />

Geschäftsleitung.»<br />

Für Nestlé sei die Schweiz bis heute auf-<br />

grund ihres Rechtssystems ein eindeuti-<br />

ger Standortvorteil. «<strong>Die</strong>sen Vorteil der<br />

Rechtssicherheit und der Verlässlichkeit<br />

des Rechtssystems gilt es unbedingt zu<br />

bewahren, um nicht zu sagen, aufgrund<br />

gewisser Ereignisse dieses Jahres sogar<br />

wiederherzustellen.»<br />

Hinzu komme die Flexibilität des Rechts-<br />

systems. «<strong>Die</strong> Flexibilität ermöglicht es<br />

den einzelnen Unternehmen, hier die<br />

<strong>für</strong> sie und ihre Aktionäre beste Organi-<br />

sationsstruktur zu finden, um langfristi-<br />

gen Mehrwert zu schaffen.»<br />

Minder-Initiative schwächt<br />

Standort Schweiz<br />

Rechtssicherheit, Flexibilität und sinn-<br />

volle Kompetenzverteilung gehörten<br />

bisher zu den drei wichtigsten Stand-<br />

ortvorteilen in der Schweiz. Gleichzei-<br />

tig kennzeichneten diese Punkte die<br />

drei grössten Mängel der Revisionsvor-<br />

schläge,wie sieetwainder sogenannten<br />

«Abzocker-Initiative» von Thomas Min-<br />

der gefördert werden. «<strong>Die</strong> Annahme<br />

dieser Initiative würde den Unterneh-<br />

mensstandort Schweiz schwächen»,<br />

sprach Peter Brabeck-Letmathe Klartext.<br />

«Der Verwaltungsrat, aber auch etwa<br />

Pensionskassenvertreter, wären einem<br />

grossenMassanRechtsunsicherheitaus-<br />

geliefert, wären sie doch dauernd dem<br />

Risiko strafrechtlicher Verfolgung ausge-<br />

setzt.Unternehmen würden in einrecht-<br />

liches Korsett gezwungen, das nicht <strong>für</strong><br />

alle Aktiengesellschaften passen kann,<br />

auch nicht allen kotierten. <strong>Die</strong> an sich<br />

gut gemeinte Stärkung der Aktionärs-<br />

rechte kann sich schnell als sehr kontra-<br />

produktiv erweisen.»<br />

<strong>Die</strong> Entwicklungen der vergangenen<br />

Jahre hätten laut dem Referenten dazu<br />

Nestlé-Verwaltungsratspräsident<br />

Peter Brabeck-Letmathe (links)<br />

diskutiert mit Gesprächsmoderator<br />

Prof. Dr. Dres h.c. Bernd Rüthers.<br />

geführt, dass die Praxis der grossen<br />

Unternehmen noch einen Schritt wei-<br />

ter gegangen ist und heute imjewei-<br />

ligen Corporate Governance- und<br />

Compensation Report ein Ausmass<br />

von Informationen gegeben ist, was<br />

vor einigen Jahren noch nicht denk-<br />

bar gewesen wäre. Andere Unterneh-<br />

men seien hierbei der Praxis von Nestlé<br />

gefolgt und haben ihren Kompensa-<br />

tionsbericht erstmals freiwillig einer<br />

separaten Konsultativ-Abstimmung<br />

ihrer Aktionäre unterworfen. «Es<br />

bleibt abzuwarten, bis das neue Akti-<br />

enrecht indieser Sache geklärt ist. Fällt<br />

die Schweiz aufgrund der inzwischen<br />

vorliegenden Gesetzesvorschläge hin-<br />

ter das Ausland zurück?», fragte Peter<br />

Brabeck-Letmathe besorgt. Economie-<br />

suisse habe dies unlängst inBezug auf


10<br />

die USA, England, Deutschland und<br />

Irland untersuchen lassen.<br />

<strong>Die</strong>se kürzlich publizierte Studie bestä-<br />

tige, dass sich das Modell der Kon-<br />

sultativ-Abstimmung auch im Ausland<br />

mehrheitlich durchsetzt. Im Ausland<br />

bleiben flexible Vergütungen an die Ver-<br />

waltungsräte trotz aufgeregten Medi-<br />

enberichten durchaus zulässig. Der Ver-<br />

waltungsrat konstituiere sich in den<br />

untersuchten Ländern weiterhin selbst,<br />

habe flexible Amtszeiten und einen von<br />

der Generalversammlung klar abge-<br />

trennten Zuständigkeitsbereich. «Und<br />

die Verantwortung des persönlich haf-<br />

tenden Verwaltungsrats bleibt eine zivil-<br />

rechtliche, nicht eine strafrechtliche. In<br />

diesen und anderen Punkten geht die<br />

Volksinitiative von Thomas Minder zu<br />

weit und würde die Schweiz eines ih-rer<br />

wichtigsten Standortvorteile berauben.»<br />

Staatliche Eingriffe oder<br />

Privatsektor?<br />

Es stelle sich laut Peter Brabeck-Letma-<br />

the die Frage, wie viel Regulierung durch<br />

den Staat nötig ist, und ob der Privat-<br />

sektor wirklich nicht in der Lage ist, die<br />

Probleme der Corporate Governance zu<br />

lösen. «Meiner Meinung nach ist die-<br />

ser grundsätzlich dazu fähig, solange<br />

er gewisse Vorgaben vom Gesetzge-<br />

ber und von den Aufsichtsbehörden<br />

erhält.»<br />

Jede gute Firma kreiert Mehrwert.<br />

Beim Nestlé-Konzept der «Gemein-<br />

samen Wertschöpfung» gehe es aber<br />

darum, bewusst dort tätig zu wer-<br />

den, wo die Interessen der verschie-<br />

denen Anspruchsgruppen überlappen<br />

und der gemeinsame Mehrwert allen<br />

Anspruchsgruppen zugute kommt <strong>–</strong><br />

«also uns, aber auch unseren Mitar-<br />

beitenden, Aktionären, dem Staat und<br />

der Gemeinschaft insgesamt. Ein aktu-<br />

elles Beispiel ist unsere Beteiligung am<br />

McKinsey Water Project mit dem Ziel,<br />

den Regierungen ein Werkzeug an die<br />

Hand zu geben, um die von uns erwar-<br />

tete «Wasserkrise» zu bekämpfen.»<br />

«Jetzt, woder Wettbewerb zwi-<br />

schen den meist stark über-<br />

schuldeten Ländern immer schär-<br />

fer wird, wäre esdoppelt falsch,<br />

wenn die Schweiz ihren Standort-<br />

vorteil einer sinnvollen Corporate<br />

Governance aus der Hand geben<br />

würde.»<br />

Peter Brabeck-Letmathe<br />

Es spreche vieles da<strong>für</strong>, in eine gute<br />

Corporate Governance und soziale Ver-<br />

antwortung zu investieren. «Der Ruf<br />

des Unternehmers verbessert sich, die<br />

Zufriedenheit der Kunden steigt, das<br />

Unternehmen werde <strong>für</strong> Anleger attrak-<br />

tiv, die Integrität, Motivation und Pro-<br />

duktivität der Mitarbeitenden erhöhen<br />

sich, und die geschäftlichen Kosten und<br />

Risiken sinken. Für mich steht indessen<br />

die Schaffung von Vertrauen im Vorder-<br />

grund.»<br />

<strong>Die</strong> Rolle des Staates sollte in den Augen<br />

des Nesté-Verwaltungsratspräsidenten<br />

nur darin bestehen, <strong>für</strong> die Unterneh-<br />

men stabile geschäftliche und rechtli-<br />

che Rahmenbedingungen zu schaffen.<br />

Der Staat sollte nicht übertreiben und<br />

keine Regulierungen mit kontrapro-<br />

duktiven Nebenleistungen machen und<br />

so die Unternehmen und ihre Verwal-<br />

tungsräte entrechten. Ein Beispiel einer<br />

kontraproduktiven Regulierung sei die<br />

im Parlament debattierte Einzeloffen-<br />

legung der Entschädigungen. «Es ist<br />

sonnenklar, dass diese zu einer weiteren<br />

Lohnspirale nach oben führen würde,<br />

genau wie dies vor wenigen Jahren<br />

bei den CEOs der Fall war, als die Ein-<br />

zeloffenlegung eingeführt wurde: Jeder<br />

wird seine Entlöhnung mit Positionen im


11<br />

eigenen Unternehmen und bei Drittfir-<br />

men vergleichen.»<br />

Es sei wichtig, dass der Verwaltungsrat<br />

<strong>für</strong>Entscheidungen,die <strong>für</strong>den langfristi-<br />

genErfolgdes Unternehmensvon zentra-<br />

lerBedeutung sind,verantwortlichbleibt.<br />

Nur der Verwaltungsrat verfüge über die<br />

erforderlichen Informationen und die<br />

Pflicht, die langfristigen Interessen des<br />

Unternehmens und seiner Anspruchs-<br />

gruppen zuwahren. <strong>Die</strong> Aktionäre hät-<br />

ten diesbezüglich keinerlei Treuepflicht<br />

gegenüberdem Unternehmen.<br />

<strong>Die</strong>s sei indessen kein Vorwand <strong>für</strong> die<br />

Unternehmen, einfach so weiterzu-<br />

machen wie bisher. Im Gegenteil: «Im<br />

Nachgang zur Krise sind gerade die<br />

internationalen Unternehmen gefor-<br />

dert, die globalen Rahmenbedingun-<br />

gen und die Mindeststandards <strong>für</strong> ihre<br />

globale Geschäftstätigkeit zu überprü-<br />

fen. Genau darin liegt ja das Wesen<br />

der Corporate Governance und der<br />

sozialen Verantwortung. Beides muss<br />

über die gesetzlichen Anforderungen<br />

hinausgehen. Verwaltungsräte und die<br />

Geschäftsleitungen sind aufgefordert,<br />

die Marschrichtung vorzugeben und die<br />

Unternehmenskultur sowie die Stan-<br />

dards zu schaffen.»<br />

Gastgeber Dr. h.c. Walter Reist (links) gibt Peter Brabeck-Letmathe vor dessen Auftritt<br />

im <strong>Lilienberg</strong>-Zentrum letzte Regie-Anweisungen.<br />

<strong>Die</strong>s sei von Seiten der Unternehmen<br />

möglich, weil das Schaffen von Ver-<br />

trauen und die «Gemeinsame Wert-<br />

schöpfung» allen Anspruchsgruppen<br />

zugute kommt. «Es gibt hier eine Inter-<br />

essenkongruenz aller Beteiligten.»<br />

Nicht am Rechtsstaatsprinzip<br />

rütteln<br />

Zur Rechtssetzung: Hier sei eine interna-<br />

tionale Koordination <strong>–</strong> egal ob in Bezug<br />

auf Kapitalvorschriften <strong>für</strong> die Banken,<br />

Vergütung, Governance oder andere<br />

Bereiche <strong>–</strong> wichtig, betonte Peter Bra-<br />

beck-Letmathe. Gerade die globalen<br />

Unternehmen sollten nicht zunehmend<br />

mit einer Vielzahl von unterschiedlichen<br />

und sich auch widersprechenden Rege-<br />

lungen konfrontiert werden. <strong>Die</strong> Staa-<br />

ten müssten, wenn es eine angemes-<br />

sene Regulierung durch den «Home<br />

Regulator» gibt, extraterritoriale Rege-<br />

lungen nach Möglichkeit vermeiden.<br />

Wo dies nicht möglich ist, habe sich<br />

das Prinzip des «comply or explain»<br />

als grundsätzlich tauglich erwiesen, dies<br />

auch laut einer Studie der Europäischen<br />

Kommission.<br />

Zur Rechtsanwendung: Das Bemü-<br />

hen der Regierungen, die Folgen der<br />

Krise inden Griff zubekommen, berge<br />

das Risiko, dass Länder ihre nationa-<br />

len Gesetze in bisher nicht gekanntem<br />

Ausmass mit extraterritorialer Wirkung<br />

anwenden. <strong>Die</strong>s habe zur Folge, dass<br />

«die ganze Welt zunehmend mit Zivil-<br />

und Strafverfahren eingedeckt wird».


12<br />

Peter Brabeck-Letmathe betonte aber,<br />

dass die Unternehmen alles, was in<br />

ihrer Macht steht, tun müssen, um<br />

sicher zu stellen, dass sie und ihre<br />

Mitarbeitenden sich umfassend an die<br />

anwendbaren Gesetzte und die dar-<br />

über hinausgehenden unternehmeri-<br />

schen Mindeststandards halten. «Nur<br />

so können sieberechtigterweise aufder<br />

Verhältnismässikgeit der Rechtsanwen-<br />

dung bestehen.»<br />

ZurRechtssicherheit: «Eskannnicht sein»,<br />

so der Referent, «dass in der Vergan-<br />

genheit getroffene Vereinbarungen rück-<br />

wirkend in Frage gestellt oder einseitig<br />

ausgeweitet werden, oder dass Gesetze<br />

plötzlich unvorhersehbar weit ausgelegt<br />

werden.» <strong>Die</strong>s gelte auch <strong>für</strong> Vereinba-<br />

rungen mit öffentlichen Stellen sowie <strong>für</strong><br />

zwischenstaatliche Abkommen. Wenn<br />

Anpassungen erforderlich sind, müssten<br />

diese nach bestem Wissen und Gewissen<br />

ausgehandelt werden. «Wer am Rechts-<br />

staatsprinzip rüttelt, erschwert die der-<br />

zeit so dringend benötigten Investitionen.<br />

Ohne Rechtsicherheit werden wir diese<br />

Krisenicht überwinden.»<br />

Das Opfer der Finanzwirtschaft<br />

<strong>Die</strong> Wortmeldungen in der anschlies-<br />

senden Diskussion waren vielfältig. <strong>Die</strong><br />

Schwerpunkte bezogen sich auf die von<br />

Peter Brabeck-Letmathe verdeutlichten,<br />

bei Nestlé gelebten Wertehaltungen.<br />

Ein Fokus innerhalb der von Bernd Rüt-<br />

hers geleiteten Gesprächsrunde richtete<br />

sich folgerichtig auf die Frage der Erzie-<br />

hung und der Bildung, dies als Basis<br />

zur Wertevermittlung. <strong>Die</strong> Bildungs-<br />

systeme zeigten diesbezüglich Lücken<br />

auf. Handlungsbedarf wurde <strong>–</strong> gerade<br />

auch im Kontext zu den Ursachen der<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise <strong>–</strong> geortet.<br />

Peter Brabeck-Letmathe gab hierbei zu<br />

bedenken, dass die Realwirtschaft <strong>für</strong><br />

die jetzige Wirtschaftskrise nicht verant-<br />

wortlich sei: «Vielmehr ist sie das Opfer<br />

der Finanzwirtschaft».<br />

Zur Politik: Ihre Hauptaufgabe liege<br />

nicht in der Regulierung sondern in der<br />

Stabilisierung beziehungsweise Schaf-<br />

fung freiheitlicher, wirtschaftsfördern-<br />

der Rahmenbedingungen, waren sich<br />

die Diskussionsteilnehmenden einig. <strong>Die</strong><br />

Standortvorteile der Schweiz seien zur<br />

Förderung der Prosperität unseres Lan-<br />

des Vorbedingung. «Der Vortrag und<br />

die Statements von Peter Brabeck-Let-<br />

mathe haben dies verdeutlicht», sagte<br />

Gastgeber Walter Reist. «Er hat uns<br />

gezeigt, welche Orientierung die Ver-<br />

antwortungsträger in Politik, Wirtschaft<br />

und Gesellschaft zur Zukunftsbewälti-<br />

gung einzunehmen haben. Walter Reist:<br />

«Herr Brabeck, wir danken Ihnen, dass<br />

Sie uns mit grosser Offenheit Einblick<br />

in ihr erfolgreich «gelebtes Unterneh-<br />

mertum» geboten haben. Sie haben die<br />

Vielseitigkeit Ihrer unternehmerischen<br />

Gedanken zugleich auch in der Trilogie<br />

«Ziel <strong>–</strong> Zeit <strong>–</strong> Zuversicht» <strong>–</strong> zur Reflexion<br />

gebracht.»<br />

60. <strong>Lilienberg</strong>-Forum vom 18. März<br />

2010 «Corporate Governance und<br />

Standort Schweiz» mit Peter Brabeck-<br />

Letmathe; Gastgeber: Dr. h.c. Walter<br />

Reist; Moderation: Prof. Dr. Dres h.c.<br />

Bernd Rüthers.


13<br />

Von Stefan Bachofen<br />

Im Zeichen der Lieder und der Oper<br />

standdas erste <strong>Lilienberg</strong>-Rezital indie-<br />

sem Jahr. Gut 100 Gäste lauschten am<br />

2. März der Mezzosopranistin Monica<br />

Brett-Crowther, die am Klavier vom<br />

Pianisten Paul Cibis begleitet wurde.<br />

Höhepunkt des Rezitals war der Abste-<br />

cher auf die Opernbühne ganz zum<br />

Schluss. Das Publikum quittierte den<br />

gelungenen Abend mit einem herzli-<br />

chen Applaus.<br />

Monica Brett-Crowther glänzte zum<br />

Start der diesjährigen Rezital-Serie im<br />

<strong>Lilienberg</strong>-Zentrum mit ihrer ausdrucks-<br />

starken Stimme und einem warmen<br />

Timbre. <strong>Die</strong> Stimmlage der jungen Sän-<br />

gerin gehört wohl zu den angenehms-<br />

ten. Sie kann in unteren Lagen wunder-<br />

schön sonor sein, um dann gleichwohl<br />

in höchste Töne aufzusteigen. Das Fach<br />

der Liedbegleitung gilt als besonders<br />

anspruchsvoll: Der Pianist muss sensi-<br />

bel auf die Sängerin eingehen und ihre<br />

Agogik, die Gestaltung des Tempos,<br />

spüren und aufnehmen. «Ein Pianist<br />

kann eine Sängerin vor grosse Prob-<br />

leme stellen», bekannte Paul Cibis im<br />

Gespräch mit der Moderatorin des Rezi-<br />

tals, DRS-2-Musikredaktorin Eva Oertle-<br />

Zippelius.<br />

BEGEGNUNG<br />

ausdrucksstarke Stimme <strong>–</strong><br />

gefühlvolle Lieder<br />

Von Verständigungsproblemen war<br />

an diesem Abend allerdings nichts zu<br />

spüren. Kein Wunder: Paul Cibis und<br />

Monica Brett-Crowther bilden seit Jah-<br />

ren ein eingespieltes Team. In Grossbri-<br />

tannien lernten sie sich kennen. Heute<br />

verstehen sie sich fast blind. Der 35-jäh-<br />

rige Pianist aus Deutschland, der auch<br />

als Coach am Trinity College of Music in<br />

London arbeitet, ist einer der weltweit<br />

gefragtesten Liedbegleiter. Das erstaunt<br />

nicht, absolvierte Paul Cibis doch wäh-<br />

rend seiner Ausbildung Meisterkurse bei<br />

Berühmtheiten wie der Mozart-Sänge-<br />

rin Elisabeth Schwarzkopf oder dem<br />

Bariton Thomas Hampson.<br />

Melancholische Schubert-Lieder<br />

Den Liederabend im <strong>Lilienberg</strong>-Zentrum<br />

gestalteten diebeiden Musikerabwechs-<br />

Verstehen sich fast blind: Mezzosopranistin Monica Brett-Crowther und<br />

Pianist Paul Cibis.


14<br />

lungsreich. Drei Kompositionen vonFranz<br />

Schubert bildeten den Auftakt des gut<br />

fünfundsiebzig-minütigen Programms.<br />

Schuberts Lieder und Liedzyklen zäh-<br />

len zuden schönsten und populärsten<br />

überhaupt.Mehrals sechshundertLieder<br />

schrieb Schubert während seines kurzen<br />

Lebens. Viele seiner Kompositionen wir-<br />

ken melancholisch gefühlvoll und führen<br />

so den Zuhörern indirekt die tragische<br />

Figur des Komponisten vor Augen. Drei<br />

dieser Lieder heissen«Im Frühling»,«Auf<br />

der Bruck» und «<strong>Die</strong> junge Nonne».<br />

Monica Brett-Crowther trug sieden Kon-<br />

zert-Besucherinnen und -Besuchern mit<br />

emotional angehauchter Stimme vor.<br />

Fast hundert Jahre später als Schubert<br />

erlebte Arnold Schönberg seinen Höhe-<br />

punkt als Komponist. Er übte als Leh-<br />

rer und Musiktheoretiker grossen Ein-<br />

fluss auf die damalige Musikszene aus<br />

und galt anfangs des zwanzigsten Jahr-<br />

hunderts als Begründer der sogenann-<br />

ten Zwölftonmusik. <strong>Die</strong> vier Lieder, die<br />

von der Bühne des <strong>Lilienberg</strong>-Zentrums<br />

erklangen <strong>–</strong>, «Erwartung», «Schenk mir<br />

deinen goldenen Kamm», «Erhebung»<br />

und «Waldsonne», durchs Band Liebes-<br />

lieder <strong>–</strong> stammen allerdings aus der<br />

ersten, noch tonalen Schaffensperiode<br />

Schönbergs.<br />

Mit spannungsgeladener Dramatur-<br />

gie sang Monica Brett-Crowther in der<br />

Folge die Geschichte der Shéhérazade.<br />

Mit dem Lied «Asie» entführte sie das<br />

Publikum <strong>für</strong> einige Minuten in eine<br />

ferne Welt. Tristan Klingsor als Autor des<br />

Gedichtes hatte den Komponisten Mau-<br />

rice Ravel übrigens persönlich gebeten,<br />

das Werk zu vertonen, wusste Modera-<br />

torin Eva Oertle-Zippelius zu erzählen.<br />

«Zueignung» und «Das Rosenband»,<br />

zwei sanfte Liebeslieder von Richard<br />

Strauss, standen am Ende des Lieder-<br />

teils. Dass Strauss über zweihundert Lie-<br />

der und Zyklen schrieb, verdankt die<br />

Nachwelt der Tante von Strauss. <strong>Die</strong>se<br />

war selber eine begabte Mezzosopranis-<br />

tin und bat ihren Neffen immer wieder,<br />

<strong>für</strong> sie Lieder zu komponieren.<br />

Leidenschaft pur zum Abschluss<br />

Höhepunkt des Rezitals war der Abste-<br />

cher in die Opernwelt zum Schluss der<br />

Veranstaltung. In einer Sequenz von<br />

Wolfgang Amadeus Mozarts Oper<br />

«Hochzeit des Figaro» spürte das Pub-<br />

likum Leidenschaft pur. Und mit Gioa-<br />

chino Rossinis Rosina aus dem «Bar-<br />

biere di Siviglia» kamen der Schwung<br />

der Oper sowie Wesen und Charak-<br />

ter Italiens aufs Parkett <strong>–</strong> lockere und<br />

leichte Kost, die ins Ohr ging und <strong>für</strong><br />

ein beschwingtes Ende des Rezitals<br />

sorgte. Monica Brett-Crowther bewies<br />

dabei, dass sie nicht nur das Fach der<br />

Liederinterpretation, sondern, am Kla-<br />

vier begleitet von Paul Cibis, auch das<br />

Opernmetier perfekt beherrscht.<br />

<strong>Die</strong> Zuhörerinnen und Zuhörer sowie<br />

Gastgeberin Susanne Rau-Reist wuss-<br />

ten es den beiden Künstlern zu danken.<br />

«Wir haben die Musiker heute Abend<br />

emotional gespürt», freute sich Susanne<br />

Rau. <strong>Die</strong> Musiker ihrerseits bedankten<br />

sich mit einem Ausschnitt aus der Oper<br />

Carmen, als Zugabe <strong>für</strong> die Gastfreund-<br />

schaft der Familien Reist und Rau auf<br />

<strong>Lilienberg</strong>.


15<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Walter Reists Beitrag an<br />

die moderne Medienindustrie<br />

Der 18. Februar bot in einem ausser-<br />

ordentlichen Rahmen Gelegenheit, das<br />

erfolgreiche Wirken von Dr. h.c. Walter<br />

Reist Revue passieren zu lassen: <strong>Die</strong>s an<br />

der Vernissage des von Karl Lüönd ver-<br />

fassten Buches «Gelebtes Unternehmer-<br />

tum». Als Ort zur Präsentation wurde<br />

der Standort der Hochschule <strong>für</strong> Tech-<br />

nik in Zürich gewählt. Hier absolvierte<br />

Walter Reist in den Fünfziger Jahren das<br />

Abendtechnikum.<br />

Karl Lüönd (links) präsentiert<br />

zusammen mit Dr. h.c. Walter Reist<br />

das Buch, das er über den Beitrag<br />

der Ferag zur modernen Medien-<br />

industrie geschrieben hat.<br />

BEGEGNUNG<br />

Walter Reist war Maschinenschlosser-<br />

lehrling bei den Georg-Fischer-Werken.<br />

Nach der Rekrutenschule besuchte er<br />

das Abendtechnikum Zürich, wo er<br />

im Jahre 1953 das Diplom als Maschi-<br />

nentechniker entgegennahm. In ihren<br />

Begrüssungsworten riefen die beiden<br />

heute am selben Standort wirkenden<br />

Rektoren, Prof. Dr. Jacques Bischoff<br />

(Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft Zürich,<br />

HWZ) und Prof. Dr. h.c. Bedi Büktas<br />

(Hochschule <strong>für</strong> Technik Zürich, HSZ-T),<br />

die harten Nachkriegsjahre, und damit<br />

die Studienzeit von Walter Reist in Erin-<br />

nerung. Beide Schulleiter gaben ihrer<br />

Freude darüber Ausdruck, einen frühe-<br />

ren Abendtechnikum-Absolventen will-<br />

kommen zu heissen, der heute welt-<br />

weit als Unternehmer und Pionier in der<br />

Medienbranche bekannt ist.<br />

«Walter Reist ist uns und unserer Hoch-<br />

schule über all die Jahre hinweg treu<br />

geblieben, er war stets grosszügiger<br />

Förderer und hat uns auch in schwieri-<br />

gen Zeiten unterstützt», betonte Bedi<br />

Büktas. «Er hat bereits als Student an<br />

unserer Schule Grundsteine <strong>für</strong> sei-<br />

nen späteren Erfolg gelegt und hält<br />

diese Quelle zum späteren unterneh-<br />

merischen Wirken nachhaltig in freund-<br />

schaftlicher Erinnerung.»<br />

Von der NZZ zu Murdochs Imperium<br />

«NZZ und Murdoch <strong>–</strong> die beiden Mar-<br />

kennamen stehen <strong>für</strong> die Pole, zwischen<br />

denen sich das Medienwesen in den<br />

vergangenen fünfzig Jahren entwickelt<br />

hat», sagte Buchautor und Publizist<br />

Karl Lüönd zu Beginn seines Referates.<br />

<strong>Die</strong> NZZ, vor über zweihundert Jahren<br />

gegründet, sei der Prototyp des welt-<br />

erkundenden Blattes, das zwei Funkti-<br />

onen hatte: dem Zürcher Handelsbür-<br />

gertum die Welt und die Wirtschaft zu<br />

erklären, und als liberale Plattform an<br />

der Staatsbildung und der Politik mit-<br />

zuarbeiten. «<strong>Die</strong> NZZ war sozusagen<br />

das Markenzeichen <strong>für</strong> die klassische<br />

Schweizer Tagespresse bis in die Sieb-<br />

ziger und Achtziger Jahre: fest veran-<br />

kert in einer politischen, manchmal auch<br />

ethisch oder sozialpolitisch geprägten<br />

Weltanschauung. Murdoch dagegen<br />

steht <strong>für</strong> M wie Markt.» Der ruppige<br />

Australier habe schon die geerbten Blät-<br />

ter in seiner Heimat streng nach Markt-<br />

bedürfnissen umgekrempelt. Anschlies-<br />

send habe er sich auf seine bekannten<br />

Expeditionen aufgemacht: zunächst


16<br />

nach Grossbritannien, dann nach USA,<br />

in die Welt des Fernsehens und der<br />

Online-Medien.<br />

Vor etwas mehr als fünfzig Jahren sei<br />

aber noch eine andere Medienfigur in<br />

die Welt getreten, in die Märchenwelt<br />

von Walt Disney, so Karl Lüönd weiter:<br />

«Ich rede von Daniel Düsentrieb. Er ist<br />

die Kopfgeburt des berühmten Disney-<br />

Zeichners Carl Barks und war 1952 zum<br />

Markenzeichen <strong>für</strong> verarbeitende Fördertechnik<br />

Der junge Konstrukteur Walter Reist hatte <strong>für</strong> die «Neue Zürcher Zeitung» ein<br />

Problem gelöst, den schmierfreien Transport der frisch gedruckten Zeitungen<br />

von der Rotationsmaschine bis zur Verladerampe. Weil sein Arbeitgeber die<br />

Erfindung nicht weiterentwickeln wollte, machte er sich selbstständig und grün-<br />

dete 1957 die Ferag in Hinwil.<br />

Seither ist das Unternehmen auf 1500 Mitarbeitende angewachsen und welt-<br />

weit zum Markenzeichen <strong>für</strong> intelligente Zeitungstransportsysteme und verar-<br />

beitende Fördertechnik geworden. Ferag-Systeme haben Zeitungen und Zeit-<br />

schriften konkurrenzfähiger gemacht und verhelfen neuen Werbeformen zum<br />

Durchbruch.<br />

Im Jahre 1999 verlieh die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Wal-<br />

ter Reist in Anerkennung seiner bahnbrechenden Erfindungen auf dem Gebiet<br />

der Förderung, der Verarbeitung und des Versands von Druckerzeugnissen und<br />

deren erfolgreichen unternehmerischen Umsetzung die Würde eines Ehrendok-<br />

tors der Technischen Wissenschaften.<br />

Bis 1996 leitete Walter Reist das Unternehmen selbst, dann übernahmen<br />

Susanne Rau-Reist und Gerd Rau die Unternehmensführung.<br />

ersten Mal in einem Comic aufgetaucht.<br />

Ein Jahr später begann am anderen<br />

Ende der Erdachse, in Zürich West, eine<br />

weitere grosse Geschichte des Erfin-<br />

dens, nämlich die Geschichte der Ferag,<br />

gegründet vom Ingenieur Walter Reist.»<br />

Es war der nimmermüde Erfindungs-<br />

geist von Walter Reist und seinen Mit-<br />

arbeitern, es war die Zähigkeit und<br />

Unbeugsamkeit des Unternehmers und<br />

Karl Lüönd signiert sein Buch über<br />

Ferag-Gründer Walter Reist.<br />

seines verschworenen Umfelds, was zur<br />

gradlinigen Erfolgsgeschichte der Ferag<br />

führte, erzählte Karl Lüönd. «Walter<br />

Reist hatte die richtige Idee und die rich-<br />

tigen Produkte zur richtigen Zeit. Und<br />

damit sind wir zurück bei der NZZ und<br />

bei Murdoch.»<br />

Printmedien behaupteten sich<br />

trotz Fernsehen<br />

<strong>Die</strong> späten Fünfziger und die Sechzi-<br />

ger Jahre waren die grosse Zeit der<br />

gedruckten Medien. Denn es gab noch<br />

kein Fernsehen. Zeitungen und Zeit-<br />

schriften waren voll von Inseraten. <strong>Die</strong><br />

Mangelwirtschaft der Kriegsjahre lief<br />

aus, es herrschte Überfluss an Gütern.<br />

Es brach, aus Amerika kommend, das<br />

Zeitalter des wissenschaftlich gestütz-<br />

ten Marketings an: Marktforschung,<br />

Markenführung, Marktkommunikation<br />

wurden gelehrt und praktiziert. <strong>Die</strong>se<br />

Kommunikation in ihren verschiede-<br />

nen Ausprägungen <strong>–</strong> Werbung, Public<br />

Relations, Direct Marketing <strong>–</strong> mutierte<br />

vom Kunstgewerbe zu einer systema-<br />

tischen Prozesskette mit Standardver-<br />

fahren. Und es wurde sehr viel Geld in


17<br />

den Verdrängungskampf der Marken<br />

investiert. <strong>Die</strong>ses Werbegeld trieb die<br />

Publizistik an, in allen Industrienationen.<br />

1962 wurden in der Schweiz <strong>für</strong> die<br />

Markenwerbung 133,6 Millionen Fran-<br />

ken investiert. 1986 waren es 1400 Mil-<br />

lionen. Namentlich die Siebziger Jahre<br />

waren goldene Zeiten <strong>für</strong> die Tageszei-<br />

tungen. Bis 1977 gewannen sie bei der<br />

Markenwerbung noch Marktanteile der<br />

<strong>Zeitschrift</strong>en. Dann eroberten diese wie-<br />

der Marktanteile zurück, aber von 1982<br />

bis 1986 setzte nochmals eine gegen-<br />

läufige Bewegung ein. Das vom neu in<br />

den Markt getretenen Werbefernsehen<br />

abgeschöpfte Volumen wurde durch<br />

ein kontinuierliches Werbewachstum<br />

ausgeglichen, so dass die Printmedien<br />

nichts verloren, im Gegenteil.<br />

Mit ihren innovativen Angeboten <strong>–</strong><br />

zuerst Fördertechnik, dann die Erfin-<br />

dung des Einsteckens von Beilagen im<br />

Takt der laufenden Zeitungsproduktion<br />

<strong>–</strong> habe die Ferag den Wandel des Druck-<br />

und Verlagswesens vom Handwerk zur<br />

Industrie unterstützt und beschleu-<br />

nigt. Karl Lüönd: «Dank Ferag konnte<br />

sich der Drucker-Verleger gar mit klei-<br />

neren Produktionsanlagen begnügen,<br />

diese aber täglich während 24 Stunden<br />

nutzen, nämlich durch den Vordruck<br />

von nicht aktuellen Zeitungsteilen und<br />

deren anschliessendes Einstecken in den<br />

Schuppenstrom <strong>–</strong> bei einem Produkti-<br />

onstempo von zuletzt 45 000 Exemp-<br />

laren pro Stunde.» Das habe die teu-<br />

ren Druckanlangen auf einen Schlag<br />

rentabler gemacht, und Walter Reist<br />

konnte zugunsten der eigenen Unter-<br />

nehmensentwicklung mit einer ange-<br />

messenen Preisgestaltung an diesen<br />

Produktivitätsgewinnen der Verleger<br />

Anteil haben.<br />

Seit den späten Neunziger Jahren ist<br />

Ferag auch im Magazingeschäft tätig,<br />

keineswegs konkurrenzlos, aber füh-<br />

rend, weil sich das Hinwiler Unterneh-<br />

men nicht als Maschinenlieferant ver-<br />

steht, sondern als Problemlöser und<br />

Systemfinder, das seine Kunden mit<br />

Der Film zum Buch<br />

Als Parallele zum Buch «Gelebtes <strong>Unternehmertum</strong>»kann der von Walter Reist<br />

initiierte und von Mario Cortesi imJahr 2007 geschaffene Film über das gelebte<br />

<strong>Unternehmertum</strong> bezeichnet werden: <strong>Die</strong> Horizonte erweitern sich, bis hin zu<br />

Unternehmensphilosophien und unternehmerisch bedachten Wertehaltungen.<br />

Mario Cortesi: «Walter Reist hat eine erfolgreiche Unternehmensgruppe auf-<br />

gebaut. Was lag bei der Gedankenfindung zum Thema <strong>Unternehmertum</strong> also<br />

näher, als das Erfahrungspotential und das Gedankengut von Walter Reist selbst<br />

als Quelle heranzuziehen?»<br />

Marketing-Ideen versorgt, das aber<br />

auch dauerhafter Partner ist in Berei-<br />

chen wie Service, Unterhalt oder techni-<br />

scher Ausbildung.<br />

«Ideen wurden mir geschenkt»<br />

Unter der Leitung von Matthias Ackeret,<br />

Chefredaktor des Magazins «persön-<br />

lich», nahmen Walter Reist, Karl Lüönd<br />

und der Verwaltungsratspräsident der<br />

Ferag, Heinz Möckli, zum Abschluss der<br />

Buchvernissage an einer Podiumsdiskus-<br />

sion teil.<br />

«Ich habe die über 4000 Patente eigent-<br />

lich nicht geschaffen. <strong>Die</strong> Ideen <strong>für</strong> Inno-<br />

vationen wurden mir geschenkt», ant-<br />

wortete Walter Reist auf die Frage des<br />

Moderators, wodas Geheimnis seines<br />

Erfolges liege. «Im Übrigen verdankte


18<br />

ich den steten technischen Fortschritt<br />

auch meinem Team, und besonders<br />

den Kunden, die mir bei der Verwirk-<br />

lichung der Ideen mit Tests sowie mit<br />

eigenen Gedanken zur Seite standen.»<br />

<strong>Die</strong> Auflagen der bezahlten Zeitun-<br />

gen würden heute in erschreckendem<br />

Masse sinken, stellte Moderator Mat-<br />

thias Ackeret fest. Er wollte von Walter<br />

Reist wissen, ob die Zeitung nicht zuse-<br />

hends vom Markt verschwinden werde.<br />

Schon beim Aufkommen des Fernse-<br />

hens habe man das Verschwinden der<br />

Zeitungen prophezeit, sagte Walter<br />

Reist, und was passierte? «<strong>Die</strong> Aufla-<br />

gen stiegen zum Teil noch rasant, und<br />

es wurden neue Produkte, wie etwa die<br />

Sonntagszeitungen und die Gratiszei-<br />

tungen, lanciert.» Mit den industriellen<br />

Verarbeitungsmöglichkeiten von Ferag<br />

hätten die Verleger die Produktions-<br />

kosten <strong>für</strong> ihre Zeitungen enorm sen-<br />

ken und zugleich Produktinnovationen<br />

anbieten können, auch zugunsten der<br />

Werbekunden. «Denken wir nur an das<br />

Geschäft mit den Beilagen.»<br />

Matthias Ackeret sprach Heinz Möckli<br />

daraufhin auf die Finanzkrise an, die<br />

Engagierte Diskussion über das Erfolgsgeheimnis der Ferag und die Zukunft der Medienbranche. Von links: Publizist und Buchautor<br />

Karl Lüönd, Moderator Matthias Ackeret, Ferag-Gründer Dr. h.c. Walter Reist und Ferag-VR-Präsident Heinz Möckli.


19<br />

unter anderem zur Folge hatte, dass die<br />

Unternehmen weniger Werbemittel zur<br />

Verfügung haben. <strong>Die</strong>s führte zu Einbrü-<br />

chen im Anzeigenbereich. Ob die Ferag<br />

dies verkraften könne? Natürlich leide<br />

die Ferag ebenfalls unter dieser Ent-<br />

wicklung, gestand Heinz Möckli. «Wir<br />

sind aber stark zukunftsgerichtet, wir<br />

antizipieren die Medientrends.» Auch<br />

im angestammten Bereich könne die<br />

Ferag den Verlegern attraktive Möglich-<br />

keiten zu neuer Wertschöpfung bieten.<br />

Stellvertretend <strong>für</strong> andere Beispiele wies<br />

Heinz Möckli auf das neue geschaffene<br />

Produkt «MemoStick» zur Werbenut-<br />

zung auf der Titelseite der Zeitungen<br />

hin. <strong>Die</strong> Rücklauf-Quote sei im Vergleich<br />

zu herkömmlichen Werbemitteln um<br />

das Fünffache gesteigert worden.<br />

Karl Lüönd meinte, dass die Leser-, die<br />

Print- und die Werbemärkte generell<br />

sowohl aus geografischen wie aus sach-<br />

lichen Bedürfnis-Perspektiven sehr dif-<br />

ferenziert betrachtet werden müssten.<br />

Während in einigen Nationen die Markt-<br />

anteile der Zeitungen wegen zuneh-<br />

mender Nutzung der neuen Medien<br />

sinken, gehe <strong>für</strong> Zeitungen in anderen<br />

Weltregionen «die Post erst recht ab»,<br />

etwa in Asien und in Südamerika. Ferag<br />

habe es zudem verstanden, weltweit<br />

<strong>–</strong> zum Teil auch mit Partnern vor Ort <strong>–</strong><br />

Nischenmärkte aufzubauen.<br />

Und Heinz Möckli betonte, die Unter-<br />

nehmensorganisation der Ferag sei<br />

stark kundenorientiert. Ihre Marketing-<br />

gesellschaften befänden sich weltweit<br />

<strong>–</strong> in 18 Nationen gar mit selbständigen<br />

Tochterunternehmen <strong>–</strong> im permanenten<br />

Informationsaustausch. «Im Printme-<br />

dienbereich bearbeiten wir nebst den<br />

Zeitungen auch den <strong>Zeitschrift</strong>enmarkt.<br />

Dank der Weitsicht von Walter Reist sind<br />

wir innerhalb unserer Firmengruppe<br />

auch in der Lage, Marktleistungen in<br />

anderen Branchen anzubieten, etwa in<br />

den Bereichen Food und Pharma.»<br />

«Walter Reist denkt als Verleger»<br />

Zum Abschluss der Diskussion fragte<br />

Matthias Ackeret Walter Reist, wie er<br />

jeweils so rasch das Kundenvertrauen<br />

gewonnen habe. Der Moderator<br />

erwähnte namentlich die durch einen<br />

Handschlag besiegelte Kundenakqui-<br />

sition von Murdoch mit einem Auf-<br />

tragsvolumen von immerhin 150 Millio-<br />

nen Franken. Unternehmerisch gesehen<br />

gehe es immer um drei Aspekte: mensch-<br />

lich, sachlich, wirtschaftlich, antwortete<br />

Walter Reist. An vorderster Stelle stehe<br />

das Persönliche, somit der menschli-<br />

che Faktor. «Murdoch war damals noch<br />

ein Nobody. Ich habe ihm aber mit<br />

unseren Systemen, ausgehend von part-<br />

nerschaftlicher Zusammenarbeit, zum<br />

Aufstieg verholfen.» Das Wichtigste sei<br />

immer ein korrektes menschliches Bezie-<br />

hungsverhältnis zu den Kunden.<br />

Karl Lüönd. doppelte nach, Ferag sei<br />

so erfolgreich, weil ihre Mitarbeiten-<br />

den den Verlegern helfen, <strong>für</strong> sich neue<br />

Wertschöpfungsketten zu generieren.<br />

«<strong>Die</strong>s gilt auch im Zeitalter des Inter-<br />

nets. Walter Reist denkt als Verleger, er<br />

erkennt reale Möglichkeiten zur inhalt-<br />

lichen Stärkung der Zeitungen und<br />

<strong>Zeitschrift</strong>en, somit zur Förderung der<br />

Attraktivität <strong>für</strong> die Leser und <strong>für</strong> die<br />

Werbebranche, ebenso aber zur Wahr-<br />

nehmung von Optionen im zukunftsge-<br />

richteten Medienverbund.»<br />

Vernissage des Buches «Gelebtes Unter-<br />

nehmertum. Verarbeitende Fördertech-<br />

nik <strong>–</strong> Der Beitrag von Walter Reist an<br />

die moderne Medienindustrie» von Karl<br />

Lüönd, erschienen im Verlag NZZ Libro,<br />

vom 18. Februar 2010 an der Hoch-<br />

schule <strong>für</strong> Wirtschaft Zürich.


20<br />

Von Stefan Bachofen<br />

Indem Walter Reist auf <strong>Lilienberg</strong> eine<br />

Plattform <strong>für</strong> den unternehmerischen<br />

Austausch schuf, hat er sich als bewuss-<br />

ter und moderner, weil ganzheitlich<br />

denkender Unternehmer ausgewiesen.<br />

<strong>Die</strong>s war eine der Kernaussagen von<br />

Karl Lüönd am 29. Forum-Gespräch.<br />

Der Publizist und Buchautor schilderte<br />

in einem pointierten Referat «20 Jahre<br />

<strong>Lilienberg</strong> aus meiner Sicht».<br />

Zum Abschluss des traditionellen Lili-<br />

enberg-Gremientages lud Gastgeber<br />

Dr. h.c. Walter Reist am 24. März<br />

die Mitglieder des <strong>Lilienberg</strong>rates,<br />

der Aktionsfelder, des <strong>Lilienberg</strong>rings<br />

sowie Freunde und ehemalige Preisträ-<br />

ger zum Forum-Gespräch ein. Sympa-<br />

thisch und einfühlsam kündigte er den<br />

Referenten Karl Lüönd an, den Doyen<br />

der Deutschschweizer Journalisten<br />

und Publizisten. Karl Lüönd, heute<br />

65, hatte unlängst unter dem Titel<br />

«Gelebtes <strong>Unternehmertum</strong>» auch<br />

ein aussergewöhnliches Buch über<br />

Walter Reist und dessen Lebenswerk<br />

geschrieben (siehe Artikel auf Seite<br />

15). «20 Jahre <strong>Lilienberg</strong> aus meiner<br />

BEGEGNUNG<br />

<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> die Fundgrube<br />

<strong>für</strong> Menschensammler<br />

Sicht» lautete die Überschrift seines<br />

Referates am Forum-Gespräch.<br />

<strong>Lilienberg</strong> stand <strong>für</strong> die Erneuerung<br />

Karl Lüönd hatte Walter Reist im April<br />

1989 kennengelernt. Er berichtete, als<br />

Journalist eingeladen, über die Eröff-<br />

nung des <strong>Lilienberg</strong>-Zentrums. Kas-<br />

par Villiger, damals seit etwas mehr als<br />

zwei Monaten im Bundesrat, hielt die<br />

Eröffnungsrede, erinnert er sich. «Ich<br />

ging hin und begegnete am Untersee<br />

einem zauberhaften Platz und einem<br />

interessanten Menschen namens Walter<br />

Reist», beschrieb Karl Lüönd seinen ers-<br />

ten Besuch auf <strong>Lilienberg</strong>. Seither habe<br />

es keine einzige Reise zum <strong>Lilienberg</strong><br />

gegeben, die nicht mit überraschenden<br />

und spannenden Begegnungen verbun-<br />

den gewesen war. «Für alle, die Men-<br />

schen sammeln <strong>–</strong> und damit auch <strong>für</strong><br />

einen Journalisten <strong>–</strong> ist <strong>Lilienberg</strong> eine<br />

wahre Fundgrube. Ist man kontaktfreu-<br />

dig, langweilt man sich nie», erzählte<br />

der Gründer und frühere langjährige<br />

Chefredaktor der «Züri-Woche». Genau<br />

das könne man von vielen anderen und<br />

bedeutend teureren Anlässen, zu denen<br />

Karl Lüönd<br />

man als Journalist zuweilen eingeladen<br />

wird, nicht behaupten, so Karl Lüönd<br />

mit einem leicht süffisanten Unterton.<br />

<strong>Die</strong> Eröffnung von <strong>Lilienberg</strong> 1989<br />

erfolgte fast zeitgleich mit den dramati-<br />

schen Ereignissen im ehemaligen Jugo-<br />

slawien und in der alten Sowjetunion<br />

<strong>–</strong> «und das wiederum war beinahe sym-<br />

bolisch», sagte Karl Lüönd. «Denn Lili-<br />

enberg stand auch <strong>für</strong> Perestroika und<br />

Glasnost, das heisst <strong>für</strong> die Erneuerung<br />

des alten Systems aus dem Geist der<br />

Transparenz und aus dem Geist der<br />

Geschichte.» Unternehmerische Men-<br />

schen aus allen Branchen, Sparten und<br />

Betriebsgrössen, Menschen, die sich<br />

zuvor auf das eigene Fachgebiet spezi-<br />

alisiert hatten und dem Röhrenblick ver-<br />

fallen waren, spürten in jener Zeit, wie<br />

sich die Schere des Widerspruchs immer<br />

weiter öffnete. Da war zum einen der<br />

ständige und wachsende wirtschaftliche<br />

Druck, der Zeit raubt und zu zusätzli-<br />

chen Anstrengungen zwingt: Druck von<br />

der Konkurrenz, vom Ausland, von den<br />

Sozialpartnern, vom Staat. Und da war<br />

zum andern der Zwang, sich in einer


21<br />

kompliziert gewordenen Welt auszu-<br />

kennen, die gesellschaftliche Mechanik<br />

zu verstehen, zu lernen, mit anderen<br />

Standpunkten umzugehen, Alternativen<br />

<strong>für</strong> das eigene Handeln, die eigene Exis-<br />

tenz zu erkunden und zu erproben. Karl<br />

Lüönd: «Das war viel verlangt von einem<br />

KMU-Unternehmer, der am 20. jedes<br />

Monats die Lohnzahlungen auslösen<br />

muss und dem die Kunden, die Behör-<br />

den, die Konkurrenz und der Verband<br />

ständig im Nacken sitzen.»<br />

Ganzheitlich denken<br />

Für den Gründer und langjährigen Pat-<br />

ronder Feragstand fest:Damusstesich<br />

etwas ändern. Deshalb seien genau<br />

diese KMU-Unternehmer, die nie Zeit<br />

<strong>für</strong> das Wichtige haben, weil sie immer<br />

das Dringende erledigen müssen, auf<br />

<strong>Lilienberg</strong> die Zielgruppe von Wal-<br />

ter Reist gewesen, rief der Referent<br />

dem Publikum in Erinnerung. «Walter<br />

Reist hatte früh gemerkt, dass man<br />

als Unternehmer nur erfolgreich sein<br />

kann, wenn man nicht bloss sein eige-<br />

nes Metier beherrscht und sich seine<br />

geschäftliche Nische sichert.» Kurz:<br />

Ganzheitliches Denken war gefragt.<br />

Walter Reist sei sofort klar gewesen,<br />

dass man sich dazu auch im gesell-<br />

schaftlichen Gefüge bewegen, sich um<br />

Politik, um Ideen, um Haltungen und<br />

Werte kümmern muss. «Denn darauf<br />

bauen Bildung, Forschung, Wohlfahrt,<br />

Verteidigung, Ordnungsdienst und alle<br />

anderen Dinge, die miteinander erst<br />

eine Gesellschaft bilden, in der sich<br />

möglichstallemöglichst sicher undeini-<br />

germassen frei fühlen können.» Und<br />

Walter Reist erkannte, dass auch die<br />

Armee, das Hochschulwesen oder die<br />

Fürsorge besser funktionierten, wenn<br />

sie nach unternehmerischen Prinzipien<br />

organisiert und geführt sind.<br />

Karl Lüönd (rechts) im Gespräch mit Nationalrat Bruno Zuppiger.<br />

«Der gute Journalist ist einer, der<br />

alles weiss, was er schreibt, aber<br />

nicht alles schreibt, was er weiss.»<br />

Karl Lüönd<br />

Der gesellschaftlich wache, bewusste,<br />

moderne, weil ganzheitlich denkende<br />

Walter Reist schuf mit <strong>Lilienberg</strong> einen<br />

Denkplatz, eine Plattform <strong>für</strong> den unter-<br />

nehmerischen Austausch. Unternehme-<br />

rinnen und Unternehmer können auf


22<br />

<strong>Lilienberg</strong> die relevanten wirtschaftli-<br />

chen, politischen und gesellschaftlichen<br />

Fragen unserer Zeit diskutieren. «So<br />

gesehen wirkt <strong>Lilienberg</strong> auch nach aus-<br />

sen, in die Gesellschaft hinein <strong>–</strong> <strong>für</strong> jene<br />

Gesellschaft, die es ermöglicht hatte,<br />

dass Walter Reist mit seinen Ideen und<br />

Erfindungen so viel Geld verdienen<br />

konnte und deshalb in der Lage war, mit<br />

<strong>Lilienberg</strong> so viel so grosszügig zurück-<br />

zugeben», sagte Karl Lüönd.<br />

Der Experte mit der Panoramasicht<br />

Er bestritt nicht, dass die heutige Zeit,<br />

die im Zeichen der Krise und der Abzo-<br />

cke, im Zeichen von Egoismus steht,<br />

nicht die beste sei <strong>für</strong> Leute, die sich<br />

Unternehmer nennen. «Unter dem fal-<br />

schen Siegel des <strong>Unternehmertum</strong>s ist<br />

es auch zu schlimmen Fehlentwicklun-<br />

«98 Prozent der Menschen verste-<br />

hen von 98 Prozent der Sachthe-<br />

men nichts. Demokratie ist dem-<br />

zufolge die Staatsform, in der jene,<br />

die am wenigsten verstehen am<br />

meisten zu sagen haben. Deshalb<br />

braucht es den Journalismus immer<br />

<strong>–</strong> als intellektuelle <strong>Die</strong>nstleistung.»<br />

Karl Lüönd<br />

gen gekommen.» Auf <strong>Lilienberg</strong> sieht<br />

der Publizist jedoch «die guten Werte<br />

des soliden Schweizer Unternehmer-<br />

tums bewahrt und aufgehoben.» Will<br />

heissen das Bekenntnis zu der vom<br />

Markt definierten Leistung und die<br />

ganzheitliche Anschauung der Dinge.<br />

«Der moderne Unternehmer ist eben<br />

nicht mehr der Experte mit dem Röh-<br />

renblick, sondern der mit der Panora-<br />

masicht, mit dem Radar, der alle 360<br />

Grad umkreist.» Modern sei der Unter-<br />

nehmer, und auch der unternehmerisch<br />

wirkende Funktionär, Journalist, Kader-<br />

militär oder Professor nur, wenn er sich<br />

aktiv um die Gemeinschaft kümmert<br />

und so dazu beiträgt, dass der Rah-<br />

men hält. «So gesehen ist <strong>Lilienberg</strong><br />

der Brennpunkt einer hochmodernen,<br />

topaktuellen, weil sozial verpflichteten<br />

und gesellschaftlich wachen postindust-<br />

riellen Leistungsgesellschaft.»


23<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Am 4. März trat das <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />

nehmerforum mit Filmemacher Dr.<br />

David W. Syz, ehemaliger Staatssekre-<br />

tär und Direktor des Staatssekretaria-<br />

tes <strong>für</strong> Wirtschaft (Seco) in Dialog. Das<br />

103. <strong>Lilienberg</strong>-Gespräch zeigte Irrwege<br />

der Entwicklungspolitik auf und legte,<br />

unternehmerisch bedacht, Perspektiven<br />

<strong>für</strong> erfolgreich begehbare Wege offen.<br />

Dr. h.c. Walter Reist, Präsident des Stif-<br />

tungsrates der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />

nehmerforum, begrüsste Dr. David W.<br />

Syz auf <strong>Lilienberg</strong> herzlich. Nachfolgend<br />

GESPRÄCH<br />

Filmemacher mit Fokus auf die<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

Dr. David W. Syz: «Das Begleiten von<br />

Menschen war mir immer ein Anliegen.»<br />

Auszüge aus dem Gespräch, das er als<br />

Gastgeber mit David W. Syz führte:<br />

Herr Dr. Syz, Sie haben in Ihrem Wer-<br />

degang eine enorme Vielseitigkeit von<br />

Wissen und Können bewiesen. Wo<br />

lagen die Quellen und die Motive zu<br />

Ihrem erfolgreichen Lebensaufbau?<br />

David W. Syz: Mein Werdegang ent-<br />

wickelte sich Schritt <strong>für</strong> Schritt. Vorerst<br />

habe ich, ohne grosse Begeisterung,<br />

an der Universität Zürich Jurisprudenz<br />

studiert. Dann folgte die MBA-Zusatz-<br />

ausbildung am Insead in Fontainebleu<br />

(Frankreich). Ein anderer Weg wäre die<br />

Diplomatenausbildung gewesen, aber<br />

ich trachtete nach einer beruflichen<br />

Funktion, in der man rasch Ergebnisse<br />

erzielen konnte.<br />

Zwischen 1973 und 1999 belegten Sie<br />

verschiedene Managementpositionen in<br />

der Elektrowatt-Gruppe und Sie waren<br />

CEO bei der SIG. Was bewog Sie dann<br />

zur Übernahme der Direktion beim<br />

Seco, und welche Erfahrungen machten<br />

Sie dort?<br />

<strong>Die</strong> Anfrage von Bundesrat Pascal<br />

Couchepin kam sehr überraschend.<br />

Das Staatssekretariat <strong>für</strong> Wirtschaft<br />

wurde indieser Form neu etabliert. Ich<br />

erkannte meinen Auftrag auch darin,<br />

dem Seco etwas «unternehmerischen<br />

Geist einzuhauchen». <strong>Die</strong>s war aller-<br />

dings schwierig, denn ein Bundesamt<br />

steht jastets in Abhängigkeiten, unter<br />

ganz differenzierten Einflüssen der<br />

Politik. Man muss sehr viele Leute ein-<br />

beziehen, wenn man etwas bewegen<br />

will. <strong>Die</strong>se berufliche Erfahrung war<br />

indessen mit dem Einblick indie glo-<br />

balen Zusammenhänge verbunden. <strong>Die</strong><br />

Erkenntnisse will ich nunmehr weiter-<br />

geben. Ich will vor allem junge Leute<br />

<strong>für</strong> die Fragen der Globalisierung und<br />

der Entwicklungszusammenarbeit sen-<br />

sibilisieren. Da<strong>für</strong> sind Filme ein gutes<br />

Medium.<br />

Ihre Schaffenskraft ist beeindruckend.<br />

Wie meistern Sie eine derartige Vielfalt<br />

in ihren Aktivitäten? Ist es auch eine<br />

gewisse Art von Neugierde, oder ist es<br />

ein starkes Zeichen von Barmherzigkeit,<br />

die dieser neuen Wirksamkeit zugrunde<br />

liegt?<br />

Ich bin bürgerlich verankert, somit auch<br />

werteorientiert. Aber Geld und Kapital


24<br />

steht bei mir nicht im Vordergrund. Das<br />

Begleiten von Menschen war mir stets<br />

ein Anliegen. Auch in der Ausübung<br />

meiner Führungsaufgaben in der Wirt-<br />

schaft achtete ich stark auf eine geord-<br />

nete Personalpolitik. Gab es denn ein-<br />

mal eine schlaflose Nacht, dann wohl<br />

eher aus Sorge um die Mitarbeiten-<br />

den als etwa aus Gründen der Finan-<br />

zen. Massstäbe zur Correctness, auch<br />

gegenüber den Kunden und Geschäfts-<br />

partnern, habe ich schon von meinem<br />

Vater <strong>–</strong> er war Direktor bei der Alu-<br />

suisse <strong>–</strong> mit auf den Weg bekommen.<br />

Von ihm lernte ich, nicht mit dem ers-<br />

ten Resultat <strong>–</strong> und sei es noch so gut<br />

<strong>–</strong> zufrieden zu sein, sondern stets noch<br />

Besseres, noch Sinnvolleres anzustre-<br />

ben. In dieser Haltung liegt sicher auch<br />

mein Filmemachen begründet: Ich kann<br />

so von meinem Wissen und meinen<br />

Wertehaltungen der Gesellschaft etwas<br />

zurückgeben. Als Mitglied des Verwal-<br />

tungsrates der Credit Suisse bringe ich<br />

auch meine klare Meinung zur jetzigen<br />

Debatte über die Boni ein.<br />

Von <strong>Lilienberg</strong> her blicken wir auf die<br />

Halbinsel Reichenau, auf St. Georg.<br />

Auch von dort her wurden uns Wer-<br />

tehaltungen vermittelt. Setzen Sie sich<br />

auch mit diesen Quellen auseinander?<br />

Ich vertiefe mich stark in einschlägige<br />

Literatur. Hierbei richte ich mich auf<br />

direkt relevante Fragen, insbesondere<br />

auf die weltweiten Entwicklungszusam-<br />

menhänge. Ich stosse oft auf Unehrlich-<br />

keiten. <strong>Die</strong> Staaten <strong>–</strong> so auch die USA<br />

<strong>–</strong> verfolgen unter dem Deckmantel der<br />

Entwicklungsarbeit allzu oft Eigeninte-<br />

ressen.<br />

Als Unternehmer, als Präsident des Ver-<br />

waltungsrates <strong>–</strong>heute bei der Huber &<br />

Suhner AG <strong>–</strong>müssen Sie eine gewisse<br />

Härte zeigen. Sind Sie imVergleich mit<br />

IhremEngagement <strong>für</strong>die Entwicklungs-<br />

länder mit Gegensätzen konfrontiert?<br />

Der kapitalistische Geist hat seine<br />

Berechtigung, aber Ehrlichkeit gehört<br />

dazu. Begriffe wie Korruption oder<br />

Transparenz gilt es zuweilen zu rela-<br />

tivieren. Sie haben je nach Ländern,<br />

Sitten, Traditionen und Regierungsfor-<br />

men- beziehungsweise Machenschaf-<br />

ten unterschiedlichen Gehalt. Werte-<br />

ordnungen können wechseln, wenn<br />

Individuen ums Überleben kämpfen<br />

oder wenn ihnen Regierungsbeamte<br />

permanent korruptes Handeln vorleben.<br />

Wie beurteilen Sie den Konkurrenz-<br />

kampf unter den Kontinenten selbst?<br />

«Kurzfristig verursacht der globale<br />

Handel oft Probleme. Langfristig<br />

schafft er aber Wohlstand <strong>für</strong> das<br />

betroffene Land.»<br />

<strong>Die</strong> im Welthandel liierten Staaten ver-<br />

folgen unterschiedliche Ziele, dies auch<br />

im Wissen um differenzierte Denkwei-<br />

sen und Anspruchshaltungen seitens der<br />

Handelspartner beziehungsweise der<br />

jeweiligen Import- und Exportländer. Ein<br />

Beispiel:ChinatätigtinAfrikaGrossinves-<br />

titionen,verbunden aber auch mit gewal-<br />

tigemAufkaufvon Ländernund Ressour-<br />

cen. Mit diesem Involvement <strong>–</strong> etwa<br />

in Landwirtschaftssektoren <strong>–</strong>sind auch<br />

Arbeitsplätze <strong>für</strong> die Einheimischen, ein-<br />

hergehend mit einem grösseren Selbst-<br />

versorgungsgrad <strong>für</strong> Nahrungsprodukte,<br />

verbunden. China hegt hierbei indessen<br />

strategische Ziele: Man will langfristig<br />

kontinentale Ressourcen sichern. Derar-<br />

tige Strategien <strong>–</strong>inBezug auf Rohstoffe<br />

generell <strong>–</strong>verfolgen auch andere Natio-<br />

nen, zum Beispiel die USA oder Indien.<br />

Der offene Welthandel schafft Prob-<br />

leme, in der Schweiz ist auch die Land-<br />

wirtschaft stark betroffen. Geraten Sie<br />

da von Seiten der schweizerischen Inter-<br />

essenvertreter der Agrarwirtschaft nicht<br />

unter enormen Druck? Und zu einer<br />

meiner vier unternehmerischen Kernfra-<br />

gen: «Was macht Sie stark?»<br />

David W. Syz<br />

Ich vertrete meine Überzeugungen <strong>–</strong><br />

auch starkem Lobbying gegenüber <strong>–</strong>und


25<br />

stehe <strong>für</strong> das nach reiflicher Überlegung<br />

als richtig Erkannte ein. Wir sind einver-<br />

standen, alles zu liberalisieren, ausser die<br />

Landwirtschaft. Aber <strong>für</strong> die Entwick-<br />

lungsländerist gerade dieser BereichAus-<br />

gangspunkt <strong>für</strong> eine Exportwirtschaft.<br />

Generell: Es braucht Win-Win-Situatio-<br />

nen. Wasmacht mich stark?Ich betrachte<br />

es als wesentliche Aufgabe, meine Über-<br />

zeugungen an Meinungsbildner und Ent-<br />

scheidungsträger in Politik, Wirtschaft<br />

undGesellschaftzuvermitteln,umneuen<br />

Denk- und Handlungsweisen zum Durch-<br />

bruchzuverhelfen.MeinWissengebeich<br />

an Studierendeund Nachwuchskräfte, an<br />

dieEntscheidungsträgerder Zukunftwei-<br />

David W. Syz und seine Dokumentarfilme<br />

ter: Im Jahre 2009 hatte ich hierzu auch<br />

an über 50 Schulenund Bildungsinstituti-<br />

onen Gelegenheit.<br />

Entwicklungsländer brauchen<br />

Schutz<br />

Als Gesprächsbasis zur Diskussion prä-<br />

sentierte David W. Syz den Film «Beyond<br />

a Dollar a Day. <strong>–</strong> <strong>Die</strong> unbarmherzigen<br />

Samariter». <strong>Die</strong>ser Dokumentarfilm, der<br />

sich auf Peru, Mozambique und Pakis-<br />

tan bezieht, zeigt Wege und Irrwege<br />

der Entwicklungspolitik auf.<br />

David W. Syz vermittelte einen geschicht-<br />

lichen Rückblick über die Entwicklungs-<br />

Der erste Film von David W. Syz bildet und informiert: Indem er den «Stahl-Krieg»<br />

zum Thema nimmt, zeigt er die Funktionsweise des globalisierten Handels sowie<br />

die Sackgassen, in welche die Verhandlungen und Vorgaben der Welthandelsor-<br />

ganisation (WTO) führen. David W. Syz: «Im Seco konnte ich mitverfolgen, dass<br />

sich dies <strong>für</strong> Klein- und Mittelbetriebe bis in die Schweiz ausgewirkt hatte.»<br />

Aufgrund der Risiken einer Rückkehr zum Protektionismus müssen die Schweiz<br />

und die anderen westlichen Staaten einen Solidaritätsbeweis erbringen. Hiermit<br />

wird Vertrauen geschaffen. Das wiederum befruchtet die Diskussionen innerhalb<br />

der WTO. Zurzeit glauben die Länder im Süden, dass die reichen Länder nicht<br />

bereit seien, etwas zu geben. Deshalb blockieren sie jeden Fortschritt der Doha-<br />

Runde. «Man kann nicht alles haben und nichts geben. Das ist es, was ich im Film<br />

«Stahl-Krieg» zeigen will!»<br />

Gastgeber Dr. h.c. Walter Reist (rechts)<br />

befragt Dr. David W. Syz über seinen<br />

Werdegang.<br />

politik generell: <strong>Die</strong> Länder des Südens<br />

waren 1945 fast alle noch Kolonien,<br />

ausser den «anglo-saxon Offsprings»,<br />

und verfügten über sehr tiefe Pro-Kopf-<br />

Einkommen. Nach 1963 hatte die Ent-<br />

kolonialisierung aus diesen Gebieten<br />

unabhängige Staaten gemacht, aber der<br />

Abstand zu den reichen Ländern hatte<br />

sich eher noch vergrössert. <strong>Die</strong> Schil-<br />

derung von Vorort-Situationen, belegt<br />

mit einer Vielzahl von Gesprächen mit<br />

betroffenen Menschen, auch mit Ver-<br />

antwortlichen der Handelspolitik, mit<br />

Ministern, mit Unternehmern, Delegier-<br />

ten von Nichtregierungsorganisationen<br />

(NGO) und weltweit tätigen Institutio-<br />

nen <strong>–</strong> zudem mit Kritikern der Globali-<br />

sierung <strong>–</strong> zeigt die Folgen von Fehlver-


26<br />

halten, aber auch die hoffnungsvollen<br />

Perspektiven bei wohlbedachten Vorge-<br />

hensschritten.<br />

David W. Syz: «Ich bin nach wie vor<br />

der Meinung, dass die Deregulierung<br />

und Liberalisierung des Weltmarktes<br />

richtig ist und etwas bringt. Aber die<br />

Entwicklungsländer brauchen einen<br />

gewissen Schutz, weil sie Nachholbe-<br />

darf haben. Eine übereilte und oft ego-<br />

istische Betrachtungsweise der grossen<br />

Exportnationen ist nicht in Ordnung.»<br />

Zur Globalisierung meinte er: «Es ist<br />

wichtig, dass man nicht der kapitalisti-<br />

schen Logik allein folgt. Unternehmen<br />

sind nicht mehr nur da<strong>für</strong> da, Profite<br />

<strong>für</strong> die Aktionäre zu schaffen. Vielmehr<br />

müssen diese auch Verantwortung <strong>für</strong><br />

diejenigen übernehmen, welche die<br />

Folgen ihres unternehmerischen Tuns<br />

zu spüren bekommen.» Entschuldung<br />

und Kapitaltransfers genügen nicht.<br />

Vorrangig ist es, den Einheimischen<br />

der Entwicklungsländer zum eigenen<br />

<strong>Unternehmertum</strong> zu verhelfen, dies mit-<br />

tels umfassender Bildung, Knowhow-<br />

und Technologietransfers (auch <strong>für</strong><br />

Geschäftsfelder der Zukunft, wie etwa<br />

im Umwelt- und Energiebereich), zielge-<br />

richteter Investitionen, zeitgerechter Inf-<br />

rastrukturen (Telekommunikation, Ver-<br />

kehr), angepasster Rechtsgrundlagen,<br />

Finanzierungshilfen (auch Mikrokredite!)<br />

und liberaler Rahmenbedingungen.<br />

<strong>Die</strong> unternehmerische<br />

Grundhaltung<br />

Trotz massiver Entwicklungshilfe, die in<br />

den vergangenen fünfzig Jahren geflos-<br />

sen ist, bleibt die globale Armut über-<br />

wältigend. Mehr als 1 Milliarde Men-<br />

schen leben mit weniger als 1 Dollar<br />

im Tag. <strong>Die</strong> Barmherzigkeit der Sama-<br />

riter hat wenig geholfen. «Wenn arme<br />

Länder aus eigener Kraft nachhaltigen<br />

Wohlstand schaffen sollen, müssen wir<br />

das unternehmerische Potenzial aller<br />

Bevölkerungsschichten fördern. Wenn<br />

Unternehmen in den Entwicklungs-<br />

ländern vermehrt aktiv werden sollen,<br />

muss die Rolle der Entwicklungshilfe<br />

und der Investitionen neu überdacht<br />

werden!»<br />

«Verzögerte Gerechtigkeit ist ver-<br />

weigerte Gerechtigkeit. ZurGerech-<br />

tigkeit zählt gerade eben <strong>für</strong> die<br />

Entwicklungsländer der Freiraum<br />

<strong>für</strong> eigene Strategien».<br />

Yash Tandon, Wirtschafts-<br />

wissenschafter aus Uganda<br />

<strong>Die</strong> Voten aus dem Plenum waren vielfäl-<br />

tig. Im Zentrum stand die sensitive Frage<br />

von Seiten von Christoph Vollenwei-<br />

der, die in vielen Entwicklungsländern<br />

vorherrschende Korruption betreffend.<br />

David W. Syz: «Der Kampf gegen die<br />

Korruption besteht primär <strong>–</strong> bereichs-<br />

und stufenübergreifend <strong>–</strong> in einer steten<br />

Verbesserung der Transparenz!»<br />

Dr. h.c. Walter Reist verdeutlichte als<br />

«Gedanken auf den Weg» das gerade<br />

auch <strong>für</strong> die Entwicklungsländer gel-<br />

tende unternehmerische Primat des<br />

«Schaffens von Arbeit», dies als Voraus-<br />

setzung zur menschlichen Entfaltung,<br />

somit zum Wohlergehen von Gesell-<br />

schaft und Staat. <strong>–</strong> «In diesem Sinn und<br />

Geist begleiten wir Sie, Herr Dr. Syz,<br />

auch in die Zukunft hinein.»<br />

103. <strong>Lilienberg</strong>-Gespräch vom 4. März<br />

2010 mit Dr. David W. Syz, Filmema-<br />

cher und Verwaltungsratspräsident der<br />

Huber + Suhner AG; Gastgeber und<br />

Moderation: Dr. h.c. Walter Reist, Präsi-<br />

dent des Stiftungsrates der Stiftung Lili-<br />

enberg Unternehmerforum.


27<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Dem <strong>Lilienberg</strong>-Engagement <strong>für</strong> die<br />

eigenständige Schweiz liegen die erar-<br />

beiteten Denkanstösse zur Erneuerung<br />

des Bundesbriefes zugrunde. Das Doku-<br />

ment «Ja zur Schweiz» wurde seit dem<br />

Jahre 1999 parteiübergreifend, in oft<br />

kontroverser Auseinandersetzung und<br />

auch mit Vertretern jüngerer Generatio-<br />

nen entwickelt. Mit dem Anlass vom 14.<br />

Januar fand die Gesprächsreihe ihren<br />

Abschluss.<br />

Dr. h.c. Walter Reist, Präsident des Stif-<br />

tungsrates der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />

nehmerforum, hiess die Anwesenden,<br />

insbesonderedie beiden Podiumsteilneh-<br />

mer, alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher,<br />

Vizepräsident der SVP Schweiz, sowie<br />

Roger Köppel, Verleger und Chefredak-<br />

tor der «Weltwoche», willkommen.<br />

Ausländische Unternehmer<br />

schätzen die Schweiz<br />

Der vorgegebene Titel «Ja zur Schweiz»<br />

wirke eigentlich etwas eigenartig, be-<br />

merkte Christoph Blocher zu Beginn sei-<br />

nes Referats. «Sollte dieses Bekenntnis<br />

nicht selbstverständlich sein?», fragte er.<br />

GESPRÄCH<br />

Ja zur eigenständigen Rechtsordnung <strong>–</strong><br />

Ja zu einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung<br />

Stets treffe erausländische Unternehmer,<br />

die ausgehend von vielfältigen internati-<br />

onalen Tätigkeiten, auch verbunden mit<br />

eigenenausländischen Produktionsstand-<br />

orten und somit mit direkten Vergleichs-<br />

möglichkeiten zuihren Niederlassungen<br />

in der Schweiz, die Vorzüge unseres Lan-<br />

des im Standort-Wettbewerb bekun-<br />

den. «Sie schätzen die schweizerische<br />

Unabhängigkeit, die Fähigkeiten unserer<br />

Arbeitskräfte, ihren Fleiss und ihre Pünkt-<br />

lichkeit, dieRechtssicherheit. Sieschätzen<br />

auch die gute Steuersituation.» Für aus-<br />

ländische Investoren biete die Schweiz<br />

ausgezeichnete Rahmenbedingungen,<br />

betonte der Vizepräsident der nationa-<br />

len SVP. «<strong>Die</strong>se Unternehmer sagen uns,<br />

dass sie gerade von der Schweiz aus ihre<br />

internationalen Aktivitäten gut lenken<br />

können. Sie ermuntern uns, die Eigen-<br />

ständigkeit zubewahren, nicht etwa der<br />

Europäischen Union (EU) beizutreten,<br />

sondern vielmehr unser Selbstbewusst-<br />

sein zu fördern und zu stärken.»<br />

Christoph Blocher warf die Frage auf,<br />

was das Besondere an der Schweiz sei.<br />

Und er beantwortete die Frage auch<br />

Von links: Alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher, Dr. h.c. Walter Reist, Gesprächs-<br />

moderator Dr. Peter Forster und Roger Köppel.


28<br />

gleich: «Unsere Verfassung aus dem<br />

Jahre 1848 und schon unser Bundes-<br />

brief aus dem Jahre 1291 haben uns<br />

Wohlstand gebracht. Wir haben 700<br />

Jahre Eigenständigkeit bewahrt und uns<br />

stets gegen fremde Richter und Obrig-<br />

keiten gewehrt. <strong>Die</strong> Bundesverfassung<br />

schützt uns nicht nur nach aussen, son-<br />

dern auch nach innen. <strong>Die</strong> Schweizer<br />

Bürger wollen selbst bestimmen.» Es sei<br />

allerdings schwierig gewesen, die Bun-<br />

desverfassung zu etablieren. Vom Aus-<br />

land <strong>–</strong> gerade auch innerhalb Europa<br />

<strong>–</strong> sei das Vorgehen der Schweiz gerügt<br />

worden. Es dürfe doch nicht sein, dass<br />

in der Schweiz «der Pöbel» regiert. «Im<br />

Ausland, eben auch in unseren Nachbar-<br />

staaten, hatte man Angst, man würde<br />

die Rechte der Schweizer Bürger auch<br />

bei ihnen einfordern. <strong>Die</strong>s wollte man<br />

unter allen Umständen verhindern.»<br />

Mit der Bundesverfassung lebe die<br />

Schweiz nun schon seit über 160 Jah-<br />

ren und die Erfahrung zeige, dass sie so<br />

falsch nicht sein kann. Christoph Blo-<br />

cher: «Unsere Bürgerinnen und Bürger<br />

können wählen, und sie können auch<br />

über Sachfragen bestimmen. Wir legen<br />

die Gesetze, die auch <strong>für</strong> die Verwal-<br />

tung zwingende Basis sind, selber fest.<br />

Der Souverän soll auch gegen innen<br />

skeptisch sein, sonst eignet sich die<br />

Obrigkeit zu viel Macht an.»<br />

<strong>Die</strong> Schweizerinnen und Schweizer ver-<br />

fügen über das Recht der Volksinitiative<br />

und des Referendums. <strong>Die</strong> grosse Stärke,<br />

somit auch der Wert der Volksabstim-<br />

mungen, liege in der direkten Demokra-<br />

tie, sagte der ehemalige Justizminister<br />

im Bundesrat. «Unsere Freiheitsrechte<br />

sind umfassend, denken wir nur an die<br />

Glaubens- und Gewissensfreiheit, an die<br />

Handels- und Gewerbefreiheit oder an<br />

die Medienfreiheit. Hinzu kommen auch<br />

die persönlichen Rechte. Sogar Vorga-<br />

ben <strong>für</strong> Steuern sind in der Bundesver-<br />

fassung verankert.» Als Beispiel nannte<br />

Christoph Blocher die Festsetzung der<br />

Mehrwertsteuer, die der Zustimmung<br />

von Volk und Ständen unterliegt. <strong>Die</strong><br />

direkte Demokratie bedeute Interventi-<br />

onismus durch das Volk, auch im Hin-<br />

blick auf das Sparen. Wichtig, so der<br />

Referent: «<strong>Die</strong> direkte Demokratie setzt<br />

freiheitliches Gedankengut und Eigen-<br />

verantwortung voraus.»<br />

Völkerrecht als Gefahr <strong>für</strong><br />

die Schweiz<br />

Man höre, vielleicht weniger vom Aus-<br />

land als von innen her, Unkenrufe,<br />

wonach sich die Schweiz in Gefahr<br />

«<strong>Die</strong> Meinung der Be<strong>für</strong>worter<br />

der EU-Mitgliedschaft, wir sollten<br />

doch gleich lange Spiesse haben,<br />

ist schon a priori falsch, denn wir<br />

wollen nicht gleich lange Spiesse,<br />

sondern längere!»<br />

Alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher<br />

befinde, legte Christoph Blocher dar.<br />

<strong>Die</strong>s sei bedenklich. «Denn wir sollten<br />

uns, im Gegensatz zu gewissen Mei-<br />

nungsbildnern, vielmehr der Vorteile<br />

der Schweiz erinnern.» Und Bezug neh-<br />

mend zum Sonderfall Schweiz: «Wir<br />

sind anders als die Anderen, doch dies<br />

ist mehrheitlich mit Stärken verbunden.<br />

Auch die Geschichte lehrt, dass wir uns<br />

seit jeher anders verhalten mussten als<br />

andere.»<strong>Die</strong> Schweizverfüge über keine<br />

Bodenschätze, sie habe keinen Zugang<br />

zum Meer und keinen eigentlichen Bin-<br />

nenmarkt. «Derartige Nachteile sind<br />

wettzumachen. <strong>Die</strong> Schweiz hat grosse<br />

Chancen, sich auch in der Zukunft zu<br />

bewähren. Voraussetzung hierzu ist das<br />

Erkennen und Bejahen unserer Werte-<br />

haltungen. Das Schweizer Volk trägt<br />

somit bei der Wahl ihrer Politikerinnen<br />

und Politiker höchste Verantwortung.»<br />

Eine der Gefahren bestehe in der Ausle-<br />

gung des Völkerrechts. «In der direkten<br />

Demokratie bestimmt die Mehrheit des<br />

Volkes. Das Völkerrecht darf die Mei-<br />

nung des Volkes nicht relativieren oder<br />

gar aushebeln.»<br />

«EU hat Demokratiedefizite»<br />

Nach Christoph Blocher trat als zwei-<br />

ter Referent Roger Köppel auf. «Ich


29<br />

hatte Zugang zu gewissen Hintergrund-<br />

gesprächen bei den Koalitionsver-<br />

handlungen der Deutschen Bundesre-<br />

gierung», sagte der Chefredaktor und<br />

Verleger der «Weltwoche» einleitend.<br />

«Beim Anhören von fünf Experten <strong>–</strong> es<br />

ging um die Kompromissfindung bei<br />

der Erhöhung der Mehrwertsteuer, dies<br />

zufolge des drastischen Finanzhaushal-<br />

tes <strong>–</strong> gab ich dem Regierungssprecher<br />

zu bedenken, dass ich die Ausführun-<br />

gen der Sachverständigen nicht verstan-<br />

den hatte.» <strong>Die</strong> Antwort des Regie-<br />

rungssprechers: «Wir trauen eben den<br />

Experten». In der Schweiz wäre sol-<br />

ches undenkbar, machte Roger Köppel<br />

klar. Gerade wegen der Komplexität<br />

von politischen und inhaltlichen Diskus-<br />

sionen sei es Pflicht, den Bürgerinnen<br />

und Bürgern gegenüber Transparenz zu<br />

schaffen. «<strong>Die</strong> EU hat Demokratiedefi-<br />

zite. Aber auch in unserem überblick-<br />

baren Staatswesen zeigt es sich, dass<br />

es schwierig ist, die Bürgerinnen und<br />

Bürger von einer durch den Mainstream<br />

der Medien herbeigeführten Meinungs-<br />

bildung abzuhalten.»<br />

«Unabhängigkeit gibt es nicht»: <strong>Die</strong>s sei<br />

noch während der Zeitspanne der Expo<br />

02 die zeitgemässe Botschaft gewe-<br />

sen <strong>–</strong> akzentuiert gar von hochrangi-<br />

gen politischen Persönlichkeiten. <strong>Die</strong><br />

Schweiz müsse sich neu, in einem enge-<br />

ren Verbund zum Ausland, positionie-<br />

ren und sich nun par tout öffnen, war<br />

die vorherrschende Meinung. Auch die<br />

Lehrinhalte der Universitäten reflektier-<br />

ten dieses Plädoyer. Vom Ausland her<br />

wurden die Angriffe gegenüber dem<br />

«Sonderfall Schweiz» deutlicher. Der<br />

Schweiz wurden Attribute wie «rück-<br />

wärts gerichtet», «nationalistisch», oder<br />

«Rosinenpicker» zuteil. Roger Köppel:<br />

«Innenpolitisch schlossen sich sogar<br />

Mitglieder des Bundesrates in gewissen<br />

Statements gegenüber dem Ausland<br />

dieser Meinung an. Vermehrt wurde <strong>–</strong><br />

auch im Zusammenhang mit Schwierig-<br />

keiten in der Regierung <strong>–</strong> etwa der Ruf<br />

zum Nachdenken über einen EU-Beitritt<br />

hörbar.»<br />

Da dränge sich der Vergleich mit dem<br />

<strong>Unternehmertum</strong> auf: Würde man auf<br />

Führungsstufe in einem Unternehmen<br />

die Rettung durch Einbindung in einen<br />

mächtigeren Apparat, zum Beispiel in<br />

einen Konzern, also mit übermächti-<br />

ger Beeinflussung von aussen, als beste<br />

Lösung erkennen? Würde man die ent-<br />

scheidenden Erfolgsfaktoren, die zur<br />

bisherigen Wohlfahrt führten. vernach-<br />

lässigen?<br />

Alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher<br />

Für Roger Köppel sind auf Staatsebene<br />

die direkte Demokratie, der Föderalis-<br />

mus und die Neutralität die wichtigsten<br />

Erfolgsfaktoren, denen die Schweize-<br />

rinnen und Schweizer die Wohlfahrt zu<br />

verdanken haben. <strong>Die</strong> direkte Demokra-<br />

tie sei in unserem Staat sozusagen das<br />

«institutionalisierte Misstrauen». «Der<br />

Souverän wünscht, von Seiten der Poli-<br />

tik soweit wie möglich in Ruhe gelassen<br />

zu werden. Der Souverän will die Macht<br />

nicht abgeben. Bei der direkten Demo-<br />

kratie setzt man sich der Auseinander-<br />

setzung aus, aber die mittels Mehrheit<br />

getroffenen Entscheide werden dann<br />

mitgetragen. Wenn Institutionen in der<br />

direkten Demokratie Verzögerungen<br />

orten, dann mag dies zum Teil begrün-<br />

det sein. Durch die Mehrheit des Volkes<br />

herbeigeführte Entscheide beflügeln<br />

indessen später die Prozesse.»<br />

Der Föderalismus fördere die Standort-<br />

vorteile zwischen den Kantonen und<br />

somit auch die Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Roger Köppel: «<strong>Die</strong> Kantone sind inno-<br />

vativ gefordert und tragen so auch<br />

zur internationalen Konkurrenzfähigkeit<br />

bei. Der Wettbewerb erstreckt sich auf


30<br />

die einzelnen Regionen. Er fordert die<br />

Eigenverantwortung. <strong>Die</strong> Schweiz zeigt<br />

sich dank der durch den Föderalismus<br />

hinzugewonnener Flexibilität auch im<br />

Rahmen der Globalisierung anpassungs-<br />

fähiger als andere Staaten.»<br />

<strong>Die</strong> Neutralität schliesslich sei nicht als<br />

geschichtslastig in Frage zu stellen.<br />

Vielmehr stelle sie <strong>für</strong> unser Land einen<br />

gewaltigen Sicherheits- und Stabilitäts-<br />

faktor dar. »Neutralität bindet Welt-<br />

offenheit nicht zurück. Im Gegenteil:<br />

Wenn wir keine Bündnisse eingehen,<br />

so ist ein Mitdenken und Mitfühlen<br />

auf allen Seiten möglich und die Hand-<br />

lungsräume bleiben offen. <strong>Die</strong>s gilt<br />

auch <strong>für</strong> das Erbringen guter <strong>Die</strong>nste»,<br />

betonte der «Weltwoche»-Chefredak-<br />

tor. Im Übrigen sei Neutralität gerade<br />

auch aus dem Blickwinkel der Wirt-<br />

schaftspolitik, somit aus der Perspek-<br />

tive des <strong>Unternehmertum</strong>s, als Vorteil<br />

zu erkennen.<br />

Finanzwelt als dritte Macht<br />

Gesprächsmoderator Dr. Peter Forster<br />

nahm in der Diskussion Bezug auf die<br />

Grundwerte der Schweiz mit christli-<br />

chem Hintergrund, das Image der<br />

Schweiz im globalen Umfeld sowie den<br />

Einsatz der Schweizer Armee im Aus-<br />

land. Christoph Vollenweider stellte eine<br />

Schlüsselfrage: «<strong>Die</strong> Schweiz charakte-<br />

risierte sich bisher, eben als Sonderfall,<br />

auch gegenüber dem Ausland mit den<br />

beiden Mächten Volk und Regierung.<br />

Inwieweit könnte nun eine dritte Macht,<br />

nämlich diejenige der Finanzwelt, hin-<br />

zukommen?» Alt Bundesrat Christoph<br />

Blocher definierte die jetzige Machtstel-<br />

lung der Banken als «too big to fail». Er<br />

vertrat dezidiert die Meinung, dass die<br />

Macht der Finanzwelt beziehungsweise<br />

jene der Banken nun einer neuen Kont-<br />

rollfähigkeit bedürfe.<br />

Ausserordentliches Gespräch «Ja zur<br />

Schweiz»; Nr. 16 vom 14. Januar 2010<br />

Roger Köppel<br />

«Ja zur eigenständigen Rechtsord-<br />

nung <strong>–</strong> Ja zu einer freiheitlichen Wirt-<br />

schaftsordnung» mit alt Bundesrat Dr.<br />

Christoph Blocher, Vizepräsident SVP<br />

Schweiz, Herrliberg und Roger Köppel,<br />

Verleger und Chefredaktor «Weltwo-<br />

che», Zürich; Gastgeber: Dr. h.c. Walter<br />

Reist; Moderation: Dr. Peter Forster.<br />

«Wenn die EU die Schweiz als Son-<br />

derfall bezeichnet, so sollten wir<br />

dies aus unserer Perspektive nicht<br />

als Nachteil, sondern als Vorteil<br />

werten, etwa mit der Genugtu-<br />

ung, dass wir als Sonderfall ‹mehr<br />

Bodennähe› haben dürfen, als die<br />

von oben kontrollierten Mitglied-<br />

staaten der EU».<br />

Roger Köppel


31<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Im Rahmen der Gesprächsreihe «Unsere<br />

Armee braucht stärkeren politisch-<br />

finanziellen Rückhalt» kamen am 23.<br />

Februar Ständerat Dr. Hermann Bürgi<br />

und Korpskommandant André Blatt-<br />

mann, Chef der Armee, zu Wort. <strong>Die</strong><br />

Stabilisierung und Fortentwicklung der<br />

Armee setzt eine Konsensfindung zwi-<br />

schen Politik und Armee voraus.<br />

Als ersten Referenten hiess der Modera-<br />

tor Dr. Peter Forster Ständerat Dr. Her-<br />

mann Bürgi, Mitglied der Sicherheits-<br />

politischen Kommission, willkommen.<br />

<strong>Die</strong> Armee habe in den vergangenen<br />

zwanzig Jahren, seit der Auflösung des<br />

Warschauer Paktes im Jahre 1991, an<br />

Rückhalt verloren, dies sowohl in der<br />

«Zur Eigenständigkeit der Schweiz<br />

gehören aus unserem Selbstver-<br />

ständnis heraus effiziente Instru-<br />

mente zur Gewährleistung der<br />

Sicherheit unseres Landes und<br />

damit eine glaubwürdige Armee.»<br />

Christoph Vollenweider<br />

Gesellschaft als auch in der Politik. «Fakt<br />

ist, dass heute Aufträge und Ressour-<br />

cen nicht mehr übereinstimmen.» Vieles<br />

in der Armee stimme zwar. <strong>Die</strong> Armee<br />

funktioniere, dort, wo sie «praktiziert»<br />

wird, also vor allem auf den unteren Stu-<br />

fen und in den Schulen gut. «Ich meine<br />

sogar, dass die Armee, im Vergleich zu<br />

meiner eigenen Militärdienstzeit heute<br />

viel grössere Fähigkeiten hat», so Her-<br />

mann Bürgi.<br />

GESPRÄCH<br />

Schweizer armee: auftrag und Ressourcen<br />

müssen übereinstimmen<br />

Um die Defizite und damit die Heraus-<br />

forderungen der Armee zu erkennen,<br />

müssten die neusten Berichte wahrge-<br />

nommen werden. Hermann Bürgi erin-<br />

nerte an die Analysen im Jahre 2009.<br />

Es wurden damals 51 Massnahmen auf-<br />

gelistet. Deren Umsetzung bedarf nun<br />

eines Controllings. «Bei beschlossenen,<br />

aber nicht durchgeführten Aufgaben<br />

stellen wir sowohl an den Chef der<br />

Armee wie an den Chef VBS unsere<br />

Fragen.» <strong>Die</strong> Liste wurde auch im Inter-<br />

net veröffentlicht. <strong>Die</strong>s zeigt, dass die<br />

Armeeführung besorgt ist und auch bei<br />

den Stimmbürgerinnen und Stimmbür-<br />

gern Transparenz schaffen will.<br />

<strong>Die</strong> Armee befindet sich in einem Trans-<br />

formationsprozess. Ständerat Hermann<br />

Bürgi: «Wir stehen noch in der Struk-<br />

turierung der Armee XXI. Es ist dies die<br />

in der Schweiz bisher grösste Armeere-<br />

form.» Sie sei noch nicht abgeschlossen.<br />

Sie betreffe auch die Führungsstruktu-<br />

ren. <strong>Die</strong> Chargen seien zum Teil nicht<br />

besetzt, es fehle an Personal und an<br />

Know-how. <strong>Die</strong> Kaderbestände seien<br />

ungenügend, was auch Mängel in der<br />

Ausbildung zur Folge habe. Bei den ein-<br />

zelnen Chargen fehle die Führungser-<br />

fahrung. «Es bestehen auch Defizite in<br />

der Logisitk: <strong>Die</strong> Logistikbasis der Armee<br />

funktioniert zum Teil nicht», sprach Her-<br />

mann Bürgi Klartext.<br />

Budget seit 1985 um 45 Prozent<br />

gesenkt<br />

<strong>Die</strong> Ressourcen und die Aufträge<br />

stimmten laut dem Referenten nicht<br />

überein. «<strong>Die</strong> Finanzlage stimmt<br />

nicht.» Zur Erinnerung: Seit 1985 wur-<br />

den die Budgets <strong>–</strong>inflations-bereinigt,<br />

also ohne Teuerung <strong>–</strong> um 45 Pro-<br />

zent gesenkt. Und auch später wurden<br />

vom Parlament neue Sparmassnahmen


32<br />

zulasten der Armee beschlossen. In<br />

den Medien suche man nun die Schul-<br />

digen, etwa mit der kritischen Frage:<br />

«Was hat man mit unserer Armee<br />

gemacht?» Mit einem jährlichen Bud-<br />

get von unter 4 Milliarden Franken<br />

befindet sich die Schweizer Armee am<br />

Ende der Skala vergleichbarer europäi-<br />

scher Staaten.<br />

<strong>Die</strong>se Ausgangslage rufe nach Konse-<br />

quenzen, nach «Aufräumen der Miss-<br />

stände». Zu beachten ist dabei: Zwei<br />

Drittel der Ausgaben fallen heute<br />

auf die Betriebskosten, <strong>für</strong> Investitio-<br />

nen bleibt nur noch ein Drittel übrig.<br />

<strong>Die</strong> neue Technologie ist weiterhin<br />

mit hohen Betriebskosten verbunden.<br />

Genügende Rüstungsprogramme sind<br />

kaum mehr realisierbar. <strong>Die</strong> Konse-<br />

quenz: <strong>Die</strong> Bereitschaft unserer Armee<br />

ist <strong>–</strong>inBezug auf das Material <strong>–</strong>nicht<br />

mehr gewährleistet.<br />

Reduktion der Bestände droht<br />

Zu den notwendigen Ressourcen der<br />

Armee zählen indessen auch die perso-<br />

nellen Bestände. Jetzt, im Jahre 2010,<br />

sind wir bereits in der Zwangslage, die<br />

Bestände zu reduzieren. Konkret heisst<br />

dies, dass bei den 20 Infanterie-Batail-<br />

lonen die Personalbestände abgebaut<br />

werden müssen <strong>–</strong> dies hauptsächlich<br />

wegen der demografischen Entwick-<br />

lung <strong>–</strong> mit weiteren Folgen wie Mangel<br />

an Kadernachwuchs und an Berufsmi-<br />

litär. «Parallel hierzu stellen wir fest,<br />

dass viele junge Schweiter den Zivil-<br />

dienst gegenüber dem Militärdienst<br />

bevorzugen», bedauerte Ständerat Her-<br />

mann Bürgi. «So wie die Armee heute<br />

strukturiert ist, können wir personell<br />

<strong>–</strong> schon mittelfristig bedacht <strong>–</strong> nicht<br />

mithalten.» <strong>Die</strong> Aufträge seien, somit<br />

auch wegen zunehmend kleiner wer-<br />

denden Bestände, mit den Ressourcen<br />

nicht mehr im Gleichgewicht.<br />

Warten auf Sicherheitspolitischen<br />

Bericht<br />

Unsere Bundesverfassung und das Mili-<br />

tärgesetz werden eigentlich missachtet.<br />

Der Handlungsbedarf wurde schon an<br />

früheren armeebezogenen <strong>Lilienberg</strong>-<br />

Anlässen aufgezeigt.Heute istdie Armee<br />

aus dem Blickwinkel der gesamten<br />

Sicherheitspolitik «gefährlich unterfinan-<br />

ziert» Als erster Schritt dränge sich laut<br />

Hermann Bürgi auf, dass sich die Politik<br />

dieses Problems bewusst wird, denn im<br />

Laufe der vergangenen zehn Jahre habe<br />

sich die Mehrheit der Politikerinnen und<br />

Politikernicht odernur am Randemit der<br />

Armee befasst. <strong>Die</strong> Politik habe die Rea-<br />

Ständerat Dr. Hermann Bürgi hat<br />

seine persönlichen Überzeugun-<br />

gen und Auffassungen auch in der<br />

<strong>Lilienberg</strong>schrift Nr. 24, «Ja zur<br />

Armee», Edition 2009, dargelegt,<br />

dies im Sonderbeitrag «Armeere-<br />

formen im politischen Prozess».<br />

lität verdrängt. «Bereits imJahre 2003<br />

habenwir,hierauf <strong>Lilienberg</strong>, zusammen<br />

mit Korpskommandant Ulrico Hess, fest-<br />

gestellt, dass die Schmerzgrenze erreicht<br />

ist. Von Seiten der Politik sind nun Vor-<br />

stösse erforderlich und es ist höchste<br />

Zeit, der Öffentlichkeit die Augen zuöff-<br />

nen <strong>–</strong>auch umdie Sicherheit als einer<br />

der Standortvorteile unseres Landes auf-<br />

rechtzuerhalten.» Erwartet werde der<br />

umfassend aufbereitete Sicherheitspoliti-<br />

sche Bericht, verbunden mit einer klaren<br />

Bedrohungsanalyse, umdaraus den Auf-<br />

trag an die Armee abzuleiten. «Hierbei<br />

muss die Autonomie der Verteidigung<br />

mitbedacht werden.»<br />

«Sicherheit ist keine<br />

Selbstvertändlichkeit»<br />

«Es sind noch keine dreissig Jahre her,<br />

als von Seiten fremder Armeen noch<br />

Angriffspläne auf die Schweiz exisitier-<br />

ten», sagte Korpskommandant André<br />

Blattmann, der Chef der Armee, zu<br />

Beginn seines Referats. Niemand wisse,<br />

wie sich die Lage global entwickelt.<br />

<strong>Die</strong> der Armee übertragenen Aufga-<br />

ben müssten mit den Ressourcen in<br />

einem Gleichgewicht stehen, betonte<br />

der Armeechef. «<strong>Die</strong> Debatten <strong>–</strong> insbe-<br />

sondere in den Sicherheitspolitischen


33<br />

Kommissionen <strong>–</strong> sind dringend. <strong>Die</strong> fol-<br />

genden Entschlüsse sollten womöglich<br />

in einen Bundesbeschluss münden, um<br />

so die Verbindlichkeiten gesetzlich zu<br />

verankern.»<br />

Viele Bedrohungen sind denkbar<br />

<strong>Die</strong> möglichen Gefahren und Bedro-<br />

hungen <strong>für</strong> die Schweiz seien sehr<br />

unterschiedlich. André Blattmann: «Wir<br />

kennen die Katastrophenfälle und die<br />

Ereignisse, bei denen umgehend die<br />

Armee angefordert wird. Zu den Bedro-<br />

hungsszenarien zählen auch Entwick-<br />

lungen in Bezug auf die Einwanderung<br />

von Ausländern sowie der Kampf um<br />

Ressourcen wie Wasser, Rohstoffe und<br />

Energie. Auf der Liste der möglichen<br />

Bedrohungen stehen im weiteren Terro-<br />

rismus, religiöser Extremismus, Weiter-<br />

verbreitung und Weitergabe von Mas-<br />

senvernichtungswaffen, Cyber Warfare<br />

Hinwiler unter sich. Von links: Gemeindepräsident Walter Bachofen, Dr. h.c. Walter<br />

Reist und Korpskommandant André Blattmann, Chef der Armee.<br />

und hiermit verbunden die Spionage<br />

mittels Hacking.» Ein Lahmlegen von<br />

Computernetzwerken stelle die Füh-<br />

rungsfähigkeit in Frage. «Kriege finden<br />

heute auch im und via Internet statt. <strong>Die</strong><br />

Armee muss diesbezüglich Eigenstän-<br />

digkeit bewahren.»<br />

Für André Blattmann stellt sich die zen-<br />

trale Frage: «Befinden wir uns auf dem<br />

Weg von der Bedrohungs- zur Ressour-<br />

cenorientierung?» Seine Antwort: «Ja,<br />

schon seit längerem. Bereits die Armee<br />

XXI und der Entwicklungsschritt 08/11<br />

bezeugen dies. Unsere heutige Armee<br />

stellt sozusagen eine Mischung zwi-<br />

schen Bedrohungs- und Fähigkeitsori-<br />

entierung dar.» Schon von den Infan-<br />

terie Bataillonen her, abgeleitet von<br />

den wahrscheinlichsten Bedrohungs-<br />

lagen mit Unterstützung der zivilen<br />

Behörden, sei erkennbar, dass die Fähig-<br />

keitsorientierung wesentlich durch die<br />

Ressourcen gesteuert wird.<br />

Schutz von Land und Leuten<br />

Welches sind die wichtigsten Aufga-<br />

ben der Armee? Sie habe vorrangig den<br />

«courant normal», oder eine möglichst<br />

rasche Rückkehr dazu nach Aufhebung<br />

des Normalzustandes, zu gewährleis-<br />

ten, so André Blattmann. <strong>Die</strong>s bein-


<strong>Die</strong> Referate von Ständerat Dr. Hermann Bürgi und Armeechef André Blattmann lockten auch viele Militär-Kaderleute auf <strong>Lilienberg</strong>.<br />

halte die Unterstützung der zivilen<br />

Behörden imInland, etwa inBezug auf<br />

Schutz wichtiger Objekte und Räume,<br />

das Offenhalten von Transversalen, die<br />

Betriebssicherheit der Wirtschaft und<br />

den Zugang zu Schulen. «Vor allem gilt<br />

es, die Führungsfähigkeit von Bund,<br />

Kantonen <strong>–</strong>und der Armee selbst <strong>–</strong>zu<br />

sichern.»<br />

Der Auftrag der Armee beinhaltet den<br />

Schutz von Land und Leuten, bis hin<br />

zur Landes-Verteidigung. <strong>Die</strong> Aufgaben<br />

seien stets sehr personalintensiv. Allein<br />

schon <strong>für</strong> den Einsatz an den wichtigs-<br />

ten Objekten entlang der Achse der A2<br />

(Kernkraftwerke, Hauptbahnhöfe, Post-<br />

verteilzentren) wären 30000 Armeean-<br />

gehörige nötig. Auch die Katastrophen-<br />

hilfe setzt eine permanente Bereitschaft<br />

von Truppenteilen voraus. Ausserhalb<br />

der Armee ist hierzu niemand in der<br />

Lage. Im weiteren geht der Chef der<br />

Armee davon aus, dass die Blaulicht-<br />

organisationen, also insbesondere die<br />

Polizei, bei den jetzigen Beständen nach<br />

40 Stunden <strong>für</strong> autonome Einsätze<br />

überfordert sind.<br />

Und zu den Beiträgen unserer Armee zur<br />

Friedensförderung im Ausland, meinte<br />

André Blattmann: «<strong>Die</strong> Vorgaben sei-<br />

tens der Politik sind festgelegt. Es gibt<br />

einen direkten Bezug zu den Interessen<br />

der Schweiz. Von Seiten internationaler<br />

Institutionen kommt uns <strong>für</strong> diese Ein-<br />

sätze hohe Anerkennung zuteil.»<br />

<strong>Die</strong> Armee bedeutet eine Investition in<br />

die Sicherheit unseres Landes. Der Ver-<br />

gleich zu einer nationalen Versicherung<br />

drängt sich auf: Je tiefer die Prämie,<br />

desto höher das Risiko beziehungsweise<br />

der Selbstbehalt. Das Verteidigungsbud-<br />

get befindet sich im stetigen Sinkflug.<br />

Es war im vergangenen Jahr 40 Prozent<br />

kleiner als im Jahre 1990 und umfasst<br />

heute noch 0,8 Prozent des Brutto-<br />

Inlandsprodukts (BIP).<br />

«<strong>Die</strong> Stabilität unserer Armee ist gefähr-<br />

det», warnte Korpskommandant André<br />

Blattmann. Es seien nur noch wenige<br />

Bataillone voll ausgerüstet, insbesondere<br />

unter Beachtung, dass gleichzeitig auch<br />

Schulen <strong>–</strong>mit entsprechender Material-<br />

zuteilung <strong>–</strong>laufen. <strong>Die</strong> Glaubwürdigkeit<br />

gegenüber den Angehörigen der Armee<br />

und damit gegenüber der Miliz werde<br />

unterlaufen. «<strong>Die</strong> Armee muss als Gan-<br />

zes Aufträge erfüllen können, man kann<br />

nicht Mosaiksteine herauslösen, sonst ist<br />

das Gesamtsystem in Frage gestellt.»<br />

Bedrohungslagen liessen sich nicht von<br />

den verfügbaren Ressourcen her defi-<br />

nieren. «Zu beachten ist zudem, dass<br />

Planungsschritteder Armee(dazu zählen<br />

auch Rüstungsmittel) eine Umsetzung<br />

vonfünfbis sechs Jahrenerfordern.Klare


35<br />

Vorgaben seitens der Politik sind unab-<br />

dingbar. <strong>Die</strong>se setzen auch Entschlüsse<br />

bezüglichdes Ausmasses undder Artder<br />

Gewährleistung der Verteidigungskom-<br />

petenz voraus.»<br />

«Ich stehe hinter dem Miliz-Prinzip»<br />

Das Miliz-Prinzip entspreche unserer<br />

Denkhaltung, auch der Selbstverant-<br />

wortung. «Es bietet qualifizierte Miliz-<br />

soldaten und -kader, ebenso mass-<br />

geschneiderte Aufgebote. Und zudem<br />

beinhaltet es eine wesentliche soziale<br />

Funktion und fördert den Zusammen-<br />

halt. In der Schweiz gibt es keine Alter-<br />

native dazu. Der Chef Armee: «Ich stehe<br />

vorbehaltlos hinter dem Miliz-Prinzip.»<br />

In der anschliessenden Plenumsdiskus-<br />

sion nahm Moderator Peter Forster zahl-<br />

reiche Wortmeldungen entgegen. Im<br />

Vordergrund standen zentrale Fragen<br />

wie «Sicherheit durch Kooperation»<br />

oder eben «Nicht-Kooperation», die<br />

demographische Entwicklung und deren<br />

Folgen auf die personellen Bestände,<br />

Sinn und Art der Auslandeinsätze sowie<br />

der Tiger Teil-Ersatz (TTE). Als vorrangig<br />

wurde der auf das Frühjahr 2010 zur<br />

Definition des Armeeauftrages erwar-<br />

tete neue Sicherheitspolitische Bericht<br />

bezeichnet. «Es liegt dringend in unse-<br />

rem Staatsinteresse», so Peter Forster,<br />

«dass im Eidgenössischen Parlament<br />

durch die Rechts- und Mitteparteien die<br />

Mehrheit gesichert wird, um der fort-<br />

schrittlichen Weiterentwicklung unserer<br />

Armee zuzustimmen.»<br />

Zum Abschluss sagte Christoph Vollen-<br />

weider: «Es gilt stets, die Ergebnisse der<br />

<strong>Lilienberg</strong>-Anlässe den politisch Verant-<br />

wortlichen weiterzuvermitteln. Ebenso<br />

wichtig ist es nun, dass die Impulse<br />

<strong>für</strong> eine starke, glaubwürdige Armee,<br />

auch unter dem Aspekt der Förderung<br />

der Sicherheit <strong>für</strong> den Wirtschaftsstand-<br />

ort der Schweiz, durch die Teilnehmen-<br />

den in ihren Beziehungskreisen verstärkt<br />

werden.»<br />

22. Ausserordentliches Gespräch «Ar-<br />

mee» vom 23. Februar 2010 «Unsere<br />

Armee braucht stärkeren politisch-<br />

finanziellen Rückhalt. Aufträge und Res-<br />

sourcen müssen übereinstimmen» mit<br />

Ständerat Dr. Hermann Bürgi und Korps-<br />

kommandant André Blattmann, Chef<br />

der Armee; Gastgeber: Dr. h.c. Walter<br />

Reist, Präsident des Stiftungsrates der<br />

Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum;<br />

Moderation: Dr. Peter Forster.


36<br />

Von Carmen Andrea Reidt<br />

In Zeiten der Wirtschaftskrise und der<br />

hohen Bonusauszahlungen werden die<br />

Stimmen laut, die sich <strong>für</strong> mehr Gerech-<br />

tigkeit und Ethik einsetzen. Ist das bloss<br />

ein Trend oder wird Ethik im Unterneh-<br />

men Einzug halten? Eine von vielen<br />

Fragen, die an der Tagung und einem<br />

Ausserordentlichen Gespräch des Akti-<br />

onsfeldes Unternehmenskultur & Unter-<br />

nehmensethik diskutiert wurden.<br />

Was ist Ethik? Wie steht sie im Zusam-<br />

menhang mit der Unternehmenskultur?<br />

Rendite versus Moral? Und: Lohnt sich<br />

das? Oder anders gefragt: muss es sich<br />

überhaupt lohnen?<br />

PD Dr. theol. Stefan Grotefeld und<br />

Damian Henzi versuchen das Thema aus<br />

unterschiedlichen Perspektiven anzu-<br />

gehen, erfuhren die Teilnehmenden<br />

der <strong>Lilienberg</strong>-Tagung vom 10. März.<br />

Stefan Grotefeld, Leiter der Fachstelle<br />

Kirche & Wirtschaft, nähert sich dem<br />

Thema über einen wissenschaftlichen<br />

Ansatz. Damian Henzi, CEO der Hoch-<br />

dorf Holding AG, bringt seine praktische<br />

Sichtweise mit ein. Im Vordergrund ste-<br />

hen die Auseinandersetzung mit dem<br />

Thema und der vorläufige Abschluss des<br />

Zyklus Unternehmenskultur & Unter-<br />

nehmensethik.<br />

Vier Einwände <strong>–</strong> Wirtschaftsethik ist…<br />

•unmoralisch (Marktwirtschaft nötigt zu marktkonformem Verhalten, Eigeninte-<br />

resse/Moral kommen in Konflikt)<br />

•paramoralisch (Wirtschaft hat eigene Sonder-Moral, die Alltagsmoral wird<br />

übertrumpft)<br />

•amoralisch (Wirtschaft und Moral sind zwei Subsysteme mit eigenen Gesetzen)<br />

•moralisch (Markt sorgt <strong>für</strong> Effizienz/gerechte Verteilung)<br />

Unternehmensethik <strong>–</strong> zwei Ansätze:<br />

•Ökonomik als bessere Ethik (Homann)<br />

Moral über Regulierung (Marktwirtschaft), unterscheiden zwischen Spielregeln<br />

(Moral) und Spielzügen (Wettbewerb)<br />

•Republikanische Unternehmensethik (Steinmann & Löhr)<br />

Verantwortung bei Res Publica (Friedensvorbehalt), Subsidiarität aus Effizienz-<br />

gründen.<br />

GESPRÄCH<br />

Ethik soll im Unternehmen<br />

Einzug halten<br />

Mehrwert Ethik <strong>für</strong> die Wirtschaft<br />

«Ethik und Unternehmenskultur: Reflek-<br />

tion über Moral. Wer setzt die Mass-<br />

Damian Henzi<br />

stäbe?», fragte Moderator <strong>Die</strong>trich Pes-<br />

talozzi in seiner Einführung. «Ethisches<br />

Handeln ist nur mit entsprechender Kul-<br />

tur möglich und kann nicht nur regula-<br />

torisch erfolgen», sagte er.<br />

In seinem Impulsreferat zeigte Ste-<br />

fan Grotefeld auf, wie sich die beiden<br />

Lebensbereiche Ethik und Wirtschaft<br />

zueinander verhalten. Er erläuterte den<br />

Mehrwert Ethik <strong>für</strong> die Wirtschaft und<br />

damit auch <strong>für</strong> die Unternehmen.<br />

Stefan Grotefeld


37<br />

Ethik-Management-Vorschläge seien<br />

zahlreich, so der Referent. «Entschei-<br />

dend ist aber nicht das Volumen, son-<br />

dern dieUmsetzung.Wichtig dazu sind:<br />

Wertediskussion (Wertekodex), Ver-<br />

antwortlichkeit/Vorleben auf höchster<br />

Stufe, Glaubwürdigkeit, Integrität und<br />

Intensität.»<br />

Ethik-Mehrwert, der schwer messbar<br />

ist, ergebe sich aus dem Reputations-<br />

gewinn, zufriedenen Mitarbeitern, Prä-<br />

vention gegen das staatliche Eingreifen<br />

und der Investition in das Umfeld. Meist<br />

bewirke Ethik weder finanziellen Nutzen<br />

noch Schaden. Es gebe jedoch Unter-<br />

nehmen, <strong>für</strong> die Ethik essentiell ist (zum<br />

Beispiel Corporate Social Responsibility<br />

ist Strategie/Identität, hohe Visibilität).<br />

Ethik soll nicht aus finanziellen Gründen<br />

erfolgen, sondern «because it`s the right<br />

thing to do», hielt Stefan Grotefeld fest.<br />

Sinnorientiertes<br />

Unternehmensleitbild<br />

«<strong>Die</strong> Hochdorf-Gruppe entwickelt sich,<br />

auch aufgrund der ethischen Unterneh-<br />

mensführung, gut», freute sich CEO<br />

Damian Henzi als weiterer Referent der<br />

Tagung und des Ausserordentlichen<br />

Gesprächs. Ein sinn- und wertorientier-<br />

tes Unternehmensleitbild stehe dabei im<br />

Zentrum, die Best Partner Vision sei der<br />

Leitstern. <strong>Die</strong> langjährige Tradition und<br />

die zugrundeliegenden Werte bildeten<br />

die Basis.<br />

<strong>Die</strong> Umsetzung des Leitbildes werde in<br />

der ethischen Verantwortung gegen-<br />

über den Stakeholdern ersichtlich.<br />

Wichtige Aspekte <strong>für</strong> Damian Henzi<br />

sind:<br />

•<strong>Die</strong> Wirtschaftskrise ist im Kern eine<br />

Wertekrise.<br />

•Welche Welt wollen wir? Ist die Wirt-<br />

schaft <strong>für</strong> den Menschen da oder<br />

umgekehrt?<br />

•Nachhaltiges Wirtschaften ist nur über<br />

ethisches <strong>Unternehmertum</strong> erreichbar.<br />

•Haltung prägt Handlung.<br />

•«Handle nur nach derjenigen Maxime,<br />

durch die du zugleich wollen kannst,<br />

dass sie ein allgemeines Gesetz<br />

werde.» (Immanuel Kant, Kategori-<br />

scher Imperativ)<br />

•Neun Gebote des Managers (Kodex),<br />

nicht Shareholdervalue sondern Maxi-<br />

mierung aller Stakeholder ist erstre-<br />

benswert.<br />

Lohnfragen sind laut Damian Henzi<br />

moralisch relevante Fragen (Individual-<br />

PD Dr. theol. Stefan Grotefeld<br />

ethik/Mikroebene, Verantwortung ist<br />

beim Individuum). Daneben gibt es die<br />

Makroebene (Ordnungsebene, Indiz<br />

eines Mangels), die Metaebene (Refle-<br />

xion über Sprache) und die Mesoebene<br />

(Unternehmensstufe) der Ethik.<br />

Schliesslich sei Unternehmensethik ein<br />

dauernder Prozess und Kampf, der viel<br />

Einsatz erfordert. «Dabei ist es wich-<br />

tig, Unternehmenswerte zum Leben zu<br />

erwecken. Ethik kann sich aber auch im<br />

Verhalten äussern, es geht nicht bloss<br />

um eine schwarz/weiss Entscheidung,<br />

sondern um das vertretbare Mass, das<br />

gefunden werden muss.»<br />

Zyklus «<strong>Die</strong> Wirkung der Unternehmens-<br />

kultur verstärken <strong>–</strong> ganz praktisch»; Lili-<br />

enberg-Tagung und Ausserordentliches<br />

Gespräch vom 10. März 2010 «Mehr-<br />

wert Ethik» mit PD Dr. Stefan Grotefeld,<br />

Leiter Fachstelle Kirche & Wirtschaft,<br />

evangelisch-reformierte Landeskirche<br />

des Kantons Zürich, und Damian Henzi,<br />

CEO Hochdorf Holding AG, Hochdorf;<br />

Gastgeberin: Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />

nehmerforum, begleitet durch Dr. And-<br />

reas Jäggi, Mitglied des <strong>Lilienberg</strong>rats;<br />

Moderation: <strong>Die</strong>trich Pestalozzi und<br />

Michel Grunder (Aktionsfeld Unterneh-<br />

menskultur und Unternehmensethik).


38<br />

Von Michel Grunder<br />

2009 war <strong>für</strong> den Industriesektor ein<br />

anspruchsvolles Jahr. Global wurde die<br />

stärkste Rezession seit 70 Jahren ver-<br />

zeichnet. Zusätzlich wurde die Schwei-<br />

zer Exportindustrie durch einen star-<br />

ken Franken gehemmt. Der Umsatz des<br />

Industriekonzerns Georg Fischer ist im<br />

Zuge der Wirtschaftskrise Mitte 2009<br />

im Vorjahresvergleich um 38 Prozent<br />

eingebrochen, was Sparmassnahmen<br />

nötig machte.<br />

Dr. Stephan Wittmann, Leiter Human<br />

Resources beim Schweizer Industrie-<br />

konzern Georg Fischer (GF), erläuterte<br />

im Rahmen des <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquiums<br />

«Ethisch fundiertes Management inder<br />

Praxis» die Massnahmen des Konzerns<br />

zur Reduktion der Personalkosten <strong>–</strong>bei-<br />

spielsweise Kurzarbeit oder strukturelle<br />

Anpassungen der Personalkapazität.<br />

Weil die Personalausgaben umrund 25<br />

Prozentgesenkt werdenmussten,leitete<br />

das Sparprogramm <strong>für</strong> alle Mitarbeiten-<br />

den von GF eine anspruchsvolle Zeit ein.<br />

Laut StephanWittmannstiessdiese Stra-<br />

tegie dennoch auf Akzeptanz. Entschei-<br />

GESPRÄCH<br />

Wertschätzung und Respekt<br />

sind keine Worthülsen<br />

dend da<strong>für</strong> waren zwei Gründe. Zum<br />

einenseien dieGrundwerte desHuman-<br />

Resources-Managements wie «Wert-<br />

schätzung»und «Vertrauen»keine Wor-<br />

thülsen, sondern feste Ankerpunkte in<br />

der Unternehmenskultur von GF. Von<br />

der sukzessive aufgebauten Vertrauens-<br />

basis und vom gegenseitigen Respekt<br />

habe das Unternehmen in der Krise pro-<br />

fitiert, so der Referent. Zweitens habe<br />

auch das Management seinen Beitrag<br />

zur Problemlösung leisten müssen. «<strong>Die</strong><br />

weltweit 280 obersten Führungskräfte<br />

haben freiwillig auf 10 Prozent <strong>–</strong> der<br />

CEOsogar auf20Prozent <strong>–</strong>des Monats-<br />

salärs verzichtet, und sie mussten auf-<br />

grund der wirtschaftlichen Lage zudem<br />

starkeEinbussen beiden variablen Lohn-<br />

bestandteile hinnehmen», sagte Ste-<br />

phan Wittmann. Auch der Verwaltungs-<br />

rat verzichtete auf 10 Prozent seiner<br />

Barentschädigung. <strong>Die</strong>ses Signal aus der<br />

Führungsetage habe die Akzeptanz <strong>für</strong><br />

und das Vertrauen indie Entscheide der<br />

Konzernleitung gestärkt.<br />

Im Zuge der Wirtschaftskrise wurden<br />

nicht nur Personal- und Lohnmassnah-<br />

Anregende Gespräche auch in der<br />

Pause: Dr. Stephan Wittmann (links)<br />

diskutieret mit den Teilnehmern<br />

des Kolloquiums.<br />

men bei GF, sondern Management-Ver-<br />

gütungen insgesamt stark thematisiert.<br />

«Löhne explodieren ins Exorbitante»<br />

oder «egoistische Abzocker mit irrwit-<br />

zigen Gehältern» titelten die Medien. Im<br />

Zentrum der Gruppendiskussion stan-<br />

den die beiden Fragen: «Wie lässt sich<br />

dieseDebatte versachlichen undlässt sie<br />

sich auf ethischem Terrain ausfechten?»<br />

<strong>Die</strong> Teilnehmenden waren sich einig, dass<br />

die öffentliche Diskussion zu wenig dif-<br />

ferenziert geführt werde, auf dem sub-<br />

jektiven Gerechtigkeitsempfinden ein-<br />

zelner Personen basiere und durch we-<br />

nige exzessive Beispiele jeweils neuen<br />

Aufwind erhalte.<br />

Ansprüche an die Fachkompetenz<br />

Auf dem Weg hin zu mehr Salärgerech-<br />

tigkeit stellte Stephan Wittmann drei<br />

Lösungsansätze zur Diskussion, die im<br />

Plenum auf positive Resonanz stiessen.<br />

Erstens müsse die Professionalisierung<br />

der Compensation Committees voran-


39<br />

getrieben werden. «Das stellt Ansprü-<br />

che an die Fachkompetenz der einzelnen<br />

Mitglieder und macht den Beizug von<br />

Fachexperten unausweichlich.» Zwei-<br />

tens müsse das Ethos der Human-<br />

Resources- Verantwortlichen gefördert<br />

werden. «Denn sie müssen der Selbst-<br />

bedienungsmentalität entgegentreten<br />

können, und sie sind Mittler im Pro-<br />

zess des fairen Interessensausgleichs<br />

über Saläransprüche.» Und drittens, so<br />

Stephan Wittmann, müssten Top-Kader<br />

ihre moralische Verantwortung wahr-<br />

nehmen. «Ohne moralische Anstren-<br />

gung und Tugenden wie «Bescheiden-<br />

heit» ist Salärgerechtigkeit eine Utopie.»<br />

Zyklus «Sinn und Ethik im Unterneh-<br />

mertum»; <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom<br />

28. Januar 2010 «Ethisch fundiertes<br />

Management in der Praxis» mit Dr. Ste-<br />

phan Wittmann, Leiter Human Resources<br />

Konzern, Georg Fischer AG, Schaffhau-<br />

sen; Moderation: Michel Grunder (Akti-<br />

onsfeld Unternehmenskultur &-ethik).<br />

GESPRÄCH<br />

Von Stefan Bachofen<br />

agrarfreihandel in Frage gestellt<br />

Bundesrat und Parlament sollen die Pläne<br />

<strong>für</strong>den Agrarfreihandelbegraben.Solau-<br />

tetdas einhellige Fazitder Teilnehmenden<br />

des ersten Kolloquiums im <strong>Lilienberg</strong>-Zyk-<br />

lus «Offensivstrategie <strong>für</strong> die Ernährungs-<br />

wirtschaft <strong>–</strong>eine ganzheitliche Landwirt-<br />

schaftspolitik der Schweiz». <strong>Die</strong> Meinung<br />

der bäuerlichen Klientel ist klar: Unter-<br />

zeichnet die Schweiz das Abkommen mit<br />

der EU<strong>für</strong> eine Liberalisierung des Agrar-<br />

handels, verschärft sich das Bauernster-<br />

ben in unseremLanddramatisch.<br />

Fakt ist: <strong>Die</strong> offizielle Schweizer Politik,<br />

hier verkörpert von Bundespräsidentin<br />

Doris Leuthard, unter anderem Land-<br />

wirtschaftsministerin, strebt ein Abkom-<br />

men mit der Europäischen Union (EU)<br />

<strong>für</strong> einen Agrarfreihandel an. <strong>Die</strong>ses soll,<br />

so die Begründung aus Bundesbern, der<br />

Schweizer Landwirtschaft neue Absatz-<br />

märkte eröffnen. Mit tieferen Preisen<br />

<strong>für</strong> Landwirtschaftsprodukte würde die<br />

«Hochpreisinsel Schweiz» eine Korrektur<br />

erfahren. Und last but not least könnte<br />

die Schweiz durch den Import von Billig-<br />

nahrungsmitteln aus dem Ausland einen<br />

wichtigen Beitrag zur finanziellen Unter-<br />

stützung vieler Kleinbauern inEntwick-<br />

lungsländern leisten.<br />

Nationalrätin Maya Graf vertritt eine klare Meinung gegen den Agrarfreihandel.<br />

Rechts Prof. Dr. Hans Hurni, Mitverfasser des Weltagrarberichts.


Von links: Prof. Dr. Hans Hurni, Peter Kistler, Nationalrätin Maya Graf, Prof. Ernst<br />

Wüthrich und Christoph Vollenweider.<br />

Freihandel hat verheerende Folgen<br />

Das sehen die Fachleute aus der Land-<br />

wirtschaftsbranche anders. <strong>Die</strong> Auswir-<br />

kungen des globalen Agrarfreihandels,<br />

wie ihn der Bundesrat und die Mehrheit<br />

des Parlamentes derzeit fordern, hätten<br />

verheerende, ja geradezu katastrophale<br />

Folgen <strong>–</strong> <strong>für</strong> den Schweizer Bauern-<br />

stand, <strong>für</strong> die Natur und <strong>für</strong> die Dritte<br />

Welt. «Wir leisten den Kleinbauern in<br />

den Entwicklungsländern, die ihre Ware<br />

mit reiner Muskelkraft herstellen, einen<br />

Bärendienst, wenn wir mit dem Agrar-<br />

freihandel die Grenzen öffnen», sagte<br />

Professor Dr. Hans Hurni von der Uni-<br />

versität Bern, Mitverfasser des Weltag-<br />

rarberichtes, auf dem Podium des Lilien-<br />

berg-Kolloquiums vom 13. April. Zwar<br />

sei eine Verdoppelung der Produktivi-<br />

tät der Kleinbetriebe in Drittweltstaaten<br />

theoretisch möglich. «Denn Kleinbau-<br />

ern in afrikanischen oder südamerika-<br />

nischen Ländern haben weltweit das<br />

grösste Steigerungspotenzial im Bereich<br />

der Produktivität. Doch sie produzie-<br />

ren die Nahrungsmittel nicht primär <strong>für</strong><br />

den Weltmarkt, sondern <strong>für</strong> kleinräu-<br />

mige Märkte, damit die Menschen im<br />

eigenen Land langfristig überleben kön-<br />

nen.» Zudem fehle es in diesen Ländern<br />

vielerorts an der nötigen Infrastruktur,<br />

um die Güter ins Ausland zu transpor-<br />

tieren. «Das alles steht im Weltagrarbe-<br />

richt», erklärte Hans Hurni.<br />

<strong>Die</strong> Grüne Nationalrätin und Biobäuerin<br />

Maya Graf doppelte nach: «Vom Frei-<br />

handel profitieren, abgesehen von der<br />

Bevölkerung in Industrieländern, in ers-<br />

ter Linie multinationale Konzerne sowie<br />

Grossgrundbesitzer, die ihre Landwirt-<br />

schaftsprodukte ins Ausland absetzen,<br />

nicht aber die armen Kleinbauern.»<br />

Auch flösse in Drittweltstaaten ohne<br />

demokratische Systeme das Geld sehr<br />

oft ins Portemonnaie der Regierungs-<br />

mitglieder, hob die Nationalrätin den<br />

Mahnfinger.<br />

Nicht nur Maya Graf und Hans Hurni<br />

kritisieren Bundesrätin Doris Leuthards<br />

Agrarpolitik scharf. <strong>Die</strong> meisten Schwei-<br />

zer Bauern tun dies. Stellvertretend <strong>für</strong><br />

seinen Berufsstand gab der Reichen-<br />

burger Gemüsebauer Peter Kistler zu<br />

bedenken, «dass der Agrarfreihandel<br />

über Leben und Tod in der Schwei-<br />

zer Landwirtschaft entscheidet.» Mit<br />

der völligen Liberalisierung des Agrar-<br />

handels und der Importflut von Bllig-<br />

produkten aus dem Ausland würden<br />

die Schweizer Landwirte an den Rand<br />

des wirtschaftlichen Ruins getrieben,<br />

warnte Peter Kistler in seinem kämpfe-<br />

rischen Referat. In der Schweiz könnten<br />

mit der Öffnung der Grenzen nur noch<br />

die nicht nachhaltigen Intensivbetriebe<br />

und Monokulturen überleben, welche<br />

eine zerstörerische Wirkung auf Boden,<br />

Vegetation und Klima haben.<br />

Ganzheitliche Landwirtschaftspolitik<br />

Dass viele Schweizer Politiker eine rein<br />

wirtschaftliche Interessenspolitik betrei-<br />

ben und die bäuerliche Landwirtschaft<br />

sowie die Umwelt dem Weltmarktpreis<br />

opfern wollen, schmerze ihn als Öko-<br />

nom mit Umwelt- und Gesellschafts-


41<br />

bewusstsein und bäuerlichen Wurzeln,<br />

sagte der Gesprächsmoderator Profes-<br />

sor Ernst Wüthrich. Er wolle die Veran-<br />

staltungsreihe auf <strong>Lilienberg</strong> nutzen, um<br />

mit den Referenten und Teilnehmern die<br />

Schweizer Landwirtschaftspolitik nicht<br />

nur ökonomisch, sondern fachlich fun-<br />

diert, ganzheitlich und langfristig zu<br />

betrachten und dabei auch die mensch-<br />

lichen und sachlichen Argumente zu<br />

berücksichtigen.<br />

Es gebe durchaus eine ganzheitliche<br />

Alternative zum Agrarfreihandel, beteu-<br />

erte Nationalrätin Maya Graf. Ernäh-<br />

rungssouveränitätdurch eine ökologisch<br />

betriebene Landwirtschaft zu schaffen,<br />

könnte dieLösung sein,sagte sie. Ernäh-<br />

rungssouveränität bedeutet das Recht<br />

eines Landes, seine Landwirtschafts-<br />

und Ernährungspolitik selber zubestim-<br />

menund zu definieren,ohnePreis-Dum-<br />

ping <strong>für</strong> Agrar-Rohstoffe gegenüber<br />

anderen Ländern zu betreiben. Damit<br />

werde die lokale landwirtschaftliche<br />

Produktion begünstigt. Der Parlamen-<br />

tarierin der Grünen Partei schwebt eine<br />

ökologische Landwirtschaft vor. «Damit<br />

würden die Rechte der Bauern und<br />

Landfamilien geachtet, unsere Bauern<br />

mit kleinen und mittelgrossen Betrieben<br />

vor Billigimporten geschützt und die<br />

Selbstversorgung der Schweiz durch die<br />

Landwirtschaft verbessert.»<br />

Darüber, ob in der Schweiz zwingend<br />

die Produktion von biologischen Nah-<br />

rungsmitteln forciert werden muss,<br />

waren sich die Teilnehmenden aller-<br />

dings uneins. <strong>Die</strong>se Frage stehe nicht<br />

im Zentrum, meinten viele. «Gemein-<br />

sam gegen den Agrarfreihandel und<br />

den Import von Billigprodukten kämp-<br />

fen um nicht noch mehr Kunden an die<br />

Billigdiscounter zu verlieren, soll unser<br />

wichtigstes Ziel sein», meinte ein Land-<br />

wirt aus dem Zürcher Oberland. Und<br />

Gemüsebauer Peter Kistler stimmte ihm<br />

zu: «Im Gegensatz zu Aldi und Lidl<br />

bieten wir dem Konsumenten qualita-<br />

tiv hochwertige Grundnahrungsmittel<br />

und Frischprodukte an. Wir wollen das<br />

auch in Zukunft tun <strong>–</strong> zu einem fairen<br />

Weitere Veranstaltungen<br />

Preis, damit wir, die Landwirte, über-<br />

leben können, ohne auf Almosen des<br />

Bundes in Form von Stützungsbeiträgen<br />

angewiesen zu sein.»<br />

Zyklus «Offensivstrategie <strong>für</strong> die Ernäh-<br />

rungswirtschaft <strong>–</strong> eine ganzheitliche<br />

Landwirtschaftspolitik der Schweiz»;<br />

<strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom 13. April<br />

2010 «Folgen des Agrarfreihandels<br />

gemäss Weltagrarbericht. Ernährungs-<br />

souveränität der Schweiz als Alterna-<br />

tive?» mit Nationalrätin Maya Graf, Bio-<br />

bäuerin, Sissach, Prof. Dr. Hans Hurni,<br />

Universität Bern, Mitverfasser Weltag-<br />

rarbericht und Peter Kistler, Gemüse-<br />

bauer, Reichenburg; Moderation: Prof.<br />

Ernst Wüthrich, Fachhochschule Nord-<br />

westschweiz, Institut <strong>für</strong> Wettbewerbs-<br />

fähigkeit und Kommunikation, Olten<br />

(Aktionsfeld Wirtschaft & Industrie).<br />

•<strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom Donnerstag, 27. Mai 2010, 14 bis 18 Uhr. «Wo steht<br />

die Schweizer Landwirtschaft als Faktor der Schweizer Volkswirtschaft?».<br />

•<strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom Montag, 21. Juni 2010, 14 bis 18 Uhr. «<strong>Die</strong> Schwei-<br />

zer Landwirtschaft von der defensiven Bittstellerrolle zur gestalterischen souve-<br />

ränen Offensivkraft: <strong>Die</strong> Möglichkeiten einer Offensivstrategie».<br />

•Tagung und Ausserordentliches Gespräch vom Donnerstag, 9. September<br />

2010, 9.30 bis 16.15 Uhr und 17 bis 19 Uhr.


42<br />

Von Max Becker<br />

Weg von der «Guillotine 65»<br />

Ein gut funktionierender Arbeitsmarkt<br />

bildet das Rückgrat des Wohlstandes<br />

in der Schweiz. Was ist zu tun, um<br />

die Vitalität dieses Marktes zu erhal-<br />

ten und zu stärken, der, vor allem in<br />

Zeiten von konjunkturellen Turbulen-<br />

zen, immer wieder neuen Belastungs-<br />

proben ausgesetzt ist? Welches sind<br />

die Trends, die in den nächsten zehn<br />

Jahren auf uns zukommen? Mit diesen<br />

Fragen setzten sich die Teilnehmenden<br />

im ersten Kolloquium des neuen Zyklus<br />

Dr. Patrik Schellenbauer<br />

des Aktionsfeldes Wirtschaft &Indust-<br />

rie auseinander.<br />

Dr. Patrik Schellenbauer von Avenir<br />

Suisse ging in seinem Referat von ver-<br />

schiedenen zugrunde liegenden Fakto-<br />

ren aus:<br />

GESPRÄCH<br />

•Alterung der Gesellschaft<br />

•Fortschreitende Arbeitsteilung<br />

•Anhaltende Tertiarisierung und Inter-<br />

nationalisierung<br />

•Steigende Ansprüche an die funktio-<br />

nale und geografische Mobilität<br />

Er stellte eine «sozio-kulturelle» Verjün-<br />

gung fest: 60-Jährige sind noch nicht<br />

alt. Und er wies auf die tendenziell sin-<br />

kende Korrelation zwischen Leistungs-<br />

fähigkeit und biologischem Alter hin,<br />

wobei jedoch die individuellen Unter-<br />

schiede von älteren Menschen in Bezug<br />

auf die Leistungsfähigkeit gross seien.<br />

«Ausserdem fallen Alterspyramide und<br />

Unternehmens-Hierarchien immer mehr<br />

auseinander», sagte Patrik Schellen-<br />

bauer. «Erfahrene Mitarbeitende erhal-<br />

ten oftmals junge Chefs.» Der Trend<br />

zum früheren Pensionsalter konnte<br />

gebrochen werden, nicht zuletzt weil<br />

die vorzeitigen Pensionierungen <strong>für</strong> die<br />

Unternehmungen nicht mehr attraktiv<br />

wurden, aber auch weil es nicht mehr<br />

«schick» ist, früher in Rente zu gehen.<br />

<strong>Die</strong> Frage stelle sich auch, so der Refe-<br />

rent, ob der Arbeitsmarkt die «neuen<br />

Alten» absorbieren wird: Es zeige sich,<br />

dass Arbeitslosigkeit ab 50 zwar selte-<br />

ner, aber zunehmend hartnäckig wird.<br />

Dazu komme, dass die Erwerbsquote<br />

der Frauen <strong>–</strong> gerade jener im fortge-<br />

schrittenen Alter <strong>–</strong> stärker auf ökonomi-<br />

sche Anreize reagiert als jene der Män-<br />

ner und damit eher steuerbar scheint.<br />

Gerade wenn weibliches Einkommen,<br />

falls es als Zweiteinkommen anfällt,<br />

aus der Sicht der Steuerbelastung als<br />

wenig attraktiv wahrgenommen wer-<br />

den könnte, sind Unsicherheiten über<br />

die künftigen Entwicklungen vorauszu-<br />

sehen.<br />

Weiterbildung hört mit 50 nicht auf<br />

Charles Bélaz, Präsident von Swissstaf-<br />

fing (Verband der Personaldienstleister<br />

in der Schweiz) sah in seinem Refe-<br />

rat ein zunehmendes Ungleichgewicht<br />

zwischen Arbeitnehmern und Arbeit-<br />

gebern voraus: Erstere sind seiner Mei-<br />

nung nach am längeren Hebel, vor allem<br />

auf dem Sektor der fachlich gut quali-<br />

fizierten Arbeitskräfte, während er bei


43<br />

den Gering- und Falsch-Qualfizierten<br />

eine Unterbeschäftigung vorhersieht.<br />

Er wies auch auf die unterschiedlichen<br />

Blickwinkel der Generationen hinsicht-<br />

lich des Arbeitsmarkts hin: Jede Gene-<br />

ration hat eigene Ideen zum Funktio-<br />

nieren des Markts, und jede Generation<br />

wird von andern Motiven getrieben,<br />

am Markt teilzuhaben. Ausserdem: <strong>Die</strong><br />

Bedenken bezüglich der Einwanderung<br />

Charles Bélaz<br />

hält Charles Bélaz <strong>für</strong> unbegründet. Hin-<br />

gegen hob er die Wichtigkeit des Qua-<br />

lifikations-Niveaus der Zuwandernden<br />

und der Weiterbildungs-Anstrengungen<br />

quer durch alle Berufsgruppen hervor.<br />

«Weiterbildung darf mit 50 nicht auf-<br />

hören.»<br />

Hin zu neuen sozialen Netzwerken<br />

In der Diskussion wurde auf die zuneh-<br />

mende Bedeutung von zwei Phänome-<br />

nen aufmerksam gemacht: Zunächst<br />

auf jenes der neuen Medien (soziale<br />

Netzwerke), welche tradierte Formen<br />

der Kommunikation ablösen und den<br />

Arbeitsmarkt der Zukunft wesent-<br />

lich beeinflussen könnten. So spielen<br />

diese Netzwerke bei der Personalsuche<br />

schon heute eine zunehmende Bedeu-<br />

tung <strong>–</strong> sie erhöhen die Transparenz <strong>für</strong><br />

alle Beteiligten, dann aber auch auf die<br />

zunehmende Bedeutung des «dritten<br />

Alters», das heisst der Lebensphase zwi-<br />

schen voller Erwerbstätigkeit und Ruhe-<br />

stand, in der sich neue Beschäftigungs-<br />

und Aktivitätsmuster <strong>für</strong> immer mehr<br />

Leute abzeichnen (Teilzeiterwerb, Auf-<br />

bau eigener unternehmerischer Aktivi-<br />

täten, benevol-Tätigkeiten, Zweitausbil-<br />

dung) . <strong>Die</strong>s alles sind Elemente, die <strong>–</strong> als<br />

Schritt in die richtige Richtung <strong>–</strong> von der<br />

eindimensionalen «Guillotine 65» weg-<br />

führen, welche die Gesellschaft über<br />

lange Zeit geprägt hat.<br />

Zyklus «Arbeitsmarkt 2020 <strong>–</strong> eine unter-<br />

nehmerische und gesellschaftliche Her-<br />

ausforderung»; <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium<br />

vom 14. April 2010 «Entwicklung des<br />

Arbeitsmarktes <strong>–</strong> Thesen und Trends»<br />

mit Dr. Patrik Schellenbauer, Avenir<br />

Suisse, Zürich und Charles Bélaz, Prä-<br />

sident Swissstaffing (Verband der Per-<br />

sonaldienstleiter der Schweiz), Zürich;<br />

Moderation: Dr. Max Becker und Anton<br />

Bucher (Aktionsfeld Wirtschaft & Indus-<br />

trie).


44<br />

Von Barbara Meili<br />

Damit die Demokratie funktioniert, sind<br />

Qualitätsmedien unabdingbar. Im Zeit-<br />

alter von Internet und Gratiszeitungen<br />

ist vor allem im Printbereich der Fort-<br />

bestand der Qualitätsmedien in Gefahr.<br />

Können demokratierelevante Medien<br />

die digitale Revolution überleben? Ein<br />

Zyklus im Aktionsfeld Medien & Kom-<br />

munikation widmet sich dieser Frage.<br />

Das Internet hat interessierten Nutzern<br />

eine breite Palette von neuen Angeboten<br />

gebracht, die jederzeit und unentgeltlich<br />

zur Verfügung stehen. <strong>Die</strong>s gilt auch <strong>für</strong><br />

journalistischeLeistungen vonhoher Qua-<br />

lität. <strong>Die</strong>se Entwicklung hat insbesondere<br />

diePrintmedienineinetiefe Krisegestürzt.<br />

Leserinnen und Leser sind immer weni-<br />

ger bereit, <strong>für</strong> Inhalte zubezahlen, und<br />

die Werbebranche sucht sich zunehmend<br />

neue Kanäle. <strong>Die</strong> Demokratie ist aber<br />

<strong>für</strong> ihr Funktionieren auf Qualitätsmedien<br />

angewiesen, dieprofessionellorganisierte<br />

Redaktionen,einegrosseVerbreitung und<br />

eine starke Marke haben. Einzelperso-<br />

nen und Nischenprodukte können in den<br />

demokratischen Prozessenkeine tragende<br />

Funktion übernehmen.<br />

GESPRÄCH<br />

Welchen Nutzen haben Medien<br />

<strong>für</strong> die Demokratie?<br />

Innovative Formen sind gesucht<br />

Können traditionsreiche demokratie-<br />

relevante Medien die digitale Revolu-<br />

tion überleben? Welche alternativen<br />

Modelle haben eine Chance, sich am<br />

Medienmarkt durchzusetzen? Gibt es<br />

innovative Formen <strong>für</strong> die Organisation<br />

von Redaktionen, <strong>für</strong> Finanzierung und<br />

Trägerschaft von demokratierelevanten<br />

Medien? <strong>Die</strong>se Fragen werden Expo-<br />

nenten aus Wissenschaft und Praxis in<br />

den einzelnen Anlässen des Zyklus von<br />

verschiedenen Seiten beleuchten.<br />

Im ersten Kolloquium, das am 15. März<br />

stattfand, referierten Dr. Matthias Künz-<br />

ler und Dr. Manuel Puppis zum Thema<br />

«Vom Nutzen der Medien <strong>für</strong> die Demo-<br />

Weitere Veranstaltungen<br />

kratie». <strong>Die</strong> beiden Medienwissen-<br />

schaftler sind als Oberassistenten am<br />

Institut <strong>für</strong> Publizistikwissenschaft und<br />

Medienforschung (IPMZ) der Universi-<br />

tät Zürich tätig. Sie zeigten die Leistung<br />

des heutigen Schweizer Mediensystems<br />

<strong>für</strong> die Demokratie und welche Anfor-<br />

derungen die Medien in Bezug auf die<br />

demokratische Gesellschaft zu erfüllen<br />

haben, die Rolle von Markt und Staat<br />

und wie sich dieses Gefüge durch die<br />

Online-Medien verändert. Damit legten<br />

Matthias Künzler und Manuel Puppis ein<br />

solides wissenschaftliches Fundament<br />

<strong>für</strong> die künftigen Diskussionen.<br />

Ihre Ausführungen ergänzte ein Vertre-<br />

ter der politischen Praxis, der Kantons-<br />

•<strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium vom Montag, 31. Mai 2010, 14bis 18 Uhr: «Ist das<br />

Thema Demokratie <strong>für</strong> den künftigen Medienmarkt noch relevant?»<br />

•<strong>Lilienberg</strong> Kolloquium vom<strong>Die</strong>nstag, 31.August2010, 14 bis18Uhr:«Erfolgs-<br />

modelle <strong>für</strong> Qualitätsmedien: ‹Best Practice› aus der Print- und Online-Welt».<br />

•Tagung und Ausserordentliches Gespräch vom <strong>Die</strong>nstag, 9. November 2010,<br />

9.30 bis 16.15 Uhr und 17 bis 19Uhr: «Wie können sich demokratierelevante<br />

Medien finanzieren? Auf der Suche nach neuen Modellen».<br />

Von links: Dr. Matthias Künzler, Werner<br />

Schwarzwälder, Dr. Barbara Meili, Josef<br />

Bieri, Dr. Manuel Puppis.


45<br />

rat und ehemalige Kreuzlinger Stadt-<br />

ammann Josef Bieri. Er erläuterte die<br />

Kommunikationsbedürfnisse einer gros-<br />

sen, sozial vielschichtigen Gemeinde<br />

und stellte einen innovativen Lösungs-<br />

ansatz im Medienverbund zur Informa-<br />

tion der Bevölkerung vor.<br />

Medienbranche soll profitieren<br />

Das Thema «Haben demokratierelevante<br />

Medien nach der digitalen Revolution<br />

noch eine Chance?» liegt im Schnitt-<br />

bereich von Theorie und Praxis und ist<br />

deshalb von beiden Seiten noch wenig<br />

bewirtschaftet worden. <strong>Die</strong> Resultate<br />

des Zyklus sollen sowohl <strong>für</strong> die Medi-<br />

enwissenschafts-Community alsauch<strong>für</strong><br />

dieMedienbranche einenNutzenstiften.<br />

Zyklus «Haben demokratierelevante<br />

Medien nach der digitalen Revolution<br />

noch eine Chance?»; <strong>Lilienberg</strong>-Kollo-<br />

quium vom 15. März 2010 «Vom Nut-<br />

zen der Medien <strong>für</strong> die Demokratie» mit<br />

Dr. Matthias Künzler und Dr. Manuel<br />

Puppis, Oberassistenten am Institut <strong>für</strong><br />

Publizistikwissenschaft und Medien-<br />

forschung der Universität Zürich, Josef<br />

Bieri, vorm. Stadtammann, Kreuzlingen;<br />

Moderation: Dr. Barbara Meili und Wer-<br />

ner Schwarzwälder (Aktionsfeld Medien<br />

& Kommunikation).<br />

Ausgangspunkt des aktuellen Zyklus des<br />

Aktionsfeldes Sicherheit & Armee war<br />

die Feststellung, dass der Anteil an Miliz-<br />

Generalstabsoffizieren (Gst Of) im Korps<br />

der Gst Of in der Armee XXI tendenziell<br />

abgenommen hat. Der Anteil an Gst Of,<br />

die entweder in der Privatindustrie, als<br />

zivile Staatsangestellte oder selbstän-<br />

dig erwerbend sind, bewegt sich heute<br />

noch in der Grössenordnung von ledig-<br />

lich 15 bis 20 Prozent vom Gesamtbe-<br />

stand der Generalstabslehrgänge I und<br />

II. Mit Blick auf die Zukunftsgestaltung<br />

der Armee sind Miliz-Generalstabsof-<br />

fiziere aber von grösster Bedeutung.<br />

<strong>Die</strong> Ausrichtung der Ausbildung muss<br />

sich jedoch ändern, fordern Politik und<br />

Wirtschaft.<br />

GESPRÄCH<br />

Von Martin von Orelli<br />

Wirtschaft fordert neue<br />

ausrichtung der ausbildung<br />

<strong>für</strong> Generalstabsoffiziere<br />

Spricht man von der schweizerischen<br />

Milizarmee, kann es nicht gleichgültig<br />

sein, ob das Korps der Generalstabs-<br />

offiziere vornehmlich aus Berufsmili-<br />

tärs und Verwaltungsangestellten des<br />

Departements <strong>für</strong> Verteidigung, Bevöl-<br />

kerungsschutz und Sport (VBS) besteht<br />

und die «klassischen» Milizoffiziere nur<br />

mehr eine «Randerscheinung» darstel-<br />

len. Was spontan als Verlust bedauert<br />

wird, erweist sich bei vertiefter Analyse<br />

als Symptom einer ausserordentlich viel-<br />

schichtigen Thematik, die nach wie vor<br />

Emotionen zu wecken vermag. Denn<br />

sie betrifft direkt Fragen rundum die<br />

Schweizer Milizarmee. Es ist in gewis-<br />

sem Masse eine Frage der intellektuel-<br />

len Redlichkeit, wie wir damit umgehen.<br />

Fachkompetenz ginge verloren<br />

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass<br />

Generalstäbe mehr und mehr zum ver-<br />

längerten Arm der Verwaltungen wer-<br />

Franz Wipfli


46<br />

den. Auch im militärischen Kontext<br />

scheint es immer mehr um unschein-<br />

bares und anonymes Verwaltungshan-<br />

deln zu gehen. Da aber Verwaltungs-<br />

handeln geregelten Bahnen folgt, kann<br />

der Eindruck entstehen, dass die mit<br />

dem Milizsystem einhergehende Viel-<br />

falt höchstens noch in kleinem Umfang<br />

erwünscht ist. Dabei ist man sich einig,<br />

dass nur das Milizsystem Diversität bie-<br />

tet. Sollten die «klassischen» Miliz-<br />

Generalstabsoffiziere der Armee fehlen,<br />

würde es der Armee im besten Sinn<br />

des Wortes an Fachkompetenz <strong>für</strong> die<br />

Zukunftsgestaltung fehlen.<br />

Im Zuge der Arbeiten auf <strong>Lilienberg</strong><br />

wurden zahlreiche externe Exponenten<br />

aus Wirtschaft, Politik, Armee angehört.<br />

Dabei war entscheidend, dass sich ins-<br />

besondere die Vertreter aus Wirtschaft<br />

und Politik auch zum «Preis» geäus-<br />

sert haben, den das Ergreifen der Lauf-<br />

bahn als Generalstabsoffiziere <strong>für</strong> sie<br />

zur Folge gehabt hat beziehungsweise<br />

noch haben wird.<br />

<strong>Die</strong> verschiedenen zivilen Redner waren<br />

sich einig, dass die gesellschaftliche<br />

Wertschätzung militärischer Führungs-<br />

erfahrung sinkt, insbesondere auch sei-<br />

tens der Privatwirtschaft. Grundsätzlich<br />

wird erheblicher Handlungsbedarf in<br />

der schweizerischen Sicherheitspolitik<br />

geortet. Alles ist daran zu setzen, dass<br />

die zurzeit bestehende Blockade in der<br />

Sicherheitspolitik ein Ende findet.<br />

Neue Ausbildungsschwerpunkte<br />

gefordert<br />

<strong>Die</strong> Wirtschaft fordert eine Optimie-<br />

rung der Wertschöpfung zwischen mili-<br />

tärischer und ziviler Ausbildung. Klar ist<br />

eine Aussage, wonach der Gst Of «neu<br />

definiert» werden müsse. Unbestrit-<br />

ten bleibt die notwendige Grundaus-<br />

bildung. Aber in den fortgeschrittenen<br />

Lehrgängen ist vom rein militärischen<br />

Wissen und Können tendenziell Abstand<br />

zu nehmen und ein «generelleres, über<br />

die Armee hinausgehendes Know-how»<br />

anzuvisieren. Es werden also neue Aus-<br />

bildungsschwergewichte <strong>für</strong> die höhe-<br />

ren Stufen gefordert.<br />

Mehr auf der praktischen Seite wurde<br />

der Gst Of als homo oeconomicus<br />

betrachtet, der mit seiner Zeit haus-<br />

hälterisch umgehen muss. Es geht um<br />

das Setzen von Prioritäten, die er auf-<br />

grund einer Kosten-Nutzen-Analyse<br />

setzt. In der militärischen Ausbildung<br />

sind die Kosten als Opportunitätskos-<br />

ten zu bezeichnen, die daraus entste-<br />

hen, dass die Ressource Zeit nur ein Mal<br />

und nur <strong>für</strong> Nutzenstiftendes eingesetzt<br />

werden kann. <strong>Die</strong>ser Nutzen scheint<br />

unter anderem ein wichtiges Element<br />

zu sein, das <strong>für</strong> den Entscheid <strong>für</strong> oder<br />

wider eine Generalstabslaufbahn den<br />

Ausschlag gibt.<br />

Alle sind sich einig, dass die General-<br />

stabsausbildung zwingend anspruchs-<br />

voll zu sein hat. Milizoffiziere kommen<br />

nur, wenn hohe Ansprüche gestellt wer-<br />

den. Ungenügende Teilnehmer müssen<br />

ausscheiden. <strong>Die</strong> Generalstabs-Ausbil-<br />

dung soll aber nicht in Konkurrenz zu<br />

zivilen Bildungsinstitutionen treten, da<br />

dies immer auf Kompromisslösungen<br />

zu Ungunsten der militärischen Bedürf-<br />

nisse hinauslaufen wird. Eine General-<br />

Oberst i Gst Hans Schatzmann,<br />

Präsident der Schweizerischen<br />

Offiziersgesellschaft.


Kompetente Gesprächsrunde, von links: Brigadier Rolf Oehri, Brigadier Daniel Keller, Dr. Rolf Dörig und Nationalrat Peter Malama.<br />

Ganz rechts Moderator Dr. Martin von Orelli, Divisionär aD.<br />

stabsausbildung kann komplementär,<br />

zum Beispiel zu einem MBA, erfolgen.<br />

Fazit<br />

•In der schweizerischen Sicherheitspo-<br />

litik bleibt die Lage schwierig, was<br />

unter anderem auch Auswirkungen<br />

auf die Bereitschaft junger Kader hat,<br />

sich in der Armee zu engagieren.<br />

•Politik und Wirtschaft fordern eine<br />

neue Ausrichtung der Generalstabs-<br />

offiziersausbildung, insbesondere <strong>für</strong><br />

die höheren Lehrgänge.<br />

•Alle Exponenten sind sich im Grund-<br />

satz einig, dass der eigentliche Mehr-<br />

wert einer Generalstabsausbildung<br />

sowohl militärisch als auch <strong>für</strong> das<br />

Zivile unbestritten ist.<br />

•Was hingegen die Vermittlung des<br />

Mehrwertes der Generalstabsausbil-<br />

dung betrifft, so besteht echter Hand-<br />

lungsbedarf. Insbesondere in inter-<br />

national tätigen Konzernen hat die<br />

schweizerische Generalstabsausbil-<br />

dung kaum noch einen eigenständi-<br />

gen Stellenwert.<br />

<strong>Die</strong> zahlreichen, wertvollen Diskussio-<br />

nen haben gezeigt, dass die oberfläch-<br />

liche Feststellung, wonach der Anteil<br />

an «klassischen» Miliz Gst Of abneh-<br />

mend ist, nur ein erster Schritt ist. Sehr<br />

viel anspruchsvoller ist es, Remedur zu<br />

schaffen, denn <strong>–</strong> so die Worte eines<br />

engagierten Miliz Gst Of: «Wenn es ein<br />

echtes Milizsystem geben soll, ist es <strong>–</strong><br />

auch <strong>für</strong> Gst Of <strong>–</strong> relevant zu gestalten».<br />

Zyklus «Generalstabsoffiziere <strong>–</strong> heute<br />

und morgen»; Unternehmerisches Ge-<br />

spräch vom 12. Januar 2010 «Führung in<br />

Armee und Wirtschaft» mit Joel Gierin-<br />

ger, Credit Suisse <strong>–</strong> Credit Risk Manage-<br />

ment Provate Banking, und Oliver Mül-<br />

ler, Assistant CEO, Elektrizitätswerke<br />

des Kantons Zürich; Unternehmerisches<br />

Gespräch vom 11. Februar 2010 «Füh-<br />

rung in Armee und Wirtschaft» mit Hans<br />

Schatzmann, Rechtsanwalt und Notar,<br />

Präsident der Schweizerischen Offiziers-<br />

gesellschaft, Oberst i Gst; Unternehme-<br />

risches Gespräch vom 31. März 2010<br />

«Führung in Armee und Wirtschaft»<br />

mit Franz Wipfli, ehemaliges Mitglied<br />

der erweiterten Konzernleitung Zurich<br />

Financial Services, ehemaliger Stabschef<br />

Panzerbrigade 3; Unternehmerisches<br />

Gespräch vom 15. April 2010 «Führung<br />

in Armee und Wirtschaft» mit Prof.<br />

Jürg Kessler, Rektor, HTW, Chur; Tagung<br />

und Ausserordentliches Gespräch vom<br />

27. Januar 2010 «Laufbahn als General-<br />

stabsoffizier: Herausforderungen, Hür-<br />

den, Chancen» mit Oberst i Gst Chris-<br />

toph Grossmann, Winterthur, Major i<br />

Gst Jean-Pierre Krause, Zürich, Major i<br />

Gast Markus M. Müller, Baden, Oberst<br />

i Gst Heinz Wegmüller, Emmen, Dr. Rolf<br />

Dörig, Präsident des Verwaltungsrates<br />

der Swiss Life Holding, Zürich, Brigadier<br />

Daniel Keller, Stab CdA, Bern, Kdt der<br />

Infanteriebrigade 5, Nationalrat Peter<br />

Malama, Direktor Gewerbeverband<br />

Basel-Stadt, und Brigadier Rolf Oehri,<br />

Kdt der Generalstabsschule, Luzern;<br />

Moderation aller Veranstaltungen: Dr.<br />

Martin von Orelli, Divisionär aD (Akti-<br />

onsfeld Sicherheit & Armee).


48<br />

Von Jörg Kündig<br />

Das Gewinnen von Behördenmitglie-<br />

dern, die Arbeit im Behördenteam und<br />

die Kommunikation sind wichtige Ele-<br />

mente, um der wachsenden Politik-<br />

verdrossenheit entgegenzuwirken, die<br />

Stimmabstinenz zu reduzieren und<br />

die Milizbeteiligung zu erhöhen oder<br />

zumindest zu erhalten. Der vom Akti-<br />

onsfeld Politik & Gesellschaft durchge-<br />

führte Zyklus zu diesem Thema fand<br />

GESPRÄCH<br />

<strong>Die</strong> Lust an der Behördenarbeit<br />

in der Gemeinde wecken<br />

seinen Abschluss mit einer Tagung und<br />

einem Ausserordentlichen Gespräch.<br />

Als Grundlage <strong>für</strong> die intensive Diskus-<br />

sion der zahlreich anwesenden Lilien-<br />

berg-Freunde, Interessenten und Gäste,<br />

die meistens auch direkt oder wenigs-<br />

tens im Umfeld von Behörden aktiv sind,<br />

dienten Kurzreferate. <strong>Die</strong> Thesen regten<br />

an, sie provozierten aber auch.<br />

<strong>Die</strong> Teilnehmenden der Tagung diskutierten mit Engagement über die Frage, wie der<br />

Einstieg in eine Behördentätigkeit schmackhaft gemacht werden soll.<br />

Im ersten Teil zeigte Sabine Sieber,<br />

Gemeindepräsidentin von Sternenberg<br />

und Kantonsrätin, Wege auf, wie aus<br />

ihrerSicht dieStimmberechtigten zurver-<br />

mehrtenMitarbeit in kommunalen Behör-<br />

den motiviert werden könnten. Es folgte<br />

Hans-Peter Wüthrich, ehemaliger Berufs-<br />

offizier (Brigadier aD) und jetzt als Coach<br />

in der Führungsausbildung selbständig.<br />

Er führte aus, welche Voraussetzungen<br />

erfüllt sein müssen, dass Behörden im<br />

Team erfolgreicharbeitenkönnen.<br />

Etwas bewegen in der Demokratie<br />

<strong>Die</strong> vonHans-Peter Hulligerund Jörg Kün-<br />

dig geleitete, mit Engagement geführte<br />

Diskussion ergab, dass es im Staatsver-<br />

ständnis und bei der Mitarbeit im Staat<br />

deutlichen Ausbildungsbedarf gäbe. Hier<br />

seien die Schulen gefordert. Ausserdem<br />

wären in den Augen der Teilnehmenden<br />

so genannte Gemeindeforen geeignet,<br />

diezeigenkönnten,was dieBehörden tun<br />

können,tun müssenodertun dürfen. Sol-<br />

cheGemeindeforen solltenverdeutlichen,<br />

dass es tatsächlich möglich ist, etwas<br />

zu bewegen, nicht nur im Behördenamt,<br />

sondern grundsätzlich in unserer Staats-<br />

form, der direkten Demokratie. Gleichzei-<br />

tig könnte auf diese Weise die Betroffen-<br />

heit bei Sachfragen aufgefangen werden.<br />

Eine positive Haltung der amtierenden


Behördensahen dieTagungs-Teilnehmen-<br />

denebenfalls alssehrwichtig an,umneue<br />

Kandidatinnen undKandidaten zu gewin-<br />

nen und schliesslich müsste vermehrt<br />

aktiv umBehördenmitglieder geworben<br />

werden <strong>–</strong>hier wäre auch externe Unter-<br />

stützung denkbar.<br />

Einigkeit herrschte auch darüber, dass<br />

nur eine positive Ausstrahlung der akti-<br />

ven Behördenmitglieder und die sicht-<br />

bare Lust an der Behördenarbeit sowohl<br />

<strong>für</strong> einen Weiterverbleib im jeweiligen<br />

Amtals auch <strong>für</strong>neueBewerbungen sor-<br />

gen können. Dementsprechend sei ent-<br />

scheidend, dass die Behörden zu Teams<br />

mit klaren Strukturen, Verantwortlichkei-<br />

ten und Spielregeln zusammenwachsen.<br />

Bewusst kommunizieren<br />

Im weiteren Verlauf der Diskussion kam<br />

die Kommunikation als ebenfalls wich-<br />

tiges Element zur Sprache. Nach einem<br />

Eintrittsreferat von Kuno Ledergerber,<br />

ehemaliger Gemeinderat von Bassers-<br />

dorf und Dozent ander Zürcher Hoch-<br />

schule <strong>für</strong> Angewandte Wissenschaften<br />

(ZHAW), wurde deutlich, dass auch hier<br />

Handlungsbedarf besteht. Kommunika-<br />

tion müsse bewusst und klar strukturiert<br />

erfolgen; imVordergrund stehe jeweils<br />

dieFrage,was wie, warum,von wem, an<br />

Von links: Hans-Peter Wüthrich, Kuno Ledergerber, Sabine Sieber, Hans-Peter Hulliger.<br />

wen und womit übermittelt werden soll.<br />

<strong>Die</strong>se Fragen seien genauso vorgängig<br />

zu analysieren und zu beantworten wie<br />

jene nach der Auffälligkeit der Art und<br />

Weise. Zudem sei sehr entscheidend,<br />

dass die Behördenmitglieder ehrlich und<br />

authentisch, aber auch offen sind, zu-<br />

und hinhören können, Ansprechpart-<br />

ner selbst <strong>für</strong> kleine Anliegen sind und<br />

Freude ander Aufgabe vermitteln.<br />

Ausserordentliches Gespräch<br />

zum Abschluss<br />

Direkt anschliessend an die Tagung<br />

wurden die Resultate und Erkenntnisse<br />

einem noch breiteren Publikum vorge-<br />

stellt. Zunächst fassten die Referentin<br />

und die Referenten nochmals ihre Aus-<br />

führungen zusammen. Danach präsen-<br />

tierte Hans-Peter Hulliger die Ergebnisse<br />

der Tagung und stellte sie gleichzeitig<br />

zur Diskussion. Es entstand eine inte-<br />

ressante Debatte, welche die von den<br />

Tagungsteilnehmenden aufgestellten<br />

Leitsätze und Thesen hinterfragte und<br />

vertiefte, als Schlussfolgerung jedoch<br />

weitgehend bestätigte. Als zusätzlichen<br />

Aspekt brachten die Anwesenden ein,<br />

dass Wahlen und besonders das Wahl-<br />

verfahren <strong>für</strong> die Bevölkerung transpa-<br />

rent und interessant sein müssten. Stille<br />

Wahlen wurden eher als Hindernis <strong>für</strong><br />

eine aktive Beteiligung beurteilt.<br />

In der Folge sollen die wichtigsten<br />

Punkte, die der gesamte Zyklus<br />

ergab, zu einem Grundlagenpapier<br />

zusammengefasst werden und<br />

auch anderen interessierten Krei-<br />

sen zugänglich gemacht werden.<br />

Zyklus «Politikverdrossenheit, Stimmab-<br />

stinenz, Milizbeteiligung <strong>–</strong> Wie weiter<br />

mit der Konkordanzdemokratie?»; Lili-<br />

enberg-Tagung und Ausserordentliches<br />

Gespräch vom 15. April 2010 mit Kuno<br />

Ledergerber, Gemeinderat Bassersdorf<br />

von 1994 bis 2006, Dozent ZHAW, Win-<br />

terthur, Sabine Sieber, Gemeindeprä-<br />

sidentin Sternenberg und Hans-Peter<br />

Wüthrich, Ermatingen; Moderation:<br />

Hans-Peter Hulliger und Jörg Kündig<br />

(Aktionsfeld Politik & Gesellschaft).


50<br />

Von Georg Leumann<br />

Positiver Start ins Leben<br />

als Schlüsselfaktor<br />

«Wann beginnt die Bildung?». Unter<br />

diesem Titel führte das Aktionsfeld Bil-<br />

dung & Sport am 18. Januar ein Kol-<br />

loquium mit Professor Dr. Alexander<br />

Grob, Ordinarius <strong>für</strong> Entwicklungs- und<br />

Persönlichkeitspsychologie an der Uni-<br />

versität Basel, durch. Alexander Grob<br />

informierte über Schlüsselfaktoren in<br />

der frühen Kindheit, die den späte-<br />

ren Lern- und Lebenserfolg wesentlich<br />

bestimmen.<br />

Professor Dr. Alexander Grob stellte<br />

am <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium neue For-<br />

schungsergebnisse aus der Universität<br />

Basel und aus dem Ausland vor. Seine<br />

Ausführungen fasste er mit folgenden<br />

Thesen zusammen:<br />

•<strong>Die</strong> früheste Kindheit ist entscheidend<br />

da<strong>für</strong>, welches Bild sich die Kinder<br />

von der Welt und von ihrem Tun in<br />

der Welt machen. Zentral hier<strong>für</strong> sind<br />

Erfahrungen der eigenen Wirksam-<br />

keit.<br />

•<strong>Die</strong> Entdeckung der Welt ist ein wich-<br />

tiger Prozess. <strong>Die</strong> mütterliche Sensivi-<br />

tät ist ein zentraler Faktor.<br />

•Neugierige Erkundung setzt Sicher-<br />

heit voraus. Neugier und Sicherheit<br />

sind Kehrseiten derselben Medaille.<br />

•Verhaltensregulation erfolgt in den<br />

ersten Lebensjahren hauptsächlich<br />

durch die Umgebung, erst später wird<br />

diese bei positivem Gedeihen verin-<br />

nerlicht.<br />

•Eine Umwelt, die echte Rückmeldung<br />

gibt, ist <strong>für</strong> die Reife der Kinder von<br />

grösster Bedeutung.<br />

•EsexistierenwirksameProgramme, die<br />

frühe Entwicklungsrisiken zugunsten<br />

positiverEntfaltung verändernkönnen.<br />

In einem Fazit stellte der Wissenschaftler<br />

fest: Personen, die einen positiven Start<br />

ins Leben vorfinden, erhalten Entwick-<br />

lungsvorteile, die sich über die Lebens-<br />

spanne verstärken. Personen, die einen<br />

negativen Start ins Leben haben, hinge-<br />

gen erhalten Entwicklungsnachteile, die<br />

sich leider über die ganze Lebensspanne<br />

verstärken.<br />

GESPRÄCH<br />

Eigenverantwortung stärken<br />

<strong>Die</strong> Diskussion zeigte auf, dass die Erzie-<br />

hungsleistungen vieler Familien auch<br />

Prof. Dr. Alexander Grob<br />

heute noch das beste Umfeld <strong>für</strong> gute<br />

Betreuungsformen während der frühen<br />

Kindheit sind. Sie schaffen gute Vor-<br />

aussetzungen <strong>für</strong> eine erfolgreiche Ent-<br />

wicklung der Kinder. Bei wachsendem<br />

Anteil der Kinder birgt der familiale<br />

Kontext heute aber vermehrt Entwick-<br />

lungsrisiken mit späteren Entwicklungs-<br />

folgen, die unserer Gesellschaft immer<br />

grösser werdende Kosten verursachen.<br />

<strong>Die</strong> Politik habe künftig die notwen-<br />

digen Rahmenbedingungen <strong>für</strong> gute<br />

Betreuungsmöglichkeiten der Kinder<br />

von Risikogruppen zu schaffen, waren<br />

sich die Teilnehmenden der Diskussion<br />

einig. Dabei dürfen aber keine Obliga-<br />

torien verordnet werden, die zu einem<br />

Erziehungsstaat führen könnten. «Ein<br />

freiheitlicher Staat darf nicht alle Fami-<br />

lien in ein einheitliches Schema zwin-<br />

gen. Er muss die Eigenverantwortung<br />

stärken», lautete der Tenor am Kol-<br />

loquium. Neue Forschungsergebnisse<br />

sollten der Öffentlichkeit gut verständ-<br />

lich kommuniziert werden. Geeignete


51<br />

Anreize könnten professionelle Bera-<br />

tung und Unterstützung bereits nach<br />

der Geburt gewährleisten.<br />

Migranten sollen Deutsch lernen<br />

Für den späteren Schulerfolg seien vor<br />

demSchuleintritt ausreichende Deutsch-<br />

kenntnisse wichtig. Im Kanton Basel<br />

Stadt müssten darum bereits jetzt Kin-<br />

der mit nicht ausreichenden Deutsch-<br />

kenntnissen ein Jahr vor dem Kindergar-<br />

teneintritt während eines Jahres anzwei<br />

Halbtagen in Spielgruppenihre Deutsch-<br />

kompetenz verbessern. Zur Integration<br />

in die Schweiz und zur Stärkung unseres<br />

Bildungswesens seien, ähnlich wie es<br />

beispielsweise auch Australien fordert,<br />

von Migranten genügende Deutsch-<br />

kenntnisse zu verlangen. <strong>Die</strong> Pädago-<br />

gische Hochschule Thurgau baut mit<br />

der Universität Konstanz ihr Lehr- und<br />

Forschungsangebot der frühen Kindheit<br />

auf. Sie bildet neu auch Fachlehrkräfte<br />

<strong>für</strong> frühkindliche Pädagogik aus.<br />

Zyklus «Welches Bildungssystem stärkt<br />

die Schweiz?»; <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium<br />

vom 18. Januar 2010 «Wann beginnt<br />

die Bildung?» mit Prof. Dr. Alexander<br />

Grob, Fakultät <strong>für</strong> Psychologie, Universi-<br />

tät Basel; Moderation: Georg Leumann<br />

(Aktionsfeld Bildung & Sport).<br />

<strong>Die</strong> Attraktivität des Lehrerberufs muss<br />

verbessert, und leistungsstarke Ober-<br />

stufenschülerinnen und -schüler sollten<br />

intensiver gefördert werden, zum Bei-<br />

spiel in Progymnasien. <strong>Die</strong>s ist das Fazit<br />

des <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquiums vom 22.<br />

März mit dem Titel «Braucht es in der<br />

Volksschule Selektion <strong>–</strong> sind Progymna-<br />

sien nötig?»<br />

GESPRÄCH<br />

Von Georg Leumann<br />

Leistungsstarke sollen besser<br />

gefördert werden<br />

Christian Aeberli, Chef der Abteilung<br />

Volksschule im Departement Bildung,<br />

Kultur und Sport des Kantons Aargau,<br />

setzte sich in seinem Impulsreferat <strong>für</strong><br />

eine möglichst späte Selektion in der<br />

Volksschule ein. Mit empirischen Unter-<br />

suchungsergebnissen, beispielsweise aus<br />

Finnland, belegte er seinen Standpunkt.<br />

Er verlangt die Verbesserung der Attrak-<br />

tivität des Lehrerberufes. <strong>Die</strong> Einführung<br />

von Langzeitgymnasien ist in seinen<br />

Augen nur sinnvoll, wenn in der Schweiz<br />

die Maturitätsquote erhöht werden<br />

sollte. <strong>Die</strong> Maturitätsquote entspricht<br />

dem Anteil Personen, die ein gymnasia-<br />

les Maturitätszeugnis erworben haben,<br />

gemessen an der 19-jährigen, ständigen<br />

Wohnbevölkerung der Schweiz.<br />

Beat Unternährer, Unternehmer und<br />

Kantonsrat der SVP im Kanton Aargau,<br />

verlangte in seinem Einführungsreferat<br />

ein klar gegliedertes Bildungssystem<br />

mit früher Selektion. <strong>Die</strong> zunehmenden<br />

Forderungen nach integrativen Schulen<br />

sieht er auch ideologisch begründet.<br />

Er stellte fest, dass in Einheitsschulen<br />

die leistungsstarken Schülerinnen und<br />

Schüler unterfordert sind.<br />

Mehr Bildungsleistung verlangt<br />

In der differenziert geführten Diskussion<br />

wiesen die Teilnehmenden auf die heute<br />

stark geförderte Integrationsidee in der<br />

Christian Aeberli


Von links: Georg Leumann, Nationalrätin Brigitte Häberli-Koller, Beat Unternährer<br />

und Christian Aeberli.<br />

Volksschule hin. <strong>Die</strong>s im Zusammenhang<br />

mit den Entwicklungen in den Sonder-<br />

schulen, der durchlässigen und integrier-<br />

ten Oberstufe und der Förderung von<br />

Gesamtschulen.<br />

Leistungsstarke Schülerinnen und Schü-<br />

ler könnten heute, trotz zunehmen-<br />

den individualisierenden Unterrichtsfor-<br />

men, zu wenig gefördert werden. Der<br />

fortschreitende wirtschaftliche Struk-<br />

turwandel zur Wissensgesellschaft der<br />

Zukunft verlange mehr Bildungs- und<br />

Ausbildungsleistung.<br />

Integrative Formen könnten den Soziali-<br />

sierungsauftrag der Schule gut erfüllen<br />

und gehörten in die ersten Schuljahre,<br />

später sei in der Volksschule Selektion<br />

notwendig, damit die Schüler besser<br />

auf die Berufswelt und die weiterfüh-<br />

renden Schulen vorbereitet werden. Das<br />

Klassenlehrerprinzip sollte auch auf der<br />

Oberstufe wieder gestärkt werden und<br />

die Durchlässigkeit gewährleistet blei-<br />

ben.<br />

Progymnasien als Standortvorteil<br />

In Sport und Musik werden heute<br />

begabte Schülerinnen und Schüler<br />

mit sehr guten Rahmenbedingungen<br />

besonders gefördert, damit sie in ihren<br />

Bereichen einmal erfolgreich sein kön-<br />

nen. Intellektuell leistungsstarke und<br />

motivierte Oberstufenschülerinnen und<br />

Oberstufenschüler sollten in festen<br />

Leistungsklassen wie zum Beispiel Pro-<br />

gymnasien ebenfalls gefördert werden.<br />

«Der Wirtschaft und Forschung in der<br />

Schweiz fehlen heute Leistungsträger»,<br />

so die Meinung im Plenum. In der breit<br />

angelegten Evaluation der Maturitäts-<br />

schulen schnitten Maturandinnen und<br />

Maturanden der Langzeitgymnasien in<br />

fast allen Testbereichen besser ab als<br />

jene der Kurzzeitgymnasien. Im Kan-<br />

ton Zürich hat sich das Progymnasium<br />

bewährt, es wurde nicht in die Ober-<br />

stufenreform einbezogen. Der Zustrom<br />

wächst weiter. Progymnasien werden<br />

immer mehr zu einem Standortvorteil.<br />

<strong>Die</strong> Politik sollte darum auch <strong>für</strong> weitere<br />

Kantone deren Einführung prüfen.<br />

Qualität des Lehrberufs in Gefahr?<br />

In der Diskussion wurde immer wieder<br />

auf den grossen Einfluss der Lehrperso-<br />

nen auf die wichtige Unterrichtsqualität<br />

hingewiesen. Ihre Rekrutierung stehe<br />

heute in starker Konkurrenz zu den<br />

vielen Ausbildungswegen und vielseiti-<br />

gen Tätigkeitsfeldern der Wirtschaft, die<br />

gerade <strong>für</strong> leistungsorientierte Jugendli-<br />

Beat Unternährer


53<br />

che immer mehr interessante und her-<br />

ausfordernde Angebote machen kann.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklungen im Bildungswesen<br />

führten gerade in den vergangenen Jah-<br />

ren zu einer Überregulierung und dem<br />

damit verbundenen Verlust von Gestal-<br />

tungsspielräumen, die zu den Qualitä-<br />

ten des Lehrberufes zählten.<br />

Zyklus «Welches Bildungssystem stärkt<br />

die Schweiz?»; <strong>Lilienberg</strong>-Kolloquium<br />

vom 22. März 2010 «Braucht es in der<br />

Volksschule Selektion <strong>–</strong> sind Progym-<br />

nasien nötig?» mit Christian Aeberli,<br />

Departement <strong>für</strong> Bildung, Kultur und<br />

Sport des Kantons Aargau, und Beat<br />

Unternährer, Unternehmer und Kan-<br />

tonsrat, Kanton Aargau; Moderation:<br />

Georg Leumann und Nationalrätin Bri-<br />

gitte Häberli-Koller (Aktionsfeld Bildung<br />

& Sport).<br />

GESPRÄCH<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Hausärzte leiden<br />

unter dem Kostendruck<br />

Welches sind die Chancen der Ökonomi-<br />

sierung im Gesundheitswesen, welches<br />

allfällige Risiken? Darüber diskutierten<br />

die Teilnehmenden zum Abschluss des<br />

Gesprächszyklus zusammen mit Reprä-<br />

sentanten aus Ärzteschaft, Spitälern<br />

und Politik. Fazit: <strong>Die</strong> Ökonomisierung<br />

könnte zu einer besseren Zusammenar-<br />

beit aller Beteiligter führen. Als negativ<br />

wird die Verbetrieblichung der medizini-<br />

schen Arbeit empfunden.<br />

Gesprächsmoderator Dr. med. Peter<br />

Eichenberger zeigte die Spannungsfel-<br />

der um die Ökonomisierung im Gesund-<br />

heitswesen auf, dies mit speziellem Hin-<br />

weis auf den Leistungsauftrag und den<br />

Kostendruck. Im Gesundheitswesen<br />

seien verschiedenste Akteure vonein-<br />

ander abhängig: Patienten, Leistungs-<br />

erbringer, Versicherer. <strong>Die</strong> Politik spiele<br />

dabei eine bedeutende Rolle. Unter<br />

den Leistungserbringern und den Ver-<br />

sicherern nehme der Erfolgs- und der<br />

Wettbewerbsdruck stetig zu. «Eine<br />

Ökonomisierung im schweizerischen<br />

Gesundheitswesen ist überfällig», gab<br />

Peter Eichenberger zu bedenken. Wo<br />

liegen die Hauptprobleme? Wie soll<br />

es weitergehen? Welche Gewichtung<br />

kommt der Eigenverantwortung, Soli-<br />

darität, Kompetenzregelung und Ver-<br />

netzung zu?<br />

Der Ruf nach Ökonomisierung im Ge-<br />

sundheitswesen wurde durch den jüngs-<br />

ten massiven Anstieg der Kassenprä-<br />

mien erneut verstärkt. Welches sind die<br />

Folgen <strong>für</strong> die ärztliche Grundversor-<br />

gung, <strong>für</strong> die medizinische Pflege zu<br />

Hause, <strong>für</strong> die Spitäler? Von Bedeutung<br />

seien jedoch nicht nur mögliche Kos-<br />

tensenkungen, sondern auch, und dies<br />

vorrangig, die erzielbaren Vorteile <strong>für</strong><br />

den Patienten, sagte Peter Eichenberger.<br />

Trotz der Systemkomplexität gelte es, zu<br />

tragfähigen und optimalen Lösungen<br />

<strong>für</strong> die Patienten zu kommen.<br />

Bundesbern benachteiligt Ärzte<br />

Dr. med. Ernst Gähler erläuterte das<br />

Thema aus der Sicht der Ärzte. Er ist<br />

Facharzt <strong>für</strong> Allgemein Medizin FMH<br />

und Vizepräsident FMH Verbindung der<br />

Schweizer Ärzte. <strong>Die</strong> monetäre Betrach-<br />

tung sei das eine, das Wohl der Patien-


54<br />

ten das andere, so der Referent. «Für<br />

mich als Arzt steht der Wert, der durch<br />

die Kosten <strong>für</strong> den Patienten, <strong>für</strong> das<br />

Individuum, erzielbar ist, im Vorder-<br />

grund.» Der Leistungskatalog Tarmed,<br />

ein zur Kostenregulation eingeführtes<br />

Instrument, sei sehr ausgedehnt. <strong>Die</strong><br />

Kosten liessen sich aber, parallel zum<br />

Fortschritt der (teureren) Medizin, wohl<br />

kaum senken, auch weil die Menschen<br />

immer älter werden.<br />

Der Ausgabenanstieg setze sich fort. <strong>Die</strong><br />

Kostenanalyse zeige, dass die Gesund-<br />

heitsausgaben bei der ambulanten<br />

Behandlung in Spitälern im Vergleich<br />

zur ambulanten Behandlung bei den<br />

Ärzten massiv steigen. <strong>Die</strong> spitalam-<br />

bulante Behandlung stehe im Wettbe-<br />

werb mit der Grundversorgung durch<br />

die privat praktizierenden Ärzte. «Letz-<br />

tere sind auf Basis des Tarmed stark<br />

benachteiligt»<br />

Der Prämienanstieg 2010 führte unter<br />

den Eidgenössischen Parlamentariern<br />

zu einem Überaktivismus <strong>–</strong> zumeist<br />

gerichtet auf Bereiche, in denen Kosten-<br />

senkungen ohnehin nicht ins Gewicht<br />

fallen. 80 Prozent der diskutierten Mass-<br />

nahmen betrafen den praxisambulanten<br />

Bereich. Beim spitalambulanten Bereich<br />

wurden trotz des aufgezeigten enor-<br />

men Kostenanstiegs keine Massnahmen<br />

ergriffen. Ein Konsens lag laut den Aus-<br />

führungen von Ernst Gähler bisher aus-<br />

ser Reichweite.<br />

Zu den Verlierern zähle eindeutig die<br />

Hausarztmedizin. <strong>Die</strong> Erhebungen zeig-<br />

ten, dass gerade sie patientenfreund-<br />

lich, qualitativ gut und kostengünstig<br />

ist: «<strong>Die</strong> Hausärzte sind Garant <strong>für</strong> eine<br />

gut funktionierende Grundversorgung.<br />

Der Vorteil liegt zudem darin, dass der<br />

Hausarzt seine Patienten in der Regel<br />

über Jahre kennt und deshalb über vie-<br />

les Klarheit hat. Beim erneuten Arztbe-<br />

such entfallen also schon deswegen etli-<br />

che Kostenfaktoren.»<br />

Bundesbern und die Krankenkassen<br />

stellten sich gegen die Hausarztme-<br />

dizin, bedauerte Ernst Gähler «Eines<br />

der Negativ-Beispiele erkennt man in<br />

der Revision des Labortarifs. Ein Allge-<br />

meinpraktiker ist auf Laboreinrichtun-<br />

gen angewiesen.» <strong>Die</strong> Tarifänderungen<br />

bei den Laboranalysen brächten indes-<br />

sen grosse Einbussen. Ebenso nachtei-<br />

lig wirke sich die Reduktion der Ver-<br />

triebsmarge bei den Medikamenten und<br />

die Abschaffung der ärztlichen Medika-<br />

mentenabgabe aus.<br />

Rolf Zehnder<br />

<strong>Die</strong> Ärzte forderten einen nutzenorien-<br />

tierten Wettbewerb mit den Spitälern,<br />

sagte der Referent. «Wenn ein Arbeit-<br />

nehmer nach Krankheit eine Woche frü-<br />

her in den Arbeitsprozess zurückkehren<br />

kann, ist dies doch gerade auch wirt-<br />

schaftlich ein Qualitätsnachweis. Mit<br />

anderen Worten: «Nötig ist der Über-<br />

gang zu einer Gesamtkostenbetrach-<br />

tung, auch unter Einbezug der volks-<br />

wirtschaftlichen Dimension.»<br />

Wichtiges Networking unter Ärzten<br />

Peter Eichenberger legte in der Diskus-<br />

sion zu Ernst Gählers Referat den Fokus<br />

auf die Frage, wie man die jungen Ärzte<br />

wieder mehr dazu motivieren könnte,<br />

den Beruf als Hausarzt auszuüben. Ernst<br />

Gähler akzentuierte hierbei auch den<br />

<strong>für</strong> die Hausärzte entstehenden Nut-<br />

zen, der über engere, persönliche Netz-<br />

werke mit Berufskollegen, sowohl mit<br />

Allgemeinmedizinern wie mit Fachspe-<br />

zialisten, gebildet werden kann. <strong>Die</strong><br />

so kooperierenden Ärzte finden sich<br />

zudem auch oft in gemeinsam organi-<br />

sierten Weiterbildungszirkeln.<br />

Dr. Hans-Ulrich Kull zeigte anschliessend<br />

die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis<br />

auf. Von besonderer Bedeutung sei eine<br />

engere Zusammenarbeit auch <strong>für</strong> Ärz-


55<br />

tinnen, die <strong>–</strong> beispielsweise infolge Mut-<br />

terpflichten <strong>–</strong> das Berufspensum besser<br />

optimieren können.<br />

Unternehmerisches Kantonsspital<br />

Als weiterer Referent trat Rolf Zehnder,<br />

Direktor des Kantonsspitals Winterthur,<br />

auf. «Ein nicht ökonomisiertes Gesund-<br />

heitswesen gab es noch nie», so seine<br />

These. Und mit Bezug auf die Ausfüh-<br />

rungen von Ernst Gähler, sozusagen als<br />

herausfordernde Antithese, meinte er:<br />

«Je höher das Angebot und je leichter<br />

der Zugang zum Angebot, desto krän-<br />

ker ist die Bevölkerung.»<br />

Als Direktor eines Kantonsspitals sei er<br />

auch unternehmerisch tätig. «Wir müs-<br />

sen auf die potenziellen Kunden <strong>–</strong> also<br />

auf den Markt <strong>–</strong> achten. <strong>Die</strong>s fordert<br />

von uns Planung, Investitionen, bedürf-<br />

nisgerechte Angebote. Wir haben uns<br />

Von links: Rolf Zehnder, Dr. med. Peter Eichenberger, Dr. med. Ernst Gähler,<br />

Regierungsrat Bernhard Koch, Dr. med. Hans-Ulrich Kull.<br />

Regierungsrat Bernhard Koch<br />

betriebswirtschaftlich kontinuierlich zu<br />

verbessern. Wir müssen sowohl die Fix-<br />

kosten als auch die variablen Kosten im<br />

Griff haben.»<br />

<strong>Die</strong> Patienten würden zumeist gerne ein<br />

öffentliches Spital wählen. «Der Kampf<br />

um den «Marktanteil» verschärft sich<br />

indessen.»<br />

<strong>Die</strong> Kostenexplosion, vor allem die über-<br />

proportionale Kostenentwicklung in der<br />

sozialen Krankenversicherung, sei einer<br />

der Hauptgründe, dass die Ökonomisie-<br />

rung im Gesundheitswesen in den ver-<br />

gangenen Jahren so stark vorangetrie-<br />

ben wurde, erläuterte Rolf Zehnder. <strong>Die</strong><br />

Kosten stiegen aber genauso im medizi-<br />

nischen Bereich. «Allerdings gab es hier<br />

auch Kostenreduktionen, so dank bes-<br />

serer Systematik in der Behandlung und<br />

Verkürzung der Spitalaufenthaltsdauer.<br />

<strong>Die</strong> höheren Heilungsraten wirkten sich<br />

<strong>für</strong> die Volkswirtschaft <strong>–</strong> bis hin zu den<br />

einzelnen Arbeitgeberunternehmen <strong>–</strong><br />

positiv aus.<br />

Ein zusätzlicher Druck zur Ökonomisie-<br />

rung sei die permanent anzustrebende<br />

Wettbewerbsfähigkeit. <strong>Die</strong>ser Druck<br />

werde in starkem Masse von Seiten<br />

der Privatspitäler erzeugt. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nst-


56<br />

leistungsbereiche seien mitbetroffen,<br />

somit auch die «Unternehmenskultur» <strong>–</strong><br />

bis hin zur Kundennähe, Freundlichkeit,<br />

Servicebereitschaft.<br />

Hans-Ulrich Kull nahm in der Diskus-<br />

sionsrunde die Frage auf, ob und wie<br />

Gesundheit als Gesamtbegriff definiert<br />

Dr. med. Ernst Gähler<br />

werden könne. Unter den Gesprächs-<br />

teilnehmenden war man sich einig:<br />

Massgebend zur Antwortfindung sind<br />

weitgehend die Anspruchshaltung und<br />

die Befindlichkeit des Patienten. Ver-<br />

schiedene Wortmeldungen betrafen<br />

den Kostenfaktor Gesundheit im inter-<br />

nationalen Vergleich. Ebenso erörter-<br />

ten die Anwesenden die zunehmende<br />

Problemstellung bei der Verkürzung von<br />

Spitalaufenthalten und den nötigen Ein-<br />

satz der Spitex sowie die wahrzuneh-<br />

mende Bereitschaft zur Aufnahme und<br />

zur Betreuung Angehöriger im Famili-<br />

enkreis.<br />

Thurgau mit tieferen Kosten<br />

«Es gibt kein nicht ökonomisches Ge-<br />

sundheitswesen», stellte auch Regie-<br />

rungsrat Bernhard Koch, Gesundheits-<br />

direktor des Kantons Thurgau, klar. <strong>Die</strong><br />

Kostenentwicklung im Gesundheits-<br />

wesen des Kantons Thurgau zeige <strong>für</strong><br />

die Zeitspanne von 2000 bis 2008 ein<br />

erfreuliches Bild.: «Im gesamtschwei-<br />

zerischen Vergleich liegt der Kanton<br />

Thurgau bezogen auf die Spital- und<br />

Betriebskosten pro Einwohner erheblich<br />

tiefer und auch die Prämienentwicklung<br />

ist im Vergleich günstiger verlaufen. <strong>Die</strong><br />

reale Kostenentwicklung pro Fall ist sig-<br />

nifikant tiefer als das Durchschnittsre-<br />

sultat der Schweiz.» <strong>Die</strong> Kosteneffizi-<br />

enzsteigerung könne innert fünf Jahre<br />

mit mindestens 15 Prozent ausgewiesen<br />

werden. Der Fallkostenvergleich sei <strong>für</strong><br />

den Kanton Thurgau positiv.<br />

Zudem zeige die Entwicklung der Brut-<br />

toleistungen der Obligatorischen Kran-<br />

kenpflegeversicherung <strong>für</strong> den Kanton<br />

Thurgau pro versicherte Person <strong>für</strong> den<br />

Zeitraum 1997 bis 2008 eine weniger<br />

belastende Entwicklung als der schwei-<br />

zerische Durchschnitt. <strong>Die</strong> Bruttokosten<br />

pro versicherte Person im Jahre 2009<br />

lagen in der ganzen Schweiz bei rund<br />

262 Franken, im Kanton Thurgau indes-<br />

sen bei 222 Franken. <strong>Die</strong> monatliche<br />

Durchschnittsprämie <strong>für</strong> Erwachsene<br />

liegt im Kanton Thurgau <strong>–</strong> schon seit<br />

einer Vielzahl von Jahren <strong>–</strong> tiefer als in<br />

der übrigen Schweiz. <strong>Die</strong> Behandlungen<br />

beim Arzt umfassen im Thurgau 18 Pro-<br />

zent der Gesamtkosten, die Spitalkosten<br />

(stationär) 28 Prozent, Spital (ambulant)<br />

18 Prozent, die Medikamente 17 Pro-<br />

zent. <strong>Die</strong> grösste Steigerung gegenüber<br />

dem Vorjahr liegt beim Spital (ambulant)<br />

und umfasst 11,7 Prozent, beim Spital<br />

(stationär) beträgt sie 2,2 Prozent, bei<br />

den Behandlungen beim Arzt 1,1 Pro-<br />

zent, bei den Medikamenten 3,8 Pro-<br />

zent.


57<br />

<strong>Die</strong> abschliessende Diskussion bezog<br />

sich auf Zusatzaspekte, so auch auf die<br />

Organisation des Notfalldienstes, der<br />

sich in verschiedenen Kantonen zuneh-<br />

mend auf Einsätze der Hausärzte in<br />

Spital-Aufnahmezentren verlagert. Ge-<br />

Chancen der Ökonomisierung im Gesundheitswesen<br />

•Verbesserte Zusammenarbeit aller Beteiligter<br />

rade dadurch könnten Kantone und<br />

Regionen die Ökonomisierung fördern<br />

und den Patienten Erleichterungen im<br />

Zugang zu medizinischen Hilfeleistun-<br />

gen bieten. Unmissverständlich wurden<br />

in der Plenumsdiskussion Gesamtüber-<br />

•Reduktion Aufenthaltsdauer durch Prozess- und Schnittstellenoptimierung<br />

•Mehr Transparenz in der Leistungserbringung (Benchmark)<br />

•Wettbewerb um Preise und Qualität /Kosteneinsparungen<br />

•Optimierungen im bestehenden System<br />

(auch durch finanziellen Druck auf Lieferanten/Medikamente)<br />

•Spezialisierung/Bildung von Kompetenzzentren<br />

•Strukturanpassungen/Beachtung kritischer Grössen<br />

Risiken der Ökonomisierung im Gesundheitswesen<br />

•Verbetrieblichung der medizinischen Arbeit (Patient ist nur noch Produkt)<br />

•Wachsender Teil der Ressourcen fliesst ins Management und wird patienten-<br />

bezogenen Tätigkeiten entzogen<br />

•Übermässige Reduktion der Aufenthaltsdauer im Spital<br />

•Unkoordinierte und sachlich nicht abgesicherte Verschiebung von Teilen<br />

der stationären Behandlungsnotwendigkeiten in den ambulanten Bereich<br />

(und umgekehrt)<br />

•Risikoselektion/Rationierung/Ethische Grenzen<br />

(Was/Wer darf noch wie viel kosten?)<br />

•Einseitige Ausrichtung der Spitäler auf lukrative Gebiete<br />

•«Entsolidarisierung» der Krankenversicherer/Billigkassen<br />

Regierungsrat Bernhard Koch<br />

legungen zu innovativen, mehr födera-<br />

listisch geprägten Lösungen (weniger<br />

Macht beim Bund <strong>–</strong> höhere Autonomie<br />

bei den Kantonen) gefordert, wohl auch<br />

ausgehend von der durch den Kanton<br />

Glarus im Verbund mit weiteren Ost-<br />

schweizer Kantonen lancierten Studie<br />

<strong>für</strong> kantonale oder interkantonale Ein-<br />

heitskrankenkassen.<br />

Zyklus «Ökonomisierung im Gesund-<br />

heitswesen»; <strong>Lilienberg</strong>-Tagung sowie<br />

Ausserordentliches Gespräch vom 19.<br />

Januar 2010 «Was wurde bei der Öko-<br />

nomisierung im Gesundheitswesen bis-<br />

her erreicht? Wie soll es weitergehen?<br />

Wer profitiert davon? Wer sind die Ver-<br />

lierer?» mit Dr. med. Ernst Gähler, Fach-<br />

arzt <strong>für</strong> Allgemeine Medizin FMH, Vize-<br />

präsident FMH, Herisau, Regierungsrat<br />

Bernhard Koch, Chef des Departemen-<br />

tes <strong>für</strong> Finanzen und Soziales, und Rolf<br />

Zehnder, Direktor des Kantonsspitals<br />

Winterthur, Stäfa; Moderation: Dr. med.<br />

Peter Eichenberger und Dr. med. Hans-<br />

Ulrich Kull (Aktionsfeld Gesundheit &<br />

Umwelt).


58<br />

Von Hans-Ulrich Kull<br />

Zu viele Regulierungen<br />

im Gesundheitswesen<br />

«Liberalisierung» tönt gut und ist in al-<br />

ler Munde. Im immer teurer werdenden<br />

Gesundheitswesen ist allerdings eher<br />

eine tiefgreifende Regulierung feststell-<br />

bar. Das erste Kolloquium im diesjähri-<br />

gen Zyklus des Aktionsfeldes Gesund-<br />

heit & Umwelt behandelte das Thema<br />

aus der Sicht der Grundversorger.<br />

Unter der Leitung von Dr. med. Peter<br />

Eichenberger gingen die Diskussionsteil-<br />

nehmenden des Kolloquiums der Frage<br />

nach, wie die Liberalisierung die medi-<br />

zinische Grundversorgung beeinflussen<br />

kann. <strong>Die</strong> Eingangsreferate hielten Dr.<br />

med. Walter Grete, Facharzt <strong>für</strong> Allge-<br />

meinmedizin, und Otto Bitterli, CEO der<br />

Sanitas-Gruppe.<br />

Er stelle zwar durchaus eine Liberali-<br />

sierung in den öffentlichen Spitälern<br />

fest, sagte Walter Grete und erwähnte<br />

die neuen Rechtsformen, die neuen<br />

Finanzierungsarten und die Aufhebung<br />

von territorialen Grenzen als Beispiele.<br />

In der Grundversorgung erkenne er<br />

jedoch eine Liberalisierung nicht. Der<br />

Praxisöffnungsstopp, das Praxisapothe-<br />

GESPRÄCH<br />

ken-Verbot, der Kontrahierungszwang,<br />

der Einheitstarif Tarmed und die dro-<br />

hende Einheitskasse bedeuteten viel-<br />

mehr Regulierung und nicht Liberalisie-<br />

rung. Der Zentralismus nehme zu, neue<br />

Managed-Care-Zwangsmodelle droh-<br />

ten, dasTarifdiktat mit denLabortarifen<br />

und der Trend zum Steuergeld anstelle<br />

von Kopfprämien hätten unangenehme<br />

Regulierungen zur Folge.<br />

Walter Grete fordert deshalb eine ver-<br />

besserte Partnerschaft zwischen den<br />

einzelnen Players im Gesundheitswesen<br />

und vor allem die duale Grundversor-<br />

gung mit einer Zusatzversicherung auch<br />

im ambulanten Bereich. «Erst so könnte<br />

eine Liberalisierung tatsächlich zur Her-<br />

ausforderung mit guten Chancen füh-<br />

ren», sagte Facharzt Walter Grete.<br />

Partikularinteressen als Hindernis<br />

In den Augen des Versicherers gebe es<br />

im Gesundheitswesen wichtige Verän-<br />

derungen, erläuterte anschliessend Otto<br />

Bitterli: Der Stellenwert des Hausarz-<br />

tes sei im elektronischen Zeitalter klei-<br />

ner geworden, der Einfluss der Politi-<br />

ker auf kantonaler und eidgenössischer<br />

Ebene nehme gleichzeitig zu, ohne dass<br />

diese jedoch eine klare Einigkeit fänden.<br />

«Statt Liberalisierung besteht heute ein-<br />

deutig die Tendenz zu vermehrter Regu-<br />

lierung», sprach der CEO der Sanitas-<br />

Gruppe Klartext.<br />

Der Kostendruck im Gesundheitswesen<br />

und auch der weit verbreitete Drang zur<br />

optimalen, möglichst billigen Versiche-<br />

rungsdeckungmachtenumfassendeSys- temveränderungen fast unmöglich. Otto<br />

Bitterli: «Alle Reformversuche scheitern<br />

an den Partikularinteressen.» Dabei hät-<br />

ten gerade die Ärzte und die Patienten,<br />

wenn sie endlich geeint wären, grosse<br />

Einflussmöglichkeiten. Wenn sich aber<br />

die Ärzte und die Krankenkassen nicht<br />

zu einvernehmlichen Lösungen zusam-<br />

menfinden, werde das Gesundheitswe-<br />

sen vom Staat reguliert. «<strong>Die</strong>ser hat kein<br />

Interesse aneiner Liberalisierung.»<br />

<strong>Die</strong> rege benutzte Diskussion zeigte die<br />

Schwierigkeitauf,aus demDilemma her-<br />

auszukommen. Einig waren sich die Teil-<br />

nehmerinnen undTeilnehmeraberinder<br />

Forderung, das Vertrauen in das zwar<br />

anerkannt gute, aber ineffiziente und<br />

zu teure Gesundheitswesen bald wieder<br />

herzustellen, den Kontrahierungszwang


59<br />

zugunsten eines klaren Wettbewerbs<br />

aufzuheben, den Praxiseröffnungsstopp<br />

raschmöglichst zu streichen, die Daten-<br />

transparenz zu verbessern, und den<br />

Föderalismus zugunsten von globaleren<br />

Lösungen zu verlassen. Das unterneh-<br />

merische Denken der jungen Ärzte sei<br />

zu fördern, fanden viele Anwesende.<br />

Schliesslichsollteder Patientals «Kunde»<br />

das blosse Konsumdenken ablegen und<br />

stattdessen als Teilhaber inden Wettbe-<br />

werb im Gesundheitswesen eingeschlos-<br />

sen werden.<br />

Zyklus «Mehr liberalisieren oder mehr<br />

regulieren im Gesundheitswesen?»; Lili-<br />

enberg-Kolloquium vom 8. März 2010<br />

«Wie kann die Liberalisierung die Grund-<br />

versorgung beeinflussen?» mit Dr. med.<br />

Walter Grete, Allgemeinmedizin FMH,<br />

Bachenbülach und Otto Bitterli, CEO,<br />

Sanitas Gruppe Zürich; Moderation: Dr.<br />

med. Peter Eichenberger (Aktionsfeld<br />

Gesundheit & Umwelt).<br />

<strong>Die</strong> Referenten Dr. med. Walter Grete (zweiter von links) und Otto Bitterli (zweiter von rechts) besprechen sich vor dem Kolloquium<br />

mit den Aktionsfeld-Verantwortlichen Dr. med. Peter Eichenberger (links) und Dr. med. Hans-Ulrich Kull.


60<br />

Von Max Becker<br />

Berechtigte Hoffnungen<br />

nach der Finanzkrise<br />

Weltweit gerieten die Finanzdienst-<br />

märkte im Jahr 2008 ins Schlingern.<br />

Risiken wurden falsch eingeschätzt,<br />

Anreize falsch gesetzt und die ersten<br />

sich abzeichnenden Alarmsignale nicht<br />

wahrgenommen. Im Rahmen eines<br />

Fachgesprächs auf <strong>Lilienberg</strong> versuchten<br />

hochkarätige Teilnehmende aus Politik<br />

und Wirtschaft, die aktuelle Lage des<br />

Finanzplatzes Schweiz zu bewerten.<br />

Weil die Märkte heute extrem vernetzt<br />

sind, konnte sich auch der Finanzplatz<br />

Schweiz der Krise nicht entziehen. Aller-<br />

dings ist anzumerken, dass innerhalb<br />

der Branche grosse Unterschiede zwi-<br />

schen den Bankinstituten festzustellen<br />

waren <strong>–</strong> es gab auch «weisse Schafe».<br />

<strong>Die</strong> Erosion der Märkte im Ausland<br />

führte aber auch dazu, dass nicht nur<br />

die Märkte an sich, sondern auch das<br />

Vertrauen in ihre Zukunft stark erschüt-<br />

tert wurden.<br />

Im Rahmen eines <strong>Lilienberg</strong>-Fachge-<br />

sprächs am 17. und 18. März unter-<br />

suchten Fachkräfte aus Politik und Wirt-<br />

schaft den Finanzplatz Schweiz und<br />

loteten aus, welche vertrauensbilden-<br />

den Massnahmen zu einer Renaissance<br />

des Finanzplatzes Schweiz beitragen<br />

könnten. <strong>Die</strong> Runde der Experten bot<br />

Gewähr da<strong>für</strong>, dass alle «stakeholders»<br />

vertreten waren:<br />

Einleitend stellte Dr. Hans Vontobel, Mit-<br />

Initiant des Fachgesprächs, fest, dass<br />

•den Zahlen in der heutigen Wirtschaft<br />

ein Stellenwert zugewiesen wird, den<br />

sie nicht verdienen. <strong>Die</strong> Werte haben<br />

gelitten, die Zahlen haben den Blick<br />

<strong>für</strong> das Ganze getrübt.<br />

•das kurzfristige Denken hinderlich <strong>für</strong><br />

die ganzheitliche Lösung von Proble-<br />

men ist.<br />

BILDUNG<br />

•sich die das Verhalten der Kunden<br />

geändert hat <strong>–</strong> ihre Rendite-Erwar-<br />

tungen waren mit ein Grund <strong>für</strong> oft<br />

falsche Risiko-Beurteilungen.<br />

«Finanz-Tornado» gut überstanden<br />

In der Diskussion stellten die Teilneh-<br />

menden zunächst fest, dass die Schweiz<br />

den «Finanz-Tornado» vergleichsweise<br />

gut überstanden habe. In der Tat: <strong>Die</strong><br />

Staatshilfe belief sich in der Schweiz<br />

nur auf rund 8 Prozent des Brutto-<br />

Inlandprodukts. Zum Vergleich: In den<br />

USA und Grossbritannien war sie rund<br />

10 Prozent grösser. Und selbst im wirt-<br />

schaftlich schwierigen Jahr 2009 gelang<br />

es der Schweiz, Schulden abzutragen.<br />

Allerdings sei nicht zu leugnen, so die<br />

Diskussionsvoten, dass die Probleme<br />

des Finanz-<strong>Die</strong>nstleistungssektors auch<br />

sichtbare Spuren in den andern Wirt-<br />

schafts-Sektoren <strong>–</strong> und damit auch auf<br />

dem Arbeitsmarkt <strong>–</strong> hinterlassen haben:<br />

<strong>Die</strong> Exporte in einzelnen Branchen (zum<br />

Beispiel der Auto-Zulieferbranche) erleb-<br />

ten noch nie gesehene Einbrüche, auch<br />

wenn aus heutiger Sicht festzustellen<br />

ist, dass eine Erholung absehbar ist.<br />

Andere Wirtschaftszweige, wie die Bau-<br />

wirtschaft, weisen einen Arbeitsvorrat<br />

auf, der es erlaubt, die Delle der Krise zu<br />

überbrücken.<br />

Als wichtigste Punkte kristallisierten sich<br />

heraus:<br />

«too big to fail»:<br />

Es ist nicht die Grösse eines Instituts,<br />

die eine Krise bewirken kann, sondern<br />

das Risikoprofil ist entscheidend <strong>–</strong> hier<br />

ist (auch) der Regulator gefragt. Am<br />

Schluss sind es aber nicht die «Weisun-<br />

gen» und «Richtlinien», sondern die


Von links: Hans Gall, Dr. Remi-F. Notter, Gerold Bührer, Dr. h.c. Jean-Daniel Gerber, Christoph Vollenweider, Andreas Rieger, Christine<br />

Holstein, Dr. Gerhard Schwarz, Urs Limacher, Dr. Hans-Ulrich Doerig, Lucius Dürr, Dr. Hans Vontobel, Martin Scholl, Prof. Ernst Mohr,<br />

Manfred Schellhammer, Stefan Loacker, Dr. Max Becker, Georg Staub. Nicht auf dem Foto: Dr. h.c. Walter Reist, Verena <strong>Die</strong>ner.<br />

Menschen, welche die Umsetzung zu<br />

verantworten haben <strong>–</strong> und welche auch<br />

die Anreize setzen. Bei allen Fragezei-<br />

chen um Grösse muss doch erkannt<br />

werden, dass «Kleinheit» allein auch<br />

keine Gewähr <strong>für</strong> Erfolg bietet.<br />

Bankkundengeheimnis:<br />

<strong>Die</strong> Änderung vonStandardsbraucht Zeit<br />

<strong>–</strong>esgibt keinen Grund <strong>für</strong> übereilte und<br />

unbedachte Aktionen, und eine unge-<br />

rechtfertigte Kriminalisierung von Bank-<br />

kunden muss vermieden werden. <strong>Die</strong><br />

Banken können auch nicht der verlän-<br />

gerte Arm von Steuerbehörden im In-<br />

undAusland werden. <strong>Die</strong> Unterscheidung<br />

zwischen Steuerbetrug und Steuerhin-<br />

terziehung muss weiter geklärt werden,<br />

aber auch hier: Es muss sichergestellt<br />

sein, dass Änderungen, die der Finanz-<br />

platz Schweiz anstrebt, auch von andern<br />

Finanzplätzen imgleichen Umfang nach-<br />

vollzogen werden. <strong>Die</strong> «gleich langen<br />

Spiesse»bleiben einThema.<br />

Regulierung:<br />

Es ist eine grosse Herausforderung, das<br />

richtige Mass an Regulierung zu fin-<br />

den <strong>–</strong> vielleicht waren fehlende oder<br />

zahnlose Regulierungen mit ein Grund<br />

<strong>für</strong> die Entstehung der Krise <strong>–</strong> aber<br />

das Kind sollte nicht mit dem Bad aus-<br />

geschüttet werden und eine «Regu-<br />

lierungswut» wird auch unternehme-<br />

rische Initiativen dämpfen. Und: <strong>Die</strong><br />

nächste Krise wird sicher wieder anders<br />

gestaltet sein <strong>–</strong>und dann sind wieder<br />

andere Regulierungen gefragt. Wenn<br />

man heute wüsste, was morgen regu-<br />

liert werden muss, gäbe eskeine Kri-<br />

sen mehr.<br />

Vertrauen:<br />

<strong>Die</strong> Finanzkrise war und ist nicht nur<br />

eine «Krise der Zahlen und Resul-<br />

tate», sondern eine Vertrauenskrise<br />

<strong>–</strong> und dies auf vielen Ebenen: zwi-<br />

schen den Finanz-instituten, zwischen<br />

Banken und Regulator, zwischen den<br />

Banken und der Öffentlichkeit, zwi-<br />

schen den Banken und der Politik. Wir<br />

alle wissen, dass Vertrauen in kurzer<br />

Zeit zerstört werden kann, aber es<br />

braucht viel Zeit, bis Geschäftsbezie-<br />

hungen wieder frei von Argwohn und<br />

Misstrauen sind.<br />

Sozialpartner/ Öffentlichkeit/<br />

Medien:<br />

<strong>Die</strong> Sozialpartnerschaft war während<br />

der Krise Belastungsproben ausgesetzt,<br />

aber sie hat sich als nachhaltig erwie-<br />

sen. <strong>Die</strong> Entwicklung der Beschäfti-<br />

gung nach der Krise hat auch gezeigt,<br />

dass Aussicht auf Erholung auf breiter<br />

Front besteht. Vielleicht werden aber<br />

die Beschäftigungsmuster der Zukunft<br />

nicht mehr die gleichen Muster wie<br />

heute sein. Gerade vor diesem Hinter-<br />

grund darf es kein Nachlassen bei der<br />

Ausbildung von Kader und Mitarbeiten-<br />

den geben.<br />

Krisen sind auch die Zeiten der Popu-<br />

listen; mit Schlagworten werden keine<br />

Krisen bewältigt, aber die mediale Auf-<br />

arbeitung der Krise ist natürlich unver-<br />

meidlich. <strong>Die</strong> heutige Medienlandschaft<br />

birgt die Gefahr der Personalisierung in<br />

sich <strong>–</strong> gefragt sind oft nicht Lösungen,<br />

sondern Schuldige, Täter und Opfer.<br />

Das zu bedauern, ist zwar verständlich,<br />

aber gleichzeitig muss anerkannt wer-<br />

den, dass das Rad der Zeit nicht zurück-<br />

gedreht werden kann.


62<br />

Zu früh <strong>für</strong> Schlussbeurteilung<br />

Es ist keine neue Erkenntnis, wenn<br />

man in Krisen auch Chancen sieht,<br />

aber gerade diese Krise weist die reale<br />

Chance zu einer Renaissance auf: <strong>Die</strong><br />

Rahmenbedingungen der Schweiz wer-<br />

den im internationalen Kontext als nach<br />

wie vor sehr gut bewertet und die wahr-<br />

nehmbaren Zeichen nach der Krise las-<br />

sen berechtigte Hoffnungen erkennen,<br />

dass die Krise nicht ohne Konsequenzen<br />

bleiben wird, allerdings ist es <strong>für</strong> eine<br />

abschliessende Beurteilung eindeutig zu<br />

früh. Einiges kann festgehalten werden:<br />

Es braucht<br />

•verstärkte Kooperations- und Dia-<br />

logbereitschaft von Wirtschaft und<br />

Politik;<br />

•den Mut, vom «Quartalsdenken»<br />

wegzukommen;<br />

•die Einsicht, dass die Schweiz sich in<br />

einem hochkompetitiven internatio-<br />

nalen Umfeld behaupten muss;<br />

•die Weitsicht, langfristig griffige,<br />

verbindliche (aber nicht einengende)<br />

Schlussfolgerungen zu ziehen: Wie-<br />

derherstellung der Werte, Vertrauen<br />

in die Stärke unserer Wirtschaft,<br />

Augenmass bei der Regulierung<br />

und entschlossenes, innovatives<br />

Handeln.<br />

Fachgespräch «Renaissance des Finanz-<br />

platzes Schweiz?» vom 17. bis 18. März<br />

2010. Moderation: Hans Gall, Mitglied<br />

des <strong>Lilienberg</strong>rates, und Dr. Hans Von-<br />

tobel, Ehrenpräsident der Vontobel<br />

Gruppe.<br />

Teilnehmerschaft aus Politik und Wirtschaft<br />

Moderatoren:<br />

•Hans Gall, <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

•Dr. Hans Vontobel, Ehrenpräsident der Vontobel <strong>–</strong> Gruppe<br />

Teilnehmende:<br />

Dr. h.c. Walter Reist, Präsident des Stiftungsrates der Stiftung<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

Gerold Bührer, Präsident Economiesuisse<br />

Verena <strong>Die</strong>ner, Ständerätin Kanton Zürich<br />

Dr. Hans-Ulrich Doerig, VR-Präsident Credit Suisse Group AG<br />

Lucius Dürr, Direktor Schweizerischer Versicherungsverband<br />

Dr. h.c. Jean-Daniel Gerber, Staatssekretär EVD, Direktor Seco<br />

Urs Limacher, Mitglied der Geschäftsleitung Zimmer GmbH<br />

Stefan Loacker, CEO Helvetia Versicherungen<br />

Prof. Ernst Mohr, Rektor der Universität St. Gallen<br />

Dr. Remi-F. Notter, Partner und GL-Mitglied Neue Partner Bank AG<br />

Andreas Rieger, Co-Präsident Unia,<br />

Manfred Schellhammer, CEO Kühne&Nagel Schweiz<br />

Martin Scholl, CEO Zürcher Kantonalbank<br />

Dr. Gerhard Schwarz, stv. Chefredaktor NZZ; designierter Direktor Avenir Suisse<br />

Georg Staub, Direktor Swissstaffing (Verband der Personaldienstleister der Schweiz)<br />

Christoph Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong> <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

Christine Holstein, Mitglieder der Direktion Swisscanto (Redaktion)<br />

Dr. Max Becker, Leiter Aktionsfeld «Wirtschaft und Industrie» <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />

nehmerforum.


63<br />

Von Andreas Jäggi<br />

SCHLUSSPUNKT<br />

<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong> ein ort<br />

unternehmerischer Kreativität<br />

Kreativität und <strong>Unternehmertum</strong> bedin-<br />

gen sich wechselseitig. Das <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum fördert beides und<br />

setzt damit Impulse in vielseitigen Berei-<br />

chen der Gesellschaft.<br />

Kreativität ist ein wesentliches Element<br />

<strong>für</strong> ein erfolgreiches <strong>Unternehmertum</strong>.<br />

Ohne Kreativität ist keine Innovation<br />

möglich, und ohne Innovation besteht<br />

kein Unternehmen auf Dauer. Produkte<br />

und <strong>Die</strong>nstleistungen müssen laufend<br />

weiterentwickelt und verbessert wer-<br />

den, um sich den veränderten Kunden-<br />

bedürfnissen anzupassen.<br />

Als einer der ersten befasste sich um<br />

1950 Joy Paul Guilford intensiv mit dem<br />

Thema Kreativität. Seither hat sich die<br />

Kreativitätsforschung ständig weiter-<br />

entwickelt. Heute besteht weitgehend<br />

Einigkeit, dass der kreative Prozess in<br />

fünf Phasen eingeteilt werden kann.<br />

Nach einer Vorbereitungsphase folgt<br />

die Inkubations- oder Reifungsphase,<br />

bis sich dann die Einsicht oder das Aha-<br />

Erlebnis einstellt. Aber erst durch die ein-<br />

gehende Bewertung und die anschlies<br />

sende Ausarbeitung der Idee findet der<br />

Prozess sein Ende und mündet in echte<br />

Innovation.<br />

Routine als Kreativitätskiller<br />

Was nun hat dies alles mit dem Lilien-<br />

berg Unternehmerforum zu tun? Mei-<br />

ner Meinung nach viel, denn damit sich<br />

Kreativität entfalten kann, braucht es<br />

nicht nur Problemsensitivität, Konzent-<br />

ration, analytisches Denken und Mut zu<br />

Neuem, sondern auch Ablenkung und<br />

Veränderung, die inspirierende Umge-<br />

bung und das Gespräch mit anderen.<br />

Routine ist ein Kreativitätskiller. Viele<br />

haben beobachtet, dass ihre kreativs-<br />

ten Leistungen nicht an ihrem norma-<br />

len Arbeitsplatz entstehen. Eine Orts-<br />

veränderung, zum Beispiel eine Klausur<br />

oder eine Begegnung auf <strong>Lilienberg</strong> mit<br />

neuen Eindrücken und ohne den Druck<br />

der Alltagsgeschäfte lässt der Kreativität<br />

den nötigen Raum und macht aufge-<br />

schlossen <strong>für</strong> Veränderung.<br />

Doch <strong>Lilienberg</strong> bietet nicht nur die ein-<br />

fache Veränderung des Ortes, sondern<br />

ermöglicht mit seiner ganzen Anlage<br />

und besonders mit den Erlebnisräumen<br />

ein unverwechselbares inspirierendes<br />

Angebot seines genius loci. Der Besu-<br />

cher wird zum Nach- und Neudenken<br />

angeregt, erhält Impulse und einen Ein-<br />

blick in neue Denkzusammenhänge.<br />

Und vor allem lässt <strong>Lilienberg</strong> einen<br />

wohl fühlen <strong>–</strong> eine gute Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> kreative Leistungen.<br />

Mit dem Aha-Erlebnis der Idee ist<br />

jedoch nur der Anfang gemacht. Für<br />

ihre Bewertung ist das Gespräch mit<br />

anderen äusserst wertvoll, ja unverzicht-<br />

bar. Und wenn dies mit Menschen mit<br />

unternehmerischer Erfahrung gesche-<br />

hen kann, sind der Praxisbezug und<br />

die Chance auf eine realistische Ein-<br />

schätzung <strong>für</strong> die erfolgreiche Umset-<br />

zung am ehesten gegeben. Hier spielt<br />

das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum sei-<br />

nen wichtigsten Trumpf aus, als Ort, an<br />

dem sich unternehmerische Persönlich-<br />

keiten einfinden. Menschen, die offen<br />

sind, ihre Erfahrungen zu teilen und sich<br />

damit auch als «Sparringpartner» <strong>für</strong><br />

die eigene Kreativität anbieten.<br />

<strong>Die</strong> Vorzüge des <strong>Lilienberg</strong> Unterneh-<br />

merforums sind schon über zwei Jahr-


64<br />

zehnte erprobt und bewährt. Meine<br />

Vision ist, dass <strong>Lilienberg</strong> noch weit<br />

mehr als heute von der Unternehmer-<br />

schaft genutzt wird, dass sich <strong>Lilienberg</strong><br />

sozusagen zu dem Ort unternehmeri-<br />

scher Kreativität schlechthin entwickelt.<br />

Damit werden nicht nur Unternehmer,<br />

sondern die gesamte Gesellschaft starke<br />

Impulse erhalten.<br />

Dank Kreativität in eine<br />

sichere Zukunft<br />

Kreativität und der Wille zur Um-<br />

und Durchsetzung neuer Ideen sind<br />

das Ge-genteil von Trägheit, untäti-<br />

gen Lamentierens oder gar Resignie-<br />

rens vor den grossen Herausforderun-<br />

gen der Zukunft und der Komplexität<br />

vieler Probleme. <strong>Die</strong> Kreativität des<br />

<strong>Unternehmertum</strong>s ist mehr als ein<br />

wirtschaftlicher Faktor, sondern das<br />

Lebenselixier unserer Gesellschaft und<br />

die Sicherung unserer Zukunft. Ohne<br />

unternehmerische Kreativität ist alles<br />

nichts. Hat dies nicht auch auch schon<br />

Johann Wolfgang von Goethe auf<br />

seine Art im «west-östlichen Divan»<br />

gesagt?<br />

«Und solang du das nicht hast,<br />

<strong>Die</strong>ses: Stirb und werde!<br />

Bist Du nur ein trüber Gast<br />

Auf der dunklen Erde.»<br />

Menschen mit unternehmerischer Erfahrung tauschen sich auf <strong>Lilienberg</strong> aus <strong>–</strong> eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> kreative Leistungen.


65<br />

Eine Begegnung auf <strong>Lilienberg</strong> lässt Alltagsgeschäfte vergessen und macht aufgeschlossen <strong>für</strong> Veränderung.


66<br />

oRGaNISaTIoN<br />

Nutzen einer Mitgliedschaft<br />

Ziel des <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

ist der Erhalt und die Förderung des<br />

lebendigen <strong>Unternehmertum</strong>s. Unter-<br />

stützen Sie unser Engagement mit einer<br />

Mitgliedschaft als…<br />

… <strong>Lilienberg</strong> Freund<br />

Für einen Jahresbeitrag von CHF 500.<strong>–</strong><br />

sind Sie Mitglied der <strong>Lilienberg</strong> Gemein-<br />

schaft und können unentgeltlich mit<br />

einer Begleitperson unternehmerische<br />

Auseinandersetzungen in unserenForen,<br />

Rezitals, Besonderheiten, Kolloquien,<br />

Tagungen (ohne Begleitung), Ausseror-<br />

dentlichen Gesprächen und <strong>Lilienberg</strong>-<br />

Gesprächen erleben. Ausserdem erhal-<br />

ten Sie alle Publikationen, neben der<br />

«<strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong>», dem «<strong>Lilienberg</strong><br />

Ausblick» auch die «<strong>Lilienberg</strong> Schrift»<br />

und das «<strong>Lilienberg</strong> Spektrum».<br />

… <strong>Lilienberg</strong> Freund<br />

Für einen Jahresbeitrag von CHF 50.<strong>–</strong><br />

können SieohneBegleitung unentgeltlich<br />

unsere Foren und Besonderheiten erle-<br />

ben. Im Weiteren erhalten Sie die beiden<br />

Publikationen«<strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong>» und<br />

«<strong>Lilienberg</strong> Ausblick» (mit einerÜbersicht<br />

über alle Veranstaltungen).<br />

Anmeldungen über www.lilienberg.ch<br />

Wer eine Mitgliedschaft als <strong>Lilienberg</strong> Freund abschliesst, kann unentgeltlich an vielen Veranstaltungen auf <strong>Lilienberg</strong> teilnehmen,<br />

beispielsweise an Foren im <strong>Lilienberg</strong>-Zentrum.


oRGaNISaTIoN<br />

Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum ...<br />

ist ein unternehmerisches Erlebnis- und Begegnungszentrum. Mit seiner traumhaften Lage und seiner einmaligen Umgebung ist Lilien-<br />

berg eine Oasedes Nachdenkens, wo mansichfinden, einbringen undklärenkann. DasUnternehmerforumist einOrt derBegegnung,<br />

der Gespräche und der Bildung. Hier treffen sich unternehmerisch denkende und wirkende Persönlichkeiten aus allen Bereichen sowie<br />

deren Mitarbeiterschaft. Umdie Ziele zu verwirklichen, bietet das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum unternehmerisch interessierten Men-<br />

schen in den drei Bereichen Begegnung, Gespräch und Bildung verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten an.<br />

BEGEGNUNG<br />

In verschiedenen Einzelveranstaltun-<br />

gen mit aussergewöhnlichen Persön-<br />

lichkeiten treffen sich unternehmeri-<br />

sche Menschen aus Wirtschaft, Politik,<br />

Gesellschaft und Armee und kommen<br />

miteinander ins Gespräch, um sich<br />

gegenseitig zu begegnen und nachhal-<br />

tig kennen zu lernen.<br />

Im Bereich Begegnung unterscheiden<br />

wir folgende Veranstaltungen:<br />

■ Im <strong>Lilienberg</strong> Forum tritt eine ausser-<br />

gewöhnliche Persönlichkeit auf und<br />

berichtet aus ihrem Wirkungskreis.<br />

■ Der <strong>Lilienberg</strong>-Preis wird alle zwei<br />

Jahre an beispielhafte unternehme-<br />

rische Persönlichkeiten und Instituti-<br />

onen verliehen.<br />

■ <strong>Die</strong> <strong>Lilienberg</strong>-Rezitale dienen der<br />

Begegnung von Persönlichkeiten<br />

in einem kulturellen Rahmen, der<br />

gleichzeitig jungen Künstlern eine<br />

wertvolle Plattform bietet.<br />

Im Bereich Gespräch werden wirtschaft-<br />

liche, politische und gesellschaftliche<br />

Fragen im Zusammenhang mit dem<br />

<strong>Unternehmertum</strong> in folgenden Aktions-<br />

feldern behandelt:<br />

<strong>–</strong>Sicherheit & Armee<br />

<strong>–</strong>Medien & Kommunikation<br />

<strong>–</strong>Gesundheit & Umwelt<br />

<strong>–</strong>Unternehmenskultur & -ethik<br />

<strong>–</strong>Wirtschaft & Industrie<br />

<strong>–</strong>Politik & Gesellschaft<br />

<strong>–</strong>Bildung & Sport<br />

<strong>Die</strong> Fragestellungen werden in<br />

Gesprächszyklen vertieft behandelt, die<br />

in der Regel ein Jahr dauern und aus<br />

mehreren Kolloquien, einer Tagung und<br />

einem abschliessenden Ausserordentli-<br />

chen Gespräch bestehen. Daneben wer-<br />

den kurze Zyklen organisiert, welche<br />

herausfordernde tagesaktuelle Themen<br />

zum Inhalt haben.<br />

GESPRÄCH<br />

BILDUNG<br />

Unter dem Motto «Unternehmer schu-<br />

len Unternehmer» bietet <strong>Lilienberg</strong><br />

Er-lebnis-Gesprächstage sowohl zu un-<br />

ternehmerischen Grundsatzthemen als<br />

auch zu Sach- und Fachthemen an. Im<br />

Mittelpunkt stehen jeweils eine Ver-<br />

gleichspersönlichkeit und deren unter-<br />

nehmerische Erfahrungen. <strong>Die</strong> Seminar-<br />

teilnehmer denken dabei selber vertieft<br />

über sich und über die eigene Posi-<br />

tion nach und bringen gegenseitig ihre<br />

Erfahrungen ein.<br />

■ Unternehmergespräche<br />

Unternehmergespräche behandeln die<br />

unternehmerischen Grundsatzfragen,<br />

zum Beispiel: Aufbau und Organisation,<br />

Generationenwechsel, finanzielle Stär-<br />

kung.<br />

■ Sachgespräche<br />

In Sachgesprächen geht esvor allem um<br />

die Fragen rund umden geeigneten Mit-<br />

teleinsatz.<br />

■ Fachgespräche<br />

In diesen Gesprächen geht es in erster<br />

Linie um die Bewältigung der Alltages-<br />

probleme von KMUs wie Rekrutierung<br />

und Schulung von Mitarbeitern, Ver-<br />

handlung mit Banken.


<strong>Lilienberg</strong> <strong>Unternehmertum</strong><br />

Industriestrasse 1<br />

CH-8340 Hinwil<br />

Telefon +41 44 938 70 00<br />

Fax +41 44 938 70 99<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

Blauortstrasse 10<br />

CH-8272 Ermatingen<br />

Telefon +41 71 663 23 23<br />

Fax +41 71 663 23 24<br />

info@lilienberg.ch<br />

www.lilienberg.ch

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