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Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum

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<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />

<strong>Unternehmertum</strong><br />

Nummer 25 / April 2011


UNTERNEHMERTUM<br />

3 Editorial: «Tut um Gottes willen<br />

etwas Tapferes!»<br />

4 <strong>Unternehmertum</strong> und Umweltethik<br />

7 Exportorientierte Unternehmen<br />

brauchen bessere Rahmenbedin-<br />

gungen <strong>–</strong> die Arbeitnehmer auch<br />

BEGEGNUNG<br />

10 Abtprimas Dr. Notker Wolf formu-<br />

lierte fundamentale Wertehaltun-<br />

gen zur Bewältigung unserer Zukunft<br />

15 Kammermusikalischer Hörgenuss<br />

der Extraklasse<br />

GESPRÄCH<br />

17 Dr. Peter Hasler und <strong>Die</strong>trich Pesta-<br />

lozzi: Ob Post oder KMU <strong>–</strong> Auf<br />

Verwaltungsratsstufe ist unterneh-<br />

merische Erfahrung wichtiger als<br />

Fachkompetenz<br />

<strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />

<strong>Unternehmertum</strong><br />

Nr. 25 <strong>–</strong> April 2011<br />

© Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, Ermatingen<br />

23 «Familienunternehmen meistern<br />

Krisen besser»<br />

26 «<strong>Die</strong> Menschen sind heute moralisch<br />

nicht schlechter als früher»<br />

28 Ohne Innovation überlebt kein Un-<br />

ternehmen auf dem Markt<br />

30 Bei der medizinischen Versorgung<br />

der Bevölkerung fehlt eine Strategie<br />

34 Hat der Datenschutz schon bald aus-<br />

gedient?<br />

AUSBLICK<br />

38 Naturpärke <strong>–</strong> eine unternehmerische<br />

Herausforderung<br />

40 «Mister Abgeltungssteuer» steht<br />

Ende Mai Red und Antwort<br />

41 Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />

ehrt Dr. h. c. Walter Reist<br />

43 Geplant: Symposium über die Globalisierung<br />

Herausgeberin<br />

Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum<br />

CH-8272 Ermatingen<br />

Telefon +41 71 663 23 23<br />

Fax +41 71 663 23 24<br />

info@lilienberg.ch<br />

www.lilienberg.ch<br />

BILDUNG<br />

45 <strong>Lilienberg</strong> Fachgespräche <strong>–</strong> ein Rückblick<br />

und Ausblick<br />

MITGLIEDSCHAFT<br />

47 Sind Sie schon <strong>Lilienberg</strong> Freund?<br />

BLICKWINKEL<br />

48 Verhältnis der Schweiz zur EU <strong>–</strong> Anpassung<br />

oder Widerstand?<br />

Redaktion und Konzeption<br />

<strong>Lilienberg</strong> <strong>Unternehmertum</strong>, Hinwil<br />

Stefan Bachofen, Wilhelm Knecht<br />

Bilder <strong>–</strong> Fredy Blunier, Vinzenz Zahner,<br />

Hans-Jacob Heitz, Martin Stucki<br />

Druckvorstufe <strong>–</strong> Alinéa AG, Wetzikon<br />

Druck <strong>–</strong> pmc, Oetwil am See


3<br />

Von Christoph Vollenweider<br />

«Tut um Gottes willen<br />

etwas Tapferes!»<br />

«Alle reden und reden, aber niemand un-<br />

ternimmt etwas!»<br />

Wie oft hören wir im Alltag diesen Ausspruch,<br />

der oft mehr einem Seufzer oder<br />

gar einer Anklage gleicht. Dass den Menschen<br />

Reden meistens viel leichter fällt als<br />

Handeln, ist allerdings keine neue Erscheinung.<br />

Schon vom Reformator Huldrych<br />

Zwingli ist der Ausspruch «Tut um Gottes<br />

willen etwas Tapferes!» überliefert. <strong>Die</strong>ser<br />

Satz steht in Zwinglis Brief, den er am<br />

16. Juni 1529 aus dem Lager bei Kappel<br />

nach Zürich sandte. Nach den Worten des<br />

grossen Theologen Karl Barth lässt sich in<br />

diesem Satz «Zwinglis ganzes Christentum<br />

zusammenfassen».<br />

Es fällt schwer, etwas zu<br />

«unternehmen»<br />

Wir wollen diese interessante Aussage Karl<br />

Barths hier nicht interpretieren oder gar<br />

diskutieren, doch eine Erkenntnis lässt sich<br />

zweifellos daraus ableiten: Handeln war<br />

und ist immer wieder das Gebot der Stunde,<br />

doch es fällt vielen Menschen schwer,<br />

dies auch zu tun. Das Heft in die Hand zu<br />

nehmen und etwas zu «unternehmen»,<br />

EDIToRIAL<br />

fällt angesichts einer grossen sichtbaren<br />

Herausforderung leichter, als wenn das<br />

Problem diffuser Natur ist. Und die heutige<br />

Welt und damit auch unsere Gesellschaft<br />

stehen vor sehr vielen diffusen<br />

Problemen, die sich oft erst in einem Unbehagen<br />

manifestieren. Beispiele da<strong>für</strong><br />

gibt es genug, jeder von uns kennt sie: <strong>Die</strong><br />

Stellung der Schweiz in der globalisierten<br />

Welt, die Dominanz des Finanzsektors,<br />

der Zerfall des gesellschaftlichen Konsenses,<br />

ja die Zukunft unseres Wohlstandes<br />

sind Beispiele solcher Bereiche, wo sich<br />

diffuse Ängste manifestieren.<br />

Gefordert sind in solchen Situationen darum<br />

Menschen, die in der Lage sind, aktiv<br />

zu werden, zu handeln, eben etwas zu<br />

unternehmen. Da<strong>für</strong> aber braucht es ein<br />

ganzheitliches Vorgehen unter Berücksichtigung<br />

der menschlichen, sachlichen und<br />

wirtschaftlichen Aspekte. Mit dem Fühlen<br />

werden das Problem erfasst und schöpferische<br />

Visionen entwickelt, mit dem Denken<br />

wird die Kreativität bei der Problemlösung<br />

gefördert, während mit dem<br />

Handeln konstruktive Ideen dann auch<br />

umgesetzt und durchgesetzt werden.<br />

<strong>Lilienberg</strong> stärkt deshalb alle jene Menschen,<br />

die irgendwo in der Gesellschaft<br />

Verantwortung übernommen haben, im<br />

obigen Sinne unternehmerisch, also ganzheitlich<br />

zu fühlen, zu denken und zu handeln.<br />

Wir tun dies in unseren drei Bereichen<br />

Begegnung, Gespräch und Bildung. An<br />

<strong>Lilienberg</strong> Foren beispielsweise treten aussergewöhnliche<br />

Persönlichkeiten auf und<br />

berichten aus ihrem Wirkungskreis. In den<br />

Aktivitäten der sieben Aktionsfelder werden<br />

die grundsätzlichen Fragen aus Wirtschaft,<br />

Politik, Gesellschaft ganzheitlich<br />

angegangen, es werden dabei Impulse<br />

erarbeitet, welche die Verantwortungsträger<br />

befähigen, zum Handeln in der Gesellschaft<br />

überzugehen. Im Bildungsteil<br />

schliesslich setzt sich die Unternehmerschaft<br />

mit verschiedenen relevanten unternehmerischen<br />

Fragestellungen auseinander.<br />

In bildenden Gesprächen stellen<br />

sich Persönlichkeiten zum Vergleich, alle<br />

können sich einbringen, sich klar werden<br />

und sich finden <strong>–</strong> nach dem Motto «Unternehmer<br />

schulen Unternehmer».<br />

<strong>Lilienberg</strong> trägt das Seinige dazu bei, dass<br />

verantwortungsbewusste Menschen in<br />

ihrem Wirkungsbereich «etwas tun können».<br />

Gehören auch Sie zu den «Tapferen»,<br />

engagieren Sie sich als Freund und<br />

Gönner <strong>für</strong> das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum!


4<br />

Von Hans-Jacob Heitz*<br />

Im <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum folgen<br />

wir seit bald zwei Jahrzehnten den ebenso<br />

wichtigen wie richtigen vier unternehmerischen<br />

Fragen von Dr. h. c. Walter<br />

Reist: Was macht Sinn? Was macht stark?<br />

Was macht Spass? Was lohnt sich? Aus<br />

meiner persönlichen langjährigen Erfahrung<br />

auf <strong>Lilienberg</strong> frage ich mich aber:<br />

Haben wir diese Fragen schon je in Bezug<br />

auf das Verhältnis des <strong>Unternehmertum</strong>s<br />

zu unserer Umwelt gestellt? Ich mag mich<br />

nicht daran erinnern. Allenfalls haben wir<br />

es getan, als wir uns im vergangenen Jahr<br />

Gedanken zu unserer Landwirtschaft<br />

machten. <strong>Die</strong> Frage sei erlaubt: Nehmen<br />

wir Unternehmer unsere schöne Schweizer<br />

Natur und damit Umwelt etwa als<br />

selbstverständlich?<br />

Wirtschaft belastet die Natur<br />

<strong>Die</strong> Erfahrung lehrt uns: Zurück aus dem<br />

fernen Ausland, gehen uns oft die Augen<br />

auf <strong>für</strong> unsere Schweizer Naturschönheiten,<br />

wir würden <strong>–</strong> wären wir im Ausland<br />

<strong>–</strong> einen Fotohalt einschalten. Tragen<br />

wir also Sorge zu unserer schönen Natur<br />

mit ihrer vielfältigen Fauna! Nun gilt es<br />

zu bedenken, dass unsere «Natur<br />

Schweiz» nicht nur Natur, nicht Naturpark<br />

UNTERNEHMERTUM<br />

<strong>Unternehmertum</strong> und Umweltethik<br />

sein kann. Vielmehr betreiben wir seit je<br />

in dieser Natur Gewerbebetriebe und<br />

Fabriken, und wir sind täglich mobil. Das<br />

alles belastet unsere Natur. Bislang gelang<br />

es uns, die Balance zu halten zwischen<br />

den Bedürfnissen der Natur und den ökonomischen<br />

Interessen. Heute ist wegen<br />

der latenten Gefahr, dass dieses Gleichgewicht<br />

kippen könnte, viel von umweltschonenden<br />

Produktionsverfahren,<br />

umweltfreundlichen Produkten, Umweltmanagement,<br />

Umweltkommunikation<br />

und nachhaltiger Entwicklung die Rede.<br />

<strong>Die</strong>s im Interesse unserer Nachkommen,<br />

der künftigen Generationen.<br />

Persönliche Eigenverantwortung<br />

<strong>für</strong> unsere Umwelt<br />

Es gilt also auch in Zukunft, die Balance<br />

zwischen Ökonomie und Ökologie zu<br />

halten. Nicht Ideologien, sondern das<br />

Verständnis und die persönliche Eigenverantwortung<br />

<strong>für</strong> unsere Umwelt, gepaart<br />

mit dem nötigen Verantwortungsbewusstsein<br />

<strong>für</strong> die Belange unserer<br />

Privatwirtschaft, können das Gleichgewicht<br />

halten. Denn diese beiden Faktoren<br />

haben unseren Schweizer Wohlstand erst<br />

geschaffen, und sie werden ihn auch<br />

künftig garantieren. Wichtig ist, dass wir<br />

statt dem quantitativen dem qualitativen<br />

Wirtschaftswachstum frönen, das Naturkapital<br />

mit in die Gesamtbilanz, mit ins<br />

Sozialprodukt aufnehmen. Denn: «Für<br />

Wasser, Luft und Landschaft bilden sich<br />

noch keine Preise, welche die tatsächlichen<br />

Knappheiten ausdrücken» (www.<br />

treffpunkt-umweltethik.de).<br />

<strong>Die</strong> globalisierte Weltwirtschaft dürfte<br />

uns die Augen geöffnet haben, dass ferne<br />

Umweltkatastrophen wie jene in Japan<br />

auch uns treffen und dass lebenswichtige<br />

Ressourcen versiegen können,<br />

was nach Alternativen und Substitution<br />

ruft. Der Substanzverlust an wertvollen<br />

Rohstoffen und damit die Umweltbelange<br />

im Allgemeinen müssten endlich als<br />

wichtige Komponenten des Sozialprodukts<br />

berücksichtigt werden. Es kann<br />

realistischerweise nicht verwundern, dass<br />

heute die Rohstoffpreise wegen deren<br />

Verknappung ungebremst stetig steigen,<br />

was <strong>–</strong> auch wegen dadurch bedingter<br />

Rohstoffspekulation <strong>–</strong> die Preisgestaltung<br />

<strong>für</strong> unsere Produkte und damit den Konsum<br />

immer nachhaltiger prägen wird.


5<br />

<strong>Die</strong> Player in unserer Marktwirtschaft<br />

wären gut beraten, über diese Entwicklungen<br />

ernsthaft nachzudenken, damit<br />

die Markwirtschaft wirklich frei bleiben<br />

kann, andernfalls sie zum Sklaven ihrer<br />

Exzesse wird. Gut, dass die Schweiz einen<br />

starken Forschungs- und Entwicklungs-<br />

platz ihr Eigen nennen kann, was sich<br />

bislang in den vielen Nobelpreisen niederschlug,<br />

wozu wir mehr Sorge tragen<br />

müssen denn je. So neu ist das Thema<br />

Umwelt auch wieder nicht, denn schon<br />

Platon (427 <strong>–</strong> 347 v. Chr.) machte sich<br />

Sorgen wegen der Abholzung. Es kann<br />

ohne jeden Beigeschmack von Ideologien<br />

bei Lichte besehen nicht in Abrede gestellt<br />

werden, dass in unserer Umwelt<br />

immer weniger kontrollierbare Umwälzungen<br />

mit schwer abschätzbarem Gefahrenpotenzial<br />

im Gang sind.<br />

Das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Bedürfnissen der Natur hat in vielen Ländern längst gekippt:<br />

Gewerbebetriebe und Fabriken belasten die Natur zum Teil massiv.


Betreiber von Pärken verfolgen das Ziel, besondere Naturwerte einer Region zu erhalten<br />

und <strong>für</strong> die wirtschaftliche und soziale Entwicklung besser zu nutzen. Unser Bild<br />

zeigt Teile des Gebietes Parc Ela im Kanton Graubünden. Der Parc Ela ist der grösste<br />

regionale Naturpark der Schweiz im Aufbau. Er soll im kommenden Sommer vom<br />

Bund das Label «Park von nationaler Bedeutung» erhalten.<br />

Intakte Umwelt als Teil<br />

der Marke «Schweiz»<br />

Wenn heute Professor Peter Ulrich (Universität<br />

St. Gallen) sinniert: «Wer den<br />

globalen Markt will, der muss aus wirtschaftsethischer<br />

Sicht auch sozialverträgliche<br />

und ökologisch nachhaltige globale<br />

Rahmenbedingungen des Wettbewerbs<br />

wollen», hat er so unrecht nicht. Intakte<br />

Umwelt ist Teil der Marke «Schweiz», von<br />

welcher unter anderem der Tourismus<br />

direkt lebt. Es ist unabdingbar, dass sich<br />

die Wirtschaftswissenschaft mit der Frage<br />

beschäftigt, wie wir unsere Entscheidungen<br />

des Einsatzes knapper Ressourcen<br />

mit alternativer Verwendbarkeit <strong>für</strong><br />

die Produktion verschiedener Güter tref-<br />

fen. Wenn es uns Schweizern gelingt,<br />

diese Herausforderungen zu meistern,<br />

schaffen wir uns einen neuen Wettbewerbsvorteil.<br />

Der Weg dorthin muss von Wahrheit,<br />

Klarheit und Seriosität und nicht von<br />

Ideologien geprägt sein. Es geht um die<br />

langfristige Existenzsicherung unserer<br />

Gesellschaft überhaupt. <strong>Die</strong>s aber bedingt<br />

in unserer globalen Gesellschaft,<br />

dass nicht nur, wie heute, regionale Umweltkooperationen<br />

spielen, sondern dass<br />

eine globale Wirtschafts-, Wettbewerbsund<br />

Umweltpolitik definiert wird. Ohne<br />

funktionierende Wirtschaft kein nachhaltiger<br />

Umweltschutz, ohne intakte Um-<br />

welt keine florierende Wirtschaft. Es geht<br />

also um eine stetig neue Interessen- und<br />

Güterabwägung, wozu wir alle aufgefordert<br />

sind. Was also macht Sinn, macht<br />

Spass beziehungsweise motiviert, macht<br />

stark und lohnt sich? Mit diesen Fragen,<br />

wie jüngst Ende März beim <strong>Lilienberg</strong><br />

Gespräch mit Botschafter Dr. Luzius<br />

Wasescha zum Spagat zwischen WTO<br />

und Naturpärken angesprochen, wird<br />

sich das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

künftig mehr auseinanderzusetzen haben.<br />

Nehmen wir diese Herausforderung<br />

an, nutzen wir die noch vorhandene Freiheit<br />

unseres Handelns, packen wir die<br />

Chance und befassen uns gemeinsam<br />

aktiv mit Umweltethik, ganz im Interesse<br />

unserer Schweiz!<br />

«Das Geheimnis des Glücks ist die<br />

Freiheit, das Geheimnis der Freiheit<br />

der Mut!»<br />

(Perikles, 490 bis 429 v. Chr.)<br />

* Hans-Jacob Heitz ist Advokat, alt Bun-<br />

desverwaltungsrichter und Mitglied des<br />

Ehrenteams der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum.


7<br />

Von Peter Bodenmann*<br />

<strong>Die</strong> meisten Unternehmer in der Schweiz<br />

haben heute ähnliche Probleme wie die<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.<br />

Ihre Interessen werden beidseitig durch<br />

Funktionäre wahrgenommen.<br />

Das politische und soziale System der<br />

Schweiz beruht darauf, dass Beamte und<br />

Funktionäre Kompromisse suchen und<br />

finden, die das Gleichgewicht austarieren.<br />

Unternehmer und Lohnabhängige<br />

haben dies zu schlucken.<br />

Das alles funktioniert in ruhigen Zeiten<br />

gar nicht so schlecht. Doch zurzeit verändern<br />

sich viele Rahmenbedingungen<br />

rasend schnell, wie die nachfolgenden<br />

Beispiele zeigen.<br />

• <strong>Die</strong> zu hohen Mieten zwingen immer<br />

mehr Lohnabhängige, über lange Strecken<br />

zu pendeln. <strong>Die</strong> einst von der Politik<br />

geförderte Mobilität soll nun neu bestraft<br />

werden. Wer soll die Kosten übernehmen?<br />

<strong>Die</strong> Meinungen sind geteilt.<br />

UNTERNEHMERTUM<br />

Exportorientierte Unternehmen brauchen bessere<br />

Rahmenbedingungen <strong>–</strong> die Arbeitnehmer auch<br />

• Das Gesundheitswesen war, ist und<br />

bleibt leider ein Selbstbedienungsladen.<br />

Steigende Prämien lassen die realen Löhne<br />

sinken, weil die Explosion der verrechneten<br />

Leistungen im Index keinen Niederschlag<br />

findet.<br />

• Ausländische Hersteller, Generalimporteure<br />

und lokale Monopolisten setzen<br />

sich mit ihren Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

immer mehr durch. <strong>Die</strong> Leidtragenden<br />

sind die Unternehmen im eigenen<br />

Land und damit indirekt die Lohnabhängigen.<br />

• In Bundesbern sitzen bald mehr Bauern,<br />

als es Bauern gibt, die in ihren Ställen<br />

die Kühe melken. <strong>Die</strong> Unproduktiven essen<br />

genüsslich die Früchte der Produktiven<br />

im Land. Sie verteuern das Leben <strong>–</strong><br />

allen voran das Leben von kinderreichen<br />

Familien mit kleinen und mittleren Einkommen,<br />

und zwar ganz massiv.<br />

• <strong>Die</strong> Nationalbank weigert sich, etwas<br />

gegen den starken Franken zu tun. Sie ist<br />

längst zum Spielball der Banken und der<br />

Grosschemie geworden. Darunter leiden<br />

unter anderen die Maschinenindustrie<br />

und der Tourismus.<br />

Konstruktive Kompromisse<br />

sind gefragt<br />

Wer in der Schweiz etwas verändern<br />

möchte, müsste Bündnisse schliessen.<br />

Wer die dringenden Probleme anpacken<br />

will, muss sich die Frage stellen, weshalb<br />

in aller Welt gibt es nicht endlich konstruktive<br />

Kompromisse zwischen Unternehmern<br />

auf der einen und Lohnabhängigen<br />

auf der anderen Seite. Hier einige<br />

Beispiele:<br />

• Eine Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung in<br />

Sitten kostet nur halb so viel wie dieselbe<br />

Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung in den<br />

Zentren der Schweiz. Obwohl man in<br />

Zürich günstiger baut als in Sitten. Der<br />

Grund sind die viel zu hohen Bodenpreise<br />

in Zürich. <strong>Die</strong> Lösung dieses Problems:<br />

Wir müssen Land einzonen, den Bauern<br />

lediglich den doppelten und nicht den<br />

fünfzigfachen Preis <strong>für</strong> das Land bezahlen<br />

und auf diesem Land <strong>–</strong> ohne den<br />

Boden zu versiegeln <strong>–</strong> spekulationsfreie<br />

Plusenergie-Häuser bauen.


Peter Bodenmann bezieht auch Jahre<br />

nach seinem Rücktritt aus dem Nationalrat<br />

pointiert Stellung zu aktuellen<br />

politischen Themen und nimmt dabei<br />

kein Blatt vor den Mund.<br />

• Regionalspitäler sind meiner Meinung<br />

nach dezentrale Kapitalverbrennungs-<br />

Anstalten. 40 Spitäler mit je 500 Betten<br />

genügen vollkommen <strong>für</strong> die Schweiz.<br />

Mit dieser Massnahme könnten die Gesundheitskosten<br />

um jährlich volle drei<br />

Milliarden Franken gesenkt werden.<br />

Gleichzeitig wird die Qualität gesteigert.<br />

Wie in der Industrie bringt uns auch im<br />

Gesundheitswesen nur der überfällige<br />

Strukturwandel voran.<br />

• Alle exportorientierten Schweizer<br />

KMU-Unternehmen ärgern sich immer<br />

wieder über die zu hohen Preise ihrer<br />

Zulieferer. Und über die Zollbürokratie,<br />

wenn sie ihre Waren direkt im Ausland<br />

beziehen. Genau gleich geht es den drei<br />

Millionen Schweizer Haushalten der<br />

Lohnabhängigen. Hier schöpfen Sofa-<br />

Hersteller, Sofa-Generalimporteure und<br />

Sofa-Alleinvertretungen pro Jahr 40 Milliarden<br />

Reichtum ab.<br />

• Wer in der Dorfmetzgerei in Ermatingen<br />

ein Kilo Filet kauft, zahlt immer noch<br />

doppelt so viel wie jener Käufer, der<br />

das Kilo Filet ennet der Grenze in Dornbirn<br />

oder Konstanz einkauft. <strong>Die</strong> Qualität<br />

des Ermatinger Fleischs ist aber nicht besser.<br />

Der Grund <strong>für</strong> diese gewaltigen Preisdifferenzen:<br />

Unsere Bauern werden mit<br />

zu hohen Preisen und zu hohen Subventionen<br />

staatlich durchgefüttert. Jeder<br />

Arbeitnehmer-Haushalt hätte jedes Jahr<br />

3000 Franken mehr reale Kaufkraft <strong>–</strong> und<br />

nur darauf kommt es an <strong>–</strong>, wenn wir endlich<br />

ein einschlägiges Freihandelsabkommen<br />

mit der EU abschliessen würden.<br />

• Einst hiess es: <strong>Die</strong> Nationalbank ist ein<br />

Standortvorteil <strong>für</strong> die Schweizer Wirtschaft.<br />

In der Zwischenzeit wissen wir:<br />

Der starke Franken ist einzig <strong>für</strong> die Banken<br />

und die Chemieindustrie ein Vorteil,<br />

jedoch ein eklatanter Nachteil <strong>für</strong> die<br />

Maschinenindustrie und <strong>für</strong> den Tourismus.<br />

Weshalb die Nationalbank kein Gegensteuer<br />

gibt, will heissen Schweizer<br />

Franken druckt und ausländische Anleihen<br />

mit Negativzinsen bestraft, bleibt<br />

mir ein Rätsel.<br />

Bauern, Banken und Chemie geben<br />

in Bundesbern den Ton an<br />

Ich frage Sie nun:<br />

Geht es den Unternehmen schlechter,<br />

wenn ihre Angestellten günstige Wohnungen<br />

in der Nähe des Arbeitsplatzes<br />

finden? Nein, im Gegenteil.<br />

Geht es uns Unternehmern schlechter,<br />

wenn Spitäler endlich wie Fabriken rationell<br />

geplant und betrieben werden und<br />

auf diese Weise die Krankenkassenprämien<br />

weniger rasant ansteigen? Nein, im<br />

Gegenteil.<br />

Geht es uns exportorientierten Unternehmen<br />

schlechter, wenn die Kette der Sofa-<br />

Import-Profiteure endlich die Schweiz,<br />

ihre Unternehmen und Lohnabhängigen,<br />

nicht mehr über den Tisch ziehen? Nein,<br />

im Gegenteil.<br />

Hilft es den Unternehmen, wenn sie bei<br />

den Lohnverhandlungen unter Druck geraten,<br />

weil die Preise <strong>für</strong> Lebensmittel in<br />

der Schweiz im Vergleich zum Ausland<br />

deutlich höher sind und sie somit gezwungen<br />

sind, die realen Löhne zu erhöhen?<br />

Nein, im Gegenteil.<br />

Wäre es ein Nachteil, wenn die Schweizer<br />

Nationalbank den Frankenkurs ohne Verluste<br />

korrigieren, Franken drucken und<br />

Zinsen senken würde? Nein, im Gegenteil.<br />

Der Tourismus gehört zur Exportindustrie.<br />

<strong>Die</strong> Interessen der Exportindustrie<br />

sind nicht die gleichen wie die Interessen


9<br />

der Bauern, der Grossbanken und der<br />

Basler Chemie. In Bundesbern geben die<br />

Bauern, die Banken und die Chemie den<br />

Ton an. Unsere eigenen Funktionäre beten<br />

deren Sprüche nach.<br />

<strong>Die</strong> Frage stellt sich: Wie lange schauen<br />

wir diesem wirtschaftsfeindlichen Treiben<br />

noch tatenlos zu? Wie lange lassen wir<br />

uns von den anderen an der Nase herumführen?<br />

* Peter Bodenmann (59) sass von 1987<br />

bis 1997 <strong>für</strong> die SP des Kantons Wallis im<br />

Nationalrat. Von 1990 bis 1997 präsidierte<br />

er die Sozialdemokratische Partei der<br />

Schweiz. Nach seinem Ausstieg aus der<br />

Politik hat er in Brig ein eigenes Hotel-<br />

Unternehmen (Good Night Inn) aufgebaut.<br />

Seit bald zehn Jahren tritt er in der<br />

Öffentlichkeit als Verfasser von pointierten<br />

Kolumnen, beispielsweise im «Sonntagsblick»<br />

und in der «Weltwoche» auf.<br />

Von Stefan Bachofen<br />

Peter Bodenmanns Drei-Sterne-Hotel<br />

Good Night Inn in der Altstadt von Brig<br />

bietet in 167 Zimmern Platz <strong>für</strong> fast<br />

300 Gäste.<br />

Gastautoren als Vergleichspersönlichkeiten<br />

<strong>Die</strong> eigene <strong>Unternehmertum</strong>-Philosophie zum Vergleich stellen, nicht als Lehrmeinung,<br />

sondern als Beispiel <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong> <strong>Unternehmertum</strong>. So lautet ein zentraler,<br />

von Dr. h. c. Walter Reist akzentuierter Unternehmensgrundsatz. <strong>Die</strong> Teilnehmenden<br />

der zahlreichen Gesprächs- und Bildungsveranstaltungen auf <strong>Lilienberg</strong><br />

stehen auf Augenhöhe mit ausgewiesenen Persönlichkeiten, leiten aus dem Erfahrungsaustausch<br />

ihre persönlichen Meinungen ab, um später die vielfältigen Herausforderungen<br />

im eigenen Unternehmen zu meistern. Seit einiger Zeit stellt sich<br />

auch in der <strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong> eine Unternehmerpersönlichkeit zum Vergleich.<br />

Zuletzt taten dies Dr. Remi-Felix Notter, Mitbegründer der Neuen Privat Bank AG<br />

(NPB) in Zürich (Ausgabe Nr. 23), und Dr. Günter Heuberger, Geschäftsführer der<br />

Top-Medien in Winterthur (Ausgabe Nr. 24). Für die vorliegende aktuelle Ausgabe<br />

konnte die Redaktion der «<strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong>» den ehemaligen Walliser<br />

SP-Nationalrat und heutigen Hotel-Unternehmer Peter Bodenmann als Gastautor<br />

gewinnen. Wie alle bisherigen Autoren formuliert auch Peter Bodenmann Gedanken<br />

zu aktuellen Themen und vertritt dabei seine persönliche Meinung <strong>–</strong> in der<br />

Hoffnung, dass andere Unternehmerinnen und Unternehmer seine Erkenntnisse<br />

im unternehmerischen Wirken in den Vergleich zu den eigenen Standpunkten<br />

bringen mögen.


10<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

Der oberste Repräsentant der Benedikti-<br />

ner, Abtprimas Dr. Notker Wolf, vermit-<br />

telte auf <strong>Lilienberg</strong> Leitgedanken zum<br />

wirksamen Fortbestehen in einer mit<br />

stets schwieriger werdenden Fragestellungen<br />

behafteten und vernetzten Welt.<br />

Er tat dies ausgehend von seiner föderalen<br />

Ordenskongregation und seinen<br />

weltweiten Erfahrungen.<br />

Gesprächsleiter Professor Dr. Dres h. c.<br />

Bernd Rüthers wies zum Auftakt des<br />

64. <strong>Lilienberg</strong> Forums vom 15. März darauf<br />

hin, dass der Benediktinerorden nicht<br />

nur die Religions- und Geistesgeschichte,<br />

sondern ebenso die Kunst-, Sozial- und<br />

Wirtschaftsgeschichte Europas und der<br />

Welt beeinflusst hat. Dem <strong>Lilienberg</strong> gegenüber<br />

liegenden Kloster Reichenau<br />

kam hierbei <strong>für</strong> den nordeuropäischen<br />

Kulturraum eine Schlüsselbedeutung zu.<br />

<strong>Die</strong> Regel von Benedikt von Nursia<br />

(480 <strong>–</strong> 547) ist älter als die Verfassungen<br />

dieser Welt. Was hat sie uns im 21. Jahrhundert<br />

noch zu sagen?<br />

BEGEGNUNG<br />

Abtprimas Dr. Notker Wolf formulierte<br />

fundamentale Wertehaltungen zur Bewältigung<br />

unserer Zukunft<br />

Weltweit 8000 Benediktinermönche<br />

<strong>Die</strong> Benediktiner sind der älteste Orden der Christenheit. Weltweit gibt es heute<br />

etwa 8000 Benediktinermönche, die 341 selbstständigen Mönchsklöstern angehören.<br />

Zudem gibt es 840 Frauenklöster mit heute 16 000 Nonnen. Das Wirken<br />

ist nicht auf Europa beschränkt. Bereits im 17. Jahrhundert entstanden Klöster<br />

in Brasilien, im 19. Jahrhundert kamen Gründungen in vielen Erdteilen hinzu. In<br />

Afrika und Asien nimmt die Anzahl der Klöster und deren Mitglieder auch heute<br />

ständig zu.<br />

Katastrophen fordern solidarisches<br />

Denken und Handeln<br />

Abtprimas Dr. Notker Wolf stellte vorerst<br />

die Frage in den Mittelpunkt, welche<br />

Wertehaltungen zur Zukunftsbewältigung<br />

und zur gedeihlichen Fortentwicklung<br />

der Menschheit als fundamental zu<br />

bezeichnen sind. Um eine Antwort zu<br />

finden, sei wohl vorerst eine umfassende,<br />

konzis erarbeitete Zukunftsanalyse erforderlich.<br />

Eine solcherart massgebende<br />

Analyse liege nicht vor. «<strong>Die</strong> Vorkommnisse<br />

der vergangenen Tage haben mir<br />

das <strong>für</strong> heute vorbereitete Referat geradezu<br />

aus der Hand geschlagen», so der<br />

Abtprimas. <strong>Die</strong> jüngsten verheerenden<br />

Ereignisse in den nordafrikanischen Staaten,<br />

der Tsunami in Japan und die dortigen<br />

Schäden an Atomkraftwerken<br />

verdeutlichten die Begrenzung unserer<br />

Fähigkeiten zur Vorhersage und zu<br />

zeitgerechtem angemessenem Handeln,<br />

dies trotz gewaltiger technischer Fortschritte<br />

der letzten Jahrzehnte und trotz<br />

eines immensen Wissensstandes. «<strong>Die</strong><br />

Geschehnisse fordern von uns weltum-


11<br />

spannt solidarisches Denken und Handeln.<br />

Auch die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

mit ihren fatalen Folgen <strong>für</strong> die<br />

Weltgemeinschaft fordert neue Mechanismen<br />

und Verhaltensweisen.»<br />

Spontan würden wir uns Menschen in<br />

der Rangreihenfolge der Wertehaltungen<br />

wohl die Freiheit an erste Stelle setzen,<br />

ausgehend von Menschenwürde und<br />

einhergehend mit Sicherheit, sagte der<br />

Abtprimas. «Freiheit schliesst Werte wie<br />

eigene Meinungsbildung und Gedankenäusserung<br />

in sich, dies auch als Voraussetzung<br />

zu konstruktiven Dialogen.<br />

Lösungen <strong>–</strong> im Kleinen und im Grossen <strong>–</strong><br />

sollen also nicht von oben aufoktroyiert,<br />

sondern im Erfahren der Bedürfnisse der<br />

Betroffenen entwickelt werden. Ein<br />

Wohlbefinden der Menschen <strong>–</strong> in globaler<br />

Ausrichtung <strong>–</strong> zählt zu unseren ersten<br />

Zielsetzungen.» <strong>Die</strong>s setze praktizierte<br />

Solidarität voraus. Unterstützung, bis hin<br />

zu den Rettungspaketen (etwa auch am<br />

Beispiel des «Euro-Rettungsschirmes»<br />

erkennbar), reflektiere die Erkenntnis<br />

staatenübergreifender und weltweit gegenseitiger<br />

Abhängigkeit. Hilfe gebiete<br />

zumeist das Gebot zu weiter gehender<br />

Selbsthilfe, dies gelte gerade auch <strong>für</strong><br />

Entwicklungsländer. Echte Hilfe verdeut-<br />

liche sich im Überwinden konventioneller<br />

Ab- und Ausgrenzungen, auch kulturoder<br />

religionsbezogen.<br />

Freiheit basiert auf<br />

Eigenverantwortung<br />

«<strong>Die</strong> Natur besitzt ihre eigenen Regelkreise»,<br />

betonte Dr. Notker Wolf. <strong>Die</strong><br />

Menschen könnten diese nicht verändern.<br />

Ein egoistisches Einwirken auf die<br />

Regeln der Natur zeitige <strong>für</strong> unsere Entwicklung<br />

schädigende Folgen. «Schon<br />

am Beispiel unseres Verhaltens gegenüber<br />

Ökologie, Ressourcen und Umwelt<br />

erkennen wir die Notwendigkeit eines<br />

abgestimmten Einhergehens von Freiheit<br />

und Verantwortung.» <strong>Die</strong>se gegenseitige<br />

Abhängigkeit sei in allen Lebensbelangen<br />

<strong>–</strong> somit privat, gesellschaftlich, politisch,<br />

wirtschaftlich (unternehmerisch), insbesondere<br />

auch im Bereich der Bildung und<br />

damit bezogen auf Forschung und Entwicklung<br />

<strong>–</strong> zu bedenken und im Alltag<br />

wahrzunehmen. Freiheit fusst primär auf<br />

Eigenverantwortung. <strong>Die</strong>se könne und<br />

müsse auch in Einschränkung und Selbstbeschränkung<br />

Widerhall finden. <strong>Die</strong>s zum<br />

eigenen Wohl und zum Nutzen der Gesellschaft.<br />

Gesetze folgten vorerst dort,<br />

wo Freiheit missbraucht wird. Notker<br />

Wolf: «Der Grad eines menschenwürdi-<br />

gen Verhaltens kann zuweilen auch an<br />

der Höhe beanspruchter Boni oder an<br />

den Arten anderer Bevorteilungen erkannt<br />

werden. Des Öftern wäre wohl<br />

Begriffen wie Einschränkung auch die<br />

Disziplin der Selbstbeherrschung hinzuzufügen.»<br />

Nicht nur <strong>für</strong> sich, sondern auch<br />

<strong>für</strong> die Mitmenschen da sein<br />

<strong>Die</strong> erwünschten Lebensinhalte, somit<br />

Wertehaltungen, können laut dem Abtprimas<br />

<strong>für</strong> die Menschen, <strong>für</strong> Familien,<br />

<strong>für</strong> Gemeinschaften oder gar <strong>für</strong> Staaten<br />

Der oberste Repräsentant der Bene-<br />

diktiner, Abtprimas Dr. Notker Wolf,<br />

war Mitte März Gast des 64. <strong>Lilienberg</strong><br />

Forums.


12<br />

nicht als allgemein gültig vorgegeben<br />

werden. Vielmehr stünden Wertehaltungen<br />

in Abhängigkeit individuell bestimmter<br />

Lebensweisen und Lebensabsichten.<br />

Wegleitend hierbei sei die Erkenntnis,<br />

dass der Mensch sein Wohlbefinden nicht<br />

(nur) im Ausmass seines materiellen Eigentums<br />

und dessen Zuwachses findet.<br />

«Wertehaltungen können sich auch in<br />

anderen Bereichen manifestieren. Der<br />

Zeitachse des Lebens entlang können sie<br />

mutieren und sich zugunsten des unmittelbaren<br />

Lebens <strong>–</strong> oft gar des Überlebens<br />

<strong>–</strong> in den Prioritäten stark verschieben.»<br />

Dem christlichen Bekenntnis folgend stehe<br />

im Zentrum der Wertehaltungen stets<br />

auch der Gedanke des <strong>Die</strong>nens am Nächsten,<br />

somit nicht nur das Dasein <strong>für</strong> sich,<br />

sozusagen als «Single», sondern auch das<br />

Dasein <strong>für</strong> die Mitmenschen. <strong>Die</strong>sen<br />

Grundgedanken folgend ergebe sich zur<br />

Auswahl und zur Festlegung der individuellen<br />

Wertehaltungen eine Vielzahl von<br />

Überlegungsgrössen. Stellvertretend hierzu<br />

seien hier einige davon festgehalten:<br />

• Familie: Gross- oder Kleinfamilie, Familienplanung.<br />

Ehegatte / Ehegattin: Eintritt,<br />

Austritt und / oder Wiedereintritt ins Berufsleben.<br />

Betreuung der Kinder bei beidseitiger<br />

Berufstätigkeit. Aufnahme der<br />

Grosseltern bei sich zu Hause: generationenübergreifendes<br />

Zusammenleben.<br />

• Beruf und Nebenberuf: Berufliche Ausrichtung<br />

und Positionierung, Sozialkompetenz,<br />

nebenberufliche Tätigkeiten:<br />

Mitwirken in Vereinen, Politik, Institutionen<br />

und Interessengemeinschaften, Gemeinnütziges<br />

Engagement (Freiwilligenarbeit).<br />

• Arbeit, Freizeit, Sport: Tages-Rhythmus,<br />

Ausgewogenheit.<br />

• Bildung und Erziehung: Den Kindern<br />

und Jugendlichen genügend Freiheit lassen,<br />

auch zur Förderung ihrer <strong>für</strong> die Zukunftsgestaltung<br />

notwendigen Kreativität.<br />

(Anmerkung von Notker Wolf: «Was<br />

dann schliesslich auch den Arbeitgebern,<br />

somit den Unternehmungen, zugutekommt<br />

und diese im Wettbewerb stärkt.»)<br />

• Eigener, persönlicher Wert: Gespür <strong>für</strong><br />

eigenen Wert entwickeln. Seine Persönlichkeit<br />

nicht unter eigenem Wert offenlegen<br />

(auch als Kriterium <strong>für</strong> Facebook-<br />

Engagement und dergleichen relevant).<br />

• Medien: Angemessenes Verhalten als<br />

Informationsrezipient sowie als Informa-<br />

tionslieferant Nutzung der Kommunika-<br />

tionssysteme: Selektion, auch bezüglich<br />

Inhalt.<br />

• Persönliche Beziehungspflege: Auswahl,<br />

Frequenz der Kontakte und Begegnungen,<br />

Gegenpool zu «Nur-IT-Kontakten».<br />

• Kultur, Musik: Erweitere Quellen zur Lebensgestaltung.<br />

(Anmerkung von Notker<br />

Wolf: «Wir sind wohl Konsumenten, wir<br />

sollten in diesen Bereichen aber auch persönlich<br />

wieder zu Produzenten werden.»)<br />

• Endlichkeit: Akzeptanz, auch im Hinblick<br />

auf das eigene Sterben, Vertrauen<br />

und Hoffnung im christlichen Glauben<br />

verankert.<br />

• Krankheit, Gebrechen, Behinderungen:<br />

Einstellung, bezogen auf sich selbst<br />

und auf andere: Damit leben und sich<br />

damit gar fortentwickeln. Sich mittels<br />

Begleitung und in Gemeinschaft stärken.<br />

• Gewalt und Verbrechen: Erkennen und<br />

Vermeiden von Ursachen, eigenes Wirken<br />

zur Verhinderung.<br />

• Armut, bei Selbstbetroffenheit: Auch<br />

als Quelle zur Stärkung, zu Durchhaltevermögen<br />

erkennen, anderen gegenüber<br />

Hilfe leisten.<br />

• Konsum, privat und generell: Mass<br />

halten.


13<br />

Benediktinerregel<br />

«Keiner achte auf das eigene<br />

Wohl, sondern mehr auf das des<br />

anderen.»<br />

Was den «reifen Menschen»<br />

auszeichnet<br />

Im Verlauf des Forums stellte der Abtprimas<br />

die Frage in den Raum: «Wer ist<br />

eigentlich ein reifer Mensch?» Seine ersten,<br />

wegweisenden Gedanken hierzu: Ein<br />

reifer Mensch ist wohl meist jener, der<br />

Erschwernisse durchzustehen vermag,<br />

ver meintlich Untragbares zu tragen ver-<br />

sucht und zugunsten der Mitmenschen<br />

schliesslich gar zu tragen sich befähigt.<br />

«Solche Menschen nehmen Abstand vom<br />

Mainstream. Sie bringen den Mitmenschen<br />

ungeachtet von Herkunft und Couleur<br />

Respekt entgegen, sie gehen zu ihnen<br />

nicht auf Distanz und verurteilen sie nicht<br />

von vornherein, vielmehr trachten sie darnach,<br />

mit ihnen ins Gespräch zu kommen,<br />

ihre Meinungen zu erfahren, diese abzuwägen,<br />

zu Konsens-Lösungen zu gelangen.<br />

Jeder Mensch ist von Gott als Individuum,<br />

somit als einzigartig, mit seinen<br />

Stärken und Schwächen, geschaffen.»<br />

Abtprimas Dr. Notker Wolf (Mitte) zusammen mit Moderator Prof. Dr. Dres h. c. Bernd<br />

Rüthers (links) und Christoph Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong> der Stiftung<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum.<br />

Es gelte, die jeweilige andere Art des<br />

Mitmenschen zu schätzen und anzuerkennen.<br />

«Jeder soll sich seiner Art und<br />

Begabung entsprechend entfalten können.<br />

Es gilt, jedem Mitmenschen Chancen<br />

einzuräumen und die unterschiedlichen<br />

Fähigkeiten im Gemeinschaftssinn<br />

zu nutzen. Hierbei sind Offenheit und<br />

Transparenz sowie der Wille zu gemeinsamem<br />

Tun und Lassen Grundvoraussetzungen.<br />

Der reife Mensch kann Bescheidenheit<br />

sein Eigen nennen, und er kann<br />

Demut zeigen.» Und Notker Wolf erinnerte<br />

an die hohe Verantwortung des<br />

Unternehmers in der Gesellschaft: «Den<br />

Unternehmerinnen und Unternehmern<br />

kommt die hehre Aufgabe zu, <strong>für</strong> die<br />

Menschen Arbeit zu schaffen, damit sie<br />

sich im Leben entfalten können.»<br />

Der Mensch als Persönlichkeit<br />

mit Vorbildfunktion<br />

Der Mensch soll <strong>–</strong> dies als umfassende<br />

Wertehaltung <strong>–</strong> zu einer Persönlichkeit<br />

mit Vorbildcharakter heranwachsen können<br />

<strong>–</strong> und wollen. Der christliche Glaube<br />

vermag es, hierbei zu helfen. <strong>Die</strong> Regel,<br />

sozusagen das Statut des heiligen Benedikt,<br />

bietet zur Zukunftsbewältigung gesellschaftlich,<br />

wirtschaftlich und politisch,<br />

sowohl im nationalen wie im internationalen<br />

/ globalen Kontext <strong>–</strong> bedeutende<br />

Orientierungshilfen.


14<br />

«Prüfen, ob unser Tun den<br />

Wertehaltungen entspricht»<br />

Christoph Vollenweider, Leiter <strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Unternehmertum</strong>, bedankte sich bei Abtprimas<br />

Dr. Notker Wolf <strong>für</strong> das Aufzeigen<br />

seines Weltbildes und <strong>für</strong> den Einblick in<br />

die von ihm erkannten, sich auf die Regel<br />

des heiligen Benedikt beziehenden Wertehaltungen:<br />

«Wir haben uns im unternehmerischen<br />

Wirken stets daran zu erin-<br />

nern, unsere Leitgedanken mit menschli-<br />

chem, sachlichen und wirtschaftlichem<br />

Bezug tiefgehend zu hinterfragen, über<br />

die geplanten Aktivitäten jeweils nochmals<br />

nachzudenken und zu prüfen, ob wir<br />

bezüglich der vorrangigen Wertehaltungen<br />

wie Freiheit, Verantwortung, Solidarität<br />

richtig liegen. <strong>Die</strong>s stets auch mit Blick<br />

auf unsere nachhaltig zu prägende Unternehmenskultur<br />

und Unternehmensethik.»<br />

Rositha Noebel, Bereichsleiterin Begegnung und Gespräch bei der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum, Aron Moser, Leiter Unternehmerforum, (links) und Wilhelm<br />

Knecht, Mitglied des <strong>Lilienberg</strong>rates, (Zweiter von rechts) begleiten Abtprimas<br />

Dr. Notker Wolf auf dem Gang ins <strong>Lilienberg</strong> Zentrum.<br />

64. <strong>Lilienberg</strong> Forum vom 15. März 2011,<br />

«Wertehaltungen zur Zukunftsbewältigung»,<br />

mit Dr. Notker Wolf, Abtprimas<br />

der benediktinischen Konföderation;<br />

Gastgeberin: Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum,<br />

vertreten durch Christoph<br />

Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong>;<br />

Moderation: Prof. Dr. Dres h. c. Bernd<br />

Rüthers.


15<br />

Von Stefan Bachofen<br />

Kammermusik ist ihre grosse Leiden-<br />

schaft: Seit einigen Jahren spielen die<br />

Cellistin Anita Leuzinger und der Pianist<br />

Anton Kernjak regelmässig zusammen<br />

im Duo. Anfang März boten die zwei<br />

Künstler im <strong>Lilienberg</strong> Zentrum eine beeindruckende<br />

Kostprobe ihres Könnens,<br />

Anita Leuzinger auf einem ehrwürdigen<br />

Instrument, einer «Stradivari» aus dem<br />

17. Jahrhundert.<br />

Beide treten regelmässig in der Tonhalle<br />

Zürich auf: Anita Leuzinger ist seit 2005<br />

Solocellistin im Orchester, Anton Kernjak<br />

erhält immer wieder Anfragen als Kammermusiker<br />

am Klavier. Und beide gewannen<br />

in ihrer noch jungen Musikerkarriere<br />

zahlreiche bedeutende Auszeichnungen.<br />

<strong>Die</strong> Zürcherin Anita Leuzinger<br />

sicherte sich den ersten Preis des hochrenommierten<br />

Naumburg International<br />

Violoncello Competition in New York, der<br />

Österreicher Anton Kernjak war beim internationalenJohannes-Brahms-Klavierwettbewerb<br />

in Pörtschach erfolgreich.<br />

Am vergangenen 8. März folgten die<br />

beiden Künstler, die trotz ihres jugendli-<br />

BEGEGNUNG<br />

Kammermusikalischer<br />

Hörgenuss der Extraklasse<br />

chen Alters bereits auf eine international<br />

intensive Konzerttätigkeit zurückblicken<br />

können, der Einladung von Rezital-Gastgeberin<br />

Susanne Rau-Reist und machten<br />

halt auf <strong>Lilienberg</strong>. «Erstmals überhaupt<br />

übernimmt eine Frau an einem Rezital<br />

den Part am Cello <strong>–</strong> passend zum heutigen<br />

Internationalen Tag der Frau», sagte<br />

Susanne Rau einleitend.<br />

<strong>Die</strong> geladenen Gäste kamen in den Genuss<br />

eines hochstehenden Konzerts mit<br />

einem anspruchsvollen Programm. Zur<br />

Aufführung gelangten Werke des<br />

Deutschschweizer Komponisten Hans<br />

Huber sowie von Camille Saint-Saëns und<br />

<strong>–</strong> wie schon an den drei vorangegangenen<br />

Rezitals <strong>–</strong> von Robert Schumann.<br />

Saint-Saëns und Schumann sind Komponisten,<br />

die im 19. Jahrhundert zur Welt<br />

kamen und deren Kompositionen der<br />

Romantik zuzuordnen sind.<br />

Krankheit löste bei Debussy<br />

Schaffenswut aus<br />

Zu Beginn des von Eva Oertle-Zippelius<br />

moderierten Frühlingsrezitals aber interpretierten<br />

Anita Leuzinger und Anton<br />

Kernjak die Sonate <strong>für</strong> Violoncello und<br />

Klavier von Claude Debussy. Debussy,<br />

Meister der Klangfarben, ist ein französischer<br />

Komponist des Impressionismus.<br />

Seine Musik gilt als Bindeglied zwischen<br />

Romantik und Moderne. <strong>Die</strong> Cellosonate<br />

ist eines der späten Werke von Debussy,<br />

das er 1915 schrieb, zu einem Zeitpunkt,<br />

als er bereits unheilbar an einer Krebserkrankung<br />

litt. Es war offensichtlich die<br />

schwere Krankheit, die bei Debussy eine<br />

Art Schaffenswut auslöste, in der er vier<br />

bedeutende Werke in nur gerade vier<br />

Monaten schuf, darunter diese Sonate in<br />

d-Moll. Musikexperten betrachten die<br />

Sonate als Bekenntnis eines vom Tode<br />

gezeichneten Komponisten zu seinem<br />

Schicksal. Im Gegensatz zu vielen anderen<br />

Cellosonaten dieser Zeit dominiert<br />

hier nicht das Tasten-, sondern das Saiteninstrument.


Anita Leuzinger und Anton Kernjak bewiesen sich trotz ihres jugendlichen Alters<br />

als perfekt aufeinander eingespieltes Musikerpaar.<br />

Erinnerungen an Beethoven-Werke<br />

Camille Saint-Saëns erlangte vor allem<br />

durch seine «grosse zoologische Fantasie»,<br />

«Karneval der Tiere», und die Oper<br />

«Samson und Dalila» weltweite Bekanntheit.<br />

Mutter und Grosstante förderten<br />

sehr früh sein musikalisches Talent. Als<br />

Sechsjähriger schrieb das «Wunderkind<br />

aus Frankreich» erste Kompositionen, als<br />

Elfjähriger gab er erstmals ein öffentliches<br />

Konzert. Mit 16 war er bereits Student<br />

an der Universität in Paris, und ein Jahr<br />

später verfasste er die erste Sinfonie. <strong>Die</strong><br />

Liste von Saint-Saëns’ Werken ist umfangreich.<br />

Zu seinen bekannten Kompositionen<br />

zählen zwei Cellosonaten <strong>für</strong> Violoncello<br />

und Klavier; die erste, jene in c -Moll<br />

mit den Sätzen «Allegro», «Andante<br />

tranquillo sostenuto» und <strong>–</strong> als wahres<br />

musikalisches Feuerwerk <strong>–</strong> «Allegro moderato»,<br />

nahmen Anita Leuzinger und<br />

Anton Kernjak ins <strong>Lilienberg</strong> Rezital-<br />

Programm auf. Durch seine packende<br />

Dynamik erinnert das Werk stark an Beethoven.<br />

Der zweite, choralartige Satz erinnert<br />

an die volkstümliche Vertonung<br />

des Gedichtes «Der Mond ist aufgegangen».<br />

Das Finale steigert die bereits vorhandene<br />

Leidenschaft des ersten Satzes<br />

nochmals <strong>–</strong> ungestüm drängend und<br />

hochvirtuos.<br />

Romanzen des Schweizers<br />

Hans Huber<br />

Hans Huber, <strong>für</strong> viele Rezital-Teilnehmer<br />

ein wohl eher unbeschriebenes Blatt, gehörte<br />

zur Wende zum 20. Jahrhundert<br />

zusammen mit Hermann Suter zu den<br />

bedeutendsten Komponisten und Musikpädagogen<br />

der Deutschschweiz. Schon<br />

früh bewies er Talent am Klavier. Im Alter<br />

von 18 Jahren begann er sein Studium<br />

am Konservatorium Leipzig. Ein Jahr spä-<br />

ter schrieb er die zwei Romanzen <strong>für</strong><br />

Violoncello und Klavier in As-Dur und<br />

Es-Dur, die das <strong>Lilienberg</strong> Publikum ge-<br />

niessen durfte. Huber leitete unter ande-<br />

rem die Allgemeine Musikschule in Basel,<br />

und er war an der Gründung des Basler<br />

Konservatoriums beteiligt. Mit dem Ehrendoktortitel<br />

der Universität Basel ausgezeichnet,<br />

amtete er auch als Direktor<br />

des Konservatoriums. Hubers kammermusikalische<br />

Arbeiten sind geprägt von<br />

den starken Einflüssen von Brahms und<br />

seines Vorbildes Schumann. Er schrieb<br />

ausserdem unter anderem fünf Opern,<br />

neun Sinfonien, vier Klavierkonzerte, ein<br />

Violinkonzert, Lieder und Chorwerke.<br />

Musikerpaar harmonierte perfekt<br />

Als kammermusikalischer Leckerbissen<br />

schlechthin gilt die fast 20 Minuten dau-


17<br />

ernde, dreisätzige Sonate <strong>für</strong> Violine und<br />

Klavier Nr. 1 in e-Moll von Robert Schumann<br />

<strong>–</strong> «ein elegisch leidenschaftliches<br />

Werk», wie Moderatorin Eva Oertle-Zippelius<br />

betonte. Auch wenn die Sonate<br />

dem Komponisten selber offenbar nicht<br />

gefallen hat und Schumann deshalb kurz<br />

darauf in Düsseldorf eine zweite Sonate<br />

aufs Papier brachte, «die hoffentlich<br />

besser geraten ist». Von Schumann ursprünglich<br />

<strong>für</strong> Violine und Klavier komponiert,<br />

schrieb Anita Leuzinger die<br />

Sonate <strong>für</strong> Cello um. <strong>Die</strong> Komposition<br />

prägt den vielfach unterschätzten Spätstil<br />

Schumanns exemplarisch. Dass die Sonate<br />

auch <strong>für</strong> Cello ein Hörgenuss ist, bewies<br />

das herrlich aufeinander eingespielte<br />

Musikerpaar. Jugendfrisch zauberte<br />

Anita Leuzinger die warmen Klänge aus<br />

ihrem über 300-jährigen Instrument des<br />

italienischen Geigenbaumeisters Antonio<br />

Stradivari, und Anton Kernjak spielte am<br />

Klavier vielschichtig. <strong>Die</strong> Zwiesprache mit<br />

dem Cello war ein Zeugnis tiefsinniger<br />

Ausschöpfung der Werke. <strong>Die</strong> Begeisterung<br />

der gut 120 Zuhörerinnen und Zuhörer<br />

entlud sich nach der Schumann-<br />

Aufführung in einem lang anhaltenden<br />

Applaus, den die beiden Künstler mit einer<br />

Zugabe quittierten.<br />

GESPRÄCH<br />

Von Wilhelm Knecht<br />

ob Post oder KMU:<br />

Auf Verwaltungsratsstufe<br />

ist unternehmerische Erfahrung<br />

wichtiger als Fachkompetenz<br />

<strong>Die</strong> Verwaltungsräte eines Grossunternehmens<br />

und eines KMU-Familienunternehmens<br />

haben zwar die gleichen<br />

Aufgaben. In der Praxis sind sie aber mit<br />

unterschiedlichen Fragestellungen konfrontiert.<br />

Am <strong>Lilienberg</strong> Gespräch vom<br />

3. März begegneten sich Dr. Peter Hasler,<br />

Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen<br />

Post, und <strong>Die</strong>trich Pestalozzi,<br />

Alleininhaber der Pestalozzi-Gruppe. <strong>Die</strong><br />

Denkanstösse zu den Führungsprinzipien<br />

bei einem öffentlich-rechtlichen Grossunternehmen<br />

einerseits und einem Familienunternehmen<br />

andererseits waren<br />

vielfältig.<br />

<strong>Die</strong>trich Pestalozzi, der den Anlass moderierte,<br />

legte einleitend klar, dass immer<br />

jene Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat<br />

eines Unternehmens gewählt werden<br />

müssten, die den grössten nachhaltigen<br />

Erfolg <strong>für</strong> das betreffende Unternehmen<br />

garantierten. Egal, ob es sich um ein<br />

Gross- oder ein Kleinunternehmen handle.<br />

«<strong>Die</strong>s gilt insbesondere bei der Wahl des<br />

jeweiligen Präsidenten des Verwaltungsrates.»<br />

Kundenbedürfnisse erfüllen und<br />

sozialverantwortlich handeln<br />

Für den Verwaltungsrat der Schweizerischen<br />

Post sei die Umsetzung der Geschäftsstrategie<br />

eine zentrale Herausforderung,<br />

berichtete daraufhin Peter Hasler.<br />

«Wir wollen <strong>für</strong> die Eidgenossenschaft als<br />

Eigentümerin einen finanziellen Mehrwert<br />

und <strong>für</strong> die Post eine tragfähige Eigenkapitalbasis<br />

generieren. Wenn wir die<br />

Bedürfnisse der Kunden optimal erfüllen,<br />

wollen wir gleichzeitig sozialverantwortlich<br />

handeln und auch die Interessen der<br />

Regionen berücksichtigen. Dabei wollen<br />

wir die natürlichen Ressourcen schonen.»<br />

<strong>Die</strong>se Ansprüche und Ziele seien nicht<br />

immer einfach miteinander zu verbinden.<br />

«Doch wir sind überzeugt, dass nur ein<br />

Unternehmen, das diese Balance schafft,<br />

langfristig erfolgreich ist.»


18<br />

Das Unternehmensprofil der Schweizerischen Post<br />

<strong>Die</strong> Schweizerische Post ist in vier Märkten tätig:<br />

• im Kommunikationsmarkt (Briefe, Zeitungen, Werbesendungen, Informationslösungen<br />

und Datenmanagement) in der Schweiz, grenzüberschreitend und international)<br />

• im Schweizer und im grenzüberschreitenden Logistikmarkt (Pakete, Expressangebote<br />

und Logistiklösungen)<br />

• im Schweizer Retailfinanzmarkt (Zahlen, Anlegen, Vorsorgen, Finanzieren)<br />

• im öffentlichen Personenverkehr (Regional-, Orts- und Agglomerationsverkehr,<br />

Systemmanagement) in der Schweiz und punktuell auch international<br />

<strong>Die</strong> Schweizerische Post ist in sieben Konzernbereiche eingeteilt: PostMail, Post-<br />

Logistics, PostFinance, PostAuto, Swiss Post International, Poststellen und Verkauf<br />

sowie Swiss Post Solutions.<br />

Der Betriebsertrag 2010 betrug rund 8,7 Milliarden Franken, dies bei 60 000 Beschäftigten,<br />

davon 6000 Mitarbeitenden im Ausland. Aus der Schweizer Post wird<br />

immer deutlicher ein international agierendes Unternehmen.<br />

Bundesrat wählt<br />

Post-Verwaltungsrat<br />

Der Verwaltungsrat der Schweizerischen<br />

Post, derzeit sind es neun Mitglieder, wird<br />

vom Bundesrat jeweils <strong>für</strong> eine Amtsperiode<br />

von vier Jahren gewählt. Der Bundesrat<br />

bestimmt den Verwaltungsratspräsidenten<br />

und nimmt bei der Besetzung<br />

des Gremiums auf eine angemessene<br />

Vertretung der Regionen, der unter-<br />

schiedlichen Kulturen und der Geschlechter<br />

Rücksicht. Nach dem Prinzip der Gewaltentrennung<br />

zwischen Verwaltungsrat<br />

und der Konzernleitung kommt dem<br />

Verwaltungsrat gemäss Postorganisationsgesetz<br />

neben der Kontroll- und Überwachungsfunktion<br />

in strategischen Belangen<br />

auch eine Steuerungsfunktion zu.<br />

Der Verwaltungsrat genehmigt die<br />

Grundsätze der Unternehmens- und<br />

Kommunikationspolitik, die Konzernstra-<br />

tegie samt strategischer Finanzplanung,<br />

das Preissystem zuhanden des Eidgenössischen<br />

Departements <strong>für</strong> Umwelt,<br />

Verkehr, Energie und Kommunikation<br />

(UVEK), die Rechnungsstellungsstandards,<br />

das Budget, die Berichterstattung<br />

zuhanden der Eidgenossenschaft als Eignerin<br />

und der Postregulierungsbehörde<br />

sowie grosse und strategische Projekte.<br />

Er wählt zudem die Mitglieder der Konzernleitung,<br />

genehmigt die Gesamtarbeitsverträge<br />

und die Löhne der Mitglieder<br />

der Konzernleitung.<br />

Strategie und Vision der Post<br />

Dem gesetzlichen Auftrag folgend<br />

hat die Schweizerische Post<br />

einen ausreichenden Universaldienst<br />

(Post- und Zahlungsverkehr)<br />

in allen Landesteilen nach gleichen<br />

Grundsätzen, in guter Qualität<br />

und zu angemessenen Preisen<br />

zu erbringen. Peter Hasler: «Wir<br />

bewegen Menschen, Güter, Geld<br />

und Informationen zuverlässig,<br />

wertsteigernd und nachhaltig <strong>–</strong><br />

mit Innovationen auf unseren vier<br />

Märkten.»


19<br />

Post passt sich veränderten<br />

Kundenbedürfnissen an<br />

«Der Bundesrat gibt der Post strategische<br />

Ziele vor», betonte Peter Hasler. «Als eine<br />

der Kernaufgaben des Verwaltungsrates<br />

betrachte ich, auch zur Strategieevaluation<br />

<strong>für</strong> den Bundesrat, eine konzis erarbeitete,<br />

umfassende Trendanalyse. <strong>Die</strong><br />

Post muss sich Veränderungen anpassen,<br />

seien sie gesellschaftlicher, wirtschaftlicher,<br />

technologischer oder politischer<br />

Natur. Wir bieten unsere <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

bereits heute physisch und elektronisch<br />

an. <strong>Die</strong> Post erwirtschaftet vier<br />

Fünftel ihres Umsatzes im freien Wettbewerb.<br />

Wir brauchen vom Parlament einen<br />

technologieunabhängigen Versorgungsauftrag<br />

und die nötige unternehmerische<br />

Freiheit.» Kein Verwaltungsratsmitglied<br />

könne <strong>für</strong> sich in Anspruch nehmen, alle<br />

zur Gesamtführung einer Unternehmung<br />

nötigen Fähigkeiten zu besitzen. «Bei der<br />

Auswahl der Verwaltungsratsmitglieder<br />

ist es demzufolge bedeutungsvoll, Persönlichkeiten<br />

mit unterschiedlichen Kernkompetenzen<br />

und mit komplementären<br />

Fähigkeiten zu gewinnen. Hierbei ist es<br />

wichtig, dass sich die einzelnen Mitglieder<br />

dem Aufbau und der Pflege unternehmensrelevanter<br />

Beziehungsfelder<br />

widmen.<br />

Peter Hasler hob noch zwei wesentliche<br />

Sonderaspekte hervor: Im Verwaltungsrat<br />

der Schweizerischen Post sind auch<br />

zwei Repräsentanten der Arbeitnehmenden<br />

vertreten. Eidgenössische Parlamentarier<br />

haben indessen im Verwaltungsrat<br />

keinen Einsitz. Politische und / oder regionale<br />

Vormachtstellungen werden derart<br />

ausgeschlossen.<br />

Peter Haslers beruflicher Werdegang<br />

Führungseigenschaften des<br />

Verwaltungsratspräsidenten<br />

Laut Peter Hasler sollen die Führung und<br />

die Zusammenarbeit innerhalb der Post<br />

respektvoll, fair und partnerschaftlich<br />

sein, und zwar auf allen Ebenen. Gefragt<br />

sei ausserdem offene und transparente<br />

Kommunikation. So steht es im Leitbild<br />

der Schweizerischen Post. <strong>Die</strong> Post handle<br />

nach dem Grundsatz: «Gemeinsam<br />

sind wir stark.»<br />

• 1982 bis 1993: Direktor des Arbeitgeberverbandes der Schweizerischen Maschinenindustrie<br />

(ASM)<br />

• 1993 bis 2006: Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes<br />

• Seit 2006: verschiedene Verwaltungsratsmandate, unter anderem Präsident der<br />

Reka Schweizer Reisekasse. Zudem Präsident des Spitalrates des Universitäts-<br />

Spitals Zürich<br />

• Januar 2010: Wahl zum Verwaltungsratspräsidenten der Schweizerischen Post


20<br />

Verwaltungsratspräsident<br />

ist kein Übermensch<br />

Zu den wesentlichen Merkmalen der Füh-<br />

rungseigenschaften eines Verwaltungs-<br />

ratspräsidenten zählt Peter Hasler:<br />

• Klare Strategieausrichtung<br />

• Konstruktive Zusammenarbeit und<br />

Kompetenzenregelung zwischen Verwaltungsrat<br />

und Konzernleitung<br />

• Gewichtung und Interessenwahrnehmung<br />

aller Anspruchsgruppen (Eigner<br />

beziehungsweise Aktionäre / Kunden /<br />

Lieferanten / Arbeitnehmende / Politik /<br />

Gesellschaft)<br />

• Gesamtheitlich durchdachte Antragsstellungen,<br />

abgestimmt mit der Konzernleitung<br />

(Vermeiden von Antragsrückweisungen<br />

durch den Verwaltungsrat<br />

und / oder Antragsrückzügen<br />

durch die Konzernleitung)<br />

• Ermöglichung harter, aber fair geführter<br />

Auseinandersetzungen<br />

• Kreative und auf Innovation bedachte<br />

Gedankenbeiträge<br />

• Situativer Beizug der Bereichsverantwortlichen<br />

und / oder externer Experten,<br />

auch bei den Verwaltungsratssitzungen,<br />

dies zum Zwecke einer fundierten<br />

Meinungsbildung<br />

• Ausgewogenheit in der Entschlussfassung<br />

• Vertrauensbildung<br />

• Förderung des Teamgeistes innerhalb<br />

des Gesamtgremiums<br />

Peter Hasler hob hervor, dass man von<br />

der jeweiligen Persönlichkeit, die das<br />

Präsidium des Verwaltungsrates innehat,<br />

nicht Übermenschliches erwarten dürfe.<br />

Er selber müsse nicht die besten Fachkenntnisse<br />

einbringen. Vielmehr habe er<br />

darauf zu achten, dass der Verwaltungsrat<br />

als Kollektiv zum grösstmöglichen<br />

Nutzenbeitrag befähigt sei und dass die<br />

zur Entschlussfassung notwendigen Kompetenzen<br />

eingebunden seien. Machtkämpfe<br />

innerhalb des Verwaltungsrates<br />

seien hierbei nicht gefragt. «Ich achte<br />

darauf, dass ich das ganze Team immer<br />

bei guter Laune halte. Hierzu bedarf es<br />

gerade bei hart geführten Debatten auch<br />

etwa zeitgerechte Pausen und da und dort<br />

einer Prise Humor. Für alle Persönlichkeiten,<br />

die mit Führungsaufgaben betraut<br />

sind, gilt zudem, dass sie eine Vorbildfunktion<br />

vorleben sollten.»<br />

Pestalozzi-Gruppe stellte sich<br />

zum Vergleich<br />

Pestalozzi ist ein unabhängiges, erfolgreiches<br />

Familienunternehmen, das von <strong>Die</strong>trich<br />

Pestalozzi, Präsident und Delegierter<br />

<strong>Die</strong> Schweizerische Post und ihre Mit-<br />

arbeitenden sind der Öffentlichkeit und<br />

den Medien viel stärker ausgesetzt …<br />

des Verwaltungsrates als Vertreter der<br />

achten Inhaber-Generation, geführt wird.<br />

<strong>Die</strong> lange Tradition war nur dank ständiger<br />

innovativer Weiterentwicklung der<br />

Marktleistung und mit kompetenten langjährigen<br />

Mitarbeitenden möglich.<br />

Werte wie Verantwortung, Engagement,<br />

Fairness, Ehrlichkeit und Kontinuität, die<br />

in der Unternehmenskultur fest verankert<br />

sind, unterstützen den Erfolg.


21<br />

Das Unternehmensprofil der Pestalozzi-Gruppe<br />

<strong>Die</strong> Unternehmen und die Geschäftsbereiche der Pestalozzi-Gruppe verstehen<br />

sich als führende Lösungsanbieter in ihren Branchen, dies als Handelspartner<br />

mit einem umfassenden Qualitätssortiment, mit Vorfertigungs-, Beratungs- und<br />

Serviceleistungen. Das Marktgebiet umfasst in der Regel die ganze Schweiz, auf<br />

verschiedensten Firmenstandorten basierend. <strong>Die</strong> Geschäftsbereiche umfassen<br />

Stahltechnik, Haustechnik, Gebäudehülle und Logistik. Pestalozzi hat sich in den<br />

Neunzigerjahren von einem traditionellen, vor allem regional tätigen Stahlhändler<br />

zu einem Spezialisten entwickelt. Der Gruppenumsatz lag im Jahre 2010 bei<br />

175 Millionen Franken, dies bei einem Personalbestand von 300 Mitarbeitenden.<br />

<strong>Die</strong>trich Pestalozzi erkannte in den Aus-<br />

sagen von Peter Hasler zu den Führungs-<br />

aufgaben und Wertehaltungen auf Stufe<br />

Verwaltungsrat <strong>–</strong> im Vergleich eines<br />

Grossunternehmens zu einem KMU-<br />

Betrieb <strong>–</strong> viele Übereinstimmungen. <strong>Die</strong><br />

Charakteristik eines Familienunternehmens<br />

reflektiert indessen naturgemäss<br />

Unterschiede. «Als Alleininhaber der Firmengruppe,<br />

als deren Präsident und Delegierter<br />

des Verwaltungsrates, zugleich<br />

auch als deren CEO verfüge ich über eine<br />

gewisse Machtfülle, jedoch gepaart mit<br />

hoher Verantwortung.»<br />

<strong>Die</strong> bestmögliche Auswahl der Mitglieder<br />

des Verwaltungsrates sei <strong>für</strong> ihn von enormer<br />

Bedeutung, sagte <strong>Die</strong>trich Pestalozzi.<br />

«Es müssen Persönlichkeiten sein, die<br />

weniger über ein spezifisches Fachwissen<br />

als vielmehr über weitestgehende unternehmerische<br />

Erfahrung verfügen.» Nebst<br />

seinem Sohn Matthias sitzen derzeit vier<br />

weitere Persönlichkeiten, unterschiedlichster<br />

Branchenherkunft, im Verwaltungsrat.<br />

«<strong>Die</strong>se sollen unabhängig, also<br />

nicht der Unternehmerfamilie verpflichtet<br />

sein.» Gefordert werden von ihnen Objektivität,<br />

faires Verhalten und eigene<br />

… als ein KMU-Familienunternehmen<br />

wie die Pestalozzi-Gruppe, die in den<br />

Geschäftsbereichen Stahl- und Haustechnik,<br />

Gebäudehülle und Logistik<br />

tätig ist.<br />

Beiträge zum nachhaltigen Erfolg der<br />

Pestalozzi-Unternehmensgruppe. «Sie<br />

sollen gegebenenfalls auch gegenüber<br />

mir, als Präsidenten des Verwaltungsrates,<br />

nicht mit Kritik zurückhalten und<br />

meine Zielsetzungen beziehungsweise<br />

Traktanden und Anträge tiefgehend hinterfragen.<br />

Sie sollen auch in Varianten<br />

denken, und wenn sie mich zwischendurch<br />

einmal loben, tut mir das auch<br />

gut!»<br />

«Eine herausfordernde und<br />

vielseitige Aufgabe»<br />

«<strong>Die</strong> Führung unseres bald<br />

250-jährigen Familienunternehmens<br />

ist eine herausfordernde,<br />

vielseitige und schöne Aufgabe.<br />

Dabei weiss ich, dass der Verwaltungsrat,<br />

das Führungsteam und<br />

die Mitarbeitenden sich gemeinsam<br />

<strong>für</strong> eine erfolgreiche Zukunft<br />

der Pestalozzi-Gruppe einsetzen.<br />

Sie ist unser gemeinsames Werk.»<br />

<strong>Die</strong>trich Pestalozzi


22<br />

Zu den vorrangigen Unterschieden im<br />

Vergleich mit dem Verwaltungsrat der<br />

Schweizerischen Post sagte <strong>Die</strong>trich Pestalozzi:<br />

«<strong>Die</strong>se liegen wohl in der unmittelbaren<br />

Entscheidungskompetenz, in der<br />

Kürze und Gradlinigkeit der <strong>Die</strong>nstwege,<br />

verbunden mit hoher Transparenz, bis hin<br />

zur operationellen Stufe. <strong>Die</strong>s setzt ein<br />

gutes Teamwork mit den Leitern der Geschäftsbereiche<br />

voraus. Ich vertrete deren<br />

Anträge in den Verwaltungsratssitzungen<br />

zwar selbst. In gewissen Fällen werden<br />

sie aber zur Behandlung der Geschäfte,<br />

die ihre Bereiche direkt betreffen,<br />

persönlich an die VR-Sitzungen eingeladen.<br />

Das Teamwork und die Beziehungsebenen<br />

werden auch durch ein Sich-<br />

Lösen vom Alltag, etwa in institutionalisierten,<br />

auswärts stattfindenden Klausurtagungen,<br />

gefördert und gefestigt.<br />

Eine besondere Tragweite erkennen wir<br />

bei personellen Neurekrutierungen. Hier<br />

geht es gerade bei Kaderleuten nebst<br />

dem fachlichen Ausweis vorerst um die<br />

Persönlichkeit als solche, um deren Charakter,<br />

um das gegenseitige Vertrauen,<br />

um Akzeptanz im Team und in unserer<br />

Unternehmerfamilie.» Im Übrigen stimmte<br />

<strong>Die</strong>trich Pestalozzi mit Peter Hasler in<br />

dessen Beurteilung überein: «Als Familienunternehmen<br />

sind wir der Öffentlichkeit,<br />

der Politik und den Medien weniger<br />

ausgesetzt als die Schweizerische Post.»<br />

108. <strong>Lilienberg</strong> Gespräch vom 3. März<br />

2011 mit Dr. Peter Hasler, Verwaltungsratspräsident<br />

der Schweizerischen Post.<br />

Gastgeberin: Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum,<br />

vertreten durch Christoph<br />

Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong>;<br />

Moderation: <strong>Die</strong>trich Pestalozzi (Aktionsfeld<br />

Unternehmenskultur & Unternehmensethik).<br />

Viele Parallelen bei den Führungsaufgaben und Wertehaltungen auf Stufe Verwaltungsrat:<br />

<strong>Die</strong>trich Pestalozzi, Alleininhaber der Pestalozzi-Gruppe (links) und Dr. Peter<br />

Hasler, Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Post.


23<br />

Von Michel Grunder<br />

«Familienunternehmen<br />

meistern Krisen besser»<br />

<strong>Die</strong> Weisbrod Zürrer AG wird bereits in<br />

der sechsten Generation geführt. Sie<br />

ist zwischenzeitlich 180 Jahre alt. Das<br />

traditionsreiche Unternehmen ist heute<br />

eine von insgesamt nur noch zwei Seidenwebereien<br />

in der Schweiz. Seine Firmengeschichte<br />

ist von Höhen und Tiefen<br />

geprägt. Von Krisen wurde Weisbrod<br />

Zürrer schon mehrmals erschüttert. Doch<br />

alle diese Krisen meisterte das Unternehmen<br />

souverän.<br />

<strong>Die</strong> Finanzmarktkrise hat auch in der Textilbranche<br />

tiefe Spuren hinterlassen. «Krisenresistent<br />

sind wir nicht», betonte Verwaltungsratspräsident<br />

Ronald Weisbrod<br />

am 12. Januar am dritten und letzten<br />

Kolloquium im Rahmen des Zyklus «<strong>Die</strong><br />

Wirkung der Unternehmenskultur verstärken<br />

<strong>–</strong> ganz praktisch». «Aber wir<br />

lernten, damit umzugehen. Wir agieren<br />

vorsichtig, verbrauchen Reserven nicht<br />

und behalten die Mittel im Unternehmen.»<br />

<strong>Die</strong> Seidenweberei setze auf langfristiges<br />

Denken statt auf kurzfristiges<br />

Handeln, so Ronald Weisbrod.<br />

GESPRÄCH<br />

Der Präsident zeigte sich davon überzeugt,<br />

dass Krisen in Unternehmen mit<br />

Familienkultur besser gemeistert werden.<br />

«Familienunternehmen berücksichtigen<br />

die Anliegen vielschichtiger Stakeholder<br />

und setzen nicht alles auf den Shareholder-Value.<br />

Das unternehmerische Handeln<br />

unterliegt dem Ziel, einen traditionsreichen<br />

Betrieb langfristig aufrechtzuerhalten.»<br />

Generationenwechsel vollzogen<br />

Im Wandel befindet sich die Weisbrod<br />

Zürrer AG aber nicht nur im Kontext von<br />

Krisen. Das Unternehmen hat vor einigen<br />

Jahren auch den Generationenwechsel<br />

vollzogen. Oliver Weisbrod amtet nach<br />

dem TopSharing-Modell zusammen mit<br />

seiner Frau Sabine als CEO.<br />

Dessen Eigenschaften sind über das Top-<br />

Sharing-Projekt hinaus in die gesamte<br />

Geschäftsleitung geflossen und prägen<br />

heute massgeblich die Unternehmenskultur<br />

der Weisbrod Zürrer AG.<br />

Ronald und Oliver Weisbrod (Mitte)<br />

diskutieren in der Pause mit Moderator<br />

<strong>Die</strong>trich Pestalozzi (rechts).<br />

Das TopSharing-Modell<br />

bedingt …<br />

• Toleranz, Vertrauen und gegenseitigen<br />

Respekt<br />

• Bereitschaft zu Feedback, Reflexion<br />

und Veränderung<br />

• hohe Kommunikationsfähigkeit<br />

• dass unterschiedliche, aber ergänzende<br />

Arbeitsstile aufeinander<br />

abgestimmt werden<br />

• Flexibilität im gesamten Team


Was hat sich im Zuge des Generationen-<br />

wechsels verändert? Das Kolloquium auf<br />

<strong>Lilienberg</strong> lieferte Antworten. Zum einen<br />

übernimmt die Geschäftsleitung noch<br />

akzentuierter Management-Funktionen.<br />

Zum anderen führten schrumpfende<br />

Strukturen zu einer Unterbesetzung des<br />

Managements, wodurch zunehmend<br />

operative Aufgaben durch die verbleibenden<br />

Führungskräfte erledigt werden. Und<br />

drittens haben sich im Kontext der Krise<br />

die Prioritäten und die Marktausrichtung<br />

generell verschoben.<br />

Neue Verantwortlichkeiten<br />

klar definieren<br />

Im Zentrum der Gruppendiskussion im<br />

Anschluss an die Referate von Vater und<br />

Sohn Weisbrod stand die Frage, wie sich<br />

der Senior, also Ronald Weisbrod, auf<br />

seine neue Rolle als «nur» noch Verwaltungsratspräsident<br />

einstimmen konnte.<br />

<strong>Die</strong> Zuhörer erhielten klare Antworten. Es<br />

sei unabdingbar, die eigenen Grenzen<br />

und Möglichkeiten zu kennen. Zudem sei<br />

emotionale Distanz wichtig. Neue Aufgaben<br />

und Verantwortlichkeiten müssten<br />

klar definiert werden. Es müsse zudem<br />

bei einem Generationenwechsel ganz<br />

generell die Frage geklärt werden, welche<br />

Rolle der Seniorchef eines Unternehmens<br />

künftig einnehmen wolle.<br />

<strong>Die</strong> Referenten und die Verantwortlichen des Aktionsfeldes Unternehmenskultur<br />

& Unternehmensethik vor der <strong>Lilienberg</strong> Aula (von links): Michel Grunder,<br />

Oliver Weisbrod, Ronald Weisbrod und <strong>Die</strong>trich Pestalozzi.<br />

TopSharing ist ein Projekt von Julia<br />

Kuark, JKK Consulting, zur Förderung<br />

eines partnerschaftlichen<br />

Führungsmodells. Das Projekt bietet<br />

Rahmen und Leitlinien zur praktischen<br />

Umsetzung von Jobsharing<br />

in Führungspositionen. Das Projekt<br />

wird vom Büro <strong>für</strong> Gleichstellung<br />

von Frau und Mann unterstützt.<br />

Zyklus «<strong>Die</strong> Wirkung der Unternehmenskultur<br />

verstärken <strong>–</strong> ganz praktisch»; <strong>Lilienberg</strong><br />

Kolloquium vom 12. Januar 2011,<br />

«Eine Krise dank einer starken Kultur als<br />

Familienunternehmen meistern <strong>–</strong> ganz<br />

praktisch», mit Ronald Weisbrod, Präsident<br />

des Verwaltungsrates Weisbrod<br />

Zürrer AG, Hausen, und Oliver Weisbrod,<br />

Mitinhaber und CEO Weisbrod Zürrer AG,<br />

Hausen; Moderation: <strong>Die</strong>trich Pestalozzi<br />

(Aktionsfeld Unternehmenskultur & Unternehmensethik).


25<br />

Abschluss des Zyklus<br />

Der Zyklus «<strong>Die</strong> Wirkung der Unternehmenskultur verstärken <strong>–</strong> ganz praktisch»<br />

des Aktionsfeldes Unternehmenskultur & Unternehmensethik geht am 19. April<br />

2011 mit einer Tagung und einem Ausserordentlichen Gespräch zu Ende. Das<br />

Thema des Anlasses lautet: «Durch Authentizität zu einer gelebten Unternehmenskultur».<br />

Referenten sind der Ökonom Dr. <strong>Die</strong>ter Wartenweiler, Gründer,<br />

Mentor und Seminarleiter der Intercoaching-Firmen in der Schweiz und Deutschland,<br />

sowie Roger Herzig, seit 17 Jahren CEO der RWD Schlatter in Roggwil. 2009<br />

erhielt Herzig den Cash-Award als bester Arbeitgeber der Schweiz.<br />

<strong>Die</strong> Produktionsanlagen von Weisbrod<br />

Zürrer in Hausen am Albis werden<br />

laufend dem neusten technischen Stand<br />

angepasst.


26<br />

Von Michel Grunder<br />

Das Kolloquium vom 8. Februar leitete<br />

den neuen Zyklus «Ethische Werte des<br />

<strong>Unternehmertum</strong>s» ein. Der Zyklus verfolgt<br />

das Ziel, dass Referenten und Teilnehmende<br />

eine Werte-Profil-Analyse<br />

erarbeiten. <strong>Die</strong>se dient einerseits der individuellen<br />

ethisch / moralischen Standortbestimmung<br />

und soll andererseits Hand<br />

bieten bei der Frage, ob ein potenzieller<br />

Arbeitnehmer <strong>–</strong> insbesondere dessen<br />

ethische Charakteristik <strong>–</strong> mit den <strong>für</strong> die<br />

betreffende Unternehmung relevanten<br />

Werten harmoniert.<br />

Ziel des ersten <strong>Lilienberg</strong> Kolloquiums des<br />

neuen Jahreszyklus im Aktionsfeld Unternehmenskultur<br />

& Unternehmensethik<br />

war, die relevanten Werte zu finden und<br />

deren Bedeutung <strong>für</strong> Unternehmen und<br />

Arbeitnehmer zu diskutieren. Dr. Christoph<br />

Weber-Berg führte die Teilnehmenden<br />

mit seinem Referat in die Wertedebatte<br />

ein. <strong>Die</strong> oft herbeigezogene<br />

Wertekrise anerkennt er nicht. Menschen<br />

seien heute moralisch nicht schlechter als<br />

früher. Bereits das philosophische Urgestein<br />

Sokrates habe sich über die man-<br />

GESPRÄCH<br />

«<strong>Die</strong> Menschen sind heute<br />

moralisch nicht schlechter als früher»<br />

gelnde Werthaltigkeit jugendlichen Handelns<br />

beklagt. «Aber wir müssen wieder<br />

lernen, uns moralisch zu orientieren.<br />

Durch den technischen, wissenschaftlichen<br />

und ökonomischen Fortschritt haben<br />

wir den stetigen Kampf ums Überleben<br />

überwunden. Und mit der Aufklärung<br />

haben wir uns vom Moral-Monopol<br />

der Religionen befreit. <strong>Die</strong>sen Fortschritt<br />

haben wir moralisch aber noch nicht verinnerlicht.»<br />

Verstehen lernen,<br />

was Wert in der Wirtschaft ist<br />

Ebenso müssten wir neu verstehen lernen,<br />

was Wert in der Wirtschaft ist, so<br />

Christoph Weber-Berg. In den vergangenen<br />

Jahren habe die Marktgläubigkeit<br />

alles dominiert. Politik galt als Versagen,<br />

Ethik als Privatsache. «Dabei geht vergessen,<br />

dass das Wirtschaften eigentlich im<br />

<strong>Die</strong>nste des Menschen steht. Wir sollten<br />

uns daher vermehrt wieder auf drei<br />

Grundsatzfragen besinnen.»<br />

• Was ist gutes Leben? (Ethik)<br />

• Was ist gerechtes Zusammenleben?<br />

(Politik)<br />

• Was ist verantwortliches und<br />

zweckmässiges Handeln? (Wirtschaft)<br />

Bei der Beantwortung dieser Fragen<br />

seien Werte wegweisende Orientierungshilfen,<br />

betonte der Referent. «Sie<br />

umschreiben ideale Zielgrössen guten<br />

Lebens und gerechten Zusammenlebens.»<br />

Christoph Weber-Berg führte die<br />

Teilnehmer im Sinne einer Diskussionsgrundlage<br />

durch verschiedene Werte-<br />

Kategorien und Grundwerte aus christlicher<br />

Sicht. Keine Theorie oder Religion<br />

kann jedoch eine Person von der Freiheit<br />

entbinden, sich selber Gedanken zur<br />

Moral zu machen und ihr ethisches<br />

Weltbild zu gestalten.


27<br />

Referent Dr. Christoph Weber-Berg von der Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft in Zürich (links)<br />

nimmt nach dem Anlass in der <strong>Lilienberg</strong> Remise Anregungen von Kolloquiums-<br />

Teilnehmer Bruno Rossi entgegen.<br />

Relevante Werte<br />

im <strong>Unternehmertum</strong><br />

Am Ende der intensiven Gruppendiskussion<br />

standen die folgenden<br />

<strong>für</strong> Unternehmen und Arbeitnehmer<br />

relevanten Werte im Zentrum:<br />

• Authentizität<br />

• Legitimität<br />

• Respekt<br />

• Verantwortung<br />

• Nachhaltigkeit<br />

• Vertrauen<br />

• Solidarität<br />

Zyklus «Ethische Werte des Unterneh-<br />

mertum»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium vom<br />

8. Februar 2011, «Wert-Setzung und <strong>–</strong><br />

Definition», mit Dr. Christoph Weber-<br />

Berg, Leiter Center for Corporate<br />

Social Responsibility, Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft (HWZ), Zürich; Moderation:<br />

Michel Grunder (Aktionsfeld Unternehmenskultur<br />

& Unternehmensethik).<br />

Weitere Anlässe im Rahmen<br />

des Zyklus 2011<br />

• 6. April: Kolloquium zum Thema<br />

«Sind individuelle Wertvorstellungen<br />

mit den Unternehmenswerten<br />

kompatibel?». Mit Andreas<br />

Hürlimann, Managing Partner,<br />

themissinglink, Oetwil a. d. L.<br />

(Berichterstattung über diesen<br />

Anlass in der <strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong><br />

Nr. 26)<br />

• 15. Juni: Kolloquium zum Thema<br />

«Praxistest»


28<br />

Von Max Becker<br />

Innovationen sind der Nährboden <strong>für</strong><br />

unternehmerischen Erfolg. <strong>Die</strong>se zu generieren<br />

und umzusetzen, ist die ganz<br />

grosse Herausforderung jedes Unternehmers.<br />

Ideen können von überall her<br />

kommen: von Denkfabriken, von den<br />

Mitarbeitenden, dem Management, von<br />

Kunden und Lieferanten <strong>–</strong> aber auch von<br />

Schulen und Universitäten. Das Aktionsfeld<br />

Wirtschaft & Industrie befasst sich in<br />

seinem neuen Zyklus mit der Thematik<br />

«Innovation im <strong>Unternehmertum</strong>». Am<br />

9. März fand das erste Kolloquium statt.<br />

Referenten waren der Präsident der ETH<br />

Zürich und der Innovations-Manager von<br />

Bernina International.<br />

<strong>Die</strong> ETH als Spitzenuniversität mit rund<br />

400 Professoren ist hervorragend positioniert<br />

als gut ausgerüstete Trägerin von<br />

«ideas labs», die integrative Forschungsvorhaben<br />

zum Gegenstand haben (zum<br />

Beispiel nachhaltiges Bauen, integrales<br />

Risk-Management) und auch die Zusammenarbeit<br />

zwischen verschiedensten<br />

Forschungsdisziplinen und Instituten fördern.<br />

<strong>Die</strong> Resultate werden später die<br />

GESPRÄCH<br />

ohne Innovation überlebt kein<br />

Unternehmen auf dem Markt<br />

Unternehmungen bei der kreativen und<br />

innovativen Ausgestaltung von Strategien<br />

unterstützen. Der Präsident der ETH<br />

Zürich, Prof. Dr. Ralph Eichler, skizzierte<br />

in einem eindrücklichen Input-Referat die<br />

Ansätze der ETH, die faktisch das gesamte<br />

Spektrum der technischen Wissenschaften<br />

umfassen und <strong>–</strong> Zitat Ralph<br />

Eichler <strong>–</strong> «oft auf «crazy ideas» basieren».<br />

Innovatives Design fördert Absatz<br />

Professor Eichler umriss Forschung mit<br />

«Transformation von Geld zu Wissen» und<br />

Innovation als «Transformation von Wissen<br />

zu Geld». «Forschungsvorhaben haben<br />

typischerweise einen Lebenszyklus von<br />

drei und mehr Jahren und es werden oft<br />

Fragen wie ‹Was kommt nachher?› angegangen.»<br />

Innovationen unterstützen und<br />

begleiten die gesellschaftlichen Megatrends,<br />

entsprechend spielen die Social<br />

Networks bei der Verbreitung von Resultaten<br />

eine zunehmend wichtige Rolle auf<br />

globaler Ebene. Ausserdem dürfen die<br />

Design-Aspekte bei der Frage der Innovation<br />

nicht unterschätzt werden. Eine Innovation<br />

kann auch einen Trend reflektieren,<br />

und Produkte leben auch von Moden: Gefälliges<br />

und innovatives Design ist klar<br />

absatzfördernd.<br />

Unabhängig vom Thema «Innovation»<br />

betonte Ralph Eichler, dass sich die ETH<br />

Zürich im Spannungsfeld von Öffentlichkeit,<br />

Politik, Medien befinde: «<strong>Die</strong> Internationalität<br />

ist greifbar, zirka 40 Prozent<br />

der neu ernannten Professoren stammen<br />

aus dem Ausland, aber finanziell ist die<br />

ETH auf die nationale Bildungs- und Finanzpolitik<br />

abgestützt, die auch immer<br />

in Gefahr ist, zum Spielball politischer<br />

Ansichten zu werden.» Auf dieser Gratwanderung<br />

das Beste <strong>für</strong> den Innovationsstandort<br />

Schweiz herauszuholen, das<br />

habe sich die ETH auf die Fahne geschrieben.<br />

Dass die Schweiz mit der besten<br />

«Percapita-Erfolgsrate» Weltmeisterin<br />

der Innovation ist, freut Professor Eichler.<br />

Mit benutzerfreundlichen<br />

Maschinen auf dem Markt bestehen<br />

Michael König, Innovations-Manager<br />

Bernina International in Steckborn, legte<br />

die Innovationsstrategie der stark exportorientierten<br />

Bernina-Gruppe mit über<br />

1000 Mitarbeitenden und einer mehr als<br />

100-jährigen Tradition dar. Zusammen<br />

mit einem Team von Spezialisten verfolgt


29<br />

er ohne den Druck des Alltagsgeschäfts<br />

die Entwicklung auf dem Gebiet der Nähmaschinen<br />

weltweit und entwickelt<br />

Ideen, die Produkte-Verbesserungen im<br />

Fokus haben und damit das Bestehen auf<br />

dem Markt sicherstellen. Als Beispiele<br />

nannte er benutzerfreundlichere Nähmaschinen,<br />

die kreatives Nähen ermöglichen:<br />

Michael König, der selbst auch<br />

gelegentlich näht, schätzte, dass rund<br />

95 Prozent der Bernina-Produkte von<br />

Frauen gekauft werden. Entsprechend<br />

seien die Testpersonen, die Pilotprodukte<br />

einer Prüfung unterziehen, vornehmlich<br />

Frauen. Das Innovations-Management<br />

bei Bernina müsse auch die Megatrends<br />

einbeziehen («Wer wird in Zukunft<br />

nähen?» «Welche Kulturkreise erfordern<br />

Welche Produkte?»). «Flaggschiffe» der<br />

Bernina-Gruppe wie die Bernina 830<br />

waren und sind innovationsgetrieben: die<br />

«830er» mit 70 neuen Funktionen, wovon<br />

15 patentiert worden sind.<br />

Bald gemeinsames Projekt von<br />

ETH und Bernina?<br />

Und so blieb am Schluss des Kolloquiums<br />

die bohrende Frage: «Und was kommt<br />

nach der Nähmaschine?» Professor Eichler<br />

zögerte nicht, Bernina Hand zu bieten<br />

<strong>für</strong> ein gemeinsames Projekt von ETH<br />

Zum Start des neuen Zyklus im Aktionsfeld Wirtschaft & Industrie waren zwei hochkarätige<br />

Persönlichkeiten Gäste von Dr. Max Becker (rechts) und Anton Bucher (links):<br />

ETH-Präsident Prof. Dr. Ralph Eichler (Zweiter von links) und der Innovations-Manager<br />

von Bernina International, Michael König.<br />

und Bernina. Für die Verantwortlichen<br />

des Aktionsfeldes Wirtschaft & Industrie,<br />

Dr. Max Becker und Anton Bucher, ist klar:<br />

Sobald die Resultate eines allfälligen sol-<br />

chen Gemeinschaftsprojekts bekannt<br />

sind, wird das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerfo-<br />

rum die beiden Referenten, Ralph Eichler<br />

und Michael König, wieder nach Ermatingen<br />

einladen, um die Projekte zu präsentieren.<br />

Zyklus «Innovation <strong>–</strong> was bringt Unternehmen<br />

weiter?», <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium<br />

vom 9. März 2011, «Spitzenleistungen der<br />

Innovation <strong>–</strong> gibt es Rezepte <strong>für</strong> KMU?»,<br />

mit Prof. Dr. Ralph Eichler, Präsident der<br />

ETH Zürich, und Michael König, Innovations-Manager<br />

Bernina International,<br />

Steckborn; Moderation: Dr. Max Becker<br />

und Anton Bucher (Aktionsfeld Wirtschaft<br />

& Industrie).<br />

Weitere Anlässe<br />

im Jahreszyklus 2011<br />

11. Mai: Kolloquium zum Thema<br />

«Denken und denken lassen: Kreative<br />

Ideen <strong>–</strong> von innen oder aussen?»<br />

28. Juni: Kolloquium zum Thema<br />

«Wie Innovation in Gang setzen?<br />

Welche Unternehmenskultur<br />

braucht es dazu?»<br />

25. Oktober: Tagung und Ausserordentliches<br />

Gespräch<br />

13. Dezember: <strong>Lilienberg</strong> Gespräch<br />

mit Emanuel Probst, CEO Jura Kaffeemaschinen


30<br />

Von Peter Eichenberger<br />

<strong>Die</strong> Diskussionen um die ständig wach-<br />

senden Kosten unseres anerkannt guten<br />

Gesundheitswesens werden in erster<br />

Linie durch die stark ansteigenden Prämien<br />

der Krankenkassen geschürt, die<br />

vor allem Gesunde nicht mehr einfach<br />

so hinnehmen wollen und teilweise wohl<br />

auch nicht können. Es wird intensiv nach<br />

Steuerungsmöglichkeiten gesucht, doch<br />

gelang es bisher nicht, eine Wende herbeizuführen.<br />

<strong>Die</strong>s bewog das <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum dazu, die Thematik<br />

in einem Zyklus näher zu beleuchten.<br />

Anfang Februar wurde der Zyklus abgeschlossen.<br />

«Mehr liberalisieren oder mehr regulieren<br />

im Gesundheitswesen?» So lautete der<br />

Titel des Jahreszyklus des Aktionsfeldes<br />

Gesundheit & Umwelt. Zum Abschluss<br />

des Zyklus am 3. Februar erläuterte der<br />

Thurgauer Regierungsrat Bernhard Koch<br />

die Aufgaben, die mit der Einführung der<br />

neuen Finanzierung mit den Fallpauschalen,<br />

auch Diagnosis-Related-Groups<br />

(DRG) genannt, auf den Kanton zukommen.<br />

Er erwähnte die Schaffung der ge-<br />

GESPRÄCH<br />

Bei der medizinischen Versorgung<br />

der Bevölkerung fehlt eine Strategie<br />

setzlichen Grundlagen, den Erlass der<br />

Spitallisten durch den Kanton sowie die<br />

Erteilung der Leistungsaufträge an die<br />

Listenspitäler. Im Weiteren müsse der<br />

Anteil des Kantons bei der Finanzierung<br />

der Spitalbehandlungen festgelegt werden<br />

<strong>–</strong> zwischen 45 und 55 Prozent, was<br />

direkte Auswirkungen auf die Höhe der<br />

Prämien und der Steuern hat. Regierungsrat<br />

Koch betonte aber auch, dass da<strong>für</strong><br />

wesentliche Eckwerte, bezogen auf Wirtschaftlichkeit<br />

und Qualität, vom Bund<br />

bisher noch nicht definiert worden seien.<br />

«Auch die Festlegung des Investitionsund<br />

des Innovationskostenanteils bei den<br />

Fallpauschalen ist dringend.» Er be<strong>für</strong>wortete<br />

die generelle Aufhebung des<br />

Ärztestopps und damit der Sonderbehandlung<br />

der Spezialisten.<br />

Nationale Strategie gefordert<br />

Dr. med. Jürg Schlup, ehemaliger Präsident<br />

der Ärztegesellschaft des Kantons<br />

Bern, zeigte sich mit dem, was 2010 auf<br />

nationaler Ebene in Sachen Steuerung<br />

des Gesundheitswesens erreicht worden<br />

war, nicht zufrieden. «Wichtige Entschei-<br />

de wurden provisorisch gefällt oder vertagt,<br />

auch bei den Preisen <strong>für</strong> Generika<br />

wurde kein wirksamer Entscheid getroffen.»<br />

Bund und Kantone müssten gemeinsam<br />

eine nationale Strategie definieren,<br />

aus der ersichtlich ist, welche<br />

medizinische Versorgung der Bevölkerung<br />

angestrebt und wie sie finanziert<br />

werden soll. Als Führungsinstrument sei<br />

das Krankenversicherungsgesetz (KVG)<br />

ungenügend, so der Referent, der selbst<br />

als praktizierender Arzt tätig ist.<br />

Jürg Schlup bemängelte im Weiteren anhand<br />

konkreter Beispiele die ungleiche<br />

Entschädigung von Leistungen im spitalnahen<br />

und spitalfernen Bereich, mit Benachteiligung<br />

des spitalfernen Bereichs.<br />

<strong>Die</strong>ser Bereich werde dadurch <strong>für</strong> die<br />

Hausärzte unattraktiv. Auch warnte er<br />

vor Problemen als Folge der Verknappung<br />

der Finanzmittel der Kantone und des<br />

zunehmenden Mangels an Fachpersonal.<br />

Er be<strong>für</strong>wortete eine dosierte Reglementierung.


31<br />

Unter der Leitung von Dr. med. Peter Eichenberger (Mitte) diskutierten zum Abschluss des Jahreszyklus im Aktionsfeld Gesundheit<br />

& Umwelt (von links) der Thurgauer Regierungsrat Bernhard Koch, Prof. Dr. med. Rolf Streuli, Leiter der Taskforce von Swissmedic,<br />

Dr. Andrea Arz de Falco, Vizedirektorin des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit, und der praktizierende Arzt Dr. med. Jürg Schlup.<br />

Mit Prävention<br />

hohe Kosten vermeiden<br />

Dr. Andrea Arz de Falco, Vizedirektorin<br />

des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit (BAG),<br />

stellte in ihrem Tätigkeitsfeld eher eine<br />

Deregulierung mit Beseitigung von Doppelspurigkeiten<br />

und Schaffung von liberaleren<br />

Regelungen fest. Vieles sei in<br />

Arbeit: Gesetze in den Bereichen Heilmittel,<br />

Transplantation, Epidemien und<br />

Fortpflanzung. Das relativ allgemein gehaltene<br />

Präventionsgesetz liege immer<br />

noch bei der vorberatenden Kommission.<br />

Schwergewichte <strong>für</strong> das laufende Jahr<br />

seien die Präventionsprogramme in den<br />

Bereichen Alkohol, Tabak und Bewegung.<br />

«Es geht um die Vermeidung von<br />

hohen Kosten durch selbst verschuldete<br />

und übertragbare Krankheiten bei immer<br />

höherer Lebenserwartung.»<br />

Gesundheitskosten haben kritische<br />

Grenze noch nicht erreicht<br />

Prof. Dr. med. Rolf Streuli, Leiter der<br />

Taskforce von Swissmedic, des Schweizerischen<br />

Heilmittelinstitutes, warnte vor<br />

zu hohen Erwartungen an die freie<br />

Marktwirtschaft im Gesundheitswesen<br />

und zeigte anhand von Beispielen, dass<br />

Angebote wie Untersuchungen mit hochentwickelten<br />

spezifischen Geräten <strong>–</strong> auch<br />

wenn sie noch so teuer sind <strong>–</strong> genutzt<br />

werden und die Geräte ausgelastet sind.<br />

<strong>Die</strong> Gesundheitskosten hätten mit<br />

12 Prozent des Bruttosozialproduktes die<br />

kritische Grenze noch nicht erreicht.<br />

«Wenn die Bevölkerung dies will und<br />

die entsprechend höheren Steuern- und<br />

Prämienzahlungen da<strong>für</strong> aufbringt, sind<br />

auch 15 Prozent möglich.»<br />

Verständlicherweise konnten auf Lilien-<br />

berg keine Patentrezepte <strong>für</strong> die Steue-<br />

rung des komplexen Systems Gesund-<br />

heitswesen gefunden werden. <strong>Die</strong><br />

Einführung der Fallpauschalen wurde<br />

zweifellos als Meilenstein betrachtet. <strong>Die</strong><br />

Teilnehmenden der Abschlussveranstaltung<br />

forderten jedoch in einer lebhaften<br />

Diskussion mit den Referenten die Definition<br />

der Qualität und die Entschädigung<br />

des Mehrwerts von erbrachten Leistungen<br />

<strong>für</strong> die Gesundheit statt einfach der<br />

ausgeführten Leistungen. Nicht zuletzt<br />

wurde aber auch hervorgehoben, dass<br />

das Gesundheitswesen mit seinen zahlreichen<br />

Stellen einen wesentlichen Teil<br />

der Volkswirtschaft darstellt.


32<br />

Erkenntnisse aus den drei Kolloquien des Jahreszyklus<br />

Im ersten Kolloquium über die Grundversorgung wurden die zunehmende Einengung<br />

durch Steuerung der Praxiseröffnungen, den Verlust der Selbstdispensation<br />

und das Tarifsystem Tarmed bemängelt. Eine duale Grundversorgung mit Zusatzversicherung<br />

auch im ambulanten Bereich wurde angeregt. Im elektronischen<br />

Zeitalter nehme der Stellenwert des Hausarztes ab. Der Einfluss der Politiker dagegen<br />

gewinne an Bedeutung, und Partikularinteressen erschwerten die Verhandlungen.<br />

Der Versuch, die Kosten zu steuern, führe zu vermehrter Regulierung. <strong>Die</strong><br />

Referenten verlangten Wettbewerb statt Kontrahierungszwang, und sie forderten<br />

die Aufhebung des Praxiseröffnungsstopps und vermehrte Datentransparenz. Ferner<br />

sei der Patient als Teilhaber und nicht einfach als Kunde in den Wettbewerb<br />

einzubauen.<br />

Im zweiten Kolloquium, in dem es um staatliche Vorschriften und die Freiheiten<br />

des Einzelnen ging, diskutierten Referenten und Teilnehmende über den Stellenwert<br />

der Prävention im Rahmen der zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung<br />

und im Hinblick auf die hohen Gesundheitskosten wegen vermeidbarer<br />

Krankheiten. <strong>Die</strong> Schaffung von geeigneten Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen,<br />

die Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit, der Schutz<br />

von unbeteiligten Dritten und der Jugend wurden propagiert. Ein neues Präventionsgesetz<br />

werde die Kompetenzen regeln. Einigkeit herrschte darüber, dass ein<br />

Zwang zur Prävention möglichst vermieden werden soll.<br />

Im dritten Kolloquium über die in unterschiedlicher Form entstehenden Ärztenetzwerke<br />

wurde der Wettbewerb um bessere Qualität, um mehr Transparenz<br />

und um die Nähe an den Bedürfnissen der Patienten, aber nicht um den Zugang<br />

zu den Leistungen der Grundversicherung be<strong>für</strong>wortet. Mindestvoraussetzungen<br />

<strong>für</strong> Netzwerke seien die Budgetmitverantwortung, ein Disease- und Case-<br />

Management, die Qualitätszertifizierung, die freie Arzt-, Spital- und Netzwerkwahl<br />

und eine einheitliche Grundversicherung. Vor allzu grosser Einmischung<br />

der Gesetzgebung und vor überbordender Administration wurde gewarnt, auch<br />

vor dem immer grösser werdenden Einfluss der Krankenkassen wegen der bei<br />

ihnen zusammenströmenden Daten. Das Plenum setzte sich <strong>für</strong> eine Reduktion<br />

der Anzahl Leistungsanbieter, <strong>für</strong> klare Messgrössen und <strong>für</strong> die Bewertung des<br />

Mehrwerts von Behandlungsmassnahmen zugunsten der Gesundheit der Patienten,<br />

nicht aber <strong>für</strong> die Kostensenkung <strong>für</strong> den Versicherer ein.<br />

Mehr liberalisieren oder mehr regulieren<br />

im Gesundheitswesen? Das Publikum<br />

beteiligte sich mit Engagement an der<br />

lebhaften Diskussion mit den Fachleuten<br />

auf dem Podium.<br />

Zyklus «Mehr liberalisieren oder mehr<br />

regulieren im Gesundheitswesen?»; <strong>Lilienberg</strong><br />

Tagung und Ausserordentliches<br />

Gespräch vom 3. Februar 2011, «Trotz<br />

intensiven Diskussionen wachsen die<br />

Gesundheitskosten munter weiter. Wer<br />

kann und soll welche Vorgaben erlassen?<br />

Wer soll wie viel regulieren?», mit<br />

Dr. Andrea Arz de Falco, Vizedirektorin<br />

des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit, Direktionsbereich<br />

Öffentliche Gesundheit,<br />

Regierungsrat Bernhard Koch, Chef des<br />

Departementes <strong>für</strong> Finanzen und Soziales<br />

des Kantons Thurgau, Dr. med. Jürg<br />

Schlup, Allgemeinmedizin FMH, praktizierender<br />

Arzt, ehemaliger Präsident der<br />

Ärztegesellschaft des Kantons Bern, und<br />

Professor Dr. med. Rolf Streuli, ehemaliger<br />

Chefarzt SRO Spital Langenthal, Leiter<br />

der Taskforce von Swissmedic, Schweizerisches<br />

Heilmittelinstitut; Moderation:<br />

Dr. med. Peter Eichenberger (Aktionsfeld<br />

Gesundheit & Umwelt).


33<br />

Von Stefan Bachofen<br />

Definition «Diagnosebezogene Fallgruppen» (DRG)<br />

Der Begriff Diagnosis-Related-Groups (kurz DRG, Diagnosebezogene Fallgruppen) definiert eine bestimmte Vergütungsform von<br />

Gesundheitsleistungen. Im Gegensatz zu zeitraumbezogenen Vergütungsformen (Anzahl Tage im Spital) oder einer Vergütung<br />

einzelner Leistungen während einer Hospitalisation erfolgt bei Fallpauschalen die Vergütung von medizinischen Leistungen pro<br />

Behandlungsfall, also unabhängig von der Verweildauer der Patienten im Spital. Im Fallpauschalen-System werden Patienten<br />

anhand medizinischer und demografischer Daten in Fallgruppen eingeteilt. <strong>Die</strong> Fallgruppen dienen jedoch nicht der medizinischen<br />

Unterscheidung, sondern der Differenzierung des ökonomischen Aufwandes.<br />

DRG werden seit Mitte der Achtzigerjahre in verschiedenen Ländern zur Abrechnung von Spitalbehandlungen verwendet. In<br />

der Schweiz sollen das Fallpauschalen-System Swiss DRG und die damit verknüpfte neue Spitalfinanzierung auf den 1. Januar<br />

2012 eingeführt werden. Zuständig <strong>für</strong> die Erarbeitung und Weiterentwicklung sowie die Anpassung und Pflege des Schweizer<br />

Fallpauschalen-Systems ist die Swiss DRG AG. Sie setzt den Gesetzesauftrag um, den das eidgenössische Parlament im Dezember<br />

2007 verabschiedet hat. <strong>Die</strong> gemeinnützige Aktiengesellschaft wurde im Januar 2008 gegründet und ist eine Institution der<br />

Leistungserbringer, der Versicherer und der Kantone. <strong>Die</strong> breite Abstützung wird den unterschiedlichen Anforderungen an das<br />

neue Abgeltungssystem gerecht.<br />

Fallpauschalen sollen zu mehr Transparenz bei den Behandlungen und einer leistungsgerechteren Vergütung der Spitäler und<br />

Kliniken führen. Nicht mehr die Spitäler selbst als Institutionen werden finanziert, sondern ihre Leistungen am Patienten. Und<br />

diese Leistungen sollen auch qualitativ vergleichbar sein. In Zukunft werden Patienten wissen, welches Spital welche Operation<br />

zu welchem Preis und in welcher Anzahl anbietet. Mit den Fallpauschalen erhalten Versicherte, Kantone und Versicherer transparente<br />

Vergleiche über die Menge und Preise der Leistungen unterschiedlicher Spitäler.<br />

Kassen wollen Diagnosen sehen<br />

Zurzeit verhandeln Spitäler und Krankenkassen, wie das System mit den Fallpauschalen umgesetzt werden soll. <strong>Die</strong> Kassen wollen<br />

den Systemwechsel dazu nutzen, von den Spitälern jeweils die genaue Diagnose der Patienten zu erhalten. Aufgrund der<br />

begrenzten Aussagekraft der Fallpauschalen würden die Spitäler dazu verleitet, überhöhte Rechnungen auszustellen, argumentieren<br />

die Verantwortlichen der Kassen. Sie warnen deshalb vor einem Anstieg der Prämien. <strong>Die</strong> Spitäler weigern sich allerdings,<br />

auf die Forderung der Kassen einzutreten. <strong>Die</strong> kantonalen Datenschützer be<strong>für</strong>chten zudem eine Aushöhlung des Patientengeheimnisses,<br />

falls sich die Kassen gegen die Spitäler durchsetzen sollten. Gegenüber dem Fallpauschalen-System gibt es auch<br />

auf politischer Ebene Vorbehalte. Der Zürcher Kantonsrat erklärte im Februar ein Postulat <strong>für</strong> dringlich, mit dem der Regierungsrat<br />

gebeten wird, sich auf Bundesebene <strong>für</strong> ein Moratorium der Einführung von Diagnosis-Related-Groups einzusetzen. Den<br />

Antragsstellern von SP, AL und Grünen fehlt es an «sorgfältigen Rahmenbedingungen». Sie bemängeln etwa, dass die Auswirkungen<br />

des DRG-basierten Systems auf die Versorgungssicherheit und auf die Aus- und Weiterbildung des Gesundheitspersonals<br />

sowie deren Arbeitsbedingungen unklar seien.<br />

Zürcher Kantonsparlament schickte Postulat bachab<br />

In seiner Antwort auf das Postulat teilte der Regierungsrat mit, dass er sich nicht <strong>für</strong> ein schweizweites Moratorium einsetzen<br />

werde. Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger (FDP) verwies darauf, dass die kantonalen Spitäler seit bald zehn Jahren mit<br />

einer Art von Fallpauschalen abrechnen. Heiniger versicherte: «Das Patientenwohl wird nicht der ausschliesslichen Rentabilität<br />

geopfert.» Das Kantonsparlament gab sodann an seiner Sitzung vom 21. März grünes Licht <strong>für</strong> die Fallpauschalen, indem es das<br />

Postulat mit 108 Nein- zu 64 Ja-Stimmen nicht überwies.


34<br />

Von Hans-Peter Wüthrich<br />

Hat der Datenschutz<br />

schon bald ausgedient?<br />

Mit philosophischen und juristischen Fra-<br />

gen setzten sich die Teilnehmenden des<br />

zweiten Kolloquiums im Rahmen des<br />

Jahreszyklus «Auf dem Weg zum gläsernen<br />

Menschen» im Aktionsfeld Politik<br />

& Gesellschaft auseinander. Diskutiert<br />

wurden unter anderem die drei Thesen,<br />

die der Kommunikationsberater Martin<br />

Zenhäusern in seinem Impulsreferat aufstellte.<br />

Etwa jene, dass Technologie die<br />

Demokratie kurzfristig gefährden kann,<br />

sie langfristig aber fördern wird. Im zweiten<br />

Referat ging der Rechtsanwalt Patrick<br />

Häberlin der Frage nach, ob es in Zukunft<br />

noch Datenschutz und damit allgemeine<br />

Persönlichkeitsrechte geben wird.<br />

«Der Mensch und die Politik sind untrennbar<br />

miteinander verbunden.» Zu diesem<br />

Schluss kamen die Teilnehmenden des<br />

Kolloquiums vom 25. Januar mit dem<br />

Titel «Erwartungen und Ängste von Individuen<br />

und Gesellschaft» bei der Behandlung<br />

der ersten These von Martin<br />

Zenhäusern. <strong>Die</strong> These besagt, dass Technologie<br />

ein politisches System kurzfristig<br />

gefährden könne, längerfristig jedoch<br />

GESPRÄCH<br />

einen wesentlichen Beitrag zur Veränderung<br />

leiste und letztlich unsere Demokratie<br />

sogar fördere. <strong>Die</strong> Bedürfnisse<br />

des Menschen bleiben, Wahrnehmungen<br />

und Instrumente verändern sich aber laufend.<br />

<strong>Die</strong> Technologie wird dabei eine<br />

entscheidende Rolle in der Anwendung<br />

und der Ausgestaltung der Politik spielen.<br />

Künftig werde im Rahmen der Weiterentwicklung<br />

der Technologie die Bedeutung<br />

von Netzwerken stark zunehmen,<br />

was wiederum zu einer «Enthierarchisierung»<br />

der Politik führe.<br />

Parteiprogramme verlieren<br />

an Bedeutung<br />

«Alle grossen Aufgaben können nur gemeinsam<br />

gelöst werden.» So lautete die<br />

zweite These von Martin Zenhäusern.<br />

«<strong>Die</strong> weitere Entwicklung unserer Technologie<br />

wird dazu führen, dass grosse<br />

Aufgaben schneller, vernetzter und damit<br />

breiter abgestützt, also gemeinsam gelöst<br />

werden können», sagte er. Dabei<br />

müsse der Fokus auf folgende Bereiche<br />

gelegt werden: Kooperation versus Konfrontation;<br />

Synthese versus These / Anti-<br />

these; Lösungen versus recht haben um<br />

jeden Preis.<br />

Es werde künftig weniger eine Dominanz<br />

der Parteiprogramme geben, sondern<br />

thematische Bewegungen würden dominieren<br />

(Volksinitiativen).<br />

In seiner dritten These behauptete der<br />

Referent, dass ein ungeklärtes Spannungsfeld<br />

zwischen einer global agierenden<br />

Wirtschaft auf der einen und einer<br />

noch weitgehend an nationalstaatliche<br />

Grenzen gebundenen Politik auf der anderen<br />

Seite Lösungen behindere. Er zeigte<br />

auf, dass die Spielregeln <strong>für</strong> das persönliche<br />

Wohlbefinden primär durch<br />

Politik und Gesellschaft geprägt werden.<br />

Es seien deshalb zwingend Fragen zu<br />

stellen wie: Braucht es noch Parteien<br />

oder vielmehr thematische Bewegungen?<br />

Braucht es noch Programme oder<br />

lediglich konkrete Themen? Braucht es<br />

noch Köpfe oder eher verstärkte Netzwerke?<br />

Welche neuen Strukturen und<br />

welche wirtschaftspolitischen Instrumente<br />

braucht es, um globale Aufgaben, nationale<br />

Kompetenzen und die lokale Verantwortung<br />

zu regeln?


35<br />

Das Recht als Teilgebiet<br />

der Sozialordnung<br />

Im zweiten Impulsreferat setzte sich der<br />

Rechtsanwalt Patrick Häberlin (Häberlin<br />

& Partners, Frauenfeld) mit rechtsphilosophischen<br />

Grundsätzen und generellen<br />

Rechtsfragen zum Thema auseinander.<br />

«Das Recht ist ein Teilgebiet der<br />

Sozialordnung», sagte er. Das Recht stelle<br />

sich als eine Sollensordnung dar, welche<br />

die Verhaltensweisen in den zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen sowie<br />

im Verhältnis zur Sozietät regle. «Im Unterschied<br />

zum Kunstwerk ist die Rechtsbildung<br />

aber nicht Folge des personalen<br />

Geistes eines einzelnen oder einer Mehrzahl<br />

von Menschen, sondern ergibt sich<br />

aus dem Gemeingeist der Sozietät, die<br />

sich ihr Recht setzt.» Der Gemeingeist <strong>für</strong><br />

das Recht erwachse aus einem geistigen<br />

Gemeingut der Sozietät mit dem Ziel, die<br />

sozial richtigen Verhaltensweisen in den<br />

zwischenmenschlichen Beziehungen und<br />

im Verhältnis zur Sozietät als solcher zu<br />

bilden.<br />

Das alles brauche Zeit. Zeit, die uns die<br />

technologische Entwicklung gar nicht<br />

gibt.<br />

Der Mensch als blosser Datenträger <strong>–</strong><br />

ein Verstoss gegen die Ethik?<br />

Beim Einsatz biometrischer Verfahren zur<br />

Authentifizierung und Identifizierung von<br />

Menschen ergeben sich (auch) sehr interessante<br />

rechtliche Fragestellungen. So<br />

unter anderem, ob denn ein Körper in<br />

diesem Sinne Datenträger sein darf und<br />

wer und in welcher Weise über diese biometrischen<br />

Daten verfügen darf. Allgemein<br />

bekannt ist ja, dass eine Person<br />

grundsätzlich das «Recht auf das eigene<br />

Bild» hat. <strong>Die</strong> Frage sei, so Patrick Häberlin,<br />

ob es ein vergleichbares Recht bezüglich<br />

der biometrischen Chiffre gebe. Und<br />

letztlich stelle sich auch die ethische Frage,<br />

ob die Würde eines Menschen missachtet<br />

wird, wenn man ihn nur als blossen<br />

Datenträger behandelt.<br />

Immer mehr in Mode geraten zum Beispiel<br />

Chip-Implantate zur Identifikation<br />

von Personen. <strong>Die</strong> amerikanische Firma<br />

ADS (Applied Digital Solution) vertreibt<br />

weltweit einen miniaturisierten reiskorngrossen<br />

Chip, der in Menschen implantiert<br />

diese automatisch identifizieren<br />

kann. Nach Bedarf können Krankheitsgeschichte,<br />

Strafregisterauszug oder Kreditwürdigkeit<br />

auf den Chip geladen<br />

werden. Propagiert wird er als Identifika-<br />

tionsmittel, das weder verloren oder ver-<br />

legt noch gestohlen oder gefälscht wer-<br />

den kann.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung der Datenschutzgesetzgebung,<br />

aber auch der Rechtsfortentwicklung<br />

im allgemeinen Persönlichkeitsrecht<br />

unter dem Einfluss des sogenannten<br />

Pervasive Computing, also der Vernetzung<br />

des Alltages durch den Einsatz «intelligenter<br />

Gegenstände», sei nicht wirklich<br />

überschaubar, sagte Patrick Häberlin<br />

und stellte die Frage in den Raum: «Wie<br />

kann Grundrecht und Datenschutz eingehalten<br />

werden, wenn umfassend vernetzte<br />

IT-Systeme unseren Alltag durchdringen<br />

werden?» Wenn sich der Trend<br />

tatsächlich konkretisiert, dass Computing-Power<br />

von den heutigen Recheneinheiten<br />

wie PC oder Server in Sensoren<br />

oder intelligente Etiketten in Alltagsgegenständen,<br />

Haushaltgeräten oder Kleidungsstücken<br />

wandert <strong>–</strong> mit der Konsequenz,<br />

dass der Mensch selbst zusammen<br />

mit seiner unmittelbaren Umgebung Teil<br />

dieser Infrastruktur wird <strong>–</strong>, so müssen wir<br />

uns fragen, ob es dann in Zukunft tatsächlich<br />

noch Datenschutz oder ein allgemeines<br />

Persönlichkeitsrecht geben<br />

kann und wird.


36<br />

Einen Mitarbeiter<br />

«genetisch vermessen»?<br />

<strong>Die</strong> Zauberformel der modernen Führungskultur<br />

lautet Optimierung der Geschäftsprozesse.<br />

Das Szenario der Optimierung<br />

der Geschäftsprozesse findet<br />

seine Entsprechung in der Verwaltung<br />

der Beschäftigten, ein Kostenfaktor, den<br />

es zu minimieren gilt. Wenn wir aber den<br />

Mitarbeiter «genetisch vermessen»,<br />

wächst auch die Verfügbarkeit und damit<br />

das Potenzial zur Fremdbestimmung über<br />

seine Person.<br />

Den Arbeitgeber mag diese Entwicklung<br />

faszinieren, das Individuum pocht aber<br />

auf das Grundrecht der Wahrung der<br />

persönlichen Sphäre. <strong>Die</strong> Teilnehmenden<br />

waren sich einig: Wenn die Anstellung<br />

oder die Weiterbeschäftigung eines Menschen<br />

nur noch aufgrund seiner ständig<br />

eruierten Blutwerte respektive der genetischen<br />

Disposition erfolgt und nicht wegen<br />

seiner grundsätzlichen Eignung <strong>für</strong><br />

eine bestimmte Tätigkeit, also wegen<br />

seiner Erfahrung, Intelligenz und Leistung,<br />

dann bewegen wir uns auf rechtlich<br />

äusserst heiklem Boden.<br />

Internet und Technik nicht als Bedrohung wahrnehmen<br />

Das Kolloquium vom 25. Januar machte deutlich, dass die rasante technische<br />

Entwicklung sowohl in sozialen wie auch in rechtlichen Fragen heute noch viele<br />

Antworten offen lässt. Und hier wollen die Verantwortlichen des Aktionsfeldes<br />

Politik & Gesellschaft ansetzen und in der Fortsetzung des Zyklus dazu beitragen,<br />

Antworten auf diese grossen Herausforderungen zu finden. <strong>Die</strong> angeregte Diskussion<br />

bestätigte, dass die technische Entwicklung zwar mit Risiken behaftet ist,<br />

diese aber vor allem aufgrund des langen Gesetzgebungsprozesses nicht juristisch<br />

abgesichert werden können. Ausserdem ist es gerade zum heutigen Zeitpunkt, da<br />

vor allem die Jugend im Zusammenhang mit persönlichen Daten und dem Internet<br />

immer offener wird, nicht mehr angezeigt, das Internet und die Technik als Bedrohung<br />

wahrzunehmen. Vielmehr sollten die Instrumente auch von politischen<br />

Persönlichkeiten und Gruppierungen noch stärker genutzt werden.<br />

<strong>Die</strong> Referenten Patrick A. Häberlin (links) und Martin Zenhäusern (Zweiter von rechts)<br />

im Pausengespräch mit den Moderatoren Hans-Peter Wüthrich (rechts) und Jörg<br />

Kündig vom Aktionsfeld Politik & Gesellschaft.


37<br />

<strong>Die</strong> Kolloquiums-Teilnehmenden lauschen interessiert den Ausführungen von Moderator Hans-Peter Wüthrich (rechts).<br />

Zyklus «Auf dem Weg zum gläser-<br />

nen Menschen»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloqui-<br />

um vom 25. Januar 2011, «Erwartun-<br />

gen und Ängste von Individuen und<br />

Gesellschaft», mit Martin Zenhäusern,<br />

Zenhäusern & Partner AG, Zürich, und<br />

Patrick A. Häberlin, Häberlin & Partners,<br />

Frauenfeld; Moderation: Hans-Peter<br />

Wüthrich und Jörg Kündig (Aktionsfeld<br />

Politik & Gesellschaft).<br />

Weitere Anlässe im Rahmen<br />

des Zyklus 2010 / 2011<br />

• 29. März: Kolloquium zum Thema<br />

«Selbstverantwortung und<br />

Regulierung» (Berichterstattung<br />

über diesen Anlass in der <strong>Lilienberg</strong><br />

<strong>Zeitschrift</strong> Nr. 26)<br />

• 10. Mai: Tagung und Ausserordentliches<br />

Gespräch<br />

• 15. Juni: <strong>Lilienberg</strong> Gespräch


38<br />

Von Stefan Bachofen<br />

<strong>Die</strong> Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

befasst sich im laufenden Jahr<br />

im Rahmen einer dreiteiligen Veranstaltungsreihe<br />

mit dem Thema «Naturpärke<br />

<strong>–</strong> eine unternehmerische Herausforderung».<br />

Nach dem <strong>Lilienberg</strong> Gespräch mit<br />

Dr. Luzius Wasescha, WTO-Botschafter<br />

und Präsident des Vereins Parc Ela, von<br />

Ende März findet nun ein Zyklus statt,<br />

der das Projekt Naturpärke vertieft, das<br />

heisst ganzheitlich behandelt. Veranstaltungsdaten<br />

sind der 17. Mai und der<br />

30. August.<br />

Naturpärke gehören zu den ursprünglichsten<br />

Natur- und Kulturlandschaften.<br />

Es sind weitgehend intakte, vielfältige,<br />

dynamische und natürliche oder aber<br />

vom Menschen naturnah gestaltete Lebensräume.<br />

Deren Verwirklichung und<br />

Projektierung stellt eine mehrschichtige<br />

unternehmerische Herausforderung dar.<br />

Im Vordergrund steht dabei das Gleichgewicht<br />

von Mensch, Natur, Landschaft<br />

und Wirtschaft. In der Schweiz sind bis<br />

heute fünf Parkprojekte umgesetzt. Neben<br />

dem Nationalpark im Engadin (seit<br />

AUSBLICK<br />

Naturpärke <strong>–</strong> eine unternehmerische<br />

Herausforderung<br />

1914) sind es die Pärke in Entlebuch (seit<br />

2008), Sihlwald (seit 2009), Val Müstair<br />

(seit 2010) und Thal (seit 2009). Letzterer<br />

ist <strong>für</strong> Simone Remund, Verantwortliche<br />

<strong>für</strong> den Bereich Naturpärke im Bundesamt<br />

<strong>für</strong> Umwelt (Bafu), der Schweizer<br />

Vorzeigepark schlechthin. «<strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen den neun involvierten<br />

Gemeinden im Gebiet des solothurnischen<br />

Bezirks Thal war bereits in der<br />

Aufbauphase vorbildlich», sagt sie. «Ein<br />

Naturpark sollte wie ein KMU-Betrieb,<br />

das heisst unternehmerisch geführt werden;<br />

alle Beteiligten müssen am selben<br />

Strick ziehen und hinter dem Projekt stehen.»<br />

Genau das sei beim Naturpark Thal<br />

der Fall, erklärt sie dessen Erfolg.<br />

Acht Gesuche <strong>für</strong> neue Naturpärke<br />

Nun bekommt die Schweizer Naturparklandschaft<br />

Zuwachs: Neue Pärke sollen im<br />

Binntal (VS), auf dem Chasseral (BE/NE),<br />

im <strong>Die</strong>mtigtal (BE), auf dem Gantrisch<br />

(BE/FR), in den Gebieten Ela (GR), Gruyère<br />

Pays-d’Enhaut (VD/FR), nördlich von Aarau<br />

(Jurapark) und im Gebiet Thunersee-<br />

Hohgant (BE) entstehen. Entsprechende<br />

Gesuche sind im Januar beim Bundesamt<br />

<strong>für</strong> Umwelt eingegangen, bestätigt Simone<br />

Remund. Bisher waren diese acht<br />

Gebiete vom Bund als Naturpark-Kandidaten<br />

anerkannt. Das Bafu entscheidet<br />

im Sommer, welche der acht Gesuchsteller<br />

es als Naturpark anerkennen und<br />

finanziell unterstützen will. Simone<br />

Remund: «Läuft alles nach Plan, können<br />

die Pärke 2012 eröffnet werden.»<br />

Ökologisch und unternehmerisch<br />

sinnvoll?<br />

Naturpärke als eine unternehmerische<br />

Herausforderung: <strong>Die</strong> Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum will dieses wichtige<br />

und faszinierende Thema ganzheitlich<br />

behandeln und hat dazu einen Kurzzyklus<br />

lanciert. Am <strong>Die</strong>nstag, 17. Mai, findet<br />

von 14 bis 18 Uhr ein Kolloquium mit drei<br />

hochkarätigen Referenten statt. Dr. Otto<br />

Sieber, Zentralsekretär von Pro Natura<br />

Schweiz, Ludwig Caluori, Geschäftsführer<br />

der Region Mittelbünden und Mitglied<br />

des Bündner Kantonsparlamentes, sowie<br />

Samuel Zuberbühler, Product-Manager<br />

«Naturreisen» bei Schweiz Tourismus,


39<br />

liefern in ihren Vorträgen Antworten auf<br />

die Frage, ob und inwiefern Naturpärke<br />

ökologisch und unternehmerisch Sinn<br />

machen.<br />

Am <strong>Die</strong>nstag, 30. August, steht von<br />

13.30 bis 16.30 Uhr eine Tagung mit dem<br />

Arbeitstitel «Naturparkprojekte im Vergleich<br />

<strong>–</strong> was motiviert und was macht<br />

stark?» auf dem Programm. Simone Remund<br />

vom Bafu, <strong>Die</strong>ter Müller, Geschäftsführer<br />

des Vereins Parc Ela, und<br />

der Solothurner Kantonsrat und Nationalratskandidat<br />

Stefan Müller, Programmleiter<br />

des Naturparks Thal, werden<br />

je ein Impulsreferat halten. <strong>Die</strong>se drei<br />

Persönlichkeiten diskutieren gleich anschliessend<br />

im Rahmen eines Podiums<br />

zum Thema «Naturpärke <strong>–</strong> Brücke zwischen<br />

<strong>Unternehmertum</strong> und Ökologie»<br />

die Erkenntnisse und Ergebnisse der Tagung.<br />

Parkprojekt muss demokratisch<br />

breit abgestützt sein<br />

Naturpärke verfolgen gemäss dem Konzept<br />

des Bundes drei Hauptziele: die<br />

Stärkung der nachhaltigen regionalen<br />

Wirtschaft und des Tourismus und damit<br />

verbunden die Schaffung neuer Arbeitsplätze,<br />

die Förderung der Umweltbildung<br />

Der Naturpark Thal ist <strong>für</strong> die Verantwortlichen im Bundesamt <strong>für</strong> Umwelt<br />

der «Schweizer Vorzeigepark» schlechthin.<br />

sowie den Erhalt und die Aufwertung von<br />

Natur und Landschaft. Letzteres erfolgt<br />

über freiwillige Massnahmen, die von der<br />

jeweiligen Parkträgerschaft unterstützt,<br />

initiiert und gefördert werden. Grundbedingung<br />

<strong>für</strong> den Betrieb eines Parks ist<br />

dessen demokratische Verankerung in<br />

der jeweiligen Region. Will heissen, nur<br />

Gemeinden, in denen die Mehrheit der<br />

Stimmenden hinter dem Park steht, können<br />

ihn realisieren. <strong>Die</strong> Gemeinden sind<br />

in der Trägerschaft des Parks massgeblich<br />

vertreten. Ist diese Grundvoraussetzung<br />

erfüllt, erteilt der Bund das touristisch<br />

wertvolle Label «Park von nationaler Bedeutung»,<br />

und zwar jeweils <strong>für</strong> zehn Jahre.<br />

Zudem erhält der Park von Bund und<br />

Kanton jährliche Finanzmittel zugesprochen.<br />

Nach zehn Jahren muss das Stimmvolk<br />

der betroffenen Gemeinden erneut<br />

über den Weiterbetrieb des Parks entscheiden.<br />

Projekt in der Urschweiz<br />

gescheitert<br />

Am Misstrauen der Bevölkerung gescheitert<br />

ist im vergangenen Herbst die Idee<br />

eines Naturparks Urschweiz: Neun von<br />

zwölf Gemeinden in Uri und Nidwalden<br />

sprachen sich in kommunalen Abstimmungen<br />

gegen einen Gemeindebeitrag<br />

aus. Gegner des Projekts hatten im Vorfeld<br />

der Urnengänge Be<strong>für</strong>chtungen geäussert,<br />

Wanderer, Landwirte und Jäger<br />

hätten aufgrund des Projekts Einschränkungen<br />

zu be<strong>für</strong>chten. Wenig Freunde<br />

hat derzeit auch das Projekt <strong>für</strong> einen<br />

regionalen Naturpark auf dem Seerücken<br />

zwischen Untersee und Thur. Es dürfte<br />

wegen des Widerstandes der betroffenen<br />

Landwirte vorerst kaum umsetzbar sein.<br />

Auch gibt es im Thurgau Stimmen, die<br />

monieren, dass die Idee von Naturpärken<br />

aus der EU komme und in der Schweiz<br />

nichts verloren habe.


40<br />

Von Stefan Bachofen<br />

Spitzen-Diplomat Dr. Michael Ambühl,<br />

Leiter des Staatssekretariats <strong>für</strong> internationale<br />

Finanzfragen, ist am Donnerstag,<br />

26. Mai, Gast auf <strong>Lilienberg</strong>. Bundesberns<br />

wichtigster Mann <strong>für</strong> einen florierenden<br />

Finanzplatz beantwortet im Rahmen des<br />

110. <strong>Lilienberg</strong> Gesprächs die Fragen von<br />

Nationalrat Bruno Zuppiger.<br />

Michael Ambühl übernahm im vergangenen<br />

Jahr im Eidgenössischen Finanzdepartement<br />

die Leitung des neu geschaffenen<br />

Staatssekretariats <strong>für</strong> internationale Finanzfragen.<br />

Damit obliegen ihm die Koordination<br />

und die strategische Führung<br />

in internationalen Finanz-, Währungsund<br />

Steuerfragen. Der Chefunterhändler<br />

verhandelte im vergangenen Herbst im<br />

Steuerstreit erfolgreich mit Deutschland,<br />

indem er eine Abgeltungssteuer einführte,<br />

mit der bisher unversteuerte deutsche<br />

Gelder in der Schweiz belegt werden.<br />

Michael Ambühl gelang es mit der Einführung<br />

einer umfassenden Quellensteuer<br />

mit Abgeltungscharakter, zwei Ansprüche<br />

unter einen Hut zu bringen. Auf der<br />

einen Seite den Anspruch des Staates,<br />

AUSBLICK<br />

«Mister Abgeltungssteuer» steht<br />

Ende Mai Red und Antwort<br />

also Deutschlands, seine Bürger zu besteuern,<br />

auf der anderen Seite den Anspruch<br />

der Bankkunden auf Privatsphäre<br />

in finanziellen Angelegenheiten.<br />

Michael Ambühl vertritt die Schweiz auch<br />

im internationalen Währungsfonds, im<br />

Financial Stability Board sowie bei der<br />

internationalen Bekämpfung der Finanzkriminalität.<br />

Zuvor hatte der gelernte Betriebswirtschafter<br />

und Mathematiker von 2005 bis<br />

2010 als Staatssekretär die politische<br />

Direktion des Eidgenössischen Departements<br />

<strong>für</strong> auswärtige Angelegenheiten<br />

(EDA) geführt und in dieser Funktion 2009<br />

im Fall UBS die Verhandlungen mit den<br />

USA geleitet.<br />

Vor seiner Ernennung zum Staatssekretär<br />

2005 war Michael Ambühl Diplomat, beispielsweise<br />

in Delhi und Brüssel. Ab 1999<br />

leitete er das Integrationsbüro mit der EU.<br />

Der 60-jährige Berner war auch Schweizer<br />

Chefunterhändler <strong>für</strong> die Bilateralen II.<br />

Dr. Michael Ambühl ist Gast des<br />

110. <strong>Lilienberg</strong> Gesprächs.


41<br />

Von Stefan Bachofen<br />

<strong>Die</strong> Schweizerische Stiftung Freiheit &<br />

Verantwortung zeichnet alle zwei Jahre<br />

verdienstvolle Persönlichkeiten, Institutionen,<br />

Firmen und Organisationen aus.<br />

Nach alt Ständerat Franz Muheim und<br />

dem früheren Botschafter Dr. iur. Carlo<br />

Jagmetti fällt die Ehre in diesem Jahr<br />

Dr. h. c. Walter Reist, Gründer und Präsident<br />

der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum,<br />

zu.<br />

<strong>Die</strong> Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />

ehrt seit einigen Jahren namhafte Persönlichkeiten<br />

<strong>für</strong> deren Lebenswerk. Am<br />

Donnerstag, 30. Juni, 18 bis 19 Uhr, zeichnet<br />

sie im <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

in Ermatingen Walter Reist aus, und zwar<br />

«<strong>für</strong> die Förderung des freiheitlichen <strong>Unternehmertum</strong>s<br />

mit der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum, <strong>für</strong> sein generelles<br />

Wirken als Staatsbürger <strong>für</strong> Freiheit<br />

und Verantwortung sowie <strong>für</strong> sein Einstehen<br />

zugunsten einer freien und unabhängigen<br />

Schweiz», sagt Josef<br />

F. Kümin, Geschäftsführer der Stiftung<br />

Freiheit & Verantwortung, der das Programm<br />

der Ehrung gestaltet.<br />

AUSBLICK<br />

Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />

ehrt Dr. h. c. Walter Reist<br />

Walter Reist ist die dritte Schweizer Persönlichkeit,<br />

die die Ehrenurkunde der<br />

Stiftung Freiheit & Verantwortung erhält.<br />

Seine Vorgänger waren der inzwischen<br />

verstorbene Urner alt Ständerat Franz<br />

Muheim (2007) und Carlo Jagmetti, ehemaliger<br />

Botschafter der Schweiz, unter<br />

anderem in den USA, bei der Europäischen<br />

Gemeinschaft in Brüssel, in Frankreich<br />

und in Südkorea (2009).<br />

Podium über Freiheit und<br />

Verantwortung im <strong>Unternehmertum</strong><br />

Im Vorfeld der Ehrung findet von 16.30<br />

bis 17.45 Uhr ein Podiumsgespräch über<br />

«Freiheit und Verantwortung im <strong>Unternehmertum</strong><br />

heute» statt. Unter der Leitung<br />

von Christoph Vollenweider, Leiter<br />

<strong>Unternehmertum</strong> der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />

Unternehmerforum, gehen vier Unternehmerinnen<br />

und Unternehmer der Frage<br />

nach, wie sie die Werte Freiheit und<br />

Verantwortung heute verstehen und in<br />

ihrem Unternehmen einbringen.<br />

Dr. h. c. Walter Reist (Zweiter von links) wird unter anderem <strong>für</strong> sein Einstehen zugunsten<br />

einer freien und unabhängigen Schweiz geehrt. Unser Bild zeigt den Stiftungsratspräsidenten<br />

der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum im Anschluss an<br />

ein Podiumsgespräch zusammen mit alt Bundesrat Christoph Blocher (links), Roger<br />

Köppel, Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche» (rechts) und Dr. Peter Forster,<br />

Mitglied des <strong>Lilienberg</strong>rates und Chefredaktor der <strong>Zeitschrift</strong> «Schweizer Soldat».


42<br />

Weshalb ein Podium gerade zu diesem<br />

Thema? Gesprächsmoderator Vollenwei-<br />

der: «In unserer vom Wandel geprägten<br />

Zeit ist oft von einer ‹Krise der Werte›<br />

die Rede. <strong>Die</strong>se Krise hat die Gesellschaft<br />

und mit ihr die Wirtschaft erfasst. Wir<br />

vom <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum sind<br />

deshalb der Meinung, dass sich die Menschen<br />

und damit auch die unternehmerischen<br />

Persönlichkeiten wieder auf die<br />

grundlegenden Werte besinnen müssen<br />

<strong>–</strong> Werte wie zum Beispiel Qualität, Fairness,<br />

Respekt, Vertrauen, Glaubwürdigkeit,<br />

Verantwortung und Zuverlässigkeit.<br />

Werte, die uns helfen, den Wandel und<br />

die damit verbundenen Schwierigkeiten<br />

und Krisen zu meistern.» Das Thema soll<br />

auf <strong>Lilienberg</strong> mit vier Unternehmern diskutiert<br />

werden. Auf dem Podium sitzen<br />

Nationalrat Markus Hutter (Hutter Dynamics,<br />

Winterthur), <strong>Die</strong>ter Bachmann<br />

(Gottlieber Spezialitäten AG, Gottlieben),<br />

Gabriella Meyer (Bioengineering AG,<br />

Wald ZH) und Günther Widmann (Metriks<br />

Schweiz AG, Basel).<br />

<strong>Die</strong> Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />

<strong>Die</strong> Schweizerische Stiftung Freiheit & Verantwortung mit Sitz in Lachen SZ ist eine<br />

gemeinnützige Stiftung und untersteht der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht. <strong>Die</strong><br />

Stiftung fördert gemäss Statuten Werte und Tugenden, die sich als Orientierung<br />

und Ziel <strong>für</strong> individuelles, gemeinschaftliches wie wirtschaftliches Handeln in<br />

der Schweiz eignen. Freiheit und Verantwortung sind da<strong>für</strong> zwei exemplarische,<br />

relationale Werte, <strong>für</strong> die sich die Stiftung einsetzt. <strong>Die</strong> Stiftung realisiert oder<br />

unterstützt nicht gewinnorientierte Projekte, die zur Förderung des Gemeinwohls<br />

beitragen. <strong>Die</strong> Stiftung hat im Weiteren zum Zweck, verdienstvolle Personen,<br />

Institutionen, Organisationen und Firmen auszuzeichnen. Und zwar in Form von<br />

Ehrungen, an denen eine Ehrenurkunde verliehen wird.<br />

Dr. h. c. Walter Reist, hier zusammen mit seiner Frau Lotti auf dem Areal des<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforums, erhält Ende Juni die Ehrenurkunde der Stiftung<br />

Freiheit & Verantwortung.


43<br />

Von Christoph Vollenweider<br />

Geplant: Symposium<br />

über die Globalisierung<br />

«Globalisierung: die zweite Welle. Was die<br />

Schweiz erwartet». So lautet ein Buch, das<br />

vor kurzem im NZZ-Verlag erschienen und<br />

auf grosse Aufmerksamkeit gestossen ist.<br />

<strong>Die</strong> globalen Verhältnisse haben sich in den<br />

vergangenen Jahrzehnten in einem atemberaubenden<br />

Tempo und derart umfassend<br />

verändert, dass die meisten Menschen<br />

kaum mehr in der Lage sind, diese Veränderungen<br />

auch nur annähernd zu erfassen:<br />

Bürger und Politiker, Arbeitnehmer und<br />

Unternehmer bekunden Mühe, die entfesselte<br />

Globalisierung zu bändigen und zu<br />

gestalten. <strong>Die</strong> Globalisierung schafft Konflikte<br />

und zugleich Wohlstand, sie verursacht<br />

daher gewisse Hoffnungen, aber<br />

auch ein Unbehagen, das bis zu offener<br />

Angst gehen kann.<br />

Eine Premiere <strong>für</strong> <strong>Lilienberg</strong><br />

Man spricht heute von der zweiten Globalisierungswelle,<br />

die uns seit einem Jahrzehnt<br />

beeinflusst und uns in einen Strudel<br />

von Fragen und Problemen gerissen hat:<br />

Was kommt auf uns zu? Wie sollen wir uns<br />

verhalten, damit wir in dieser zweiten Welle<br />

nicht untergehen? Das <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />

AUSBLICK<br />

nehmerforum greift dieses Thema auf und<br />

plant, dazu zwei Symposien durchzuführen<br />

<strong>–</strong> <strong>für</strong> <strong>Lilienberg</strong> eine Premiere, da es die<br />

ersten Symposien auf <strong>Lilienberg</strong> sein werden.<br />

<strong>Die</strong> Termine da<strong>für</strong> stehen noch nicht<br />

fest, das erste Symposium dürfte im Januar<br />

2012 stattfinden, das zweite im Sommer<br />

2012.<br />

Das Thema ist derart umfassend, dass es<br />

nur ganzheitlich <strong>–</strong> das heisst menschlich,<br />

wirtschaftlich, sachlich <strong>–</strong> behandelt werden<br />

kann. Dazu reicht aber ein Tag nicht aus.<br />

Deshalb sind zwei Anlässe vorgesehen.<br />

Beide Symposien dauern einen Tag, die<br />

Teilnehmer haben aber die Möglichkeit,<br />

bereits am Vorabend anzureisen oder zur<br />

individuellen Verarbeitung des Themas eine<br />

Übernachtung auf <strong>Lilienberg</strong> anzuhängen.<br />

<strong>Die</strong> Symposien werden interdisziplinär vorbereitet.<br />

Neben externen Experten beteiligen<br />

sich an der inhaltlichen Vorbereitung<br />

und Durchführung mehrere Aktionsfelder.<br />

Der jetzige Stand der Planung sieht folgende<br />

thematische Gliederung vor (Änderungen<br />

natürlich vorbehalten):<br />

Der Titel des geplanten Symposiums<br />

stammt vom Buch, das der Schweizer<br />

OECD-Botschafter Stefan Flückiger und<br />

seine Mitarbeiterin Martina Schwab geschrieben<br />

haben und das in der Schweiz<br />

bereits einen guten Absatz gefunden hat.


44<br />

<strong>Lilienberg</strong> bietet den idealen Rahmen <strong>für</strong> den offenen Austausch <strong>–</strong> auch am Symposium.<br />

1. Symposium<br />

• Beschreibung der Globalisierung: Was war die erste Welle? Was ist die zweite<br />

Welle?<br />

• Verschiebung der Gewichte vom «alten Westen» auf die neuen Player (zum Beispiel<br />

die sogenannten «BRIC-Staaten»)<br />

• Welche Anforderungen stellen sich an die Wirtschaft (zum Beispiel Innovation<br />

und neue Produktionsmethoden) generell und an die Schweizer Wirtschaft<br />

explizit?<br />

• Wie gehen wir mit dem «vaterlandlosen Kapital» um? Hier sollen vor allem die<br />

Auswirkungen auf die Unternehmenskultur und die Unternehmensethik behandelt<br />

werden.<br />

2. Symposium<br />

• Welche Folgen hat die Globalisierung auf die Arbeitskräfte und auf die Bildung?<br />

• Welche Auswirkungen hat sie auf die Energie- und Rohstoffversorgung?<br />

• Welche Auswirkungen hat die Alterung der Bevölkerung im globalisierten Umfeld?<br />

• Welche Auswirkungen hat die Entwicklung auf die staatlichen Finanzen?<br />

Wer wird angesprochen?<br />

Angesprochen werden mit diesen Symposien<br />

in erster Linie die Unternehmer,<br />

kleinere, mittlere, aber auch grössere. Das<br />

Thema betrifft die ganze Schweizer Wirtschaft.<br />

Im Weiteren ist die Verwaltung<br />

(Wirtschaftsämter, Arbeitsämter, Finanzämter)<br />

sowie das Bildungswesen im Fokus<br />

unserer Einladung. <strong>Die</strong> Thesen und Postulate,<br />

die am Symposium gewonnen<br />

werden, werden der Politik zur Verfügung<br />

gestellt.


45<br />

Von Glenn Mueller<br />

Das erste <strong>Lilienberg</strong> Fachgespräch dieses<br />

Jahres über «Social-Media-Marketing <strong>–</strong><br />

Ihr Werkzeug mit viel Potenzial» vom<br />

16. März erlaubte einen eindrücklichen<br />

Einblick in die praktischen Möglichkeiten<br />

und Grenzen dieses Instruments. Nach<br />

dem Impulsreferat von Sven Beichler, der<br />

auf modernen Kommunikationskanälen<br />

wie Facebook und Twitter sein Produkt<br />

MySwissChocolate.ch lanciert und vermarktet<br />

hatte, erarbeiteten die Teilnehmenden<br />

in Gruppenarbeiten ihre persönliche<br />

Vorgehensweise im Umgang mit<br />

Web-2.0-Applikationen. <strong>Die</strong> gewonnenen<br />

Erkenntnisse wurden anschliessend<br />

mit dem Referenten und dessen Erfahrungen<br />

auch in Bezug auf die vier unternehmerischen<br />

Fragen von Dr. h. c. Walter<br />

Reist <strong>–</strong> Was macht Sinn? Was macht Spass?<br />

Was macht stark? Was lohnt sich? <strong>–</strong> in den<br />

Vergleich gestellt.<br />

Ex-Mister-Schweiz<br />

gründete Schuh-Label<br />

In den kommenden Wochen sind weitere<br />

<strong>Lilienberg</strong> Fachgespräche geplant: Unter<br />

dem Titel «Erfolgsfaktoren am heuti-<br />

BILDUNG<br />

<strong>Lilienberg</strong> Fachgespräche <strong>–</strong><br />

ein Rückblick und Ausblick<br />

gen Markt» werden am Mittwoch,<br />

20. April, die beiden Unternehmer Karl<br />

Müller jun., Sohn des MBT-Schuherfinders,<br />

und Claudio Minder, Mister Schweiz<br />

2000, ihre praktischen Erfahrungen der<br />

erfolgreichen Lancierung ihrer Marke<br />

Joyaschuhe schildern. Teilnehmende<br />

erörtern mit den beiden Vergleichspersönlichkeiten<br />

die Faktoren, die heute auf<br />

dem Markt über Erfolg oder Misserfolg<br />

entscheiden, und welche Voraussetzungen<br />

dabei entscheidend sind.<br />

Der Mangel an genügend qualifizierten<br />

Mitarbeitenden wird laut dem aktuellen<br />

«Global CEO Survey» auch im laufenden<br />

<strong>Die</strong> nächsten Fachgespräche<br />

• Mittwoch, 20. April 2011: «Erfolgsfaktoren am heutigen Markt: Wo liegen die<br />

Chancen und Gefahren?», mit Karl Müller jun. und Claudio Minder, Gründer<br />

und CEO von Joyaschuhe AG.<br />

• Montag, 16. Mai 2011: «Kampf um die Talente: Wie gewinnen und halten Sie<br />

die besten Mitarbeiter?», mit Dr. Eduard Hauser, Hauser & Hauser AG.<br />

• Mittwoch, 8. Juni 2011: «Benchmarking: Der Blick über den eigenen Tellerrand»,<br />

mit Dr. Axel Justus, Geschäftsführer tectrans AG.<br />

• Mittwoch, 22. Juni 2011: «<strong>Die</strong> neue Mitarbeitergeneration: Was bringt sie mir<br />

als KMU?», mit Peter Vogel, Geschäftsführer Jobzippers Ltd.<br />

• Mittwoch, 17. August 2011: «Warum Nachhaltigkeit Ihrem Unternehmen zum<br />

Erfolg verhilft», mit Sabine Ziegler, Proofit.ch.<br />

• Mittwoch, 31. August 2011: «Werte als Erfolgsrezept in Ihrem Unternehmen»,<br />

mit Jean-Pierre Neuhaus, Head of Corporate Communications Bystronic-Gruppe.<br />

• Mittwoch, 28. September 2011. «Sicherheit als ein Qualitätsmerkmal Ihres<br />

Unternehmens», mit <strong>Die</strong>trich G. Hunkeler, Inhaber AAA Security Consulting<br />

GmbH.<br />

Alle Fachgespräche finden von 13.30 bis 19 Uhr statt.


46<br />

Jahr die Unternehmen beschäftigen. Mit<br />

dem Fachgespräch «Kampf um die Talente»<br />

bietet das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

am Montag, 16. Mai, KMU-Betrieben<br />

die Möglichkeit, mit Dr. Eduard<br />

Hauser praktisches Know-how <strong>für</strong> ihr Personalmanagement<br />

zu erlangen. Als langjähriges<br />

Mitglied der Geschäftsleitung in<br />

der Hürlimann-Getränke-Gruppe und<br />

ehemaliger Dozent <strong>für</strong> Personalmanagement<br />

an der Universität St. Gallen kennt<br />

Eduard Hauser die Vor- und Nachteile der<br />

verschiedenen Auswahlverfahren.<br />

Im Fachgespräch «Benchmarking <strong>–</strong> Der<br />

Blick über den eigenen Tellerrand» vom<br />

Mittwoch, 8. Juni, zeigen die <strong>Lilienberg</strong><br />

Verantwortlichen zusammen mit der Vergleichspersönlichkeit<br />

Dr. Axel Justus,<br />

Geschäftsführer von tectrans AG, die<br />

Vorteile dieser Methode <strong>für</strong> ein KMU-<br />

Unternehmen auf. Axel Justus hat das<br />

Benchmarking mehrmals erfolgreich<br />

durchgeführt. Anhand praktischer Beispiele<br />

erfahren die Teilnehmer, ob ein<br />

Benchmarking ihrem eigenen Unternehmen<br />

ebenfalls Nutzen bringen kann.<br />

Was bringt die neue Mitarbeitergeneration<br />

den Unternehmen?<br />

Geht es im Fachgespräch «Kampf um die<br />

Talente» um die Auswahlverfahren in der<br />

Mitarbeiterselektion, werden im Anlass<br />

«<strong>Die</strong> neue Mitarbeitergeneration <strong>–</strong> Was<br />

bringt sie mir als KMU?» vom Mittwoch,<br />

22. Juni, die Vor- und Nachteile, welche<br />

die neue Generation der Mitarbeitenden<br />

mit sich bringt, erörtert. Zentral dabei<br />

wird die Fragestellung sein, wie man die<br />

Potenziale dieser Generation im eigenen<br />

Unternehmen richtig fördern und ausschöpfen<br />

kann. Weiter sollen auch mögliche<br />

Risiken und Gefahren, die durch die<br />

höhere Fluktuation der Mitarbeitenden<br />

<strong>für</strong> ein Unternehmen entstehen können,<br />

beleuchtet werden. Als Vergleichspersönlichkeit<br />

wird Peter Vogel, Gründer und<br />

Geschäftsführer von Jobzippers Ltd. sowie<br />

Botschafter des internationalen Sandbox<br />

Netzwerks, den Anlass begleiten.<br />

Nähere Informationen zu den Anlässen<br />

finden sich im Veranstaltungskalender<br />

der Website www.lilienberg.ch.<br />

Weitere Auskünfte erhalten Sie auch bei<br />

Glenn Mueller, Bereichsleiter Bildung,<br />

Telefon 071 663 26 54.<br />

<strong>Die</strong> Teilnehmenden des Fachgesprächs vom 16. März erhielten einen Einblick,<br />

wie Unternehmensstrategien mithilfe von Social-Media-Marketing weiterentwickelt<br />

werden können.


47<br />

Von Daniel Anderes<br />

Seit über 20 Jahren ist das <strong>Lilienberg</strong> Un-<br />

ternehmerforum eine Quelle der Kraft<br />

und der Inspiration und geniesst über die<br />

Landesgrenzen hinaus grosses Ansehen.<br />

Als traditionsreiches Haus fördert <strong>Lilienberg</strong><br />

das <strong>Unternehmertum</strong> auf mannigfache<br />

Weise. Einerseits laden wir namhafte<br />

Persönlichkeiten aus Wirtschaft,<br />

Politik und Gesellschaft ein und lernen<br />

sie im persönlichen Gespräch kennen.<br />

Andererseits behandeln wir mit unseren<br />

Aktionsfeldern in umfassenden Zyklen<br />

die relevanten Fragen unserer Zeit.<br />

Profitieren Sie von unseren vielseitigen<br />

Veranstaltungen. Erleben Sie mit einer<br />

Begleitperson interessante Auseinandersetzungen<br />

mit Persönlichkeiten aus allen<br />

Gesellschaftsbereichen in unseren:<br />

• Foren<br />

• Besonderheiten<br />

• Kolloquien<br />

• Tagungen (ohne Begleitperson)<br />

• Ausserordentlichen Gesprächen<br />

• <strong>Lilienberg</strong> Gesprächen<br />

MITGLIEDSCHAFT<br />

Sind Sie schon <strong>Lilienberg</strong> Freund?<br />

Prägen Sie den gesellschaftlichen und<br />

unternehmerischen Fortschritt mit und<br />

fördern Sie die heutige und die künftige<br />

Unternehmergeneration.<br />

Als <strong>Lilienberg</strong> Freund sind Sie Mitglied<br />

unseres einmaligen Netzwerks. Zudem<br />

befinden Sie sich in attraktiver Gesellschaft<br />

und können Ihr Beziehungsnetz<br />

erweitern und pflegen.<br />

Eine Investition, die sich lohnt! Beantragen<br />

Sie noch heute Ihre Mitgliedschaft<br />

Freund unter www.lilienberg.ch.<br />

Investieren Sie in Ihre und unsere<br />

Zukunft! Denn «Erfolg hat nur,<br />

wer etwas tut, während er auf den<br />

Erfolg wartet».<br />

Thomas Alva Edison<br />

Wer eine Mitgliedschaft als <strong>Lilienberg</strong> Freund abschliesst, kann an<br />

vielen Veranstaltungen auf <strong>Lilienberg</strong> unentgeltlich teilnehmen.


48<br />

Von Bruno Zuppiger*<br />

In den vergangenen Jahren hat sich das<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum in verschiedensten<br />

Veranstaltungen mit dem<br />

Thema «Ja zur Schweiz <strong>–</strong> aber wie?» und<br />

mit dem «Verhältnis der Schweiz zur Europäischen<br />

Union (EU)» beschäftigt. Dabei<br />

ging es in erster Linie um die Frage,<br />

welche Errungenschaften und welche<br />

direktdemokratischen und föderalistischen<br />

Werte die Schweiz zugunsten<br />

einer besseren Einbindung unseres Landes<br />

preisgeben soll und darf. Der Bundesrat,<br />

die Wirtschaft und die bürgerlichen<br />

Parteien sehen im Moment keinen<br />

Grund, weshalb die Schweiz der EU beitreten<br />

sollte. Dennoch wird hinter den<br />

Kulissen <strong>–</strong> sicher zum Teil auch auf Druck<br />

der EU <strong>–</strong> die Annäherung Schritt <strong>für</strong><br />

Schritt vorangetrieben. Angesichts der<br />

klaren Volksentscheide zum Nichtbeitritt<br />

der Schweiz in die EU ist dies nur schwer<br />

verständlich.<br />

Kampf <strong>für</strong> die Werte der Schweiz<br />

<strong>Die</strong> Verantwortungsträger in unserem<br />

Land sollten sich ab und zu auf jene Werte<br />

zurückbesinnen, welche die Schweiz<br />

BLICKWINKEL<br />

Verhältnis der Schweiz zur EU <strong>–</strong><br />

Anpassung oder Widerstand?<br />

stark gemacht haben: Es sind dies hauptsächlich<br />

Unabhängigkeit, Eigenständigkeit<br />

und Neutralität. Dabei geht es nicht<br />

darum, sich gegenüber den anderen<br />

Staaten abzuschotten und die guten Beziehungen<br />

aufzugeben. Vielmehr gilt es,<br />

genau zu beobachten, was weltweit geschieht,<br />

und frühzeitig die notwendigen<br />

und <strong>für</strong> unser Land und unser Volk wichtigen<br />

und richtigen Massnahmen zu treffen.<br />

Mit Sicherheit geht es nicht darum, sich<br />

blind und duckmäuserisch gegenüber<br />

dem Ausland und den verschiedenen internationalen<br />

Organisationen zu verhalten<br />

und sich einfach nur anzupassen.<br />

Nein, es geht darum, unsere vielen guten<br />

Errungenschaften, unsere eigenen Werte<br />

und unsere eigenen Positionen einzubringen<br />

und nicht kampflos aufzugeben. Ich<br />

bin überzeugt, dass ein Kleinstaat wie die<br />

Schweiz mit einem so hohen Standard an<br />

Demokratie, Wirtschaft und Wohlfahrt<br />

im Konzert der Grossen nur verlieren<br />

kann.<br />

Wenn ich in Bundesbern bin, gewinne<br />

ich ab und zu den Eindruck, gewisse Ver-<br />

Nationalrat Bruno Zuppiger<br />

treter unserer Behörden und der Verwaltung<br />

würden die Errungenschaften der<br />

Schweiz allzu leichtfertig aufgeben. Sie<br />

sind sich nicht mehr gewohnt, auf Druck<br />

mit Gegendruck zu reagieren. Vielmehr<br />

geben sie Schritt <strong>für</strong> Schritt nach und<br />

passen sich an.<br />

Bilaterale III <strong>–</strong> ein deutlicher Schritt<br />

in Richtung EU-Beitritt<br />

Im Moment stehen wir in der Diskussion,<br />

ob die Schweiz mit der EU ein Verhandlungspaket<br />

«Bilaterale III» schnüren soll.<br />

<strong>Die</strong>ses Paket würde sektorielle Dossiers<br />

wie die Elektrizität, den Agrarfreihandel<br />

oder die Chemikaliensicherheit, aber<br />

auch institutionelle Forderungen der EU<br />

beinhalten (siehe Textbox). Daneben soll<br />

das Gesamtpaket in den Augen der Europäischen<br />

Union die hängigen Steuerprobleme<br />

zwischen der Schweiz und der<br />

EU umfassen. Während die Schweiz an<br />

einem Stromabkommen und einem Abkommen<br />

<strong>für</strong> die chemische Industrie <strong>–</strong><br />

und vom Bundesrat her auch an einem<br />

Landwirtschaftsabkommen <strong>–</strong> interessiert<br />

ist, hat die EU klar zum Ausdruck gebracht,<br />

dass <strong>für</strong> sie im Verhandlungspaket<br />

die Übernahme des künftigen EU-Rechts<br />

sowie ein Steuerabkommen mit automatischem<br />

Informationsaustausch im Vor-


49<br />

dergrund steht. Ja die EU fordert sogar,<br />

dass vor einer Verhandlung über weitere<br />

Dossiers die institutionellen Fragen geklärt<br />

werden. <strong>Die</strong> Wirtschaft, aber auch<br />

verschiedene politische Parteien wie die<br />

SVP und die FDP wollen das nicht. Sie<br />

wollen keinen EU-Beitritt durch die Hintertür.<br />

Das haben sie klar und deutlich<br />

kundgetan. Sie sind auch der Ansicht,<br />

dass es keine <strong>für</strong> unser Land und unsere<br />

Wirtschaft so dringenden Verhandlungsdossiers<br />

gibt, die einen so hohen Preis<br />

der Anpassung an das EU-Recht rechtfertigen<br />

würden.<br />

Es lohnt sich, unabhängig<br />

und eigenständig zu sein<br />

Dass sich Unabhängigkeit und Eigenstän-<br />

digkeit auch heute noch lohnen, zeigt die<br />

Entwicklung seit der Volksabstimmung<br />

über den Beitritt zum EWR im Dezember<br />

1992. Der Kampf gegen allzu starke Anpassung<br />

oder gar eine Eingliederung in<br />

Institutionelle Mechanismen: Worum geht es?<br />

In der Diskussion zwischen der Schweiz und der EU über institutionelle Fragen<br />

stehen vier Punkte im Vordergrund:<br />

• die automatische Anpassung von (neuen) bilateralen Abkommen an das jeweils<br />

aktuelle EU-Recht, das sich laufend weiter entwickelt<br />

• eine einheitliche Interpretation der Abkommen<br />

• eine unabhängige Überwachung der Abkommen<br />

• ein verbindliches Schiedsgericht in Streitfällen<br />

Der Bundesrat hat mehrere Wünsche im Zusammenhang mit den institutionellen<br />

Mechanismen. <strong>Die</strong> Schweiz soll ein Mitspracherecht bei neuen Bestimmungen<br />

erhalten, so wie dies bereits beim Schengen-Abkommen der Fall ist. <strong>Die</strong> Übernahme<br />

von EU-Recht darf nicht automatisch erfolgen. Zur Übernahme von neuem<br />

Recht soll eine genügend lange Frist gelten, damit eine Vorlage falls nötig vors<br />

Volk gebracht werden kann. Will die Schweiz eine Bestimmung nicht übernehmen,<br />

soll nicht das gesamte Abkommen automatisch sofort gekündigt werden,<br />

wie dies beim Schengen-Abkommen, das im Juni 2005 vom Stimmvolk gutgeheissen<br />

worden war, der Fall ist. Vielmehr sollen Kompensationsmassnahmen vonseiten<br />

der EU möglich sein. <strong>Die</strong>se Massnahmen soll die Schweiz in Streitfällen vor<br />

einem Schiedsgericht anfechten können. (Bacs)<br />

die EU hat sich gelohnt. Unser Land muss<br />

den internationalen Vergleich nicht scheuen.<br />

Im Gegenteil: In vielen Bereichen belegen<br />

wir als kleines Land Spitzenplätze.<br />

<strong>Die</strong> direkte Demokratie, der Föderalismus<br />

und das Milizsystem sind Schweizer Werte,<br />

die nur mit einer eigenständigen und<br />

unabhängigen Haltung gegenüber dem<br />

Ausland aufrechterhalten werden können.<br />

Daher müssen wir alles daransetzen,<br />

dass dies auch in Zukunft so bleibt.<br />

* Bruno Zuppiger (59) sitzt seit 1999 <strong>für</strong><br />

die SVP des Kantons Zürich im Nationalrat.<br />

Er ist Mitglied der Finanzkommission,<br />

der Finanzdelegation der eidgenössischen<br />

Räte und der Sicherheitspolitischen<br />

Kommission der Grossen Kammer. Im<br />

Mai 2010 wurde der Unternehmer aus<br />

Hinwil zum Präsidenten des Schweizerischen<br />

Gewerbeverbandes (sgv) gewählt.<br />

Bruno Zuppiger gehört dem <strong>Lilienberg</strong>rat<br />

an. In dieser Funktion ist er hauptsächlich<br />

<strong>für</strong> die Organisation, Durchführung<br />

und Moderation sämtlicher <strong>Lilienberg</strong><br />

Podiumsveranstaltungen zu politischen<br />

Themen verantwortlich.


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Auf <strong>Lilienberg</strong> bietet sich die einzigartige Gelegenheit, aussergewöhnlichen Persönlichkeiten zu begegnen und mit ihnen in den<br />

Vergleich zu treten <strong>–</strong> beispielsweise mit Abtprimas Dr. Notker Wolf, der am 15. März Gast des 64. Forums war.


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oRGANISATIoN<br />

Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum ...<br />

ist ein unternehmerisches Erlebnis- und Begegnungszentrum. Mit seiner traumhaften Lage und seiner einmaligen Umgebung ist <strong>Lilienberg</strong><br />

eine Oase des Nachdenkens, wo man sich finden, einbringen und klären kann. Das Unternehmerforum ist ein Ort der Begegnung,<br />

der Gespräche und der Bildung. Hier treffen sich unternehmerisch denkende und wirkende Persönlichkeiten aus allen Bereichen sowie<br />

deren Mitarbeiterschaft. Um die Ziele zu verwirklichen, bietet das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum unternehmerisch interessierten Menschen<br />

in den drei Bereichen Begegnung, Gespräch und Bildung verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten an.<br />

BEGEGNUNG GESPRÄCH BILDUNG<br />

In verschiedenen Einzelveranstaltungen<br />

mit aussergewöhnlichen Persönlichkeiten<br />

treffen sich unternehmerische<br />

Menschen aus Wirtschaft, Politik,<br />

Gesellschaft und Armee und kommen<br />

miteinander ins Gespräch, um sich gegenseitig<br />

zu begegnen und nachhaltig<br />

kennen zu lernen.<br />

Im Bereich Begegnung unterscheiden<br />

wir folgende Veranstaltungen:<br />

■ Im <strong>Lilienberg</strong> Forum tritt eine aussergewöhnliche<br />

Persönlichkeit auf und<br />

berichtet aus ihrem Wirkungskreis.<br />

■ Der <strong>Lilienberg</strong> Preis wird alle zwei<br />

Jahre an beispielhafte unternehmerische<br />

Persönlichkeiten und Institutionen<br />

verliehen.<br />

■ <strong>Die</strong> <strong>Lilienberg</strong> Rezitale dienen der<br />

Begegnung von Persönlichkeiten in<br />

einem kulturellen Rahmen, der<br />

gleichzeitig jungen Künstlern eine<br />

wertvolle Plattform bietet.<br />

Im Bereich Gespräch werden wirtschaftliche,<br />

politische und gesellschaftliche<br />

Fragen im Zusammenhang mit dem<br />

<strong>Unternehmertum</strong> in folgenden Aktionsfeldern<br />

behandelt:<br />

<strong>–</strong> Sicherheit & Armee<br />

<strong>–</strong> Medien & Kommunikation<br />

<strong>–</strong> Gesundheit & Umwelt<br />

<strong>–</strong> Unternehmenskultur & -ethik<br />

<strong>–</strong> Wirtschaft & Industrie<br />

<strong>–</strong> Politik & Gesellschaft<br />

<strong>–</strong> Bildung & Sport<br />

<strong>Die</strong> Fragestellungen werden in Gesprächszyklen<br />

vertieft behandelt, die in<br />

der Regel ein Jahr dauern und aus mehreren<br />

Kolloquien, einer Tagung und einem<br />

abschliessenden Ausserordentlichen<br />

Gespräch bestehen. Daneben werden<br />

kurze Zyklen organisiert, welche herausfordernde<br />

tagesaktuelle Themen zum<br />

Inhalt haben.<br />

Unter dem Motto «Unternehmer schulen<br />

Unternehmer» bietet <strong>Lilienberg</strong><br />

Erlebnis-Gesprächstage sowohl zu unternehmerischen<br />

Grundsatzthemen als<br />

auch zu Sach- und Fachthemen an. Im<br />

Mittelpunkt stehen jeweils eine Vergleichspersönlichkeit<br />

und deren unternehmerische<br />

Erfahrungen. <strong>Die</strong> Seminarteilnehmer<br />

denken dabei selber vertieft<br />

über sich und über die eigene Position<br />

nach und bringen gegenseitig ihre Erfahrungen<br />

ein.<br />

■ Unternehmergespräche<br />

Unternehmergespräche behandeln die<br />

unternehmerischen Grundsatzfragen,<br />

zum Beispiel: Aufbau und Organisation,<br />

Generationenwechsel, finanzielle Stärkung.<br />

■ Sachgespräche<br />

In Sachgesprächen geht es vor allem um<br />

die Fragen rund um den geeigneten Mitteleinsatz.<br />

■ Fachgespräche<br />

In diesen Gesprächen geht es in erster<br />

Linie um die Bewältigung der Alltagsprobleme<br />

von KMU wie Rekrutierung und<br />

Schulung von Mitarbeitern, Verhandlung<br />

mit Banken.


<strong>Lilienberg</strong> <strong>Unternehmertum</strong><br />

Industriestrasse 1<br />

CH-8340 Hinwil<br />

Telefon +41 44 938 70 00<br />

Fax +41 44 938 70 99<br />

<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />

Blauortstrasse 10<br />

CH-8272 Ermatingen<br />

Telefon +41 71 663 23 23<br />

Fax +41 71 663 23 24<br />

info@lilienberg.ch<br />

www.lilienberg.ch

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