Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum
Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum
Lilienberg – Die Zeitschrift für lebendiges Unternehmertum
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<strong>Lilienberg</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />
<strong>Unternehmertum</strong><br />
Nummer 25 / April 2011
UNTERNEHMERTUM<br />
3 Editorial: «Tut um Gottes willen<br />
etwas Tapferes!»<br />
4 <strong>Unternehmertum</strong> und Umweltethik<br />
7 Exportorientierte Unternehmen<br />
brauchen bessere Rahmenbedin-<br />
gungen <strong>–</strong> die Arbeitnehmer auch<br />
BEGEGNUNG<br />
10 Abtprimas Dr. Notker Wolf formu-<br />
lierte fundamentale Wertehaltun-<br />
gen zur Bewältigung unserer Zukunft<br />
15 Kammermusikalischer Hörgenuss<br />
der Extraklasse<br />
GESPRÄCH<br />
17 Dr. Peter Hasler und <strong>Die</strong>trich Pesta-<br />
lozzi: Ob Post oder KMU <strong>–</strong> Auf<br />
Verwaltungsratsstufe ist unterneh-<br />
merische Erfahrung wichtiger als<br />
Fachkompetenz<br />
<strong>Lilienberg</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong><br />
<strong>Unternehmertum</strong><br />
Nr. 25 <strong>–</strong> April 2011<br />
© Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum, Ermatingen<br />
23 «Familienunternehmen meistern<br />
Krisen besser»<br />
26 «<strong>Die</strong> Menschen sind heute moralisch<br />
nicht schlechter als früher»<br />
28 Ohne Innovation überlebt kein Un-<br />
ternehmen auf dem Markt<br />
30 Bei der medizinischen Versorgung<br />
der Bevölkerung fehlt eine Strategie<br />
34 Hat der Datenschutz schon bald aus-<br />
gedient?<br />
AUSBLICK<br />
38 Naturpärke <strong>–</strong> eine unternehmerische<br />
Herausforderung<br />
40 «Mister Abgeltungssteuer» steht<br />
Ende Mai Red und Antwort<br />
41 Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />
ehrt Dr. h. c. Walter Reist<br />
43 Geplant: Symposium über die Globalisierung<br />
Herausgeberin<br />
Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum<br />
CH-8272 Ermatingen<br />
Telefon +41 71 663 23 23<br />
Fax +41 71 663 23 24<br />
info@lilienberg.ch<br />
www.lilienberg.ch<br />
BILDUNG<br />
45 <strong>Lilienberg</strong> Fachgespräche <strong>–</strong> ein Rückblick<br />
und Ausblick<br />
MITGLIEDSCHAFT<br />
47 Sind Sie schon <strong>Lilienberg</strong> Freund?<br />
BLICKWINKEL<br />
48 Verhältnis der Schweiz zur EU <strong>–</strong> Anpassung<br />
oder Widerstand?<br />
Redaktion und Konzeption<br />
<strong>Lilienberg</strong> <strong>Unternehmertum</strong>, Hinwil<br />
Stefan Bachofen, Wilhelm Knecht<br />
Bilder <strong>–</strong> Fredy Blunier, Vinzenz Zahner,<br />
Hans-Jacob Heitz, Martin Stucki<br />
Druckvorstufe <strong>–</strong> Alinéa AG, Wetzikon<br />
Druck <strong>–</strong> pmc, Oetwil am See
3<br />
Von Christoph Vollenweider<br />
«Tut um Gottes willen<br />
etwas Tapferes!»<br />
«Alle reden und reden, aber niemand un-<br />
ternimmt etwas!»<br />
Wie oft hören wir im Alltag diesen Ausspruch,<br />
der oft mehr einem Seufzer oder<br />
gar einer Anklage gleicht. Dass den Menschen<br />
Reden meistens viel leichter fällt als<br />
Handeln, ist allerdings keine neue Erscheinung.<br />
Schon vom Reformator Huldrych<br />
Zwingli ist der Ausspruch «Tut um Gottes<br />
willen etwas Tapferes!» überliefert. <strong>Die</strong>ser<br />
Satz steht in Zwinglis Brief, den er am<br />
16. Juni 1529 aus dem Lager bei Kappel<br />
nach Zürich sandte. Nach den Worten des<br />
grossen Theologen Karl Barth lässt sich in<br />
diesem Satz «Zwinglis ganzes Christentum<br />
zusammenfassen».<br />
Es fällt schwer, etwas zu<br />
«unternehmen»<br />
Wir wollen diese interessante Aussage Karl<br />
Barths hier nicht interpretieren oder gar<br />
diskutieren, doch eine Erkenntnis lässt sich<br />
zweifellos daraus ableiten: Handeln war<br />
und ist immer wieder das Gebot der Stunde,<br />
doch es fällt vielen Menschen schwer,<br />
dies auch zu tun. Das Heft in die Hand zu<br />
nehmen und etwas zu «unternehmen»,<br />
EDIToRIAL<br />
fällt angesichts einer grossen sichtbaren<br />
Herausforderung leichter, als wenn das<br />
Problem diffuser Natur ist. Und die heutige<br />
Welt und damit auch unsere Gesellschaft<br />
stehen vor sehr vielen diffusen<br />
Problemen, die sich oft erst in einem Unbehagen<br />
manifestieren. Beispiele da<strong>für</strong><br />
gibt es genug, jeder von uns kennt sie: <strong>Die</strong><br />
Stellung der Schweiz in der globalisierten<br />
Welt, die Dominanz des Finanzsektors,<br />
der Zerfall des gesellschaftlichen Konsenses,<br />
ja die Zukunft unseres Wohlstandes<br />
sind Beispiele solcher Bereiche, wo sich<br />
diffuse Ängste manifestieren.<br />
Gefordert sind in solchen Situationen darum<br />
Menschen, die in der Lage sind, aktiv<br />
zu werden, zu handeln, eben etwas zu<br />
unternehmen. Da<strong>für</strong> aber braucht es ein<br />
ganzheitliches Vorgehen unter Berücksichtigung<br />
der menschlichen, sachlichen und<br />
wirtschaftlichen Aspekte. Mit dem Fühlen<br />
werden das Problem erfasst und schöpferische<br />
Visionen entwickelt, mit dem Denken<br />
wird die Kreativität bei der Problemlösung<br />
gefördert, während mit dem<br />
Handeln konstruktive Ideen dann auch<br />
umgesetzt und durchgesetzt werden.<br />
<strong>Lilienberg</strong> stärkt deshalb alle jene Menschen,<br />
die irgendwo in der Gesellschaft<br />
Verantwortung übernommen haben, im<br />
obigen Sinne unternehmerisch, also ganzheitlich<br />
zu fühlen, zu denken und zu handeln.<br />
Wir tun dies in unseren drei Bereichen<br />
Begegnung, Gespräch und Bildung. An<br />
<strong>Lilienberg</strong> Foren beispielsweise treten aussergewöhnliche<br />
Persönlichkeiten auf und<br />
berichten aus ihrem Wirkungskreis. In den<br />
Aktivitäten der sieben Aktionsfelder werden<br />
die grundsätzlichen Fragen aus Wirtschaft,<br />
Politik, Gesellschaft ganzheitlich<br />
angegangen, es werden dabei Impulse<br />
erarbeitet, welche die Verantwortungsträger<br />
befähigen, zum Handeln in der Gesellschaft<br />
überzugehen. Im Bildungsteil<br />
schliesslich setzt sich die Unternehmerschaft<br />
mit verschiedenen relevanten unternehmerischen<br />
Fragestellungen auseinander.<br />
In bildenden Gesprächen stellen<br />
sich Persönlichkeiten zum Vergleich, alle<br />
können sich einbringen, sich klar werden<br />
und sich finden <strong>–</strong> nach dem Motto «Unternehmer<br />
schulen Unternehmer».<br />
<strong>Lilienberg</strong> trägt das Seinige dazu bei, dass<br />
verantwortungsbewusste Menschen in<br />
ihrem Wirkungsbereich «etwas tun können».<br />
Gehören auch Sie zu den «Tapferen»,<br />
engagieren Sie sich als Freund und<br />
Gönner <strong>für</strong> das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum!
4<br />
Von Hans-Jacob Heitz*<br />
Im <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum folgen<br />
wir seit bald zwei Jahrzehnten den ebenso<br />
wichtigen wie richtigen vier unternehmerischen<br />
Fragen von Dr. h. c. Walter<br />
Reist: Was macht Sinn? Was macht stark?<br />
Was macht Spass? Was lohnt sich? Aus<br />
meiner persönlichen langjährigen Erfahrung<br />
auf <strong>Lilienberg</strong> frage ich mich aber:<br />
Haben wir diese Fragen schon je in Bezug<br />
auf das Verhältnis des <strong>Unternehmertum</strong>s<br />
zu unserer Umwelt gestellt? Ich mag mich<br />
nicht daran erinnern. Allenfalls haben wir<br />
es getan, als wir uns im vergangenen Jahr<br />
Gedanken zu unserer Landwirtschaft<br />
machten. <strong>Die</strong> Frage sei erlaubt: Nehmen<br />
wir Unternehmer unsere schöne Schweizer<br />
Natur und damit Umwelt etwa als<br />
selbstverständlich?<br />
Wirtschaft belastet die Natur<br />
<strong>Die</strong> Erfahrung lehrt uns: Zurück aus dem<br />
fernen Ausland, gehen uns oft die Augen<br />
auf <strong>für</strong> unsere Schweizer Naturschönheiten,<br />
wir würden <strong>–</strong> wären wir im Ausland<br />
<strong>–</strong> einen Fotohalt einschalten. Tragen<br />
wir also Sorge zu unserer schönen Natur<br />
mit ihrer vielfältigen Fauna! Nun gilt es<br />
zu bedenken, dass unsere «Natur<br />
Schweiz» nicht nur Natur, nicht Naturpark<br />
UNTERNEHMERTUM<br />
<strong>Unternehmertum</strong> und Umweltethik<br />
sein kann. Vielmehr betreiben wir seit je<br />
in dieser Natur Gewerbebetriebe und<br />
Fabriken, und wir sind täglich mobil. Das<br />
alles belastet unsere Natur. Bislang gelang<br />
es uns, die Balance zu halten zwischen<br />
den Bedürfnissen der Natur und den ökonomischen<br />
Interessen. Heute ist wegen<br />
der latenten Gefahr, dass dieses Gleichgewicht<br />
kippen könnte, viel von umweltschonenden<br />
Produktionsverfahren,<br />
umweltfreundlichen Produkten, Umweltmanagement,<br />
Umweltkommunikation<br />
und nachhaltiger Entwicklung die Rede.<br />
<strong>Die</strong>s im Interesse unserer Nachkommen,<br />
der künftigen Generationen.<br />
Persönliche Eigenverantwortung<br />
<strong>für</strong> unsere Umwelt<br />
Es gilt also auch in Zukunft, die Balance<br />
zwischen Ökonomie und Ökologie zu<br />
halten. Nicht Ideologien, sondern das<br />
Verständnis und die persönliche Eigenverantwortung<br />
<strong>für</strong> unsere Umwelt, gepaart<br />
mit dem nötigen Verantwortungsbewusstsein<br />
<strong>für</strong> die Belange unserer<br />
Privatwirtschaft, können das Gleichgewicht<br />
halten. Denn diese beiden Faktoren<br />
haben unseren Schweizer Wohlstand erst<br />
geschaffen, und sie werden ihn auch<br />
künftig garantieren. Wichtig ist, dass wir<br />
statt dem quantitativen dem qualitativen<br />
Wirtschaftswachstum frönen, das Naturkapital<br />
mit in die Gesamtbilanz, mit ins<br />
Sozialprodukt aufnehmen. Denn: «Für<br />
Wasser, Luft und Landschaft bilden sich<br />
noch keine Preise, welche die tatsächlichen<br />
Knappheiten ausdrücken» (www.<br />
treffpunkt-umweltethik.de).<br />
<strong>Die</strong> globalisierte Weltwirtschaft dürfte<br />
uns die Augen geöffnet haben, dass ferne<br />
Umweltkatastrophen wie jene in Japan<br />
auch uns treffen und dass lebenswichtige<br />
Ressourcen versiegen können,<br />
was nach Alternativen und Substitution<br />
ruft. Der Substanzverlust an wertvollen<br />
Rohstoffen und damit die Umweltbelange<br />
im Allgemeinen müssten endlich als<br />
wichtige Komponenten des Sozialprodukts<br />
berücksichtigt werden. Es kann<br />
realistischerweise nicht verwundern, dass<br />
heute die Rohstoffpreise wegen deren<br />
Verknappung ungebremst stetig steigen,<br />
was <strong>–</strong> auch wegen dadurch bedingter<br />
Rohstoffspekulation <strong>–</strong> die Preisgestaltung<br />
<strong>für</strong> unsere Produkte und damit den Konsum<br />
immer nachhaltiger prägen wird.
5<br />
<strong>Die</strong> Player in unserer Marktwirtschaft<br />
wären gut beraten, über diese Entwicklungen<br />
ernsthaft nachzudenken, damit<br />
die Markwirtschaft wirklich frei bleiben<br />
kann, andernfalls sie zum Sklaven ihrer<br />
Exzesse wird. Gut, dass die Schweiz einen<br />
starken Forschungs- und Entwicklungs-<br />
platz ihr Eigen nennen kann, was sich<br />
bislang in den vielen Nobelpreisen niederschlug,<br />
wozu wir mehr Sorge tragen<br />
müssen denn je. So neu ist das Thema<br />
Umwelt auch wieder nicht, denn schon<br />
Platon (427 <strong>–</strong> 347 v. Chr.) machte sich<br />
Sorgen wegen der Abholzung. Es kann<br />
ohne jeden Beigeschmack von Ideologien<br />
bei Lichte besehen nicht in Abrede gestellt<br />
werden, dass in unserer Umwelt<br />
immer weniger kontrollierbare Umwälzungen<br />
mit schwer abschätzbarem Gefahrenpotenzial<br />
im Gang sind.<br />
Das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Bedürfnissen der Natur hat in vielen Ländern längst gekippt:<br />
Gewerbebetriebe und Fabriken belasten die Natur zum Teil massiv.
Betreiber von Pärken verfolgen das Ziel, besondere Naturwerte einer Region zu erhalten<br />
und <strong>für</strong> die wirtschaftliche und soziale Entwicklung besser zu nutzen. Unser Bild<br />
zeigt Teile des Gebietes Parc Ela im Kanton Graubünden. Der Parc Ela ist der grösste<br />
regionale Naturpark der Schweiz im Aufbau. Er soll im kommenden Sommer vom<br />
Bund das Label «Park von nationaler Bedeutung» erhalten.<br />
Intakte Umwelt als Teil<br />
der Marke «Schweiz»<br />
Wenn heute Professor Peter Ulrich (Universität<br />
St. Gallen) sinniert: «Wer den<br />
globalen Markt will, der muss aus wirtschaftsethischer<br />
Sicht auch sozialverträgliche<br />
und ökologisch nachhaltige globale<br />
Rahmenbedingungen des Wettbewerbs<br />
wollen», hat er so unrecht nicht. Intakte<br />
Umwelt ist Teil der Marke «Schweiz», von<br />
welcher unter anderem der Tourismus<br />
direkt lebt. Es ist unabdingbar, dass sich<br />
die Wirtschaftswissenschaft mit der Frage<br />
beschäftigt, wie wir unsere Entscheidungen<br />
des Einsatzes knapper Ressourcen<br />
mit alternativer Verwendbarkeit <strong>für</strong><br />
die Produktion verschiedener Güter tref-<br />
fen. Wenn es uns Schweizern gelingt,<br />
diese Herausforderungen zu meistern,<br />
schaffen wir uns einen neuen Wettbewerbsvorteil.<br />
Der Weg dorthin muss von Wahrheit,<br />
Klarheit und Seriosität und nicht von<br />
Ideologien geprägt sein. Es geht um die<br />
langfristige Existenzsicherung unserer<br />
Gesellschaft überhaupt. <strong>Die</strong>s aber bedingt<br />
in unserer globalen Gesellschaft,<br />
dass nicht nur, wie heute, regionale Umweltkooperationen<br />
spielen, sondern dass<br />
eine globale Wirtschafts-, Wettbewerbsund<br />
Umweltpolitik definiert wird. Ohne<br />
funktionierende Wirtschaft kein nachhaltiger<br />
Umweltschutz, ohne intakte Um-<br />
welt keine florierende Wirtschaft. Es geht<br />
also um eine stetig neue Interessen- und<br />
Güterabwägung, wozu wir alle aufgefordert<br />
sind. Was also macht Sinn, macht<br />
Spass beziehungsweise motiviert, macht<br />
stark und lohnt sich? Mit diesen Fragen,<br />
wie jüngst Ende März beim <strong>Lilienberg</strong><br />
Gespräch mit Botschafter Dr. Luzius<br />
Wasescha zum Spagat zwischen WTO<br />
und Naturpärken angesprochen, wird<br />
sich das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
künftig mehr auseinanderzusetzen haben.<br />
Nehmen wir diese Herausforderung<br />
an, nutzen wir die noch vorhandene Freiheit<br />
unseres Handelns, packen wir die<br />
Chance und befassen uns gemeinsam<br />
aktiv mit Umweltethik, ganz im Interesse<br />
unserer Schweiz!<br />
«Das Geheimnis des Glücks ist die<br />
Freiheit, das Geheimnis der Freiheit<br />
der Mut!»<br />
(Perikles, 490 bis 429 v. Chr.)<br />
* Hans-Jacob Heitz ist Advokat, alt Bun-<br />
desverwaltungsrichter und Mitglied des<br />
Ehrenteams der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum.
7<br />
Von Peter Bodenmann*<br />
<strong>Die</strong> meisten Unternehmer in der Schweiz<br />
haben heute ähnliche Probleme wie die<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.<br />
Ihre Interessen werden beidseitig durch<br />
Funktionäre wahrgenommen.<br />
Das politische und soziale System der<br />
Schweiz beruht darauf, dass Beamte und<br />
Funktionäre Kompromisse suchen und<br />
finden, die das Gleichgewicht austarieren.<br />
Unternehmer und Lohnabhängige<br />
haben dies zu schlucken.<br />
Das alles funktioniert in ruhigen Zeiten<br />
gar nicht so schlecht. Doch zurzeit verändern<br />
sich viele Rahmenbedingungen<br />
rasend schnell, wie die nachfolgenden<br />
Beispiele zeigen.<br />
• <strong>Die</strong> zu hohen Mieten zwingen immer<br />
mehr Lohnabhängige, über lange Strecken<br />
zu pendeln. <strong>Die</strong> einst von der Politik<br />
geförderte Mobilität soll nun neu bestraft<br />
werden. Wer soll die Kosten übernehmen?<br />
<strong>Die</strong> Meinungen sind geteilt.<br />
UNTERNEHMERTUM<br />
Exportorientierte Unternehmen brauchen bessere<br />
Rahmenbedingungen <strong>–</strong> die Arbeitnehmer auch<br />
• Das Gesundheitswesen war, ist und<br />
bleibt leider ein Selbstbedienungsladen.<br />
Steigende Prämien lassen die realen Löhne<br />
sinken, weil die Explosion der verrechneten<br />
Leistungen im Index keinen Niederschlag<br />
findet.<br />
• Ausländische Hersteller, Generalimporteure<br />
und lokale Monopolisten setzen<br />
sich mit ihren Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
immer mehr durch. <strong>Die</strong> Leidtragenden<br />
sind die Unternehmen im eigenen<br />
Land und damit indirekt die Lohnabhängigen.<br />
• In Bundesbern sitzen bald mehr Bauern,<br />
als es Bauern gibt, die in ihren Ställen<br />
die Kühe melken. <strong>Die</strong> Unproduktiven essen<br />
genüsslich die Früchte der Produktiven<br />
im Land. Sie verteuern das Leben <strong>–</strong><br />
allen voran das Leben von kinderreichen<br />
Familien mit kleinen und mittleren Einkommen,<br />
und zwar ganz massiv.<br />
• <strong>Die</strong> Nationalbank weigert sich, etwas<br />
gegen den starken Franken zu tun. Sie ist<br />
längst zum Spielball der Banken und der<br />
Grosschemie geworden. Darunter leiden<br />
unter anderen die Maschinenindustrie<br />
und der Tourismus.<br />
Konstruktive Kompromisse<br />
sind gefragt<br />
Wer in der Schweiz etwas verändern<br />
möchte, müsste Bündnisse schliessen.<br />
Wer die dringenden Probleme anpacken<br />
will, muss sich die Frage stellen, weshalb<br />
in aller Welt gibt es nicht endlich konstruktive<br />
Kompromisse zwischen Unternehmern<br />
auf der einen und Lohnabhängigen<br />
auf der anderen Seite. Hier einige<br />
Beispiele:<br />
• Eine Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung in<br />
Sitten kostet nur halb so viel wie dieselbe<br />
Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung in den<br />
Zentren der Schweiz. Obwohl man in<br />
Zürich günstiger baut als in Sitten. Der<br />
Grund sind die viel zu hohen Bodenpreise<br />
in Zürich. <strong>Die</strong> Lösung dieses Problems:<br />
Wir müssen Land einzonen, den Bauern<br />
lediglich den doppelten und nicht den<br />
fünfzigfachen Preis <strong>für</strong> das Land bezahlen<br />
und auf diesem Land <strong>–</strong> ohne den<br />
Boden zu versiegeln <strong>–</strong> spekulationsfreie<br />
Plusenergie-Häuser bauen.
Peter Bodenmann bezieht auch Jahre<br />
nach seinem Rücktritt aus dem Nationalrat<br />
pointiert Stellung zu aktuellen<br />
politischen Themen und nimmt dabei<br />
kein Blatt vor den Mund.<br />
• Regionalspitäler sind meiner Meinung<br />
nach dezentrale Kapitalverbrennungs-<br />
Anstalten. 40 Spitäler mit je 500 Betten<br />
genügen vollkommen <strong>für</strong> die Schweiz.<br />
Mit dieser Massnahme könnten die Gesundheitskosten<br />
um jährlich volle drei<br />
Milliarden Franken gesenkt werden.<br />
Gleichzeitig wird die Qualität gesteigert.<br />
Wie in der Industrie bringt uns auch im<br />
Gesundheitswesen nur der überfällige<br />
Strukturwandel voran.<br />
• Alle exportorientierten Schweizer<br />
KMU-Unternehmen ärgern sich immer<br />
wieder über die zu hohen Preise ihrer<br />
Zulieferer. Und über die Zollbürokratie,<br />
wenn sie ihre Waren direkt im Ausland<br />
beziehen. Genau gleich geht es den drei<br />
Millionen Schweizer Haushalten der<br />
Lohnabhängigen. Hier schöpfen Sofa-<br />
Hersteller, Sofa-Generalimporteure und<br />
Sofa-Alleinvertretungen pro Jahr 40 Milliarden<br />
Reichtum ab.<br />
• Wer in der Dorfmetzgerei in Ermatingen<br />
ein Kilo Filet kauft, zahlt immer noch<br />
doppelt so viel wie jener Käufer, der<br />
das Kilo Filet ennet der Grenze in Dornbirn<br />
oder Konstanz einkauft. <strong>Die</strong> Qualität<br />
des Ermatinger Fleischs ist aber nicht besser.<br />
Der Grund <strong>für</strong> diese gewaltigen Preisdifferenzen:<br />
Unsere Bauern werden mit<br />
zu hohen Preisen und zu hohen Subventionen<br />
staatlich durchgefüttert. Jeder<br />
Arbeitnehmer-Haushalt hätte jedes Jahr<br />
3000 Franken mehr reale Kaufkraft <strong>–</strong> und<br />
nur darauf kommt es an <strong>–</strong>, wenn wir endlich<br />
ein einschlägiges Freihandelsabkommen<br />
mit der EU abschliessen würden.<br />
• Einst hiess es: <strong>Die</strong> Nationalbank ist ein<br />
Standortvorteil <strong>für</strong> die Schweizer Wirtschaft.<br />
In der Zwischenzeit wissen wir:<br />
Der starke Franken ist einzig <strong>für</strong> die Banken<br />
und die Chemieindustrie ein Vorteil,<br />
jedoch ein eklatanter Nachteil <strong>für</strong> die<br />
Maschinenindustrie und <strong>für</strong> den Tourismus.<br />
Weshalb die Nationalbank kein Gegensteuer<br />
gibt, will heissen Schweizer<br />
Franken druckt und ausländische Anleihen<br />
mit Negativzinsen bestraft, bleibt<br />
mir ein Rätsel.<br />
Bauern, Banken und Chemie geben<br />
in Bundesbern den Ton an<br />
Ich frage Sie nun:<br />
Geht es den Unternehmen schlechter,<br />
wenn ihre Angestellten günstige Wohnungen<br />
in der Nähe des Arbeitsplatzes<br />
finden? Nein, im Gegenteil.<br />
Geht es uns Unternehmern schlechter,<br />
wenn Spitäler endlich wie Fabriken rationell<br />
geplant und betrieben werden und<br />
auf diese Weise die Krankenkassenprämien<br />
weniger rasant ansteigen? Nein, im<br />
Gegenteil.<br />
Geht es uns exportorientierten Unternehmen<br />
schlechter, wenn die Kette der Sofa-<br />
Import-Profiteure endlich die Schweiz,<br />
ihre Unternehmen und Lohnabhängigen,<br />
nicht mehr über den Tisch ziehen? Nein,<br />
im Gegenteil.<br />
Hilft es den Unternehmen, wenn sie bei<br />
den Lohnverhandlungen unter Druck geraten,<br />
weil die Preise <strong>für</strong> Lebensmittel in<br />
der Schweiz im Vergleich zum Ausland<br />
deutlich höher sind und sie somit gezwungen<br />
sind, die realen Löhne zu erhöhen?<br />
Nein, im Gegenteil.<br />
Wäre es ein Nachteil, wenn die Schweizer<br />
Nationalbank den Frankenkurs ohne Verluste<br />
korrigieren, Franken drucken und<br />
Zinsen senken würde? Nein, im Gegenteil.<br />
Der Tourismus gehört zur Exportindustrie.<br />
<strong>Die</strong> Interessen der Exportindustrie<br />
sind nicht die gleichen wie die Interessen
9<br />
der Bauern, der Grossbanken und der<br />
Basler Chemie. In Bundesbern geben die<br />
Bauern, die Banken und die Chemie den<br />
Ton an. Unsere eigenen Funktionäre beten<br />
deren Sprüche nach.<br />
<strong>Die</strong> Frage stellt sich: Wie lange schauen<br />
wir diesem wirtschaftsfeindlichen Treiben<br />
noch tatenlos zu? Wie lange lassen wir<br />
uns von den anderen an der Nase herumführen?<br />
* Peter Bodenmann (59) sass von 1987<br />
bis 1997 <strong>für</strong> die SP des Kantons Wallis im<br />
Nationalrat. Von 1990 bis 1997 präsidierte<br />
er die Sozialdemokratische Partei der<br />
Schweiz. Nach seinem Ausstieg aus der<br />
Politik hat er in Brig ein eigenes Hotel-<br />
Unternehmen (Good Night Inn) aufgebaut.<br />
Seit bald zehn Jahren tritt er in der<br />
Öffentlichkeit als Verfasser von pointierten<br />
Kolumnen, beispielsweise im «Sonntagsblick»<br />
und in der «Weltwoche» auf.<br />
Von Stefan Bachofen<br />
Peter Bodenmanns Drei-Sterne-Hotel<br />
Good Night Inn in der Altstadt von Brig<br />
bietet in 167 Zimmern Platz <strong>für</strong> fast<br />
300 Gäste.<br />
Gastautoren als Vergleichspersönlichkeiten<br />
<strong>Die</strong> eigene <strong>Unternehmertum</strong>-Philosophie zum Vergleich stellen, nicht als Lehrmeinung,<br />
sondern als Beispiel <strong>für</strong> <strong>lebendiges</strong> <strong>Unternehmertum</strong>. So lautet ein zentraler,<br />
von Dr. h. c. Walter Reist akzentuierter Unternehmensgrundsatz. <strong>Die</strong> Teilnehmenden<br />
der zahlreichen Gesprächs- und Bildungsveranstaltungen auf <strong>Lilienberg</strong><br />
stehen auf Augenhöhe mit ausgewiesenen Persönlichkeiten, leiten aus dem Erfahrungsaustausch<br />
ihre persönlichen Meinungen ab, um später die vielfältigen Herausforderungen<br />
im eigenen Unternehmen zu meistern. Seit einiger Zeit stellt sich<br />
auch in der <strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong> eine Unternehmerpersönlichkeit zum Vergleich.<br />
Zuletzt taten dies Dr. Remi-Felix Notter, Mitbegründer der Neuen Privat Bank AG<br />
(NPB) in Zürich (Ausgabe Nr. 23), und Dr. Günter Heuberger, Geschäftsführer der<br />
Top-Medien in Winterthur (Ausgabe Nr. 24). Für die vorliegende aktuelle Ausgabe<br />
konnte die Redaktion der «<strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong>» den ehemaligen Walliser<br />
SP-Nationalrat und heutigen Hotel-Unternehmer Peter Bodenmann als Gastautor<br />
gewinnen. Wie alle bisherigen Autoren formuliert auch Peter Bodenmann Gedanken<br />
zu aktuellen Themen und vertritt dabei seine persönliche Meinung <strong>–</strong> in der<br />
Hoffnung, dass andere Unternehmerinnen und Unternehmer seine Erkenntnisse<br />
im unternehmerischen Wirken in den Vergleich zu den eigenen Standpunkten<br />
bringen mögen.
10<br />
Von Wilhelm Knecht<br />
Der oberste Repräsentant der Benedikti-<br />
ner, Abtprimas Dr. Notker Wolf, vermit-<br />
telte auf <strong>Lilienberg</strong> Leitgedanken zum<br />
wirksamen Fortbestehen in einer mit<br />
stets schwieriger werdenden Fragestellungen<br />
behafteten und vernetzten Welt.<br />
Er tat dies ausgehend von seiner föderalen<br />
Ordenskongregation und seinen<br />
weltweiten Erfahrungen.<br />
Gesprächsleiter Professor Dr. Dres h. c.<br />
Bernd Rüthers wies zum Auftakt des<br />
64. <strong>Lilienberg</strong> Forums vom 15. März darauf<br />
hin, dass der Benediktinerorden nicht<br />
nur die Religions- und Geistesgeschichte,<br />
sondern ebenso die Kunst-, Sozial- und<br />
Wirtschaftsgeschichte Europas und der<br />
Welt beeinflusst hat. Dem <strong>Lilienberg</strong> gegenüber<br />
liegenden Kloster Reichenau<br />
kam hierbei <strong>für</strong> den nordeuropäischen<br />
Kulturraum eine Schlüsselbedeutung zu.<br />
<strong>Die</strong> Regel von Benedikt von Nursia<br />
(480 <strong>–</strong> 547) ist älter als die Verfassungen<br />
dieser Welt. Was hat sie uns im 21. Jahrhundert<br />
noch zu sagen?<br />
BEGEGNUNG<br />
Abtprimas Dr. Notker Wolf formulierte<br />
fundamentale Wertehaltungen zur Bewältigung<br />
unserer Zukunft<br />
Weltweit 8000 Benediktinermönche<br />
<strong>Die</strong> Benediktiner sind der älteste Orden der Christenheit. Weltweit gibt es heute<br />
etwa 8000 Benediktinermönche, die 341 selbstständigen Mönchsklöstern angehören.<br />
Zudem gibt es 840 Frauenklöster mit heute 16 000 Nonnen. Das Wirken<br />
ist nicht auf Europa beschränkt. Bereits im 17. Jahrhundert entstanden Klöster<br />
in Brasilien, im 19. Jahrhundert kamen Gründungen in vielen Erdteilen hinzu. In<br />
Afrika und Asien nimmt die Anzahl der Klöster und deren Mitglieder auch heute<br />
ständig zu.<br />
Katastrophen fordern solidarisches<br />
Denken und Handeln<br />
Abtprimas Dr. Notker Wolf stellte vorerst<br />
die Frage in den Mittelpunkt, welche<br />
Wertehaltungen zur Zukunftsbewältigung<br />
und zur gedeihlichen Fortentwicklung<br />
der Menschheit als fundamental zu<br />
bezeichnen sind. Um eine Antwort zu<br />
finden, sei wohl vorerst eine umfassende,<br />
konzis erarbeitete Zukunftsanalyse erforderlich.<br />
Eine solcherart massgebende<br />
Analyse liege nicht vor. «<strong>Die</strong> Vorkommnisse<br />
der vergangenen Tage haben mir<br />
das <strong>für</strong> heute vorbereitete Referat geradezu<br />
aus der Hand geschlagen», so der<br />
Abtprimas. <strong>Die</strong> jüngsten verheerenden<br />
Ereignisse in den nordafrikanischen Staaten,<br />
der Tsunami in Japan und die dortigen<br />
Schäden an Atomkraftwerken<br />
verdeutlichten die Begrenzung unserer<br />
Fähigkeiten zur Vorhersage und zu<br />
zeitgerechtem angemessenem Handeln,<br />
dies trotz gewaltiger technischer Fortschritte<br />
der letzten Jahrzehnte und trotz<br />
eines immensen Wissensstandes. «<strong>Die</strong><br />
Geschehnisse fordern von uns weltum-
11<br />
spannt solidarisches Denken und Handeln.<br />
Auch die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
mit ihren fatalen Folgen <strong>für</strong> die<br />
Weltgemeinschaft fordert neue Mechanismen<br />
und Verhaltensweisen.»<br />
Spontan würden wir uns Menschen in<br />
der Rangreihenfolge der Wertehaltungen<br />
wohl die Freiheit an erste Stelle setzen,<br />
ausgehend von Menschenwürde und<br />
einhergehend mit Sicherheit, sagte der<br />
Abtprimas. «Freiheit schliesst Werte wie<br />
eigene Meinungsbildung und Gedankenäusserung<br />
in sich, dies auch als Voraussetzung<br />
zu konstruktiven Dialogen.<br />
Lösungen <strong>–</strong> im Kleinen und im Grossen <strong>–</strong><br />
sollen also nicht von oben aufoktroyiert,<br />
sondern im Erfahren der Bedürfnisse der<br />
Betroffenen entwickelt werden. Ein<br />
Wohlbefinden der Menschen <strong>–</strong> in globaler<br />
Ausrichtung <strong>–</strong> zählt zu unseren ersten<br />
Zielsetzungen.» <strong>Die</strong>s setze praktizierte<br />
Solidarität voraus. Unterstützung, bis hin<br />
zu den Rettungspaketen (etwa auch am<br />
Beispiel des «Euro-Rettungsschirmes»<br />
erkennbar), reflektiere die Erkenntnis<br />
staatenübergreifender und weltweit gegenseitiger<br />
Abhängigkeit. Hilfe gebiete<br />
zumeist das Gebot zu weiter gehender<br />
Selbsthilfe, dies gelte gerade auch <strong>für</strong><br />
Entwicklungsländer. Echte Hilfe verdeut-<br />
liche sich im Überwinden konventioneller<br />
Ab- und Ausgrenzungen, auch kulturoder<br />
religionsbezogen.<br />
Freiheit basiert auf<br />
Eigenverantwortung<br />
«<strong>Die</strong> Natur besitzt ihre eigenen Regelkreise»,<br />
betonte Dr. Notker Wolf. <strong>Die</strong><br />
Menschen könnten diese nicht verändern.<br />
Ein egoistisches Einwirken auf die<br />
Regeln der Natur zeitige <strong>für</strong> unsere Entwicklung<br />
schädigende Folgen. «Schon<br />
am Beispiel unseres Verhaltens gegenüber<br />
Ökologie, Ressourcen und Umwelt<br />
erkennen wir die Notwendigkeit eines<br />
abgestimmten Einhergehens von Freiheit<br />
und Verantwortung.» <strong>Die</strong>se gegenseitige<br />
Abhängigkeit sei in allen Lebensbelangen<br />
<strong>–</strong> somit privat, gesellschaftlich, politisch,<br />
wirtschaftlich (unternehmerisch), insbesondere<br />
auch im Bereich der Bildung und<br />
damit bezogen auf Forschung und Entwicklung<br />
<strong>–</strong> zu bedenken und im Alltag<br />
wahrzunehmen. Freiheit fusst primär auf<br />
Eigenverantwortung. <strong>Die</strong>se könne und<br />
müsse auch in Einschränkung und Selbstbeschränkung<br />
Widerhall finden. <strong>Die</strong>s zum<br />
eigenen Wohl und zum Nutzen der Gesellschaft.<br />
Gesetze folgten vorerst dort,<br />
wo Freiheit missbraucht wird. Notker<br />
Wolf: «Der Grad eines menschenwürdi-<br />
gen Verhaltens kann zuweilen auch an<br />
der Höhe beanspruchter Boni oder an<br />
den Arten anderer Bevorteilungen erkannt<br />
werden. Des Öftern wäre wohl<br />
Begriffen wie Einschränkung auch die<br />
Disziplin der Selbstbeherrschung hinzuzufügen.»<br />
Nicht nur <strong>für</strong> sich, sondern auch<br />
<strong>für</strong> die Mitmenschen da sein<br />
<strong>Die</strong> erwünschten Lebensinhalte, somit<br />
Wertehaltungen, können laut dem Abtprimas<br />
<strong>für</strong> die Menschen, <strong>für</strong> Familien,<br />
<strong>für</strong> Gemeinschaften oder gar <strong>für</strong> Staaten<br />
Der oberste Repräsentant der Bene-<br />
diktiner, Abtprimas Dr. Notker Wolf,<br />
war Mitte März Gast des 64. <strong>Lilienberg</strong><br />
Forums.
12<br />
nicht als allgemein gültig vorgegeben<br />
werden. Vielmehr stünden Wertehaltungen<br />
in Abhängigkeit individuell bestimmter<br />
Lebensweisen und Lebensabsichten.<br />
Wegleitend hierbei sei die Erkenntnis,<br />
dass der Mensch sein Wohlbefinden nicht<br />
(nur) im Ausmass seines materiellen Eigentums<br />
und dessen Zuwachses findet.<br />
«Wertehaltungen können sich auch in<br />
anderen Bereichen manifestieren. Der<br />
Zeitachse des Lebens entlang können sie<br />
mutieren und sich zugunsten des unmittelbaren<br />
Lebens <strong>–</strong> oft gar des Überlebens<br />
<strong>–</strong> in den Prioritäten stark verschieben.»<br />
Dem christlichen Bekenntnis folgend stehe<br />
im Zentrum der Wertehaltungen stets<br />
auch der Gedanke des <strong>Die</strong>nens am Nächsten,<br />
somit nicht nur das Dasein <strong>für</strong> sich,<br />
sozusagen als «Single», sondern auch das<br />
Dasein <strong>für</strong> die Mitmenschen. <strong>Die</strong>sen<br />
Grundgedanken folgend ergebe sich zur<br />
Auswahl und zur Festlegung der individuellen<br />
Wertehaltungen eine Vielzahl von<br />
Überlegungsgrössen. Stellvertretend hierzu<br />
seien hier einige davon festgehalten:<br />
• Familie: Gross- oder Kleinfamilie, Familienplanung.<br />
Ehegatte / Ehegattin: Eintritt,<br />
Austritt und / oder Wiedereintritt ins Berufsleben.<br />
Betreuung der Kinder bei beidseitiger<br />
Berufstätigkeit. Aufnahme der<br />
Grosseltern bei sich zu Hause: generationenübergreifendes<br />
Zusammenleben.<br />
• Beruf und Nebenberuf: Berufliche Ausrichtung<br />
und Positionierung, Sozialkompetenz,<br />
nebenberufliche Tätigkeiten:<br />
Mitwirken in Vereinen, Politik, Institutionen<br />
und Interessengemeinschaften, Gemeinnütziges<br />
Engagement (Freiwilligenarbeit).<br />
• Arbeit, Freizeit, Sport: Tages-Rhythmus,<br />
Ausgewogenheit.<br />
• Bildung und Erziehung: Den Kindern<br />
und Jugendlichen genügend Freiheit lassen,<br />
auch zur Förderung ihrer <strong>für</strong> die Zukunftsgestaltung<br />
notwendigen Kreativität.<br />
(Anmerkung von Notker Wolf: «Was<br />
dann schliesslich auch den Arbeitgebern,<br />
somit den Unternehmungen, zugutekommt<br />
und diese im Wettbewerb stärkt.»)<br />
• Eigener, persönlicher Wert: Gespür <strong>für</strong><br />
eigenen Wert entwickeln. Seine Persönlichkeit<br />
nicht unter eigenem Wert offenlegen<br />
(auch als Kriterium <strong>für</strong> Facebook-<br />
Engagement und dergleichen relevant).<br />
• Medien: Angemessenes Verhalten als<br />
Informationsrezipient sowie als Informa-<br />
tionslieferant Nutzung der Kommunika-<br />
tionssysteme: Selektion, auch bezüglich<br />
Inhalt.<br />
• Persönliche Beziehungspflege: Auswahl,<br />
Frequenz der Kontakte und Begegnungen,<br />
Gegenpool zu «Nur-IT-Kontakten».<br />
• Kultur, Musik: Erweitere Quellen zur Lebensgestaltung.<br />
(Anmerkung von Notker<br />
Wolf: «Wir sind wohl Konsumenten, wir<br />
sollten in diesen Bereichen aber auch persönlich<br />
wieder zu Produzenten werden.»)<br />
• Endlichkeit: Akzeptanz, auch im Hinblick<br />
auf das eigene Sterben, Vertrauen<br />
und Hoffnung im christlichen Glauben<br />
verankert.<br />
• Krankheit, Gebrechen, Behinderungen:<br />
Einstellung, bezogen auf sich selbst<br />
und auf andere: Damit leben und sich<br />
damit gar fortentwickeln. Sich mittels<br />
Begleitung und in Gemeinschaft stärken.<br />
• Gewalt und Verbrechen: Erkennen und<br />
Vermeiden von Ursachen, eigenes Wirken<br />
zur Verhinderung.<br />
• Armut, bei Selbstbetroffenheit: Auch<br />
als Quelle zur Stärkung, zu Durchhaltevermögen<br />
erkennen, anderen gegenüber<br />
Hilfe leisten.<br />
• Konsum, privat und generell: Mass<br />
halten.
13<br />
Benediktinerregel<br />
«Keiner achte auf das eigene<br />
Wohl, sondern mehr auf das des<br />
anderen.»<br />
Was den «reifen Menschen»<br />
auszeichnet<br />
Im Verlauf des Forums stellte der Abtprimas<br />
die Frage in den Raum: «Wer ist<br />
eigentlich ein reifer Mensch?» Seine ersten,<br />
wegweisenden Gedanken hierzu: Ein<br />
reifer Mensch ist wohl meist jener, der<br />
Erschwernisse durchzustehen vermag,<br />
ver meintlich Untragbares zu tragen ver-<br />
sucht und zugunsten der Mitmenschen<br />
schliesslich gar zu tragen sich befähigt.<br />
«Solche Menschen nehmen Abstand vom<br />
Mainstream. Sie bringen den Mitmenschen<br />
ungeachtet von Herkunft und Couleur<br />
Respekt entgegen, sie gehen zu ihnen<br />
nicht auf Distanz und verurteilen sie nicht<br />
von vornherein, vielmehr trachten sie darnach,<br />
mit ihnen ins Gespräch zu kommen,<br />
ihre Meinungen zu erfahren, diese abzuwägen,<br />
zu Konsens-Lösungen zu gelangen.<br />
Jeder Mensch ist von Gott als Individuum,<br />
somit als einzigartig, mit seinen<br />
Stärken und Schwächen, geschaffen.»<br />
Abtprimas Dr. Notker Wolf (Mitte) zusammen mit Moderator Prof. Dr. Dres h. c. Bernd<br />
Rüthers (links) und Christoph Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong> der Stiftung<br />
<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum.<br />
Es gelte, die jeweilige andere Art des<br />
Mitmenschen zu schätzen und anzuerkennen.<br />
«Jeder soll sich seiner Art und<br />
Begabung entsprechend entfalten können.<br />
Es gilt, jedem Mitmenschen Chancen<br />
einzuräumen und die unterschiedlichen<br />
Fähigkeiten im Gemeinschaftssinn<br />
zu nutzen. Hierbei sind Offenheit und<br />
Transparenz sowie der Wille zu gemeinsamem<br />
Tun und Lassen Grundvoraussetzungen.<br />
Der reife Mensch kann Bescheidenheit<br />
sein Eigen nennen, und er kann<br />
Demut zeigen.» Und Notker Wolf erinnerte<br />
an die hohe Verantwortung des<br />
Unternehmers in der Gesellschaft: «Den<br />
Unternehmerinnen und Unternehmern<br />
kommt die hehre Aufgabe zu, <strong>für</strong> die<br />
Menschen Arbeit zu schaffen, damit sie<br />
sich im Leben entfalten können.»<br />
Der Mensch als Persönlichkeit<br />
mit Vorbildfunktion<br />
Der Mensch soll <strong>–</strong> dies als umfassende<br />
Wertehaltung <strong>–</strong> zu einer Persönlichkeit<br />
mit Vorbildcharakter heranwachsen können<br />
<strong>–</strong> und wollen. Der christliche Glaube<br />
vermag es, hierbei zu helfen. <strong>Die</strong> Regel,<br />
sozusagen das Statut des heiligen Benedikt,<br />
bietet zur Zukunftsbewältigung gesellschaftlich,<br />
wirtschaftlich und politisch,<br />
sowohl im nationalen wie im internationalen<br />
/ globalen Kontext <strong>–</strong> bedeutende<br />
Orientierungshilfen.
14<br />
«Prüfen, ob unser Tun den<br />
Wertehaltungen entspricht»<br />
Christoph Vollenweider, Leiter <strong>Lilienberg</strong><br />
<strong>Unternehmertum</strong>, bedankte sich bei Abtprimas<br />
Dr. Notker Wolf <strong>für</strong> das Aufzeigen<br />
seines Weltbildes und <strong>für</strong> den Einblick in<br />
die von ihm erkannten, sich auf die Regel<br />
des heiligen Benedikt beziehenden Wertehaltungen:<br />
«Wir haben uns im unternehmerischen<br />
Wirken stets daran zu erin-<br />
nern, unsere Leitgedanken mit menschli-<br />
chem, sachlichen und wirtschaftlichem<br />
Bezug tiefgehend zu hinterfragen, über<br />
die geplanten Aktivitäten jeweils nochmals<br />
nachzudenken und zu prüfen, ob wir<br />
bezüglich der vorrangigen Wertehaltungen<br />
wie Freiheit, Verantwortung, Solidarität<br />
richtig liegen. <strong>Die</strong>s stets auch mit Blick<br />
auf unsere nachhaltig zu prägende Unternehmenskultur<br />
und Unternehmensethik.»<br />
Rositha Noebel, Bereichsleiterin Begegnung und Gespräch bei der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum, Aron Moser, Leiter Unternehmerforum, (links) und Wilhelm<br />
Knecht, Mitglied des <strong>Lilienberg</strong>rates, (Zweiter von rechts) begleiten Abtprimas<br />
Dr. Notker Wolf auf dem Gang ins <strong>Lilienberg</strong> Zentrum.<br />
64. <strong>Lilienberg</strong> Forum vom 15. März 2011,<br />
«Wertehaltungen zur Zukunftsbewältigung»,<br />
mit Dr. Notker Wolf, Abtprimas<br />
der benediktinischen Konföderation;<br />
Gastgeberin: Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum,<br />
vertreten durch Christoph<br />
Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong>;<br />
Moderation: Prof. Dr. Dres h. c. Bernd<br />
Rüthers.
15<br />
Von Stefan Bachofen<br />
Kammermusik ist ihre grosse Leiden-<br />
schaft: Seit einigen Jahren spielen die<br />
Cellistin Anita Leuzinger und der Pianist<br />
Anton Kernjak regelmässig zusammen<br />
im Duo. Anfang März boten die zwei<br />
Künstler im <strong>Lilienberg</strong> Zentrum eine beeindruckende<br />
Kostprobe ihres Könnens,<br />
Anita Leuzinger auf einem ehrwürdigen<br />
Instrument, einer «Stradivari» aus dem<br />
17. Jahrhundert.<br />
Beide treten regelmässig in der Tonhalle<br />
Zürich auf: Anita Leuzinger ist seit 2005<br />
Solocellistin im Orchester, Anton Kernjak<br />
erhält immer wieder Anfragen als Kammermusiker<br />
am Klavier. Und beide gewannen<br />
in ihrer noch jungen Musikerkarriere<br />
zahlreiche bedeutende Auszeichnungen.<br />
<strong>Die</strong> Zürcherin Anita Leuzinger<br />
sicherte sich den ersten Preis des hochrenommierten<br />
Naumburg International<br />
Violoncello Competition in New York, der<br />
Österreicher Anton Kernjak war beim internationalenJohannes-Brahms-Klavierwettbewerb<br />
in Pörtschach erfolgreich.<br />
Am vergangenen 8. März folgten die<br />
beiden Künstler, die trotz ihres jugendli-<br />
BEGEGNUNG<br />
Kammermusikalischer<br />
Hörgenuss der Extraklasse<br />
chen Alters bereits auf eine international<br />
intensive Konzerttätigkeit zurückblicken<br />
können, der Einladung von Rezital-Gastgeberin<br />
Susanne Rau-Reist und machten<br />
halt auf <strong>Lilienberg</strong>. «Erstmals überhaupt<br />
übernimmt eine Frau an einem Rezital<br />
den Part am Cello <strong>–</strong> passend zum heutigen<br />
Internationalen Tag der Frau», sagte<br />
Susanne Rau einleitend.<br />
<strong>Die</strong> geladenen Gäste kamen in den Genuss<br />
eines hochstehenden Konzerts mit<br />
einem anspruchsvollen Programm. Zur<br />
Aufführung gelangten Werke des<br />
Deutschschweizer Komponisten Hans<br />
Huber sowie von Camille Saint-Saëns und<br />
<strong>–</strong> wie schon an den drei vorangegangenen<br />
Rezitals <strong>–</strong> von Robert Schumann.<br />
Saint-Saëns und Schumann sind Komponisten,<br />
die im 19. Jahrhundert zur Welt<br />
kamen und deren Kompositionen der<br />
Romantik zuzuordnen sind.<br />
Krankheit löste bei Debussy<br />
Schaffenswut aus<br />
Zu Beginn des von Eva Oertle-Zippelius<br />
moderierten Frühlingsrezitals aber interpretierten<br />
Anita Leuzinger und Anton<br />
Kernjak die Sonate <strong>für</strong> Violoncello und<br />
Klavier von Claude Debussy. Debussy,<br />
Meister der Klangfarben, ist ein französischer<br />
Komponist des Impressionismus.<br />
Seine Musik gilt als Bindeglied zwischen<br />
Romantik und Moderne. <strong>Die</strong> Cellosonate<br />
ist eines der späten Werke von Debussy,<br />
das er 1915 schrieb, zu einem Zeitpunkt,<br />
als er bereits unheilbar an einer Krebserkrankung<br />
litt. Es war offensichtlich die<br />
schwere Krankheit, die bei Debussy eine<br />
Art Schaffenswut auslöste, in der er vier<br />
bedeutende Werke in nur gerade vier<br />
Monaten schuf, darunter diese Sonate in<br />
d-Moll. Musikexperten betrachten die<br />
Sonate als Bekenntnis eines vom Tode<br />
gezeichneten Komponisten zu seinem<br />
Schicksal. Im Gegensatz zu vielen anderen<br />
Cellosonaten dieser Zeit dominiert<br />
hier nicht das Tasten-, sondern das Saiteninstrument.
Anita Leuzinger und Anton Kernjak bewiesen sich trotz ihres jugendlichen Alters<br />
als perfekt aufeinander eingespieltes Musikerpaar.<br />
Erinnerungen an Beethoven-Werke<br />
Camille Saint-Saëns erlangte vor allem<br />
durch seine «grosse zoologische Fantasie»,<br />
«Karneval der Tiere», und die Oper<br />
«Samson und Dalila» weltweite Bekanntheit.<br />
Mutter und Grosstante förderten<br />
sehr früh sein musikalisches Talent. Als<br />
Sechsjähriger schrieb das «Wunderkind<br />
aus Frankreich» erste Kompositionen, als<br />
Elfjähriger gab er erstmals ein öffentliches<br />
Konzert. Mit 16 war er bereits Student<br />
an der Universität in Paris, und ein Jahr<br />
später verfasste er die erste Sinfonie. <strong>Die</strong><br />
Liste von Saint-Saëns’ Werken ist umfangreich.<br />
Zu seinen bekannten Kompositionen<br />
zählen zwei Cellosonaten <strong>für</strong> Violoncello<br />
und Klavier; die erste, jene in c -Moll<br />
mit den Sätzen «Allegro», «Andante<br />
tranquillo sostenuto» und <strong>–</strong> als wahres<br />
musikalisches Feuerwerk <strong>–</strong> «Allegro moderato»,<br />
nahmen Anita Leuzinger und<br />
Anton Kernjak ins <strong>Lilienberg</strong> Rezital-<br />
Programm auf. Durch seine packende<br />
Dynamik erinnert das Werk stark an Beethoven.<br />
Der zweite, choralartige Satz erinnert<br />
an die volkstümliche Vertonung<br />
des Gedichtes «Der Mond ist aufgegangen».<br />
Das Finale steigert die bereits vorhandene<br />
Leidenschaft des ersten Satzes<br />
nochmals <strong>–</strong> ungestüm drängend und<br />
hochvirtuos.<br />
Romanzen des Schweizers<br />
Hans Huber<br />
Hans Huber, <strong>für</strong> viele Rezital-Teilnehmer<br />
ein wohl eher unbeschriebenes Blatt, gehörte<br />
zur Wende zum 20. Jahrhundert<br />
zusammen mit Hermann Suter zu den<br />
bedeutendsten Komponisten und Musikpädagogen<br />
der Deutschschweiz. Schon<br />
früh bewies er Talent am Klavier. Im Alter<br />
von 18 Jahren begann er sein Studium<br />
am Konservatorium Leipzig. Ein Jahr spä-<br />
ter schrieb er die zwei Romanzen <strong>für</strong><br />
Violoncello und Klavier in As-Dur und<br />
Es-Dur, die das <strong>Lilienberg</strong> Publikum ge-<br />
niessen durfte. Huber leitete unter ande-<br />
rem die Allgemeine Musikschule in Basel,<br />
und er war an der Gründung des Basler<br />
Konservatoriums beteiligt. Mit dem Ehrendoktortitel<br />
der Universität Basel ausgezeichnet,<br />
amtete er auch als Direktor<br />
des Konservatoriums. Hubers kammermusikalische<br />
Arbeiten sind geprägt von<br />
den starken Einflüssen von Brahms und<br />
seines Vorbildes Schumann. Er schrieb<br />
ausserdem unter anderem fünf Opern,<br />
neun Sinfonien, vier Klavierkonzerte, ein<br />
Violinkonzert, Lieder und Chorwerke.<br />
Musikerpaar harmonierte perfekt<br />
Als kammermusikalischer Leckerbissen<br />
schlechthin gilt die fast 20 Minuten dau-
17<br />
ernde, dreisätzige Sonate <strong>für</strong> Violine und<br />
Klavier Nr. 1 in e-Moll von Robert Schumann<br />
<strong>–</strong> «ein elegisch leidenschaftliches<br />
Werk», wie Moderatorin Eva Oertle-Zippelius<br />
betonte. Auch wenn die Sonate<br />
dem Komponisten selber offenbar nicht<br />
gefallen hat und Schumann deshalb kurz<br />
darauf in Düsseldorf eine zweite Sonate<br />
aufs Papier brachte, «die hoffentlich<br />
besser geraten ist». Von Schumann ursprünglich<br />
<strong>für</strong> Violine und Klavier komponiert,<br />
schrieb Anita Leuzinger die<br />
Sonate <strong>für</strong> Cello um. <strong>Die</strong> Komposition<br />
prägt den vielfach unterschätzten Spätstil<br />
Schumanns exemplarisch. Dass die Sonate<br />
auch <strong>für</strong> Cello ein Hörgenuss ist, bewies<br />
das herrlich aufeinander eingespielte<br />
Musikerpaar. Jugendfrisch zauberte<br />
Anita Leuzinger die warmen Klänge aus<br />
ihrem über 300-jährigen Instrument des<br />
italienischen Geigenbaumeisters Antonio<br />
Stradivari, und Anton Kernjak spielte am<br />
Klavier vielschichtig. <strong>Die</strong> Zwiesprache mit<br />
dem Cello war ein Zeugnis tiefsinniger<br />
Ausschöpfung der Werke. <strong>Die</strong> Begeisterung<br />
der gut 120 Zuhörerinnen und Zuhörer<br />
entlud sich nach der Schumann-<br />
Aufführung in einem lang anhaltenden<br />
Applaus, den die beiden Künstler mit einer<br />
Zugabe quittierten.<br />
GESPRÄCH<br />
Von Wilhelm Knecht<br />
ob Post oder KMU:<br />
Auf Verwaltungsratsstufe<br />
ist unternehmerische Erfahrung<br />
wichtiger als Fachkompetenz<br />
<strong>Die</strong> Verwaltungsräte eines Grossunternehmens<br />
und eines KMU-Familienunternehmens<br />
haben zwar die gleichen<br />
Aufgaben. In der Praxis sind sie aber mit<br />
unterschiedlichen Fragestellungen konfrontiert.<br />
Am <strong>Lilienberg</strong> Gespräch vom<br />
3. März begegneten sich Dr. Peter Hasler,<br />
Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen<br />
Post, und <strong>Die</strong>trich Pestalozzi,<br />
Alleininhaber der Pestalozzi-Gruppe. <strong>Die</strong><br />
Denkanstösse zu den Führungsprinzipien<br />
bei einem öffentlich-rechtlichen Grossunternehmen<br />
einerseits und einem Familienunternehmen<br />
andererseits waren<br />
vielfältig.<br />
<strong>Die</strong>trich Pestalozzi, der den Anlass moderierte,<br />
legte einleitend klar, dass immer<br />
jene Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat<br />
eines Unternehmens gewählt werden<br />
müssten, die den grössten nachhaltigen<br />
Erfolg <strong>für</strong> das betreffende Unternehmen<br />
garantierten. Egal, ob es sich um ein<br />
Gross- oder ein Kleinunternehmen handle.<br />
«<strong>Die</strong>s gilt insbesondere bei der Wahl des<br />
jeweiligen Präsidenten des Verwaltungsrates.»<br />
Kundenbedürfnisse erfüllen und<br />
sozialverantwortlich handeln<br />
Für den Verwaltungsrat der Schweizerischen<br />
Post sei die Umsetzung der Geschäftsstrategie<br />
eine zentrale Herausforderung,<br />
berichtete daraufhin Peter Hasler.<br />
«Wir wollen <strong>für</strong> die Eidgenossenschaft als<br />
Eigentümerin einen finanziellen Mehrwert<br />
und <strong>für</strong> die Post eine tragfähige Eigenkapitalbasis<br />
generieren. Wenn wir die<br />
Bedürfnisse der Kunden optimal erfüllen,<br />
wollen wir gleichzeitig sozialverantwortlich<br />
handeln und auch die Interessen der<br />
Regionen berücksichtigen. Dabei wollen<br />
wir die natürlichen Ressourcen schonen.»<br />
<strong>Die</strong>se Ansprüche und Ziele seien nicht<br />
immer einfach miteinander zu verbinden.<br />
«Doch wir sind überzeugt, dass nur ein<br />
Unternehmen, das diese Balance schafft,<br />
langfristig erfolgreich ist.»
18<br />
Das Unternehmensprofil der Schweizerischen Post<br />
<strong>Die</strong> Schweizerische Post ist in vier Märkten tätig:<br />
• im Kommunikationsmarkt (Briefe, Zeitungen, Werbesendungen, Informationslösungen<br />
und Datenmanagement) in der Schweiz, grenzüberschreitend und international)<br />
• im Schweizer und im grenzüberschreitenden Logistikmarkt (Pakete, Expressangebote<br />
und Logistiklösungen)<br />
• im Schweizer Retailfinanzmarkt (Zahlen, Anlegen, Vorsorgen, Finanzieren)<br />
• im öffentlichen Personenverkehr (Regional-, Orts- und Agglomerationsverkehr,<br />
Systemmanagement) in der Schweiz und punktuell auch international<br />
<strong>Die</strong> Schweizerische Post ist in sieben Konzernbereiche eingeteilt: PostMail, Post-<br />
Logistics, PostFinance, PostAuto, Swiss Post International, Poststellen und Verkauf<br />
sowie Swiss Post Solutions.<br />
Der Betriebsertrag 2010 betrug rund 8,7 Milliarden Franken, dies bei 60 000 Beschäftigten,<br />
davon 6000 Mitarbeitenden im Ausland. Aus der Schweizer Post wird<br />
immer deutlicher ein international agierendes Unternehmen.<br />
Bundesrat wählt<br />
Post-Verwaltungsrat<br />
Der Verwaltungsrat der Schweizerischen<br />
Post, derzeit sind es neun Mitglieder, wird<br />
vom Bundesrat jeweils <strong>für</strong> eine Amtsperiode<br />
von vier Jahren gewählt. Der Bundesrat<br />
bestimmt den Verwaltungsratspräsidenten<br />
und nimmt bei der Besetzung<br />
des Gremiums auf eine angemessene<br />
Vertretung der Regionen, der unter-<br />
schiedlichen Kulturen und der Geschlechter<br />
Rücksicht. Nach dem Prinzip der Gewaltentrennung<br />
zwischen Verwaltungsrat<br />
und der Konzernleitung kommt dem<br />
Verwaltungsrat gemäss Postorganisationsgesetz<br />
neben der Kontroll- und Überwachungsfunktion<br />
in strategischen Belangen<br />
auch eine Steuerungsfunktion zu.<br />
Der Verwaltungsrat genehmigt die<br />
Grundsätze der Unternehmens- und<br />
Kommunikationspolitik, die Konzernstra-<br />
tegie samt strategischer Finanzplanung,<br />
das Preissystem zuhanden des Eidgenössischen<br />
Departements <strong>für</strong> Umwelt,<br />
Verkehr, Energie und Kommunikation<br />
(UVEK), die Rechnungsstellungsstandards,<br />
das Budget, die Berichterstattung<br />
zuhanden der Eidgenossenschaft als Eignerin<br />
und der Postregulierungsbehörde<br />
sowie grosse und strategische Projekte.<br />
Er wählt zudem die Mitglieder der Konzernleitung,<br />
genehmigt die Gesamtarbeitsverträge<br />
und die Löhne der Mitglieder<br />
der Konzernleitung.<br />
Strategie und Vision der Post<br />
Dem gesetzlichen Auftrag folgend<br />
hat die Schweizerische Post<br />
einen ausreichenden Universaldienst<br />
(Post- und Zahlungsverkehr)<br />
in allen Landesteilen nach gleichen<br />
Grundsätzen, in guter Qualität<br />
und zu angemessenen Preisen<br />
zu erbringen. Peter Hasler: «Wir<br />
bewegen Menschen, Güter, Geld<br />
und Informationen zuverlässig,<br />
wertsteigernd und nachhaltig <strong>–</strong><br />
mit Innovationen auf unseren vier<br />
Märkten.»
19<br />
Post passt sich veränderten<br />
Kundenbedürfnissen an<br />
«Der Bundesrat gibt der Post strategische<br />
Ziele vor», betonte Peter Hasler. «Als eine<br />
der Kernaufgaben des Verwaltungsrates<br />
betrachte ich, auch zur Strategieevaluation<br />
<strong>für</strong> den Bundesrat, eine konzis erarbeitete,<br />
umfassende Trendanalyse. <strong>Die</strong><br />
Post muss sich Veränderungen anpassen,<br />
seien sie gesellschaftlicher, wirtschaftlicher,<br />
technologischer oder politischer<br />
Natur. Wir bieten unsere <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
bereits heute physisch und elektronisch<br />
an. <strong>Die</strong> Post erwirtschaftet vier<br />
Fünftel ihres Umsatzes im freien Wettbewerb.<br />
Wir brauchen vom Parlament einen<br />
technologieunabhängigen Versorgungsauftrag<br />
und die nötige unternehmerische<br />
Freiheit.» Kein Verwaltungsratsmitglied<br />
könne <strong>für</strong> sich in Anspruch nehmen, alle<br />
zur Gesamtführung einer Unternehmung<br />
nötigen Fähigkeiten zu besitzen. «Bei der<br />
Auswahl der Verwaltungsratsmitglieder<br />
ist es demzufolge bedeutungsvoll, Persönlichkeiten<br />
mit unterschiedlichen Kernkompetenzen<br />
und mit komplementären<br />
Fähigkeiten zu gewinnen. Hierbei ist es<br />
wichtig, dass sich die einzelnen Mitglieder<br />
dem Aufbau und der Pflege unternehmensrelevanter<br />
Beziehungsfelder<br />
widmen.<br />
Peter Hasler hob noch zwei wesentliche<br />
Sonderaspekte hervor: Im Verwaltungsrat<br />
der Schweizerischen Post sind auch<br />
zwei Repräsentanten der Arbeitnehmenden<br />
vertreten. Eidgenössische Parlamentarier<br />
haben indessen im Verwaltungsrat<br />
keinen Einsitz. Politische und / oder regionale<br />
Vormachtstellungen werden derart<br />
ausgeschlossen.<br />
Peter Haslers beruflicher Werdegang<br />
Führungseigenschaften des<br />
Verwaltungsratspräsidenten<br />
Laut Peter Hasler sollen die Führung und<br />
die Zusammenarbeit innerhalb der Post<br />
respektvoll, fair und partnerschaftlich<br />
sein, und zwar auf allen Ebenen. Gefragt<br />
sei ausserdem offene und transparente<br />
Kommunikation. So steht es im Leitbild<br />
der Schweizerischen Post. <strong>Die</strong> Post handle<br />
nach dem Grundsatz: «Gemeinsam<br />
sind wir stark.»<br />
• 1982 bis 1993: Direktor des Arbeitgeberverbandes der Schweizerischen Maschinenindustrie<br />
(ASM)<br />
• 1993 bis 2006: Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes<br />
• Seit 2006: verschiedene Verwaltungsratsmandate, unter anderem Präsident der<br />
Reka Schweizer Reisekasse. Zudem Präsident des Spitalrates des Universitäts-<br />
Spitals Zürich<br />
• Januar 2010: Wahl zum Verwaltungsratspräsidenten der Schweizerischen Post
20<br />
Verwaltungsratspräsident<br />
ist kein Übermensch<br />
Zu den wesentlichen Merkmalen der Füh-<br />
rungseigenschaften eines Verwaltungs-<br />
ratspräsidenten zählt Peter Hasler:<br />
• Klare Strategieausrichtung<br />
• Konstruktive Zusammenarbeit und<br />
Kompetenzenregelung zwischen Verwaltungsrat<br />
und Konzernleitung<br />
• Gewichtung und Interessenwahrnehmung<br />
aller Anspruchsgruppen (Eigner<br />
beziehungsweise Aktionäre / Kunden /<br />
Lieferanten / Arbeitnehmende / Politik /<br />
Gesellschaft)<br />
• Gesamtheitlich durchdachte Antragsstellungen,<br />
abgestimmt mit der Konzernleitung<br />
(Vermeiden von Antragsrückweisungen<br />
durch den Verwaltungsrat<br />
und / oder Antragsrückzügen<br />
durch die Konzernleitung)<br />
• Ermöglichung harter, aber fair geführter<br />
Auseinandersetzungen<br />
• Kreative und auf Innovation bedachte<br />
Gedankenbeiträge<br />
• Situativer Beizug der Bereichsverantwortlichen<br />
und / oder externer Experten,<br />
auch bei den Verwaltungsratssitzungen,<br />
dies zum Zwecke einer fundierten<br />
Meinungsbildung<br />
• Ausgewogenheit in der Entschlussfassung<br />
• Vertrauensbildung<br />
• Förderung des Teamgeistes innerhalb<br />
des Gesamtgremiums<br />
Peter Hasler hob hervor, dass man von<br />
der jeweiligen Persönlichkeit, die das<br />
Präsidium des Verwaltungsrates innehat,<br />
nicht Übermenschliches erwarten dürfe.<br />
Er selber müsse nicht die besten Fachkenntnisse<br />
einbringen. Vielmehr habe er<br />
darauf zu achten, dass der Verwaltungsrat<br />
als Kollektiv zum grösstmöglichen<br />
Nutzenbeitrag befähigt sei und dass die<br />
zur Entschlussfassung notwendigen Kompetenzen<br />
eingebunden seien. Machtkämpfe<br />
innerhalb des Verwaltungsrates<br />
seien hierbei nicht gefragt. «Ich achte<br />
darauf, dass ich das ganze Team immer<br />
bei guter Laune halte. Hierzu bedarf es<br />
gerade bei hart geführten Debatten auch<br />
etwa zeitgerechte Pausen und da und dort<br />
einer Prise Humor. Für alle Persönlichkeiten,<br />
die mit Führungsaufgaben betraut<br />
sind, gilt zudem, dass sie eine Vorbildfunktion<br />
vorleben sollten.»<br />
Pestalozzi-Gruppe stellte sich<br />
zum Vergleich<br />
Pestalozzi ist ein unabhängiges, erfolgreiches<br />
Familienunternehmen, das von <strong>Die</strong>trich<br />
Pestalozzi, Präsident und Delegierter<br />
<strong>Die</strong> Schweizerische Post und ihre Mit-<br />
arbeitenden sind der Öffentlichkeit und<br />
den Medien viel stärker ausgesetzt …<br />
des Verwaltungsrates als Vertreter der<br />
achten Inhaber-Generation, geführt wird.<br />
<strong>Die</strong> lange Tradition war nur dank ständiger<br />
innovativer Weiterentwicklung der<br />
Marktleistung und mit kompetenten langjährigen<br />
Mitarbeitenden möglich.<br />
Werte wie Verantwortung, Engagement,<br />
Fairness, Ehrlichkeit und Kontinuität, die<br />
in der Unternehmenskultur fest verankert<br />
sind, unterstützen den Erfolg.
21<br />
Das Unternehmensprofil der Pestalozzi-Gruppe<br />
<strong>Die</strong> Unternehmen und die Geschäftsbereiche der Pestalozzi-Gruppe verstehen<br />
sich als führende Lösungsanbieter in ihren Branchen, dies als Handelspartner<br />
mit einem umfassenden Qualitätssortiment, mit Vorfertigungs-, Beratungs- und<br />
Serviceleistungen. Das Marktgebiet umfasst in der Regel die ganze Schweiz, auf<br />
verschiedensten Firmenstandorten basierend. <strong>Die</strong> Geschäftsbereiche umfassen<br />
Stahltechnik, Haustechnik, Gebäudehülle und Logistik. Pestalozzi hat sich in den<br />
Neunzigerjahren von einem traditionellen, vor allem regional tätigen Stahlhändler<br />
zu einem Spezialisten entwickelt. Der Gruppenumsatz lag im Jahre 2010 bei<br />
175 Millionen Franken, dies bei einem Personalbestand von 300 Mitarbeitenden.<br />
<strong>Die</strong>trich Pestalozzi erkannte in den Aus-<br />
sagen von Peter Hasler zu den Führungs-<br />
aufgaben und Wertehaltungen auf Stufe<br />
Verwaltungsrat <strong>–</strong> im Vergleich eines<br />
Grossunternehmens zu einem KMU-<br />
Betrieb <strong>–</strong> viele Übereinstimmungen. <strong>Die</strong><br />
Charakteristik eines Familienunternehmens<br />
reflektiert indessen naturgemäss<br />
Unterschiede. «Als Alleininhaber der Firmengruppe,<br />
als deren Präsident und Delegierter<br />
des Verwaltungsrates, zugleich<br />
auch als deren CEO verfüge ich über eine<br />
gewisse Machtfülle, jedoch gepaart mit<br />
hoher Verantwortung.»<br />
<strong>Die</strong> bestmögliche Auswahl der Mitglieder<br />
des Verwaltungsrates sei <strong>für</strong> ihn von enormer<br />
Bedeutung, sagte <strong>Die</strong>trich Pestalozzi.<br />
«Es müssen Persönlichkeiten sein, die<br />
weniger über ein spezifisches Fachwissen<br />
als vielmehr über weitestgehende unternehmerische<br />
Erfahrung verfügen.» Nebst<br />
seinem Sohn Matthias sitzen derzeit vier<br />
weitere Persönlichkeiten, unterschiedlichster<br />
Branchenherkunft, im Verwaltungsrat.<br />
«<strong>Die</strong>se sollen unabhängig, also<br />
nicht der Unternehmerfamilie verpflichtet<br />
sein.» Gefordert werden von ihnen Objektivität,<br />
faires Verhalten und eigene<br />
… als ein KMU-Familienunternehmen<br />
wie die Pestalozzi-Gruppe, die in den<br />
Geschäftsbereichen Stahl- und Haustechnik,<br />
Gebäudehülle und Logistik<br />
tätig ist.<br />
Beiträge zum nachhaltigen Erfolg der<br />
Pestalozzi-Unternehmensgruppe. «Sie<br />
sollen gegebenenfalls auch gegenüber<br />
mir, als Präsidenten des Verwaltungsrates,<br />
nicht mit Kritik zurückhalten und<br />
meine Zielsetzungen beziehungsweise<br />
Traktanden und Anträge tiefgehend hinterfragen.<br />
Sie sollen auch in Varianten<br />
denken, und wenn sie mich zwischendurch<br />
einmal loben, tut mir das auch<br />
gut!»<br />
«Eine herausfordernde und<br />
vielseitige Aufgabe»<br />
«<strong>Die</strong> Führung unseres bald<br />
250-jährigen Familienunternehmens<br />
ist eine herausfordernde,<br />
vielseitige und schöne Aufgabe.<br />
Dabei weiss ich, dass der Verwaltungsrat,<br />
das Führungsteam und<br />
die Mitarbeitenden sich gemeinsam<br />
<strong>für</strong> eine erfolgreiche Zukunft<br />
der Pestalozzi-Gruppe einsetzen.<br />
Sie ist unser gemeinsames Werk.»<br />
<strong>Die</strong>trich Pestalozzi
22<br />
Zu den vorrangigen Unterschieden im<br />
Vergleich mit dem Verwaltungsrat der<br />
Schweizerischen Post sagte <strong>Die</strong>trich Pestalozzi:<br />
«<strong>Die</strong>se liegen wohl in der unmittelbaren<br />
Entscheidungskompetenz, in der<br />
Kürze und Gradlinigkeit der <strong>Die</strong>nstwege,<br />
verbunden mit hoher Transparenz, bis hin<br />
zur operationellen Stufe. <strong>Die</strong>s setzt ein<br />
gutes Teamwork mit den Leitern der Geschäftsbereiche<br />
voraus. Ich vertrete deren<br />
Anträge in den Verwaltungsratssitzungen<br />
zwar selbst. In gewissen Fällen werden<br />
sie aber zur Behandlung der Geschäfte,<br />
die ihre Bereiche direkt betreffen,<br />
persönlich an die VR-Sitzungen eingeladen.<br />
Das Teamwork und die Beziehungsebenen<br />
werden auch durch ein Sich-<br />
Lösen vom Alltag, etwa in institutionalisierten,<br />
auswärts stattfindenden Klausurtagungen,<br />
gefördert und gefestigt.<br />
Eine besondere Tragweite erkennen wir<br />
bei personellen Neurekrutierungen. Hier<br />
geht es gerade bei Kaderleuten nebst<br />
dem fachlichen Ausweis vorerst um die<br />
Persönlichkeit als solche, um deren Charakter,<br />
um das gegenseitige Vertrauen,<br />
um Akzeptanz im Team und in unserer<br />
Unternehmerfamilie.» Im Übrigen stimmte<br />
<strong>Die</strong>trich Pestalozzi mit Peter Hasler in<br />
dessen Beurteilung überein: «Als Familienunternehmen<br />
sind wir der Öffentlichkeit,<br />
der Politik und den Medien weniger<br />
ausgesetzt als die Schweizerische Post.»<br />
108. <strong>Lilienberg</strong> Gespräch vom 3. März<br />
2011 mit Dr. Peter Hasler, Verwaltungsratspräsident<br />
der Schweizerischen Post.<br />
Gastgeberin: Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum,<br />
vertreten durch Christoph<br />
Vollenweider, Leiter <strong>Unternehmertum</strong>;<br />
Moderation: <strong>Die</strong>trich Pestalozzi (Aktionsfeld<br />
Unternehmenskultur & Unternehmensethik).<br />
Viele Parallelen bei den Führungsaufgaben und Wertehaltungen auf Stufe Verwaltungsrat:<br />
<strong>Die</strong>trich Pestalozzi, Alleininhaber der Pestalozzi-Gruppe (links) und Dr. Peter<br />
Hasler, Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Post.
23<br />
Von Michel Grunder<br />
«Familienunternehmen<br />
meistern Krisen besser»<br />
<strong>Die</strong> Weisbrod Zürrer AG wird bereits in<br />
der sechsten Generation geführt. Sie<br />
ist zwischenzeitlich 180 Jahre alt. Das<br />
traditionsreiche Unternehmen ist heute<br />
eine von insgesamt nur noch zwei Seidenwebereien<br />
in der Schweiz. Seine Firmengeschichte<br />
ist von Höhen und Tiefen<br />
geprägt. Von Krisen wurde Weisbrod<br />
Zürrer schon mehrmals erschüttert. Doch<br />
alle diese Krisen meisterte das Unternehmen<br />
souverän.<br />
<strong>Die</strong> Finanzmarktkrise hat auch in der Textilbranche<br />
tiefe Spuren hinterlassen. «Krisenresistent<br />
sind wir nicht», betonte Verwaltungsratspräsident<br />
Ronald Weisbrod<br />
am 12. Januar am dritten und letzten<br />
Kolloquium im Rahmen des Zyklus «<strong>Die</strong><br />
Wirkung der Unternehmenskultur verstärken<br />
<strong>–</strong> ganz praktisch». «Aber wir<br />
lernten, damit umzugehen. Wir agieren<br />
vorsichtig, verbrauchen Reserven nicht<br />
und behalten die Mittel im Unternehmen.»<br />
<strong>Die</strong> Seidenweberei setze auf langfristiges<br />
Denken statt auf kurzfristiges<br />
Handeln, so Ronald Weisbrod.<br />
GESPRÄCH<br />
Der Präsident zeigte sich davon überzeugt,<br />
dass Krisen in Unternehmen mit<br />
Familienkultur besser gemeistert werden.<br />
«Familienunternehmen berücksichtigen<br />
die Anliegen vielschichtiger Stakeholder<br />
und setzen nicht alles auf den Shareholder-Value.<br />
Das unternehmerische Handeln<br />
unterliegt dem Ziel, einen traditionsreichen<br />
Betrieb langfristig aufrechtzuerhalten.»<br />
Generationenwechsel vollzogen<br />
Im Wandel befindet sich die Weisbrod<br />
Zürrer AG aber nicht nur im Kontext von<br />
Krisen. Das Unternehmen hat vor einigen<br />
Jahren auch den Generationenwechsel<br />
vollzogen. Oliver Weisbrod amtet nach<br />
dem TopSharing-Modell zusammen mit<br />
seiner Frau Sabine als CEO.<br />
Dessen Eigenschaften sind über das Top-<br />
Sharing-Projekt hinaus in die gesamte<br />
Geschäftsleitung geflossen und prägen<br />
heute massgeblich die Unternehmenskultur<br />
der Weisbrod Zürrer AG.<br />
Ronald und Oliver Weisbrod (Mitte)<br />
diskutieren in der Pause mit Moderator<br />
<strong>Die</strong>trich Pestalozzi (rechts).<br />
Das TopSharing-Modell<br />
bedingt …<br />
• Toleranz, Vertrauen und gegenseitigen<br />
Respekt<br />
• Bereitschaft zu Feedback, Reflexion<br />
und Veränderung<br />
• hohe Kommunikationsfähigkeit<br />
• dass unterschiedliche, aber ergänzende<br />
Arbeitsstile aufeinander<br />
abgestimmt werden<br />
• Flexibilität im gesamten Team
Was hat sich im Zuge des Generationen-<br />
wechsels verändert? Das Kolloquium auf<br />
<strong>Lilienberg</strong> lieferte Antworten. Zum einen<br />
übernimmt die Geschäftsleitung noch<br />
akzentuierter Management-Funktionen.<br />
Zum anderen führten schrumpfende<br />
Strukturen zu einer Unterbesetzung des<br />
Managements, wodurch zunehmend<br />
operative Aufgaben durch die verbleibenden<br />
Führungskräfte erledigt werden. Und<br />
drittens haben sich im Kontext der Krise<br />
die Prioritäten und die Marktausrichtung<br />
generell verschoben.<br />
Neue Verantwortlichkeiten<br />
klar definieren<br />
Im Zentrum der Gruppendiskussion im<br />
Anschluss an die Referate von Vater und<br />
Sohn Weisbrod stand die Frage, wie sich<br />
der Senior, also Ronald Weisbrod, auf<br />
seine neue Rolle als «nur» noch Verwaltungsratspräsident<br />
einstimmen konnte.<br />
<strong>Die</strong> Zuhörer erhielten klare Antworten. Es<br />
sei unabdingbar, die eigenen Grenzen<br />
und Möglichkeiten zu kennen. Zudem sei<br />
emotionale Distanz wichtig. Neue Aufgaben<br />
und Verantwortlichkeiten müssten<br />
klar definiert werden. Es müsse zudem<br />
bei einem Generationenwechsel ganz<br />
generell die Frage geklärt werden, welche<br />
Rolle der Seniorchef eines Unternehmens<br />
künftig einnehmen wolle.<br />
<strong>Die</strong> Referenten und die Verantwortlichen des Aktionsfeldes Unternehmenskultur<br />
& Unternehmensethik vor der <strong>Lilienberg</strong> Aula (von links): Michel Grunder,<br />
Oliver Weisbrod, Ronald Weisbrod und <strong>Die</strong>trich Pestalozzi.<br />
TopSharing ist ein Projekt von Julia<br />
Kuark, JKK Consulting, zur Förderung<br />
eines partnerschaftlichen<br />
Führungsmodells. Das Projekt bietet<br />
Rahmen und Leitlinien zur praktischen<br />
Umsetzung von Jobsharing<br />
in Führungspositionen. Das Projekt<br />
wird vom Büro <strong>für</strong> Gleichstellung<br />
von Frau und Mann unterstützt.<br />
Zyklus «<strong>Die</strong> Wirkung der Unternehmenskultur<br />
verstärken <strong>–</strong> ganz praktisch»; <strong>Lilienberg</strong><br />
Kolloquium vom 12. Januar 2011,<br />
«Eine Krise dank einer starken Kultur als<br />
Familienunternehmen meistern <strong>–</strong> ganz<br />
praktisch», mit Ronald Weisbrod, Präsident<br />
des Verwaltungsrates Weisbrod<br />
Zürrer AG, Hausen, und Oliver Weisbrod,<br />
Mitinhaber und CEO Weisbrod Zürrer AG,<br />
Hausen; Moderation: <strong>Die</strong>trich Pestalozzi<br />
(Aktionsfeld Unternehmenskultur & Unternehmensethik).
25<br />
Abschluss des Zyklus<br />
Der Zyklus «<strong>Die</strong> Wirkung der Unternehmenskultur verstärken <strong>–</strong> ganz praktisch»<br />
des Aktionsfeldes Unternehmenskultur & Unternehmensethik geht am 19. April<br />
2011 mit einer Tagung und einem Ausserordentlichen Gespräch zu Ende. Das<br />
Thema des Anlasses lautet: «Durch Authentizität zu einer gelebten Unternehmenskultur».<br />
Referenten sind der Ökonom Dr. <strong>Die</strong>ter Wartenweiler, Gründer,<br />
Mentor und Seminarleiter der Intercoaching-Firmen in der Schweiz und Deutschland,<br />
sowie Roger Herzig, seit 17 Jahren CEO der RWD Schlatter in Roggwil. 2009<br />
erhielt Herzig den Cash-Award als bester Arbeitgeber der Schweiz.<br />
<strong>Die</strong> Produktionsanlagen von Weisbrod<br />
Zürrer in Hausen am Albis werden<br />
laufend dem neusten technischen Stand<br />
angepasst.
26<br />
Von Michel Grunder<br />
Das Kolloquium vom 8. Februar leitete<br />
den neuen Zyklus «Ethische Werte des<br />
<strong>Unternehmertum</strong>s» ein. Der Zyklus verfolgt<br />
das Ziel, dass Referenten und Teilnehmende<br />
eine Werte-Profil-Analyse<br />
erarbeiten. <strong>Die</strong>se dient einerseits der individuellen<br />
ethisch / moralischen Standortbestimmung<br />
und soll andererseits Hand<br />
bieten bei der Frage, ob ein potenzieller<br />
Arbeitnehmer <strong>–</strong> insbesondere dessen<br />
ethische Charakteristik <strong>–</strong> mit den <strong>für</strong> die<br />
betreffende Unternehmung relevanten<br />
Werten harmoniert.<br />
Ziel des ersten <strong>Lilienberg</strong> Kolloquiums des<br />
neuen Jahreszyklus im Aktionsfeld Unternehmenskultur<br />
& Unternehmensethik<br />
war, die relevanten Werte zu finden und<br />
deren Bedeutung <strong>für</strong> Unternehmen und<br />
Arbeitnehmer zu diskutieren. Dr. Christoph<br />
Weber-Berg führte die Teilnehmenden<br />
mit seinem Referat in die Wertedebatte<br />
ein. <strong>Die</strong> oft herbeigezogene<br />
Wertekrise anerkennt er nicht. Menschen<br />
seien heute moralisch nicht schlechter als<br />
früher. Bereits das philosophische Urgestein<br />
Sokrates habe sich über die man-<br />
GESPRÄCH<br />
«<strong>Die</strong> Menschen sind heute<br />
moralisch nicht schlechter als früher»<br />
gelnde Werthaltigkeit jugendlichen Handelns<br />
beklagt. «Aber wir müssen wieder<br />
lernen, uns moralisch zu orientieren.<br />
Durch den technischen, wissenschaftlichen<br />
und ökonomischen Fortschritt haben<br />
wir den stetigen Kampf ums Überleben<br />
überwunden. Und mit der Aufklärung<br />
haben wir uns vom Moral-Monopol<br />
der Religionen befreit. <strong>Die</strong>sen Fortschritt<br />
haben wir moralisch aber noch nicht verinnerlicht.»<br />
Verstehen lernen,<br />
was Wert in der Wirtschaft ist<br />
Ebenso müssten wir neu verstehen lernen,<br />
was Wert in der Wirtschaft ist, so<br />
Christoph Weber-Berg. In den vergangenen<br />
Jahren habe die Marktgläubigkeit<br />
alles dominiert. Politik galt als Versagen,<br />
Ethik als Privatsache. «Dabei geht vergessen,<br />
dass das Wirtschaften eigentlich im<br />
<strong>Die</strong>nste des Menschen steht. Wir sollten<br />
uns daher vermehrt wieder auf drei<br />
Grundsatzfragen besinnen.»<br />
• Was ist gutes Leben? (Ethik)<br />
• Was ist gerechtes Zusammenleben?<br />
(Politik)<br />
• Was ist verantwortliches und<br />
zweckmässiges Handeln? (Wirtschaft)<br />
Bei der Beantwortung dieser Fragen<br />
seien Werte wegweisende Orientierungshilfen,<br />
betonte der Referent. «Sie<br />
umschreiben ideale Zielgrössen guten<br />
Lebens und gerechten Zusammenlebens.»<br />
Christoph Weber-Berg führte die<br />
Teilnehmer im Sinne einer Diskussionsgrundlage<br />
durch verschiedene Werte-<br />
Kategorien und Grundwerte aus christlicher<br />
Sicht. Keine Theorie oder Religion<br />
kann jedoch eine Person von der Freiheit<br />
entbinden, sich selber Gedanken zur<br />
Moral zu machen und ihr ethisches<br />
Weltbild zu gestalten.
27<br />
Referent Dr. Christoph Weber-Berg von der Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft in Zürich (links)<br />
nimmt nach dem Anlass in der <strong>Lilienberg</strong> Remise Anregungen von Kolloquiums-<br />
Teilnehmer Bruno Rossi entgegen.<br />
Relevante Werte<br />
im <strong>Unternehmertum</strong><br />
Am Ende der intensiven Gruppendiskussion<br />
standen die folgenden<br />
<strong>für</strong> Unternehmen und Arbeitnehmer<br />
relevanten Werte im Zentrum:<br />
• Authentizität<br />
• Legitimität<br />
• Respekt<br />
• Verantwortung<br />
• Nachhaltigkeit<br />
• Vertrauen<br />
• Solidarität<br />
Zyklus «Ethische Werte des Unterneh-<br />
mertum»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium vom<br />
8. Februar 2011, «Wert-Setzung und <strong>–</strong><br />
Definition», mit Dr. Christoph Weber-<br />
Berg, Leiter Center for Corporate<br />
Social Responsibility, Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft (HWZ), Zürich; Moderation:<br />
Michel Grunder (Aktionsfeld Unternehmenskultur<br />
& Unternehmensethik).<br />
Weitere Anlässe im Rahmen<br />
des Zyklus 2011<br />
• 6. April: Kolloquium zum Thema<br />
«Sind individuelle Wertvorstellungen<br />
mit den Unternehmenswerten<br />
kompatibel?». Mit Andreas<br />
Hürlimann, Managing Partner,<br />
themissinglink, Oetwil a. d. L.<br />
(Berichterstattung über diesen<br />
Anlass in der <strong>Lilienberg</strong> <strong>Zeitschrift</strong><br />
Nr. 26)<br />
• 15. Juni: Kolloquium zum Thema<br />
«Praxistest»
28<br />
Von Max Becker<br />
Innovationen sind der Nährboden <strong>für</strong><br />
unternehmerischen Erfolg. <strong>Die</strong>se zu generieren<br />
und umzusetzen, ist die ganz<br />
grosse Herausforderung jedes Unternehmers.<br />
Ideen können von überall her<br />
kommen: von Denkfabriken, von den<br />
Mitarbeitenden, dem Management, von<br />
Kunden und Lieferanten <strong>–</strong> aber auch von<br />
Schulen und Universitäten. Das Aktionsfeld<br />
Wirtschaft & Industrie befasst sich in<br />
seinem neuen Zyklus mit der Thematik<br />
«Innovation im <strong>Unternehmertum</strong>». Am<br />
9. März fand das erste Kolloquium statt.<br />
Referenten waren der Präsident der ETH<br />
Zürich und der Innovations-Manager von<br />
Bernina International.<br />
<strong>Die</strong> ETH als Spitzenuniversität mit rund<br />
400 Professoren ist hervorragend positioniert<br />
als gut ausgerüstete Trägerin von<br />
«ideas labs», die integrative Forschungsvorhaben<br />
zum Gegenstand haben (zum<br />
Beispiel nachhaltiges Bauen, integrales<br />
Risk-Management) und auch die Zusammenarbeit<br />
zwischen verschiedensten<br />
Forschungsdisziplinen und Instituten fördern.<br />
<strong>Die</strong> Resultate werden später die<br />
GESPRÄCH<br />
ohne Innovation überlebt kein<br />
Unternehmen auf dem Markt<br />
Unternehmungen bei der kreativen und<br />
innovativen Ausgestaltung von Strategien<br />
unterstützen. Der Präsident der ETH<br />
Zürich, Prof. Dr. Ralph Eichler, skizzierte<br />
in einem eindrücklichen Input-Referat die<br />
Ansätze der ETH, die faktisch das gesamte<br />
Spektrum der technischen Wissenschaften<br />
umfassen und <strong>–</strong> Zitat Ralph<br />
Eichler <strong>–</strong> «oft auf «crazy ideas» basieren».<br />
Innovatives Design fördert Absatz<br />
Professor Eichler umriss Forschung mit<br />
«Transformation von Geld zu Wissen» und<br />
Innovation als «Transformation von Wissen<br />
zu Geld». «Forschungsvorhaben haben<br />
typischerweise einen Lebenszyklus von<br />
drei und mehr Jahren und es werden oft<br />
Fragen wie ‹Was kommt nachher?› angegangen.»<br />
Innovationen unterstützen und<br />
begleiten die gesellschaftlichen Megatrends,<br />
entsprechend spielen die Social<br />
Networks bei der Verbreitung von Resultaten<br />
eine zunehmend wichtige Rolle auf<br />
globaler Ebene. Ausserdem dürfen die<br />
Design-Aspekte bei der Frage der Innovation<br />
nicht unterschätzt werden. Eine Innovation<br />
kann auch einen Trend reflektieren,<br />
und Produkte leben auch von Moden: Gefälliges<br />
und innovatives Design ist klar<br />
absatzfördernd.<br />
Unabhängig vom Thema «Innovation»<br />
betonte Ralph Eichler, dass sich die ETH<br />
Zürich im Spannungsfeld von Öffentlichkeit,<br />
Politik, Medien befinde: «<strong>Die</strong> Internationalität<br />
ist greifbar, zirka 40 Prozent<br />
der neu ernannten Professoren stammen<br />
aus dem Ausland, aber finanziell ist die<br />
ETH auf die nationale Bildungs- und Finanzpolitik<br />
abgestützt, die auch immer<br />
in Gefahr ist, zum Spielball politischer<br />
Ansichten zu werden.» Auf dieser Gratwanderung<br />
das Beste <strong>für</strong> den Innovationsstandort<br />
Schweiz herauszuholen, das<br />
habe sich die ETH auf die Fahne geschrieben.<br />
Dass die Schweiz mit der besten<br />
«Percapita-Erfolgsrate» Weltmeisterin<br />
der Innovation ist, freut Professor Eichler.<br />
Mit benutzerfreundlichen<br />
Maschinen auf dem Markt bestehen<br />
Michael König, Innovations-Manager<br />
Bernina International in Steckborn, legte<br />
die Innovationsstrategie der stark exportorientierten<br />
Bernina-Gruppe mit über<br />
1000 Mitarbeitenden und einer mehr als<br />
100-jährigen Tradition dar. Zusammen<br />
mit einem Team von Spezialisten verfolgt
29<br />
er ohne den Druck des Alltagsgeschäfts<br />
die Entwicklung auf dem Gebiet der Nähmaschinen<br />
weltweit und entwickelt<br />
Ideen, die Produkte-Verbesserungen im<br />
Fokus haben und damit das Bestehen auf<br />
dem Markt sicherstellen. Als Beispiele<br />
nannte er benutzerfreundlichere Nähmaschinen,<br />
die kreatives Nähen ermöglichen:<br />
Michael König, der selbst auch<br />
gelegentlich näht, schätzte, dass rund<br />
95 Prozent der Bernina-Produkte von<br />
Frauen gekauft werden. Entsprechend<br />
seien die Testpersonen, die Pilotprodukte<br />
einer Prüfung unterziehen, vornehmlich<br />
Frauen. Das Innovations-Management<br />
bei Bernina müsse auch die Megatrends<br />
einbeziehen («Wer wird in Zukunft<br />
nähen?» «Welche Kulturkreise erfordern<br />
Welche Produkte?»). «Flaggschiffe» der<br />
Bernina-Gruppe wie die Bernina 830<br />
waren und sind innovationsgetrieben: die<br />
«830er» mit 70 neuen Funktionen, wovon<br />
15 patentiert worden sind.<br />
Bald gemeinsames Projekt von<br />
ETH und Bernina?<br />
Und so blieb am Schluss des Kolloquiums<br />
die bohrende Frage: «Und was kommt<br />
nach der Nähmaschine?» Professor Eichler<br />
zögerte nicht, Bernina Hand zu bieten<br />
<strong>für</strong> ein gemeinsames Projekt von ETH<br />
Zum Start des neuen Zyklus im Aktionsfeld Wirtschaft & Industrie waren zwei hochkarätige<br />
Persönlichkeiten Gäste von Dr. Max Becker (rechts) und Anton Bucher (links):<br />
ETH-Präsident Prof. Dr. Ralph Eichler (Zweiter von links) und der Innovations-Manager<br />
von Bernina International, Michael König.<br />
und Bernina. Für die Verantwortlichen<br />
des Aktionsfeldes Wirtschaft & Industrie,<br />
Dr. Max Becker und Anton Bucher, ist klar:<br />
Sobald die Resultate eines allfälligen sol-<br />
chen Gemeinschaftsprojekts bekannt<br />
sind, wird das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerfo-<br />
rum die beiden Referenten, Ralph Eichler<br />
und Michael König, wieder nach Ermatingen<br />
einladen, um die Projekte zu präsentieren.<br />
Zyklus «Innovation <strong>–</strong> was bringt Unternehmen<br />
weiter?», <strong>Lilienberg</strong> Kolloquium<br />
vom 9. März 2011, «Spitzenleistungen der<br />
Innovation <strong>–</strong> gibt es Rezepte <strong>für</strong> KMU?»,<br />
mit Prof. Dr. Ralph Eichler, Präsident der<br />
ETH Zürich, und Michael König, Innovations-Manager<br />
Bernina International,<br />
Steckborn; Moderation: Dr. Max Becker<br />
und Anton Bucher (Aktionsfeld Wirtschaft<br />
& Industrie).<br />
Weitere Anlässe<br />
im Jahreszyklus 2011<br />
11. Mai: Kolloquium zum Thema<br />
«Denken und denken lassen: Kreative<br />
Ideen <strong>–</strong> von innen oder aussen?»<br />
28. Juni: Kolloquium zum Thema<br />
«Wie Innovation in Gang setzen?<br />
Welche Unternehmenskultur<br />
braucht es dazu?»<br />
25. Oktober: Tagung und Ausserordentliches<br />
Gespräch<br />
13. Dezember: <strong>Lilienberg</strong> Gespräch<br />
mit Emanuel Probst, CEO Jura Kaffeemaschinen
30<br />
Von Peter Eichenberger<br />
<strong>Die</strong> Diskussionen um die ständig wach-<br />
senden Kosten unseres anerkannt guten<br />
Gesundheitswesens werden in erster<br />
Linie durch die stark ansteigenden Prämien<br />
der Krankenkassen geschürt, die<br />
vor allem Gesunde nicht mehr einfach<br />
so hinnehmen wollen und teilweise wohl<br />
auch nicht können. Es wird intensiv nach<br />
Steuerungsmöglichkeiten gesucht, doch<br />
gelang es bisher nicht, eine Wende herbeizuführen.<br />
<strong>Die</strong>s bewog das <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum dazu, die Thematik<br />
in einem Zyklus näher zu beleuchten.<br />
Anfang Februar wurde der Zyklus abgeschlossen.<br />
«Mehr liberalisieren oder mehr regulieren<br />
im Gesundheitswesen?» So lautete der<br />
Titel des Jahreszyklus des Aktionsfeldes<br />
Gesundheit & Umwelt. Zum Abschluss<br />
des Zyklus am 3. Februar erläuterte der<br />
Thurgauer Regierungsrat Bernhard Koch<br />
die Aufgaben, die mit der Einführung der<br />
neuen Finanzierung mit den Fallpauschalen,<br />
auch Diagnosis-Related-Groups<br />
(DRG) genannt, auf den Kanton zukommen.<br />
Er erwähnte die Schaffung der ge-<br />
GESPRÄCH<br />
Bei der medizinischen Versorgung<br />
der Bevölkerung fehlt eine Strategie<br />
setzlichen Grundlagen, den Erlass der<br />
Spitallisten durch den Kanton sowie die<br />
Erteilung der Leistungsaufträge an die<br />
Listenspitäler. Im Weiteren müsse der<br />
Anteil des Kantons bei der Finanzierung<br />
der Spitalbehandlungen festgelegt werden<br />
<strong>–</strong> zwischen 45 und 55 Prozent, was<br />
direkte Auswirkungen auf die Höhe der<br />
Prämien und der Steuern hat. Regierungsrat<br />
Koch betonte aber auch, dass da<strong>für</strong><br />
wesentliche Eckwerte, bezogen auf Wirtschaftlichkeit<br />
und Qualität, vom Bund<br />
bisher noch nicht definiert worden seien.<br />
«Auch die Festlegung des Investitionsund<br />
des Innovationskostenanteils bei den<br />
Fallpauschalen ist dringend.» Er be<strong>für</strong>wortete<br />
die generelle Aufhebung des<br />
Ärztestopps und damit der Sonderbehandlung<br />
der Spezialisten.<br />
Nationale Strategie gefordert<br />
Dr. med. Jürg Schlup, ehemaliger Präsident<br />
der Ärztegesellschaft des Kantons<br />
Bern, zeigte sich mit dem, was 2010 auf<br />
nationaler Ebene in Sachen Steuerung<br />
des Gesundheitswesens erreicht worden<br />
war, nicht zufrieden. «Wichtige Entschei-<br />
de wurden provisorisch gefällt oder vertagt,<br />
auch bei den Preisen <strong>für</strong> Generika<br />
wurde kein wirksamer Entscheid getroffen.»<br />
Bund und Kantone müssten gemeinsam<br />
eine nationale Strategie definieren,<br />
aus der ersichtlich ist, welche<br />
medizinische Versorgung der Bevölkerung<br />
angestrebt und wie sie finanziert<br />
werden soll. Als Führungsinstrument sei<br />
das Krankenversicherungsgesetz (KVG)<br />
ungenügend, so der Referent, der selbst<br />
als praktizierender Arzt tätig ist.<br />
Jürg Schlup bemängelte im Weiteren anhand<br />
konkreter Beispiele die ungleiche<br />
Entschädigung von Leistungen im spitalnahen<br />
und spitalfernen Bereich, mit Benachteiligung<br />
des spitalfernen Bereichs.<br />
<strong>Die</strong>ser Bereich werde dadurch <strong>für</strong> die<br />
Hausärzte unattraktiv. Auch warnte er<br />
vor Problemen als Folge der Verknappung<br />
der Finanzmittel der Kantone und des<br />
zunehmenden Mangels an Fachpersonal.<br />
Er be<strong>für</strong>wortete eine dosierte Reglementierung.
31<br />
Unter der Leitung von Dr. med. Peter Eichenberger (Mitte) diskutierten zum Abschluss des Jahreszyklus im Aktionsfeld Gesundheit<br />
& Umwelt (von links) der Thurgauer Regierungsrat Bernhard Koch, Prof. Dr. med. Rolf Streuli, Leiter der Taskforce von Swissmedic,<br />
Dr. Andrea Arz de Falco, Vizedirektorin des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit, und der praktizierende Arzt Dr. med. Jürg Schlup.<br />
Mit Prävention<br />
hohe Kosten vermeiden<br />
Dr. Andrea Arz de Falco, Vizedirektorin<br />
des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit (BAG),<br />
stellte in ihrem Tätigkeitsfeld eher eine<br />
Deregulierung mit Beseitigung von Doppelspurigkeiten<br />
und Schaffung von liberaleren<br />
Regelungen fest. Vieles sei in<br />
Arbeit: Gesetze in den Bereichen Heilmittel,<br />
Transplantation, Epidemien und<br />
Fortpflanzung. Das relativ allgemein gehaltene<br />
Präventionsgesetz liege immer<br />
noch bei der vorberatenden Kommission.<br />
Schwergewichte <strong>für</strong> das laufende Jahr<br />
seien die Präventionsprogramme in den<br />
Bereichen Alkohol, Tabak und Bewegung.<br />
«Es geht um die Vermeidung von<br />
hohen Kosten durch selbst verschuldete<br />
und übertragbare Krankheiten bei immer<br />
höherer Lebenserwartung.»<br />
Gesundheitskosten haben kritische<br />
Grenze noch nicht erreicht<br />
Prof. Dr. med. Rolf Streuli, Leiter der<br />
Taskforce von Swissmedic, des Schweizerischen<br />
Heilmittelinstitutes, warnte vor<br />
zu hohen Erwartungen an die freie<br />
Marktwirtschaft im Gesundheitswesen<br />
und zeigte anhand von Beispielen, dass<br />
Angebote wie Untersuchungen mit hochentwickelten<br />
spezifischen Geräten <strong>–</strong> auch<br />
wenn sie noch so teuer sind <strong>–</strong> genutzt<br />
werden und die Geräte ausgelastet sind.<br />
<strong>Die</strong> Gesundheitskosten hätten mit<br />
12 Prozent des Bruttosozialproduktes die<br />
kritische Grenze noch nicht erreicht.<br />
«Wenn die Bevölkerung dies will und<br />
die entsprechend höheren Steuern- und<br />
Prämienzahlungen da<strong>für</strong> aufbringt, sind<br />
auch 15 Prozent möglich.»<br />
Verständlicherweise konnten auf Lilien-<br />
berg keine Patentrezepte <strong>für</strong> die Steue-<br />
rung des komplexen Systems Gesund-<br />
heitswesen gefunden werden. <strong>Die</strong><br />
Einführung der Fallpauschalen wurde<br />
zweifellos als Meilenstein betrachtet. <strong>Die</strong><br />
Teilnehmenden der Abschlussveranstaltung<br />
forderten jedoch in einer lebhaften<br />
Diskussion mit den Referenten die Definition<br />
der Qualität und die Entschädigung<br />
des Mehrwerts von erbrachten Leistungen<br />
<strong>für</strong> die Gesundheit statt einfach der<br />
ausgeführten Leistungen. Nicht zuletzt<br />
wurde aber auch hervorgehoben, dass<br />
das Gesundheitswesen mit seinen zahlreichen<br />
Stellen einen wesentlichen Teil<br />
der Volkswirtschaft darstellt.
32<br />
Erkenntnisse aus den drei Kolloquien des Jahreszyklus<br />
Im ersten Kolloquium über die Grundversorgung wurden die zunehmende Einengung<br />
durch Steuerung der Praxiseröffnungen, den Verlust der Selbstdispensation<br />
und das Tarifsystem Tarmed bemängelt. Eine duale Grundversorgung mit Zusatzversicherung<br />
auch im ambulanten Bereich wurde angeregt. Im elektronischen<br />
Zeitalter nehme der Stellenwert des Hausarztes ab. Der Einfluss der Politiker dagegen<br />
gewinne an Bedeutung, und Partikularinteressen erschwerten die Verhandlungen.<br />
Der Versuch, die Kosten zu steuern, führe zu vermehrter Regulierung. <strong>Die</strong><br />
Referenten verlangten Wettbewerb statt Kontrahierungszwang, und sie forderten<br />
die Aufhebung des Praxiseröffnungsstopps und vermehrte Datentransparenz. Ferner<br />
sei der Patient als Teilhaber und nicht einfach als Kunde in den Wettbewerb<br />
einzubauen.<br />
Im zweiten Kolloquium, in dem es um staatliche Vorschriften und die Freiheiten<br />
des Einzelnen ging, diskutierten Referenten und Teilnehmende über den Stellenwert<br />
der Prävention im Rahmen der zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung<br />
und im Hinblick auf die hohen Gesundheitskosten wegen vermeidbarer<br />
Krankheiten. <strong>Die</strong> Schaffung von geeigneten Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen,<br />
die Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit, der Schutz<br />
von unbeteiligten Dritten und der Jugend wurden propagiert. Ein neues Präventionsgesetz<br />
werde die Kompetenzen regeln. Einigkeit herrschte darüber, dass ein<br />
Zwang zur Prävention möglichst vermieden werden soll.<br />
Im dritten Kolloquium über die in unterschiedlicher Form entstehenden Ärztenetzwerke<br />
wurde der Wettbewerb um bessere Qualität, um mehr Transparenz<br />
und um die Nähe an den Bedürfnissen der Patienten, aber nicht um den Zugang<br />
zu den Leistungen der Grundversicherung be<strong>für</strong>wortet. Mindestvoraussetzungen<br />
<strong>für</strong> Netzwerke seien die Budgetmitverantwortung, ein Disease- und Case-<br />
Management, die Qualitätszertifizierung, die freie Arzt-, Spital- und Netzwerkwahl<br />
und eine einheitliche Grundversicherung. Vor allzu grosser Einmischung<br />
der Gesetzgebung und vor überbordender Administration wurde gewarnt, auch<br />
vor dem immer grösser werdenden Einfluss der Krankenkassen wegen der bei<br />
ihnen zusammenströmenden Daten. Das Plenum setzte sich <strong>für</strong> eine Reduktion<br />
der Anzahl Leistungsanbieter, <strong>für</strong> klare Messgrössen und <strong>für</strong> die Bewertung des<br />
Mehrwerts von Behandlungsmassnahmen zugunsten der Gesundheit der Patienten,<br />
nicht aber <strong>für</strong> die Kostensenkung <strong>für</strong> den Versicherer ein.<br />
Mehr liberalisieren oder mehr regulieren<br />
im Gesundheitswesen? Das Publikum<br />
beteiligte sich mit Engagement an der<br />
lebhaften Diskussion mit den Fachleuten<br />
auf dem Podium.<br />
Zyklus «Mehr liberalisieren oder mehr<br />
regulieren im Gesundheitswesen?»; <strong>Lilienberg</strong><br />
Tagung und Ausserordentliches<br />
Gespräch vom 3. Februar 2011, «Trotz<br />
intensiven Diskussionen wachsen die<br />
Gesundheitskosten munter weiter. Wer<br />
kann und soll welche Vorgaben erlassen?<br />
Wer soll wie viel regulieren?», mit<br />
Dr. Andrea Arz de Falco, Vizedirektorin<br />
des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit, Direktionsbereich<br />
Öffentliche Gesundheit,<br />
Regierungsrat Bernhard Koch, Chef des<br />
Departementes <strong>für</strong> Finanzen und Soziales<br />
des Kantons Thurgau, Dr. med. Jürg<br />
Schlup, Allgemeinmedizin FMH, praktizierender<br />
Arzt, ehemaliger Präsident der<br />
Ärztegesellschaft des Kantons Bern, und<br />
Professor Dr. med. Rolf Streuli, ehemaliger<br />
Chefarzt SRO Spital Langenthal, Leiter<br />
der Taskforce von Swissmedic, Schweizerisches<br />
Heilmittelinstitut; Moderation:<br />
Dr. med. Peter Eichenberger (Aktionsfeld<br />
Gesundheit & Umwelt).
33<br />
Von Stefan Bachofen<br />
Definition «Diagnosebezogene Fallgruppen» (DRG)<br />
Der Begriff Diagnosis-Related-Groups (kurz DRG, Diagnosebezogene Fallgruppen) definiert eine bestimmte Vergütungsform von<br />
Gesundheitsleistungen. Im Gegensatz zu zeitraumbezogenen Vergütungsformen (Anzahl Tage im Spital) oder einer Vergütung<br />
einzelner Leistungen während einer Hospitalisation erfolgt bei Fallpauschalen die Vergütung von medizinischen Leistungen pro<br />
Behandlungsfall, also unabhängig von der Verweildauer der Patienten im Spital. Im Fallpauschalen-System werden Patienten<br />
anhand medizinischer und demografischer Daten in Fallgruppen eingeteilt. <strong>Die</strong> Fallgruppen dienen jedoch nicht der medizinischen<br />
Unterscheidung, sondern der Differenzierung des ökonomischen Aufwandes.<br />
DRG werden seit Mitte der Achtzigerjahre in verschiedenen Ländern zur Abrechnung von Spitalbehandlungen verwendet. In<br />
der Schweiz sollen das Fallpauschalen-System Swiss DRG und die damit verknüpfte neue Spitalfinanzierung auf den 1. Januar<br />
2012 eingeführt werden. Zuständig <strong>für</strong> die Erarbeitung und Weiterentwicklung sowie die Anpassung und Pflege des Schweizer<br />
Fallpauschalen-Systems ist die Swiss DRG AG. Sie setzt den Gesetzesauftrag um, den das eidgenössische Parlament im Dezember<br />
2007 verabschiedet hat. <strong>Die</strong> gemeinnützige Aktiengesellschaft wurde im Januar 2008 gegründet und ist eine Institution der<br />
Leistungserbringer, der Versicherer und der Kantone. <strong>Die</strong> breite Abstützung wird den unterschiedlichen Anforderungen an das<br />
neue Abgeltungssystem gerecht.<br />
Fallpauschalen sollen zu mehr Transparenz bei den Behandlungen und einer leistungsgerechteren Vergütung der Spitäler und<br />
Kliniken führen. Nicht mehr die Spitäler selbst als Institutionen werden finanziert, sondern ihre Leistungen am Patienten. Und<br />
diese Leistungen sollen auch qualitativ vergleichbar sein. In Zukunft werden Patienten wissen, welches Spital welche Operation<br />
zu welchem Preis und in welcher Anzahl anbietet. Mit den Fallpauschalen erhalten Versicherte, Kantone und Versicherer transparente<br />
Vergleiche über die Menge und Preise der Leistungen unterschiedlicher Spitäler.<br />
Kassen wollen Diagnosen sehen<br />
Zurzeit verhandeln Spitäler und Krankenkassen, wie das System mit den Fallpauschalen umgesetzt werden soll. <strong>Die</strong> Kassen wollen<br />
den Systemwechsel dazu nutzen, von den Spitälern jeweils die genaue Diagnose der Patienten zu erhalten. Aufgrund der<br />
begrenzten Aussagekraft der Fallpauschalen würden die Spitäler dazu verleitet, überhöhte Rechnungen auszustellen, argumentieren<br />
die Verantwortlichen der Kassen. Sie warnen deshalb vor einem Anstieg der Prämien. <strong>Die</strong> Spitäler weigern sich allerdings,<br />
auf die Forderung der Kassen einzutreten. <strong>Die</strong> kantonalen Datenschützer be<strong>für</strong>chten zudem eine Aushöhlung des Patientengeheimnisses,<br />
falls sich die Kassen gegen die Spitäler durchsetzen sollten. Gegenüber dem Fallpauschalen-System gibt es auch<br />
auf politischer Ebene Vorbehalte. Der Zürcher Kantonsrat erklärte im Februar ein Postulat <strong>für</strong> dringlich, mit dem der Regierungsrat<br />
gebeten wird, sich auf Bundesebene <strong>für</strong> ein Moratorium der Einführung von Diagnosis-Related-Groups einzusetzen. Den<br />
Antragsstellern von SP, AL und Grünen fehlt es an «sorgfältigen Rahmenbedingungen». Sie bemängeln etwa, dass die Auswirkungen<br />
des DRG-basierten Systems auf die Versorgungssicherheit und auf die Aus- und Weiterbildung des Gesundheitspersonals<br />
sowie deren Arbeitsbedingungen unklar seien.<br />
Zürcher Kantonsparlament schickte Postulat bachab<br />
In seiner Antwort auf das Postulat teilte der Regierungsrat mit, dass er sich nicht <strong>für</strong> ein schweizweites Moratorium einsetzen<br />
werde. Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger (FDP) verwies darauf, dass die kantonalen Spitäler seit bald zehn Jahren mit<br />
einer Art von Fallpauschalen abrechnen. Heiniger versicherte: «Das Patientenwohl wird nicht der ausschliesslichen Rentabilität<br />
geopfert.» Das Kantonsparlament gab sodann an seiner Sitzung vom 21. März grünes Licht <strong>für</strong> die Fallpauschalen, indem es das<br />
Postulat mit 108 Nein- zu 64 Ja-Stimmen nicht überwies.
34<br />
Von Hans-Peter Wüthrich<br />
Hat der Datenschutz<br />
schon bald ausgedient?<br />
Mit philosophischen und juristischen Fra-<br />
gen setzten sich die Teilnehmenden des<br />
zweiten Kolloquiums im Rahmen des<br />
Jahreszyklus «Auf dem Weg zum gläsernen<br />
Menschen» im Aktionsfeld Politik<br />
& Gesellschaft auseinander. Diskutiert<br />
wurden unter anderem die drei Thesen,<br />
die der Kommunikationsberater Martin<br />
Zenhäusern in seinem Impulsreferat aufstellte.<br />
Etwa jene, dass Technologie die<br />
Demokratie kurzfristig gefährden kann,<br />
sie langfristig aber fördern wird. Im zweiten<br />
Referat ging der Rechtsanwalt Patrick<br />
Häberlin der Frage nach, ob es in Zukunft<br />
noch Datenschutz und damit allgemeine<br />
Persönlichkeitsrechte geben wird.<br />
«Der Mensch und die Politik sind untrennbar<br />
miteinander verbunden.» Zu diesem<br />
Schluss kamen die Teilnehmenden des<br />
Kolloquiums vom 25. Januar mit dem<br />
Titel «Erwartungen und Ängste von Individuen<br />
und Gesellschaft» bei der Behandlung<br />
der ersten These von Martin<br />
Zenhäusern. <strong>Die</strong> These besagt, dass Technologie<br />
ein politisches System kurzfristig<br />
gefährden könne, längerfristig jedoch<br />
GESPRÄCH<br />
einen wesentlichen Beitrag zur Veränderung<br />
leiste und letztlich unsere Demokratie<br />
sogar fördere. <strong>Die</strong> Bedürfnisse<br />
des Menschen bleiben, Wahrnehmungen<br />
und Instrumente verändern sich aber laufend.<br />
<strong>Die</strong> Technologie wird dabei eine<br />
entscheidende Rolle in der Anwendung<br />
und der Ausgestaltung der Politik spielen.<br />
Künftig werde im Rahmen der Weiterentwicklung<br />
der Technologie die Bedeutung<br />
von Netzwerken stark zunehmen,<br />
was wiederum zu einer «Enthierarchisierung»<br />
der Politik führe.<br />
Parteiprogramme verlieren<br />
an Bedeutung<br />
«Alle grossen Aufgaben können nur gemeinsam<br />
gelöst werden.» So lautete die<br />
zweite These von Martin Zenhäusern.<br />
«<strong>Die</strong> weitere Entwicklung unserer Technologie<br />
wird dazu führen, dass grosse<br />
Aufgaben schneller, vernetzter und damit<br />
breiter abgestützt, also gemeinsam gelöst<br />
werden können», sagte er. Dabei<br />
müsse der Fokus auf folgende Bereiche<br />
gelegt werden: Kooperation versus Konfrontation;<br />
Synthese versus These / Anti-<br />
these; Lösungen versus recht haben um<br />
jeden Preis.<br />
Es werde künftig weniger eine Dominanz<br />
der Parteiprogramme geben, sondern<br />
thematische Bewegungen würden dominieren<br />
(Volksinitiativen).<br />
In seiner dritten These behauptete der<br />
Referent, dass ein ungeklärtes Spannungsfeld<br />
zwischen einer global agierenden<br />
Wirtschaft auf der einen und einer<br />
noch weitgehend an nationalstaatliche<br />
Grenzen gebundenen Politik auf der anderen<br />
Seite Lösungen behindere. Er zeigte<br />
auf, dass die Spielregeln <strong>für</strong> das persönliche<br />
Wohlbefinden primär durch<br />
Politik und Gesellschaft geprägt werden.<br />
Es seien deshalb zwingend Fragen zu<br />
stellen wie: Braucht es noch Parteien<br />
oder vielmehr thematische Bewegungen?<br />
Braucht es noch Programme oder<br />
lediglich konkrete Themen? Braucht es<br />
noch Köpfe oder eher verstärkte Netzwerke?<br />
Welche neuen Strukturen und<br />
welche wirtschaftspolitischen Instrumente<br />
braucht es, um globale Aufgaben, nationale<br />
Kompetenzen und die lokale Verantwortung<br />
zu regeln?
35<br />
Das Recht als Teilgebiet<br />
der Sozialordnung<br />
Im zweiten Impulsreferat setzte sich der<br />
Rechtsanwalt Patrick Häberlin (Häberlin<br />
& Partners, Frauenfeld) mit rechtsphilosophischen<br />
Grundsätzen und generellen<br />
Rechtsfragen zum Thema auseinander.<br />
«Das Recht ist ein Teilgebiet der<br />
Sozialordnung», sagte er. Das Recht stelle<br />
sich als eine Sollensordnung dar, welche<br />
die Verhaltensweisen in den zwischenmenschlichen<br />
Beziehungen sowie<br />
im Verhältnis zur Sozietät regle. «Im Unterschied<br />
zum Kunstwerk ist die Rechtsbildung<br />
aber nicht Folge des personalen<br />
Geistes eines einzelnen oder einer Mehrzahl<br />
von Menschen, sondern ergibt sich<br />
aus dem Gemeingeist der Sozietät, die<br />
sich ihr Recht setzt.» Der Gemeingeist <strong>für</strong><br />
das Recht erwachse aus einem geistigen<br />
Gemeingut der Sozietät mit dem Ziel, die<br />
sozial richtigen Verhaltensweisen in den<br />
zwischenmenschlichen Beziehungen und<br />
im Verhältnis zur Sozietät als solcher zu<br />
bilden.<br />
Das alles brauche Zeit. Zeit, die uns die<br />
technologische Entwicklung gar nicht<br />
gibt.<br />
Der Mensch als blosser Datenträger <strong>–</strong><br />
ein Verstoss gegen die Ethik?<br />
Beim Einsatz biometrischer Verfahren zur<br />
Authentifizierung und Identifizierung von<br />
Menschen ergeben sich (auch) sehr interessante<br />
rechtliche Fragestellungen. So<br />
unter anderem, ob denn ein Körper in<br />
diesem Sinne Datenträger sein darf und<br />
wer und in welcher Weise über diese biometrischen<br />
Daten verfügen darf. Allgemein<br />
bekannt ist ja, dass eine Person<br />
grundsätzlich das «Recht auf das eigene<br />
Bild» hat. <strong>Die</strong> Frage sei, so Patrick Häberlin,<br />
ob es ein vergleichbares Recht bezüglich<br />
der biometrischen Chiffre gebe. Und<br />
letztlich stelle sich auch die ethische Frage,<br />
ob die Würde eines Menschen missachtet<br />
wird, wenn man ihn nur als blossen<br />
Datenträger behandelt.<br />
Immer mehr in Mode geraten zum Beispiel<br />
Chip-Implantate zur Identifikation<br />
von Personen. <strong>Die</strong> amerikanische Firma<br />
ADS (Applied Digital Solution) vertreibt<br />
weltweit einen miniaturisierten reiskorngrossen<br />
Chip, der in Menschen implantiert<br />
diese automatisch identifizieren<br />
kann. Nach Bedarf können Krankheitsgeschichte,<br />
Strafregisterauszug oder Kreditwürdigkeit<br />
auf den Chip geladen<br />
werden. Propagiert wird er als Identifika-<br />
tionsmittel, das weder verloren oder ver-<br />
legt noch gestohlen oder gefälscht wer-<br />
den kann.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung der Datenschutzgesetzgebung,<br />
aber auch der Rechtsfortentwicklung<br />
im allgemeinen Persönlichkeitsrecht<br />
unter dem Einfluss des sogenannten<br />
Pervasive Computing, also der Vernetzung<br />
des Alltages durch den Einsatz «intelligenter<br />
Gegenstände», sei nicht wirklich<br />
überschaubar, sagte Patrick Häberlin<br />
und stellte die Frage in den Raum: «Wie<br />
kann Grundrecht und Datenschutz eingehalten<br />
werden, wenn umfassend vernetzte<br />
IT-Systeme unseren Alltag durchdringen<br />
werden?» Wenn sich der Trend<br />
tatsächlich konkretisiert, dass Computing-Power<br />
von den heutigen Recheneinheiten<br />
wie PC oder Server in Sensoren<br />
oder intelligente Etiketten in Alltagsgegenständen,<br />
Haushaltgeräten oder Kleidungsstücken<br />
wandert <strong>–</strong> mit der Konsequenz,<br />
dass der Mensch selbst zusammen<br />
mit seiner unmittelbaren Umgebung Teil<br />
dieser Infrastruktur wird <strong>–</strong>, so müssen wir<br />
uns fragen, ob es dann in Zukunft tatsächlich<br />
noch Datenschutz oder ein allgemeines<br />
Persönlichkeitsrecht geben<br />
kann und wird.
36<br />
Einen Mitarbeiter<br />
«genetisch vermessen»?<br />
<strong>Die</strong> Zauberformel der modernen Führungskultur<br />
lautet Optimierung der Geschäftsprozesse.<br />
Das Szenario der Optimierung<br />
der Geschäftsprozesse findet<br />
seine Entsprechung in der Verwaltung<br />
der Beschäftigten, ein Kostenfaktor, den<br />
es zu minimieren gilt. Wenn wir aber den<br />
Mitarbeiter «genetisch vermessen»,<br />
wächst auch die Verfügbarkeit und damit<br />
das Potenzial zur Fremdbestimmung über<br />
seine Person.<br />
Den Arbeitgeber mag diese Entwicklung<br />
faszinieren, das Individuum pocht aber<br />
auf das Grundrecht der Wahrung der<br />
persönlichen Sphäre. <strong>Die</strong> Teilnehmenden<br />
waren sich einig: Wenn die Anstellung<br />
oder die Weiterbeschäftigung eines Menschen<br />
nur noch aufgrund seiner ständig<br />
eruierten Blutwerte respektive der genetischen<br />
Disposition erfolgt und nicht wegen<br />
seiner grundsätzlichen Eignung <strong>für</strong><br />
eine bestimmte Tätigkeit, also wegen<br />
seiner Erfahrung, Intelligenz und Leistung,<br />
dann bewegen wir uns auf rechtlich<br />
äusserst heiklem Boden.<br />
Internet und Technik nicht als Bedrohung wahrnehmen<br />
Das Kolloquium vom 25. Januar machte deutlich, dass die rasante technische<br />
Entwicklung sowohl in sozialen wie auch in rechtlichen Fragen heute noch viele<br />
Antworten offen lässt. Und hier wollen die Verantwortlichen des Aktionsfeldes<br />
Politik & Gesellschaft ansetzen und in der Fortsetzung des Zyklus dazu beitragen,<br />
Antworten auf diese grossen Herausforderungen zu finden. <strong>Die</strong> angeregte Diskussion<br />
bestätigte, dass die technische Entwicklung zwar mit Risiken behaftet ist,<br />
diese aber vor allem aufgrund des langen Gesetzgebungsprozesses nicht juristisch<br />
abgesichert werden können. Ausserdem ist es gerade zum heutigen Zeitpunkt, da<br />
vor allem die Jugend im Zusammenhang mit persönlichen Daten und dem Internet<br />
immer offener wird, nicht mehr angezeigt, das Internet und die Technik als Bedrohung<br />
wahrzunehmen. Vielmehr sollten die Instrumente auch von politischen<br />
Persönlichkeiten und Gruppierungen noch stärker genutzt werden.<br />
<strong>Die</strong> Referenten Patrick A. Häberlin (links) und Martin Zenhäusern (Zweiter von rechts)<br />
im Pausengespräch mit den Moderatoren Hans-Peter Wüthrich (rechts) und Jörg<br />
Kündig vom Aktionsfeld Politik & Gesellschaft.
37<br />
<strong>Die</strong> Kolloquiums-Teilnehmenden lauschen interessiert den Ausführungen von Moderator Hans-Peter Wüthrich (rechts).<br />
Zyklus «Auf dem Weg zum gläser-<br />
nen Menschen»; <strong>Lilienberg</strong> Kolloqui-<br />
um vom 25. Januar 2011, «Erwartun-<br />
gen und Ängste von Individuen und<br />
Gesellschaft», mit Martin Zenhäusern,<br />
Zenhäusern & Partner AG, Zürich, und<br />
Patrick A. Häberlin, Häberlin & Partners,<br />
Frauenfeld; Moderation: Hans-Peter<br />
Wüthrich und Jörg Kündig (Aktionsfeld<br />
Politik & Gesellschaft).<br />
Weitere Anlässe im Rahmen<br />
des Zyklus 2010 / 2011<br />
• 29. März: Kolloquium zum Thema<br />
«Selbstverantwortung und<br />
Regulierung» (Berichterstattung<br />
über diesen Anlass in der <strong>Lilienberg</strong><br />
<strong>Zeitschrift</strong> Nr. 26)<br />
• 10. Mai: Tagung und Ausserordentliches<br />
Gespräch<br />
• 15. Juni: <strong>Lilienberg</strong> Gespräch
38<br />
Von Stefan Bachofen<br />
<strong>Die</strong> Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
befasst sich im laufenden Jahr<br />
im Rahmen einer dreiteiligen Veranstaltungsreihe<br />
mit dem Thema «Naturpärke<br />
<strong>–</strong> eine unternehmerische Herausforderung».<br />
Nach dem <strong>Lilienberg</strong> Gespräch mit<br />
Dr. Luzius Wasescha, WTO-Botschafter<br />
und Präsident des Vereins Parc Ela, von<br />
Ende März findet nun ein Zyklus statt,<br />
der das Projekt Naturpärke vertieft, das<br />
heisst ganzheitlich behandelt. Veranstaltungsdaten<br />
sind der 17. Mai und der<br />
30. August.<br />
Naturpärke gehören zu den ursprünglichsten<br />
Natur- und Kulturlandschaften.<br />
Es sind weitgehend intakte, vielfältige,<br />
dynamische und natürliche oder aber<br />
vom Menschen naturnah gestaltete Lebensräume.<br />
Deren Verwirklichung und<br />
Projektierung stellt eine mehrschichtige<br />
unternehmerische Herausforderung dar.<br />
Im Vordergrund steht dabei das Gleichgewicht<br />
von Mensch, Natur, Landschaft<br />
und Wirtschaft. In der Schweiz sind bis<br />
heute fünf Parkprojekte umgesetzt. Neben<br />
dem Nationalpark im Engadin (seit<br />
AUSBLICK<br />
Naturpärke <strong>–</strong> eine unternehmerische<br />
Herausforderung<br />
1914) sind es die Pärke in Entlebuch (seit<br />
2008), Sihlwald (seit 2009), Val Müstair<br />
(seit 2010) und Thal (seit 2009). Letzterer<br />
ist <strong>für</strong> Simone Remund, Verantwortliche<br />
<strong>für</strong> den Bereich Naturpärke im Bundesamt<br />
<strong>für</strong> Umwelt (Bafu), der Schweizer<br />
Vorzeigepark schlechthin. «<strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />
zwischen den neun involvierten<br />
Gemeinden im Gebiet des solothurnischen<br />
Bezirks Thal war bereits in der<br />
Aufbauphase vorbildlich», sagt sie. «Ein<br />
Naturpark sollte wie ein KMU-Betrieb,<br />
das heisst unternehmerisch geführt werden;<br />
alle Beteiligten müssen am selben<br />
Strick ziehen und hinter dem Projekt stehen.»<br />
Genau das sei beim Naturpark Thal<br />
der Fall, erklärt sie dessen Erfolg.<br />
Acht Gesuche <strong>für</strong> neue Naturpärke<br />
Nun bekommt die Schweizer Naturparklandschaft<br />
Zuwachs: Neue Pärke sollen im<br />
Binntal (VS), auf dem Chasseral (BE/NE),<br />
im <strong>Die</strong>mtigtal (BE), auf dem Gantrisch<br />
(BE/FR), in den Gebieten Ela (GR), Gruyère<br />
Pays-d’Enhaut (VD/FR), nördlich von Aarau<br />
(Jurapark) und im Gebiet Thunersee-<br />
Hohgant (BE) entstehen. Entsprechende<br />
Gesuche sind im Januar beim Bundesamt<br />
<strong>für</strong> Umwelt eingegangen, bestätigt Simone<br />
Remund. Bisher waren diese acht<br />
Gebiete vom Bund als Naturpark-Kandidaten<br />
anerkannt. Das Bafu entscheidet<br />
im Sommer, welche der acht Gesuchsteller<br />
es als Naturpark anerkennen und<br />
finanziell unterstützen will. Simone<br />
Remund: «Läuft alles nach Plan, können<br />
die Pärke 2012 eröffnet werden.»<br />
Ökologisch und unternehmerisch<br />
sinnvoll?<br />
Naturpärke als eine unternehmerische<br />
Herausforderung: <strong>Die</strong> Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum will dieses wichtige<br />
und faszinierende Thema ganzheitlich<br />
behandeln und hat dazu einen Kurzzyklus<br />
lanciert. Am <strong>Die</strong>nstag, 17. Mai, findet<br />
von 14 bis 18 Uhr ein Kolloquium mit drei<br />
hochkarätigen Referenten statt. Dr. Otto<br />
Sieber, Zentralsekretär von Pro Natura<br />
Schweiz, Ludwig Caluori, Geschäftsführer<br />
der Region Mittelbünden und Mitglied<br />
des Bündner Kantonsparlamentes, sowie<br />
Samuel Zuberbühler, Product-Manager<br />
«Naturreisen» bei Schweiz Tourismus,
39<br />
liefern in ihren Vorträgen Antworten auf<br />
die Frage, ob und inwiefern Naturpärke<br />
ökologisch und unternehmerisch Sinn<br />
machen.<br />
Am <strong>Die</strong>nstag, 30. August, steht von<br />
13.30 bis 16.30 Uhr eine Tagung mit dem<br />
Arbeitstitel «Naturparkprojekte im Vergleich<br />
<strong>–</strong> was motiviert und was macht<br />
stark?» auf dem Programm. Simone Remund<br />
vom Bafu, <strong>Die</strong>ter Müller, Geschäftsführer<br />
des Vereins Parc Ela, und<br />
der Solothurner Kantonsrat und Nationalratskandidat<br />
Stefan Müller, Programmleiter<br />
des Naturparks Thal, werden<br />
je ein Impulsreferat halten. <strong>Die</strong>se drei<br />
Persönlichkeiten diskutieren gleich anschliessend<br />
im Rahmen eines Podiums<br />
zum Thema «Naturpärke <strong>–</strong> Brücke zwischen<br />
<strong>Unternehmertum</strong> und Ökologie»<br />
die Erkenntnisse und Ergebnisse der Tagung.<br />
Parkprojekt muss demokratisch<br />
breit abgestützt sein<br />
Naturpärke verfolgen gemäss dem Konzept<br />
des Bundes drei Hauptziele: die<br />
Stärkung der nachhaltigen regionalen<br />
Wirtschaft und des Tourismus und damit<br />
verbunden die Schaffung neuer Arbeitsplätze,<br />
die Förderung der Umweltbildung<br />
Der Naturpark Thal ist <strong>für</strong> die Verantwortlichen im Bundesamt <strong>für</strong> Umwelt<br />
der «Schweizer Vorzeigepark» schlechthin.<br />
sowie den Erhalt und die Aufwertung von<br />
Natur und Landschaft. Letzteres erfolgt<br />
über freiwillige Massnahmen, die von der<br />
jeweiligen Parkträgerschaft unterstützt,<br />
initiiert und gefördert werden. Grundbedingung<br />
<strong>für</strong> den Betrieb eines Parks ist<br />
dessen demokratische Verankerung in<br />
der jeweiligen Region. Will heissen, nur<br />
Gemeinden, in denen die Mehrheit der<br />
Stimmenden hinter dem Park steht, können<br />
ihn realisieren. <strong>Die</strong> Gemeinden sind<br />
in der Trägerschaft des Parks massgeblich<br />
vertreten. Ist diese Grundvoraussetzung<br />
erfüllt, erteilt der Bund das touristisch<br />
wertvolle Label «Park von nationaler Bedeutung»,<br />
und zwar jeweils <strong>für</strong> zehn Jahre.<br />
Zudem erhält der Park von Bund und<br />
Kanton jährliche Finanzmittel zugesprochen.<br />
Nach zehn Jahren muss das Stimmvolk<br />
der betroffenen Gemeinden erneut<br />
über den Weiterbetrieb des Parks entscheiden.<br />
Projekt in der Urschweiz<br />
gescheitert<br />
Am Misstrauen der Bevölkerung gescheitert<br />
ist im vergangenen Herbst die Idee<br />
eines Naturparks Urschweiz: Neun von<br />
zwölf Gemeinden in Uri und Nidwalden<br />
sprachen sich in kommunalen Abstimmungen<br />
gegen einen Gemeindebeitrag<br />
aus. Gegner des Projekts hatten im Vorfeld<br />
der Urnengänge Be<strong>für</strong>chtungen geäussert,<br />
Wanderer, Landwirte und Jäger<br />
hätten aufgrund des Projekts Einschränkungen<br />
zu be<strong>für</strong>chten. Wenig Freunde<br />
hat derzeit auch das Projekt <strong>für</strong> einen<br />
regionalen Naturpark auf dem Seerücken<br />
zwischen Untersee und Thur. Es dürfte<br />
wegen des Widerstandes der betroffenen<br />
Landwirte vorerst kaum umsetzbar sein.<br />
Auch gibt es im Thurgau Stimmen, die<br />
monieren, dass die Idee von Naturpärken<br />
aus der EU komme und in der Schweiz<br />
nichts verloren habe.
40<br />
Von Stefan Bachofen<br />
Spitzen-Diplomat Dr. Michael Ambühl,<br />
Leiter des Staatssekretariats <strong>für</strong> internationale<br />
Finanzfragen, ist am Donnerstag,<br />
26. Mai, Gast auf <strong>Lilienberg</strong>. Bundesberns<br />
wichtigster Mann <strong>für</strong> einen florierenden<br />
Finanzplatz beantwortet im Rahmen des<br />
110. <strong>Lilienberg</strong> Gesprächs die Fragen von<br />
Nationalrat Bruno Zuppiger.<br />
Michael Ambühl übernahm im vergangenen<br />
Jahr im Eidgenössischen Finanzdepartement<br />
die Leitung des neu geschaffenen<br />
Staatssekretariats <strong>für</strong> internationale Finanzfragen.<br />
Damit obliegen ihm die Koordination<br />
und die strategische Führung<br />
in internationalen Finanz-, Währungsund<br />
Steuerfragen. Der Chefunterhändler<br />
verhandelte im vergangenen Herbst im<br />
Steuerstreit erfolgreich mit Deutschland,<br />
indem er eine Abgeltungssteuer einführte,<br />
mit der bisher unversteuerte deutsche<br />
Gelder in der Schweiz belegt werden.<br />
Michael Ambühl gelang es mit der Einführung<br />
einer umfassenden Quellensteuer<br />
mit Abgeltungscharakter, zwei Ansprüche<br />
unter einen Hut zu bringen. Auf der<br />
einen Seite den Anspruch des Staates,<br />
AUSBLICK<br />
«Mister Abgeltungssteuer» steht<br />
Ende Mai Red und Antwort<br />
also Deutschlands, seine Bürger zu besteuern,<br />
auf der anderen Seite den Anspruch<br />
der Bankkunden auf Privatsphäre<br />
in finanziellen Angelegenheiten.<br />
Michael Ambühl vertritt die Schweiz auch<br />
im internationalen Währungsfonds, im<br />
Financial Stability Board sowie bei der<br />
internationalen Bekämpfung der Finanzkriminalität.<br />
Zuvor hatte der gelernte Betriebswirtschafter<br />
und Mathematiker von 2005 bis<br />
2010 als Staatssekretär die politische<br />
Direktion des Eidgenössischen Departements<br />
<strong>für</strong> auswärtige Angelegenheiten<br />
(EDA) geführt und in dieser Funktion 2009<br />
im Fall UBS die Verhandlungen mit den<br />
USA geleitet.<br />
Vor seiner Ernennung zum Staatssekretär<br />
2005 war Michael Ambühl Diplomat, beispielsweise<br />
in Delhi und Brüssel. Ab 1999<br />
leitete er das Integrationsbüro mit der EU.<br />
Der 60-jährige Berner war auch Schweizer<br />
Chefunterhändler <strong>für</strong> die Bilateralen II.<br />
Dr. Michael Ambühl ist Gast des<br />
110. <strong>Lilienberg</strong> Gesprächs.
41<br />
Von Stefan Bachofen<br />
<strong>Die</strong> Schweizerische Stiftung Freiheit &<br />
Verantwortung zeichnet alle zwei Jahre<br />
verdienstvolle Persönlichkeiten, Institutionen,<br />
Firmen und Organisationen aus.<br />
Nach alt Ständerat Franz Muheim und<br />
dem früheren Botschafter Dr. iur. Carlo<br />
Jagmetti fällt die Ehre in diesem Jahr<br />
Dr. h. c. Walter Reist, Gründer und Präsident<br />
der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum,<br />
zu.<br />
<strong>Die</strong> Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />
ehrt seit einigen Jahren namhafte Persönlichkeiten<br />
<strong>für</strong> deren Lebenswerk. Am<br />
Donnerstag, 30. Juni, 18 bis 19 Uhr, zeichnet<br />
sie im <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
in Ermatingen Walter Reist aus, und zwar<br />
«<strong>für</strong> die Förderung des freiheitlichen <strong>Unternehmertum</strong>s<br />
mit der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum, <strong>für</strong> sein generelles<br />
Wirken als Staatsbürger <strong>für</strong> Freiheit<br />
und Verantwortung sowie <strong>für</strong> sein Einstehen<br />
zugunsten einer freien und unabhängigen<br />
Schweiz», sagt Josef<br />
F. Kümin, Geschäftsführer der Stiftung<br />
Freiheit & Verantwortung, der das Programm<br />
der Ehrung gestaltet.<br />
AUSBLICK<br />
Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />
ehrt Dr. h. c. Walter Reist<br />
Walter Reist ist die dritte Schweizer Persönlichkeit,<br />
die die Ehrenurkunde der<br />
Stiftung Freiheit & Verantwortung erhält.<br />
Seine Vorgänger waren der inzwischen<br />
verstorbene Urner alt Ständerat Franz<br />
Muheim (2007) und Carlo Jagmetti, ehemaliger<br />
Botschafter der Schweiz, unter<br />
anderem in den USA, bei der Europäischen<br />
Gemeinschaft in Brüssel, in Frankreich<br />
und in Südkorea (2009).<br />
Podium über Freiheit und<br />
Verantwortung im <strong>Unternehmertum</strong><br />
Im Vorfeld der Ehrung findet von 16.30<br />
bis 17.45 Uhr ein Podiumsgespräch über<br />
«Freiheit und Verantwortung im <strong>Unternehmertum</strong><br />
heute» statt. Unter der Leitung<br />
von Christoph Vollenweider, Leiter<br />
<strong>Unternehmertum</strong> der Stiftung <strong>Lilienberg</strong><br />
Unternehmerforum, gehen vier Unternehmerinnen<br />
und Unternehmer der Frage<br />
nach, wie sie die Werte Freiheit und<br />
Verantwortung heute verstehen und in<br />
ihrem Unternehmen einbringen.<br />
Dr. h. c. Walter Reist (Zweiter von links) wird unter anderem <strong>für</strong> sein Einstehen zugunsten<br />
einer freien und unabhängigen Schweiz geehrt. Unser Bild zeigt den Stiftungsratspräsidenten<br />
der Stiftung <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum im Anschluss an<br />
ein Podiumsgespräch zusammen mit alt Bundesrat Christoph Blocher (links), Roger<br />
Köppel, Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche» (rechts) und Dr. Peter Forster,<br />
Mitglied des <strong>Lilienberg</strong>rates und Chefredaktor der <strong>Zeitschrift</strong> «Schweizer Soldat».
42<br />
Weshalb ein Podium gerade zu diesem<br />
Thema? Gesprächsmoderator Vollenwei-<br />
der: «In unserer vom Wandel geprägten<br />
Zeit ist oft von einer ‹Krise der Werte›<br />
die Rede. <strong>Die</strong>se Krise hat die Gesellschaft<br />
und mit ihr die Wirtschaft erfasst. Wir<br />
vom <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum sind<br />
deshalb der Meinung, dass sich die Menschen<br />
und damit auch die unternehmerischen<br />
Persönlichkeiten wieder auf die<br />
grundlegenden Werte besinnen müssen<br />
<strong>–</strong> Werte wie zum Beispiel Qualität, Fairness,<br />
Respekt, Vertrauen, Glaubwürdigkeit,<br />
Verantwortung und Zuverlässigkeit.<br />
Werte, die uns helfen, den Wandel und<br />
die damit verbundenen Schwierigkeiten<br />
und Krisen zu meistern.» Das Thema soll<br />
auf <strong>Lilienberg</strong> mit vier Unternehmern diskutiert<br />
werden. Auf dem Podium sitzen<br />
Nationalrat Markus Hutter (Hutter Dynamics,<br />
Winterthur), <strong>Die</strong>ter Bachmann<br />
(Gottlieber Spezialitäten AG, Gottlieben),<br />
Gabriella Meyer (Bioengineering AG,<br />
Wald ZH) und Günther Widmann (Metriks<br />
Schweiz AG, Basel).<br />
<strong>Die</strong> Stiftung Freiheit & Verantwortung<br />
<strong>Die</strong> Schweizerische Stiftung Freiheit & Verantwortung mit Sitz in Lachen SZ ist eine<br />
gemeinnützige Stiftung und untersteht der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht. <strong>Die</strong><br />
Stiftung fördert gemäss Statuten Werte und Tugenden, die sich als Orientierung<br />
und Ziel <strong>für</strong> individuelles, gemeinschaftliches wie wirtschaftliches Handeln in<br />
der Schweiz eignen. Freiheit und Verantwortung sind da<strong>für</strong> zwei exemplarische,<br />
relationale Werte, <strong>für</strong> die sich die Stiftung einsetzt. <strong>Die</strong> Stiftung realisiert oder<br />
unterstützt nicht gewinnorientierte Projekte, die zur Förderung des Gemeinwohls<br />
beitragen. <strong>Die</strong> Stiftung hat im Weiteren zum Zweck, verdienstvolle Personen,<br />
Institutionen, Organisationen und Firmen auszuzeichnen. Und zwar in Form von<br />
Ehrungen, an denen eine Ehrenurkunde verliehen wird.<br />
Dr. h. c. Walter Reist, hier zusammen mit seiner Frau Lotti auf dem Areal des<br />
<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforums, erhält Ende Juni die Ehrenurkunde der Stiftung<br />
Freiheit & Verantwortung.
43<br />
Von Christoph Vollenweider<br />
Geplant: Symposium<br />
über die Globalisierung<br />
«Globalisierung: die zweite Welle. Was die<br />
Schweiz erwartet». So lautet ein Buch, das<br />
vor kurzem im NZZ-Verlag erschienen und<br />
auf grosse Aufmerksamkeit gestossen ist.<br />
<strong>Die</strong> globalen Verhältnisse haben sich in den<br />
vergangenen Jahrzehnten in einem atemberaubenden<br />
Tempo und derart umfassend<br />
verändert, dass die meisten Menschen<br />
kaum mehr in der Lage sind, diese Veränderungen<br />
auch nur annähernd zu erfassen:<br />
Bürger und Politiker, Arbeitnehmer und<br />
Unternehmer bekunden Mühe, die entfesselte<br />
Globalisierung zu bändigen und zu<br />
gestalten. <strong>Die</strong> Globalisierung schafft Konflikte<br />
und zugleich Wohlstand, sie verursacht<br />
daher gewisse Hoffnungen, aber<br />
auch ein Unbehagen, das bis zu offener<br />
Angst gehen kann.<br />
Eine Premiere <strong>für</strong> <strong>Lilienberg</strong><br />
Man spricht heute von der zweiten Globalisierungswelle,<br />
die uns seit einem Jahrzehnt<br />
beeinflusst und uns in einen Strudel<br />
von Fragen und Problemen gerissen hat:<br />
Was kommt auf uns zu? Wie sollen wir uns<br />
verhalten, damit wir in dieser zweiten Welle<br />
nicht untergehen? Das <strong>Lilienberg</strong> Unter-<br />
AUSBLICK<br />
nehmerforum greift dieses Thema auf und<br />
plant, dazu zwei Symposien durchzuführen<br />
<strong>–</strong> <strong>für</strong> <strong>Lilienberg</strong> eine Premiere, da es die<br />
ersten Symposien auf <strong>Lilienberg</strong> sein werden.<br />
<strong>Die</strong> Termine da<strong>für</strong> stehen noch nicht<br />
fest, das erste Symposium dürfte im Januar<br />
2012 stattfinden, das zweite im Sommer<br />
2012.<br />
Das Thema ist derart umfassend, dass es<br />
nur ganzheitlich <strong>–</strong> das heisst menschlich,<br />
wirtschaftlich, sachlich <strong>–</strong> behandelt werden<br />
kann. Dazu reicht aber ein Tag nicht aus.<br />
Deshalb sind zwei Anlässe vorgesehen.<br />
Beide Symposien dauern einen Tag, die<br />
Teilnehmer haben aber die Möglichkeit,<br />
bereits am Vorabend anzureisen oder zur<br />
individuellen Verarbeitung des Themas eine<br />
Übernachtung auf <strong>Lilienberg</strong> anzuhängen.<br />
<strong>Die</strong> Symposien werden interdisziplinär vorbereitet.<br />
Neben externen Experten beteiligen<br />
sich an der inhaltlichen Vorbereitung<br />
und Durchführung mehrere Aktionsfelder.<br />
Der jetzige Stand der Planung sieht folgende<br />
thematische Gliederung vor (Änderungen<br />
natürlich vorbehalten):<br />
Der Titel des geplanten Symposiums<br />
stammt vom Buch, das der Schweizer<br />
OECD-Botschafter Stefan Flückiger und<br />
seine Mitarbeiterin Martina Schwab geschrieben<br />
haben und das in der Schweiz<br />
bereits einen guten Absatz gefunden hat.
44<br />
<strong>Lilienberg</strong> bietet den idealen Rahmen <strong>für</strong> den offenen Austausch <strong>–</strong> auch am Symposium.<br />
1. Symposium<br />
• Beschreibung der Globalisierung: Was war die erste Welle? Was ist die zweite<br />
Welle?<br />
• Verschiebung der Gewichte vom «alten Westen» auf die neuen Player (zum Beispiel<br />
die sogenannten «BRIC-Staaten»)<br />
• Welche Anforderungen stellen sich an die Wirtschaft (zum Beispiel Innovation<br />
und neue Produktionsmethoden) generell und an die Schweizer Wirtschaft<br />
explizit?<br />
• Wie gehen wir mit dem «vaterlandlosen Kapital» um? Hier sollen vor allem die<br />
Auswirkungen auf die Unternehmenskultur und die Unternehmensethik behandelt<br />
werden.<br />
2. Symposium<br />
• Welche Folgen hat die Globalisierung auf die Arbeitskräfte und auf die Bildung?<br />
• Welche Auswirkungen hat sie auf die Energie- und Rohstoffversorgung?<br />
• Welche Auswirkungen hat die Alterung der Bevölkerung im globalisierten Umfeld?<br />
• Welche Auswirkungen hat die Entwicklung auf die staatlichen Finanzen?<br />
Wer wird angesprochen?<br />
Angesprochen werden mit diesen Symposien<br />
in erster Linie die Unternehmer,<br />
kleinere, mittlere, aber auch grössere. Das<br />
Thema betrifft die ganze Schweizer Wirtschaft.<br />
Im Weiteren ist die Verwaltung<br />
(Wirtschaftsämter, Arbeitsämter, Finanzämter)<br />
sowie das Bildungswesen im Fokus<br />
unserer Einladung. <strong>Die</strong> Thesen und Postulate,<br />
die am Symposium gewonnen<br />
werden, werden der Politik zur Verfügung<br />
gestellt.
45<br />
Von Glenn Mueller<br />
Das erste <strong>Lilienberg</strong> Fachgespräch dieses<br />
Jahres über «Social-Media-Marketing <strong>–</strong><br />
Ihr Werkzeug mit viel Potenzial» vom<br />
16. März erlaubte einen eindrücklichen<br />
Einblick in die praktischen Möglichkeiten<br />
und Grenzen dieses Instruments. Nach<br />
dem Impulsreferat von Sven Beichler, der<br />
auf modernen Kommunikationskanälen<br />
wie Facebook und Twitter sein Produkt<br />
MySwissChocolate.ch lanciert und vermarktet<br />
hatte, erarbeiteten die Teilnehmenden<br />
in Gruppenarbeiten ihre persönliche<br />
Vorgehensweise im Umgang mit<br />
Web-2.0-Applikationen. <strong>Die</strong> gewonnenen<br />
Erkenntnisse wurden anschliessend<br />
mit dem Referenten und dessen Erfahrungen<br />
auch in Bezug auf die vier unternehmerischen<br />
Fragen von Dr. h. c. Walter<br />
Reist <strong>–</strong> Was macht Sinn? Was macht Spass?<br />
Was macht stark? Was lohnt sich? <strong>–</strong> in den<br />
Vergleich gestellt.<br />
Ex-Mister-Schweiz<br />
gründete Schuh-Label<br />
In den kommenden Wochen sind weitere<br />
<strong>Lilienberg</strong> Fachgespräche geplant: Unter<br />
dem Titel «Erfolgsfaktoren am heuti-<br />
BILDUNG<br />
<strong>Lilienberg</strong> Fachgespräche <strong>–</strong><br />
ein Rückblick und Ausblick<br />
gen Markt» werden am Mittwoch,<br />
20. April, die beiden Unternehmer Karl<br />
Müller jun., Sohn des MBT-Schuherfinders,<br />
und Claudio Minder, Mister Schweiz<br />
2000, ihre praktischen Erfahrungen der<br />
erfolgreichen Lancierung ihrer Marke<br />
Joyaschuhe schildern. Teilnehmende<br />
erörtern mit den beiden Vergleichspersönlichkeiten<br />
die Faktoren, die heute auf<br />
dem Markt über Erfolg oder Misserfolg<br />
entscheiden, und welche Voraussetzungen<br />
dabei entscheidend sind.<br />
Der Mangel an genügend qualifizierten<br />
Mitarbeitenden wird laut dem aktuellen<br />
«Global CEO Survey» auch im laufenden<br />
<strong>Die</strong> nächsten Fachgespräche<br />
• Mittwoch, 20. April 2011: «Erfolgsfaktoren am heutigen Markt: Wo liegen die<br />
Chancen und Gefahren?», mit Karl Müller jun. und Claudio Minder, Gründer<br />
und CEO von Joyaschuhe AG.<br />
• Montag, 16. Mai 2011: «Kampf um die Talente: Wie gewinnen und halten Sie<br />
die besten Mitarbeiter?», mit Dr. Eduard Hauser, Hauser & Hauser AG.<br />
• Mittwoch, 8. Juni 2011: «Benchmarking: Der Blick über den eigenen Tellerrand»,<br />
mit Dr. Axel Justus, Geschäftsführer tectrans AG.<br />
• Mittwoch, 22. Juni 2011: «<strong>Die</strong> neue Mitarbeitergeneration: Was bringt sie mir<br />
als KMU?», mit Peter Vogel, Geschäftsführer Jobzippers Ltd.<br />
• Mittwoch, 17. August 2011: «Warum Nachhaltigkeit Ihrem Unternehmen zum<br />
Erfolg verhilft», mit Sabine Ziegler, Proofit.ch.<br />
• Mittwoch, 31. August 2011: «Werte als Erfolgsrezept in Ihrem Unternehmen»,<br />
mit Jean-Pierre Neuhaus, Head of Corporate Communications Bystronic-Gruppe.<br />
• Mittwoch, 28. September 2011. «Sicherheit als ein Qualitätsmerkmal Ihres<br />
Unternehmens», mit <strong>Die</strong>trich G. Hunkeler, Inhaber AAA Security Consulting<br />
GmbH.<br />
Alle Fachgespräche finden von 13.30 bis 19 Uhr statt.
46<br />
Jahr die Unternehmen beschäftigen. Mit<br />
dem Fachgespräch «Kampf um die Talente»<br />
bietet das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
am Montag, 16. Mai, KMU-Betrieben<br />
die Möglichkeit, mit Dr. Eduard<br />
Hauser praktisches Know-how <strong>für</strong> ihr Personalmanagement<br />
zu erlangen. Als langjähriges<br />
Mitglied der Geschäftsleitung in<br />
der Hürlimann-Getränke-Gruppe und<br />
ehemaliger Dozent <strong>für</strong> Personalmanagement<br />
an der Universität St. Gallen kennt<br />
Eduard Hauser die Vor- und Nachteile der<br />
verschiedenen Auswahlverfahren.<br />
Im Fachgespräch «Benchmarking <strong>–</strong> Der<br />
Blick über den eigenen Tellerrand» vom<br />
Mittwoch, 8. Juni, zeigen die <strong>Lilienberg</strong><br />
Verantwortlichen zusammen mit der Vergleichspersönlichkeit<br />
Dr. Axel Justus,<br />
Geschäftsführer von tectrans AG, die<br />
Vorteile dieser Methode <strong>für</strong> ein KMU-<br />
Unternehmen auf. Axel Justus hat das<br />
Benchmarking mehrmals erfolgreich<br />
durchgeführt. Anhand praktischer Beispiele<br />
erfahren die Teilnehmer, ob ein<br />
Benchmarking ihrem eigenen Unternehmen<br />
ebenfalls Nutzen bringen kann.<br />
Was bringt die neue Mitarbeitergeneration<br />
den Unternehmen?<br />
Geht es im Fachgespräch «Kampf um die<br />
Talente» um die Auswahlverfahren in der<br />
Mitarbeiterselektion, werden im Anlass<br />
«<strong>Die</strong> neue Mitarbeitergeneration <strong>–</strong> Was<br />
bringt sie mir als KMU?» vom Mittwoch,<br />
22. Juni, die Vor- und Nachteile, welche<br />
die neue Generation der Mitarbeitenden<br />
mit sich bringt, erörtert. Zentral dabei<br />
wird die Fragestellung sein, wie man die<br />
Potenziale dieser Generation im eigenen<br />
Unternehmen richtig fördern und ausschöpfen<br />
kann. Weiter sollen auch mögliche<br />
Risiken und Gefahren, die durch die<br />
höhere Fluktuation der Mitarbeitenden<br />
<strong>für</strong> ein Unternehmen entstehen können,<br />
beleuchtet werden. Als Vergleichspersönlichkeit<br />
wird Peter Vogel, Gründer und<br />
Geschäftsführer von Jobzippers Ltd. sowie<br />
Botschafter des internationalen Sandbox<br />
Netzwerks, den Anlass begleiten.<br />
Nähere Informationen zu den Anlässen<br />
finden sich im Veranstaltungskalender<br />
der Website www.lilienberg.ch.<br />
Weitere Auskünfte erhalten Sie auch bei<br />
Glenn Mueller, Bereichsleiter Bildung,<br />
Telefon 071 663 26 54.<br />
<strong>Die</strong> Teilnehmenden des Fachgesprächs vom 16. März erhielten einen Einblick,<br />
wie Unternehmensstrategien mithilfe von Social-Media-Marketing weiterentwickelt<br />
werden können.
47<br />
Von Daniel Anderes<br />
Seit über 20 Jahren ist das <strong>Lilienberg</strong> Un-<br />
ternehmerforum eine Quelle der Kraft<br />
und der Inspiration und geniesst über die<br />
Landesgrenzen hinaus grosses Ansehen.<br />
Als traditionsreiches Haus fördert <strong>Lilienberg</strong><br />
das <strong>Unternehmertum</strong> auf mannigfache<br />
Weise. Einerseits laden wir namhafte<br />
Persönlichkeiten aus Wirtschaft,<br />
Politik und Gesellschaft ein und lernen<br />
sie im persönlichen Gespräch kennen.<br />
Andererseits behandeln wir mit unseren<br />
Aktionsfeldern in umfassenden Zyklen<br />
die relevanten Fragen unserer Zeit.<br />
Profitieren Sie von unseren vielseitigen<br />
Veranstaltungen. Erleben Sie mit einer<br />
Begleitperson interessante Auseinandersetzungen<br />
mit Persönlichkeiten aus allen<br />
Gesellschaftsbereichen in unseren:<br />
• Foren<br />
• Besonderheiten<br />
• Kolloquien<br />
• Tagungen (ohne Begleitperson)<br />
• Ausserordentlichen Gesprächen<br />
• <strong>Lilienberg</strong> Gesprächen<br />
MITGLIEDSCHAFT<br />
Sind Sie schon <strong>Lilienberg</strong> Freund?<br />
Prägen Sie den gesellschaftlichen und<br />
unternehmerischen Fortschritt mit und<br />
fördern Sie die heutige und die künftige<br />
Unternehmergeneration.<br />
Als <strong>Lilienberg</strong> Freund sind Sie Mitglied<br />
unseres einmaligen Netzwerks. Zudem<br />
befinden Sie sich in attraktiver Gesellschaft<br />
und können Ihr Beziehungsnetz<br />
erweitern und pflegen.<br />
Eine Investition, die sich lohnt! Beantragen<br />
Sie noch heute Ihre Mitgliedschaft<br />
Freund unter www.lilienberg.ch.<br />
Investieren Sie in Ihre und unsere<br />
Zukunft! Denn «Erfolg hat nur,<br />
wer etwas tut, während er auf den<br />
Erfolg wartet».<br />
Thomas Alva Edison<br />
Wer eine Mitgliedschaft als <strong>Lilienberg</strong> Freund abschliesst, kann an<br />
vielen Veranstaltungen auf <strong>Lilienberg</strong> unentgeltlich teilnehmen.
48<br />
Von Bruno Zuppiger*<br />
In den vergangenen Jahren hat sich das<br />
<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum in verschiedensten<br />
Veranstaltungen mit dem<br />
Thema «Ja zur Schweiz <strong>–</strong> aber wie?» und<br />
mit dem «Verhältnis der Schweiz zur Europäischen<br />
Union (EU)» beschäftigt. Dabei<br />
ging es in erster Linie um die Frage,<br />
welche Errungenschaften und welche<br />
direktdemokratischen und föderalistischen<br />
Werte die Schweiz zugunsten<br />
einer besseren Einbindung unseres Landes<br />
preisgeben soll und darf. Der Bundesrat,<br />
die Wirtschaft und die bürgerlichen<br />
Parteien sehen im Moment keinen<br />
Grund, weshalb die Schweiz der EU beitreten<br />
sollte. Dennoch wird hinter den<br />
Kulissen <strong>–</strong> sicher zum Teil auch auf Druck<br />
der EU <strong>–</strong> die Annäherung Schritt <strong>für</strong><br />
Schritt vorangetrieben. Angesichts der<br />
klaren Volksentscheide zum Nichtbeitritt<br />
der Schweiz in die EU ist dies nur schwer<br />
verständlich.<br />
Kampf <strong>für</strong> die Werte der Schweiz<br />
<strong>Die</strong> Verantwortungsträger in unserem<br />
Land sollten sich ab und zu auf jene Werte<br />
zurückbesinnen, welche die Schweiz<br />
BLICKWINKEL<br />
Verhältnis der Schweiz zur EU <strong>–</strong><br />
Anpassung oder Widerstand?<br />
stark gemacht haben: Es sind dies hauptsächlich<br />
Unabhängigkeit, Eigenständigkeit<br />
und Neutralität. Dabei geht es nicht<br />
darum, sich gegenüber den anderen<br />
Staaten abzuschotten und die guten Beziehungen<br />
aufzugeben. Vielmehr gilt es,<br />
genau zu beobachten, was weltweit geschieht,<br />
und frühzeitig die notwendigen<br />
und <strong>für</strong> unser Land und unser Volk wichtigen<br />
und richtigen Massnahmen zu treffen.<br />
Mit Sicherheit geht es nicht darum, sich<br />
blind und duckmäuserisch gegenüber<br />
dem Ausland und den verschiedenen internationalen<br />
Organisationen zu verhalten<br />
und sich einfach nur anzupassen.<br />
Nein, es geht darum, unsere vielen guten<br />
Errungenschaften, unsere eigenen Werte<br />
und unsere eigenen Positionen einzubringen<br />
und nicht kampflos aufzugeben. Ich<br />
bin überzeugt, dass ein Kleinstaat wie die<br />
Schweiz mit einem so hohen Standard an<br />
Demokratie, Wirtschaft und Wohlfahrt<br />
im Konzert der Grossen nur verlieren<br />
kann.<br />
Wenn ich in Bundesbern bin, gewinne<br />
ich ab und zu den Eindruck, gewisse Ver-<br />
Nationalrat Bruno Zuppiger<br />
treter unserer Behörden und der Verwaltung<br />
würden die Errungenschaften der<br />
Schweiz allzu leichtfertig aufgeben. Sie<br />
sind sich nicht mehr gewohnt, auf Druck<br />
mit Gegendruck zu reagieren. Vielmehr<br />
geben sie Schritt <strong>für</strong> Schritt nach und<br />
passen sich an.<br />
Bilaterale III <strong>–</strong> ein deutlicher Schritt<br />
in Richtung EU-Beitritt<br />
Im Moment stehen wir in der Diskussion,<br />
ob die Schweiz mit der EU ein Verhandlungspaket<br />
«Bilaterale III» schnüren soll.<br />
<strong>Die</strong>ses Paket würde sektorielle Dossiers<br />
wie die Elektrizität, den Agrarfreihandel<br />
oder die Chemikaliensicherheit, aber<br />
auch institutionelle Forderungen der EU<br />
beinhalten (siehe Textbox). Daneben soll<br />
das Gesamtpaket in den Augen der Europäischen<br />
Union die hängigen Steuerprobleme<br />
zwischen der Schweiz und der<br />
EU umfassen. Während die Schweiz an<br />
einem Stromabkommen und einem Abkommen<br />
<strong>für</strong> die chemische Industrie <strong>–</strong><br />
und vom Bundesrat her auch an einem<br />
Landwirtschaftsabkommen <strong>–</strong> interessiert<br />
ist, hat die EU klar zum Ausdruck gebracht,<br />
dass <strong>für</strong> sie im Verhandlungspaket<br />
die Übernahme des künftigen EU-Rechts<br />
sowie ein Steuerabkommen mit automatischem<br />
Informationsaustausch im Vor-
49<br />
dergrund steht. Ja die EU fordert sogar,<br />
dass vor einer Verhandlung über weitere<br />
Dossiers die institutionellen Fragen geklärt<br />
werden. <strong>Die</strong> Wirtschaft, aber auch<br />
verschiedene politische Parteien wie die<br />
SVP und die FDP wollen das nicht. Sie<br />
wollen keinen EU-Beitritt durch die Hintertür.<br />
Das haben sie klar und deutlich<br />
kundgetan. Sie sind auch der Ansicht,<br />
dass es keine <strong>für</strong> unser Land und unsere<br />
Wirtschaft so dringenden Verhandlungsdossiers<br />
gibt, die einen so hohen Preis<br />
der Anpassung an das EU-Recht rechtfertigen<br />
würden.<br />
Es lohnt sich, unabhängig<br />
und eigenständig zu sein<br />
Dass sich Unabhängigkeit und Eigenstän-<br />
digkeit auch heute noch lohnen, zeigt die<br />
Entwicklung seit der Volksabstimmung<br />
über den Beitritt zum EWR im Dezember<br />
1992. Der Kampf gegen allzu starke Anpassung<br />
oder gar eine Eingliederung in<br />
Institutionelle Mechanismen: Worum geht es?<br />
In der Diskussion zwischen der Schweiz und der EU über institutionelle Fragen<br />
stehen vier Punkte im Vordergrund:<br />
• die automatische Anpassung von (neuen) bilateralen Abkommen an das jeweils<br />
aktuelle EU-Recht, das sich laufend weiter entwickelt<br />
• eine einheitliche Interpretation der Abkommen<br />
• eine unabhängige Überwachung der Abkommen<br />
• ein verbindliches Schiedsgericht in Streitfällen<br />
Der Bundesrat hat mehrere Wünsche im Zusammenhang mit den institutionellen<br />
Mechanismen. <strong>Die</strong> Schweiz soll ein Mitspracherecht bei neuen Bestimmungen<br />
erhalten, so wie dies bereits beim Schengen-Abkommen der Fall ist. <strong>Die</strong> Übernahme<br />
von EU-Recht darf nicht automatisch erfolgen. Zur Übernahme von neuem<br />
Recht soll eine genügend lange Frist gelten, damit eine Vorlage falls nötig vors<br />
Volk gebracht werden kann. Will die Schweiz eine Bestimmung nicht übernehmen,<br />
soll nicht das gesamte Abkommen automatisch sofort gekündigt werden,<br />
wie dies beim Schengen-Abkommen, das im Juni 2005 vom Stimmvolk gutgeheissen<br />
worden war, der Fall ist. Vielmehr sollen Kompensationsmassnahmen vonseiten<br />
der EU möglich sein. <strong>Die</strong>se Massnahmen soll die Schweiz in Streitfällen vor<br />
einem Schiedsgericht anfechten können. (Bacs)<br />
die EU hat sich gelohnt. Unser Land muss<br />
den internationalen Vergleich nicht scheuen.<br />
Im Gegenteil: In vielen Bereichen belegen<br />
wir als kleines Land Spitzenplätze.<br />
<strong>Die</strong> direkte Demokratie, der Föderalismus<br />
und das Milizsystem sind Schweizer Werte,<br />
die nur mit einer eigenständigen und<br />
unabhängigen Haltung gegenüber dem<br />
Ausland aufrechterhalten werden können.<br />
Daher müssen wir alles daransetzen,<br />
dass dies auch in Zukunft so bleibt.<br />
* Bruno Zuppiger (59) sitzt seit 1999 <strong>für</strong><br />
die SVP des Kantons Zürich im Nationalrat.<br />
Er ist Mitglied der Finanzkommission,<br />
der Finanzdelegation der eidgenössischen<br />
Räte und der Sicherheitspolitischen<br />
Kommission der Grossen Kammer. Im<br />
Mai 2010 wurde der Unternehmer aus<br />
Hinwil zum Präsidenten des Schweizerischen<br />
Gewerbeverbandes (sgv) gewählt.<br />
Bruno Zuppiger gehört dem <strong>Lilienberg</strong>rat<br />
an. In dieser Funktion ist er hauptsächlich<br />
<strong>für</strong> die Organisation, Durchführung<br />
und Moderation sämtlicher <strong>Lilienberg</strong><br />
Podiumsveranstaltungen zu politischen<br />
Themen verantwortlich.
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Auf <strong>Lilienberg</strong> bietet sich die einzigartige Gelegenheit, aussergewöhnlichen Persönlichkeiten zu begegnen und mit ihnen in den<br />
Vergleich zu treten <strong>–</strong> beispielsweise mit Abtprimas Dr. Notker Wolf, der am 15. März Gast des 64. Forums war.
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oRGANISATIoN<br />
Das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum ...<br />
ist ein unternehmerisches Erlebnis- und Begegnungszentrum. Mit seiner traumhaften Lage und seiner einmaligen Umgebung ist <strong>Lilienberg</strong><br />
eine Oase des Nachdenkens, wo man sich finden, einbringen und klären kann. Das Unternehmerforum ist ein Ort der Begegnung,<br />
der Gespräche und der Bildung. Hier treffen sich unternehmerisch denkende und wirkende Persönlichkeiten aus allen Bereichen sowie<br />
deren Mitarbeiterschaft. Um die Ziele zu verwirklichen, bietet das <strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum unternehmerisch interessierten Menschen<br />
in den drei Bereichen Begegnung, Gespräch und Bildung verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten an.<br />
BEGEGNUNG GESPRÄCH BILDUNG<br />
In verschiedenen Einzelveranstaltungen<br />
mit aussergewöhnlichen Persönlichkeiten<br />
treffen sich unternehmerische<br />
Menschen aus Wirtschaft, Politik,<br />
Gesellschaft und Armee und kommen<br />
miteinander ins Gespräch, um sich gegenseitig<br />
zu begegnen und nachhaltig<br />
kennen zu lernen.<br />
Im Bereich Begegnung unterscheiden<br />
wir folgende Veranstaltungen:<br />
■ Im <strong>Lilienberg</strong> Forum tritt eine aussergewöhnliche<br />
Persönlichkeit auf und<br />
berichtet aus ihrem Wirkungskreis.<br />
■ Der <strong>Lilienberg</strong> Preis wird alle zwei<br />
Jahre an beispielhafte unternehmerische<br />
Persönlichkeiten und Institutionen<br />
verliehen.<br />
■ <strong>Die</strong> <strong>Lilienberg</strong> Rezitale dienen der<br />
Begegnung von Persönlichkeiten in<br />
einem kulturellen Rahmen, der<br />
gleichzeitig jungen Künstlern eine<br />
wertvolle Plattform bietet.<br />
Im Bereich Gespräch werden wirtschaftliche,<br />
politische und gesellschaftliche<br />
Fragen im Zusammenhang mit dem<br />
<strong>Unternehmertum</strong> in folgenden Aktionsfeldern<br />
behandelt:<br />
<strong>–</strong> Sicherheit & Armee<br />
<strong>–</strong> Medien & Kommunikation<br />
<strong>–</strong> Gesundheit & Umwelt<br />
<strong>–</strong> Unternehmenskultur & -ethik<br />
<strong>–</strong> Wirtschaft & Industrie<br />
<strong>–</strong> Politik & Gesellschaft<br />
<strong>–</strong> Bildung & Sport<br />
<strong>Die</strong> Fragestellungen werden in Gesprächszyklen<br />
vertieft behandelt, die in<br />
der Regel ein Jahr dauern und aus mehreren<br />
Kolloquien, einer Tagung und einem<br />
abschliessenden Ausserordentlichen<br />
Gespräch bestehen. Daneben werden<br />
kurze Zyklen organisiert, welche herausfordernde<br />
tagesaktuelle Themen zum<br />
Inhalt haben.<br />
Unter dem Motto «Unternehmer schulen<br />
Unternehmer» bietet <strong>Lilienberg</strong><br />
Erlebnis-Gesprächstage sowohl zu unternehmerischen<br />
Grundsatzthemen als<br />
auch zu Sach- und Fachthemen an. Im<br />
Mittelpunkt stehen jeweils eine Vergleichspersönlichkeit<br />
und deren unternehmerische<br />
Erfahrungen. <strong>Die</strong> Seminarteilnehmer<br />
denken dabei selber vertieft<br />
über sich und über die eigene Position<br />
nach und bringen gegenseitig ihre Erfahrungen<br />
ein.<br />
■ Unternehmergespräche<br />
Unternehmergespräche behandeln die<br />
unternehmerischen Grundsatzfragen,<br />
zum Beispiel: Aufbau und Organisation,<br />
Generationenwechsel, finanzielle Stärkung.<br />
■ Sachgespräche<br />
In Sachgesprächen geht es vor allem um<br />
die Fragen rund um den geeigneten Mitteleinsatz.<br />
■ Fachgespräche<br />
In diesen Gesprächen geht es in erster<br />
Linie um die Bewältigung der Alltagsprobleme<br />
von KMU wie Rekrutierung und<br />
Schulung von Mitarbeitern, Verhandlung<br />
mit Banken.
<strong>Lilienberg</strong> <strong>Unternehmertum</strong><br />
Industriestrasse 1<br />
CH-8340 Hinwil<br />
Telefon +41 44 938 70 00<br />
Fax +41 44 938 70 99<br />
<strong>Lilienberg</strong> Unternehmerforum<br />
Blauortstrasse 10<br />
CH-8272 Ermatingen<br />
Telefon +41 71 663 23 23<br />
Fax +41 71 663 23 24<br />
info@lilienberg.ch<br />
www.lilienberg.ch