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medizinische Werte das medizinische Handeln dominieren<br />

<strong>und</strong> emotionsbezogene Erwartungen,<br />

die <strong>Frauen</strong> an die kardiologische Rehabilitation<br />

stellen, weniger beachtet werden (a.a.O.).<br />

<strong>Frauen</strong> äußern den Wunsch, in Gruppen über ihre<br />

Erkrankung zu kommunizieren, um dort die notwendige<br />

emotionale Unterstützung zur Krankheitsbewältigung<br />

zu erhalten (Grande et al.<br />

2002a, b). Telemedizinische Angebote stoßen hier<br />

an ihre Grenzen, da es bisher kein interaktives<br />

frauenspezifisches Forum gibt, welches gruppendynamische<br />

Effekte, wie soziale <strong>und</strong> emotionale<br />

Unterstützung, berücksichtigt <strong>und</strong> somit das<br />

"echte" Gruppenerlebnis ersetzen kann.<br />

Gruppendynamische Prozesse sind ein wesentlicher<br />

Bestandteil der Herzsportgruppen. Bisher<br />

entspricht die Programmgestaltung nicht den<br />

spezifischen Bedürfnissen herzkranker <strong>Frauen</strong><br />

(Keck & Budde 1998, Härtel et al. 2003, Kuhlmann<br />

& Kolip 2005). Der Wunsch nach einem altersentsprechenden,<br />

abwechslungsreicheren <strong>und</strong> ganzheitlich<br />

orientierten Bewegungsansatz erfordert,<br />

auf individuelle psychische Bedürfnisse <strong>und</strong> kardiale<br />

Belastungsgrenzen therapeutisch einzugehen.<br />

Dies können telemedizinische Angebote<br />

nicht leisten. Die technischen Möglichkeiten lassen<br />

aber vermuten, dass Bewegungsangebote,<br />

die auch auf individuelle Bedürfnisse eingehen<br />

können, zukünftig offeriert werden. Aufgr<strong>und</strong> des<br />

fehlenden Gruppeneffektes <strong>und</strong> der fehlenden<br />

face-to-face Kommunikation mit anderen betroffenen<br />

<strong>Frauen</strong> bleibt die Effektivität aufgr<strong>und</strong> der<br />

oben genannten Defizite fraglich.<br />

Im Zusammenhang mit Telemonitoring wird die<br />

Befürchtung diskutiert, "dass ein Patient, dem<br />

vermittelt wird, dass er kontinuierlich überwacht<br />

werden muss, sich als besonders ‚risikobehaftet'<br />

wahrnehmen könnte" (Schmidt & Koch 2003, S.<br />

109) <strong>und</strong> demzufolge eine gestörte Symptomwahrnehmung<br />

entwickelt. Durch die telefonische<br />

Kontaktaufnahme zur Ursachenabklärung soll<br />

dies verhindert werden. Telemedizinische Angebote<br />

können nur bedingt die Bedürfnisse von<br />

<strong>Frauen</strong> erfüllen, wenn sie nicht zielgruppenspezifisch<br />

auf diese zugeschnitten sind. Die bisherigen<br />

Ausführungen zeigen primär Vorteile für ältere<br />

<strong>Frauen</strong> in der kardiologischen Rehabilitation,<br />

während jüngere <strong>Frauen</strong> mit Herzerkrankungen in<br />

der kardiologischen Rehabilitation wenig Aufmerksamkeit<br />

finden (Mittag & Horres-Sieben<br />

2001). Sie stellen jedoch für die Telemedizin eine<br />

vielversprechende Patientengruppe dar, um z. B.<br />

gezieltere Erkenntnisse über die frauenspezifische<br />

Pathophysiologie eines Herzinfarktes zu erhalten<br />

<strong>und</strong> eine geschlechterangemessene Diagnostik,<br />

Therapie <strong>und</strong> Beratung zu ermöglichen.<br />

Zur telefonischen Ges<strong>und</strong>heitsberatung fehlt in<br />

Deutschland ein anerkanntes Berufsbild <strong>und</strong> so-<br />

mit sind auch keine klaren Qualifikationsanforderungen<br />

an die Professionalisierung der BeraterInnen<br />

festgeschrieben (vgl. Häussler et al. 2002). In<br />

der Disease Management Beratung ist zwar die<br />

fachliche Qualität durch die verpflichtende Orientierung<br />

an evidenzbasierten Erkenntnissen <strong>und</strong><br />

Leitlinien vorgeschrieben, es fehlen jedoch gesetzliche<br />

Vorschriften zu den kommunikativen<br />

<strong>und</strong> psychologischen Beratungskompetenzen<br />

oder die Verpflichtung für eine abgeschlossene<br />

Berufsausbildung <strong>und</strong> Erfahrung im Ges<strong>und</strong>heitswesen.<br />

Da Patientenkompetenz aber nur gestärkt<br />

werden kann, wenn sich die Beratungskompetenzen<br />

an Qualitätskriterien messen lassen können,<br />

besteht hier noch dringender Handlungsbedarf<br />

(a.a.O.).<br />

Ein wesentliches Defizit der bisherigen telemedizinischen<br />

Versorgungsangebote in integrierten<br />

Versorgungskonzepten der kardiologischen Rehabilitation<br />

ist die mangelnde Berücksichtigung<br />

"der Vielzahl von Ges<strong>und</strong>heitsberufen <strong>und</strong> ihrer<br />

Leistungen" (Kuhlmann & Kolip 2005, S. 181). Eine<br />

vernetzte Zusammenarbeit in der telemedizinischen<br />

Praxis findet in der Regel fast ausschließlich<br />

auf ärztlicher Ebene statt (a.a.O.). PsychologInnen,<br />

SozialarbeiterInnen, PhysiotherapeutInnen,<br />

ÖkotrophologInnen oder Sozialversicherungsfachangestellte<br />

sind nicht in eine telematische<br />

Plattform eingeb<strong>und</strong>en. Dies kann einer frauenspezifischen<br />

Versorgung in der kardiologischen<br />

Rehabilitation nicht gerecht werden, da nur eine<br />

fachübergreifende, multiprofessionelle <strong>und</strong> interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit die bio-medizinischen<br />

<strong>und</strong> psycho-sozialen Besonderheiten von<br />

<strong>Frauen</strong> mit H-K-E berücksichtigen kann. Um auf<br />

die Lebenssituationen von <strong>Frauen</strong> flexibel reagieren<br />

zu können, brauchen telemedizinische Versorgungsangebote<br />

mehr interdisziplinäre Vernetzungen,<br />

um die Inhalte <strong>und</strong> Ziele der kardiologischen<br />

Rehabilitation umzusetzen.<br />

Eine geschlechtsspezifische Auswertung zur Inanspruchnahme<br />

telefonischer Disease Management<br />

Beratung von 4036 BKK-Versicherten 1 kommt zu<br />

dem Ergebnis nahe, dass 18,5 % der akquirierten<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> 25,5 % der angeschriebenen Männer<br />

dieses Angebot in Anspruch nehmen. Obwohl dieses<br />

Ergebnis keine allgemeinen Rückschlüsse auf<br />

die Bedarfsgerechtigkeit telemedizinischer Versorgungsangebote<br />

für <strong>Frauen</strong> zulässt, deutet es<br />

doch darauf hin, dass <strong>Frauen</strong> zielgruppenspezifischer<br />

<strong>und</strong> ganzheitlicher angesprochen werden<br />

sollten, um ihr Inanspruchnahmeverhalten zu erhöhen.<br />

Effektivität telemedizinischer<br />

Versorgungsangebote<br />

Eine systematische Analyse der Wirksamkeit neuer<br />

diagnostischer, therapeutischer <strong>und</strong> rehabilita-<br />

Beiträge<br />

1 Die Autorin bezieht sich auf<br />

die Daten einer Akquiseaktion<br />

eines Dienstleistungsunternehmens<br />

des BKK B<strong>und</strong>esverbandes<br />

im September 2005, die sie<br />

für eine geschlechtsspezifische<br />

Auswertung im Rahmen<br />

dieser Arbeit genutzt hat.<br />

Journal <strong>Netzwerk</strong> <strong>Frauen</strong>forschung NRW Nr. 21/2006 73

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