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Beiträge<br />
Iris Osterloh-Trittmann, Claudia Hornberg<br />
Chancen <strong>und</strong> Grenzen der Telemedizin für <strong>Frauen</strong> in der<br />
kardiologischen Rehabilitation<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der aktuellen Herausforderungen<br />
im deutschen Ges<strong>und</strong>heitssystem ist eine<br />
Verknüpfung zwischen den frauenspezifischen<br />
Besonderheiten bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
(H-K-E) <strong>und</strong> telemedizinischen Versorgungsangeboten<br />
in der kardiologischen Rehabilitation notwendig.<br />
Zu diskutieren ist, ob auf diesem Wege den Erkenntnissen<br />
der aktuellen <strong>Frauen</strong>ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />
zu H-K-E entsprochen werden kann. <strong>Frauen</strong>spezifische<br />
Besonderheiten bei H-K-E sind für<br />
den gesamten Krankheits- <strong>und</strong> Versorgungsverlauf<br />
ein relevantes Kriterium (Kuhlmann & Kolip<br />
2005). Internationale Studien belegen, dass "die<br />
Akutsymptomatik des Herzinfarktes neben dem<br />
akut einsetzenden Brustschmerz durch Geschlechtsunterschiede<br />
in der Begleitsymptomatik<br />
charakterisiert ist" (Löwel et al. 2002, S. 34). <strong>Frauen</strong><br />
klagen häufig über Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen sowie<br />
ausstrahlende Schmerzen in den Rücken oder<br />
Kieferschmerzen. Sie sind bisher allerdings unzureichend<br />
über ihr spezifisches Beschwerdebild informiert,<br />
so dass eine verzögerte Arztkonsultation<br />
sowie Fehleinschätzungen der MedizinerInnen zu<br />
einer höheren Prähospitalsterblichkeit von <strong>Frauen</strong><br />
führt (Löwel et al. 2002). Außerdem werden<br />
<strong>Frauen</strong> seltener invasiv diagnostiziert <strong>und</strong> die<br />
nicht-invasive Diagnostik hat aus vielfältigen<br />
Gründen eine teilweise geringere Aussagekraft<br />
als bei Männern (Tillmann et al. 2002, Abrogast &<br />
Sechtem 2002). Ob dies mit dem höheren Alter der<br />
<strong>Frauen</strong> zum Erkrankungszeitpunkt, ihrem komplexen<br />
Beschwerdebild <strong>und</strong> Risikoprofil oder ihren<br />
vielfältigen Komorbiditäten zusammenhängt,<br />
wird konträr diskutiert. Der Krankheitsverlauf älterer<br />
<strong>Frauen</strong> ist neben den bio-medizinischen Besonderheiten<br />
auch durch ihre spezifische Lebenssituation<br />
mitbestimmt, da ältere <strong>Frauen</strong> häufig alleine<br />
leben <strong>und</strong> im Notfall keine Hilfe im häuslichen<br />
Umfeld aquirieren können (Moebus 2003). Es<br />
erkranken jedoch auch immer mehr junge <strong>Frauen</strong><br />
an H-K-E <strong>und</strong> auch deren Sterblichkeit ist wesentlich<br />
höher als bei jungen Männern. Die aufgeführten<br />
Unterschiede im Krankheitsverlauf von <strong>Frauen</strong><br />
setzen sich in unterschiedlichen Rehabilitationsverläufen<br />
fort.<br />
Die kardiologische Rehabilitation stellt als lebenslang<br />
begleitendes Versorgungskonzept ein<br />
zentrales Handlungsfeld für telematisch unter-<br />
66 Journal <strong>Netzwerk</strong> <strong>Frauen</strong>forschung NRW Nr. 21/2006<br />
stützte Versorgungsangebote dar. Unter dem<br />
Blickwinkel der Versorgung wird dieser Aspekt innerhalb<br />
des Ges<strong>und</strong>heitssystems derzeit nicht<br />
hinreichend beachtet.<br />
Unter besonderer Berücksichtigung der sozialen<br />
Rolle von <strong>Frauen</strong> stellt sich die zentrale Frage, ob<br />
telematisch unterstützte Angebote dazu beitragen<br />
können, eine strukturelle Verbesserung der<br />
Versorgung für <strong>Frauen</strong> in der kardiologischen Rehabilitation<br />
zu erreichen, um eine Inanspruchnahme<br />
<strong>und</strong> kontinuierliche Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen<br />
zu optimieren.<br />
Ausgangslage<br />
Die aktuelle Lage im deutschen Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
ist durch Kostendruck aufgr<strong>und</strong> mangelnder<br />
Einnahmen sowie steigenden Wettbewerbs <strong>und</strong><br />
zunehmende Spezialisierungs- <strong>und</strong> Zentralisierungstendenzen<br />
gekennzeichnet, die eine flächendeckende<br />
<strong>und</strong> qualitativ hochwertige Versorgung<br />
fördern, aber auch gefährden können (Rosenbrock<br />
& Gerlinger 2004). Zudem verursachen<br />
Informationsverluste zwischen den Versorgungsebenen<br />
nicht selten Über-, Unter- <strong>und</strong> Fehlversorgungen,<br />
die durch transparentere Kommunikationsstrukturen<br />
verbessert werden könnten. Eine<br />
weitere Herausforderung ist, dass die Prävalenz<br />
chronischer Krankheitsverläufe, die wesentlich<br />
durch die demografische Entwicklung mit bedingt<br />
ist, kontinuierlich zunimmt. Indem der Gesetzgeber<br />
integrierte telematisch unterstützte <strong>und</strong> vernetzte<br />
Versorgungsmodelle, die einen kontinuierlichen<br />
Behandlungsprozess unterstützen, einführt,<br />
will er diesen Defiziten entgegenwirken<br />
(Ramming 2004).<br />
Die in der geschlechtsspezifischen Forschung ermittelten<br />
Geschlechterdifferenzen können sowohl<br />
ein Maßstab für Qualität, als auch für Effektivität<br />
in der Versorgung sein (Kuhlmann & Kolip<br />
2005). Damit <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männer bedarfsgerecht<br />
versorgt werden können, "ist eine gendersensible<br />
Analyse der Ges<strong>und</strong>heitsversorgung zwingend<br />
notwendig" (a.a.O., S. 143, vgl. auch Hurrelmann<br />
& Kolip 2002, Jahn 2002).<br />
Internationale wissenschaftliche Studien zu H-K-E<br />
belegen, dass es in allen Stadien der Erkrankung<br />
geschlechtsspezifische Unterschiede gibt (Vaccarino<br />
et al. 1999, 2005, Dehler & Bisig 2002). Sie