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Beiträge<br />
Ruth Becker, Bettina Jansen-Schulz, Beate Kortendiek, Gudrun Schäfer<br />
Gender-Aspekte bei der Einführung <strong>und</strong> Akkreditierung gestufter<br />
Studiengänge 1<br />
1. Der Bologna-Prozess - eine<br />
geschlechter- <strong>und</strong> wissenschaftspolitische<br />
Herausforderung<br />
Der Bologna-Prozess, d. h. die Internationalisierung<br />
der Hochschulsysteme <strong>und</strong> die Umwandlung<br />
nationaler Hochschulsysteme in einen einheitlichen<br />
Hochschulraum Europa mit dem zentralen<br />
Element der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor-/Master-Abschlüsse<br />
stellt (auch) für die<br />
Gleichstellungspolitik eine besondere Herausforderung<br />
dar. Erfahrungsgemäß sind Zeiten des Umbruchs<br />
immer auch Zeiten, in denen bisher Vernachlässigtes,<br />
Ignoriertes ins Spiel gebracht <strong>und</strong><br />
neue Ideen zum Zuge kommen können, andererseits<br />
kann jedoch bei radikalen Umbrüchen auch<br />
mühsam Erreichtes verloren gehen. Konkret geht<br />
es zum Beispiel um die Frage, ob die Einführung<br />
gestufter Studienabschlüsse dazu führt, dass sich<br />
die von Stufe zu Stufe akademischer Qualifikation<br />
sinkende Beteiligung von <strong>Frauen</strong> "nach vorne"<br />
verlagert <strong>und</strong> der tendenzielle Ausschluss von<br />
<strong>Frauen</strong> nicht erst bei der Promotion, sondern bereits<br />
beim Übergang vom Bachelor- zum Masterabschluss<br />
vollzieht <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> überdurchschnittlich<br />
häufig auf den (im Vergleich zu den bisherigen<br />
Abschlüssen geringerwertigen) Bachelor-Abschlüssen<br />
verharren: Träte dies ein, würde mühsam<br />
Erreichtes, nämlich die (geringfügige) Annäherung<br />
der Beteiligung der Geschlechter an den<br />
höheren Stufen akademischer Qualifikation <strong>und</strong><br />
Beschäftigung durch die Umstellung zu Nichte gemacht.<br />
Es geht aber auch um die Frage, inwieweit<br />
es gelingt, mit der Umstellung der Studiengänge<br />
die akademische Lehre inhaltlich zu reformieren<br />
<strong>und</strong> zu verbessern. Dies setzt zwingend die bessere<br />
Verankerung der <strong>Frauen</strong>-´<strong>und</strong> <strong>Geschlechterforschung</strong><br />
als einer zentralen Innovation wissenschaftlicher<br />
Methode <strong>und</strong> Erkenntnis in der akademischen<br />
Lehre <strong>und</strong> Forschung voraus. Es<br />
scheint inzwischen auch in einigen zentralen Institutionen<br />
der Forschungsförderung erkannt worden<br />
zu sein, dass Deutschland bei der Integration<br />
von Geschlechteraspekten in Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Forschung im internationalen Vergleich noch einen<br />
erheblichen Nachholbedarf hat. Inwieweit es<br />
jedoch gelingt, dieses geschlechter- <strong>und</strong> wissenschaftspolitische<br />
Defizit im Rahmen der Umstellung<br />
der Studiengänge zu beheben, ist angesichts<br />
der Tatsache, dass es sich bei der Studienplanung<br />
um ein mit Macht, Prestige <strong>und</strong> nicht zuletzt Ressourcen<br />
verb<strong>und</strong>enes, hart umkämpftes Feld handelt,<br />
bisher noch weitgehend offen. Aus diesen<br />
Gründen ist eine geschlechterpolitische Begleitung<br />
<strong>und</strong> Steuerung des Bologna-Prozesses von<br />
essentieller Bedeutung für die Weiterentwicklung<br />
des Wissenschaftssystems.<br />
Das haben offenbar auch die Europäischen BildungsministerInnen<br />
erkannt, formulierten sie<br />
doch in ihrem "Berliner Kommunique" aus dem<br />
Jahr 2003, dass "die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit<br />
zu verbessern, (…) mit dem Ziel,<br />
der sozialen Dimension des Europäischen Hochschulraumes<br />
größere Bedeutung zu geben, in Einklang<br />
gebracht werden" muss. Dabei gehe es "um<br />
die Stärkung des sozialen Zusammenhalts sowie<br />
den Abbau sozialer <strong>und</strong> geschlechtsspezifischer<br />
Ungleichheit auf nationaler <strong>und</strong> europäischer<br />
Ebene.“<br />
Die Koordinationsstelle des <strong>Netzwerk</strong>s <strong>Frauen</strong>forschung<br />
NRW hat diese Absichtserklärung der Europäischen<br />
BildungsministerInnen zum Anlass genommen,<br />
um - gefördert durch das Ministerium<br />
für Innovation, Wissenschaft, Forschung <strong>und</strong> Technologie<br />
- zu untersuchen, inwieweit die Forderung<br />
nach Abbau geschlechtsspezifischer Ungleichheit,<br />
d. h. nach einer geschlechtergerechten Ausgestaltung<br />
des Bologna-Prozesses in die Praxis der Umstellung<br />
der Studiengänge an den Hochschulen in<br />
Deutschland Eingang gef<strong>und</strong>en hat. Ziel der Studie<br />
war es jedoch auch, Kriterien eines geschlechtergerechten<br />
Studiengangs zu entwickeln <strong>und</strong><br />
darüber hinaus für das in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland studierbare Fächerspektrum die<br />
möglichen Inhalte aufzuzeigen, die aus der Sicht<br />
der <strong>Frauen</strong>- <strong>und</strong> <strong>Geschlechterforschung</strong> in die jeweiligen<br />
Studiengänge integriert werden sollten.<br />
Darüber hinaus sollten die Strategien aufgezeigt<br />
werden, die an b<strong>und</strong>esdeutschen Hochschulen<br />
bisher entwickelt wurden, um die Integration von<br />
Gender-Aspekten bei der Entwicklung gestufter<br />
Studiengänge zu sichern.<br />
2. Stellenwert von Gleichstellungsaspekten<br />
im Prozess der Akkreditierung<br />
Deutschland geht bei der Einführung gestufter<br />
Studiengänge einen besonderen Weg der Quali-<br />
1 Kurzfassung der Studie:<br />
Becker, Ruth, Bettina Jansen-<br />
Schulz, Beate Kortendiek,<br />
Gudrun Schäfer (2006):<br />
Gender-Aspekte bei der<br />
Einführung <strong>und</strong> Akkreditierung<br />
gestufter Studiengänge - eine<br />
Handreichung. Studien<br />
<strong>Netzwerk</strong> <strong>Frauen</strong>forschung<br />
NRW Nr. 7. Dortm<strong>und</strong> (ISBN 3-<br />
936199-06-X)<br />
Journal <strong>Netzwerk</strong> <strong>Frauen</strong>forschung NRW Nr. 21/2006 21