Dorfblatt der Gemeinde Wallbach - Der Wallbacher

10 GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
39/2006
saftes Cerevisia liegt bzw.
sitzt sowieso nirgends richtiger
als hier. Auf dem Teller dann -
so man nur will - die gesetzlich
geschützten (nicht analog Emmentalerkäse...)
und mit viel
Sachkenntnis komponierten
Thüringer Bratwürste, oder
als weiteres Beispiel die fantastischen,
speziell und in diversen
Arbeitsgängen herzustellenden
- Kartoffelklösse,
die sich geniessen lassen mit
viel Sauce und verschiedenen
Beilagen. Übrigens stelle ich
mir bei Klössen (nur bei Klössen)
immer vor, wie die Person
aussieht, die damit jenseits
der Kulisse am Werk
war: Sie schmecken am besten
(die Klösse), wenn man
sich einen Menschen dahinter
vorstellt, der folgende Attribute
aufweist: Weiblich / nicht übergewichtig,
aber dazu neigend /
rötlich verfärbte Wangen und
Unterarme / leicht schwitzend,
aber gut riechend / gestärkte
Bluse aus Leinen, weiss mit
aufgekrempelten Ärmeln / etwas
sinnvolles sagend im Dialekt
der Region / hinter einer
Dampfwolke stehend, die aus
der Pfanne steigt, in der unsere
Klösse, wenn sie gut sind,
vom Boden aufsteigen...
Nun aber weg von den ganzen
Klössen, die Sache droht, wie
ich feststelle, etwas einseitig,
etwas allzu fütterungsbetont
zu werden! Es gibt nämlich
noch ganze Hände voll erwähnenswerter
Aspekte auf anderen
Ebenen: Wir haben beispielsweise
immer von
freundlichen Leuten sehr
nette Antworten auf all unsere
Fragen gekriegt, wurden wirklich
nie „abgeputzt“, wie das
jedem an jedem Zentralschweizer
Skilift passieren
kann. Das Bundesland Thüringen
hat eine faszinierende
Geschichte. Denken wir nur
an die letzten 100 Jahre mit
Kaiserzeit, Deutschem Reich,
DDR, Wende und BRD. Kultur?
Hier lässt sich aus dem
Vollen schöpfen. Richten wir
unser Augenmerk auf die Tatsache,
dass wir uns hier in der
Heimat von immerhin Schiller,
Goethe, Bach und Luther befinden.
Zu schweigen von der
Theaterstadt Meiningen, von
allen sehenswerten Kirchen
(Kirchenburgen) und Klöstern.
Einen Beweis von Traditionsbewusstsein
konnten
wir in Jena speichern, wo gerade
im Rahmen von „Thüringer
Tage“ ein gewaltiger historischer
Umzug stattfand. Die
einmalige Landschaft gehört
selbstverständlich dazu mit
Postkarte aus den 1990er Jahren
ihrer Weite, mit dem Wald und
den aus Schweizer Perspektive
riesigen Ackerschlägen, die
50 und mehr Hektaren gross
sein können und von LPG-Zeiten
erzählen. Wie an Bäumen
im Wald kann man schliesslich
an folgender Tatsache vorbeisehen,
auch wenn sie von
grosser und angenehmer
Tragweite für den Deutschschweizer
Besucher des schönen
Bundeslandes ist: Du
wirst überall verstanden, wenn
du deutsche Wörter von Dir
gibst, und Du verstehst die
ganzen Sätze, die von Eingeborenenseite
her kommen
(kein angequatscht werden
von Einheimischen in entsetzlichstem
Englisch wie in andern
Nachbarländern)! Das
Resultat können frohe Dialoge
sein, die den Besuch erst
recht im Wert steigen lassen.
Diesbezüglich bleibt höchstens
ein winziger Schatten,
mit dem sich jedoch bestens
leben lässt. Die Leute denken
natürlich, wenn sie uns reden
hören (ein lieber Freund hat
mir das auch schon bestätigt):
“Das tönt wie Emil...“, aber -
wie gesagt - wir werden hier
bestens verstanden!