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BUNDESABGABENORDNUNG

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<strong>BUNDESABGABENORDNUNG</strong><br />

Bundesgesetz vom 28. Juni 1961, betreffend allgemeine Bestimmungen und das<br />

Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes verwalteten Abgaben<br />

(Bundesabgabenordnung – BAO)<br />

Aufbau der BAO:<br />

Anwendungsbereich des Gesetzes (§§ 1-3 BAO)<br />

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen (§§ 4-48b BAO)<br />

2. Abschnitt: Abgabenbehörden und Parteien (§§ 49-84 BAO)<br />

3. Abschnitt: Verkehr zwischen Abgabenbehörden, Parteien und sonstigen Personen<br />

(§§ 85-113 BAO)<br />

4. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen über die Erhebung der Abgaben<br />

(§§ 114-160 BAO)<br />

5. Abschnitt: Ermittlung der Grundlagen für die Abgabenerhebung und Festsetzung<br />

der Abgaben (§§ 161-209a BAO)<br />

6. Abschnitt: Einhebung der Abgaben (§§ 210-242 BAO)<br />

7. Abschnitt: Rechtsschutz (§§ 243-311 BAO)<br />

8. Abschnitt: Kosten (§§ 312-315 BAO)<br />

9. Abschnitt: Übergangs- und Schlussbestimmungen (§§ 317-324 BAO)<br />

1. Geltungsbereich<br />

Die BAO gilt insbesondere für bundesrechtlich geregelte öffentliche Abgaben,<br />

soweit sie von Abgabenbehörden des Bundes zu erheben sind.<br />

Die BAO gilt (derzeit) nicht für Landes- und Gemeindeabgaben<br />

(zB Vergnügungssteuern, Gebrauchsabgaben, Hundesteuern,<br />

Fremdenverkehrsabgaben, Jagdabgaben).<br />

2. Zuständigkeit und Organisation der Abgabenbehörden<br />

2.1 Sachliche Zuständigkeit<br />

Abgabenbehörden des Bundes sind vor allem:<br />

• Bundesministerium für Finanzen (BMF),<br />

• unabhängiger Finanzsenat (UFS),<br />

• Finanzämter, Zollämter.<br />

1


Die sachliche Zuständigkeit dieser Abgabenbehörden ist insbesondere geregelt<br />

• im Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz (AVOG),<br />

• in der Bundesabgabenordnung (BAO),<br />

• im BG über den unabhängigen Finanzsenat (UFSG).<br />

Der unabhängige Finanzsenat ist vor allem zuständig für<br />

• Berufungen gegen Bescheide der Finanzämter,<br />

• Rechtsmittel im Finanzstrafverfahren.<br />

2.2 Örtliche Zuständigkeit der Finanzämter<br />

Die örtliche Zuständigkeit ist insbesondere in den §§ 53 bis 73 BAO geregelt.<br />

Grundsätzlich sind beispielsweise zuständig:<br />

- Für die Einkommensteuer unbeschränkt Steuerpflichtiger (nach § 55 BAO) das<br />

Wohnsitzfinanzamt (= jenes Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige<br />

einen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen<br />

Aufenthalt hat; bei mehrfachem Wohnsitz im Bereich mehrerer Finanzämter jenes<br />

Finanzamt, in dessen Bereich sich der Abgabepflichtige vorwiegend aufhält).<br />

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf<br />

schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 26 Abs 1 BAO).<br />

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen<br />

lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt (§ 26 Abs 2<br />

erster Satz BAO).<br />

Unterhält der Abgabepflichtige lediglich im Bereich eines Finanzamtes einen oder<br />

mehrere Betriebe (insbesondere Gewerbebetriebe), so ist dieses Finanzamt für die<br />

Erhebung der Einkommensteuer zuständig.<br />

Beispiele:<br />

1. Ein Abgabepflichtiger hat zwei Wohnsitze (in Innsbruck und in Linz). Seine Familie<br />

wohnt in Innsbruck; dort hält er sich nur zum Wochenende auf. Er arbeitet als<br />

Arbeitnehmer in Linz und hält sich dort fünf Tage pro Woche auf.<br />

Die Erhebung der Einkommensteuer obliegt dem Finanzamt Linz (als Folge<br />

des vorwiegenden Aufenthaltes).<br />

2. Eine Abgabepflichtige hat ihren Wohnsitz in Kufstein.<br />

Sie unterhält ihren (einzigen) Gewerbebetrieb in Innsbruck.<br />

2


Die Erhebung der Einkommensteuer obliegt dem Finanzamt Innsbruck<br />

(als Folge der dortigen Geschäftsleitung ihres Gewerbebetriebes).<br />

3. Ein Abgabepflichtiger hat seinen Wohnsitz in Linz. Er unterhält Gewerbebetriebe<br />

in Villach, Eisenstadt und Linz.<br />

Die Erhebung der Einkommensteuer obliegt dem Finanzamt Linz (die Betriebe liegen<br />

in den Amtsbereichen mehrerer Finanzämter).<br />

- Für die Körperschaftsteuer unbeschränkt Steuerpflichtiger (nach § 58 BAO) das<br />

Finanzamt, in dessen Bereich sich der Ort der Geschäftsleitung (bzw des Sitzes)<br />

befindet.<br />

Als Ort der Geschäftsleitung ist der Ort anzunehmen, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen<br />

Oberleitung befindet (§ 27 Abs 2 BAO).<br />

- Für die Umsatzsteuer (nach § 61 BAO) das Finanzamt, das für die Einkommensteuer,<br />

Körperschaftsteuer oder für die einheitliche und gesonderte Feststellung<br />

der Einkünfte (§ 188 BAO) zuständig ist.<br />

- Für die Angelegenheiten des Steuerabzuges vom Arbeitslohn (Lohnsteuer) und<br />

die Erhebung des Dienstgeberbeitrages (nach § 57 BAO) das Finanzamt, das für<br />

die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder für die einheitliche und gesonderte<br />

Feststellung der Einkünfte des Arbeitgebers zuständig ist.<br />

- Für die Grunderwerbsteuer (nach § 64 BAO) das für Gebühren und Verkehrsteuern<br />

sachlich zuständige Finanzamt, in dessen Bereich das Grundstück bzw<br />

sein wertvollster Teil gelegen ist (zB Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern<br />

in Wien für ein in Eisenstadt gelegenes Grundstück, Finanzamt Innsbruck für in<br />

Tirol gelegenes Grundstück, Finanzamt Klagenfurt für ein in Villach gelegenes<br />

Grundstück).<br />

3. Abgabenanspruch, Haftung<br />

3.1 Abgabenanspruch (§§ 4 und 6 BAO)<br />

Der Abgabenanspruch (die Abgabenschuld) entsteht grundsätzlich unabhängig<br />

von einer behördlichen Maßnahme; Abgabenbescheide sind daher hinsichtlich<br />

der Abgabenhöhe deklarativ.<br />

3


Bei Einkommen(Körperschaft)steuer-Vorauszahlungen setzt die Entstehung des<br />

Abgabenanspruches die Erlassung eines Vorauszahlungsbescheides voraus.<br />

Vorrang haben die in einzelnen Abgabengesetzen enthaltenen Regelungen<br />

(zB § 19 UStG 1994, § 8 GrEStG 1987).<br />

Die BAO regelt ua für die Einkommensteuer und für die Körperschaftsteuer<br />

den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs<br />

• für die Vorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres (für das die<br />

Vorauszahlungen zu entrichten sind),<br />

• für die zu veranlagende Einkommen- und Körperschaftsteuer (soweit der<br />

Anspruch nicht bereits für die Vorauszahlungen entstanden ist) mit Ablauf des<br />

Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, bzw mit Erlöschen<br />

der Abgabepflicht (während des Kalenderjahres),<br />

• für Steuerabzugsbeträge (zB Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) im Zeitpunkt<br />

des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte.<br />

Subsidiär gilt die Generalklausel des § 4 Abs 1 BAO. Danach entsteht der<br />

Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz<br />

die Abgabepflicht knüpft.<br />

Dies gilt zB für Anspruchszinsen (§ 205 BAO), Stundungszinsen (§ 212 Abs 2 BAO),<br />

Aussetzungszinsen (§ 212a Abs 9 BAO), Säumniszuschläge (§ 217 BAO).<br />

Der Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches ist bedeutsam etwa für<br />

• Beginn der Bemessungsverjährung (§ 208 Abs 1 lit a BAO),<br />

• Sicherstellungsauftrag (§ 232 BAO),<br />

• keine Veranlagung vor Entstehen des Abgabenanspruches,<br />

• keine Fälligkeit vor Entstehen des Abgabenanspruches,<br />

• keine Haftungsinanspruchnahme vor Entstehen des Abgabenanspruches.<br />

Bei einer Gesamtschuld (§ 891 ABGB) kann jeder von mehreren Mitschuldnern<br />

für die ganze Abgabenschuld herangezogen werden. Es liegt im Ermessen,<br />

von welchem Mitschuldner die Abgabenbehörde wieviel verlangt.<br />

Soweit die Abgabenbehörde durch die Leistung eines Mitschuldners befriedigt wird,<br />

werden auch alle anderen Mitschuldner von ihrer Abgabenschuld befreit.<br />

4


Gesamtschuldner sind<br />

• Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung<br />

schulden (zB Erwerber und Veräußerer für die Grunderwerbsteuer nach<br />

§ 9 Z 4 GrEStG 1987, Mieter und Vermieter für die Bestandvertragsgebühr<br />

des § 33 TP 5 GebG),<br />

• Personen, die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind<br />

(zB die Mitglieder einer GesBR oder die Miteigentümer einer Hausgemeinschaft<br />

für die Umsatzsteuer),<br />

• Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften,<br />

durch Geltendmachung der Haftung mit Haftungsbescheid.<br />

Bei der Ermessensübung sind Vereinbarungen darüber, wer im Innenverhältnis<br />

die Abgabe zu tragen hat, bedeutsam (insbesondere für die Grunderwerbsteuer<br />

und für die Rechtsgeschäftsgebühren).<br />

Die Ermessensübung ist im Bescheid zu begründen (§ 93 Abs 3 lit a BAO).<br />

3.2 Haftung (§§ 7, 9, 11, 12 und 14 BAO)<br />

3.2.1 Allgemeines<br />

Abgabenrechtliche Haftung bedeutet das Einstehenmüssen für eine fremde<br />

Abgabenschuld. Die Haftung kann eine persönliche oder sachliche sein.<br />

Bei einer persönlichen Haftung kann die Abgabenbehörde für eine nicht entrichtete<br />

Abgabenschuld mit Haftungsbescheid (§ 224 BAO) auf das Vermögen des<br />

Haftenden greifen.<br />

Die Erlassung von Haftungsbescheiden ist nur innerhalb der Einhebungsverjährung<br />

(§ 238 BAO) zulässig.<br />

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen. Bei der Ermessensübung<br />

ist vor allem das Kriterium der Subsidiarität (Nachrangigkeit) der Haftung<br />

entscheidungsrelevant.<br />

Daher ist der Haftungspflichtige idR nur in Anspruch zu nehmen,<br />

• wenn die Einbringlichkeit beim Primärschuldner gefährdet<br />

oder wesentlich erschwert ist,<br />

• wenn (bzw soweit) der Eigenschuldner nicht in Anspruch genommen werden darf<br />

(zB bei Lohnsteuer nur nach § 83 Abs 2 EStG 1988).<br />

5


Persönliche Haftungen gibt es (neben der BAO) auch in anderen Abgabenvorschriften.<br />

Persönliche Haftungen bestehen zB nach § 82 EStG 1988 für<br />

Lohnsteuer und nach § 95 EStG 1988 für Kapitalertragsteuer.<br />

3.2.2 Haftung des Vertreters (§ 9 BAO)<br />

Die Haftung der Vertreter (iSd §§ 80 bis 83 BAO, zB Geschäftsführer einer GmbH,<br />

Vorstandsmitglied einer AG, Masseverwalter) für Abgaben des Vertretenen setzt<br />

voraus:<br />

• Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeit beim Vertretenen (Ausfallshaftung),<br />

• schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten (zB Entrichtung<br />

von Abgaben, Führung von Aufzeichnungen, zeitgerechte Einreichung<br />

von Abgabenerklärungen) durch den Vertreter (leichte Fahrlässigkeit reicht,<br />

"Beweislast" des Vertreters für mangelndes Verschulden),<br />

• Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit.<br />

Reichen die finanziellen Mittel nicht zur Begleichung aller Schulden, so darf<br />

der Vertreter bei der Entrichtung Abgabenschulden nicht schlechter behandeln<br />

als die übrigen Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz). Dieser Grundsatz<br />

gilt auch für die Umsatzsteuer. Hingegen ist bei der Lohnsteuer der Lohn anteilig<br />

zu kürzen (vgl § 78 Abs 3 EStG 1988).<br />

Die Haftung trifft Wirtschaftstreuhänder, Rechtsanwälte und Notare für ihre Beratungstätigkeit nur,<br />

wenn sie hiebei ihre Berufspflichten verletzt haben (§ 9 Abs 2 BAO). Hierüber ist auf Anzeige der<br />

Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden. Außerhalb dieser Tätigkeit haften diese<br />

Vertreter unabhängig von der berufsrechtlichen Beurteilung; dies betrifft zB Masseverwalter.<br />

3.2.3 Haftung nach § 11 BAO<br />

Bei vorsätzlichen Finanzvergehen (zB Hinterziehung gemäß § 33 FinStrG) haften<br />

rechtskräftig verurteilte Täter für den Verkürzungsbetrag. Die rechtskräftige<br />

Verurteilung ist Tatbestandsmerkmal.<br />

3.2.4 Haftung der Gesellschafter (§ 12 BAO)<br />

Gesellschafter einer OG und KG haften für die Abgabenschulden der Gesellschaft.<br />

Der Umfang der Haftung richtet sich nach dem bürgerlichen Recht (zB nach<br />

§ 128 UGB für Gesellschafter der OG).<br />

6


3.2.5 Haftung des Erwerbers (§ 14 BAO)<br />

Erwerber eines Unternehmens oder eines im Rahmen eines Unternehmens<br />

gesondert geführten Betriebes haften<br />

• für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens<br />

gründet (zB Umsatzsteuer), soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des<br />

letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen,<br />

• für Steuerabzugsbeträge (zB Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer), die seit dem<br />

Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen<br />

waren.<br />

Beispiel:<br />

Bei Übereignung im Oktober 2008 besteht die Haftung für Umsatzsteuerbeträge,<br />

deren Abgabenansprüche ab 1.1.2007 entstanden sind, sowie für Lohnsteuerbeträge,<br />

die ab 1.1.2007 fällig waren.<br />

Es reicht, wenn die Übereignung (zB auf Grund eines Kaufes, einer Schenkung)<br />

die für den Betrieb wesentlichen Grundlagen umfasst.<br />

Die Haftung besteht nur insoweit,<br />

• als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die Abgabenschulden kannte<br />

oder kennen musste,<br />

• als er an solchen Schuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert<br />

der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug<br />

übernommener Schulden beträgt.<br />

Keine Haftung besteht bei einem Erwerb<br />

• im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens,<br />

• aus einer Konkursmasse,<br />

• im Weg des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens)<br />

oder der Überwachung des Schuldners durch Sachwalter der Gläubiger.<br />

4. Ermessen (§ 20 BAO)<br />

Man unterscheidet drei Phasen eines Vollzugsaktes:<br />

1. Ermittlung des Sachverhaltes (freie Beweiswürdigung, § 167 BAO),<br />

2. Subsumtion des Sachverhaltes unter einen Tatbestand<br />

(unter Berücksichtigung der Auslegungsgrundsätze),<br />

3. Verwirklichung der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge<br />

(gebundene Entscheidung oder Ermessensentscheidung).<br />

7


Bei einer Ermessensentscheidung wird der Behörde ein Entscheidungsspielraum<br />

zwischen mehreren Möglichkeiten eingeräumt. Ermessensentscheidungen dürfen nur<br />

innerhalb der Ermessensgrenzen erfolgen (zB maximal 10 % Verspätungszuschlag).<br />

Primär sind die Ermessenskriterien aus dem Zweck der betreffenden<br />

Ermessensnorm abzuleiten.<br />

Daher wird eine amtswegige Wiederaufnahme (§ 303 Abs 4 BAO) eines Abgabenverfahrens - als<br />

Folge des Vorranges des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor dem<br />

der Rechtsbeständigkeit - idR zu verfügen sein (unabhängig davon, ob sie sich zu Gunsten<br />

oder Ungunsten der Partei auswirkt).<br />

Nach § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit (berechtigte<br />

Interessen der Partei) und Zweckmäßigkeit (öffentliches Anliegen, insbesondere<br />

an der Einbringung der Abgaben) zu treffen; hiebei sind alle in Betracht kommenden<br />

Umstände, die eine sachgerechte Ermessensentscheidung beeinflussen könnten,<br />

zu berücksichtigen.<br />

Die "Billigkeit" gebietet zB die Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie<br />

des steuerlichen Verhaltens und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei.<br />

Zur "Zweckmäßigkeit" gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie<br />

(daher zB keine Haftungsbescheide bei Uneinbringlichkeit beim Haftungspflichtigen,<br />

keine amtswegige Wiederaufnahme bei Geringfügigkeit der abgabenrechtlichen<br />

Auswirkungen).<br />

Amtswegige oder von einem Parteienanbringen abweichende Ermessensentscheidungen<br />

sind jedenfalls insbesondere insoweit zu begründen, als dies<br />

für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes (durch die Berufungsbehörde,<br />

durch den VwGH bzw VfGH) in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel<br />

des Gesetzes erforderlich ist.<br />

Ob eine gesetzliche Vorschrift der Behörde Ermessen einräumt, ist aus dem Wortlaut<br />

sowie dem Sinn der Norm ersichtlich (zB die Textierung "kann", "darf", "ist zulässig"<br />

weist idR auf Ermessen hin).<br />

Beispiele für Ermessensentscheidungen:<br />

§ 110 BAO (Verlängerbarkeit behördlicher Fristen),<br />

§ 111BAO (Zwangsstrafe),<br />

8


§ 112 BAO (Ordnungsstrafe),<br />

§ 112a BAO (Mutwillensstrafe),<br />

§ 135 BAO (Verspätungszuschlag),<br />

§ 212 BAO (Zahlungserleichterungen),<br />

§ 224 BAO (Erlassung von Haftungsbescheiden),<br />

§ 235 BAO (Löschung),<br />

§ 236 BAO (Nachsicht),<br />

§§ 293 und 293b BAO (Berichtigung),<br />

§ 299 Abs 1 BAO (Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes),<br />

§ 303 Abs 4 BAO (amtswegige Wiederaufnahme).<br />

Im Berufungsverfahren wird auch die richtige Ermessensübung geprüft und neuerlich Ermessen<br />

geübt. Hingegen prüft der VwGH nur, ob der Behörde eine Ermessensüberschreitung oder ein<br />

Ermessensmissbrauch anzulasten ist.<br />

5. Auslegung von Abgabenvorschriften (§ 3 Abs 5 BAO, §§ 21 bis 23 BAO)<br />

5.1 Allgemeines<br />

Die Auslegungsgrundsätze der §§ 6 und 7 ABGB gelten auch im Abgabenrecht.<br />

Es bestehen keine Sondermethoden.<br />

Auslegungsmethoden:<br />

• Grammatikalische Interpretation (eigentümliche Bedeutung der Worte).<br />

• Logische (sinngemäße) Interpretation (Bezugnahme auf den Zusammenhang<br />

der Worte, Bedachtnahme auf die gesamte gesetzliche Bestimmung,<br />

Umkehrschlüsse, Größenschlüsse oder Schlüsse aus dem Fehlen<br />

ausdrücklicher Bestimmungen).<br />

• Teleologische Interpretation (Bedachtnahme auf die Absicht des Gesetzgebers;<br />

hiezu gehört die "wirtschaftliche Betrachtungsweise").<br />

• Historische Interpretation.<br />

(Einfache) Gesetze sind möglichst verfassungskonform,<br />

Verordnungen sind möglichst gesetzeskonform auszulegen.<br />

Im Abgabenrecht besteht kein Analogieverbot. Analogie setzt eine Gesetzeslücke<br />

(= eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen<br />

am Maßstab der gesamten Rechtsordnung) voraus.<br />

9


Drei Anknüpfungsmethoden:<br />

1. Methode der direkten wirtschaftlichen Anknüpfung (eigenständige<br />

steuerliche Begriffe wie zB "Lieferung" und "Entgelt" bei Umsatzsteuer,<br />

Gewerbebetrieb iSd § 23 EStG 1988);<br />

2. Methode der indirekten wirtschaftlichen Anknüpfung (Begriffe aus anderen<br />

Rechtsgebieten, aber wirtschaftlicher Bedeutungsinhalt; zB Vermietung und<br />

Verpachtung bei § 28 EStG 1988);<br />

3. Methode der rechtlichen (formalen) Anknüpfung (Begriffe aus anderen<br />

Rechtsgebieten mit dem dortigen Begriffsinhalt; zB Bestandvertrag für<br />

Rechtsgeschäftsgebühr nach § 33 TP 5 GebG, Wohnungseigentum im<br />

§ 188 Abs 4 BAO, österreichische Staatsbürger im § 26 Abs 3 BAO).<br />

Bei wirtschaftlicher Anknüpfung (zB Lieferung im umsatzsteuerlichen Sinn) kommt<br />

es nicht darauf an, ob das zugrunde liegende Rechtsgeschäft (zB Kaufvertrag)<br />

• gültig (oder etwa ein Scheingeschäft iSd § 916 ABGB),<br />

• anfechtbar (zB wegen Irrtums, List oder Drohung) oder<br />

• nichtig (zB wegen Formmangels, wegen mangelnder Rechts- oder<br />

Handlungsfähigkeit)<br />

ist.<br />

Ebenso ist bedeutungslos, ob das Verhalten (zB Rechtsgeschäft, Lieferung)<br />

verstößt gegen ein<br />

• gesetzliches Gebot (zB bei amtlichen Preisen),<br />

• gesetzliches Verbot (zB Verkauf von Diebsgut) oder<br />

• gegen die guten Sitten (zB Arbeitsvertrag zur Durchführung<br />

strafrechtswidriger Tätigkeiten).<br />

Im Bereich rechtlicher Anknüpfung (zB für die Rechtsgeschäftsgebühren des<br />

§ 33 GebG) ist hingegen maßgebend, ob das betroffene Tatbestandselement<br />

(zB gültiger Vertrag) gegeben ist. Dort ist daher die Nichtigkeit (zB als Folge<br />

des § 879 ABGB bei verbotenen oder gegen die guten Sitten verstoßenden<br />

Verträgen) eines Rechtsgeschäfts ebenso bedeutsam wie die Frage, ob ein<br />

Scheingeschäft (§ 916 ABGB) vorliegt.<br />

5.2 Wirtschaftliche Betrachtungsweise (§ 21 BAO)<br />

Für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen ist der wahre wirtschaftliche Gehalt<br />

(und nicht die äußere Erscheinungsform) des Sachverhaltes maßgebend (§ 21<br />

Abs 1 BAO).<br />

10


Dieser Grundsatz dient nach der überwiegenden Judikatur des VwGH der Lösung<br />

von Tatfragen (der Würdigung des erforschten Sachverhaltes) und nicht der Klärung<br />

von Rechtsfragen.<br />

Nach der in der Literatur herrschenden Ansicht ist die wirtschaftliche<br />

Betrachtungsweise hingegen eine Auslegungsregel für abgabenrechtliche<br />

Bestimmungen, die den Methoden der wirtschaftlichen Anknüpfung folgen.<br />

Beispiele:<br />

1. Schriftlicher Dienstvertrag zwischen Unternehmer und seinem Sohn, zwei Stunden<br />

tägliche Arbeitszeit, aber 7.000 Euro monatlicher Lohn; diese Ausgaben sind (nur)<br />

teilweise Lohnaufwand, teilweise jedoch nicht abzugsfähig.<br />

2. Es ist nicht zulässig, das Entgelt für ein Getränk in einen Preis für das Getränk selbst<br />

(ohne Berücksichtigung der sonstigen Umstände bei der Abgabe des Getränkes) und<br />

in einen weiteren Preis zur Abdeckung der mit der Abgabe des Getränkes verbundenen<br />

"Gedeckkosten" aufzuteilen.<br />

Das Gegenstück zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist die formalrechtliche<br />

Betrachtungsweise. Letztere ist maßgebend, wenn die betreffende Abgabenbestimmung<br />

zB an die zivilrechtliche Gestaltung eines Rechtsverhältnisses anknüpft.<br />

Ist aus dem Tatbestand nicht eindeutig erkennbar, ob eine rechtliche oder<br />

wirtschaftliche Anknüpfung vorliegt, so ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise<br />

anzuwenden.<br />

Die wirtschaftliche Betrachtungsweise überwiegt im Einkommensteuerrecht,<br />

die rechtliche Anknüpfung überwiegt bei den Tatbeständen des Gebühren- und<br />

Verkehrsteuerrechtes.<br />

Die wirtschaftliche Betrachtungsweise dient der Gleichmäßigkeit der Besteuerung;<br />

sie ist auch zu Gunsten des Abgabepflichtigen zu beachten.<br />

Ausfluss wirtschaftlicher Betrachtungsweise sind ua:<br />

• Wirtschaftliches Eigentum (§ 24 BAO),<br />

• Gleichbehandlung erlaubter und verbotener (sittenwidriger) Geschäfte<br />

(§ 23 Abs 2 BAO),<br />

• Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung (insbesondere für Umsatzsteuer).<br />

11


5.3 Missbrauch (§ 22 BAO)<br />

Durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen<br />

Rechtes kann die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden. Liegt<br />

ein Missbrauch vor, so sind die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den<br />

wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen<br />

Gestaltung zu erheben wären (§ 22 BAO).<br />

Umgehung bedeutet Vermeidung oder Hinausschieben der Abgabepflicht.<br />

Missbrauch liegt nach Ansicht des VwGH vor, wenn<br />

1. für die zivilrechtliche Gestaltung keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen<br />

außersteuerlichen Gründe vorliegen (die Gestaltung muss für das Ziel, das mit ihr<br />

erreicht werden soll, derart ungewöhnlich sein, dass sie nur unter dem<br />

Gesichtspunkt der beabsichtigten Abgabenersparnis verständlich wird) und<br />

2. die ungewöhnliche Gestaltung in der Absicht geschieht, die Abgabepflicht<br />

zu umgehen oder zu mindern (subjektives Element).<br />

Beispiel:<br />

Unternehmer verkauft betrieblich genutztes Grundstück seiner vermögenslosen Gattin; das<br />

Geld für den Kauf wird teilweise geschenkt, teilweise liegt ein unverzinsliches Darlehen vor;<br />

er mietet es sodann (für betriebliche Zwecke). Die Mietzinsen sind nicht als Betriebsausgabe<br />

anzuerkennen.<br />

Im Unterschied zu § 23 Abs 1 BAO (Scheingeschäft) ist die gemäß § 22 BAO abgabenrechtlich<br />

unbeachtliche Gestaltung zivilrechtlich gültig.<br />

Den Missbrauch hat zwar die Abgabenbehörde nachzuweisen, doch hat der<br />

Abgabepflichtige den Sinn von offenkundig unerklärlichen Handlungen darzutun.<br />

Strittig ist, ob § 22 BAO lediglich ein Sonderfall der wirtschaftlichen Betrachtungsweise<br />

ist (so VfGH und BMF) oder ob § 22 BAO auch in Bereichen formalrechtlicher<br />

Anknüpfung Anwendung findet (so gelegentlich der VwGH).<br />

Innentheorie: das Umgehungsproblem ist ein allgemeines Rechtsproblem. Gesetzesumgehung<br />

ist ein Problem des Wirkungsbereiches des Gesetzes. Ob der Umgehungsversuch gelingt, hängt<br />

somit davon ab, ob die Gesetzesbestimmung auf den Umgehungsversuch anwendbar ist.<br />

Dies ist ein Interpretationsproblem bzw eines der Analogie.<br />

Außentheorie: § 22 BAO als Abgabentatbestand, der die Abgabepflicht über die einzelnen<br />

Tatbestände ausdehnt und die Besteuerung eines fiktiven Sachverhalts ermöglicht.<br />

12


5.4 Scheingeschäfte (§ 23 Abs 1 BAO)<br />

Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen sind für die Erhebung der Abgaben<br />

ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft<br />

verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Abgabenerhebung maßgebend<br />

(§ 23 Abs 1 BAO).<br />

Ein Scheingeschäft ist gemäß § 916 ABGB eine Willenserklärung, die einem<br />

anderen gegenüber mit dessen Einverständnis zum Schein abgegeben wird.<br />

Scheingeschäfte setzen das Einverständnis der Partner im Zeitpunkt<br />

des Abschlusses des Scheingeschäftes voraus.<br />

Scheingeschäfte bezwecken idR die Täuschung (Schädigung) Dritter.<br />

Das Motiv kann abgabenrechtlich oder etwa auch zivilrechtlich (zB Umgehung<br />

des Mieterschutzes) sein.<br />

Die Beweislast für die Annahme eines Scheingeschäftes trifft denjenigen<br />

(zB die Abgabenbehörde), der sich auf den Scheincharakter beruft.<br />

Man unterscheidet absolute und relative Scheingeschäfte:<br />

1. Absolutes Scheingeschäft: Vortäuschung eines Rechtsgeschäftes,<br />

obwohl die Parteien überhaupt kein Rechtsgeschäft abschließen wollen.<br />

Beispiel:<br />

Unternehmer schließt Dienstvertrag mit nicht im Betrieb arbeitender Gattin,<br />

ua um "Lohn" als Betriebsausgabe abziehen zu können.<br />

2. Relatives Scheingeschäft:<br />

a. Scheingeschäft und verdecktes Rechtsgeschäft sind ihrer Art nach verschieden.<br />

Beispiel:<br />

Vortäuschung eines Kaufes statt einer Schenkung, wenn der Unternehmer seinem<br />

mittellosen Sohn den Betrieb unentgeltlich übertragen will, er aber einen Kaufvertrag<br />

vortäuscht, um dem Sohn die Aufwertung des Betriebsvermögens und damit höhere AfA-<br />

Beträge zu ermöglichen, der Kaufpreis jedoch gestundet und später nachgelassen wird.<br />

13


. Scheingeschäft und verdecktes Geschäft sind zwar derselben Art,<br />

jedoch werden teilweise unrichtige Vertragsbedingungen vorgetäuscht<br />

(zB unrichtige Kaufpreisangabe, um Grunderwerbsteuer zu "sparen").<br />

c. Scheingeschäft soll Rechtsgeschäft mit dritter Person verdecken<br />

(zB Gefälligkeitsfaktura durch A, obwohl Lieferung durch B erfolgt).<br />

Scheingeschäfte sind zivilrechtlich nichtig. Sie sind abgabenrechtlich sowohl im<br />

Bereich wirtschaftlicher als auch im Bereich formalrechtlicher Betrachtungsweise<br />

(zB bei Rechtsgeschäftsgebühren) unbeachtlich.<br />

Abgabenrechtlich ist das verdeckte Rechtsgeschäft bzw (im Fall 2 b.) das<br />

Rechtsgeschäft zu den tatsächlich gewollten Bedingungen maßgebend.<br />

Allerdings wäre zB für die Rechtsgeschäftsgebühr wegen des Urkundenprinzips<br />

auch das verdeckte Rechtsgeschäft gebührenrechtlich unbeachtlich.<br />

5.5 Verbotene und sittenwidrige Handlungen (§ 23 Abs 2 BAO)<br />

Verstößt ein Verhalten (Handeln oder Unterlassen), das den abgabepflichtigen<br />

Tatbestand erfüllt, gegen ein<br />

• gesetzliches Gebot (zB bei amtlichen Preisen),<br />

• gesetzliches Verbot (zB Rauschgifthandel, nach § 27 MietrechtsG<br />

verbotene Ablösen) oder<br />

• gegen die guten Sitten (zB Auftrag zur Vermittlung von Kunden für<br />

Wuchergeschäfte, Vereinbarung einer übermäßigen existenzgefährdenden<br />

Konventionalstrafe),<br />

so hindert dies nicht die Erhebung von Abgaben.<br />

§ 23 Abs 2 BAO dient der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.<br />

§ 23 Abs 2 BAO gilt auch zu Gunsten des Abgabepflichtigen (zB für sittenwidrige<br />

Provisionen, für Schmiergelder); § 20 Abs 1 Z 5 EStG 1988 normiert jedoch die<br />

Nichtabzugsfähigkeit von Geld- und Sachzuwendungen, deren Gewährung oder<br />

Annahme mit gerichtlicher Strafe bedroht ist.<br />

5.6 Nichtige Rechtsgeschäfte (§ 23 Abs 3 BAO)<br />

Die BAO behandelt im § 23 Abs 3 BAO von den Nichtigkeitsgründen nur<br />

• den Formmangel (zB fehlender Notariatsakt für Kauf, Tausch und<br />

Darlehensverträge zwischen Ehegatten),<br />

14


• die mangelnde Rechtsfähigkeit (zB eine GmbH ist im Firmenbuch<br />

nicht eingetragen),<br />

• die mangelnde Handlungsfähigkeit (zB Kinder).<br />

Ist ein Rechtsgeschäft aus einem dieser Gründe nichtig, so wirkt sich dies insoweit<br />

und so lange auf die Abgabenerhebung nicht aus, als die am Rechtsgeschäft<br />

beteiligten Personen das wirtschaftliche Ergebnis des nichtigen Rechtsgeschäfts<br />

eintreten und bestehen lassen (§ 23 Abs 3 BAO).<br />

§ 23 Abs 3 BAO gilt nicht bei zivilrechtlicher Anknüpfung<br />

(daher keine Gebührenpflicht eines nichtigen Bestandvertrages).<br />

Im § 23 Abs 3 BAO nicht erwähnte Nichtigkeitsgründe ergeben sich zB aus<br />

§ 879 ABGB, wonach verbotene oder gegen die guten Sitten verstoßende Verträge<br />

nichtig sind. Die Nichterwähnung ändert nichts daran, dass auch solche Nichtigkeitsgründe<br />

bei zivilrechtlicher Anknüpfung bedeutsam bzw bei wirtschaftlicher<br />

Anknüpfung bedeutungslos sind.<br />

5.7 Anfechtbare Rechtsgeschäfte (§ 23 Abs 4 BAO)<br />

Die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäftes ist für die Abgabenerhebung insoweit<br />

und so lange ohne Bedeutung, als die Anfechtung nicht mit Erfolg durchgeführt ist<br />

(§ 23 Abs 4 BAO).<br />

Anfechtungsgründe sind beispielsweise<br />

- List oder Drohung (§ 870 ABGB),<br />

- Irrtum (§ 871 ABGB).<br />

Bei wirtschaftlicher Anknüpfung in Abgabentatbeständen ist die Anfechtbarkeit<br />

(ebenso wie die erfolgreiche Anfechtung) abgabenrechtlich bedeutungslos.<br />

6. Angehörige (§ 25 BAO)<br />

Angehörige sind:<br />

- der Ehegatte (auch nach Auflösung der Ehe);<br />

- die Verwandten in gerader Linie unbegrenzt (zB Großeltern - Enkelkinder),<br />

in der Seitenlinie bis zum vierten Grad (zweiter Grad zB Geschwister, dritter<br />

Grad zB Onkel/Tante - Neffe/Nichte; vierter Grad zB Cousin/Cousine), auch wenn<br />

unehelich geboren;<br />

15


- die Verschwägerten in gerader Linie unbegrenzt (zB Schwiegereltern -<br />

Schwiegersohn/Schwiegertochter), in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad<br />

(zB Schwager/Schwägerin), auch wenn unehelich geboren, auch nach<br />

Auflösung der Ehe;<br />

- die Wahl(Pflege)eltern und die Wahl(Pflege)kinder;<br />

- Personen, die miteinander in (auch gleichgeschlechtlicher) Lebensgemeinschaft<br />

leben, sowie Kinder und Enkel einer dieser Personen im Verhältnis zur anderen<br />

Person.<br />

Dieser Angehörigenbegriff ist maßgebend etwa für die<br />

- Befangenheit (§ 76 BAO, § 72 Abs 1 lit a FinStrG),<br />

- Verweigerung der Auskunft (§ 143 BAO),<br />

- Verweigerung der Zeugenaussage (§ 171 BAO, § 104 Abs 1 lit a FinStrG).<br />

7. Vertreter (§§ 80 bis 84 BAO)<br />

7.1 Gesetzliche Vertreter natürlicher Personen (§ 80 Abs 1 BAO)<br />

Die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle abgabenrechtlichen<br />

Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie sind befugt,<br />

deren abgabenrechtliche Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür<br />

zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.<br />

Solche Vertreter sind zB: Eltern, Mutter des minderjährigen unehelichen Kindes,<br />

Sachwalter, Kollisionskurator, Abwesenheitskurator.<br />

7.2 Vertreter juristischer Personen (§ 80 Abs 1 und 3 BAO)<br />

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben alle<br />

abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen.<br />

Sie sind befugt, deren abgabenrechtliche Rechte wahrzunehmen.<br />

Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln,<br />

die sie verwalten, entrichtet werden.<br />

Solche Vertreter sind beispielsweise:<br />

- bei einer GmbH die Geschäftsführer, bei Auflösung die Liquidatoren,<br />

- bei einer AG der Vorstand, bei Auflösung die Abwickler,<br />

- bei einer Genossenschaft der Vorstand,<br />

- bei einem Verein das Leitungsorgan,<br />

- bei einer Privatstiftung der Stiftungsvorstand.<br />

16


Vertreter einer aufgelösten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach<br />

§ 93 Abs 4 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten<br />

Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war (§ 80 Abs 3 BAO).<br />

7.3 Vermögensverwalter (§ 80 Abs 2 BAO)<br />

Steht die Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern<br />

des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die<br />

Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die abgabenrechtlichen<br />

Pflichten und Befugnisse der Eigentümer.<br />

Solche Vermögensverwalter sind zB die Verwalter einer Miteigentumsgemeinschaft<br />

(§ 837 ABGB). Ihre Vertretungsbefugnis umfasst zB das Verfahren zur einheitlichen<br />

und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung<br />

unbeweglichen Vermögens (§ 188 Abs 1 lit d BAO) sowie das Umsatzsteuer-<br />

Verfahren der Gemeinschaft (nicht zB das Einkommensteuer-Verfahren eines<br />

Miteigentümers).<br />

7.4 Vertretung von Personenvereinigungen (-gemeinschaften) (§ 81 BAO)<br />

Solche Gebilde sind zB OG, KG, GesBR, Miteigentumsgemeinschaft,<br />

unechte (atypische) stille Gesellschaft.<br />

Wer vertraglich bzw subsidiär nach ABGB oder UGB zur Geschäftsführung des<br />

Gebildes befugt ist, hat auch die das Gebilde treffenden abgabenrechtlichen<br />

Pflichten zu erfüllen; er ist abgabenrechtlich vertretungsbefugt.<br />

Bei der GesBR sind mangels abweichender vertraglicher Regelung alle Mitglieder<br />

zusammen vertretungsbefugt (Mehrstimmigkeitsprinzip nach Kapitalanteilen);<br />

ebenso bei Miteigentum.<br />

Bei der OG ist mangels abweichender vertraglicher Regelung jeder Gesellschafter<br />

einzelvertretungsbefugt.<br />

Bei einer KG ist mangels abweichender vertraglicher Regelung jeder Komplementär<br />

einzelvertretungsbefugt.<br />

Wären danach mehrere Personen (zB mehrere Geschäftsführer, Gesellschafter)<br />

abgabenrechtlich vertretungsbefugt, so hat das Gebilde eine dieser Personen<br />

oder einen Dritten (zB Arbeitnehmer der Gesellschaft, Wirtschaftstreuhänder)<br />

als gemeinsamen Bevollmächtigten namhaft zu machen (§ 81 Abs 2 BAO).<br />

17


Diese Person ist auch Zustellungsbevollmächtigter, es sei denn, eine andere<br />

Person erhält die Zustellungsbevollmächtigung.<br />

Wird die Pflicht zur Namhaftmachung verletzt, so kann die Abgabenbehörde eine<br />

der abgabenrechtlich vertretungsbefugten Personen mit Bescheid als gemeinsamen<br />

Bevollmächtigten bestellen; es ist jene Person zu bestellen, die der<br />

Abgabenbehörde hiefür am geeignetsten erscheint.<br />

Dieser Bescheid ergeht an die bestellte Person; nur sie ist rechtsmittelbefugt.<br />

Die übrigen Personen sind formlos von der amtswegigen Vertreterbestellung<br />

zu verständigen, wenn sie Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland haben;<br />

diese Verständigung ist kein Bescheid.<br />

Die amtswegige Bestellung ist bescheidmäßig ganz oder teilweise<br />

(zB nur betreffend Zustellung) zu widerrufen,<br />

- sobald das Gebilde einen gemeinsamen Bevollmächtigten namhaft macht,<br />

- weiters wenn die bestellte Person aus dem Gebilde austritt oder<br />

zivilrechtlich handlungsunfähig wird,<br />

- wenn die Abgabenbehörde eine andere Person als gemeinsamen Vertreter<br />

bestellen will (zB weil sich die zunächst bestellte Person als ungeeignet<br />

erweist).<br />

Ein derartiger Widerrufsbescheid ist an die Person zu richten, deren<br />

Vertretungsbefugnis widerrufen wird; eine Verständigung der übrigen Personen<br />

ist gesetzlich nicht vorgesehen.<br />

Die bisher behandelten Regelungen des § 81 BAO gelten gemäß dessen Abs 9 sinngemäß auch für<br />

Vermögensmassen, die als solche der Besteuerung unterliegen, das sind insbesondere die im § 1<br />

Abs 2 Z 3 KStG 1988 angeführten (nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen) Anstalten, Stiftungen<br />

und andere Zweckvermögen.<br />

Durch den Eintritt eines neuen Gesellschafters (Mitglieds) in die Vereinigung<br />

(Gemeinschaft) wird die gemeinsame Vertretungsbefugnis nicht berührt<br />

(§ 81 Abs 5 BAO).<br />

Bei Beendigung der Vereinigung (Gemeinschaft) gehen ihre Rechte und Pflichten<br />

auf die zuletzt Beteiligten über (§ 19 Abs 2 BAO); die gemeinsame Vertretungsbefugnis<br />

der namhaft gemachten bzw der amtswegig bestellten Person bleibt<br />

unberührt, es sei denn, einer der zuletzt beteiligt Gewesenen (Gesellschafter,<br />

Mitglieder) oder die vertretungsbefugte Person erhebt Widerspruch (§ 81<br />

18


Abs 6 BAO). Machen danach die Gesellschafter (Mitglieder) keine andere Person<br />

als vertretungsbefugt namhaft, so kann die Abgabenbehörde von Amts wegen eine<br />

vertretungsbefugte Person bescheidmäßig bestellen.<br />

Die gemeinsame Zustellungsbevollmächtigung der vertretungsbefugten Person<br />

erstreckt sich auf alle an die Vereinigung (Gemeinschaft) zu richtenden<br />

Erledigungen.<br />

Nach § 81 Abs 7 BAO gilt diese Zustellungsbevollmächtigung auch für an alle<br />

Gesellschafter (Mitglieder) in dieser ihrer Eigenschaft gerichtete Erledigungen<br />

(zB Umsatzsteuer bei GesBR). Dies gilt auch nach Beendigung des Gebildes<br />

für solche an die ehemaligen Gesellschafter (Mitglieder) gerichtete Erledigungen,<br />

sofern ein anderer Zustellungsbevollmächtigter nicht eigens namhaft gemacht wird.<br />

Diese Weitergeltung besteht dann nicht, wenn einer der (ehemaligen) Gesellschafter<br />

(Mitglieder) oder die vertretungsbefugte Person dagegen Widerspruch erhoben hat.<br />

Die gemeinsame Vertretungsbefugnis besteht auch (für Zeiträume vor ihrem<br />

Ausscheiden) hinsichtlich ausgeschiedener Gesellschafter (Mitglieder), es sei denn,<br />

der Ausgeschiedene oder die vertretungsbefugte Person erhebt dagegen<br />

Widerspruch (§ 81 Abs 8 BAO).<br />

Vertreter iSd § 81 BAO haben alle abgabenrechtlichen Pflichten (zB Führung von<br />

Aufzeichnungen, Einreichung von Abgabenerklärungen, Entrichtung der Abgaben)<br />

des Vertretenen zu erfüllen; sie haften gegebenenfalls nach § 9 BAO.<br />

Unberührt davon bleibt die Parteistellung jedes Gesellschafters (Mitgliedes)<br />

etwa gemäß § 78 Abs 3 BAO hinsichtlich Feststellungsbescheiden gemäß § 188 BAO.<br />

Jeder von ihnen hat daher gegebenenfalls zB das Recht auf Akteneinsicht (§ 90 BAO)<br />

in die Akten des Feststellungsverfahrens und das Recht auf Teilnahme an der Schlussbesprechung<br />

(§ 149 BAO).<br />

7.5 Kuratorbestellung (§ 82 BAO)<br />

Erfordert es die Wichtigkeit der Sache, so kann von der Abgabenbehörde<br />

die Bestellung eines Kurators beantragt werden. Dies betrifft:<br />

- eine Person unbekannten Aufenthaltes,<br />

- eine nicht voll handlungsfähige Person, die keinen gesetzlichen Vertreter hat,<br />

- eine weggefallene juristische Person oder ein weggefallenes ähnliches<br />

Gebilde, wenn ihre (seine) Vertretung zweifelhaft ist,<br />

- ein sonst verbleibendes Vermögen, dessen Vertretung zweifelhaft ist.<br />

19


Die Bestellung eines Kurators ist beim zuständigen Bezirksgericht<br />

(Pflegschaftsgericht) zu beantragen. Sie erfolgt auf Kosten des Vertretenen.<br />

Eine solche Kuratorbestellung kommt nicht in Betracht, wenn bereits aus<br />

anderen Gründen eine Kuratorbestellung zu erfolgen hat (zB Kollisionskurator,<br />

Verlassenschaftskurator, Absonderungskurator).<br />

Ein Kollisionskurator ist nötig für Geschäfte, bei denen der gesetzliche Vertreter (zB Elternteil)<br />

wegen einer Interessenskollision an der Ausübung seines Amtes verhindert ist (zB für Rechtsgeschäfte<br />

zwischen Vertreter und Vertretenem; für die einheitliche und gesonderte Feststellung<br />

gemäß § 188 BAO, wenn beide an den Einkünften beteiligt sind).<br />

Der Verlassenschaftskurator vertritt die Verlassenschaft, etwa wenn die Erben unbekannt sind.<br />

Absonderung der Verlassenschaft, wenn zB ein Erbschaftsgläubiger befürchtet, dass durch<br />

Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben seine Forderung gefährdet wird;<br />

gegebenenfalls wird ein Absonderungskurator für die Vermögensverwaltung bestellt.<br />

7.6 Bevollmächtigung (§ 83 BAO)<br />

Durch Bevollmächtigte können sich vertreten lassen:<br />

- Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter (zB Eltern, Sachwalter, Kollisionskurator),<br />

- Organe juristischer Personen (zB Vorstand einer AG, Geschäftsführer<br />

einer GmbH),<br />

- Geschäftsführer eingetragener Personengesellschaften (OG, KG).<br />

Eigenberechtigte natürliche Personen und dazu berechtigte Institutionen<br />

(zB Wirtschaftstreuhandgesellschaften gemäß § 66 WTBG) kommen als<br />

Bevollmächtigte im Abgabenverfahren in Betracht.<br />

Grundsätzlich besteht im Abgabenverfahren keine Pflicht einer handlungsfähigen Person,<br />

sich vertreten zu lassen. Solche Pflichten sehen § 112 Abs 2 BAO, § 27 Abs 7 UStG 1994<br />

(Fiskalvertreter) und § 10 ZustG vor.<br />

Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich<br />

nach der Vollmacht. Hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis<br />

auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts<br />

(zB nach § 1008 ABGB) zu beurteilen (§ 83 Abs 2 BAO).<br />

Eine Zustellungsvollmacht setzt (gemäß § 9 Abs 1 ZustG) die Bevollmächtigung<br />

zur Empfangnahme von Dokumenten (Schriftstücken) voraus.<br />

20


Eine Geldvollmacht ist nötig für Anträge auf Rückzahlung eines Guthabens<br />

an den Bevollmächtigten sowie auf Umbuchung oder Überrechnung auf ein<br />

nicht dem Abgabepflichtigen zuzurechnendes Abgabenkonto.<br />

Eine Vollmacht ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des<br />

Machtgebers (Unterschrift des Bevollmächtigten auf der Vollmachtsurkunde<br />

daher nicht nötig).<br />

Grundsätzlich hat sich der Bevollmächtigte durch eine schriftliche Vollmacht<br />

auszuweisen. Dies kann durch Überreichung einer Vollmachtsurkunde (zum Verbleib<br />

im Akt oder mit dem Ersuchen um Rücksendung), durch Vorweisung einer solchen<br />

Urkunde oder durch Hinweis auf eine bei einer anderen Stelle der Abgabenbehörde<br />

aufliegende Urkunde erfolgen. Vor Rücksendung der Urkunde ist ihr Inhalt<br />

festzuhalten (Aktenvermerk, Ablichtung der Urkunde).<br />

Der Vollmachtgeber kann vor der Abgabenbehörde die Vollmacht auch mündlich<br />

erteilen, worüber eine Niederschrift aufzunehmen ist (§ 83 Abs 3 BAO).<br />

Die Abgabenbehörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen,<br />

wenn amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige oder Angestellte<br />

als bevollmächtigte Vertreter auftreten; allerdings dürfen keine Zweifel über das<br />

Bestehen und den Umfang der Vertretungsbefugnis bestehen (§ 83 Abs 4 BAO).<br />

Solche Zweifel bestehen etwa, wenn Ehegatten in Scheidung leben<br />

oder einem Angestellten gekündigt wurde.<br />

Bei Wirtschaftstreuhändern, Bilanzbuchhaltern, Rechtsanwälten und Notaren<br />

ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis<br />

(§ 88 Abs 9 WTBG, § 73 Abs 5 BibuG, § 8 Abs 1 RAO, § 5 Abs 4a NotO).<br />

Dies kann insbesondere schriftlich oder mündlich erfolgen. Ausreichend ist auf einer<br />

Eingabe zB der Vermerk "Vollmacht ausgewiesen". Der Hinweis "vertreten durch"<br />

reicht nicht.<br />

Maßgebend ist, welchen Umfang der Bevollmächtigung der Parteienvertreter<br />

behauptet. Eine Geldvollmacht muss ausdrücklich behauptet werden.<br />

Erscheint die (behauptete) Bevollmächtigung bzw ihr Umfang zweifelhaft,<br />

so sind entsprechende Ermittlungen (zB Einvernahme des Vertretenen)<br />

vorzunehmen. Als Beweis darf nicht eine Vollmachtsurkunde verlangt werden.<br />

21


Vollmachten enden vor allem durch:<br />

- Widerruf durch den Machtgeber (§ 1020 ABGB),<br />

- Aufkündung durch den Bevollmächtigten (§ 1021 ABGB),<br />

- einvernehmliche Beendigung durch Aufhebungsvertrag,<br />

- (idR) Tod des Machtgebers bzw des Bevollmächtigten (§ 1023 ABGB),<br />

- Konkurseröffnung bezüglich Machtgeber bzw Machthaber (§ 1024 ABGB).<br />

Die Abgabenbehörde hat die Vollmacht bei Widerruf, Aufkündung<br />

oder einvernehmlicher Beendigung bis zum Zeitpunkt des Einlangens<br />

der Verständigung über diese Endigungsgründe zu beachten.<br />

Eine Bevollmächtigung schließt (nach § 83 Abs 5 BAO) nicht aus,<br />

- dass sich die Abgabenbehörde unmittelbar an den Vollmachtgeber wendet,<br />

- dass der Vollmachtgeber gegenüber der Abgabenbehörde Erklärungen abgibt.<br />

Bei widersprüchlichen Wissenserklärungen gilt die freie Beweiswürdigung<br />

(§ 167 BAO). Bei Willenserklärungen gilt die zeitlich frühere.<br />

7.7 Ablehnung von Bevollmächtigten (§ 84 BAO)<br />

Wer die Vertretung anderer geschäftsmäßig, wenn auch unentgeltlich, betreibt,<br />

ohne hiezu befugt zu sein, ist bescheidmäßig abzulehnen. Nur der Abgelehnte<br />

ist dagegen rechtsmittelbefugt. Der Vollmachtgeber ist von der Ablehnung<br />

in Kenntnis zu setzen.<br />

Nach Ablehnung durch den Bevollmächtigten schriftlich oder mündlich Vorgebrachtes<br />

ist abgabenrechtlich wirkungslos (§ 84 Abs 2 BAO).<br />

Geschäftsmäßig bedeutet, dass die Tätigkeit nicht nur ausnahmsweise,<br />

sondern mit einer gewissen Häufigkeit erfolgt (oder voraussichtlich erfolgen wird).<br />

Berufsrechtlich befugt zur Vertretung sind vor allem:<br />

- Wirtschaftstreuhänder,<br />

- Rechtsanwälte,<br />

- Notare.<br />

Befugt sind weiters (in Teilbereichen) etwa:<br />

- Bilanzbuchhalter (§ 2 BibuG),<br />

- Buchhalter (§ 3 BibuG),<br />

22


- Personalverrechner (§ 4 BibuG),<br />

- Vermögensverwalter (§ 80 Abs 2 BAO),<br />

- Arbeitnehmer (in Steuersachen ihres Arbeitgebers).<br />

Nicht zur geschäftsmäßigen Vertretung im Abgabenverfahren befugt<br />

sind beispielsweise:<br />

• Betriebsberater,<br />

• Versicherungsvertreter,<br />

• Patentanwälte,<br />

• Arbeiterkammer,<br />

• Gewerkschaft.<br />

Winkelschreiberei ist strafbar (vgl § 57 RAO, § 116 WTBG, Art IX Abs 1 Z 1 EGVG);<br />

eine Anzeige des Winkelschreibers durch die Abgabenbehörde ist nach § 48b<br />

Abs 2 BAO zulässig.<br />

8. Anbringen (§§ 85 bis 86a BAO)<br />

8.1 Form der Einbringung<br />

Anbringen zur<br />

- Geltendmachung von Rechten (zB Anträge, Rechtsmittel),<br />

- Erfüllung von Verpflichtungen (zB Abgabenerklärungen, Beantwortung<br />

von Bedenkenvorhalten und Auskunftsverlangen)<br />

sind grundsätzlich schriftlich einzureichen.<br />

Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten,<br />

können auch telegraphisch oder fernschriftlich eingereicht werden. Die Einreichung<br />

von Anbringen im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder<br />

anderen technisch möglichen Weise ist nur dann und insoweit zulässig, als dies<br />

durch Verordnung des BMF vorgesehen ist.<br />

Nach der Verordnung BGBl 1991/494 ist für Anbringen im obigen Sinn, die in<br />

Abgaben-, Monopol- oder Finanzstrafangelegenheiten an das Bundesministerium für<br />

Finanzen an den unabhängigen Finanzsenat, an ein Finanzamt oder an ein Zollamt<br />

gerichtet werden, die Einreichung unter Verwendung eines Telekopierers<br />

(Telefaxgerätes) zugelassen.<br />

23


Diese Verordnung gilt ua nicht für Abgabenerklärungen, Anzeigen gemäß § 31 GebG<br />

und Anträge auf Rückzahlung, Umbuchung oder Überrechnung.<br />

Mündliche Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung<br />

von Verpflichtungen sind von der Abgabenbehörde entgegenzunehmen,<br />

- wenn dies in Abgabenvorschriften vorgesehen ist (zB im § 176 BAO für die<br />

Geltendmachung von Zeugengebühren),<br />

- wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist<br />

(zB Antrag auf Akteneinsicht),<br />

- wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen<br />

nicht zugemutet werden kann (zB körperliche Gebrechen, des Schreibens<br />

unkundig, keine ausreichenden Kenntnisse der für den Einschreiter zugelassenen<br />

Amtssprache).<br />

Anbringen, die nicht der Geltendmachung von Rechten oder der Erfüllung von<br />

Verpflichtungen dienen (zB bloße Mitteilungen), können mündlich vorgebracht<br />

werden, soweit nicht die Wichtigkeit des Anbringens oder sein Umfang Schriftlichkeit<br />

erfordert und dies dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen<br />

zumutbar ist (§ 86 BAO).<br />

Zulässige mündliche Anbringen müssen während der für den Parteienverkehr<br />

bestimmten Amtsstunden, die bei der Abgabenbehörde durch Anschlag<br />

kundzumachen sind, entgegengenommen werden (§ 85 Abs 3 BAO). Sie dürfen<br />

auch außerhalb der Parteienverkehrszeiten entgegengenommen werden.<br />

Ihr Inhalt ist idR in einer Niederschrift festzuhalten (§ 87 Abs 1 BAO).<br />

8.2 Mängelbehebungsverfahren<br />

Ist eine Eingabe zulässig und rechtzeitig, so ist zu prüfen, ob sie mit<br />

Formgebrechen behaftet ist oder die Unterschrift fehlt (sofern die Eingabe<br />

nicht telegraphisch oder fernschriftlich oder - soweit durch Verordnung zugelassen -<br />

im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder auf andere technisch<br />

mögliche Weise eingereicht wurde).<br />

Ist die Eingabe (als unzulässig oder verspätet) zurückzuweisen,<br />

so ist kein Mängelbehebungsauftrag zu erlassen.<br />

Formgebrechen sind zB die Nichtverwendung<br />

- eines amtlichen Vordruckes,<br />

- der für den Einschreiter zugelassenen Amtssprache (deutsch,<br />

allenfalls slowenisch, kroatisch oder ungarisch).<br />

24


Liegt ein Formgebrechen vor, fehlt die Unterschrift oder die Vollmacht,<br />

so ist ein Mängelbehebungsauftrag mit angemessener Fristsetzung zu erlassen.<br />

Er hat den Hinweis (außer bei Pflichteingaben) zu enthalten, dass die Eingabe<br />

nach fruchtlosem Ablauf der Frist als zurückgenommen gilt (§ 85 Abs 2 BAO).<br />

Diese (behördliche) Frist ist verlängerbar.<br />

Der Mängelbehebungsauftrag ist eine verfahrensleitende Verfügung.<br />

Er ist somit nicht abgesondert anfechtbar (§ 244 BAO).<br />

Werden die Mängel rechtzeitig behoben, so gilt die Eingabe als ursprünglich richtig<br />

eingebracht. Werden die Mängel nicht rechtzeitig behoben, so ist ein (abgesondert<br />

anfechtbarer) Zurücknahmebescheid zu erlassen.<br />

Das Fehlen einer Unterschrift stellt keinen Mangel bei Anbringen dar,<br />

die zulässigerweise<br />

- telegraphisch,<br />

- fernschriftlich oder<br />

- im Wege automationsunterstützter Datenübertragung bzw<br />

- in einer anderen technisch möglichen Weise<br />

eingereicht werden.<br />

Die Abgabenbehörde kann jedoch, wenn es die Wichtigkeit des Anbringens<br />

zweckmäßig erscheinen lässt, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung<br />

des Anbringens mit dem Hinweis auftragen, dass dieses nach fruchtlosem Ablauf<br />

einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt<br />

(§ 86a Abs 1 letzter Satz BAO; gilt nicht bei Pflichteingaben).<br />

9. Erledigungen der Abgabenbehörden<br />

9.1 Bescheide<br />

9.1.1 Bescheidgestaltung<br />

Bescheide haben (nach den §§ 93 und 96 BAO) zu enthalten:<br />

• Bezeichnung der Behörde,<br />

• Bezeichnung als Bescheid,<br />

• Spruch (mit Nennung des Bescheidadressaten),<br />

• Begründung (wenn dem ihm zugrunde gelegten Anbringen nicht vollinhaltlich<br />

Rechnung getragen wird oder wenn der Bescheid von Amts wegen ergeht),<br />

25


• Rechtsmittelbelehrung (ob Rechtsmittel zulässig ist, Rechtsmittelfrist,<br />

wo Rechtsmittel einzubringen ist, dass Rechtsmittel zu begründen ist<br />

und dass es keine aufschiebende Wirkung hat),<br />

• Datum,<br />

• Unterschrift oder Beglaubigung (nicht erforderlich bei mittels automationsunterstützter<br />

Datenverarbeitung erstellten Ausfertigungen).<br />

Bescheide sind grundsätzlich schriftlich zu erlassen.<br />

Verfahrensleitende Verfügungen (zB Verweigerung der Akteneinsicht während<br />

eines Abgabenverfahrens gegenüber der Partei) dürfen auch mündlich ergehen<br />

(§ 94 BAO).<br />

9.1.2 Bescheidarten<br />

Abgabenbescheide setzen Abgaben (zB Einkommensteuer) fest.<br />

Siehe hiezu Abschnitt 15.1.<br />

Feststellungsbescheide sind Bescheide über Abgabenbemessungsgrundlagen,<br />

zB über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO;<br />

bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit<br />

sowie aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens, wenn an den<br />

Einkünften mehrere Personen beteiligt sind).<br />

Einheitliche Feststellungen setzen voraus, dass die Beteiligten dieselbe Einkunftsart<br />

erzielen. Befinden sich die Anteile an einer Hausgemeinschaft teils im Privatvermögen,<br />

teils im Betriebsvermögen der Miteigentümer, so hat die Feststellung<br />

der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung daher nur die Anteile jener zu<br />

umfassen, bei denen sie sich im Privatvermögen befinden.<br />

Im Spruch des Feststellungsbescheides ist stets abzusprechen<br />

- über den Feststellungszeitraum,<br />

- über die Art der Einkünfte,<br />

- über die Höhe des Gewinnes (Verlustes) bzw des Überschusses<br />

der Einnahmen über die Werbungskosten,<br />

- über die Zurechnung.<br />

Gegebenenfalls ist im Spruch des Feststellungsbescheides weiters etwa<br />

darüber abzusprechen,<br />

- ob und welcher betragsmäßig bestimmte Teil der festgestellten Einkünfte<br />

26


für eine Tarifermäßigung (zB § 37 EStG 1988) in Betracht kommt,<br />

- ob ein Verlust vortragsfähig (iSd § 18 Abs 6 und 7 EStG 1988) ist,<br />

- ob Verluste nicht ausgleichsfähig sind (vgl zB § 2 Abs 2a EStG 1988),<br />

- ob solche zunächst nicht ausgleichsfähige Verluste spätere Gewinnanteile<br />

mindern.<br />

Solche Feststellungsbescheide sind Grundlagenbescheide. Sie werden den<br />

abgeleiteten Bescheiden (zB Einkommensteuerbescheid eines an den Einkünften<br />

der Gesellschaft Beteiligten) zugrunde gelegt. Zur Folgeänderung siehe § 295 BAO.<br />

Örtlich zuständig ist (nach § 54 BAO) für die einheitliche und gesonderte Feststellung<br />

von Einkünften aus selbständiger Arbeit jenes Finanzamt, von dessen Bereich aus<br />

die Berufstätigkeit vorwiegend ausgeübt wird (zB Ort der Kanzlei einer Rechtsanwaltspartnerschaft).<br />

Die Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie<br />

solcher aus Vermietung und Verpachtung obliegt dem Lagefinanzamt.<br />

Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb richtet sich die Zuständigkeit<br />

nach dem Ort der Geschäftsleitung.<br />

Darüber hinaus hat (nach der Rechtsprechung) ein Feststellungsbescheid über<br />

Rechte und Rechtsverhältnisse zu ergehen, wenn dies von einer Partei beantragt<br />

wird, diese ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, es sich um ein<br />

notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung handelt oder<br />

wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse liegt.<br />

Beispiel:<br />

Bescheid über die Höhe der (in zutreffender Höhe) selbst berechneten Abgabe (um die<br />

betreffende Abgabenbestimmung beim VfGH als verfassungswidrig bekämpfen zu können).<br />

Haftungsbescheide (§ 224 BAO) machen persönliche Haftungen geltend.<br />

Eine solche Haftung besteht etwa nach § 9 BAO (Vertreterhaftung) oder<br />

nach § 82 EStG 1988 (Haftung des Arbeitgebers für die Einbehaltung und Abfuhr<br />

der Lohnsteuer).<br />

Die Erlassung von Haftungsbescheiden liegt im Ermessen der Abgabenbehörde.<br />

Sie ist eine Einhebungsmaßnahme und somit nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist<br />

(§ 238 BAO) zulässig.<br />

27


Beschlagnahmebescheide (§ 225 BAO) machen die sachliche Haftung an beweglichen<br />

Sachen geltend. Auch diese Einhebungsmaßnahme liegt im Ermessen und ist<br />

nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist zulässig.<br />

Eine Sachhaftung ist zB im § 17 BAO (für Gegenstände, die einer Verbrauchsteuer<br />

unterliegen) vorgesehen.<br />

Verfahrensleitende Verfügungen sind Bescheide, denen noch eine abschließende<br />

(verfahrensbeendende oder über die Angelegenheit des Verfahrens in der Sache<br />

absprechende) bescheidmäßige Erledigung nachfolgt. Sie sind nicht abgesondert<br />

anfechtbar (§ 244 BAO).<br />

Beispiele:<br />

• Abweisung eines Fristverlängerungsantrages (§ 110 BAO),<br />

• Aufforderung zur Einreichung einer Abgabenerklärung (§ 133 Abs 1 BAO),<br />

• Prüfungsauftrag (§ 148 BAO),<br />

• Ergänzungsauftrag, Bedenkenvorhalt (§ 161 BAO),<br />

• Ablehnung von Beweisanträgen (§ 183 BAO),<br />

• Auftrag zur Mängelbehebung (zB gemäß § 85 Abs 2 BAO oder § 275 BAO).<br />

Eine Verfahrensangelegenheit abschließende verfahrensrechtliche Bescheide<br />

(zB Zurückweisung einer Berufung wegen Unzulässigkeit oder Verspätung,<br />

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages) sind abgesondert anfechtbar.<br />

Weitere rechtsgestaltende Bescheide sind beispielsweise solche über Zahlungserleichterungen<br />

(§ 212 BAO), Aussetzungen der Einhebung (§ 212a BAO), Löschungen (§ 235 BAO) und Nachsichten<br />

(§ 236 BAO).<br />

9.2 Erledigungen ohne Bescheidcharakter<br />

Keine Bescheide sind beispielsweise:<br />

• Auskünfte (zB nach dem Auskunftspflichtgesetz),<br />

• Betriebsprüfungsberichte (§ 150 BAO),<br />

• Buchungsmitteilungen (Lastschriftanzeigen),<br />

• Mahnungen (§ 227 BAO),<br />

• Rückstandsausweise (§ 229 BAO).<br />

28


10. Akteneinsicht (§ 90 BAO)<br />

10.1 Akten<br />

Akten sind alle Schriftstücke (zB Steuerakten, Arbeitsbögen der Betriebsprüfer),<br />

zeichnerischen Darstellungen, Pläne, Fotographien, Filme, auf Datenträgern<br />

gespeicherte Daten und sonstige Gegenstände, die von der Abgabenbehörde im<br />

Interesse der Abgabenerhebung (zB zur Beweissicherung) aufbewahrt werden.<br />

Das Recht auf Akteneinsicht steht nur der Partei (§ 78 BAO, § 276 Abs 7 BAO) zu.<br />

Die Akteneinsicht liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde.<br />

10.2 Umfang der Akteneinsicht<br />

Das Recht auf Akteneinsicht steht nur insoweit zu, als die Kenntnis<br />

der Akten oder Aktenteile für die Partei erforderlich ist<br />

- zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen<br />

oder<br />

- zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten.<br />

Solche Interessen können etwa daran bestehen, den Wortlaut einer Niederschrift<br />

über die Einvernahme eines Zeugen zu sehen (um zB die Beweiswürdigung in einer<br />

Berufung zu bekämpfen) oder um festzustellen, ob die Einhebungsverjährungsfrist<br />

unterbrechende Amtshandlungen (iSd § 238 Abs 2 BAO) aktenkundig sind.<br />

Ein abgabenrechtliches Interesse an der Akteneinsicht kann eine Partei auch<br />

nach Abschluss eines Abgabenverfahrens haben, zB zwecks<br />

• Stellung eines Wiederaufnahmsantrages (§ 303 Abs 1 BAO),<br />

• Stellung eines Antrages auf Aufhebung (§ 299 Abs 1 BAO),<br />

• Erhebung einer Beschwerde an den VfGH oder VwGH,<br />

• Geltendmachung amtshaftungsrechtlicher Ansprüche.<br />

Die Akteneinsicht ist der Partei (mangels abgabenrechtlicher Interessen) beispielsweise nicht zu<br />

gestatten, wenn sie den Namen der Person erfahren will, die sie wegen eines Finanzvergehens<br />

angezeigt hat, um gegen diese Person gerichtlich vorgehen zu können.<br />

Amtliche Schriftstücke (zB Erledigungsentwürfe) sind von der Akteneinsicht ausgeschlossen,<br />

soweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen<br />

dritter Personen (zB Gefährdung von Betriebsgeheimnissen) herbeiführen würde.<br />

29


10.3 Art der Akteneinsicht<br />

Die Partei darf in die für die Akteneinsicht in Betracht kommenden Akten oder<br />

Aktenteile direkt Einsicht nehmen und sich davon Abschriften anfertigen.<br />

Sind Aktenteile auf maschinell verarbeitbaren Datenträgern gespeichert, so wird die<br />

Behörde zwecks Einsichtnahme entsprechende Ausdrucke anzufertigen und (idR)<br />

der Partei auszufolgen haben (allenfalls Akteneinsicht auf Bildschirm).<br />

Die Abgabenbehörde kann Ablichtungen von Aktenteilen herstellen und<br />

der Partei übergeben. Die Partei hat hierauf keinen Rechtsanspruch.<br />

Für eine Überwälzung der Kosten für die Anfertigung von Ausdrucken bzw von Ablichtungen<br />

auf die Partei fehlt jede Rechtsgrundlage.<br />

Akten oder Aktenteile können auch zum Zwecke der leichteren Einsichtnahme an<br />

eine andere Abgabenbehörde übersendet werden. Die Partei hat hierauf keinen<br />

Rechtsanspruch.<br />

10.4 Verweigerung der Akteneinsicht<br />

Wird dem Antrag auf Akteneinsicht ganz oder teilweise nicht entsprochen,<br />

so hat die Verweigerung mit Bescheid zu erfolgen.<br />

Erfolgt dies der Partei gegenüber während eines laufenden Verfahrens, so liegt<br />

eine verfahrensleitende Verfügung iSd §§ 94 und 244 BAO vor (schriftlicher oder<br />

mündlicher Bescheid, nicht abgesondert anfechtbar). Ansonsten (zB bei Antrag einer<br />

Nichtpartei) ist ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, der abgesondert anfechtbar ist.<br />

11. Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen (§§ 111 bis 112a BAO<br />

11.1 Zwangsstrafe (§ 111 BAO)<br />

Die Befolgung auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffener Anordnungen nicht<br />

vertretbarer Leistungen kann durch Verhängung einer Zwangsstrafe erzwungen<br />

werden.<br />

Eine nicht vertretbare Leistung liegt vor, wenn sie sich wegen ihrer besonderen<br />

Beschaffenheit nur durch die betreffende Person selbst bewerkstelligen lässt.<br />

30


Erzwingbar sind etwa:<br />

- Einreichung von Abgabenerklärungen,<br />

- Vorlage von Beweismitteln (zB Belegen),<br />

- Duldung einer Außenprüfung,<br />

- Beantwortung von Auskunftsersuchen.<br />

Zu solchen Leistungen gehört auch die elektronische Übermittlung von Anbringen<br />

und Unterlagen, wenn eine diesbezügliche Verpflichtung besteht (§ 111 Abs 1 letzter<br />

Satz BAO).<br />

Keine Zwangsstrafe darf gegen den Abgabenschuldner zur Erzwingung der<br />

Abgabenentrichtung verhängt werden (weil die Abgabenentrichtung eine vertretbare<br />

Leistung ist).<br />

Die Befolgung von Aufforderungen gemäß § 162 BAO und von Mängelbehebungsaufträgen<br />

(§§ 85 Abs 2, 275, 303a, 309a und 311a BAO) ist nicht mit Zwangsstrafe<br />

erzwingbar, weil speziellere Sanktionen (Nichtanerkennung der Beträge bzw<br />

Zurücknahmefiktion) bestehen.<br />

Vor der Festsetzung muss die Zwangsstrafe unter Aufforderung zur Erbringung<br />

der verlangten Leistung innerhalb einer zu bestimmenden, angemessenen Frist<br />

angedroht werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen, außer wenn<br />

Gefahr im Verzug ist, schriftlich erfolgen (Zustellung mit Rückschein zweckmäßig).<br />

Die Festsetzung von Zwangsstrafen liegt im Ermessen<br />

(dem Grunde und der Höhe nach).<br />

Die Zwangsstrafe darf (je zu erzwingender Leistung, insgesamt) 5.000 Euro<br />

nicht übersteigen. Es darf höchstens der angedrohte Betrag festgesetzt werden.<br />

Die Festsetzung der Zwangsstrafe hat mit Bescheid zu erfolgen. Der Bescheid<br />

ist mit Berufung bzw mit Beschwerde beim VwGH oder VfGH anfechtbar.<br />

Die Festsetzung der Zwangsstrafe ist unzulässig, wenn die Leistung unmöglich oder<br />

unzumutbar ist, oder wenn sie im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Festsetzung bereits<br />

erbracht ist.<br />

31


11.2 Ordnungsstrafe (§ 112 BAO)<br />

Der Leiter einer Amtshandlung hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung<br />

und die Wahrung des Anstandes zu sorgen.<br />

Eine Ordnungsstrafe kann (Ermessen) verhängt werden<br />

- bei Störung einer Amtshandlung oder Verletzung des Anstandes,<br />

- bei beleidigender Schreibweise in einer Eingabe.<br />

Personen, die eine Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen<br />

den Anstand verletzen, sind zu ermahnen.<br />

Bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann nach vorausgegangener Androhung<br />

- der Person das Wort entzogen werden,<br />

- ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten<br />

aufgetragen werden oder<br />

- gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 700 Euro verhängt werden.<br />

Bei beleidigender Schreibweise in einer Eingabe kann ebenfalls eine<br />

Ordnungsstrafe bis 700 Euro verhängt werden; dies setzt keine vorherige<br />

Ermahnung und Androhung voraus.<br />

Gegen öffentliche Organe, die in Ausübung ihres Amtes als Vertreter einschreiten,<br />

und gegen Bevollmächtigte, die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sind,<br />

darf keine Ordnungsstrafe verhängt werden, wenn sie einem Disziplinarrecht<br />

unterstehen; statt dessen ist eine Anzeige an die Disziplinarbehörde zu erstatten.<br />

11.3 Mutwillensstrafe (§ 112a BAO)<br />

Eine Mutwillensstrafe bis 700 Euro kann gegen Personen verhängt werden,<br />

die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder<br />

in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen<br />

(§ 112a BAO).<br />

Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich im Bewusstsein der Grund- und<br />

Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde<br />

wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt.<br />

32


Offenbar ist die Mutwilligkeit dann, wenn die wider besseres Wissen erfolgte<br />

Inanspruchnahme unter solchen Umständen geschieht, dass jedermann die<br />

Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, hätte erkennen müssen.<br />

12. Grundsätze des Abgabenverfahrens<br />

12.1 Allgemeines<br />

Das Abgabenverfahren ist insbesondere von folgenden Grundsätzen beherrscht:<br />

• Legalitätsprinzip (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit),<br />

• Gleichmäßigkeit der Besteuerung,<br />

• Amtswegigkeit des Verfahrens,<br />

• Mitwirkungspflicht der Partei,<br />

• Grundsatz des Parteiengehörs (§ 115 Abs 2 BAO),<br />

• kein Neuerungsverbot (§§ 115 Abs 4 und 280 BAO),<br />

• Grundsatz der Vorfragenbeurteilung (§ 116 BAO),<br />

• Grundsatz von Treu und Glauben,<br />

• Grundsatz der Schriftlichkeit (§§ 85 Abs 1 und 92 Abs 2 BAO),<br />

• Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 166 BAO),<br />

• freie Beweiswürdigung (§ 167 BAO),<br />

• keine Teilrechtskraft (§ 251 BAO),<br />

• amtswegige Zuständigkeitswahrung (§ 50 BAO),<br />

• beiderseitige Kostentragung (§§ 312 und 313 BAO).<br />

12.2 Legalitätsprinzip, Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 114 BAO)<br />

Die Abgabenbehörden haben darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen<br />

nach den Abgabenvorschriften erfasst und Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht<br />

verkürzt werden.<br />

Zu diesem Zweck haben die Abgabenbehörden alles, was für die Erhebung der<br />

Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln<br />

(zB Kaufpreissammlungen), fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen (zB durch<br />

Kontrollmitteilungen). Die Anfertigung von Kontrollmitteilungen darf etwa im Rahmen<br />

einer Außenprüfung (§ 147 BAO) erfolgen.<br />

Die Abgabenbehörden haben darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen<br />

gleichmäßig behandelt, insbesondere gleichmäßig besteuert werden.<br />

33


Diese Grundsätze wenden sich an die Abgabenbehörden. Ein Abgabepflichtiger kann daher nicht die<br />

Gleichbehandlung mit anderen (zu Unrecht "günstiger" behandelten) Abgabepflichtigen verlangen.<br />

12.3 Amtswegigkeit des Verfahrens (§ 115 BAO)<br />

Abgabenverfahren sind, sofern ihre Einleitung nicht von einem Antrag<br />

(zB auf Nachsicht gemäß § 236 BAO) abhängt, von Amts wegen einzuleiten,<br />

abzuwickeln und zu beenden.<br />

Die Abgabenbehörden haben von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen<br />

Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben<br />

wesentlich sind (§ 115 Abs 1 BAO).<br />

Die Abgabenbehörden haben in jeder Lage des Verfahrens (zB auch im Rechtsmittelverfahren)<br />

die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und Angaben der<br />

Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zu Gunsten der Abgabepflichtigen<br />

zu prüfen und zu würdigen.<br />

Die Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung (§ 115 Abs 1 BAO) geht<br />

nur soweit, als es nötig und der Abgabenbehörde möglich und zumutbar ist.<br />

Je geringer die Ermittlungsmöglichkeiten der Abgabenbehörde sind, desto größer<br />

ist die Mitwirkungspflicht der Partei (zB bei Auslandsbeziehungen; nach Ansicht<br />

des VwGH weiters bei Verschwiegenheitspflichten wie zB beim Bankgeheimnis).<br />

Eine erhöhte Mitwirkungspflicht besteht nach der Judikatur auch für denjenigen,<br />

der ungewöhnliche Verhältnisse behauptet oder der Begünstigungen geltend macht.<br />

12.4 Parteiengehör (§§ 115 Abs 2 und 183 Abs 4 BAO)<br />

Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und<br />

rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 Abs 2 BAO).<br />

Eine von der Abgabenbehörde beabsichtigte wesentliche Abweichung von<br />

der Abgabenerklärung zu Ungunsten des Abgabepflichtigen ist diesem zur<br />

vorherigen Äußerung mitzuteilen (§ 161 Abs 3 BAO).<br />

Den Parteien ist vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit<br />

zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme<br />

Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern (§ 183 Abs 4 BAO).<br />

34


Das Parteiengehör bezieht sich nach der Rechtsprechung des VwGH nicht<br />

auf die (beabsichtigte) rechtliche Würdigung (somit nicht auf Rechtsfragen,<br />

nur auf sachverhaltsbezogene Umstände).<br />

Das Parteiengehör ist ua zu beachten<br />

• vor Schätzungen (§ 184 BAO),<br />

• bei Außenprüfungen,<br />

• im Berufungsverfahren.<br />

Eine Verletzung des Parteiengehörs stellt einen Verfahrensmangel dar.<br />

Verletzt die Abgabenbehörde erster Instanz diesen Grundsatz, so ist der<br />

Verfahrensmangel im Berufungsverfahren sanierbar.<br />

12.5 Kein Neuerungsverbot (§§ 115 Abs 4 und 280 BAO)<br />

Solange noch nicht entschieden wurde, sind auch die nach Ablauf einer Frist<br />

(zB beim Ergänzungsauftrag oder Bedenkenvorhalt) vorgebrachten Angaben<br />

zu prüfen und zu würdigen (§ 115 Abs 4 BAO).<br />

Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde zweiter Instanz<br />

im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist Bedacht zu nehmen,<br />

auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird<br />

(§ 280 BAO). Solche Neuerungen können bis zur Zustellung (bzw Verkündung)<br />

der Berufungsentscheidung geltend gemacht werden.<br />

Der Abgabepflichtige kann daher beispielsweise in der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid<br />

erstmals Sonderausgaben geltend machen oder die Einvernahme eines<br />

Zeugen beantragen.<br />

12.6 Vorfragen (§ 116 BAO)<br />

Unter einer Vorfrage ist ein vorweg zu klärendes rechtliches Element des<br />

Sachverhaltes zu verstehen, wenn für die Entscheidung dieser Rechtsfrage<br />

als Hauptfrage ein Gericht oder eine andere Verwaltungsbehörde oder zwar<br />

dieselbe Verwaltungsbehörde aber in einem anderen Verfahren zuständig ist.<br />

Derartige Rechtsfragen darf die Abgabenbehörde selbst beurteilen und<br />

diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde legen. Die Beurteilung ist kein<br />

Spruchbestandteil; sie ist vielmehr in die Begründung aufzunehmen.<br />

Soweit die Beurteilung in den Spruch hineinwirkt, ist sie anfechtbar.<br />

35


Die eigenständige Beurteilung einer Vorfrage durch die Abgabenbehörde ist<br />

jedenfalls solange zulässig, als nicht von der hiefür zuständigen Behörde über<br />

die Rechtsfrage als Hauptfrage entschieden wurde.<br />

Liegt eine diesbezügliche Entscheidung über die Vorfrage vor, so ist die<br />

Abgabenbehörde nur bei Vorliegen folgender Voraussetzungen daran gebunden:<br />

• Übereinstimmung der abgabenrechtlichen mit der abgabenrechtsfremden<br />

Vorschrift (Tatbestandsidentität); dies wird idR bei abgabenrechtlichen<br />

Tatbeständen, die der Methode der wirtschaftlichen Anknüpfung folgen,<br />

nicht der Fall sein.<br />

• Bei der Entscheidung über die Hauptfrage war das Gericht (bzw die<br />

Verwaltungsbehörde) zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung verpflichtet;<br />

daher kann etwa eine Bindung an strafgerichtliche Entscheidungen, an<br />

Entscheidungen im Außerstreitverfahren und an verwaltungsbehördliche<br />

Entscheidungen, nicht jedoch an Entscheidungen in Zivilprozessen bestehen.<br />

Hat die Abgabenbehörde eine Vorfrage eigenständig beurteilt und hat später<br />

die zuständige Behörde abweichend entschieden, so liegt ein Wiederaufnahmsgrund<br />

vor (nur in "Bindungsfällen").<br />

Beispiele:<br />

• Die Frage, ob Abgaben hinterzogen sind, ist Vorfrage für die siebenjährige<br />

Bemessungsverjährungsfrist (§ 207 Abs 2 BAO).<br />

• Die Frage, ob jemand Mitglied bei einer Wirtschaftskammer ist, ist Vorfrage für<br />

die Erhebung bestimmter Kammerumlagen (zB Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag<br />

nach § 122 Abs 7 WKG).<br />

• Person des Erben (Bindung an Einantwortungsurkunde); keine Bindung besteht<br />

für den Umfang der Verlassenschaft.<br />

12.7 Treu und Glauben<br />

Treu und Glauben bedeutet, dass jeder am Rechtsleben Teilnehmende zu seinem<br />

Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich zu dem, was er früher<br />

vertreten hat und worauf andere vertraut haben, nicht ohne triftigen Grund in<br />

Widerspruch setzen darf.<br />

Dieser Grundsatz ist ein allgemeines Rechtsprinzip, das nicht ausdrücklich<br />

gesetzlich geregelt ist.<br />

36


Er ist zu beachten<br />

• bei Ermessensentscheidungen (zB bei Aufhebungen gemäß § 299 Abs 1 BAO,<br />

bei Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen) und<br />

• bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe (zB Ordnungsmäßigkeit<br />

der Bücher iSd § 163 BAO, Unbilligkeit der Einhebung iSd § 236 BAO).<br />

Der Grundsatz von Treu und Glauben spielt insbesondere bei (unrichtigen)<br />

Rechtsauskünften des zuständigen Finanzamtes eine Rolle.<br />

Dieser Grundsatz soll vor Vertrauensschaden schützen (kein Schutz des Erfüllungsinteresses).<br />

Vertrauensschaden ist die Differenz zwischen gesetzmäßiger Abgabenschuld und derjenigen<br />

Abgabenbelastung, die aus dem abgabenrechtlichen Verhalten resultiert wäre, das der Abgabepflichtige<br />

gesetzt hätte, wäre ihm keine unrichtige Auskunft erteilt worden.<br />

12.8 Grundsatz der Schriftlichkeit<br />

Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen<br />

(§ 85 Abs 1 BAO) und Erledigungen mit Bescheidcharakter (§ 92 BAO) haben<br />

schriftlich zu erfolgen, sofern die Abgabenvorschriften nicht anderes vorsehen.<br />

12.9 Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO)<br />

Offenzulegen sind vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften<br />

jene Umstände, die<br />

• für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder<br />

• für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen<br />

(zB Nachsicht, Zahlungserleichterungen)<br />

bedeutsam sind.<br />

Die Offenlegung hat wahrheitsgemäß und so vollständig zu erfolgen,<br />

dass sich die Abgabenbehörde ein richtiges, vollständiges und klares Bild<br />

von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen machen kann.<br />

Der Offenlegung dienen beispielsweise:<br />

• Abgabenerklärungen (zB Einkommensteuererklärungen,<br />

Umsatzsteuervoranmeldungen),<br />

• Anzeigen (zB § 120 BAO, § 139 BAO, § 31 GebG),<br />

• sonstige Anbringen (zB Vorhaltsbeantwortung).<br />

Offenzulegen sind abgabenrechtlich bedeutsame Umstände; dies sind die<br />

maßgebenden Sachverhalte (nicht jedoch die zutreffende rechtliche Beurteilung).<br />

37


13. Abgabenerklärungen, Verspätungszuschlag (§§ 133 bis 135 BAO)<br />

13.1 Abgabenerklärungspflicht (§§ 133 und 134 BAO)<br />

Abgabenerklärungen sind beispielsweise:<br />

- Einkommensteuererklärung (§ 42 EStG 1988),<br />

- Feststellungserklärung (§ 43 EStG 1988),<br />

- Umsatzsteuervoranmeldung (§ 21 Abs 1 UStG 1994),<br />

- Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 21 Abs 4 UStG 1994),<br />

- Grunderwerbsteuererklärung (§ 10 GrEStG 1987).<br />

Keine Abgabenerklärungen sind zB die Anzeigen gemäß § 31 GebG, gemäß § 15 BAO<br />

und gemäß § 139 BAO.<br />

Ob eine Abgabenerklärung vorliegt, hat ua Bedeutung für den Verspätungszuschlag<br />

(§ 135 BAO) und für die Berichtigung gemäß § 293b BAO.<br />

Eine Abgabenerklärung hat einzureichen, wer nach den Abgabenvorschriften<br />

dazu verpflichtet ist (§ 133 Abs 1 BAO).<br />

Solche Vorschriften sind zB §§ 42 und 43 EStG 1988, § 21 Abs 1 und 4 UStG 1994,<br />

§ 10 GrEStG 1987.<br />

Eine Abgabenerklärung hat weiters einzureichen, wer dazu von der Abgabenbehörde<br />

aufgefordert wird. Die Aufforderung kann auch durch Zusendung eines Abgabenerklärungsvordrucks<br />

erfolgen (§ 133 Abs 1 BAO). Die Aufforderung ist ein Bescheid<br />

(eine verfahrensleitende Verfügung iSd §§ 94 und 244 BAO).<br />

Sind amtliche Vordrucke für Abgabenerklärungen aufgelegt, so sind diese<br />

zu verwenden (§ 133 Abs 2 BAO). Ablichtungen hievon werden in der<br />

Verwaltungspraxis (idR) toleriert.<br />

Die Verpflichtung zur Verwendung amtlicher Vordrucke entfällt, soweit Abgabenerklärungen,<br />

für die die Einreichung im Wege automationsunterstützter Datenübertragung<br />

oder in jeder anderen technisch möglichen Weise zugelassen ist,<br />

in einer solchen Weise eingereicht werden (§ 133 Abs 2 BAO).<br />

In Abgabenerklärungen sind, wenn dies im Vordruck vorgesehen ist, die Versicherungsnummer<br />

(§ 31 Abs 4 Z 1 ASVG), die Firmenbuchnummer (§ 30 FirmenbuchG) und die Melderegisterzahl<br />

(§ 16 MeldeG 1991) anzugeben (§ 133 Abs 2 BAO).<br />

38


Die Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuererklärungen sowie die Erklärungen<br />

zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte (§ 188 BAO) sind<br />

jeweils bis Ende April des Folgejahres einzureichen. Solche Erklärungen sind bis<br />

Ende Juni einzureichen, wenn die Übermittlung elektronisch erfolgt.<br />

Diese Fristen können vom Bundesminister für Finanzen allgemein erstreckt werden.<br />

Fristen zur Einreichung von Abgabenerklärungen sind beispielsweise geregelt in:<br />

- § 21 Abs 1 UStG 1994 für Umsatzsteuervoranmeldungen,<br />

- § 10 GrEStG 1987 (15. Tag des zweitfolgenden Monats).<br />

Im Einzelfall kann die Abgabenbehörde auf begründeten Antrag die in Abgabenvorschriften<br />

bestimmte Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung verlängern<br />

(§ 134 Abs 2 BAO).<br />

Wird ein Fristverlängerungsantrag abgewiesen, so ist eine Nachfrist von<br />

mindestens einer Woche zu setzen. Die Abweisung bzw Zurückweisung eines<br />

solchen Antrages ist eine verfahrensleitende Verfügung (iSd §§ 94 und 244 BAO).<br />

Die Einreichung einer Abgabenerklärung kann mit Zwangsstrafe (§ 111 BAO) erzwungen werden.<br />

Die (rechtswidrige) Nichteinreichung ist ein Schätzungsgrund (§ 184 BAO).<br />

13.2 Verspätungszuschlag (§ 135 BAO)<br />

Wird eine Abgabenerklärung unentschuldbar nicht oder verspätet eingereicht,<br />

so kann die Abgabenbehörde einen Verspätungszuschlag bis zu 10% der<br />

festgesetzten bzw im Fall der Selbstberechnung der selbstberechneten Abgabe<br />

(zB vorangemeldete Umsatzsteuer-Vorauszahlungen) verhängen.<br />

Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen liegt im Ermessen<br />

(dem Grunde und der Höhe nach).<br />

Bei der Ermessensübung sind ua zu berücksichtigen:<br />

- das Ausmaß der Fristüberschreitung,<br />

- der Grad des Verschuldens des Abgabepflichtigen (bzw seines Vertreters),<br />

- die Höhe des erreichten finanziellen Vorteiles,<br />

- das Ausmaß, in dem ein finanzieller Vorteil durch die Festsetzung<br />

von Anspruchszinsen (§ 205 BAO) "abgeschöpft" wurde,<br />

- die Neigung zur Missachtung abgabenrechtlicher Pflichten,<br />

- der Umstand, ob nur ausnahmsweise oder bereits wiederholte Säumnis vorliegt.<br />

39


Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen,<br />

sind nicht festzusetzen (§ 135 letzter Satz BAO).<br />

Bei einer Abänderung (Aufhebung) der zugrunde liegenden Abgabenfestsetzung<br />

ist der Verspätungszuschlagsbescheid (gemäß § 295 Abs 3 BAO) von Amts wegen<br />

zu ändern bzw aufzuheben.<br />

14. Ermittlungsverfahren<br />

14.1 Auskunftsperson (§ 143 BAO)<br />

Jede Person hat auf Verlangen der Abgabenbehörde Auskunft über alle für<br />

die Abgabenerhebung maßgebenden Tatsachen zu geben sowie Urkunden<br />

und andere schriftliche Unterlagen zur Einsichtnahme vorzulegen (die Aufgabe<br />

der Gewahrsame darf nicht verlangt werden).<br />

Die Einvernahme von Auskunftspersonen kann nicht nur in Abgabenverfahren gegen<br />

bestimmte Abgabepflichtige, sondern auch im "Vorfeld" solcher Verfahren erfolgen.<br />

Die Auskunftspflicht besteht unabhängig davon, ob die Umstände für die von der<br />

Auskunftsperson geschuldeten Abgaben oder für Abgaben Dritter bedeutsam sind.<br />

Für Auskunftspersonen gelten auch die für Zeugen geltenden<br />

- Vernehmungsverbote (§ 170 BAO),<br />

- Aussageverweigerungsrechte (§ 171 BAO),<br />

- Bestimmungen über Zeugengebühren (§ 176 BAO),<br />

- Bestimmungen über Zeugenbelehrung (§ 174 BAO).<br />

Bei Auskunftserteilung in eigener Sache gelten die Aussageverweigerungsrechte<br />

sowie die Bestimmungen über Zeugengebühren jedoch nicht. Dennoch können<br />

berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten (zB § 91 WTBG, § 76 BibuG, § 9 RAO,<br />

§ 27 NotO, § 54 ÄrzteG 1998, § 15 PsychotherapieG) der Aussage entgegenstehen.<br />

Auskunftsverlangen sind verfahrensleitende Verfügungen iSd §§ 94 und 244 BAO.<br />

Die Auskunftserteilung kann durch Zwangsstrafe (§ 111 BAO) erzwungen werden.<br />

Die Auskunft kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Über die mündliche<br />

Einvernahme der Auskunftsperson ist eine Niederschrift aufzunehmen (§ 87<br />

Abs 2 BAO).<br />

Die Auskunft ist wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen.<br />

40


Die Aussage von Auskunftspersonen ist ein Beweismittel, dem allerdings im<br />

Verhältnis zur Aussage des Zeugen (§ 169 BAO) geringere Beweiskraft zukommt.<br />

Bei voraussehbaren oder bestehenden gegensätzlichen Auffassungen sind<br />

die Personen daher als Zeugen einzuvernehmen.<br />

14.2 Außenprüfung (§§ 147 bis 150 BAO)<br />

Bei jedem, der zur Führung von Büchern oder von Aufzeichnungen verpflichtet ist,<br />

kann die Abgabenbehörde jederzeit alle für die Erhebung der Abgaben bedeutsamen<br />

tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse prüfen (§ 147 Abs 1 BAO).<br />

Eine Außenprüfung ist dem Abgabepflichtigen oder seinem Bevollmächtigten<br />

tunlichst 1 Woche vorher anzukündigen, sofern der Prüfungszweck dadurch<br />

nicht vereitelt wird (§ 148 Abs 5 BAO). Dies gilt nicht für Prüfungen nach § 99<br />

Abs 2 FinStrG.<br />

Die Prüfungsorgane haben sich zu Beginn der Amtshandlung unaufgefordert über<br />

ihre Person auszuweisen und den Prüfungsauftrag vorzuweisen (§ 148 Abs 1 BAO).<br />

Der Prüfungsauftrag hat den Gegenstand der Prüfung sowie die zu prüfenden<br />

Abgabenarten und Zeiträume zu enthalten.<br />

Gegen den Prüfungsauftrag ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig<br />

(§ 148 Abs 4 BAO).<br />

Die Durchsetzung der Duldungs- und sonstigen Pflichten ist mit Zwangsstrafe<br />

(§ 111 BAO) erzwingbar; dies gilt nicht, soweit eine Prüfung nach § 99 Abs 2 FinStrG<br />

erfolgt.<br />

Hält ein Abgabepflichtiger den Prüfungsauftrag für rechtswidrig, so ist die Verweigerung<br />

der Mitwirkung, somit die "Provozierung" einer Zwangsstrafe ein geeigneter Weg, die Frage<br />

der Rechtmäßigkeit des Prüfungsauftrages im Rechtsmittelverfahren zu klären.<br />

Prüfungsort ist grundsätzlich der Betrieb des Abgabepflichtigen. Die Prüfung darf<br />

auch in Räumen des steuerlichen Vertreters oder der Abgabenbehörde erfolgen.<br />

41


Ohne Zustimmung des Abgabepflichtigen darf nach Beendigung einer Außenprüfung<br />

ein neuerlicher Prüfungsauftrag für denselben Prüfungszeitraum nur erteilt werden<br />

• zur Prüfung anderer Abgabenarten,<br />

• zur Prüfung der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens,<br />

• im Rechtsmittelverfahren im Auftrag (§ 279 Abs 2 BAO) der Abgabenbehörde<br />

zweiter Instanz, jedoch nur zur Prüfung der Begründung des Rechtsmittels<br />

(§ 250 Abs 1 lit d BAO) oder neuer Tatsachen und Beweise (§ 280 BAO),<br />

• für Prüfungen nach § 99 Abs 2 FinStrG.<br />

Eine Schlussbesprechung ist nach Beendigung der Außenprüfung über deren<br />

Ergebnis abzuhalten. Zu dieser sind der Abgabepflichtige und sein Bevollmächtigter<br />

unter Setzung einer angemessenen Frist vorzuladen. Über die Schlussbesprechung<br />

ist eine Niederschrift aufzunehmen (§ 149 Abs 1 BAO).<br />

Die Schlussbesprechung kann (nach § 149 Abs 2 BAO) entfallen, wenn<br />

• die ergangenen Bescheide sich nicht ändern,<br />

• sich keine Abweichung gegenüber den eingereichten Erklärungen ergibt,<br />

• der Abgabepflichtige oder sein Vertreter in einer eigenhändig unterfertigten<br />

Erklärung darauf verzichtet oder<br />

• trotz Vorladung keiner von beiden erscheint.<br />

Die Schlussbesprechung dient insbesondere dem Grundsatz des Parteiengehörs,<br />

doch sind dort nicht nur Sachverhaltsfragen, sondern auch die rechtliche Beurteilung<br />

von Sachverhalten zu erörtern.<br />

Ein schriftlicher Prüfungsbericht ist unabhängig davon, ob eine Schlussbesprechung<br />

stattgefunden hat, stets zu erstellen. Dem Abgabepflichtigen ist eine<br />

Abschrift davon zu übermitteln (§ 150 BAO). Der Prüfungsbericht ist kein Bescheid.<br />

Er dient idR als Begründung von das Prüfungsergebnis auswertenden Bescheiden.<br />

14.3 Aufforderung zur Empfänger- bzw Gläubigerbenennung (§ 162 BAO)<br />

Macht ein Abgabepflichtiger Aufwendungen (zB Betriebsausgaben, Werbungskosten,<br />

Sonderausgaben) oder Schulden geltend, so kann (Ermessen) die Abgabenbehörde<br />

verlangen, die Empfänger bzw die Gläubiger der abgesetzten Beträge genau zu<br />

bezeichnen.<br />

Primärer Zweck des § 162 BAO ist die steuerliche Erfassung der Beträge<br />

beim Empfänger (Gläubiger).<br />

42


Die Aufforderung zur genauen Bezeichnung der Empfänger bzw Gläubiger ist eine<br />

verfahrensleitende Verfügung, somit ein nicht abgesondert anfechtbarer Bescheid.<br />

Die Androhung bzw Festsetzung von Zwangsstrafen (§ 111 BAO) ist unzulässig<br />

(als Folge der spezielleren Sanktion bei Verweigerung der Bezeichnung).<br />

Kommt der Abgabepflichtige der Aufforderung durch Nennung der richtigen Namen<br />

nach, so ist in freier Beweiswürdigung (§ 167 BAO) über die Absetzung der<br />

betreffenden Beträge zu entscheiden.<br />

Verweigert der Abgabepflichtige die Bezeichnung der Empfänger bzw der Gläubiger,<br />

so hat (zwingend) die Abgabenbehörde die betreffenden Aufwendungen oder<br />

Schulden zur Gänze nicht anzuerkennen; dies auch dann, wenn der Abgabepflichtige<br />

seine Weigerung zB mit geschäftlichen oder familiären Rücksichten begründet. Eine<br />

diesbezügliche Schätzung ist unzulässig.<br />

Wäre die Aufforderung sachlich nicht gerechtfertigt (Ermessensfehler) oder wäre<br />

die Nennung dem Abgabepflichtigen ohne sein Verschulden tatsächlich unmöglich<br />

(zB wenn seine Buchhaltung und die Belege verbrannt sind), so wäre der Aufforderungsbescheid<br />

rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit des Aufforderungsbescheides kann<br />

erst mit Berufung gegen den betreffenden Sachbescheid geltend gemacht werden.<br />

15. Festsetzung der Abgaben<br />

15.1 Abgabenbescheid (§ 198 BAO)<br />

Abgaben sind durch Abgabenbescheid festzusetzen, soweit in Abgabenvorschriften<br />

(zB für Selbstbemessungsabgaben) nicht anderes vorgeschrieben ist.<br />

Jeder Abgabenbescheid hat im Spruch den Bescheidadressaten (§ 93 Abs 2 BAO)<br />

zu nennen und abzusprechen über<br />

- die Art und Höhe der Abgabe,<br />

- den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und<br />

- die Bemessungsgrundlagen.<br />

Wird bezüglich des Fälligkeitszeitpunktes auf eine Lastschriftanzeige<br />

(Buchungsmitteilung) verwiesen, so gilt die dort angegebene Fälligkeit<br />

als Teil des Spruches.<br />

43


Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung (sondern zB zu einer<br />

Gutschrift), so ist eine Angabe über den Fälligkeitszeitpunkt der festgesetzten<br />

Abgabenschuldigkeit entbehrlich.<br />

Daher muss ein zu einer Gutschrift führender, einen Einkommensteuerbescheid<br />

gemäß § 295 BAO ändernder Bescheid nicht nochmals den Zeitpunkt der Fälligkeit<br />

des im geänderten Bescheid enthaltenen Abgabenbetrages enthalten.<br />

Ist die Fälligkeit bereits vor der Erlassung des Abgabenbescheids eingetreten<br />

(zB bei der Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen), so erübrigt sich,<br />

wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den<br />

Fälligkeitspunkt. Eine solche nähere Angabe hat jedoch zu erfolgen, wenn solche<br />

Zeitpunkte strittig und für abgeleitete Abgaben (insbesondere für Säumniszuschläge)<br />

bedeutsam sind.<br />

Wurden mehrere Abgaben in einem Sammelbescheid (kombinierten Bescheid)<br />

festgesetzt, so ist jede Festsetzung selbständig anfechtbar.<br />

Ein Abgabenbescheid ist auch (zB hinsichtlich der Höhe des vortragsfähigen<br />

Verlustes) anfechtbar, wenn die Abgabe mit Null festgesetzt wurde.<br />

Spruchbestandteil ist weiters die Höhe einer Gutschrift und<br />

das Ende einer Nachfrist (zB gemäß § 210 Abs 4 BAO).<br />

Kein Spruchbestandteil des Einkommensteuerbescheides ist<br />

- die Einkunftsart,<br />

- die Vortragsfähigkeit eines Verlustes.<br />

15.2 Schätzung ( 184 BAO)<br />

Kann die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln<br />

oder berechnen, so hat sie diese zu schätzen (Grundsatz der Subsidiarität der<br />

Schätzung). Dies gilt etwa für Größen, die idR nur schätzbar sind (zB Teilwert,<br />

betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer).<br />

Als Schätzungsgründe kommen insbesondere in Betracht,<br />

dass der Abgabepflichtige<br />

- keine ausreichenden Aufklärungen über seine Angaben geben kann,<br />

- weitere Auskünfte über für die Grundlagenermittlung<br />

wesentliche Umstände verweigert,<br />

44


- zu führende Bücher oder Aufzeichnungen nicht vorlegt,<br />

- sachlich unrichtige Bücher oder Aufzeichnungen vorlegt,<br />

- formell so mangelhafte Bücher oder Aufzeichnungen vorlegt,<br />

dass sie an der sachlichen Richtigkeit zweifeln lassen.<br />

Weiters ist zB zu schätzen, wenn rechtswidrigerweise keine Abgabenerklärung<br />

eingereicht wird, oder bei ungeklärtem Vermögenszuwachs.<br />

Nicht die Abgabe, sondern deren Bemessungsgrundlagen sind zu schätzen.<br />

Unterschieden wird eine Globalschätzung und eine Teilschätzung (zB bestimmte<br />

Betriebsausgaben, Einnahmen aus Vermittlungen).<br />

Bei der Schätzung sind alle Umstände zu berücksichtigen, die hiefür von Bedeutung<br />

sind. Es soll die Besteuerungsgrundlage geschätzt werden, die die größte Wahrscheinlichkeit<br />

der Richtigkeit für sich hat. Die Schätzung darf keine Strafsteuer<br />

bedeuten.<br />

Der Grundsatz des Parteiengehörs (§ 115 Abs 2 BAO) ist auch<br />

im Schätzungsverfahren zu beachten.<br />

Das Schätzungsergebnis ist schlüssig zu begründen<br />

(Darstellung der Schätzungsmethode und -vorgangsweise).<br />

Die anzuwendende Schätzungsmethode liegt im Ermessen der Behörde.<br />

Es ist jene Methode zu wählen, die im jeweiligen Einzelfall dem Ziel der Schätzung<br />

(größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Ergebnisses) am besten dient.<br />

Schätzungsmethoden sind vor allem:<br />

- äußerer Betriebsvergleich (Vergleich mit den Ergebnissen gleichartiger<br />

Betriebe; wegen der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht des § 48a BAO<br />

und des Verbotes "geheimer" Beweismittel selten möglich),<br />

- innerer Betriebsvergleich (Vergleich der Ergebnisse des<br />

nämlichen Betriebes durch mehrere Jahre hindurch),<br />

- Schätzung nach dem Lebensaufwand,<br />

- Schätzung nach dem Vermögenszuwachs,<br />

- Schätzung nach Erfahrungssätzen,<br />

- kalkulatorische Schätzung,<br />

- Sicherheitszuschlag.<br />

45


15.3 Vorläufige Bescheide (§ 200 BAO)<br />

Eine Abgabe kann (Ermessen) vorläufig festgesetzt werden,<br />

wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens<br />

- die Abgabepflicht zwar noch (zeitlich) ungewiss, aber wahrscheinlich oder<br />

- der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist.<br />

Eine vorläufige Bescheiderteilung darf nicht erfolgen wegen einer Ungewissheit,<br />

die im Zuge eines Ermittlungsverfahrens (zB einer geplanten Außenprüfung) beseitigt<br />

werden könnte.<br />

Bei der Ermessensübung ist zu berücksichtigen, dass Ungewissheiten über den<br />

Eintritt rückwirkender Ereignisse iSd § 295a BAO die Vorläufigkeit von Bescheiden<br />

idR entbehrlich machen.<br />

Die Vorläufigkeit ist ein mit Berufung anfechtbarer Spruchbestandteil.<br />

Der Grund für die Vorläufigkeit ist in der Begründung (§ 93 Abs 3 lit a BAO)<br />

anzugeben.<br />

Nach Beseitigung der Ungewissheit ist der vorläufige durch einen endgültigen<br />

Bescheid zu ersetzen, der in jeder Richtung vom vorläufigen Bescheid abweichen<br />

kann (keine Teilrechtskraft) oder, wenn es zu keiner Änderung des vorläufigen<br />

Bescheides kommt, mit Bescheid für endgültig zu erklären (§ 200 Abs 2 BAO).<br />

Nach § 208 Abs 1 lit d BAO beginnt in den Fällen des § 200 BAO die Verjährung<br />

mit Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde. Nach Eintritt der<br />

absoluten Verjährung (§ 209 Abs 3 BAO) ist die Erlassung eines endgültigen (bzw<br />

endgültigerklärenden) Bescheides grundsätzlich unzulässig.<br />

Die Regelungen über vorläufige Abgabenbescheide gelten sinngemäß<br />

insbesondere für<br />

- Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO (§ 190 Abs 1 erster Satz BAO),<br />

- Bescheide, mit denen ausgesprochen wird, dass Feststellungen gemäß § 188 BAO<br />

zu unterbleiben haben (§ 190 Abs 1 zweiter Satz BAO),<br />

- Bescheide, mit denen ausgesprochen wird, dass eine Veranlagung unterbleibt,<br />

oder die aussprechen, dass eine Abgabe nicht festgesetzt wird (§ 200 Abs 4 BAO).<br />

Nicht vorläufig ergehen dürfen zB Haftungsbescheide (§ 224 BAO),<br />

Sicherstellungsaufträge (§ 232 BAO), Nachsichtsbescheide (§ 236 BAO),<br />

Zurückweisungen einer Berufung (§ 273 BAO).<br />

46


15.4 Selbstbemessungsabgaben (§§ 201 und 202 BAO)<br />

Selbstbemessungsabgaben sind Abgaben, bei denen der Abgabenschuldner<br />

(Eigenschuldner) oder der Abfuhrpflichtige (Haftungspflichtige) die Abgaben<br />

selbst zu berechnen und zu entrichten hat, ohne vorherige bescheidmäßige<br />

Festsetzungen abwarten zu dürfen.<br />

Solche Abgaben sind Selbstberechnungsabgaben (iSd § 201 BAO) oder<br />

Abfuhrabgaben (iSd § 202 BAO).<br />

Beispiele für Selbstberechnungsabgaben:<br />

Umsatzsteuervorauszahlungen (§ 21 Abs 1 UStG 1994), Dienstgeberbeitrag (§ 41 FLAG),<br />

Gebühren für Bestandverträge (§ 33 TP 5 Abs 5 GebG).<br />

Beispiele für Abfuhrabgaben:<br />

Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer.<br />

Die erstmalige Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben liegt im Allgemeinen<br />

im Ermessen. Dies gilt sowohl für Festsetzungen auf Antrag des Abgabepflichtigen<br />

als auch für amtswegige Festsetzungen.<br />

Die Festsetzung setzt stets voraus,<br />

• dass der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst<br />

berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder<br />

• dass sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.<br />

Die Festsetzung kann (Ermessen) erfolgen,<br />

• von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbst berechneten<br />

Betrages,<br />

• wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe<br />

des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,<br />

• wenn kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wird,<br />

• wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs 4 BAO die Voraussetzungen<br />

für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden,<br />

• wenn sich die Selbstberechnung wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen<br />

abgabenrechtlichen Vereinbarungen (insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen)<br />

oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union als nicht richtig<br />

erweist,<br />

• wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b BAO oder des § 295a BAO<br />

die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.<br />

47


Die Festsetzung hat (zwingend) zu erfolgen,<br />

• wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat<br />

ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist, oder<br />

• wenn bei sinngemäßer Anwendung der §§ 303, 303a und 304 BAO die<br />

Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei vorliegen<br />

würden.<br />

Innerhalb derselben Abgabenart können mehrere Abgaben desselben Jahres<br />

(zB Dienstgeberbeiträge für August - Dezember) in einem Bescheid zusammen<br />

festgesetzt werden (§ 201 Abs 4 BAO). Eine solche Zusammenfassung darf nur<br />

Zeiträume umfassen, für die die Voraussetzungen für die Festsetzung gegeben sind.<br />

Beispiel:<br />

Die Selbstberechnung von Dienstgeberbeiträgen erweist sich für Februar, März, April und<br />

Juni als unrichtig. Eine zusammengefasste Festsetzung darf nur für die Monate Februar bis<br />

April erfolgen.<br />

§ 201 BAO ist sinngemäß für Abfuhrabgaben anzuwenden. Nachforderungen sind<br />

mit Haftungsbescheid (§ 224 BAO) geltend zu machen (§ 202 Abs 1 BAO).<br />

Auch Haftungsbescheide dürfen mehrere Abgaben derselben Abgabenart<br />

(zB Lohnsteuer für Juni bis September) umfassen, sofern für jede Abgabe (somit bei<br />

der Lohnsteuer je Monat) die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme<br />

gegeben sind.<br />

Vor allem wegen § 1358 ABGB (Legalzession) und wegen des Beitrittsrechts (§ 257 BAO) des<br />

Arbeitnehmers zur Berufung des Arbeitgebers sind allerdings die Lohnsteuerbeträge grundsätzlich<br />

je betroffenem Arbeitnehmer aufzugliedern.<br />

Hat der Abfuhrpflichtige zuviel einbehalten und abgeführt, so ist ein an ihn gerichteter<br />

"Gutschriftsbescheid" zu erlassen. Ein solcher Bescheid hat nicht zu ergehen, wenn<br />

ein zu Unrecht einbehaltener Betrag gemäß § 240 Abs 3 BAO zurückgezahlt wurde<br />

oder im Fall einer Antragstellung zurückzuzahlen wäre.<br />

Beispiel:<br />

Der Arbeitgeber hat zuviel Lohnsteuer einbehalten und auch abgeführt; daher ist<br />

der Arbeitnehmer gemäß § 240 Abs 3 BAO antragsberechtigt (siehe Abschnitt 24.2).<br />

Hat der Arbeitgeber richtig einbehalten, aber zuviel abgeführt, so ist ein an den Arbeitgeber<br />

gerichteter Gutschriftsbescheid gemäß § 202 BAO zu erlassen.<br />

48


16. Anspruchszinsen (§ 205 BAO)<br />

Anspruchszinsen (= Nachforderungszinsen und Gutschriftszinsen) sind für<br />

Nachforderungen bzw Gutschriften an Einkommensteuer und an Körperschaftsteuer<br />

festzusetzen (erstmals für Steuern für 2000).<br />

Solche Nachforderungen bzw Gutschriften können sich vor allem ergeben<br />

- aus Veranlagungsbescheiden (zB Einkommensteuernachforderung, wenn die<br />

Einkommensteuerschuld laut Veranlagung die festgesetzten Vorauszahlungen<br />

übersteigt),<br />

- aus Berichtigungen (zB gemäß § 293 BAO) und Änderungen (zB Berufungsvorentscheidung<br />

gemäß § 276 Abs 1 BAO und Änderung gemäß § 295 Abs 1 BAO)<br />

von Einkommensteuerbescheide oder Körperschaftsteuerbescheiden,<br />

- aus neuen Sachbescheiden bei Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens<br />

oder des Körperschaftsteuerverfahrens,<br />

- aus Nichtveranlagungsbescheiden,<br />

- aus Rückzahlungsbescheiden gemäß § 240 Abs 3 BAO,<br />

- aus auf Grund völkerrechtlicher Verträge (insbesondere<br />

Doppelbesteuerungsabkommen) erlassenen Rückzahlungsbescheiden.<br />

Bemessungsgrundlage der Anspruchszinsen ist die Höhe der Nachforderung<br />

bzw der Gutschrift. Verzinst wird der Zeitraum ab 1. Oktober des Folgejahres<br />

(zB 1. Oktober 2008 für Einkommensteuer 2007) bis jeweils dem Tag der<br />

Bekanntgabe (idR Zustellung) des zur Nachforderung bzw Gutschrift führenden<br />

Bescheides.<br />

Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz.<br />

Zinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.<br />

Zinsen sind für höchstens 48 Monate festzusetzen.<br />

Nachforderungszinsen sind insoweit nicht festzusetzen, als Anzahlungen<br />

(auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer) entrichtet sind.<br />

Solche Anzahlungen können (auch wiederholt) dem Finanzamt bekannt gegeben<br />

werden. Sie gelten für Verrechnungszwecke (§ 214 BAO) in der bekannt gegebenen<br />

Höhe am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig.<br />

49


Für Anzahlungen sieht § 214 Abs 4 lit e BAO ein Verrechnungsweisungsrecht vor<br />

(Beispiel für Verrechnungsweisung: "E 01-12/2007").<br />

Entrichtete Anzahlungen sind (höchstens im Ausmaß der Nachforderung)<br />

auf die Einkommensteuerschuld (Körperschaftsteuerschuld) zu verrechnen.<br />

Restliche Anzahlungen sind anlässlich der Erlassung von Einkommensteuer<br />

bzw Körperschaftsteuer betreffenden Bescheiden gutzuschreiben. Diese Gutschrift<br />

wird nicht verzinst.<br />

Mit Ablauf der 48-Monate-Frist sind allenfalls noch verbleibende (weder verrechnete<br />

noch gutgeschriebene) Anzahlungen von Amts wegen gutzuschreiben.<br />

Gutschriftszinsen sind nur insoweit festzusetzen, als die gegenüberzustellenden<br />

Beträge ("Vorsoll"-Beträge) entrichtet sind.<br />

Für die Entrichtung von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer<br />

(einschließlich Vorauszahlungen) besteht ein Verrechnungsweisungsrecht<br />

(im § 214 Abs 4 lit e BAO).<br />

Anspruchszinsen sind Nebenansprüche (iSd § 3 Abs 2 BAO).<br />

Ihre Bemessungsverjährung richtet sich nach der für die Einkommensteuer<br />

bzw Körperschaftsteuer maßgeblichen Verjährung (§ 207 Abs 2 BAO).<br />

Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid (iSd § 198 BAO) festzusetzen.<br />

Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Anspruchszinsen insoweit herabzusetzen<br />

oder nicht festzusetzen, als die Nachforderung (oder Gutschrift) Folge eines<br />

rückwirkenden Ereignisses (§ 295a BAO; siehe Abschnitt 31) ist und die Zinsen die<br />

Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen (§ 205 Abs 6 BAO). Dies gilt unabhängig<br />

davon, mit welchem Verfahrenstitel das rückwirkende Ereignis berücksichtigt wurde.<br />

50


17. Bemessungsverjährung<br />

17.1 Allgemeines<br />

Die Bemessungsverjährung (Festsetzungsverjährung) befristet das Recht<br />

(bzw die Pflicht) der Abgabenbehörde, eine Abgabe festzusetzen.<br />

Zweck der Verjährung ist<br />

• der Eintritt des Rechtsfriedens infolge Zeitablaufes,<br />

• die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten und von Fehlern<br />

in der Sachverhaltsermittlung.<br />

Die Verjährung ist von Amts wegen wahrzunehmen. Sie gilt nicht nur für erstmalige<br />

Abgabenfestsetzungen, sondern auch für Abänderungen und Aufhebungen solcher<br />

Festsetzungen. Sie gilt auch für Selbstbemessungsabgaben.<br />

Die Verjährung befristet nicht das Recht, Feststellungsbescheide über die<br />

einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften zu erlassen, abzuändern<br />

oder aufzuheben.<br />

Erfolgt eine Abgabenfestsetzung (zu Unrecht) trotz eingetretener Verjährung,<br />

so kann dies mit Berufung geltend gemacht werden.<br />

17.2 Verjährungsfristen (§ 207 BAO)<br />

Die Verjährungsfrist beträgt im Allgemeinen 5 Jahre.<br />

Hievon abweichend betragen die Verjährungsfristen<br />

• bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschn des GebG, den Gebühren<br />

nach § 17a VfGG und § 24 VwGG sowie bei den Verbrauchsteuern 3 Jahre,<br />

• soweit eine Abgabe hinterzogen ist, 7 Jahre,<br />

• bei Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen sowie bei Kostenersätzen 1 Jahr.<br />

Das Recht, einen Verspätungszuschlag (§ 135 BAO), Anspruchszinsen (§ 205 BAO)<br />

oder eine Abgabenerhöhung anzufordern, verjährt gleichzeitig mit dem Recht zur<br />

Festsetzung der Stammabgabe (§ 207 Abs 2 letzter Satz BAO).<br />

51


17.3 Beginn der Verjährung (§ 208 BAO)<br />

Grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem<br />

der Abgabenanspruch entstanden ist;<br />

bei Zwangsstrafen, Ordnungsstrafen, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem<br />

Mutwillensstrafen und Kostenersätzen die Voraussetzungen für die Verhängung<br />

oder Anforderung entstanden sind;<br />

bei Ersatz oder Rückzahlung von Beihil- mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem<br />

fen sowie Rückzahlung von Erstattungen,<br />

Vergütungen und Abgeltungen<br />

diese Abgaben geleistet wurden;<br />

bei vorläufigen Bescheiden<br />

(§ 200 Abs 1 BAO)<br />

bei Eintritt eines rückwirkenden<br />

Ereignisses (iSd § 295a BAO)<br />

bei der Erbschafts- und<br />

Schenkungssteuer unterliegenden<br />

Erwerben von Todes wegen und bei<br />

Zweckzuwendungen von Todes wegen<br />

mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem<br />

(objektiv) die Ungewissheit beseitigt<br />

wurde;<br />

mit Ablauf des Jahres, in dem das<br />

Ereignis eingetreten ist;<br />

mit Ablauf des Jahres, in dem die<br />

Abgabenbehörde von dem Erwerb oder<br />

der Zweckzuwendung Kenntnis erlangt.<br />

17.4 Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 209 Abs 1 BAO)<br />

Die Verjährungsfrist wird durch zur Geltendmachung des Abgabenanspruches<br />

oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde innerhalb<br />

der Verjährungsfrist unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlungen<br />

um ein Jahr verlängert. Wird eine solche Amtshandlung in einem "Verlängerungsjahr"<br />

unternommen, so endet die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des folgenden Jahres.<br />

Beispiele für solche Amtshandlungen:<br />

Zusendung einer Abgabenerklärung, Ergänzungsauftrag, Bedenkenvorhalt, Abgabenbescheide<br />

(erstinstanzlich, Berufungsvorentscheidung, vorläufiger Bescheid; auch später<br />

zB gemäß § 299 Abs 1 BAO aufgehobener Bescheid), Nichtveranlagungsbescheide,<br />

Feststellungsbescheide (§ 188 BAO), Außenprüfung, Amtshilfeersuchen, Einvernahme<br />

von Zeugen und Auskunftspersonen.<br />

Die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) betreffende<br />

Amtshandlungen (zB Erlassung von Feststellungsbescheiden, Außenprüfungen)<br />

verlängern die Verjährungsfrist für die hievon abgeleitete Einkommensteuer (bzw<br />

Körperschaftsteuer) der Beteiligten.<br />

52


Die Amtshandlung muss nicht gegen den Abgabepflichtigen gerichtet sein und ihm<br />

bekannt werden (zB Zeugeneinvernahme). Sie muss weder unbedingt erforderlich<br />

noch rechtmäßig sein.<br />

Beispiele (zur fünfjährigen Verjährungsfrist):<br />

1. Einkommensteuer 2006: Zustellung des Abgabenbescheides im Jahr 2008;<br />

Änderung des Abgabenbescheides im Jahr 2009.<br />

Die Verjährungsfrist endet mit Ablauf des Jahres 2012.<br />

2. Einkommensteuer 2006; Zustellung des Abgabenbescheides im Jahr 2008;<br />

Außenprüfung beginnt im November 2012 und endet im März 2013.<br />

Die Verjährungsfrist endet mit Ablauf des Jahres 2014.<br />

3. Einkommensteuer 2006; Einkommensteuerbescheide (Erstbescheid,<br />

Änderungsbescheide) ergehen in den Jahren 2008, 2010 und 2011; im Jahr 2013 ergeht<br />

ein Feststellungsbescheid (§ 188 BAO), der einen höheren Gewinnanteil ausweist.<br />

Die Verjährungsfrist endet mit Ablauf des Jahres 2012. Die Amtshandlung<br />

des Jahres 2013 erfolgte bereits nach Verjährungseintritt.<br />

Bei Gesamtschuldverhältnissen wirken Unterbrechungshandlungen gegen<br />

alle Gesamtschuldner verjährungsfristverlängernd.<br />

17.5 Hemmung der Verjährung (§ 209 Abs 2 BAO)<br />

Die Verjährung ist gehemmt, solange die Geltendmachung des Abgabenanspruches<br />

innerhalb der letzten 6 Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht<br />

möglich ist. Mit Wegfall der Hemmung läuft der noch unverbrauchte Teil der Frist<br />

weiter.<br />

17.6 Absolute Verjährung (§ 209 Abs 3 BAO)<br />

Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt spätestens 10 Jahre<br />

nach der Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO).<br />

Diese (absolute) Verjährungsfrist ist weder hemmbar noch verlängerbar.<br />

53


Beispiel:<br />

Zur Gänze hinterzogene Einkommensteuer 2006; Abgabenbescheide ergehen in den Jahren<br />

2013 und 2014; im Jahr 2015 beginnt ein umfangreiches Ermittlungsverfahren, es endet erst<br />

im März 2017.<br />

Die Verjährung (des Rechts, den Einkommensteuerbescheid neuerlich abzuändern) ist<br />

mit Ablauf des Jahres 2016 eingetreten.<br />

Für Erwerbe von Todes wegen und für Zweckzuwendungen von Todes wegen verjährt das Recht<br />

auf Festsetzung der Erbschaftssteuer spätestens 10 Jahre ab Anzeige des Vorganges (bedeutsam<br />

insbesondere für später auftauchende Testamente).<br />

17.7 Abgabenfestsetzung nach Ablauf der Verjährungsfrist (§ 209a BAO)<br />

Der Eintritt der Verjährung steht einer Abgabenfestsetzung, die in einer<br />

Berufungsentscheidung (oder Berufungsvorentscheidung) zu erfolgen hat,<br />

nicht entgegen (§ 209a Abs 1 BAO). Dies gilt auch für die absolute Verjährung<br />

(§ 209 Abs 3 BAO).<br />

Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer<br />

Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages ab, so steht der<br />

Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn<br />

• die Berufung oder der Antrag vor Eintritt der Verjährung,<br />

• der Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs 1 BAO vor Ablauf der Jahresfrist<br />

(§ 302 Abs 1 BAO),<br />

• der Wiederaufnahmsantrag vor Ablauf der Frist des § 304 BAO<br />

eingebracht wurde (§ 209a Abs 2 BAO).<br />

Beispiele:<br />

1. Die vor Eintritt der Verjährung der Einkommensteuer eingebrachte Berufung gegen<br />

den Feststellungsbescheid (§ 188 BAO) wird erst nach Verjährungseintritt mit<br />

stattgebender Berufungsvorentscheidung erledigt. Die Änderung (§ 295 Abs 1 BAO) des<br />

abgeleiteten Einkommensteuerbescheides hat trotz Eintritts der Verjährung zu erfolgen.<br />

2. Der Antrag auf Berichtigung gemäß § 293b BAO wird vor Verjährung der Abgabe<br />

eingebracht. Die Berichtigung darf auch nach Eintritt der Verjährung erfolgen.<br />

Weiters ergibt sich die Zulässigkeit, Abgabenfestsetzungen trotz Eintritts der Verjährung abzuändern,<br />

etwa aus § 302 Abs 2 lit a BAO (Berichtigungen gemäß § 293 BAO sind jedenfalls innerhalb eines<br />

Jahres ab Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides zulässig).<br />

54


18. Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO)<br />

Zahlungserleichterungen (= Stundungen und Ratenbewilligungen) dürfen nur<br />

bewilligt werden<br />

• auf Ansuchen des Abgabepflichtigen,<br />

• wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben<br />

für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre,<br />

• wenn die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Zahlungsaufschub<br />

nicht gefährdet wird,<br />

• für Abgaben, hinsichtlich derer auf Grund eines Rückstandsausweises<br />

(§ 229 BAO) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten<br />

oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen,<br />

• für Abgabenschuldigkeiten, die noch nicht entrichtet sind und deren Einhebung<br />

nicht gemäß § 212a BAO ausgesetzt ist.<br />

Eine erhebliche Härte ist eine wirtschaftliche Notlage oder eine finanzielle<br />

Bedrängnis.<br />

Zahlungserleichterungen dürfen nur soweit und solange bewilligt werden, als es<br />

im Ansuchen beantragt ist. Allerdings darf sich die Bewilligung auch auf Abgaben<br />

(zB Einkommensteuervorauszahlungen) erstrecken, deren Gebarung mit jener der<br />

den Gegenstand des Ansuchens bildenden Abgaben zusammengefasst (§ 213 BAO)<br />

verbucht wird (§ 212 Abs 1 BAO).<br />

Zeitgerechte (= vor Ablauf der Zahlungsfrist eingebrachte) Zahlungserleichterungsansuchen<br />

haben einbringungshemmende Wirkung (§ 230 Abs 3 BAO). Später eingebrachten Ansuchen<br />

kann die Abgabenbehörde diese Wirkung zuerkennen (§ 230 Abs 4 BAO).<br />

Die Bewilligung von Zahlungserleichterungen liegt im Ermessen.<br />

Durch Bewilligung der Zahlungserleichterung tritt ein Zahlungsaufschub ein.<br />

In der Praxis erfolgt die Bewilligung unter (auflösenden) Bedingungen<br />

(zB zeitgerechte und vollständige Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben).<br />

Zahlungserleichterungen erlöschen durch Terminverlust (bei Nichteinhaltung<br />

eines Ratentermines oder bei Nichterfüllung einer der im Spruch der Bewilligung<br />

festgesetzten Bedingungen). Der Terminverlust wird durch Ausstellung eines<br />

Rückstandsausweises wahrgenommen; erst hiedurch endet der Zahlungsaufschub.<br />

55


Zahlungserleichterungsbewilligungen treten durch Zustellung eines Vollstreckungsbescheides<br />

(§ 230 Abs 7 BAO) außer Kraft. Sie können gemäß § 294 BAO<br />

widerrufen werden (Nachfrist von 1 Monat gemäß § 212 Abs 3 BAO).<br />

Stundungszinsen sind für die Zeit ab rechtzeitiger Einbringung eines Ansuchens<br />

um Zahlungserleichterungen (frühestens ab dem Tag, der dem Zahlungstermin folgt)<br />

bis zum Ende des Zahlungsaufschubes zu entrichten. Sie betragen 4,5 % über dem<br />

Basiszinssatz.<br />

Für Abgabenschuldigkeiten, die den Betrag von insgesamt 750 Euro nicht übersteigen,<br />

besteht keine Stundungszinsenpflicht. Erreichen die Stundungszinsen<br />

im Einzelfall nicht den Betrag von 50 Euro, so sind sie nicht festzusetzen (§ 212<br />

Abs 2 BAO).<br />

Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld (zB durch<br />

Berufungsvorentscheidung) hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung<br />

der Stundungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages<br />

zu erfolgen.<br />

Die für Zahlungserleichterungen geltenden Vorschriften gelten sinngemäß für<br />

Berufungen gegen die Abweisung von Zahlungserleichterungsansuchen und<br />

für diesbezügliche Vorlageanträge (§ 212 Abs 4 BAO). Solchen Berufungen<br />

(Vorlageanträgen) kommt somit säumniszuschlagsvermeidende und einbringungshemmende<br />

Wirkung zu, wenn sie innerhalb der Nachfrist des § 212 Abs 3 BAO<br />

(1 Monat) eingebracht werden.<br />

19. Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO)<br />

Berufungen haben keine aufschiebende Wirkung (§ 254 BAO).<br />

Eine Aussetzung der Einhebung hat auf Antrag zu erfolgen,<br />

• soweit die Höhe einer einzuhebenden Abgabe unmittelbar oder mittelbar<br />

von der Erledigung einer Berufung abhängt,<br />

• soweit eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid,<br />

° der von einem Anbringen abweicht oder<br />

° dem kein Anbringen zugrunde liegt,<br />

zurückzuführen ist,<br />

56


• höchstens im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen<br />

Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der<br />

Abgabenschuld.<br />

Beispiele (Einkommensteuer):<br />

1. Vorauszahlungen…………………………............... 12.000,--<br />

Abgabe auf Grund der Abgabenerklärung………... 8.000,--<br />

Abgabe auf Grund des Bescheides……………….. 10.000,--<br />

Eine Aussetzung der Einhebung ist unzulässig, weil der Bescheid – obwohl er<br />

von einem Anbringen abweicht – gegenüber den Vorauszahlungen zu keiner<br />

Nachforderung führt.<br />

2. Vorauszahlungen…………………………............... 12.000,--<br />

Abgabe auf Grund der Abgabenerklärung………... 8.000,--<br />

Abgabe auf Grund des Bescheides……………….. 14.000,--<br />

Eine Aussetzung der Einhebung kommt im Umfang von 2.000,-- in Betracht; der<br />

Bescheid weicht gegenüber der Erklärung zwar um 6.000,-- ab, die Nachforderung<br />

gegenüber den Vorauszahlungen beträgt aber lediglich 2.000,--.<br />

3. Vorauszahlungen…………………………............... 12.000,--<br />

Abgabe auf Grund der Abgabenerklärung………... 15.000,--<br />

Abgabe auf Grund des Bescheides……………….. 20.000,--<br />

Eine Aussetzung der Einhebung kommt trotz einer Nachforderung von 8.000,-lediglich<br />

für 5.000,-- in Betracht, weil der Bescheid nur in diesem Umfang von der<br />

Erklärung abweicht.<br />

4. Vorauszahlungen…………………………............... 12.000,--<br />

Abgabe auf Grund der Abgabenerklärung………... 8.000,--<br />

Abgabe auf Grund des Veranlagungsbescheides.. 8.000,--<br />

Abgabe auf Grund eines ändernden Bescheides... 21.000,--<br />

Eine Aussetzung der Einhebung kommt für einen Betrag von 13.000,-- in Betracht,<br />

weil der neue Bescheid in diesem Umfang zu einer Nachforderung führt.<br />

Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,<br />

• soweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint,<br />

• soweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er<br />

nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder<br />

• wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der<br />

Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist (§ 212a Abs 2 BAO).<br />

57


Eine Aussetzung der Einhebung kommt auch in Betracht, wenn mit einer Berufung<br />

die Inanspruchnahme für eine Abgabe an sich angefochten ist (zB Berufung des<br />

Haftungspflichtigen gegen den Haftungsbescheid).<br />

Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über<br />

die Berufung gestellt werden. Sie sind zB zurückzuweisen, wenn sie nicht<br />

die Darstellung der Ermittlung des für die Aussetzung in Betracht kommenden<br />

Abgabenbetrages enthalten (§ 212a Abs 3 BAO).<br />

Die für die Aussetzung geltenden Vorschriften (zB Hemmung der Einbringung nach<br />

§ 230 Abs 6 BAO) sind auf Berufungen gegen die Abweisung derartiger Anträge und<br />

auf diesbezügliche Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden (§ 212a Abs 4 BAO).<br />

Auf Antrag sind durch Verwendung eines Guthabens oder sonstiger Gutschriften<br />

getilgte Beträge in die Aussetzung einzubeziehen, wenn die Tilgung erfolgte<br />

• vor Fälligkeit der Abgabenschuldigkeit,<br />

• vor Ablauf der Nachfrist des § 210 Abs 2 BAO (1 Monat ab Zustellung des<br />

Bescheides, mit dem ein Bescheid, der eine Gutschrift zur Folge hatte,<br />

aufgehoben wird),<br />

• bei später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzten Abgaben vor Ablauf<br />

eines Monats ab Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides,<br />

• nach Einbringen des Aussetzungsantrages oder<br />

• innerhalb einer Nachfrist des § 212a Abs 7 BAO (1 Monat ab Ablauf<br />

oder Widerruf der Aussetzung der Einhebung).<br />

Der auf Grund der Aussetzung bestehende Zahlungsaufschub endet<br />

• mit Ablauf der Aussetzung (zu verfügen anlässlich jeder das Berufungsverfahren<br />

abschließenden Erledigung wie zB einer Berufungsvorentscheidung),<br />

• mit Widerruf (§ 294 BAO) der Aussetzung,<br />

• mit Entrichtung der ausgesetzten Beträge (wobei Zahlungen, sonstige<br />

Gutschriften sowie Guthaben nur auf Verlangen des Abgabepflichtigen<br />

zur Entrichtung ausgesetzter Beträge verwendet werden dürfen).<br />

Der Ablauf anlässlich der Berufungsvorentscheidung schließt eine neuerliche<br />

Aussetzung nach Stellung des Vorlageantrages nicht aus (§ 212a Abs 5 BAO).<br />

Während der Aussetzung der Einhebung ist die Einhebungsverjährung<br />

gehemmt (§ 238 Abs 3 lit b BAO).<br />

58


Dem Abgabepflichtigen steht für die Entrichtung der ausgesetzt gewesenen Abgabe eine<br />

Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des Ablaufbescheides (§ 212a Abs 5 BAO)<br />

oder des Widerrufsbescheides (§ 294 BAO) zu (§ 212a Abs 7 erster Satz BAO).<br />

Aussetzungszinsen (2 % über dem Basiszinssatz) sind für die Zeit, in der auf<br />

Grund des Aussetzungsantrages Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch<br />

fortgesetzt werden dürfen (§ 230 Abs 6 BAO), sowie für die Zeit des Zahlungsaufschubes<br />

auf Grund der Bewilligung der Aussetzung zu entrichten.<br />

Aussetzungszinsen dürfen erst festgesetzt werden<br />

• bei Nichtstattgabe des Aussetzungsantrages ab Erlassung dieses Bescheides,<br />

• ab Ablauf (§ 212a Abs 5 BAO) bzw Widerruf (§ 294 BAO) der Aussetzung.<br />

Fällig sind Aussetzungszinsen 1 Monat nach Zustellung des Zinsenbescheides<br />

(nach § 210 Abs 1 BAO).<br />

Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung<br />

der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages<br />

zu erfolgen (§ 212a Abs 9 BAO). Dies hat von Amts wegen zu geschehen.<br />

20. Säumniszuschläge (§ 217 BAO)<br />

20.1 Allgemeines<br />

Werden Abgaben (ausgenommen Nebengebühren iSd § 3 Abs 2 lit d BAO, somit<br />

zB Säumniszuschläge, Stundungszinsen) nicht rechtzeitig (insbesondere nicht<br />

spätestens am Fälligkeitstag) entrichtet, so sind (bis zu drei) Säumniszuschläge<br />

festzusetzen.<br />

Ein erster Säumniszuschlag ist bei Nichtentrichtung spätestens am Fälligkeitstag<br />

in Höhe von 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages festzusetzen.<br />

Ein zweiter Säumniszuschlag (in Höhe von 1%) ist festzusetzen, soweit die Abgabe<br />

nicht spätestens 3 Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO)<br />

entrichtet ist.<br />

Ein dritter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe festzusetzen, soweit sie nicht<br />

spätestens 3 Monate nach dem Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten<br />

Säumniszuschlages entrichtet ist. Auch dieser Säumniszuschlag beträgt 1% des<br />

59


nicht entrichteten Abgabenbetrages.Die Säumniszuschläge werden einen Monat ab<br />

Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig (§ 210 Abs 1 BAO).<br />

Ein erster Säumniszuschlag ist nicht verwirkt bei "ausnahmsweiser Säumnis"<br />

(§ 217 Abs 5 BAO); das ist eine Säumnis von nicht mehr als 5 Tagen (ohne<br />

Einrechnung von Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen, Karfreitag<br />

und 24. Dezember) zuzüglich der dreitägigen Respirofrist (des § 211 Abs 2<br />

und 3 BAO; 3 Tage bei Überweisungen), wenn innerhalb der letzten 6 Monate<br />

vor der Säumnis alle übrigen mit der "säumigen" Abgabe zusammengefasst zu<br />

verbuchenden Abgaben zeitgerecht entrichtet wurden.<br />

Säumniszuschläge sind (nach § 217 Abs 4 BAO) für Abgabenschuldigkeiten<br />

beispielsweise insoweit nicht zu entrichten, als<br />

• einem zeitgerecht eingebrachten Ansuchen um Zahlungserleichterungen<br />

(§ 212 BAO) nach § 230 Abs 3 BAO einbringungshemmende Wirkung zukommt<br />

(somit ab Einbringung bis zur Erledigung des Ansuchens),<br />

• die Nachfrist des § 212 Abs 3 zweiter Satz BAO (1 Monat ab Nichtstattgabe eines<br />

zeitgerecht eingereichten Ansuchens um Zahlungserleichterungen) zusteht,<br />

• ein Zahlungsaufschub auf Grund der Bewilligung von Zahlungserleichterungen<br />

(§ 212 BAO) zusteht,<br />

• einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) nach § 230<br />

Abs 6 BAO einbringungshemmende Wirkung zukommt (somit ab Einbringung<br />

des Antrages bis zu seiner bescheidmäßigen Erledigung),<br />

• ein Zahlungsaufschub auf Grund einer Aussetzung der Einhebung bewilligt ist.<br />

20.2 Abänderung (Aufhebung) von Säumniszuschlagsbescheiden<br />

Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge (nach § 217 Abs 7<br />

und 8 BAO) insoweit herabzusetzen bzw nicht festzusetzen, als<br />

• den Abgabepflichtigen an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft,<br />

insbesondere soweit bei Selbstbemessungsabgaben (zB Umsatzsteuer-<br />

Vorauszahlungen, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag) kein grobes Verschulden<br />

an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt;<br />

• nachträglich die Abgabenschuld herabgesetzt wird (zB in einer Berufungsvorentscheidung<br />

oder bei Änderung nach § 295 BAO); dies gilt sinngemäß,<br />

soweit sich eine Gutschrift aus einer Veranlagung ergibt (bei die festgesetzten<br />

Vorauszahlungen betreffenden Säumniszuschlägen) sowie für Nachforderungszinsen<br />

(§ 205 BAO), soweit nachträglich dieselbe Abgabe (Einkommen- bzw<br />

Körperschaftsteuer) betreffende Gutschriftszinsen festgesetzt werden.<br />

60


21. Sicherstellungsauftrag (§ 232 BAO)<br />

Für das Sicherungsverfahren kann (Ermessen) von der Abgabenbehörde<br />

ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden.<br />

Ein solcher Bescheid ist ab dem Zeitpunkt des Entstehens des<br />

Abgabenanspruches bis zum Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit zulässig,<br />

wenn die Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert ist.<br />

Der Sicherstellungsauftrag hat (abgesehen von sich aus den §§ 93 und 96 BAO<br />

ergebenden Merkmalen, wie zB die Bezeichnung als Bescheid) zu enthalten<br />

- die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;<br />

- die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung<br />

der Abgabe ergibt (zB drohendes Konkurs- oder Ausgleichsverfahren,<br />

Exekutionsführung von dritter Seite, Vermögensverlagerungen ins Ausland<br />

oder an Angehörige);<br />

- den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug<br />

gesetzt werden kann;<br />

- die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige<br />

erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages<br />

unterbleiben oder bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.<br />

Die Begründung (§ 93 Abs 3 lit a BAO) des Sicherstellungsauftrages hat<br />

insbesondere darzulegen<br />

- die Umstände, die für die Gefährdung oder Erschwerung sprechen,<br />

- die für die Höhe der Abgaben maßgeblichen Umstände.<br />

Die Zustellung des Sicherstellungsauftrages kann trotz Zustellungsbevollmächtigung<br />

unmittelbar an den Abgabepflichtigen erfolgen (§ 103 Abs 1 BAO).<br />

Seine Zustellung kann auch zusammen mit der Verständigung von der gerichtlichen<br />

Exekutionsbewilligung durch Organe des Gerichtes erfolgen (§ 233 Abs 2 BAO).<br />

Der Sicherstellungsauftrag ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche<br />

und für das gerichtliche Sicherungsverfahren.<br />

Anträge der Abgabenbehörde auf Vormerkung von Pfandrechten (§ 38 lit c GrundbuchsG 1955)<br />

für Abgabenforderungen kommen (zwecks Sicherung des Pfandranges) in Betracht.<br />

61


22. Löschung und Nachsicht (§§ 235 und 236 BAO)<br />

22.1 Löschung (§ 235 BAO)<br />

Fällige Abgabenschuldigkeiten können durch Abschreibung gelöscht werden,<br />

• wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden sind oder<br />

• wenn Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und<br />

• wenn auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass<br />

Einbringungsmaßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg<br />

führen werden.<br />

Die Löschung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Sie hat durch<br />

Bescheid zu erfolgen. Durch die Löschung erlischt der Abgabenanspruch.<br />

Wird die Löschung nach § 294 BAO widerrufen, so lebt der Abgabenanspruch<br />

wieder auf (Nachfrist von 1 Monat).<br />

22.2 Nachsicht (§ 236 BAO)<br />

Eine Nachsicht setzt voraus:<br />

• Antrag des Abgabepflichtigen,<br />

• Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe nach Lage des Falles und<br />

• Fälligkeit bzw bereits erfolgte Entrichtung der Abgabe.<br />

Die Unbilligkeit der Einhebung kann persönlich oder sachlich bedingt sein.<br />

Eine persönliche Unbilligkeit (wirtschaftliches Missverhältnis der Auswirkungen<br />

der Abgabeneinhebung zu den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden<br />

Nachteilen) liegt etwa vor, wenn die Einhebung zur Existenzgefährdung des<br />

Abgabepflichtigen oder zur Verschleuderung von Vermögenswerten führen würde.<br />

Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall<br />

bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes<br />

Ergebnis eintritt.<br />

Beispiele (für sachliche Unbilligkeiten):<br />

Vom Gesetzgeber offenbar nicht gewollte Doppelbesteuerungen oder die Beseitigung<br />

eines Vertrauensschadens (als Folge des Grundsatzes von Treu und Glauben).<br />

62


Die Nachsicht liegt im Ermessen. Zu den ermessensrelevanten Umständen gehört<br />

zB das bisherige abgabenrechtliche Verhalten des Abgabepflichtigen (daher idR<br />

keine Nachsicht für hinterzogene Abgaben).<br />

Die Nachsicht hat durch Bescheid zu erfolgen.<br />

Durch die Nachsicht erlischt der Abgabenanspruch.<br />

Der Abgabenanspruch lebt bei Widerruf (§ 294 BAO) der Nachsicht wieder auf.<br />

Bei Widerruf ist eine Nachfrist von 1 Monat zu setzen.<br />

23. Einhebungsverjährung (§ 238 BAO)<br />

Die Einhebungsverjährung befristet das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben<br />

(zB diesbezügliche Verrechnung von Zahlungen, Haftungsinanspruchnahmen)<br />

und zwangsweise einzubringen.<br />

Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres,<br />

in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Sie endet keinesfalls früher als das Recht<br />

zur Festsetzung der Abgabe.<br />

Die Einhebungsverjährungsfrist wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches<br />

unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen.<br />

Die Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Unterbrechung<br />

eingetreten ist, neu zu laufen.<br />

Solche Unterbrechungshandlungen sind beispielsweise:<br />

• Mahnungen (§ 227 BAO, auch freiwillige Mahnungen),<br />

• Vollstreckungsmaßnahmen (zB Pfändungen),<br />

• Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO),<br />

• Haftungsbescheide (§ 224 BAO),<br />

• Ermittlungshandlungen im Einhebungs- und Vollstreckungsverfahren<br />

(zB Amtshilfeersuchen, Auskunftsverlangen).<br />

63


Beispiel:<br />

Eine Abgabe ist am 20. Dezember 2007 fällig. Das Finanzamt bewilligt Stundungen<br />

(Zahlungserleichterungen iSd § 212 BAO) bis Ende Juni 2008 sowie nochmals bis Ende<br />

Mai 2009. Im Jahr 2009, 2011 und 2013 erfolgen (ergebnislose) Vollstreckungsversuche.<br />

Die Einhebungsverjährung tritt mit Ablauf des Jahres 2018 ein.<br />

Gegen einen Gesamtschuldner gerichtete Unterbrechungshandlungen wirken<br />

auch gegen die übrigen Gesamtschuldner.<br />

Die Einhebungsverjährung ist gehemmt, solange<br />

• innerhalb der letzten 6 Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt<br />

die Einhebung oder zwangsweise Einbringung der Abgabe nicht möglich ist,<br />

• die Einhebung der Abgabe ausgesetzt (§ 212a BAO) ist,<br />

• einer Beschwerde beim VwGH oder VfGH aufschiebende Wirkung zuerkannt ist.<br />

24. Rückzahlung (§§ 239 bis 241 BAO)<br />

24.1 Rückzahlung von Guthaben (§ 239 BAO)<br />

Ein Guthaben entsteht, wenn auf einem Abgabenkonto die Summe<br />

der Gutschriften die Summe der Lastschriften übersteigt.<br />

Erst nach allfälliger Verwendung gemäß § 215 Abs 1 bis 3 BAO (zB für fällige<br />

Abgabenschulden des Abgabepflichtigen bei einem anderen Finanzamt)<br />

verbleibende Guthaben sind nach § 239 BAO rückzahlbar.<br />

Die Rückzahlung hat auf Antrag des Abgabepflichtigen zu erfolgen;<br />

sie kann auch von Amts wegen erfolgen.<br />

Wird dem Rückzahlungsantrag nicht zur Gänze entsprochen, so hat die Abweisung<br />

(bzw Zurückweisung) des Antrages mit Bescheid zu erfolgen.<br />

Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig (zB GesBR),<br />

so dürfen Rückzahlungen (außer an den Vermögensverwalter iSd § 80 Abs 2 BAO)<br />

nur an die nach bürgerlichem Recht über das Guthaben Verfügungsberechtigten<br />

erfolgen.<br />

64


Bei Gesamtschuldverhältnissen (§ 6 BAO) hat den Rückzahlungsanspruch<br />

jener Mitschuldner, der die (für das Guthaben maßgeblichen) Abgaben tatsächlich<br />

entrichtet hat.<br />

Der Anspruch auf Rückzahlung erlischt nach 30 Jahren (§ 1478 ABGB).<br />

Die Abgabenbehörde kann (Ermessen) solche Rückzahlungen, Umbuchungen<br />

und Überrechnungen auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe<br />

nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige<br />

nicht später als 3 Monate nach der Stellung des Antrages (auf Rückzahlung,<br />

Umbuchung oder Überrechnung) zu entrichten haben wird.<br />

24.2 Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Beträge (§ 240 BAO)<br />

Bei Abfuhrabgaben (zB Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) darf der Abfuhrpflichtige<br />

zu Unrecht einbehaltene Beträge während eines Kalenderjahres ausgleichen oder<br />

auf Verlangen des Abgabenschuldners zurückzahlen (§ 240 Abs 1 BAO).<br />

Der Abgabenschuldner kann bei dem für die Erhebung der Einkommensteuer<br />

(Körperschaftsteuer) zuständigen Finanzamt die Rückzahlung vom Abfuhrpflichtigen<br />

zu Unrecht einbehaltener Beträge beantragen, soweit nicht die Rückzahlung im<br />

Wege einer Veranlagung zu erfolgen hat, im Fall eines Antrages auf Veranlagung<br />

zu erfolgen hätte oder bereits erfolgt ist.<br />

Beispiel:<br />

Der Arbeitnehmer kann bei seinem Wohnsitzfinanzamt die Rückzahlung von<br />

Lohnsteuerbeträgen, die der Arbeitgeber zu Unrecht einbehalten hat, beantragen.<br />

Dies betrifft zB für sonstige (nicht bei der Veranlagung einzubeziehende) Bezüge<br />

(§ 67 EStG 1988) überhöht einbehaltene Lohnsteuerbeträge oder Lohnsteuer, die<br />

einbehalten wurde, obwohl kein Dienstverhältnis iSd § 47 EStG 1988 vorliegt.<br />

Das Antragsrecht ist befristet (5 Jahre nach Ablauf des Jahres der Einbehaltung).<br />

Diese Frist ist eine nicht verlängerbare Fallfrist.<br />

Über den Antrag ist stets, auch wenn ihm vollinhaltlich entsprochen wird,<br />

mit Bescheid abzusprechen.<br />

Soweit ein zu Unrecht einbehaltener Betrag gemäß § 240 Abs 3 BAO zurückgezahlt<br />

wurde oder im Fall einer Antragstellung zurückzuzahlen wäre, sind keine (an den<br />

Abfuhrpflichtigen gerichtete) "Gutschriftsbescheide" zu erlassen (§ 202 Abs 2 BAO).<br />

65


Die stattgebende Erledigung eines Rückzahlungsantrages führt zu keinem Guthaben<br />

iSd § 215 BAO, sondern zur Rückzahlung des Betrages (auch dann, wenn der<br />

Abgabepflichtige fällige Abgabenrückstände hat).<br />

24.3 Weitere Rückzahlungstatbestände (§ 241 BAO)<br />

Soweit eine Abgabe zu Unrecht zwangsweise eingebracht wurde,<br />

ist sie auf Antrag zurückzuzahlen (§ 241 Abs 1 BAO).<br />

Zu Unrecht eingebracht ist eine Abgabe etwa, die zwangsweise eingebracht wurde<br />

• trotz Eintritts der Einhebungsverjährung (§ 238 BAO),<br />

• trotz Hemmung der Einbringung (§ 230 BAO, zB durch Antrag auf Aussetzung<br />

der Einhebung) oder,<br />

• obwohl das Leistungsgebot (zB Abgabenbescheid) nicht zugestellt wurde.<br />

Anträge auf Rückzahlung gemäß § 241 BAO können bis zum Ablauf des dritten<br />

Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem der Betrag zu Unrecht<br />

entrichtet wurde (§ 241 Abs 3 BAO). Diese Frist ist eine nicht verlängerbare Fallfrist.<br />

Rückzahlungen nach § 241 BAO führen zu keinem Guthaben iSd § 215 BAO;<br />

sie haben daher auch dann zu erfolgen, wenn auf dem Abgabenkonto ein fälliger<br />

Rückstand besteht.<br />

25. Berufungsverfahren<br />

25.1 Berufung (§§ 243 und 244 BAO)<br />

Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden in erster Instanz erlassen, sind Berufungen<br />

zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist (§ 243 BAO).<br />

Das Berufungsrecht besteht auch gegen Bescheide, die einem Anbringen der Partei<br />

vollinhaltlich Rechnung tragen. Im Berufungsverfahren besteht kein Neuerungsverbot<br />

(§ 280 BAO).<br />

Gegen sog faktische Amtshandlungen (= Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-<br />

und Zwangsgewalt, zB Beschlagnahme von Unterlagen, Festnahmen) in Abgabenverfahren besteht<br />

die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängigen Verwaltungssenate (Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG;<br />

bzw in Finanzstrafsachen an den Vorsitzenden des Berufungssenates, § 62 Abs 4 FinStrG).<br />

66


Gegen verfahrensleitende Verfügungen (§ 94 BAO) ist kein abgesondertes<br />

Rechtsmittel zulässig. Solche Bescheide können erst in der Berufung gegen<br />

den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden.<br />

Beispiele:<br />

• Verweigerung der Akteneinsicht (§ 90 BAO) gegenüber der Partei<br />

während eines laufenden Verfahrens,<br />

• Ablehnung eines Fristerstreckungsantrages (§ 110 BAO),<br />

• Prüfungsauftrag (§ 148 BAO),<br />

• Ablehnung von Beweisanträgen (§ 183 BAO),<br />

• Auftrag zur Mängelbehebung (zB § 85 Abs 2 BAO, § 275 BAO).<br />

Gegen sonstige verfahrensrechtliche Bescheide ist ein abgesondertes Rechtsmittel<br />

zulässig.<br />

Beispiele:<br />

• Zurückweisung oder Abweisung eines Wiederaufnahmsantrages,<br />

• Verweigerung der Akteneinsicht (§ 90 BAO) gegenüber Dritten,<br />

• Abweisung oder Zurückweisung eines Antrages auf Nachsicht (§ 236 BAO),<br />

• Zurückweisung einer Berufung (§ 273 BAO).<br />

25.2 Berufungsfrist (§ 245 BAO)<br />

Die Berufungsfrist beträgt 1 Monat ab Bekanntgabe des Bescheides<br />

(§ 245 Abs 1 BAO).<br />

Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit Ablauf<br />

des Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung<br />

oder Zahl dem für den Fristbeginn maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag<br />

im letzten Monat, so endet die Frist mit dem letzten Tag dieses Monats (§ 108<br />

Abs 2 BAO).<br />

Beispiele (Monatsfrist):<br />

Fristbeginn Fristende<br />

10. Jänner 10. Februar<br />

31. März 30. April<br />

30. April 30. Mai<br />

67


Fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag,<br />

Karfreitag oder 24. Dezember, so gilt der nächste Tag, wenn er nicht einer<br />

der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist (§ 108 Abs 3 BAO).<br />

Beispiel:<br />

Bescheidzustellung am 21. Februar 2008; die Berufungsfrist endet am Dienstag,<br />

den 25. März 2008 (21. März 2008 ist Karfreitag).<br />

Tage des Postlaufes werden nach § 108 Abs 4 BAO in die Frist nicht eingerechnet,<br />

sofern das Schriftstück innerhalb der Frist der Post übergeben und auf dem<br />

Briefumschlag an die zuständige Behörde mit richtiger Anschrift gerichtet ist.<br />

Enthält ein Bescheid die Ankündigung, es werde noch eine Begründung zum Bescheid separat<br />

ergehen, so wird die Berufungsfrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der<br />

Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt (§ 245<br />

Abs 1 BAO).<br />

Die Verlängerung der Berufungsfrist ist aus berücksichtigungswürdigen Gründen,<br />

auch wiederholt, zulässig (§ 245 Abs 3 BAO). Sie liegt im Ermessen und hat mit<br />

Bescheid zu erfolgen.<br />

Die Verlängerung setzt einen vor Fristablauf gestellten Antrag voraus.<br />

Die Hemmung der Berufungsfrist tritt ein (§ 245 Abs 2 und 3 BAO)<br />

• durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise<br />

fehlenden Begründung,<br />

• durch einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist.<br />

Die Hemmung der Frist beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages<br />

(zB Postaufgabe, Überreichung), wenn die Einbringung innerhalb der Berufungsfrist<br />

erfolgt.<br />

Die Hemmung endet mit dem Tag der Zustellung der Mitteilung der fehlenden<br />

Begründung bzw der Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag.<br />

Die Hemmung als Folge des Fristverlängerungsantrages kann jedoch nicht dazu<br />

führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre<br />

Verlängerung beantragt wurde, abläuft (§ 245 Abs 4 letzter Satz BAO).<br />

68


Beispiele:<br />

1. Bescheidzustellung 4. Mai; Einbringung des Fristverlängerungsantrages<br />

14. Mai; beantragte Frist 30. Juni; Zustellung der Abweisung des Antrages<br />

28. Juni. Ende der Berufungsfrist jedenfalls 30. Juni.<br />

2. Bescheidzustellung 10. Oktober; rechtzeitiger Fristverlängerungsantrag;<br />

beantragte Frist 25. November; Finanzamt reagiert nicht. Ende der<br />

Berufungsfrist daher 25. November.<br />

Verspätete Berufungen sind zurückzuweisen (§ 273 Abs 1 lit b BAO).<br />

Bei nicht grob verschuldeter Fristversäumung kommt eine Wiedereinsetzung<br />

in den vorigen Stand (§ 308 BAO) in Betracht.<br />

25.3 Berufungsbefugnis (§§ 246 und 248 BAO)<br />

Zur Einbringung einer Berufung ist jeder befugt, an den der anzufechtende Bescheid<br />

wirksam ergangen ist; bei Feststellungs- und Grundsteuermessbescheiden auch<br />

jeder, gegen den ein solcher Bescheid wirkt (§ 246 BAO).<br />

Ein (persönlich) Haftungspflichtiger kann innerhalb der Berufungsfrist für<br />

den Haftungsbescheid auch gegen den (gegebenenfalls rechtskräftigen)<br />

Bescheid über den Abgabenanspruch berufen (§ 248 BAO).<br />

Durch einen Antrag auf Mitteilung des dem Haftungspflichtigen noch nicht<br />

zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches wird der Lauf der Berufungsfrist<br />

gehemmt (§ 248 zweiter Satz BAO).<br />

Berufungen eines hiezu nicht Befugten sind als nicht zulässig zurückzuweisen<br />

(§ 273 Abs 1 lit a BAO).<br />

25.4 Einbringungsbehörde (§§ 93 Abs 4 und 249 BAO)<br />

Die Berufung ist einzubringen bei<br />

• der Bescheidbehörde,<br />

• der Abgabenbehörde zweiter Instanz,<br />

• im Fall eines Zuständigkeitsüberganges bei der neu zuständigen<br />

Abgabenbehörde erster Instanz oder bei<br />

• der in der Rechtsmittelbelehrung unrichtig angegebenen Abgabenbehörde.<br />

69


Wird die Berufung bei einer unzuständigen Behörde eingereicht, so ist sie ohne<br />

unnötigen Aufschub (auf Gefahr des Einschreiters) an die zuständige Behörde<br />

weiterzuleiten (§ 50 BAO).<br />

25.5 Inhalt der Berufung (§ 250 BAO)<br />

Die Berufung hat folgende Bestandteile zu enthalten:<br />

a) die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,<br />

b) die angefochtenen Teile des Bescheides,<br />

c) die beantragten Änderungen (Berufungsbegehren),<br />

d) eine Begründung.<br />

Fehlen solche Inhaltserfordernisse, so ist ein Mängelbehebungsauftrag (§ 275 BAO)<br />

zu erlassen. Zum Mängelbehebungsverfahren siehe Abschnitt 25.12.3.<br />

Der Umfang der Anfechtung kann im Berufungsverfahren nachträglich erweitert oder<br />

eingeschränkt werden (kein Neuerungsverbot, § 115 Abs 4 BAO und § 280 BAO).<br />

25.6 Umfang der Anfechtbarkeit (§§ 251 und 252 BAO)<br />

Die BAO kennt (grundsätzlich) keine Teilrechtskraft. Die volle Anfechtbarkeit<br />

bedeutet, dass der Bescheid auch in gegenüber früheren Bescheiden nicht<br />

geänderten Bereichen (auch nochmals) bekämpfbar ist.<br />

Daher sind voll anfechtbar<br />

• Bescheide, die an die Stelle früherer Bescheide treten<br />

(zB bei Änderung gemäß § 295 Abs 1 BAO),<br />

• endgültige Bescheide nach vorläufigen sowie endgültig erklärende Bescheide<br />

(§ 200 Abs 2 BAO),<br />

• neue Sachbescheide bei Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 BAO) und<br />

bei Aufhebung gemäß § 299 Abs 1 BAO.<br />

Treten Bescheide zu Bescheiden hinzu, so sind nur die hinzutretenden Bescheide<br />

(zB gemäß § 293 BAO oder § 293b BAO berichtigende Bescheide) anfechtbar.<br />

Ein Bescheid, der von einem Grundlagenbescheid (zB Feststellungsbescheid<br />

nach § 188 BAO) abgeleitet ist, kann nicht mit der Begründung angefochten werden,<br />

dass die in dem Grundlagenbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind<br />

(§ 252 BAO). Ein solcher Einwand könnte nur gegen den Grundlagenbescheid<br />

erhoben werden.<br />

70


Eine gegen den (abgeleiteten) Bescheid eingebrachte Berufung ist, wenn<br />

darin lediglich die Unrichtigkeit des Grundlagenbescheides behauptet wird,<br />

als unbegründet abzuweisen.<br />

Beispiel:<br />

Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO)<br />

ist Grundlagenbescheid zB für die Einkommensteuerbescheide der Beteiligten.<br />

Die Bindung (§ 192 BAO) bzw die Anwendbarkeit des § 252 BAO setzt voraus, dass<br />

der Grundlagenbescheid dem Betreffenden gegenüber wirksam erlassen wurde.<br />

25.7 Keine aufschiebende Wirkung (§ 254 BAO)<br />

Durch Einbringung einer Berufung wird die Wirksamkeit des angefochtenen<br />

Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise<br />

Einbringung der Abgabe nicht aufgehalten (§ 254 BAO).<br />

Nach Maßgabe des § 212a BAO ist die Aussetzung der Einhebung strittiger Beträge vorzunehmen.<br />

Auch Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) dürfen gegebenenfalls für berufungsverfangene Beträge<br />

bewilligt werden.<br />

25.8 Rechtsmittelverzicht ( § 255 BAO)<br />

Auf die Einbringung einer Berufung kann schriftlich oder mündlich (zur Niederschrift)<br />

verzichtet werden.<br />

Ein vor der Bescheiderlassung abgegebener Rechtsmittelverzicht ist nur wirksam,<br />

wenn aus der Verzichtserklärung hervorgeht, dass dem Verzichtenden im Zeitpunkt<br />

der Abgabe dieser Erklärung<br />

- der Bescheidinhalt (bei Abgabenbescheiden idR ohne Fälligkeitsangabe),<br />

- die Abgabenbelastung (Grundlagen und Höhe der Abgabe) und<br />

- eine allfällige Mehrbelastung (Abweichungen gegenüber der bisherigen<br />

Belastung)<br />

bekannt waren und die Abgabenbehörde von diesen Grundlagen<br />

im Bescheid nicht abweicht.<br />

Der Rechtsmittelverzicht bindet nicht die Abgabenbehörde. Sie kann von den dem<br />

Verzicht zugrunde gelegten Auffassungen abweichen; dadurch verliert der Verzicht<br />

allerdings seine Wirksamkeit.<br />

71


Ungültig ist ein Rechtsmittelverzicht, der auf Willensmängeln beruht, etwa auf<br />

• einem von der Abgabenbehörde verursachten Irrtum,<br />

• physischem oder psychischem Zwang,<br />

• einer Drohung,<br />

• einer Verweigerung der erbetenen Bedenkzeit.<br />

Die Verzichtserklärung ist nicht zurücknehmbar.<br />

Ein Teilverzicht ist unzulässig und somit unwirksam.<br />

Der Rechtsmittelverzicht eines Gesamtschuldners wirkt nicht auch<br />

für die übrigen Gesamtschuldner.<br />

Trotz Rechtsmittelverzichts sollte der Bescheid eine positive Rechtsmittelbelehrung enthalten.<br />

Fehlt sie nämlich, so wird die Frist zur Einbringung einer Berufung, in der die Wirksamkeit oder<br />

die Gültigkeit des Rechtsmittelverzichts bekämpft wird, nicht in Lauf gesetzt (§ 93 Abs 4 BAO).<br />

Eine trotz wirksamen und gültigen Rechtsmittelverzichts eingebrachte Berufung<br />

ist unzulässig und daher zurückzuweisen (§ 273 Abs 1 lit a BAO).<br />

Die Möglichkeit, den Bescheid hinsichtlich der Fälligkeit einer festgesetzten Abgabe<br />

anzufechten, bleibt unberührt (§ 255 Abs 3 zweiter Satz BAO).<br />

Ein Rechtsmittelverzicht bedeutet keinen Verzicht auf einen Wiederaufnahmsantrag<br />

oder auf einen Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs 1 BAO.<br />

Ein Verzicht auf die Einbringung eines Vorlageantrages ist möglich<br />

(nach § 276 Abs 4 zweiter Satz BAO).<br />

25.9 Zurücknahme der Berufung (§ 256 BAO)<br />

Berufungen können bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die Berufung<br />

schriftlich oder mündlich (zur Niederschrift) zurückgenommen werden.<br />

Die Zurücknahme ist unwiderruflich. Die Berufung kann nicht - innerhalb<br />

der noch offenen Monatsfrist - neuerlich eingebracht werden. Ebenso wie der<br />

Rechtsmittelverzicht ist auch die Zurücknahme bei Willensmängeln ungültig.<br />

Eine teilweise "Zurücknahme" ist als Einschränkung des Berufungsbegehrens zu werten. Eine solche<br />

Einschränkung führt zum Verlust des Anspruches auf Entscheidung im Umfang der Einschränkung.<br />

72


Wurden Beitrittserklärungen abgegeben, so ist die Zurücknahme der Berufung<br />

nur wirksam, wenn ihr alle Beigetretenen zustimmen (§ 256 Abs 2 BAO).<br />

Wurde eine Berufung zurückgenommen, so hat die Abgabenbehörde (erster<br />

oder zweiter Instanz) die Berufung mit Bescheid als gegenstandslos zu erklären<br />

(§ 256 Abs 3 BAO).<br />

Dies gilt auch, wenn die Berufung nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung<br />

(nach Stellung eines Vorlageantrages) zurückgenommen wird. Diesfalls führt der<br />

Gegenstandsloserklärungsbescheid zur Aufhebung der Berufungsvorentscheidung<br />

(und damit zum Wiederaufleben des angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides).<br />

Auch Vorlageanträge können zurückgenommen werden<br />

(§ 276 Abs 4 zweiter Satz BAO).<br />

25.10 Beitritt zur Berufung (§§ 257 bis 259 BAO)<br />

Einer Berufung, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, kann jeder<br />

beitreten, der für die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende<br />

Abgabe als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger in Betracht kommt<br />

(§ 257 Abs 1 BAO), aber noch nicht in Anspruch genommen wurde.<br />

Beispiel:<br />

Der Arbeitnehmer kann einer Berufung des Arbeitgebers gegen<br />

einen Lohnsteuerhaftungsbescheid (§ 82 EStG 1988) beitreten.<br />

Der Beigetretene kann die gleichen Rechte geltend machen,<br />

die dem Berufungswerber zustehen (§ 257 Abs 2 BAO).<br />

Er kann zB das Berufungsbegehren erweitern, hat Anspruch auf Zustellung<br />

der Berufungsvorentscheidung bzw der Berufungsentscheidung, kann einen<br />

Vorlageantrag bzw eine VwGH (VfGH)-Beschwerde einbringen.<br />

Der Beitritt ist bei der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat,<br />

schriftlich zu erklären (§ 258 Abs 1 BAO).<br />

73


Die Bescheidbehörde hat die Beitrittserklärung mit Bescheid zurückzuweisen, wenn<br />

• im Zeitpunkt des Einlangens der Beitrittserklärung über die Berufung<br />

bereits rechtskräftig entschieden war,<br />

• die Beitrittserklärung von einem hiezu nicht Befugten abgegeben wurde,<br />

doch darf in diesem Fall die Berufungsvorentscheidung bzw die Berufungsentscheidung<br />

erst nach Rechtskraft des Zurückweisungsbescheides ergehen.<br />

Die Beitrittserklärung ist der Berufungsvorlage an die Abgabenbehörde<br />

zweiter Instanz anzuschließen bzw nachträglich vorzulegen.<br />

Der Beitritt zu einer Berufung schließt bei späterer Inanspruchnahme des<br />

Beigetretenen als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger dessen<br />

Berufungsrecht nicht aus.<br />

25.11 Berufungsbehörde (§§ 260 bis 272 BAO und § 282 BAO)<br />

Berufungsbehörde ist der unabhängige Finanzsenat als Abgabenbehörde<br />

zweiter Instanz. Er entscheidet durch den Referenten (namens des<br />

Berufungssenates), außer<br />

• wenn in der Berufung, im Vorlageantrag oder in der Beitrittserklärung die<br />

Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt wird, oder<br />

• wenn der Referent verlangt, dass der gesamte Berufungssenat zu entscheiden<br />

hat.<br />

Ein solches Verlangen des Referenten ist nur zulässig,<br />

• wenn die zu entscheidenden Fragen besondere Schwierigkeiten<br />

tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, oder<br />

• wenn der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zukommt, oder<br />

• wenn die Verbindung von Berufungen, über die der gesamte Berufungssenat<br />

zu entscheiden hat, mit Berufungen, über die ansonsten der Referent zu<br />

entscheiden hätte, zu einem gemeinsamen Verfahren (insbesondere zur<br />

Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens) zweckmäßig ist.<br />

Das Verlangen ist zu begründen. Es kann bis zur Bekanntgabe (§ 97 BAO)<br />

der Entscheidung über die Berufung gestellt werden.<br />

74


Der Berufungssenat besteht (nach § 270 Abs 5 BAO) aus folgenden vier Personen:<br />

1. Der Vorsitzende,<br />

2. der Referent, wenn jedoch der Vorsitzende selbst Referent ist,<br />

ein weiteres hauptberufliches Mitglied,<br />

3. zwei entsendete Mitglieder, wobei je ein Mitglied von einer gesetzlichen<br />

Berufsvertretung selbständiger Berufe und von einer gesetzlichen<br />

Berufsvertretung unselbständiger Berufe entsendet sein muss.<br />

Wirtschaftstreuhänder, Rechtsanwälte und Notare dürfen nicht entsendet werden<br />

(§ 264 Abs 2 BAO).<br />

Die Geschäftsverteilung ist durch Anschlag an der Amtstafel des unabhängigen<br />

Finanzsenates zu veröffentlichen (§ 11 Abs 4 UFSG).<br />

Der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung gilt für den Vorsitzenden, für die<br />

beiden entsendeten Mitglieder und (wenn der Vorsitzende selbst Referent ist)<br />

für das zweite hauptberufliche Mitglied.<br />

Der Vorsitzende hat ein (von höchstens neun ihm zugewiesenen) hauptberufliches<br />

Mitglied oder sich selbst zum Referenten zu bestellen. Rückwirkende Änderungen<br />

der Bestellung sind nur ausnahmsweise (nach § 270 Abs 4 BAO) und nur mit<br />

Zustimmung des Präsidenten des unabhängigen Finanzsenates zulässig.<br />

Die Mitglieder des unabhängigen Finanzsenates sind in Ausübung ihres Amtes<br />

an keine Weisungen gebunden (§ 271 BAO).<br />

25.12 Berufungsverfahren (§§ 273 bis 277 BAO)<br />

25.12.1 Zurückweisung (§ 273 BAO)<br />

Eine Berufung ist von der Abgabenbehörde mit Bescheid zurückzuweisen,<br />

wenn die Berufung<br />

• unzulässig ist oder<br />

• nicht fristgerecht eingebracht wurde.<br />

Eine Berufung ist insbesondere unzulässig<br />

• bei mangelnder Berufungsbefugnis des Einschreiters,<br />

• bei mangelndem Bescheidcharakter,<br />

• bei Rechtsmittelausschluss,<br />

• bei Rechtsmittelverzicht (§ 255 BAO).<br />

75


In den Fällen des § 274 BAO gilt die Berufung als auch gegen den neuen<br />

(zB gemäß § 295 Abs 1 BAO erlassenen) Bescheid gerichtet.<br />

Nur der Spruch ist rechtskraftfähig; nur er kann mit Berufung angefochten werden.<br />

Daher ist eine lediglich gegen die Begründung gerichtete Berufung als unzulässig<br />

zurückzuweisen.<br />

Eine Berufung darf nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn<br />

der Berufungsfrist eingebracht wurde (§ 273 Abs 2 BAO).<br />

25.12.2 Gegenstandsloserklärung bzw Weitergeltung von Berufungen<br />

(§ 274 BAO)<br />

Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Berufung angefochtenen Bescheides,<br />

so gilt die Berufung als auch gegen späteren Bescheid gerichtet. Soweit der<br />

spätere Bescheid dem Berufungsbegehren Rechnung trägt, ist die Berufung<br />

als gegenstandslos zu erklären (§ 274 BAO).<br />

§ 274 BAO ist beispielsweise anwendbar<br />

• für den neuen Sachbescheid nach Wiederaufnahme des Verfahrens,<br />

• für den neuen Sachbescheid nach Aufhebung gemäß § 299 Abs 1 BAO,<br />

• für gemäß § 295 Abs 1 BAO ändernde Bescheide,<br />

• für endgültige Bescheide, die vorläufige Bescheide ersetzen.<br />

Der Gegenstandsloserklärungsbescheid ist abgesondert anfechtbar.<br />

Eine Berufung ist weiters als gegenstandslos zu erklären<br />

• bei Zurücknahme der Berufung (§ 256 BAO),<br />

• bei Berufung gegen den Sachbescheid, wenn der Berufung<br />

gegen die Verfügung der Wiederaufnahme stattgegeben wird.<br />

25.12.3 Mängelbehebung (§ 275 BAO)<br />

Wenn eine Berufung nicht den im § 250 BAO genannten Inhaltserfordernissen<br />

entspricht, ist ein Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Er hat den Hinweis<br />

zu enthalten, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu<br />

bestimmenden (verlängerbaren) angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.<br />

Der Mängelbehebungsauftrag ist eine verfahrensleitende Verfügung<br />

iSd §§ 94 und 244 BAO. Er ist daher nicht abgesondert anfechtbar.<br />

76


Zu seiner Erlassung ist auch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zuständig.<br />

Ist eine (inhaltlich mangelhafte) Berufung unzulässig oder verspätet,<br />

so ist kein Mängelbehebungsauftrag zu erlassen.<br />

Der Mängelbehebungsauftrag darf nur zur Beseitigung der inhaltlichen Mängel ergehen<br />

(nicht zB um die Vorlage von Abgabenerklärungen oder von anderen Beweismitteln zu erreichen).<br />

Die Befolgung des Auftrages ist nicht mit Zwangsstrafe (§ 111 BAO) erzwingbar.<br />

Wird dem Auftrag zur Mängelbehebung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend<br />

entsprochen, so ist die Zurücknahme der Berufung bescheidmäßig festzustellen.<br />

Der Zurücknahmebescheid ist mit Berufung (bzw mit Beschwerde beim VwGH und<br />

beim VfGH) anfechtbar.<br />

25.12.4 Berufungsvorentscheidung und Vorlageantrag (§ 276 BAO)<br />

Die Erlassung einer Berufungsvorentscheidung setzt voraus, dass die Berufung<br />

• zulässig ist,<br />

• rechtzeitig ist und<br />

• keine Formgebrechen oder inhaltlichen Mängel (von vornherein oder<br />

nach Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens) aufweist.<br />

Die Erlassung einer Berufungsvorentscheidung (§ 276 Abs 1 BAO) liegt<br />

im Ermessen der Abgabenbehörde erster Instanz.<br />

Normzweck des § 276 Abs 1 BAO ist die Beschleunigung des Verfahrens. Daher darf eine<br />

Berufungsvorentscheidung idR nur erlassen werden, wenn damit zu rechnen ist, dass damit<br />

das Berufungsverfahren beendet wird. Zur Verzögerung oder um die Partei davon abzuhalten,<br />

"Anlassfall" in einem Gesetzesprüfungsverfahren vor dem VfGH zu werden, darf sie nicht ergehen.<br />

Mit Berufungsvorentscheidung kann<br />

• die Berufung abgewiesen werden,<br />

• der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abgeändert werden,<br />

• der angefochtene Bescheid aufgehoben werden, wenn ein solcher Bescheid<br />

nicht hätte erlassen werden dürfen (zB Zwangsstrafenfestsetzung ohne vorherige<br />

Androhung der Zwangsstrafe, Abgabenfestsetzung trotz Verjährung, Bescheiderlassung<br />

durch unzuständige Abgabenbehörde).<br />

77


Die Berufungsvorentscheidung beendet das Berufungsverfahren, es sei denn,<br />

ein Vorlageantrag wird (rechtzeitig, zulässigerweise) eingebracht.<br />

Vorlageantragsberechtigt ist<br />

• der Berufungswerber und<br />

• jeder, dem gegenüber die Berufungsvorentscheidung wirkt.<br />

Die Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages beträgt 1 Monat. Die Frist ist<br />

verlängerbar. Sie wird gehemmt durch einen Antrag auf Fristverlängerung<br />

oder durch einen Antrag auf Mitteilung der einer Berufungsvorentscheidung<br />

ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 276 Abs 4 zweiter Satz BAO).<br />

Der Vorlageantrag kann bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz<br />

eingebracht werden.<br />

Durch den Vorlageantrag gilt die Berufung wieder als unerledigt. Er berührt<br />

die Berufungsvorentscheidung nicht in ihrer Wirksamkeit. Die Berufungsvorentscheidung<br />

scheidet erst durch die abschließende Berufungserledigung<br />

(zB Zurückweisungsbescheid, Zurücknahmebescheid, Berufungsentscheidung)<br />

aus dem Rechtsbestand aus.<br />

Der Vorlageantrag ist zurücknehmbar. Durch die Zurücknahme gilt die Berufung als<br />

durch die Berufungsvorentscheidung erledigt. Der zurückgenommene Vorlageantrag<br />

ist mit Bescheid für gegenstandslos zu erklären.<br />

Ein verspäteter oder unzulässiger Vorlageantrag ist zurückzuweisen (§ 276<br />

Abs 4 zweiter Satz BAO). Unzulässig ist ein Vorlageantrag etwa dann, wenn er<br />

vor Erlassung der Berufungsvorentscheidung eingebracht wird.<br />

Eine zweite Berufungsvorentscheidung darf - außer bei vollinhaltlicher Stattgabe -<br />

nur erlassen werden, wenn alle Parteien, die einen Vorlageantrag gestellt haben,<br />

zustimmen und die Antragsfrist für alle Antragsberechtigten abgelaufen ist.<br />

Die Zustimmung ist schriftlich oder zur Niederschrift zu erklären (§ 276 Abs 5 BAO).<br />

Wurde eine Berufungsvorentscheidung nicht erlassen oder wurde nach ihrer<br />

Erlassung rechtzeitig ein Vorlageantrag gestellt, so ist die Berufung nach<br />

Durchführung allenfalls erforderlicher Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub<br />

der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen (§ 276 Abs 6 erster Satz BAO).<br />

78


25.13 Berufungsverfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz<br />

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat im Berufungsverfahren dieselben<br />

Obliegenheiten und Befugnisse wie die Abgabenbehörde erster Instanz<br />

(§ 279 Abs 1 BAO).<br />

Sie kann notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens auch durch<br />

eine Abgabenbehörde erster Instanz vornehmen lassen (§ 279 Abs 2 BAO);<br />

zulässig wäre daher etwa die Anordnung, einen Augenschein (§ 182 BAO)<br />

vorzunehmen, Zeugen einzuvernehmen, eine Nachschau (§ 144 BAO) oder<br />

eine Außenprüfung (§ 147 BAO) durchzuführen.<br />

Die Berufungsbehörde darf zB Zeugen einvernehmen, Amtshilfeersuchen stellen,<br />

Mängelbehebungsaufträge (nach § 85 Abs 2 BAO bzw nach § 275 BAO) erlassen.<br />

Die Berufungsbehörde hat das Parteiengehör (§ 115 Abs 2 BAO) zu beachten.<br />

Der Referent kann (Ermessen) die Parteien (insbesondere den Berufungswerber<br />

und das Finanzamt) zur Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie zur Beilegung<br />

des Rechtsstreites laden (§ 279 Abs 3 BAO, "Erörterungstermin").<br />

Die Berufungsbehörde ist verpflichtet, den angefochtenen Bescheid auch<br />

außerhalb des Berufungsbegehrens auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen.<br />

Auf der Abgabenbehörde zur Kenntnis gelangende neue Tatsachen, Beweise und Anträge<br />

(zB Änderung oder Ergänzung des Berufungsbegehrens) ist Bedacht zu nehmen<br />

(§ 280 BAO, kein Neuerungsverbot).<br />

25.14 Aussetzung der Berufungsentscheidung (§ 281 BAO)<br />

Die Aussetzung der Berufungsentscheidung ist zulässig, wenn<br />

- wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig ist<br />

oder<br />

- vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren anhängig ist,<br />

dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für das Berufungsverfahren ist,<br />

und der Aussetzung nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78 BAO)<br />

entgegenstehen (§ 281 Abs 1 BAO).<br />

Ein entgegenstehendes Interesse der Partei besteht vor allem dann, wenn<br />

sie "Anlassfall" eines Normenprüfungsverfahrens vor dem VfGH werden will.<br />

79


Im Aussetzungsbescheid ist das Verfahren, dessentwegen ausgesetzt wird,<br />

genau zu bezeichnen (Angabe der Geschäftszahl wird idR reichen).<br />

Die Partei hat keinen Rechtsanspruch auf Aussetzung.<br />

Nach rechtskräftiger Beendigung des "Anlassverfahrens" ist das ausgesetzte<br />

Berufungsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.<br />

Zur Erlassung von Aussetzungsbescheiden ist sowohl die Abgabenbehörde<br />

erster Instanz als auch jene zweiter Instanz zuständig.<br />

Von der Abgabenbehörde erster Instanz erlassene Aussetzungsbescheide<br />

verlieren ihre Wirksamkeit, sobald die Partei (§ 78 BAO) die Fortsetzung<br />

des Berufungsverfahrens beantragt (§ 281 Abs 3 BAO).<br />

25.15 Senatsverfahren (§§ 282 bis 287 BAO)<br />

Dem Referenten obliegt<br />

• die Durchführung des Ermittlungsverfahrens (zB Einvernahme von Zeugen),<br />

• die Erteilung von Ermittlungsaufträgen an eine Abgabenbehörde erster Instanz,<br />

• die Erlassung von Mängelbehebungsaufträgen nach § 85 Abs 2 BAO<br />

(zB bei fehlender Unterschrift) oder nach § 275 BAO (bei inhaltlichen Mängeln<br />

der Berufung),<br />

• die Verfügung der Aussetzung nach § 281 Abs 1 BAO,<br />

• die Abhaltung von "Erörterungsterminen" (§ 279 Abs 3 BAO).<br />

Eine mündliche Berufungsverhandlung hat stattzufinden<br />

• auf Antrag (in der Berufung, Vorlageantrag oder Beitrittserklärung),<br />

• wenn es der Referent oder (bei Senatszuständigkeit) der Vorsitzende<br />

für erforderlich hält,<br />

• wenn es der Berufungssenat auf Antrag eines Mitglieds beschließt.<br />

Ungeachtet eines (rechtzeitigen) Antrages kann die mündliche Verhandlung<br />

unterbleiben<br />

• bei Zurückweisung (§ 273 BAO),<br />

• bei Zurücknahmebescheiden (§ 85 Abs 2 BAO, § 86a Abs 1 BAO, § 275 BAO),<br />

• bei Gegenstandsloserklärungen (§ 256 Abs 3 BAO, § 274 BAO) und<br />

• wenn eine Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die<br />

Abgabenbehörde erster Instanz (§ 289 Abs 1 BAO) erfolgt.<br />

80


Die mündliche Verhandlung vor dem Berufungssenat ist öffentlich.<br />

Die Öffentlichkeit ist vom Vorsitzenden auszuschließen,<br />

• soweit eine Partei (§ 78 BAO) es verlangt,<br />

• von Amts wegen oder auf Antrag der Abgabenbehörde erster Instanz<br />

(§ 276 Abs 7 BAO), eines Zeugen, einer Auskunftsperson oder eines<br />

Sachverständigen,<br />

- soweit unter eine Geheimhaltungspflicht fallende Umstände erörtert<br />

werden oder<br />

- soweit die Öffentlichkeit der Verhandlung die Interessen der<br />

Abgabenerhebung beeinträchtigen würde.<br />

Mündliche Verhandlungen, die nicht vor dem Berufungssenat erfolgen,<br />

sind nicht öffentlich.<br />

Die Mitglieder des Berufungssenates und die Parteien sind berechtigt, an Personen<br />

(zB Zeugen, Sachverständige), die in der Verhandlung einvernommen werden,<br />

Fragen zu stellen (§ 285 Abs 6 BAO).<br />

Die Verhandlung endet mit der Verkündung der Entscheidung über die Berufung<br />

oder mit der Verkündung des Beschlusses, dass die Entscheidung der schriftlichen<br />

Ausfertigung vorbehalten bleibt (§ 287 Abs 4 BAO).<br />

Bei Verkündung der Entscheidung ist der Tag der Zustellung<br />

der schriftlichen Ausfertigung maßgeblich für die<br />

- Fälligkeitsfrist (bei Verböserung),<br />

- Beschwerdefristen vor dem VwGH und VfGH.<br />

Hingegen ist der Tag der Verkündung bedeutsam für § 280 BAO (kein<br />

Neuerungsverbot während des Berufungsverfahrens) und für den Zeitpunkt<br />

der Wirksamkeit einer aus der Berufungserledigung resultierenden Gutschrift.<br />

Der unabhängige Finanzsenat ist ein Gericht iSd Art 234 EGV. Er ist daher berechtigt<br />

(bzw bei Bedenken hinsichtlich der Primärrechtskonformität des anzuwendenden<br />

Sekundärrechts verpflichtet), beim EuGH Anträge auf Vorabentscheidung ua über<br />

die Auslegung oder Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht (zB Richtlinien und Verordnungen<br />

des Rates bzw der Kommission) zu stellen.<br />

81


25.16 Entscheidungen über die Berufung (§§ 288 bis 291 BAO)<br />

25.16.1 Inhalt von Berufungserledigungen (§ 288 BAO)<br />

Das Berufungsverfahren abschließende Erledigungen der Abgabenbehörde<br />

zweiter Instanz haben (nach § 288 Abs 1 BAO) zu enthalten<br />

1. den Namen der Parteien und ihrer Vertreter,<br />

2. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,<br />

3. den Spruch,<br />

4. die Begründung (auch bei vollinhaltlicher Stattgabe),<br />

5. bei Senatsentscheidungen weiters die Namen der Senatsmitglieder<br />

und des (etwa beigezogenen) Schriftführers.<br />

Erledigungen des gesamten Berufungssenates sind vom Vorsitzenden<br />

des Berufungssenats zu unterfertigen (§ 288 Abs 2 BAO).<br />

25.16.2 Aufhebung unter Zurückverweisung (§ 289 Abs 1 BAO)<br />

Ist über die Berufung keine Formalentscheidung (zB Zurückweisung) zu treffen,<br />

so kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung durch Aufhebung<br />

des angefochtenen Bescheides (und allfälliger Berufungsvorentscheidungen)<br />

unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz<br />

erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren<br />

Durchführung<br />

• ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder<br />

• eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (§ 289 Abs 1 BAO).<br />

Nach § 115 Abs 1 BAO sind von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse<br />

zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.<br />

Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage<br />

zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat (§ 289 Abs 1<br />

letzter Satz BAO).<br />

Die Aufhebung unter Zurückverweisung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde<br />

zweiter Instanz. Sie ist mit Beschwerde beim VfGH und beim VwGH anfechtbar<br />

(auch mit Amtsbeschwerde nach § 292 BAO).<br />

Im weiteren Verfahren sind die Behörden (zB Finanzamt, unabhängiger Finanzsenat)<br />

an die für die Aufhebung maßgebliche, im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung<br />

gebunden. Diese Bindungswirkung besteht nur bei unveränderter Sachund<br />

Rechtslage.<br />

82


25.16.3 Berufungsentscheidung (§ 289 Abs 2 und 3 BAO)<br />

Ist keine Formalentscheidung über die Berufung (zB Zurückweisung)<br />

zu treffen und erfolgt keine Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache<br />

an die Abgabenbehörde erster Instanz, so ist eine Berufungsentscheidung<br />

(Entscheidung "in der Sache selbst") zu erlassen.<br />

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz kann mit einer Berufungsentscheidung<br />

• den angefochtenen Bescheid (ersatzlos) aufheben oder<br />

• ihn (auch über das Berufungsbegehren hinaus) nach jeder Richtung<br />

(Spruch und Begründung) abändern oder<br />

• die Berufung als unbegründet abweisen.<br />

Eine ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides hat beispielsweise<br />

bei Unzuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz oder bei Rechtswidrigkeit<br />

infolge Eintritts der Verjährung zu erfolgen.<br />

Die Abänderungsbefugnis ist (ebenso wie bei der Berufungsvorentscheidung)<br />

durch die "Sache" beschränkt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des<br />

Spruches erster Instanz bildet.<br />

Zulässig ist etwa die<br />

• Erhöhung oder Minderung der Vorschreibung derselben Abgabe,<br />

• Ersetzung eines Abgabenbescheides durch einen Nichtveranlagungsbescheid,<br />

• Endgültigerklärung eines vorläufigen Bescheides (und umgekehrt).<br />

Nicht zulässig wäre beispielsweise<br />

• der Austausch des Bescheidadressaten,<br />

• die Vorschreibung einer anderen Abgabe (als im angefochtenen Bescheid).<br />

Die Berufungsentscheidung wirkt (einheitlich) für und gegen dieselben Personen<br />

wie der angefochtene Bescheid. Sie muss diesen Personen (um wirksam zu werden)<br />

auch zugestellt werden.<br />

Im Verfahren betreffend Bescheide, die Berufungsentscheidungen abändern<br />

(zB gemäß § 295 Abs 1 BAO), aufheben (zB gemäß § 303 Abs 4 BAO) oder<br />

ersetzen (zB gemäß § 200 Abs 2 BAO), sind die Behörden an die für die<br />

Berufungsentscheidung maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung<br />

gebunden (§ 289 Abs 3 BAO).<br />

Die Bindung setzt eine unveränderte Sach- und Rechtslage voraus.<br />

83


26. Beschwerde an VwGH oder VfGH (§§ 291 und 292 BAO)<br />

Gegen Bescheide der Abgabenbehörde zweiter Instanz ist kein ordentliches<br />

Rechtsmittel zulässig (§ 291 BAO).<br />

Solche Bescheide sind mit Beschwerde an den VwGH oder VfGH anfechtbar;<br />

die Beschwerdefrist beträgt sechs Wochen (ab Zustellung).<br />

Die Abgabenbehörde erster Instanz (zB das Finanzamt) hat das Recht,<br />

gegen Entscheidungen über Berufungen des unabhängigen Finanzsenates<br />

- wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder<br />

- wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften<br />

Beschwerde ("Amtsbeschwerde") an den VwGH zu erheben.<br />

27. Berichtigung gemäß § 293 BAO<br />

Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei (§ 78 BAO) oder von Amts wegen<br />

einen Bescheid berichtigen, wenn ihr unterlaufen sind:<br />

• Schreib- oder Rechenfehler,<br />

• andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende<br />

tatsächliche Unrichtigkeiten oder<br />

• ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage<br />

beruhende Unrichtigkeiten (zB Eingabefehler,<br />

Programmfehler).<br />

Die Berichtigung ist innerhalb der Verjährungsfrist, jedenfalls jedoch innerhalb<br />

eines Jahres ab Eintritt der Rechtskraft, zulässig (§ 302 BAO).<br />

Die Berichtigung liegt im Ermessen (somit kein Rechtsanspruch der Partei).<br />

Nach dem Normzweck wird idR der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit<br />

(Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit für die<br />

Berichtigung sprechen (außer bei Geringfügigkeit der Auswirkungen des Fehlers).<br />

Berichtigungsfähig ist insbesondere der Spruch (zB Berichtigung der Schreibweise<br />

des Bescheidadressaten; aber kein Austausch des Bescheidadressaten zulässig),<br />

aber auch andere Bescheidbestandteile (zB die Begründung).<br />

84


Bei Entscheidungen eines Berufungssenates darf nur der Berufungssenat<br />

eine solche Berichtigung verfügen (§ 282 Abs 3 BAO).<br />

Der berichtigende Bescheid tritt nicht an Stelle des fehlerhaften Bescheides.<br />

Er ergänzt den berichtigten Bescheid. Er ist daher idR nur hinsichtlich des<br />

berichtigten Umfanges und Inhaltes anfechtbar.<br />

Eine Anfechtung des Bescheides in seiner berichtigten Fassung ist nur zulässig,<br />

wenn erst aus der berichtigten Fassung zu erkennen ist, dass und in welchem<br />

Ausmaß dieser einen Eingriff in die Rechte oder rechtlichen Interessen der Partei<br />

bedeutet.<br />

28. Berichtigung gemäß § 293b BAO<br />

Die Abgabenbehörde kann einen Bescheid<br />

- auf Antrag einer Partei oder<br />

- von Amts wegen<br />

insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme<br />

offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht (§ 293b BAO).<br />

Eine Unrichtigkeit ist dann offensichtlich, wenn sie ohne Durchführung<br />

eines diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens erkennbar ist.<br />

Die Unrichtigkeit muss aus der Abgabenerklärung (= Erklärungsvordruck sowie<br />

sämtliche Beilagen) selbst oder aus ihr in Verbindung mit der übrigen Aktenlage<br />

erkennbar sein.<br />

Keine offensichtliche Unrichtigkeit liegt etwa vor, wenn die der Abgabenerklärung<br />

zugrunde liegende Rechtsansicht vertretbar ist, zB wenn eine Rechtsfrage in der<br />

Rechtsprechung uneinheitlich gelöst wird.<br />

Als offensichtliche Unrichtigkeit iSd § 293b BAO kommt in Betracht:<br />

• Ein unter dem Titel "Urlaubsreise" ausgewiesener Aufwand wird als<br />

Betriebsausgabe geltend gemacht,<br />

• im Einkommensteuererklärungsvordruck wird als Gewinn der Betrag der<br />

Einnahmen eingetragen, was aus der beiliegenden Einnahmen-Ausgaben-<br />

Rechnung ersichtlich ist,<br />

• Nichtberücksichtigung eines aktenkundigen Verlustvortrages.<br />

85


Berichtigungen können von Amts wegen oder auf Antrag vorgenommen werden.<br />

Antragsberechtigt ist jede Partei, der gegenüber der betreffende Bescheid wirksam<br />

geworden ist. Das Antragsrecht ist nicht befristet.<br />

Der Antrag unterliegt der Entscheidungspflicht (§ 311 Abs 1 BAO).<br />

Er ist daher mit Bescheid zu erledigen.<br />

Gemäß § 293b BAO berichtigende Bescheide dürfen nur die aus der<br />

Abgabenerklärung übernommenen offensichtlichen Unrichtigkeiten beseitigen.<br />

Berichtigende Bescheide ergänzen den fehlerhaften Bescheid und sind somit<br />

idR nur hinsichtlich des berichtigten Umfanges und Inhaltes anfechtbar.<br />

Die Berichtigung kann sowohl zu Gunsten als auch zum Nachteil der Partei erfolgen.<br />

Die Berichtigung liegt im Ermessen (auch bei Parteiantrag). Der Vorrang<br />

der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) ist das wesentlichste<br />

Ermessenskriterium; jedoch keine Berichtigung bei bloß geringfügigen Auswirkungen<br />

des Fehlers.<br />

Die Berichtigung darf (grundsätzlich) nur innerhalb der Verjährungsfrist<br />

erfolgen (§ 302 Abs 1 BAO).<br />

29. Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides (§ 294 BAO)<br />

§ 294 BAO bezieht sich auf Bescheide, die Begünstigungen, Berechtigungen<br />

oder die Befreiung von Pflichten betreffen, und ist etwa anwendbar für:<br />

• Fristverlängerungs- oder Fristabweisungsbescheide,<br />

• Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO),<br />

• Aussetzungen der Einhebung (§ 212a BAO),<br />

• Löschungen (§ 235 BAO).<br />

§ 294 BAO ermöglicht die Änderung bzw Zurücknahme solcher Bescheide, wenn<br />

• sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung<br />

des Bescheides maßgebend waren, oder<br />

• das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender<br />

Angaben zu Unrecht angenommen wurde.<br />

86


Eine rückwirkende Änderung oder Zurücknahme ohne Zustimmung der betroffenen<br />

Parteien ist nur zulässig, wenn der Bescheid durch wissentlich unwahre Angaben<br />

oder durch eine strafbare Handlung herbeigeführt wurde.<br />

Die Änderung oder Zurücknahme liegt im Ermessen.<br />

Solche Maßnahmen dürfen nur innerhalb der Verjährungsfrist vorgenommen<br />

werden (§ 302 Abs 1 BAO).<br />

Ist im Bescheidspruch der Widerruf vorbehalten (üblich zB bei Nachsicht),<br />

so ist dieser Widerrufsvorbehalt der Verfahrenstitel für einen allfälligen Widerruf.<br />

30. Anpassung abgeleiteter Bescheide (§ 295 BAO)<br />

Ein abgeleiteter Bescheid ist durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn<br />

die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr<br />

vorliegen, aufzuheben,<br />

• wenn ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abgeleitet ist und<br />

• der Feststellungsbescheid nachträglich abgeändert, aufgehoben oder erstmals<br />

erlassen wird (§ 295 Abs 1 BAO).<br />

Beispiel:<br />

Von einem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften<br />

(§ 188 BAO) sind die Einkommensteuerbescheide (Körperschaftsteuerbescheide) der<br />

an den Einkünften beteiligten Personen abgeleitet.<br />

Die Änderung bzw Aufhebung ist zwingend vorzunehmen; dies unabhängig davon,<br />

ob der abgeleitete Bescheid (formell) rechtskräftig ist.<br />

Solche Maßnahmen dürfen grundsätzlich nur innerhalb der Verjährungsfrist<br />

vorgenommen werden (Ausnahme: § 209a Abs 2 BAO; siehe Abschnitt 17.7).<br />

Mit der Erlassung des neuen Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung<br />

oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene<br />

Feststellungsbescheid (formell) rechtskräftig geworden ist.<br />

Auf § 295 BAO gestützte Bescheide dürfen (grundsätzlich) in allen Bereichen<br />

den Bescheid abändern. Sie sind (grundsätzlich) voll anfechtbar.<br />

87


Ausnahmen hievon ergeben sich etwa aus der Bindung gemäß § 289 Abs 3 BAO<br />

(siehe Abschnitt 25.16.3).<br />

31. Abänderung gemäß § 295a BAO<br />

Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78 BAO) oder von Amts wegen insoweit<br />

abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für<br />

die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat<br />

(§ 295a BAO).<br />

Beispiele für solche rückwirkende Ereignisse:<br />

1. Entrichtung von Erbschaftssteuer (für die Anrechnung nach § 24 Abs 5 EStG 1988).<br />

2. Entrichtung ausländischer Abgaben (für die Anrechnung auf inländische Abgaben<br />

zB auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens).<br />

3. Ersatz von Aufwendungen durch die Versicherung (für die Nichtberücksichtigung<br />

als außergewöhnlicher Belastung iSd § 34 EStG 1988).<br />

4. Erfolgreiche Anfechtung eines Vertrages wegen eines Willensmangels, wie etwa<br />

wegen eines Irrtums iSd § 871 ABGB (für die Rechtsgeschäftsgebühren des<br />

§ 33 GebG).<br />

Die Abänderung liegt im Ermessen; dies gilt unabhängig davon, ob sie auf Antrag<br />

oder von Amts wegen erfolgt.<br />

Bei der Ermessensübung wird idR dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit der Vorrang<br />

vor jenem der Rechtsbeständigkeit zukommen.<br />

Gegen eine Abänderung können die Geringfügigkeit der Auswirkungen<br />

oder der Grundsatz von Treu und Glauben sprechen.<br />

Die Abänderung darf nur, "insoweit" sich das Ereignis auf den Abgabenanspruch<br />

auswirkt, erfolgen. Der Bescheid darf somit nur diesbezüglich abgeändert werden.<br />

Der gemäß § 295a BAO abändernde Bescheid ist daher nur hinsichtlich der<br />

Abänderung mit Berufung anfechtbar.<br />

Abänderungen (§ 295a BAO) sind grundsätzlich nur innerhalb der Verjährungsfrist<br />

zulässig; Ausnahmen hievon ergeben sich etwa aus § 209a Abs 2 BAO.<br />

88


32. Aufhebung nach § 299 Abs 1 BAO<br />

Die Abgabenbehörde erster Instanz kann auf Antrag der Partei oder von<br />

Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben,<br />

wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist.<br />

Die Aufhebung liegt im Ermessen (Vorrang der Rechtsrichtigkeit; außer<br />

insbesondere bei Geringfügigkeit der Auswirkungen, wegen Treu und Glauben<br />

oder bei Uneinbringlichkeit der Nachforderung).<br />

Mit dem aufhebenden Bescheid ist der neue Sachbescheid zu verbinden<br />

(§ 299 Abs 2 BAO).<br />

Der Aufhebungsbescheid ist (ebenso wie der neue Sachbescheid) mit Berufung<br />

anfechtbar.<br />

Aufhebungen gemäß § 299 Abs 1 BAO sind bis zum Ablauf eines Jahres<br />

ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) des aufzuhebenden Bescheides zulässig,<br />

außer wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Jahresfrist eingebracht ist<br />

(§ 302 Abs 2 lit b BAO).<br />

Aufhebungen wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen<br />

Vereinbarungen (insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen) oder mit<br />

Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union sind zulässig,<br />

• innerhalb der Verjährungsfrist oder<br />

• wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Frist eingebracht ist,<br />

auch nach Ablauf der Frist.<br />

Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage<br />

zurück, in der es sich vor der Aufhebung (nach § 299 Abs 1 BAO) befunden hat<br />

(§ 299 Abs 3 BAO).<br />

89


33. Klaglosstellung nach § 300 BAO<br />

Das BMF und die Abgabenbehörde zweiter Instanz (vor allem der unabhängige<br />

Finanzsenat) können einen von ihnen selbst erlassenen Bescheid, der beim VwGH<br />

oder beim VfGH mit Beschwerde angefochten ist, aufheben<br />

a) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, oder<br />

b) wenn er von einer unzuständigen Behörde, von einem hiezu nicht berufenen<br />

Organ oder von einem nicht richtig zusammengesetzten Kollegialorgan einer<br />

Behörde erlassen wurde, oder<br />

c) wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen<br />

Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde, oder<br />

d) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung<br />

ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung<br />

hätte unterbleiben können (somit etwa bei Unterlassung entscheidungserheblicher<br />

Ermittlungen oder bei Verletzung des Parteiengehörs).<br />

Die Aufhebung darf in jedem Verfahren nur einmal erfolgen (§ 300 Abs 2 BAO).<br />

Durch die Aufhebung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor<br />

Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat (§ 300 Abs 3 BAO).<br />

34. Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 303 bis 307 BAO)<br />

34.1 Wiederaufnahmsgründe<br />

Wiederaufnahmsgründe liegen vor, wenn<br />

• der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere<br />

gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen wurde, oder<br />

• Tatsachen oder Beweismittel (die vor Abschluss des Verfahrens bereits existent<br />

waren) neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren<br />

nicht geltend gemacht worden sind, oder<br />

• der Bescheid von Vorfragen (§ 116 BAO) abhängig war und nachträglich über<br />

eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde in wesentlichen<br />

Punkten anders entschieden wurde und<br />

die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis<br />

des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.<br />

90


Beispiele (für Tatsachen iSd § 303 BAO):<br />

• Zufluss von Einnahmen, die Betriebseinnahmen sind,<br />

• Zahlung von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen,<br />

• Mängel der Buchführung.<br />

Zur Vorfrage (§ 116 BAO) siehe Abschnitt 12.6.<br />

34.2 Wiederaufnahme auf Antrag<br />

Das Antragsrecht der Partei ist befristet (drei Monate ab nachweislicher Kenntnis<br />

des Wiederaufnahmsgrundes). Diese Frist ist nicht verlängerbar.<br />

Der Antrag ist einzubringen<br />

• bei der Abgabenbehörde erster Instanz, die den Bescheid erlassen hat, oder<br />

• nach Übergang der Zuständigkeit auch bei der neu zuständig gewordenen<br />

Abgabenbehörde erster Instanz.<br />

Eine Wiederaufnahme auf Antrag setzt beim Neuerungstatbestand (Neuhervorkommen<br />

von Tatsachen oder Beweismitteln) voraus, dass diese Umstände im<br />

abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend<br />

gemacht werden konnten (§ 303 Abs 1 lit b BAO).<br />

Eine Wiederaufnahme auf Antrag setzt die formelle Rechtskraft des Bescheides,<br />

der durch die Wiederaufnahme aufgehoben werden soll, voraus.<br />

Der Wiederaufnahmsantrag hat (nach § 303a Abs 1 BAO) zu enthalten:<br />

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird,<br />

b) die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird,<br />

c) die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig<br />

sind,<br />

d) bei einem auf neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel gestützten<br />

Antrag weiters Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens<br />

an der Nichtgeltendmachung im abgeschlossenen Verfahren notwendig sind.<br />

Entspricht der Wiederaufnahmsantrag nicht diesen Inhaltserfordernissen, so ist ein<br />

Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Er hat den Hinweis zu enthalten, dass der<br />

Antrag nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden (verlängerbaren)<br />

Frist als zurückgenommen gilt.<br />

91


Der Mängelbehebungsauftrag ist eine verfahrensleitende Verfügung iSd §§ 94<br />

und 244 BAO (daher nicht abgesondert anfechtbar). Die Mängelbehebungsfrist<br />

ist verlängerbar; der Fristverlängerungsantrag hat keine fristhemmende Wirkung.<br />

Wird dem Mängelbehebungsauftrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend<br />

entsprochen, so ist die Zurücknahme des Wiederaufnahmsantrags bescheidmäßig<br />

festzustellen. Dieser Bescheid ist mit Berufung anfechtbar.<br />

Die Ablehnung des Wiederaufnahmsantrags hat bescheidmäßig durch<br />

die Wiederaufnahmsbehörde (§ 305 BAO; siehe Abschnitt 34.4) zu erfolgen.<br />

Sie kann mit Berufung angefochten werden.<br />

Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens<br />

ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein<br />

• innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die amtswegige Wiederaufnahme<br />

unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs 2 BAO) von sieben<br />

Jahren zulässig wäre, oder<br />

• vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des<br />

das Verfahren abschließenden Bescheides<br />

eingebrachter Wiederaufnahmsantrag zugrunde liegt (§ 304 BAO).<br />

34.3 Wiederaufnahme von Amts wegen (§ 303 Abs 4 BAO)<br />

Eine amtswegige Wiederaufnahme setzt (abgesehen vom Vorliegen von Wiederaufnahmsgründen)<br />

voraus, dass das Verfahren mit Bescheid abgeschlossen ist.<br />

Dieser Bescheid muss noch nicht formell rechtskräftig sein.<br />

Für den Neuerungstatbestand (Neuhervorkommen von Tatsachen oder<br />

Beweismitteln) ist der behördliche Wissensstand im jeweiligen Verfahren<br />

(im Zeitpunkt der seinerzeitigen Bescheiderlassung) maßgebend.<br />

Ein Verschulden der Abgabenbehörde daran, nicht bereits damals die<br />

maßgebenden Umstände ermittelt zu haben, steht einer amtswegigen<br />

Wiederaufnahme grundsätzlich nicht entgegen.<br />

Die amtswegige Wiederaufnahme liegt im Ermessen. Nach dem Normzweck ist idR<br />

dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang<br />

vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben. Dies gilt auch für sich zu Gunsten der<br />

Partei auswirkende Wiederaufnahmen (zB wenn eine Schätzung wegen Nichteinreichung<br />

der Abgabenerklärung erfolgte).<br />

92


Gegen die Verfügung einer Wiederaufnahme können ua sprechen<br />

• Geringfügigkeit der Auswirkungen,<br />

• Missverhältnis zwischen den Folgen des Wiederaufnahmsgrundes<br />

und den abgabenrechtlichen Auswirkungen insgesamt,<br />

• Treu und Glauben (siehe Abschnitt 12.7),<br />

• Uneinbringlichkeit der Nachforderung.<br />

In der Begründung des Wiederaufnahmsbescheides sind ua die<br />

Wiederaufnahmsgründe anzuführen und die für die Ermessensübung<br />

maßgeblichen Überlegungen darzustellen.<br />

Die Nichtanführung der Wiederaufnahmsgründe ist im Berufungsverfahren<br />

nicht sanierbar.<br />

Nach Ablauf der Verjährungsfrist ist eine amtswegige Wiederaufnahme<br />

des Verfahrens ausgeschlossen (§ 304 BAO).<br />

34.4 Zuständigkeit zur Wiederaufnahme (§ 305 BAO)<br />

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Abgabenbehörde zu,<br />

die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.<br />

Nach dem Übergang der Zuständigkeit hat die neu zuständige Abgabenbehörde<br />

über die Wiederaufnahme zu entscheiden.<br />

34.5 Wiederaufnahmsverfahren (§ 307 BAO)<br />

Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden<br />

Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das<br />

wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden<br />

(§ 307 Abs 1 BAO).<br />

Der die Wiederaufnahme bewilligende oder verfügende Bescheid und der neue<br />

Sachbescheid sind zwei voneinander unabhängig anfechtbare Bescheide.<br />

Wird der die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligende oder verfügende<br />

Bescheid aufgehoben (zB mit Berufungsvorentscheidung oder gemäß § 299 BAO),<br />

so tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme<br />

befunden hat (§ 307 Abs 3 BAO).<br />

93


In der neuen Sachentscheidung sind, soweit die Änderungsbefugnis nicht<br />

eingeschränkt ist (zB zufolge § 289 Abs 3 BAO; siehe Abschnitt 26.16.3),<br />

Änderungen nicht nur hinsichtlich von Wiederaufnahmsgründen berührter<br />

Bescheidelemente zulässig.<br />

35. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 308 bis 310 BAO)<br />

35.1 Fristversäumnis, Wiedereinsetzungsgründe<br />

Gegen die Versäumung einer Frist ist auf Antrag der Partei, die durch die<br />

Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen<br />

Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein<br />

unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist<br />

einzuhalten (§ 308 Abs 1 BAO).<br />

Trifft die Partei (bzw ihren Vertreter) an der Fristversäumung ein Verschulden,<br />

so steht dies einer Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht entgegen, wenn es<br />

sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.<br />

Minderer Grad des Versehens ist leichte Fahrlässigkeit. Sie liegt nicht vor, wenn<br />

jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr<br />

mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und<br />

nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt.<br />

Wiedereinsetzbar sind Fristen unabhängig davon, ob sie gesetzliche<br />

oder behördliche, materiellrechtliche oder verfahrensrechtliche sind.<br />

Wiedereinsetzbar sind zB Berufungsfristen, Vorlageantragsfristen, Zahlungsfristen,<br />

Mängelbehebungsfristen, Abgabenerklärungsfristen, Wiedereinsetzungsfristen.<br />

Ein Ereignis ist jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt,<br />

sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, sich Irren.<br />

Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und<br />

dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare<br />

Aufmerksamkeit und Sorgfalt nicht erwarten konnte.<br />

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Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen<br />

zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht verhindern konnte,<br />

auch wenn sie dessen Eintritt voraussah.<br />

35.2 Antrag auf Wiedereinsetzung<br />

Einzubringen ist der Antrag binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören<br />

des Hindernisses<br />

• bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist versäumt wurde,<br />

• bei Versäumung der Berufungsfrist oder der Vorlageantragsfrist bei der<br />

Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz (§ 308 Abs 3 BAO),<br />

• bei Übergang der Zuständigkeit auch bei der neu zuständigen Abgabenbehörde<br />

erster Instanz (§ 308 Abs 4 BAO).<br />

Die Antragsfrist ist eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist.<br />

Der Wiedereinsetzungsantrag hat (nach § 309a Abs 1 BAO) zu enthalten:<br />

a) die Bezeichnung der versäumten Frist,<br />

b) die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses,<br />

c) die Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der<br />

Fristversäumung notwendig sind,<br />

d) die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind.<br />

Fehlen diese Inhaltserfordernisse, so ist mit Mängelbehebungsauftrag vorzugehen<br />

(§ 309a Abs 2 BAO).<br />

Der Antragsteller hat die versäumte Handlung spätestens gleichzeitig<br />

mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (§ 308 Abs 3 BAO).<br />

Nach Ablauf von fünf Jahren ab dem Ende der versäumten Frist ist ein Antrag<br />

auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr zulässig (§ 309 BAO).<br />

35.3 Bewilligung der Wiedereinsetzung (§ 310 BAO)<br />

Zuständig zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist<br />

• die Abgabenbehörde, bei der die Handlung versäumt wurde,<br />

• bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Vorlageantragsfrist<br />

die Abgabenbehörde erster Instanz,<br />

• bei Übergang der Zuständigkeit die neu zuständige Abgabenbehörde.<br />

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Wird die Wiedereinsetzung bewilligt, so tritt das Verfahren in die Lage zurück,<br />

in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat (§ 310 Abs 3 erster<br />

Satz BAO). Ein Bescheid über die Zurückweisung des Anbringens (zB der Berufung)<br />

als verspätet scheidet somit durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung aus dem<br />

Rechtsbestand aus.<br />

Soweit die versäumte Handlung erst die Einleitung eines Verfahrens zur Folge gehabt hätte<br />

(zB Antrag auf Veranlagung gemäß § 41 Abs 2 EStG 1988), ist durch die Bewilligung der<br />

Wiedereinsetzung die ursprünglich versäumte Handlung als rechtzeitig vorgenommen anzusehen<br />

(§ 310 Abs 3 zweiter Satz BAO).<br />

Die Ablehnung (Zurückweisung, Abweisung) des Wiedereinsetzungsantrages<br />

ist mit Berufung bzw mit Beschwerde beim VfGH und beim VwGH anfechtbar.<br />

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