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Elektronischer Sonderdruck für Akute Myopie K. Stingl

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Der<br />

Ophthalmologe<br />

Zeitschrift der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft<br />

<strong>Elektronischer</strong> <strong>Sonderdruck</strong> <strong>für</strong><br />

K. <strong>Stingl</strong><br />

Ein Service von Springer Medizin<br />

Ophthalmologe 2011 · 108:859–862 · DOI 10.1007/s00347-011-2385-y<br />

© Springer-Verlag 2011<br />

K. <strong>Stingl</strong> · A. Bruckmann<br />

<strong>Akute</strong> <strong>Myopie</strong><br />

www.DerOphthalmologe.de<br />

zur nichtkommerziellen Nutzung auf der<br />

privaten Homepage und Institutssite des Autors


Ophthalmologe 2011 · 108:859–862<br />

DOI 10.1007/s00347-011-2385-y<br />

Online publiziert: 19. Juni 2011<br />

© Springer-Verlag 2011<br />

Hier kann auch Ihr Fall dargestellt<br />

werden!<br />

Haben Sie eine Interessante Falldarstellung?<br />

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Bildmaterial über das Online-System<br />

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hierzu auf der Zeitschriftenhomepage<br />

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Hier finden Sie auch unsere ausführlichen<br />

Autorenleifäden und Musterbeiträge.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!<br />

Bild und Fall<br />

K. <strong>Stingl</strong> · A. Bruckmann<br />

Department und Forschungsinstitut <strong>für</strong> Augenheilkunde,<br />

Universitätsklinikum Tübingen<br />

<strong>Akute</strong> <strong>Myopie</strong><br />

Vorgeschichte<br />

Ein 34-jähriger Mann wurde konsiliarisch<br />

aus der Medizinischen Klinik in unserer<br />

augenärztlichen Notfallambulanz vorgestellt.<br />

Er war am gleichen Tag aufgrund<br />

eines akuten Nierenversagens unklarer<br />

Genese notfallmäßig dort aufgenommen<br />

worden. Er klagte über eine plötzliche<br />

Verschlechterung der Sehschärfe.<br />

Der Patient hatte eine Woche zuvor im<br />

Rahmen eines Fußballspiels eine Kopfplatzwunde<br />

erlitten, die genäht worden<br />

war. Nun hatte er seit wenigen Tagen Gliederschmerzen<br />

und Übelkeit ohne Erbrechen.<br />

Im Verlauf hatte sich auch Fieber<br />

bis 40°C eingestellt. Bereits seit einigen<br />

Tagen, aber besonders seit dem Vortag<br />

hatte er eine Verschlechterung der Sehschärfe<br />

mit verschwommenem Sehen an<br />

beiden Augen bemerkt. Spontan schilderte<br />

er, dass in der Nähe noch relativ gutes<br />

Sehen bestünde, je weiter weg der Gegenstand<br />

sei, desto unschärfer sei das Bild.<br />

Es war bereits eine geringe Rot-Grün-<br />

Schwäche bekannt, die weitere Augenanamnese<br />

war unauffällig. Eine Brille hatte er<br />

bislang nicht getragen. Allgemein hatte er<br />

außer den aktuellen Beschwerden keine<br />

weiteren Erkrankungen und nahm keine<br />

regelmäßige Medikation zu sich.<br />

Befunde<br />

Der Fernvisus betrug beidseits ohne Korrektur<br />

0,05, mit stenopäischer Lücke jeweils<br />

0,2. Der Nahvisus war etwas besser<br />

mit 0,1 rechts und 0,4 links ohne Korrektur.<br />

Die vorderen Augenabschnitte zeigten<br />

einen altersentsprechenden Befund<br />

ohne Auffälligkeiten. In Miosis konnten<br />

wir eine vitale und randscharfe Papille sehen,<br />

die physiologisch exkaviert war. Die<br />

Makulae wirkten trocken mit schwachem,<br />

aber positivem Zentralreflex.<br />

Die Pupillen waren isokor, zeigten eine<br />

regelrechte Lichtreaktion und keinen relativen<br />

afferenten Pupillendefekt. Ebenso<br />

konnte keine Farbentsättigung festgestellt<br />

werden. Doppelbilder und Motilitätsschmerzen<br />

wurden nicht angegeben,<br />

die Augenbewegung war in alle Richtungen<br />

frei.<br />

Nach Überprüfen der Refraktion fielen<br />

folgende Werte auf: rechts −5,0 sph,<br />

−0,5 zyl Achse 130°, links −4.0 sph, kein<br />

Zylinder. Mit dieser Korrektur erreichte<br />

der Patient einen Fernvisus von R/L<br />

0,9/1,0.<br />

Bei einer Verlaufskontrolle 4 Tage später<br />

hatte der Patient keine Beschwerden<br />

mehr, und sine correctione war eine Sehschärfe<br />

von 0,8/1,0 messbar.<br />

Ihre Diagnose? D<br />

Der Ophthalmologe 9 · 2011 |<br />

859


D Diagnose: Myoper Shift bei akutem<br />

Nierenversagen durch Hantavirus-<br />

Infektion<br />

Bei dem jungen Patienten lag eine Infektion<br />

durch das Hantavirus vor, die <strong>für</strong> das<br />

akute Nierenversagen verantwortlich war.<br />

Hantaviren verursachen ein hämorrhagi-<br />

Fälle<br />

a<br />

Fälle<br />

b<br />

300<br />

280<br />

260<br />

240<br />

220<br />

200<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

420<br />

400<br />

380<br />

360<br />

340<br />

320<br />

300<br />

280<br />

260<br />

240<br />

220<br />

200<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1<br />

1<br />

2<br />

2<br />

860 | Der Ophthalmologe 9 · 2011<br />

3<br />

3<br />

4<br />

4<br />

Bild und Fall<br />

sches Fieber mit renalem Syndrom. Die<br />

Erkrankung verläuft typischerweise mit<br />

allgemeinem Krankheitsgefühl, Gliederschmerzen,<br />

febrilen Temperaturen sowie<br />

5<br />

5<br />

6<br />

Monat<br />

6<br />

Monat<br />

7<br />

7<br />

8<br />

8<br />

9<br />

9<br />

10<br />

10<br />

u. U. einer zunehmenden und <strong>für</strong> die Erkrankung<br />

typischen passageren <strong>Myopie</strong><br />

[1, 2, 11].<br />

Die Gattung Hantavirus aus der Familie<br />

der Bunyaviridae umfasst u. a. die humanpathogenen<br />

Arten Hantaan-Virus<br />

und Puumala-Virus. Das Puumala-Virus<br />

verursacht die Nephropathia epidemica<br />

und ist v. a. in Nord- und Mitteleuropa<br />

verbreitet, wobei das Hantavirus in den<br />

11<br />

11<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

2010<br />

12<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

2010 Abb. 1 9 Am Robert Koch-<br />

Institut ermittelte Inzidenz<br />

von Hantavirus-Infektionen<br />

<strong>für</strong> die Jahre 2001–2010 in<br />

a Baden-Württemberg,<br />

b Deutschland. Es kommt<br />

immer in den Sommermonaten<br />

zu einem Anstieg der<br />

Inzidenz, die meisten Fälle<br />

wurden im Jahr 2007 gemeldet.<br />

Ebenfalls kann<br />

man ein erhöhtes Vorkommen<br />

dieser Erkrankung im<br />

Jahr 2010 beobachten. (Mit<br />

freundl. Genehmigung<br />

Robert Koch-Institut [14])<br />

12


Vereinigten Staaten auch durch Syndrome<br />

mit Lungenbeteiligung bekannt wurde<br />

[1, 2]. Das Virus wird v. a. durch asymptomatische<br />

Rötelmäuse übertragen und<br />

ist besonders in ländlichen Gegenden in<br />

Baden-Württemberg, Bayern, Hessen<br />

und Nordrhein-Westfalen verbreitet. Der<br />

Mensch infiziert sich, indem er den erregerhaltigen<br />

Staub der getrockneten Exkremente<br />

einatmet.<br />

Im Jahr 2007 gab es einen Anstieg der<br />

Hantavirus-Infektionen [7], und auch Bewohner<br />

städtischer Regionen waren vermehrt<br />

betroffen. Danach fiel die Infektionsrate<br />

ab, um im Frühjahr 2010 wieder<br />

deutlich anzusteigen. Seit Anfang 2010 hat<br />

die Zahl der Hantavirus-Infektionen insbesondere<br />

in Süddeutschland deutlich zugenommen<br />

([8], . Abb. 1) Ein zugelassener<br />

Impfstoff existiert nicht [3]. In Endemiegebieten<br />

sollte der Kontakt zu Mäusen<br />

und Mäusekot vermieden werden.<br />

Bei dem Patienten aus unserem vorgestellten<br />

Fall war die Puumala-Serologie<br />

(IgG und IgM) positiv, und somit entspricht<br />

das Krankheitsbild einer typischen<br />

Nephropathia epidemica mit Augenbeteiligung.<br />

Die okuläre Beteiligung bei der Hantavirus-Infektion<br />

mit Nephropathia epidemica<br />

kann sich in einer akuten und<br />

transienten Myopisierung mit Visusverschlechterung<br />

auswirken. Man sollte aber<br />

bedenken, dass bei hyperopen Patienten<br />

eine solche Augenbeteiligung paradoxerweise<br />

eine Besserung der Sehschärfe ohne<br />

Brille zur Folge haben kann [4]. Dazu<br />

können auch Schwankungen des Intraokulardruckes<br />

oder konjunktivale Blutungen<br />

und Chemosis auftreten [2, 4, 11].<br />

Ebenfalls wurde eine Pupillotonie im Zusammenhang<br />

mit einer akuten Hantavirus-Infektion<br />

beschrieben [11].<br />

Häufig treten bei der Nephropathia<br />

epidemica Symptome wie Kopfschmerzen<br />

[4, 5], Schwindel, Übelkeit und Erbrechen<br />

[4] auf. Seltener wird eine kognitive<br />

Verlangsamung beschrieben, die durch<br />

eine Schwellung der Myelinfasern hervorgerufen<br />

werden soll [12]. Außerdem treten<br />

neben Schlaflosigkeit auch visuelle Halluzinationen<br />

und eine meningeale Reizung<br />

[2, 5] auf. Detaillierte Erklärungen zum<br />

Pathomechanismus fehlen. Hämorrhagische<br />

Diathese sowie disseminierte intravasale<br />

Gerinnung, ggf. urämisch bedingt,<br />

werden <strong>für</strong> diese lokalen und passageren<br />

ZNS-Störungen verantwortlich gemacht<br />

[13]. Schwere Formen gehen mit epileptischen<br />

Anfällen oder intrazerebralen Blutungen<br />

einher [13].<br />

Augenbeteiligung und zentralnervöse<br />

Symptome sind in der Regel reversibel<br />

und bilden sich nach einigen Tagen<br />

bis Wochen mit der Besserung der Allgemeinsituation<br />

und der Niereninsuffizienz<br />

zurück [2, 5].<br />

Die Therapie der Nephropathia epidemica<br />

besteht aus der symptomatischen<br />

Behandlung mit Analgetika und Antipyretika<br />

und ggf. der Gabe von Thrombozytenkonzentraten,<br />

in seltenen Fällen ist<br />

auch eine Hämodialyse nötig [5].<br />

Biometrische Untersuchungen der Augen<br />

von Patienten mit diesem Krankheitsbild<br />

decken den Grund <strong>für</strong> diese Myopisierung<br />

auf. Fluktuationen im osmotischen<br />

Gefälle und im Elektrolythaushalt<br />

spielen eine Rolle bei der Produktion des<br />

Kammerwassers und im Linsenmetabolismus<br />

[6]. Der gestörte Elektrolytenhaushalt<br />

bei akutem Nierenversagen führt zur<br />

Verdickung der Augenlinse und zur Abflachung<br />

der vorderen Augenkammer [2,<br />

4]. Die Linsenverdickung hat eine Veränderung<br />

des refraktiven Index und somit<br />

eine Myopisierung zur Folge, und die<br />

Abflachung der Vorderkammer kann die<br />

Augendruckschwankungen verursachen.<br />

Echographisch konnte keine Veränderung<br />

der axialen Augenlänge beobachtet werden,<br />

obwohl hierzu eine widersprüchliche<br />

Datenlage vorliegt [4, 5].<br />

Sollte der gestörte Elektrolytenhaushalt<br />

eine gänzliche Erklärung <strong>für</strong> die Myopisierung<br />

beim Nierenversagen durch eine<br />

Hantavirus-Infektion darstellen, müsste<br />

es zu einer solchen Refraktionsänderung<br />

bei jedem akut entstandenen Nierenversagen<br />

kommen, was aber nicht der<br />

Fall ist. Eine bessere Erklärung des Pathomechanismus<br />

dieser <strong>Myopie</strong> könnte in<br />

der eigentlichen Pathogenese der Hantavirus-Infektion<br />

liegen. Hantaviren führen<br />

zu hämorrhagischem Fieber und Nierenversagen,<br />

indem sie das Endothel verändern<br />

und eine generalisierte Hyperpermeabilität<br />

verursachen [9, 10]. Das Hantavirus<br />

wird in den Gefäßendothelzellen des<br />

ganzen Körpers sowie der Lunge gefunden<br />

und kann damit auch sämtliches Epithel<br />

und Endothel angreifen [10]. Das Vi-<br />

Zusammenfassung · Abstract<br />

Ophthalmologe 2011 · 108:859–862<br />

DOI 10.1007/s00347-011-2385-y<br />

© Springer-Verlag 2011<br />

K. <strong>Stingl</strong> · A. Bruckmann<br />

<strong>Akute</strong> <strong>Myopie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Der Beitrag stellt einen Fall der Augenbeteiligung<br />

bei Nierenversagen durch Infektion<br />

mit Hantavirus vor. Ein 34-jähriger Mann erlitt<br />

im Rahmen einer akut aufgetretenen Übelkeit<br />

mit Fieber und mit Nierenversagen eine<br />

plötzliche Visusminderung. Die ophthalmologische<br />

Untersuchung ergab eine ausgeprägte<br />

Myopisierung beider Augen, aber keine Zeichen<br />

einer Infektion. Die virologische Untersuchung<br />

erbrachte den Beweis einer Hantavirus-Infektion.<br />

Im Rahmen der Behandlung<br />

des Nierenversagens besserte sich die <strong>Myopie</strong><br />

spontan. Die transiente Myopisierung ist<br />

eine typische Augenbeteiligung bei Infektionen<br />

durch Hantaviren, die mit Nierenversagen<br />

einhergehen.<br />

Schlüsselwörter<br />

Hantavirus · Transiente <strong>Myopie</strong> · Puumala-<br />

Virus · Augenbeteiligung · Nierenversagen<br />

Acute myopia<br />

Abstract<br />

This paper presents a case of ocular involvement<br />

during acute renal failure caused by<br />

hantavirus. A 34-year-old man suffered from<br />

sudden visual loss during acute onset fever<br />

with nausea and renal failure. The ophthalmologic<br />

examination showed myopia in both<br />

eyes and no signs of infection but virological<br />

studies revealed an infection with hantavirus.<br />

During treatment of the renal failure the myopia<br />

improved spontaneously. Transient myopia<br />

is a typical ocular involvement during infections<br />

with hantavirus which leads to renal<br />

failure.<br />

Keywords<br />

Hantavirus · Transient myopia · Puumala<br />

virus · Ocular involvement · Renal failure<br />

Der Ophthalmologe 9 · 2011 |<br />

861


us ist nicht zytotoxisch, führt allerdings<br />

im Kontext einer Immunantwort zu einer<br />

erhöhten Permeabilität dieser Barrieren,<br />

die mehrere Tage anhalten kann [9]. Insofern<br />

ist es durchaus denkbar, dass nicht<br />

nur vaskuläres Endothel, sondern auch<br />

einschichtiges Epi- oder Endothel des<br />

Auges vom Hantavirus angegriffen und<br />

hyperpermeabel gemacht wird. So kann<br />

nicht nur das Hornhautepi- oder -endothel,<br />

sondern auch das Linsenepithel seine<br />

Barrierenfunktion – <strong>für</strong> einige Tage<br />

lang – verlieren und zur Verdickung dieser<br />

Strukturen führen, die dann refraktiv<br />

eine Kurzsichtigkeit hervorrufen.<br />

Es gab zwar keine Hinweise auf ein<br />

Hornhautödem bei unserem Patienten, jedoch<br />

muss man bedenken, dass das Virus<br />

keinen Zelltod verursacht und die lediglich<br />

gesteigerte Permeabilität möglicherweise<br />

zu keiner optischen Trübung führen<br />

muss.<br />

Konkrete wissenschaftliche Beweise<br />

<strong>für</strong> eine solche Erklärung am Auge konnten<br />

aber bislang noch nicht vorgelegt werden.<br />

Eine Arbeit, die unter anderem auch<br />

die Pupillotonie nach einer Hantavirus-<br />

Infektion beschreibt [11], stellt eine andere<br />

Erklärung vor: Die Schwellung des Ziliarkörpers<br />

mit Entspannung der Zonulafasern<br />

und Linsenprotrusion verursacht<br />

die myope Refraktionsänderung.<br />

Die etwas selteneren Bindehautaffektionen<br />

bei der Nephropathia epidemica<br />

wie Chemosis und Hämorrhagien werden<br />

auch durch eine erhöhte Permeabilität<br />

der Gefäße in der akuten Phase des<br />

Nierenversagens erklärt. Es gibt auch die<br />

Hypothese, dass diese veränderte Gefäßpermeabilität<br />

durch eine Schwellung des<br />

Ziliarkörpers zu Augendruckschwankungen<br />

führen kann [4].<br />

Fazit <strong>für</strong> die Praxis<br />

Infektionen durch Hantaviren und besonders<br />

durch das Puumala-Virus können<br />

zu akutem Nierenversagen führen und<br />

durch die Verschiebung des Elektrolythaushaltes<br />

und der Gefäßpermeabilität<br />

mit einer transienten Myopisierung einhergehen.<br />

Die Augenbeteiligung kann<br />

auch durch Augendruckschwankun gen,<br />

Bindehautchemosis oder -hämorrhagien,<br />

aber auch zentrale visuelle Symp-<br />

862 | Der Ophthalmologe 9 · 2011<br />

tome geprägt werden. Trotz des immer<br />

noch relativ seltenen Vorkommens sollte<br />

Augenärzten aufgrund steigender Infektionszahlen<br />

diese Diagnose bekannt<br />

sein.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Dr. K. <strong>Stingl</strong><br />

Department und Forschungsinstitut <strong>für</strong><br />

Augenheilkunde, Universitätsklinikum Tübingen<br />

Schleichstr. 12–16, 72076 Tübingen<br />

katarina.stingl@med.uni-tuebingen.de<br />

Interessenkonflikt. Die korrespondierende Autorin<br />

gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.<br />

Literatur<br />

1. Hjelle B et al (1996) Hantavirus pulmonary syndrome,<br />

renal insufficiency, and myositis associated<br />

with infection by Bayou hantavirus. Clin Infect Dis<br />

23:495–500<br />

2. Kontkanen M, Puustjärvi T (1998) Hemorrhagic fever<br />

(Puumala virus infection) with ocular involvement.<br />

Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 236:713–<br />

716<br />

3. Maes P, Clement J, Van Ranst M (2009) Recent approaches<br />

in hantavirus vaccine development. Expert<br />

Rev Vaccines 8:67–76<br />

4. Hautala N et al (2011) Prospective study on ocular<br />

findings in acute Puumala hantavirus infection in<br />

hospitalised patients. Br J Ophthalmol 95:559–562<br />

5. Rüster C, Gerth J, Ott U et al (2006) Acute myopia<br />

and progressive acute renal failure in a 28-year old<br />

active horsewoman. Internist (Berl) 47:857–860<br />

6. Bill A (1975) Blood circulation and fluid dynamics<br />

in the eye. Physiol Rev 55:383–417<br />

7. Faber MS, Ulrich RG, Frank C et al (2010) Steep rise<br />

in notified hantavirus infections in Germany. Euro<br />

Surveill 15(20):pii = 19574. http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId<br />

= 19574<br />

8. Robert Koch-Institut (2010) Hantavirus-Erkrankungen:<br />

Hinweise auf eine starke Saison 2010? Epidemiol<br />

Bull 7:63–65<br />

9. Niikura M et al (2004) Modification of endothelial<br />

cell functions by Hantaan virus infection: prolonged<br />

hyper-permeability induced by TNF-alpha of<br />

hantaan virus-infected endothelial cell monolayers.<br />

Arch Virol 149:1279–1292<br />

10. Ferluga D, Vizjak A (2008) Hantavirus nephropathy.<br />

J Am Soc Nephrol 19:1653–1658<br />

11. Pärssinen O, Kuronen (1989) Tonic pupillary reaction<br />

after epidemic nephropathy and transient<br />

myopia. J Am J Ophthalmol 108(2):201–202<br />

12. Baek SH et al (2010) Reversible splenium lesion<br />

of the corpus callosum in hemorrhagic fever<br />

with renal failure syndrome. J Korean Med Sci<br />

25(8):1244–1246<br />

13. Alexeyev OA, Morozov VG (1995) Neurological manifestations<br />

of hemorrhagic fever with renal syndrome<br />

caused by Puumala virus: review of 811 cases.<br />

Clin Infect Dis 20(2):255–258<br />

14. Robert Koch-Institut: SurvStat. http://www3.rki.<br />

de/SurvStat (Zugegriffen: 27.10.2010)<br />

Fachnachrichten<br />

Genchirurgie mit<br />

Zinkfinger-Nukleasen<br />

Erstmals konnten Forscher vom Nationalen<br />

Centrum <strong>für</strong> Tumorerkrankungen in Heidelberg<br />

belegen, wie die Aktivität von Zinkfinger-Nukleasen<br />

(ZFN) in lebenden Zellen<br />

verteilt ist.<br />

Bei Zinkfinger-Nukleasen handelt es sich um<br />

künstlich erzeugte molekulare „Genscheren“,<br />

die gezielt Doppelstrangbrüche in die DNA-<br />

Sequenz lebender Zellen einfügen. Dadurch<br />

können Gene systematisch zerstört oder ausgetauscht<br />

werden. Bislang war nur bekannt,<br />

wo die ZFN schneiden sollen. Nun fanden die<br />

Wissenschaftler heraus, wo die Schnittstellen<br />

genau liegen.<br />

Treten in Zellen DNA-Strangbrüche auf, setzen<br />

Reparaturmechanismen ein, bei denen<br />

neben einzelnen Nukleotiden auch frei im<br />

Zellkern vorliegende Oligonukleotide eingebaut<br />

werden. Diese Oligonukleotide haben<br />

die Forscher zunächst gezielt gesucht, um die<br />

zuvor geschlossenen Bruchstellen zu identifizieren.<br />

Um die gesamte Nuklease-Aktivität<br />

im Genom zu bewerten, wurde ein Katalog<br />

mit den tatsächlichen Bindungsstellen <strong>für</strong><br />

die ZFN erstellt. Im Ergebnis konnten die<br />

ZFN überwiegend an den vorhergesagten<br />

Sequenzen nachgewiesen werden. Auch<br />

außerhalb dieses Zielbereichs wurden nur<br />

DNA-Bereiche geschnitten, deren Sequenzen<br />

weitestgehend identisch mit der Ziel-Sequenz<br />

waren.<br />

Die Arbeit trägt zum besseren Verständnis<br />

des Mechanismus‘ aller neuen Verfahren zur<br />

DNA-Chirurgie in lebenden Geweben bei<br />

und stellt eine Basis <strong>für</strong> potenzielle klinische<br />

Anwendungen von Genchirurgie bei Aids,<br />

seltenen Erkrankungen und Krebs dar.<br />

Quelle:<br />

Nationales Centrum <strong>für</strong><br />

Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg,<br />

www.nct-heidelberg.de

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