Prof. Dr. Eberhard Wille, "Neuverblisterung von Arzneimitteln - VfA

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28.02.2013 Aufrufe

Grund der Verblisterung von Dauermedikation nur einen vernachlässigbaren Umfang oder gehen kausal nicht auf die Verblisterung zurück. Vermutlich dürfte das Einsparpotenzial sogar noch unter der genannten Höhe liegen, da Patienten bereits Blister oder Compliance Aids nachfragen. Die entsprechenden Kosten übernimmt die GKV derzeit nicht, obwohl sie gegebenenfalls von diesen Instrumenten profitiert. Die Abgabe eines industriell erstellten Wochenblisters scheint kostendeckend unter 3 € je Blister nicht möglich. Dies übersteigt die potenziellen Kosteneinsparungen der GKV erheblich. Eine Übernahme der Kosten durch die Patienten scheidet auf Grund der vermutlich elastisch reagierenden Nachfrage aus. Die Verbesserung der Adherence vermag bei einzelnen Patienten die Pflegebedürftigkeit oder den Eintritt in eine Alteneinrichtung hinauszuzögern. Grundsätzlich dürfte aber auch bei diesem Personenkreis die Anzahl der Patienten, deren Adherence sich durch die Blisterversorgung verbessert, gering sein. Zudem geht der Eintritt in ein Heim oftmals auf exogene Faktoren zurück, die Arzneimittelversorgung spielt hinsichtlich des genauen Eintrittszeitpunkt nur eine untergeordnete Rolle. Verzögert die Verblisterung bei einzelnen Patienten den Eintritt in ein Heim, so muss dies die im Zeitverlauf verursachten Pflegekosten nicht notwendigerweise senken. Wenn die Verbesserung der Adherence eine zeitliche Ausdehnung der Pflegebedürftigkeit nach sich zieht, erhöht unbeschadet der positiven Outcomeeffekte die Verblisterung sogar die Pflegekosten. 5. Wettbewerbspolitische Aspekte Die Auswirkungen der Verblisterung auf die Arzneimittelversorgung im Allgemeinen und auf die Distribution im Speziellen können sehr unterschiedlich ausfallen. Da es sich bei der bisherigen Verblisterung durch Unternehmen noch um ein Versuchsmodell handelt, berücksichtigen die folgenden Ausführungen drei unterschiedliche Szenarien und beleuchten dabei die möglichen Auswirkungen auf die Struktur der Arzneimittelversorgung und den Wettbewerb. Szenario 1: Verblisterung durch die Apotheke oder durch ein Unternehmen als reiner Dienstleister im Auftrag der Apotheke Der Bezug der Arzneimittel erfolgt in diesem Falle zu den Konditionen der Apotheke aus einem Vollsortiment verblisterbarer Arzneien. Verblistert eine Apotheke selbst, so gleicht dies einer Zugabe des Apothekenbetriebs. Es handelt sich hierbei um eine Dienstleistung der Apotheke für den Kunden, die ansonsten die Belange anderer Akteure der Distributionskette von Arzneimitteln kaum oder gar nicht tangiert. 54

Dies gilt auch für den Fall, dass eine Apotheke die Verblisterung an ein Unternehmen vergibt, welches in ihrem Auftrag und zu denselben Konditionen die Arzneimittel bezieht wie die Apotheke zuvor, d.h. nicht seinerseits mit Großhändlern oder Arzneimittelherstellern über die Lieferung von Arzneimitteln verhandelt. Dies entspricht der Verlagerung der Dienstleistung „Verblisterung” an ein außenstehendes Unternehmen. Verblistert das Unternehmen zusätzlich aus einem Vollsortiment von Arzneimittelformen, so ergeben sich keine wettbewerbsrelevanten Auswirkungen auf die Akteure der Arzneimittelversorgung. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Patienten für die Kosten der Verblisterung selbst aufkommen oder die Apotheken ihnen diese aus Kulanzgründen bzw. wegen des Kundenbindungseffektes erlassen. Langfristig erscheint allerdings die Beibehaltung oder gar Ausweitung der händischen Verblisterung in der Apotheke selbst unter Einbeziehung der damit intendierten Kundenbindung vor dem Hintergrund der hohen Herstellungskosten betriebswirtschaftlich fraglich. Szenario 2: Verblisterung aus einem Teilsortiment durch ein Unternehmen, das einerseits als Dienstleister gegenüber der Apotheke, andererseits als Großhändler gegenüber den Arzneimittelherstellern auftritt und über ein Netz an Partnerapotheken in der Fläche die Medikamente vertreibt. Zunächst wird davon ausgegangen, dass sich ein einzelnes Verblisterungsunternehmen am Markt etablieren kann und eine Monopolsituation entsteht. Die Annahme eines Monopols (auf Zeit) erscheint auch mittelfristig als realitätsnah, da die hohen Investitionskosten und die mit dem Aufbau eines Netzes verbundenen Aufwendungen den kurzfristigen Eintritt weiterer Konkurrenten technisch erheblich erschweren. Zudem kann in diesem Szenario der Verblisterer als Großhändler oder in einer ökonomischen Einheit mit einem Großhändler auftreten. Sofern eine ausreichende Nachfrage nach Blistern existiert, kann das Unternehmen gegenüber den Apotheken als Monopolanbieter der Dienstleistungen entsprechende Verhandlungsrenten abschöpfen. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, die Partnerapotheke zu wechseln und dies auch glaubhaft anzudrohen. Langfristig könnte das Unternehmen die Ebene der Offizinapotheken vor Ort umgehen und im Rahmen des Versandhandels die Patienten direkt beliefern. Gleichzeitig kann das Verblisterungsunternehmen gegenüber den Arzneimittelherstellern bei ausreichender Absatzmenge günstigere Herstellerabgabepreise verhandeln, insbesondere wenn es aus eingeschränkten Teilsortimenten verblistert. Hier bleibt offen, nach welchen Kriterien das Verblisterungsunternehmen sein Arzneimittelangebot auswählt. Da es 55

Dies gilt auch für den Fall, dass eine Apotheke die Verblisterung an ein Unternehmen vergibt,<br />

welches in ihrem Auftrag und zu denselben Konditionen die Arzneimittel bezieht wie<br />

die Apotheke zuvor, d.h. nicht seinerseits mit Großhändlern oder Arzneimittelherstellern<br />

über die Lieferung <strong>von</strong> <strong>Arzneimitteln</strong> verhandelt. Dies entspricht der Verlagerung der<br />

Dienstleistung „Verblisterung” an ein außenstehendes Unternehmen. Verblistert das<br />

Unternehmen zusätzlich aus einem Vollsortiment <strong>von</strong> Arzneimittelformen, so ergeben sich<br />

keine wettbewerbsrelevanten Auswirkungen auf die Akteure der Arzneimittelversorgung.<br />

Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Patienten für die Kosten der Verblisterung<br />

selbst aufkommen oder die Apotheken ihnen diese aus Kulanzgründen bzw. wegen des<br />

Kundenbindungseffektes erlassen. Langfristig erscheint allerdings die Beibehaltung oder<br />

gar Ausweitung der händischen Verblisterung in der Apotheke selbst unter Einbeziehung<br />

der damit intendierten Kundenbindung vor dem Hintergrund der hohen Herstellungskosten<br />

betriebswirtschaftlich fraglich.<br />

Szenario 2: Verblisterung aus einem Teilsortiment durch ein Unternehmen, das einerseits<br />

als Dienstleister gegenüber der Apotheke, andererseits als Großhändler<br />

gegenüber den Arzneimittelherstellern auftritt und über ein Netz<br />

an Partnerapotheken in der Fläche die Medikamente vertreibt.<br />

Zunächst wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass sich ein einzelnes Verblisterungsunternehmen am<br />

Markt etablieren kann und eine Monopolsituation entsteht. Die Annahme eines Monopols<br />

(auf Zeit) erscheint auch mittelfristig als realitätsnah, da die hohen Investitionskosten und<br />

die mit dem Aufbau eines Netzes verbundenen Aufwendungen den kurzfristigen Eintritt<br />

weiterer Konkurrenten technisch erheblich erschweren. Zudem kann in diesem Szenario<br />

der Verblisterer als Großhändler oder in einer ökonomischen Einheit mit einem Großhändler<br />

auftreten.<br />

Sofern eine ausreichende Nachfrage nach Blistern existiert, kann das Unternehmen gegenüber<br />

den Apotheken als Monopolanbieter der Dienstleistungen entsprechende Verhandlungsrenten<br />

abschöpfen. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, die Partnerapotheke zu<br />

wechseln und dies auch glaubhaft anzudrohen. Langfristig könnte das Unternehmen die<br />

Ebene der Offizinapotheken vor Ort umgehen und im Rahmen des Versandhandels die<br />

Patienten direkt beliefern.<br />

Gleichzeitig kann das Verblisterungsunternehmen gegenüber den Arzneimittelherstellern<br />

bei ausreichender Absatzmenge günstigere Herstellerabgabepreise verhandeln, insbesondere<br />

wenn es aus eingeschränkten Teilsortimenten verblistert. Hier bleibt offen, nach welchen<br />

Kriterien das Verblisterungsunternehmen sein Arzneimittelangebot auswählt. Da es<br />

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