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Message des Kindes nur gehört, nicht<br />

zugehört.<br />

Was ist es also, das Menschen<br />

emotional so verebben lässt? Zu<br />

seinen Werten und Ansichten so<br />

offen zu stehen ist immerhin ziemlich<br />

mutig. Oftmals erinnert das an ein<br />

grausames Schwimmen gegen den<br />

Strom. Oftmals alleine, für die eigene<br />

Sache. Die Sache, die richtig zu sein<br />

scheint. Andererseits ist genau dieses<br />

Egogehabe für die Umwelt oft sehr<br />

anstrengend, gar belastend. Zu viele<br />

haben ihre Meinung fest in Kopf und<br />

Hand verankert und beschneiden sich<br />

somit ihrer freien Handlungsfähigkeit.<br />

Mein Vater war für seine Werte zwei<br />

oder drei Monate in Isolationshaft<br />

der NVA – Folter in der Wasserzelle.<br />

Keine DDR-Retroromantik. Ein für<br />

mich fast unerreichbares Ideal an<br />

Mut und Idealismus. Das ist aber nur<br />

ein Aspekt von vielen meines Vaters,<br />

eben kein Freilos gegenüber all seines<br />

Handelns. Dafür habe ich zu sehr<br />

mit ihm gebrochen und tue es immer<br />

noch. Immerhin hat er große Not und<br />

Unsicherheit in die ohnehin schon<br />

gebeutelte Familie gebracht, weil er<br />

den Schießbefehl verweigerte. Meiner<br />

Großmutter war seine historische<br />

Größe damals wahrscheinlich<br />

scheißegal. Aber welchen Problemen<br />

muss ich mich heutzutage gegenüber<br />

stellen?<br />

Im Gegensatz zu ihm gibt es bei mir<br />

nur Banalitäten, wie mein zu platzen<br />

drohender Fahrradhinterreifen.<br />

Mein Fahrrad ist eine Gurke. Große<br />

längliche Beule am schon längst<br />

aufgeschupperten Mantel hinten<br />

rechts. Weiterfahren unmöglich.<br />

Fahrradgurke. Nächste Investition<br />

wird notwendig. Unzulässig, da ich<br />

momentan schlichtweg kein Geld<br />

besitze. Aber ohne geht es auch<br />

nicht. Ohne Geld schon gar nicht.<br />

Gurkenfahrrad. Dazu sitzt noch mein<br />

Kind in seinem Kindersitz und nölt rum.<br />

Es wird immer schneller spät, seine<br />

Laune immer schneller schlecht. Gurko!<br />

Ein weiteres Problem stellt mein<br />

Wäscheberg dar. Dieser verstopft<br />

die Sicht aus meinem Wohnzimmer<br />

und macht den Zugang zum selbigen<br />

unmöglich. Ein riesiger Koloss<br />

Kleinteile. An einem Stück ist der nicht<br />

zu bewältigen. Die Größe alleine lähmt<br />

jeden Zündfunken in mir. Da nützt keine<br />

Rebellion, Gehorsam ist vonnöten.<br />

Worum dreht sich eigentlich mein<br />

Leben? Was schüttet es zu?<br />

Es ist der Alltag, der killt. Bestialisch<br />

nimmt er sich jede Minute vor und<br />

zieht diese in seinen Bann. Deshalb<br />

Rausch. Auch deshalb! Die Flucht aus<br />

dem Täglichen macht Menschen eng.<br />

Gut, ich lass das einmal Euer Problem<br />

sein. Es ist also unser gemeinsames<br />

Ringen mit dem Alltag, was heutzutage<br />

so anstrengend ist. Der Weg zur<br />

Erfüllung. Die Erleuchtung, sich dem<br />

kleinen Leben zu entziehen. Je mehr,<br />

desto erfolgreicher. Die Erfüllung,<br />

sich der Alltäglichkeiten anzunehmen<br />

und mit diesen ein persönliches Du<br />

anzustimmen. Ob es heutzutage aber<br />

schwerer geworden ist, kann ich nicht<br />

beurteilen. Das schafft wohl keiner so<br />

recht.<br />

Mit Verlaub, Alltag, Sie sind ein<br />

Arschloch!<br />

Dabei ist es gravierend, ob dieser<br />

alleine bestritten wird, zu zweit<br />

oder gar mit mehreren. Neben<br />

mehreren sollte ich sagen, weil die<br />

Synchronisierung der vielen Alltage<br />

selten der Realfall ist. Meist wird<br />

parallel einher gelebt. Sprengstoff<br />

jeder humanen Beziehung auf engerem<br />

Raum. Also ist Alltag ein Phänomen<br />

des Raumes, weniger der Zeit. Falsche,<br />

doch klare Aussage. Offensichtlich<br />

ist die relative physikalische<br />

Annäherung offensichtlicher, um<br />

die unterschiedlichen Taktungen<br />

aufzudecken. Bei Dir alleine ist es<br />

nur ein Alltag. Bei zweien sind es<br />

schon drei, der jeweils eigene und der<br />

gemeinsame. It’s TNT!<br />

Und doch überdauern nur große<br />

Sachen die Zeit. Nur solche, welche<br />

den Alltag überwunden haben oder à<br />

la Eisberg oben aus dem drückenden<br />

Grau der vielen bunten Farben hinaus<br />

stechen.<br />

Grundlagen-, Existenz- oder<br />

Wohlstandsproblem? Schöne Momente<br />

des Alltags gibt es natürlich auch. Wie<br />

ich es geliebt habe, Wäsche in der<br />

Größe 56 aufzuhängen. Ganz klein,<br />

zwischen langen Levis und schmalen<br />

Mangos. Diese Oasen ziehen sich stets<br />

durch den Alltag und machen ihn nicht<br />

nur greif- und fassbar, sondern geben<br />

Dir auch die Möglichkeit ihn regeln und<br />

erledigen zu können. Mit etwas Sinn<br />

für Dich selbst, lernst Du sie sogar<br />

lieben zu lernen. Immerhin kann sich<br />

keiner dem Alltag entziehen. Sogar das<br />

wechselhafteste Leben unterliegt dem<br />

Alltäglichen und wirkt durch dieses<br />

geprägt. Der Alltag bringt unendlich<br />

viele Chancen mit sich das eigene<br />

Leben bunt und vielseitig zu gestalten.<br />

Mit einer ordentlichen Portion<br />

Routinebreak musst Du nämlich nicht<br />

darin versinken.<br />

Text Miron Tenenberg<br />

feature<br />

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