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Programmheft ansehen - Gürzenich Orchester

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ebenso plötzlich wie unverkennbar auf einem Hühnerhof. Das<br />

Pariser Publikum fand Gefallen daran, innerhalb einer Sinfonie<br />

des großen Haydn ein Huhn bei seinem begeistert aufgeregten<br />

Picken und Glucken zu entdecken und gab dem Werk den Beinamen<br />

»La Poule« – vielleicht in Anlehnung an den Titel eines barocken<br />

Cembalostückes von Jean-Philippe Rameau aus dem Jahr 1728,<br />

worin sich ebenfalls solche mit Tonwiederholungen nachgeahmten<br />

Hühnerlaute finden.<br />

Für Haydns sprichwörtlichen Humor gibt es bekanntere Beispiele<br />

in seiner Sinfonik, etwa die berühmten Paukenschläge in der<br />

Londoner Sinfonie Nr. 94 oder das sukzessive Abtreten der<br />

Musiker im Finalsatz der »Abschieds-Sinfonie«. Im Kopfsatz von<br />

»La Poule« findet sich ebenfalls ein orchestraler Effekt gestaltet,<br />

der wegen seiner albern-komödiantischen Tiernachahmung an<br />

sich ja auch schon witzig wäre. Aber Haydn geht rational zu Werke<br />

und verwendet sein ganzes dramaturgisches Augenmerk darauf,<br />

dass die Pointe an dieser Stelle auch wirklich zündet. Es ist dabei<br />

nicht nur ein Spiel mit der musikalischen Konvention, in dem das<br />

Lachen deswegen gelingt, weil der Kontrast so überdeutlich herausgearbeitet<br />

ist zwischen heroischem und scheinbar leichtfertigem<br />

musikalischen Stil. Vielmehr zeigt sich hier auch Haydns planvolles<br />

und geistreiches Kompositionshandwerk, das die Geräusche eines<br />

Huhns aus dem gleichen, etwas gestelzten punktierten Motiv<br />

entwickelt, das im Hauptthema gerade noch für den erhabenen<br />

repräsentativen Ton sorgte. Eine solche Originalität und motivischthematische<br />

Verknüpfung veranlasste den oben bereits zitierten<br />

Rezensenten in Paris dazu, von einem Genie zu sprechen, »das es<br />

in jedem seiner Stücke so gut versteht, aus einem einzelnen Thema<br />

so reiche und verschiedenartige Entwicklungen abzuleiten, im Unterschied<br />

zu den anderen unschöpferischen Komponisten, die ständig<br />

von einer Idee zur nächsten weitergehen, ohne eine einzige in veränderten<br />

Formen präsentieren zu können, und die ohne Verbindung<br />

und ohne Geschmack in mechanischer Weise ständig Effekt auf<br />

Effekt häufen.«<br />

Gleich zwei Mal scheint der Hörer im langsamen zweiten Satz<br />

seinen Ohren nicht trauen zu können: Das edle himmlische Thema<br />

des Es-Dur-Andante klingt so, als habe Mozart die Feder geführt.<br />

Und was als Verneigung des Älteren gegenüber der Kunst des<br />

jüngeren Freundes beginnt, wird mit einem weiteren Coup fortgeführt.<br />

Das gesamte <strong>Orchester</strong> rauscht kraftvoll die Tonleiter herab<br />

und lenkt die Aufmerksamkeit auf – eigentlich fast nichts: 22 mal<br />

dieselben spärlichen Töne in Bratschen und 2. Violinen, die, immer<br />

leiser werdend, beinahe ganz zu verlöschen drohen, worauf mit

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