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Skuli Björnssons Hörspieltipp<br />

Virginia Woolf – Jacobs Zimmer<br />

BR 2 - Samstag, 1. Dez 2012 15:05 Teil 1/2 (Ursendung)<br />

BR 2012, ~ 108 Minuten<br />

Regie: Katja Langenbach<br />

Bearbeitung: Gaby Hartel<br />

Komposition: Jakob Diehl<br />

Übersetzung: Gaby Hartel<br />

Eine Schriftstellerin um die Vierzig im Prozess, ihren scharfen Blick auf die Welt, <strong>de</strong>ren Politik und<br />

innere Mechanik in erfahrungsnaher Literatur darzustellen. Eine untergehen<strong>de</strong> Gesellschaftsform<br />

im England <strong>de</strong>r (Vor-)Kriegszeit und ein junger Mann, <strong>de</strong>r im Ersten Weltkrieg stirbt, noch bevor<br />

er seine Persönlichkeit voll entfalten konnte. Virginia Woolf, ihr Gegenstand und <strong>de</strong>r Wunsch nach<br />

einem neuen, unmittelbaren Ausdruck: Das sind die äußeren Koordinaten <strong>de</strong>s Romans Jacobs<br />

Zimmer, <strong>de</strong>r 1922 erschien und ein wenig bekanntes Meisterwerk <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne ist. Aus <strong>de</strong>r inneren<br />

Logik <strong>de</strong>s Romans entsteht eine faszinieren<strong>de</strong> literarische Erfahrung, eine multisensorische Folge<br />

von atmosphärischen Ausschnitten, kurzen Einblicken, vielstimmigen Einschätzungen, die lose<br />

chronologisch aneinan<strong>de</strong>rgereiht sind.<br />

www.<strong>eXperimenta</strong>.<strong>de</strong><br />

Wir begegnen Jacob als Kleinkind am Strand, erhaschen<br />

Eindrücke aus seiner Schulzeit, seinem Stu<strong>de</strong>ntenleben<br />

in Cambridge, sehen ihn durchs nächtliche London zu<br />

einer Geliebten gehen o<strong>de</strong>r nach Griechenland reisen.<br />

Das Unerhörte daran: Jacob selbst spricht nie und genau<br />

das war Virginia Woolfs Schlag gegen die viktorianische<br />

Erzählkonvention, in <strong>de</strong>r sie sozialisiert wur<strong>de</strong>, und<br />

<strong>de</strong>ren autoritäre Vorgaben sie zeitlebens angriff. Ihre<br />

gelungene Romanerfindung arbeitet erstmals mit einer<br />

Art fotografischer Schnitttechnik und zeigt, dass Jacob<br />

durchaus da ist: heraufbeschworen, nicht aus <strong>de</strong>r<br />

Aufzählung von charakterbestimmen<strong>de</strong>n Fakten und<br />

gedrechselten Sätzen eines allwissen<strong>de</strong>n Erzählers,<br />

son<strong>de</strong>rn auf geisterhafte Weise in Facetten gespiegelt:<br />

in <strong>de</strong>n Blicken, Gedanken- und Gesprächsfetzen seiner<br />

Umgebung. Es ist, als blättere man mit angehaltenem<br />

Atem durch das Fotoalbum eines Frem<strong>de</strong>n.<br />

Virginia Woolf, Gemäl<strong>de</strong>: Roger Eliot Fry<br />

So stehen wir heutzutage im Leben, meinte Woolf,<br />

so erfahren wir die Welt: Wir gleiten durch eine Abfolge von symbolischen Räumen, durch<br />

sprechen<strong>de</strong> Atmosphären, angerissene Szenen und Gesprächsfetzen, und wenn wir sie lesen<br />

lernen, verstehen wir vielleicht ein bisschen besser, wer wir sind.<br />

62 Dezember 2012

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