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könnte sich so etwas nicht leisten. Je<strong>de</strong> Form eines To<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re mit einbezog, kam für ihn<br />

nicht in Frage.<br />

Manfred ließ sich von <strong>de</strong>r Friedhofsmauer gleiten, tief in Gedanken machte er sich auf <strong>de</strong>n Heimweg,<br />

die wärmen<strong>de</strong> Sonne nun im Rücken. Was ihm eine neue I<strong>de</strong>e bescherte. Sich in einen aktiven<br />

Vulkan stürzen! Ein kurzes Zischen und man war Geschichte. Dieser Gedanke faszinierte ihn.<br />

Wenige Tage später saß Manfred P. im Flugzeug. Das Ticket hatte er sich mit viel Mühe verschafft,<br />

von Freun<strong>de</strong>n noch ein bißchen Geld geliehen. Abschiedsbrief hatte er keinen verfaßt. Was er<br />

bisher geschrieben hatte, war auf so wenig Interesse gestoßen, ein Abschiedsbrief die reinste<br />

Zeitverschwendung.<br />

Der Jet überflog das Mittelmeer, das Nil<strong>de</strong>lta, Ägypten, anschließend <strong>de</strong>n Sudan. Nach stun<strong>de</strong>nlangen<br />

Sandlandschaften tauchten endlich grünen<strong>de</strong> Hänge auf, Berge, Vulkankegel. Die meisten davon<br />

jedoch längst erloschen. Fasziniert schaute Manfred aus <strong>de</strong>m Fenster.<br />

Nach <strong>de</strong>r Landung in Nairobi besorgte er sich einen kleinen Jeep, ein wenig Wegzehrung, sonst<br />

nichts. Kein Zelt, keinen Schlafsack wür<strong>de</strong> er für diese letzte Reise mehr benötigen. Er steuerte <strong>de</strong>n<br />

halbvollgetankten Jeep nach Süd-Westen, auf die Berge zu, Richtung Tansania. Sein Ziel war <strong>de</strong>r<br />

Ol Doinyo Lengai, ein aus zwei Gipfeln bestehen<strong>de</strong>r aktiver Vulkan, an <strong>de</strong>r Nordgrenze Tansanias<br />

gelegen, knapp 3000 Meter hoch und durchaus zu Fuß zu erklimmen. Rein zufällig war seine Wahl<br />

auf diesen Berg gefallen. Zuvor hatte er niemals etwas von ihm gehört.<br />

Der Autor überquerte die Lan<strong>de</strong>sgrenze nahe <strong>de</strong>s Natronsees unspektakulär, ohne Kontrollen, ohne<br />

Wachhäuschen. Das Gelän<strong>de</strong> stieg an, schon von weitem konnte er das eindrucksvolle Massiv <strong>de</strong>s<br />

Ol Doinyo Lengai sehen. Die Strecke war schwierig und Manfred froh, in einem allradgetriebenem<br />

Jeep zu sitzen. Oftmals konnte er keine Straße erkennen und fuhr querfel<strong>de</strong>in. Immer <strong>de</strong>n Vulkan<br />

im Auge, die höchste Erhebung - die <strong>de</strong>nnoch nur halb so hoch war wie <strong>de</strong>r Kilimandscharo, weiter<br />

im Südosten gelegen, von seiner <strong>de</strong>rzeitigen Position aber nicht auszumachen. Majestätisch stieg<br />

aus seinem Haupte eine weiße Rauchwolke empor, wie eine Wetterfahne vom Wind davongetragen.<br />

Manfred P. atmete tief durch und lächelte.<br />

Weil die Dämmerung hereinbrach, suchte er sich unweit einer ausla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schirmakazie einen<br />

Rastplatz, stellte <strong>de</strong>n Jeep darunter, stieg aus und genoß das Panorama. Steppe, grasen<strong>de</strong> Huftiere,<br />

ein paar Zebras blickten neugierig zu ihm herüber, aus <strong>de</strong>r Ferne war <strong>de</strong>r Ruf eines erschreckten<br />

Vogels zu vernehmen.<br />

Da sagten die Leute immer, Venedig sehen und sterben, dachte er. Mit Sicherheit gab es auch hier<br />

in Ost-Afrika Orte, an welchen das Sterben erträglich war. Der Schriftsteller setzte sich ins bloße<br />

Gras, lehnte <strong>de</strong>n Rücken an <strong>de</strong>n Stamm und betrachtete sich <strong>de</strong>n Himmel, <strong>de</strong>r in diesen Breiten eine<br />

unglaubliche Anzahl von Lichtpunkten für ihn bereithielt.<br />

Sterne über Afrika, sinnierte er. Den Titel gab es schon, und wenn er eines wollte, dann dieses: Nie<br />

mehr auch nur eine einzige Zeile zu Papier zu bringen. Über Afrika hatte er bereits etwas geschrieben,<br />

ebenfalls ungelesen von <strong>de</strong>n Verlagen zurückgeschickt. Wie üblich.<br />

Manfred stand auf, ging zum Jeep, trank ein wenig und legte sich ins Gras. Mit <strong>de</strong>n Sternen über sich<br />

schlummerte er ein.<br />

Von einem dumpfen Grollen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Autor geweckt, ein Grollen, das über <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n zu wabern<br />

schien. Als zöge ein virtueller, stimmgewaltiger Nebel über die nächtliche Steppe hinweg. Schon<br />

wie<strong>de</strong>r ertönte das Brüllen, welches <strong>de</strong>m Maul eines männlichen Löwen entstammte. Und erneut<br />

fraß es sich durch die Schwärze <strong>de</strong>r Ausläufer <strong>de</strong>r Serengeti, schien alle an<strong>de</strong>ren Geräusche beiseite<br />

zu drängen, war nur noch wil<strong>de</strong>r Atem besitzbeanspruchen<strong>de</strong>r Kreatur.<br />

Manfred richtete sich ein wenig auf, konnte durchaus etwas erkennen, wenn auch <strong>de</strong>r Mond am<br />

Firmament erst vor kurzem aufgegangen war. Er sah die Silhouette <strong>de</strong>s Vulkans, seine rauchige<br />

Dezember 2012 19<br />

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