Programm - Carl-von-Ossietzky-Chor Berlin eV
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Jubilate!<br />
„Ihr werdet weinen und heulen; aber die Welt wird sich freuen. Ihr aber werdet<br />
traurig sein; doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden!“ (Joh. 16,20)<br />
Jubelnde Freude als Überwinder der Traurigkeit hat die Musik aller Zeiten inspiriert.<br />
Melchior Franck vertont im frühen 17. Jahrhundert diesen Sieg in schlichter Weise<br />
und erzielt mit wenigen Akzenten große Wirkung.<br />
Im Gegensatz dazu erklingt die Freude in prachtvoller Zwölfstimmigkeit in der<br />
Motette „Plaudite, psallite, jubilate“ seines Zeitgenossen Giovanni Gabrieli.<br />
Das 400 Jahre später entstandene, doppelchörige „Jubilate“ (1993) des Dänen John<br />
Høybye ist stark <strong>von</strong> der Harmonik und Rhythmik des Jazz beeinflusst.<br />
Der Este Urmas Sisask (1988) ließ sich durch seine astronomischen Beobachtungen<br />
zu einer pentatonischen Sphärenmusik inspirieren, die schwebende Klänge mit<br />
einem starken rhythmischen Puls vereint.<br />
Bitte schalten Sie Ihre Mobiltelefone vor Beginn des Konzertes aus.<br />
Vielen Dank.<br />
Die Konzerte werden aufgezeichnet. Wir bitten daher um besondere Ruhe.
<strong>Programm</strong><br />
Urmas Sisask<br />
(*1960)<br />
Hans Leo Haßler<br />
(1564 – 1612)<br />
Melchior Franck<br />
(ca. 1580 – 1639)<br />
Heinrich Schütz<br />
(1585 – 1672)<br />
Volker Wangenheim<br />
(*1928)<br />
Urmas Sisask<br />
(*1960)<br />
John Høybye<br />
(*1939)<br />
Giovanni Gabrieli<br />
(1557 – 1612)<br />
Aus: Gloria Patri (1988)<br />
– I. Surrexit Christus<br />
Aus: Sacri concentus (1601)<br />
– Laudate Dominum<br />
– Jubilate Deo<br />
Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen<br />
Stehe auf, meine Freundin (SWV 498)<br />
Repleatur os meum<br />
Aus: Gloria Patri (1988)<br />
– XVIII. Surrexit Dominus<br />
Aus: Tre lyse moetter i stereo<br />
– Jubilate Deo<br />
Plaudite, psallite, jubilate Deo omnis terra
I. Surrexit Christus<br />
XVIII. Surrexit Dominus<br />
Aus: Gloria Patri – 24 hymns for mixed choir (1988)<br />
Urmas Sisask (*1960)<br />
Urmas Sisask nimmt unter den zeitgenössischen estnischen Komponisten eine<br />
Sonderstellung ein. Seit 1987 lässt sich Sisask <strong>von</strong> der Astronomie und <strong>von</strong> den<br />
Ideen mittelalterlichen Musiktheoretiker inspirieren, nach deren Konzept der Harmonia<br />
mundi die Welt durch Zahlen und Proportionen geordnet ist. So entwickelte<br />
er aus den Planetenumläufen eine „planetare Skala“, die aus nur fünf Tönen<br />
besteht. Zur gleichen Zeit erhielt er ein katholisches Gebetbuch mit lateinischen<br />
Texten, dies nahm er zum Anlass, eine Sammlung <strong>von</strong> 24 religiösen Gesängen für<br />
vier Stimmen mit dem Titel Gloria Patri zu schaffen. Diese bilden keinen<br />
geschlossenen Zyklus, sondern sind eine lose Sammlung <strong>von</strong> charakterlich stark<br />
variierenden Einzelstücken, die jedoch alle auf dem System der „kosmischen<br />
Harmonie“ basieren.<br />
Surrexit Christus hodie<br />
Alleluia!<br />
Surrexit Dominus<br />
de sepulchro,<br />
alleluia!<br />
Qui pro nobis pependit in ligno.<br />
Alleluia!<br />
Surrexit Dominus<br />
de sepulchro,<br />
alleluia!<br />
Christus ist heute auferstanden,<br />
Halleluja!<br />
Der Herr ist auferstanden<br />
aus dem Grab,<br />
Halleluja!<br />
Der für uns am Holz gehangen hat.<br />
Halleluja!<br />
Der Herr ist auferstanden<br />
aus dem Grab,<br />
Halleluja!
Laudate Dominum<br />
Jubilate Deo<br />
Aus der Sammlung „Sacri concentus“ (1601)<br />
Hans Leo Haßler (1564 – 1612)<br />
Der gebürtige Nürnberger Hans Leo Haßler war einer der ersten einer langen Reihe<br />
deutscher Musiker, die in Venedig ihre musikalische Ausbildung vervollkommneten.<br />
Er war dort Schüler des Markusdom-Kapellmeisters Andrea Gabrieli und ein Freund<br />
<strong>von</strong> dessen Neffen und Nachfolger Giovanni Gabrieli.<br />
Haßler verfasste neben wenigen, <strong>von</strong> venezianischer Mehrchörigkeit und<br />
italienischem Madrigal beeinflussten Werken auch zahlreiche deutsche Lieder und<br />
Vokalstücke, in denen er mit sparsamsten Mitteln zu großer Wirkung gelangt. Eine<br />
solch betont schlichte Kompositionsweise findet sich auch in den lateinischen<br />
Motetten der Sammlung Sacri concentus. Hier erweist sich Haßler als Meister<br />
niederländisch-deutscher Kontrapunktik, dem die Liedweise nicht nur als<br />
musikalisches Material dient, sondern religiöses Bekenntnis ist.<br />
Laudate Dominum (Psalm 117, 1–2)<br />
Laudate Dominum omnes gentes,<br />
laudate eum omnes populi!<br />
Quoniam confirmata est super nos<br />
misericordia ejus,<br />
et veritas Domini<br />
manet in aeternum.<br />
Jubilate Deo (Psalm 98, 4–6)<br />
Jubilate deo omnis terra,<br />
cantate, et exsultate, et psallite.<br />
Psallite Domino in cithara,<br />
in cithara et voce psalmi:<br />
in tubis ductilibus<br />
et voce tubae corneae.<br />
Lobet den Herrn, alle Völker,<br />
preiset ihn, alle Nationen!<br />
Denn mächtig waltet über uns<br />
seine Gnade,<br />
die Treue des Herrn<br />
währt in Ewigkeit.<br />
Jauchzet vor dem Herrn,<br />
alle Länder der Erde,<br />
freut euch, jubelt und singt!<br />
Spielt dem Herrn auf der Harfe,<br />
auf der Harfe zu lautem Gesang!<br />
Zum Schall der Trompeten<br />
und Hörner.
Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen<br />
Melchior Franck (ca. 1580 – 1639)<br />
Text: Joh. 16, 20<br />
Über Melchior Francks Lebensumstände ist sehr wenig bekannt. Es sind kein Bild<br />
und kein Nachlass erhalten, und es ist nur eine einzige Handschrift überliefert. Auch<br />
wenn man nichts über seine Ausbildung weiß, zeigen seine Werke doch eine<br />
gründliche Kenntnis des „niederländischen Stils“, der Schule Orlando di Lassos.<br />
Anders als einige seiner Zeitgenossen (Hans Leo Haßler, Heinrich Schütz) hatte<br />
Franck nicht die Möglichkeit einer Studienreise nach Italien. Zeitlebens hat Franck<br />
mehrstimmige Vokalmusik komponiert. Bis 1636 veröffentlichte er über 40<br />
Motettensammlungen.<br />
Als bekannteste Sammlung gilt die Gemmulae Evangeliorum Musicae, deren 68<br />
Motetten in den Anfangsjahren des Dreißigjährigen Krieges entstanden und die<br />
Melchior Franck 1623 erstmals drucken ließ. Bewusst hat er seine Stücke in einfachen<br />
vierstimmigen Sätzen gehalten, damit sie „auch in den geringsten Cantoreyen<br />
nützlich zu gebrauchen“ seien, wie er eigens auf dem Titelblatt des Drucks<br />
vermerkt. Bis heute sind diese Motetten für die Sonntage des Kirchenjahres fester<br />
Bestandteil im Repertoire der Kirchenchöre.<br />
Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und heulen.<br />
Aber die Welt wird sich freuen, ihr aber werdet traurig sein.<br />
Doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden.
Stehe auf, meine Freundin<br />
Heinrich Schütz (1585 – 1672) SWV 498<br />
Text: Hohelied Salomos<br />
Dt. Nachdichtung: Melchior Franck (ca. 1580 – 1639)<br />
Heinrich Schütz gilt als der bedeutendste deutsche Komponist des Frühbarock. Wie<br />
Hans Leo Haßler schloss er seine musikalische Ausbildung in Venedig ab, wo er bei<br />
Giovanni Gabrieli, dem damaligen Organisten <strong>von</strong> San Marco, Orgelspiel und<br />
Komposition studierte. Im Gegensatz zu Haßler sind Schütz‘ Kompositionen stark<br />
<strong>von</strong> der venezianischen Musik beeinflusst. So findet man in seinem größtenteils aus<br />
geistlicher Vokalmusik bestehenden Werk viele mehrchörige Motetten.<br />
Anlass und Bestimmung der doppelchörigen Motette Stehe auf, meine Freundin<br />
sind nicht überliefert. Der Dresdner Musikwissenschaftler Wolfram Steude meint<br />
hierzu: „Entweder handelt es sich um eine rein geistliche Schöpfung, entsprechend<br />
Schützens anderen Hohelied-Vertonungen […] oder wir haben es mit einer<br />
Hochzeitsmusik zu tun. […] Möglicherweise entstand Stehe auf, meine Freundin aus<br />
Anlass <strong>von</strong> Schütz’ eigener Hochzeit am 1. Juni 1619.“<br />
Zu letzterer Vermutung trägt nicht zuletzt Schütz’ höchst individueller Zugriff auf<br />
den Hoheliedtext mit seiner überaus plastischen Wortausdeutung bei. Dazu nochmals<br />
Wolfram Steude: „Der Duft der Weinstöcke, die Schmerzlichkeit des Liebeserlebens<br />
und die durch Sept- und Quartsextakkorde hörbar gemachte Süße der mit<br />
Milch und Honig vergleichenden Rede der Geliebten seien besonders hervorgehoben.<br />
Und das Ganze stellt sich dar als ein stetiges Wechselspiel zwischen Lockung<br />
und Bedrängung.“<br />
1. Teil<br />
Stehe auf, meine Freundin, meine Fromme, meine Schwester,<br />
meine liebe Braut, und komm her!<br />
Denn siehe, der Winter ist vergangen,<br />
der Regen ist weg und dahin.<br />
Die Blumen sind herfür kommen im Land<br />
der Lenz ist herbeikommen,<br />
und die Turteltaube lässt sich hör’n in unserm Lande.<br />
Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen,<br />
die Weinstöcke haben Augen gewonnen und geben ihren Ruch.<br />
Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, meine Taube,<br />
meine liebe Braut, und komm her!
2. Teil<br />
Siehe, meine Freundin, du bist schön, du bist aller Dinge schön<br />
und ist kein Flecken an dir,<br />
du hast mir das Herz genommen.<br />
Küsse mich mit dem Kuss deines Mundes.<br />
Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, meine Fromme,<br />
meine Taube, meine Schwester, meine liebe Braut.<br />
Honig und Milch ist unter deiner Zunge.<br />
Zeige mir deine Gestalt, lass mich hören deine Stimme,<br />
denn deine Stimm ist süß, und dein’ Gestalt ist lieblich.<br />
Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, meine Fromme,<br />
meine Taube, meine Schwester, meine liebe Braut,<br />
und komm her!
Repleatur os meum<br />
Volker Wangenheim (*1928)<br />
Volker Wangenheim wuchs in <strong>Berlin</strong> auf und studierte dort an der Musikhochschule<br />
Oboe, Klavier, Komposition und Dirigat. Er wirkte 1951 und 1952 als Kapellmeister<br />
am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin und leitete <strong>von</strong> 1953 bis 1959 als<br />
Chefdirigent das <strong>Berlin</strong>er Mozartorchester. Von 1957 bis 1978 war Volker Wangenheim<br />
Generalmusikdirektor des damaligen „Orchesters der Beethovenhalle Bonn“,<br />
dem heutigen „Beethoven-Orchester Bonn“. 1969 war er einer der Mitbegründer<br />
des Bundesjugendorchesters; 1972 wurde Wangenheim zum Professor an der<br />
Musikhochschule Köln ernannt, im gleichen Jahr wurde er Mitglied des Deutschen<br />
Musikrates. Parallel zu seiner Tätigkeit als Dirigent komponierte Wangenheim<br />
neben <strong>Chor</strong>musik auch Werke für Orchester und Kammermusik. Heute lebt er in<br />
Altenkirchen und widmet sich verstärkt der Komposition geistlicher <strong>Chor</strong>werke.<br />
Repleatur os meum laude tua,<br />
alleluia:<br />
ut possim cantare,<br />
alleluia:<br />
gaudebunt labia mea,<br />
dum cantavero tibi,<br />
alleluia,<br />
Amen.<br />
Mein Mund ist erfüllt <strong>von</strong> Deinem Lob,<br />
Halleluja!<br />
dass ich singen kann,<br />
Halleluja!<br />
dass meine Lippen frohlocken,<br />
wenn sie zu Dir singen.<br />
Halleluja,<br />
Amen!
Der <strong>Carl</strong>-<strong>von</strong>-<strong>Ossietzky</strong>-<strong>Chor</strong> wurde 1976 <strong>von</strong> Wolfgang Roterberg an<br />
der gleichnamigen Pankower Schule gegründet und machte sich<br />
schon bald durch Auftritte in namhaften Konzertstätten und<br />
Auszeichnungen bei <strong>Chor</strong>wettbewerben sowie Rundfunk- und<br />
Fernsehaufnahmen überregional und international einen Namen. Im<br />
Jahr 2001 übernahm Manuela Kögel die künstlerische Leitung. Aus<br />
ihrem ästhetischen Ansatz, thematische <strong>Programm</strong>e unter dem<br />
Aspekt der Klangsinnlichkeit zusammenzustellen, entstehen in regelmäßigen<br />
Abständen in sich geschlossene Aufführungsprojekte.<br />
Seit 1992 sind fünf CD-Produktionen des <strong>Carl</strong>-<strong>von</strong>-<strong>Ossietzky</strong>-<strong>Chor</strong>s<br />
erschienen, zuletzt „Musica sacra“. Am Ausgang haben Sie die<br />
Gelegenheit, einige dieser CDs käuflich zu erwerben.<br />
Sopran: Kati Faude, Uta Fröhlich, Simone Heise, Susann Kaiser,<br />
Inken Nordmann, Christiane Pollich, Andrea Ruhl, Agnes Zschuppe<br />
Alt: Berit Baeßler, Heike Barth, Anja Fischer, Christiane Hensel, Petra Pauli,<br />
Marion Schille, Julia Seebode, Nele Trittel<br />
Tenor: Lutz Helge, Tobias Jursch, Enrico Kaufmann, Joachim Schüller,<br />
Vladimir Surin, Matthias Vogler, Mirjam Vogler<br />
Bass: Klaus Bauer, Stefan Glaefeke, Andreas Huber, Thomas Kirchner,<br />
Gottfried Wiedenmann, Veit Zschuppe<br />
Leitung: Manuela Kögel<br />
Weitere Informationen finden Sie unter: www.ossietzkychor.de