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Projektmanagement Klare Strukturen und agiles Vorgehen ...

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Experience Nr. 49 Mai 2011<br />

© by ERNI Consulting AG<br />

Experience<br />

ERNI Erfahrungsberichte r<strong>und</strong> um Management-, Prozess- <strong>und</strong> Technologiethemen<br />

<strong>Projektmanagement</strong><br />

<strong>Klare</strong> <strong>Strukturen</strong> <strong>und</strong> <strong>agiles</strong> <strong>Vorgehen</strong><br />

schliessen sich nicht aus<br />

Mitarbeiterentwicklung<br />

Wie durch Mitarbeiterentwicklung<br />

Mehrwert generiert wird<br />

Requirements Engineering<br />

Wie Business <strong>und</strong> Technik die<br />

gegenseitige Verständigung verbessern<br />

Testing<br />

Wie klare Verantwortlichkeiten<br />

<strong>und</strong> Automatisierung die Qualität<br />

nachhaltig steigern


ERNI Experience | Editorial<br />

Titelseite: Alain Gayret<br />

Business Area Manager in der Firma ERNI.<br />

Beratertätigkeit: Project Management,<br />

Coaching <strong>und</strong> Training<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

ERNI Consulting AG<br />

Zürich · Bern · Baar<br />

ERNI (Deutschland) GmbH, München<br />

ERNI (Slovakia) s.r.o., Bratislava<br />

Redaktion<br />

Adela Papajová<br />

ERNI (Slovakia) s.r.o.<br />

Tel. +421 2 3255 37 37<br />

E-Mail leserservice@erni.ch<br />

Internet www.erni.ch/experience<br />

Editorial<br />

Alain Gayret<br />

<strong>Projektmanagement</strong><br />

Philip Lehmann<br />

Thomas Bigler<br />

Mitarbeiterentwicklung<br />

Alain Gayret<br />

David Kurmann<br />

Silvio Tarreghetta<br />

Requirements Engineering<br />

Sascha Nussbaumer<br />

Marco Stöckli<br />

Testing<br />

Marcel Stoop<br />

Severin Dietschi<br />

Lektorat<br />

Daniel Meierhans,<br />

Inhalte.ch, Zürich<br />

Ruedi Häuptli, Sprachagentur Bahia,<br />

Salvador BR<br />

Konzept/Layout<br />

Katarina Beinrohrova<br />

Produktion<br />

von Ah Druck AG, Sarnen<br />

Auflage<br />

10 000 Expl. D 2500 Expl. F<br />

Erscheint quartalsweise<br />

Copyright © 2011<br />

by ERNI Management Services AG<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

2<br />

Tragfähige Brücken<br />

zwischen Schnittstellen<br />

Das Zusammenspiel der Anspruchsgruppen entscheidet massgeblich über das Gelingen<br />

von Projekten. Fast jeder hat schon erlebt, wie ein Projekt ins Schlingern geriet, weil es an<br />

einer Organisationsschnittstelle ins Stocken geriet. Welche methodischen, organisatorischen<br />

<strong>und</strong> personellen Brücken geschlagen werden können, damit aus den Schnittstellen produktive<br />

Verbindungen werden, lässt sich am besten aus erfolgreichen Praxisbeispielen lernen.<br />

Entscheidend für die Tragfähigkeit jeder Brücke zwischen organisatorischen Schnittstellen<br />

sind die Menschen, die sie bauen. Sie müssen neben dem notwendigen Fach-Know-how vor<br />

allem auch ausgeprägte soziale Kompetenz <strong>und</strong> Erfahrungen aus vergleichbaren Herausforderungen<br />

mitbringen.<br />

Der einleitende Beitrag der aktuellen Experience-Ausgabe unterstreicht die Wichtigkeit eines<br />

klar strukturierten Gesamtprojektmanagements, unabhängig davon, ob für die Umsetzung<br />

eine agile Methode wie Scrum oder das klassische Wasserfallmodell eingesetzt wird. Zum<br />

übergeordneten Brückenschlag gehören insbesondere auch die Supportfunktionen wie Stakeholder-,<br />

Risiko-, Change- oder Teammanagement.<br />

Der zweite Artikel thematisiert die Bedeutung der passenden Schulungsmethoden für die<br />

nachhaltige Überführung von Wissen in Praxis. Mehrstufige Konzepte, die möglichst genau<br />

an die spezifischen Bedürfnisse von Unternehmen <strong>und</strong> Mitarbeitenden ausgerichtet sind, sichern<br />

den langfristigen Mehrwert der Investitionen in die Mitarbeiterentwicklung.<br />

Mit welchen organisatorischen <strong>und</strong> methodischen Mitteln eine tragfähige Brücke zwischen<br />

Business <strong>und</strong> Technik geschlagen werden kann, zeigt der dritte Beitrag. Den Abschluss bildet<br />

ein Artikel zu den Verbindungen, die zwischen Business, Entwicklungsabteilung <strong>und</strong> Testing<br />

etabliert werden, um eine optimale Softwarequalität zu erreichen.<br />

Ich wünsche Ihnen nicht nur eine kurzweilige Lektüre, sondern hoffe, dass Ihnen unser Magazin<br />

auch konkrete Anregungen dazu bringt, welche Brücken die Effizienz Ihrer Organisation<br />

steigern.<br />

Ich freue mich auf Ihr Feedback!<br />

Herzlich<br />

Alain Gayret


Inhalt<br />

<strong>Projektmanagement</strong><br />

Mitarbeiterentwicklung<br />

Requirements Engineering<br />

Testing<br />

Zwei Trümpfe in einer Hand 4<br />

<strong>Klare</strong> <strong>Strukturen</strong> <strong>und</strong> <strong>agiles</strong> <strong>Vorgehen</strong> schliessen sich nicht aus<br />

Die Supportfunktionen sind zentrale Erfolgsfaktoren im <strong>Projektmanagement</strong> – unabhängig vom<br />

<strong>Vorgehen</strong>smodell oder vom eingesetzten Standard. Sie bilden zusammen mit der strukturierten<br />

Gesamtprojektleitung die definierte Basis für eine flexible Umsetzung der Anforderungen.<br />

Vom Wissen zum Können 10<br />

Wie durch Mitarbeiterentwicklung Mehrwert generiert wird<br />

Investitionen in die Mitarbeiterentwicklung sind für innovationsgetriebene Technologiefirmen<br />

<strong>und</strong> für Dienstleistungsunternehmen essenziell. Umso wichtiger ist die Qualität der Massnahmen.<br />

Es genügt nicht, wenn Trainingskonzepte an die speziellen Bedürfnisse der Firma angepasst sind<br />

<strong>und</strong> stufengerecht erfolgen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Ergebnisse langfristig in der Organisation<br />

verankert werden.<br />

Den Röstigraben überwinden 16<br />

Wie Business <strong>und</strong> Technik die gegenseitige Verständigung verbessern<br />

Business <strong>und</strong> Technik sprechen quasi von Natur aus unterschiedliche Sprachen. Eine effektive<br />

Verständigung wird möglich durch definierte Verantwortliche auf beiden Seiten, gemeinsame Methoden,<br />

einheitliche Softwarewerkzeuge <strong>und</strong> eine institutionalisierte Kommunikation.<br />

Die Qualität nachhaltig steigern 22<br />

Was klare Verantwortlichkeiten <strong>und</strong> Automatisierung ausmachen können<br />

Softwarequalität lässt sich nicht einfach an die Testingabteilung delegieren. Für eine minimale<br />

Fehlerrate müssen auch das Business <strong>und</strong> die Entwickler ihren Teil der Verantwortung übernehmen.<br />

Eine Automatisierung kann die Qualität zusätzlich erhöhen <strong>und</strong> den Aufwand senken.<br />

Alle Artikel online:<br />

www.erni.ch/experience<br />

Inhalt | ERNI Experience<br />

3


<strong>Projektmanagement</strong> | Zwei Trümpfe in einer Hand<br />

Zwei Trümpfe in einer Hand<br />

<strong>Klare</strong> <strong>Strukturen</strong> <strong>und</strong> <strong>agiles</strong> <strong>Vorgehen</strong> schliessen sich nicht aus<br />

Die Supportfunktionen sind zentrale Erfolgsfaktoren im <strong>Projektmanagement</strong> – unabhängig vom <strong>Vorgehen</strong>smodell oder<br />

vom eingesetzten Standard. Sie bilden zusammen mit der strukturierten Gesamtprojektleitung die definierte Basis für eine<br />

flexible Umsetzung der Anforderungen. Von Philip Lehmann <strong>und</strong> Thomas Bigler<br />

4<br />

Die verbreiteten Standards <strong>und</strong> Zertifizierungsstellen<br />

für <strong>Projektmanagement</strong> <strong>und</strong><br />

Prozesse wie IPMA, PMI, Prince II oder<br />

CMMI geben meist keine spezifischen<br />

<strong>Vorgehen</strong>smodelle vor. In der Praxis wird<br />

dagegen der Nutzen agiler <strong>Vorgehen</strong>sweisen<br />

intensiv diskutiert.<br />

Die Debatte um die Vor- <strong>und</strong> Nachteile<br />

agiler <strong>und</strong> iterativer Methoden wie Scrum<br />

oder RUP (Rational Unified Process) gegenüber<br />

den eher traditionellen Wasserfall-<br />

oder Stage-Gate-<strong>Vorgehen</strong> überdeckt<br />

den viel wichtigeren gemeinsamen<br />

Nenner: Die strukturierte, übergeordnete<br />

Gesamtprojektleitung <strong>und</strong><br />

die Supportfunktionen bleiben unabhängig<br />

davon, nach welchem Modell ein<br />

Projekt umgesetzt wird, zentrale Erfolgsfaktoren.<br />

Die Herausforderung besteht<br />

darin, von den Vorteilen der agilen Vor-<br />

gehensweisen zu profitieren <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

die Pluspunkte des bewährten <strong>und</strong><br />

weitverbreiteten Wasserfallmodells zu<br />

nutzen. Ohne eine zielbewusste Teamführung<br />

oder ein aktives Stakeholdermanagement<br />

sind die Projektziele, die<br />

verschiedene Organisationseinheiten<br />

betreffen, kaum zu erreichen.<br />

Das Gleiche gilt für Hauptaufgaben des<br />

<strong>Projektmanagement</strong>s wie das Monitoring<br />

& Controlling. Sie müssen unabhängig<br />

von der gewählten Methode<br />

strukturiert angegangen werden, wenn<br />

die gesetzten Ziele im vorgegebenen<br />

Zeitrahmen erreicht werden sollen.<br />

Die Wahl zwischen den verschiedenen<br />

<strong>Vorgehen</strong>smodellen hängt im Wesentlichen<br />

vom Umfang <strong>und</strong> vom Inhalt des<br />

Projekts ab.


Zwei Trümpfe in einer Hand | <strong>Projektmanagement</strong><br />

Die Herausforderung besteht darin, von den Vorteilen der agilen <strong>Vorgehen</strong>s-<br />

weisen zu profitieren <strong>und</strong> gleichzeitig die Pluspunkte des bewährten <strong>und</strong><br />

weitverbreiteten Wasserfallmodells zu nutzen.<br />

5


<strong>Projektmanagement</strong> | Zwei Trümpfe in einer Hand<br />

In umfangreicheren Projekten besteht die Kunst der Gesamtprojektleitung in der optimalen Kombination von Flexibilität <strong>und</strong><br />

klaren <strong>Strukturen</strong>. Während auf der übergeordneten Gesamtprojektebene eine eindeutige Organisation mit definierten Verantwortlichkeiten,<br />

verbindlichen Terminen <strong>und</strong> Lieferobjekten für die Planungssicherheit unabdingbar ist, können in den einzelnen<br />

Umsetzungsphasen agile <strong>Vorgehen</strong>sweisen markante Qualitäts- <strong>und</strong> Effizienzsteigerungen bringen.<br />

6<br />

Abb. 1:<br />

Kern <strong>und</strong> Supportprozess im PM<br />

Abb. 2:<br />

Kombination von Modellen<br />

System<br />

Requirements<br />

SCRUM<br />

RUP<br />

I<br />

Inception Elaboration Construction Transition<br />

Project Setup<br />

Project Monitoring & Control<br />

Risk management<br />

Quality management<br />

E<br />

Team management<br />

Configuration management<br />

Change management<br />

Planning<br />

Stakeholder management<br />

Sprint Backlog<br />

C<br />

T<br />

Any other Model . . .<br />

MS 1 MS 2 MS 3 MS 4<br />

I: Inception<br />

Project Execution Project Closing<br />

Implementation<br />

I<br />

E: Elaboration<br />

E<br />

Daily Scrum<br />

Meeting<br />

Backlog tasks<br />

expanded by team<br />

Product Backlog<br />

As prioritized by Product Owner<br />

One Iteration<br />

C<br />

T<br />

Time<br />

System<br />

Tests<br />

C: Construction<br />

I<br />

24 hours<br />

30 days<br />

E<br />

C<br />

T<br />

T: Transition<br />

I<br />

Operations<br />

E<br />

Demonstrable<br />

new functionality<br />

C<br />

T


Übergeordnete Struktur – bei umfangreichen<br />

Projekten unabdingbar<br />

In umfangreicheren Projekten besteht<br />

die Kunst der Gesamtprojektleitung in<br />

der optimalen Kombination von Flexibilität<br />

<strong>und</strong> klaren <strong>Strukturen</strong>. Während<br />

auf der übergeordneten Gesamtprojektebene<br />

eine eindeutige Organisation<br />

mit definierten Verantwortlichkeiten,<br />

verbindlichen Terminen <strong>und</strong> Lieferobjekten<br />

für die Planungssicherheit<br />

unabdingbar ist, können in den einzelnen<br />

Umsetzungsphasen agile <strong>Vorgehen</strong>sweisen<br />

markante Qualitäts- <strong>und</strong><br />

Effizienzsteigerungen bringen. Bedingung<br />

ist eine klare Definition der High-<br />

Level-Anforderungen <strong>und</strong> des Zeitplans,<br />

innerhalb dessen iterative Zyklen wie<br />

Scrum-Sprints oder RUP-Iterationen zu<br />

Lieferobjekten führen müssen.<br />

Die Flexibilität in der Umsetzung bedingt<br />

allerdings nicht zwangsläufig ein<br />

iteratives <strong>Vorgehen</strong>. Verbesserungen<br />

<strong>und</strong> Änderungen können auch im Rahmen<br />

eines herkömmlichen Wasserfallvorgehens<br />

flexibel integriert werden.<br />

Wie im einzelnen Projekt am besten<br />

vorgegangen wird, ist sowohl von der<br />

spezifischen Aufgabenstellung als auch<br />

vom bereits vorhandenen Know-how<br />

abhängig. Für die Definition einer optimalen<br />

Makro- <strong>und</strong> Mikroprojektorganisation<br />

muss der Gesamtprojektleiter<br />

zudem kulturelle Faktoren, die Teambildung<br />

<strong>und</strong> das Stakeholdermanagement<br />

berücksichtigen.<br />

Beispiel 1<br />

Webshopmodernisierung<br />

Ein Industrieunternehmen will seinen<br />

Webshop modernisieren. Die Benutzerführung<br />

entspricht nicht mehr den<br />

heutigen Standards. Als Folge davon<br />

brechen viele K<strong>und</strong>en den Kaufprozess<br />

vorzeitig ab. Gleichzeitig sollen neue<br />

Features implementiert <strong>und</strong> die Basis<br />

für künftige Sortimentserweiterungen<br />

gelegt werden. Die Verbesserung der<br />

Nutzerfre<strong>und</strong>lichkeit des Shops tangiert<br />

alle k<strong>und</strong>enbezogenen Bereiche<br />

des Unternehmens sowie zahlreiche<br />

interne <strong>und</strong> externe Inhalts- <strong>und</strong> Technologielieferanten.<br />

Sie müssen alle ihre<br />

Lieferobjekte koordiniert zum richtigen<br />

Zeitpunkt im definierten Umfang bereitstellen.<br />

Die Aufgabe der Gesamtprojektleitung<br />

bestand darin, die verschiedenen<br />

Anspruchsgruppen von der<br />

Definition der detaillierten Projektziele<br />

<strong>und</strong> der adäquaten Projektorganisation<br />

über das Anforderungsmanagement<br />

bis zur Fertigstellung des Shops zu koordinieren,<br />

die Businessinteressen gegenüber<br />

den umsetzenden technischen<br />

Abteilungen zu vertreten <strong>und</strong> die Einhaltung<br />

des Gesamtprojektbudgets zu<br />

garantieren.<br />

Wichtigster Erfolgsfaktor bei der Führung<br />

eines derart umfassenden Projekts<br />

ist die Anpassung von Struktur <strong>und</strong><br />

<strong>Vorgehen</strong>sweise an die spezifischen Begebenheiten.<br />

Dafür gab es im Unternehmen<br />

bereits etablierte Projektstandards,<br />

auf die aufgebaut werden konnte. Sämtliche<br />

benötigten Rollen wurden genau<br />

definiert <strong>und</strong> die entsprechenden Mitarbeitenden<br />

involviert. Die klare Rollenverteilung<br />

half mit, Kompetenzstreitigkeiten<br />

im Projektverlauf weitgehend<br />

zu vermeiden. Zu den wichtigsten Anfangsarbeiten<br />

gehörten zudem die genaue<br />

Abgrenzung des Aufgabenbereichs<br />

(Scope), die Festlegung der Ziele <strong>und</strong> die<br />

daraus abgeleitete Definition der Anforderungen.<br />

Nicht im Voraus geplante Änderungen<br />

wurden im Projekt situativ durch den<br />

Gesamtprojektleiter <strong>und</strong> den Vertreter<br />

des Auftraggebers entschieden. Dieses<br />

zentrale Changemanagement bot einerseits<br />

Gewähr dafür, dass nur Änderungen<br />

eingeführt wurden, die sachlich<br />

begründet waren <strong>und</strong> den übergeordneten<br />

Projektzielen nicht widersprachen.<br />

Andererseits war im Rahmen des<br />

bestehenden Wasserfallvorgehens die<br />

Flexibilität gegeben, die in Projekten<br />

von langer Dauer unabdingbar ist.<br />

Zwei Trümpfe in einer Hand | <strong>Projektmanagement</strong><br />

7


<strong>Projektmanagement</strong> | Zwei Trümpfe in einer Hand<br />

8<br />

Während die Definition der High-Level-Anforderungen sauber <strong>und</strong> strukturiert<br />

erfolgen muss, kommen die Vorteile von agilen Methoden in der Umsetzung<br />

zum Tragen. Durch Scrum werden nicht nur die einzelnen Anforderungen effizienter<br />

abgearbeitet. Vielmehr erfährt auch das Engagement jedes Einzelnen<br />

durch dessen engen Einbezug in diese <strong>Vorgehen</strong>sweise eine Steigerung.<br />

Die Erfahrung zeigt zudem, dass durch agile Methoden nicht nur die Qualität der<br />

technischen Anforderungsumsetzung merklich steigt, sondern auch die Ressourcenplanung<br />

wesentlich genauer wird. Denn Scrum sieht vor, dass jeder Entwickler<br />

täglich seinen Restaufwand selber einschätzt. Zudem werden die Eigenbeurteilungen<br />

im Verlauf der Zeit immer besser. Ein zweckmässiger Einsatz von Scrum<br />

kann so die Motivation <strong>und</strong> die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden steigern<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig die Projektsteuerung sowie die Kontrolle auf der Ebene der Softwareentwicklung<br />

verbessern, ohne dabei die Planungssicherheit auf der Gesamtprojektebene<br />

zu gefährden.


Beispiel 2<br />

Releasezyklusmanagement<br />

Die Produkte eines Herstellers im Bereich<br />

der Medizinaltechnik enthalten<br />

immer mehr Software. Deren Wartung<br />

erfordert fix definierte Releasezyklen<br />

mit vorgegebenen Releasedaten. Auch<br />

die Entwicklung neuer Software muss<br />

sich an feste Termine halten, damit die<br />

Markteinführung von den vorgeschriebenen<br />

regulatorischen <strong>und</strong> den notwendigen<br />

marketingbedingten Massnahmen<br />

begleitet werden kann.<br />

Um die definierten Daten einzuhalten,<br />

basiert die übergeordnete Gesamtleitung<br />

der Softwareentwicklung auf einem<br />

herkömmlichen Wasserfallmodell mit<br />

festgelegten Meilensteinen. Diese klare<br />

Struktur hilft zudem, die strengen Anforderungen<br />

im regulierten Umfeld zu<br />

erfüllen.<br />

Während die Definition der High-Level-<br />

Anforderungen sauber <strong>und</strong> strukturiert<br />

erfolgen muss, kommen die Vorteile<br />

von agilen Methoden in der Umsetzung<br />

zum Tragen. Durch Scrum werden nicht<br />

nur die einzelnen Anforderungen effizienter<br />

abgearbeitet. Vielmehr erfährt<br />

auch das Engagement jedes Einzelnen<br />

durch dessen engen Einbezug in diese<br />

<strong>Vorgehen</strong>sweise eine Steigerung.<br />

Die Erfahrung zeigt zudem, dass durch<br />

agile Methoden nicht nur die Qualität<br />

der technischen Anforderungsumset-<br />

zung merklich steigt, sondern auch die<br />

Ressourcenplanung wesentlich genauer<br />

wird. Denn Scrum sieht vor, dass jeder<br />

Entwickler täglich seinen Restaufwand<br />

selber einschätzt. Zudem werden die<br />

Eigenbeurteilungen im Verlauf der Zeit<br />

immer besser. Ein zweckmässiger Einsatz<br />

von Scrum kann so die Motivation<br />

<strong>und</strong> die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden<br />

steigern <strong>und</strong> gleichzeitig die<br />

Projektsteuerung sowie die Kontrolle<br />

auf der Ebene der Softwareentwicklung<br />

verbessern, ohne dabei die Planungssicherheit<br />

auf der Gesamtprojektebene zu<br />

gefährden.<br />

Philip Lehmann<br />

Kontakt: philip.lehmann@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Project Management,<br />

Business Process Improvement<br />

Thomas Bigler<br />

Kontakt: thomas.bigler@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Project Management,<br />

Requirements Engineering.<br />

Zwei Trümpfe in einer Hand | <strong>Projektmanagement</strong><br />

9


Mitarbeiterentwicklung | Vom Wissen zum Können<br />

Vom Wissen zum Können<br />

Wie durch Mitarbeiterentwicklung Mehrwert generiert wird<br />

Investitionen in die Mitarbeiterentwicklung sind für innovationsgetriebene Technologiefirmen <strong>und</strong> für Dienstleistungsunternehmen<br />

essenziell. Umso wichtiger ist die Qualität der Massnahmen. Es genügt nicht, wenn Trainingskonzepte an die<br />

speziellen Bedürfnisse der Firma angepasst sind <strong>und</strong> stufengerecht erfolgen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Ergebnisse<br />

langfristig in der Organisation verankert werden. Von Alain Gayret, David Kurmann <strong>und</strong> Silvio Tarreghetta<br />

10


«Der beste Weg in die Zukunft ist, in Menschen<br />

zu investieren.» Diesen Leitsatz des<br />

deutschen Publizisten <strong>und</strong> Buchautors<br />

Erik Händeler (Die Geschichte der Zukunft 1)<br />

kann wohl jeder Verantwortliche eines<br />

Unternehmens unterschreiben, dessen<br />

Marktleistungen zu einem wesentlichen<br />

Teil durch Wissensarbeit geprägt sind.<br />

Entsprechend viel investieren Dienstleistungsorganisationen<br />

<strong>und</strong> innovationsgetriebene<br />

Technologiefirmen in die<br />

Weiterbildung <strong>und</strong> Entwicklung ihrer<br />

Mitarbeitenden. Gemäss dem B<strong>und</strong>esamt<br />

für Statistik haben 2009 fast 42 Prozent<br />

der Erwerbstätigen eine berufliche Weiterbildung<br />

absolviert. Bei den Berufstätigen<br />

mit höherer Schulbildung waren es gar<br />

über 60 Prozent.<br />

Mit der im globalen Wettbewerb ständig<br />

weiter wachsenden Komplexität von Produktentwicklungen,<br />

Lieferketten, Herstel-<br />

1Erik Händeler… Die Geschichte der Zukunft.<br />

Sozialverhalten heute <strong>und</strong> der Wohlstand von morgen. Brendow, 2005.<br />

lungsprozessen sowie Informatik- <strong>und</strong><br />

Kommunikationsprojekten steigt der Trainingsbedarf<br />

immer weiter an. Umso wichtiger<br />

wird es, sicherzustellen, dass das vermittelte<br />

Wissen im Unternehmensalltag<br />

auch Mehrwerte generiert.<br />

Der wachsenden Komplexität können Standard-Schulungskonzepte<br />

je länger, je weniger<br />

gerecht werden. Die Erfahrung zeigt,<br />

dass mit Konzepten, die für die spezifische<br />

Situation <strong>und</strong> die entsprechende Organisation<br />

massgeschneidert sind, ein wesentlich<br />

grösserer Nutzen erzielt werden kann.<br />

Um sowohl den Bedürfnissen des einzelnen<br />

Mitarbeiters als auch denjenigen der<br />

ganzen Organisation gerecht zu werden,<br />

muss sich die Weiterbildung an der mehrstufigen<br />

Kompetenzpyramide (siehe Abb. 1)<br />

orientieren. Deren F<strong>und</strong>ament bildet das<br />

«Kennen», das theoretische Wissen. Aus<br />

Vom Wissen zum Können | Mitarbeiterentwicklung<br />

der Theorie wird in einer zweiten Stufe<br />

durch praktische Übungen das «Können»,<br />

bei dem Wissen selbständig angewendet<br />

werden kann. In einer dritten Stufe steigert<br />

das Training unterschiedlicher Varianten<br />

die einfache Anwendung zu einem begründeten,<br />

konstruktiven Umgang mit den<br />

Methoden («Vermitteln»). Die Spitze der<br />

vierstufigen Pyramide bildet die Fähigkeit,<br />

Methoden, Theorien <strong>und</strong> Anwendungspraktiken<br />

zu bewerten, kritisch zu hinterfragen<br />

<strong>und</strong> zu evaluieren («Beraten»).<br />

Das Erreichen jeder dieser vier Stufen<br />

setzt spezifische Trainingsmethoden voraus.<br />

Aus Unternehmenssicht macht es jedoch<br />

wenig Sinn, alle Mitarbeitenden auf<br />

die höchste Kompetenzstufe zu bringen.<br />

Im Alltag nicht angewandtes Wissen geht<br />

erfahrungsgemäss schnell wieder verloren<br />

<strong>und</strong> damit auch die Investition, die nötig<br />

war, um es aufzubauen. Zur Zieldefinition<br />

11


Mitarbeiterentwicklung | Vom Wissen zum Können<br />

Mit der im globalen Wettbewerb ständig weiter wachsenden Komplexität von Produktentwicklungen, Lieferketten, Herstellungsprozessen<br />

sowie Informatik- <strong>und</strong> Kommunikationsprojekten steigt der Trainingsbedarf immer weiter an. Umso wichtiger<br />

wird es, sicherzustellen, dass das vermittelte Wissen im Unternehmensalltag auch Mehrwerte generiert. Der wachsenden<br />

Komplexität können Standard-Schulungskonzepte je länger, je weniger gerecht werden.<br />

12<br />

Abb. 1:<br />

Kompetenzpyramide<br />

Abb. 2:<br />

Kompetenzbereiche Project<br />

Management Training<br />

1.<br />

Projektstart<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

Beraten<br />

Vermitteln<br />

Können<br />

Kennen<br />

Risiko-<br />

management<br />

Kosten<br />

&<br />

Finanzen<br />

Anforderungen<br />

&<br />

Ziele<br />

Stakeholder-<br />

management<br />

Schätzung<br />

Struktur,<br />

Organisation<br />

& Prozesse<br />

1. Kennen = theoretisches Wissen <strong>und</strong> Verstehen<br />

Beschreiben, verstehen, definieren, Einsatzmöglichkeiten<br />

erklären, gliedern, strukturieren, Zusammenhänge<br />

erkennen, nachvollziehen.<br />

2. Können = Anwenden<br />

Einmalig anwenden, umsetzen, benützen,<br />

erarbeiten, einsetzen, verwenden, unterscheiden.<br />

3. Vermitteln = Begreifen <strong>und</strong> konstruktives Umgehen<br />

Mehrmalig anwenden, analysieren, ableiten,<br />

folgern, entwickeln, konstruieren, Alternativen<br />

erarbeiten, vergleichen <strong>und</strong> abwägen, kritisch<br />

überprüfen, transparent/nachvollziehbar entwickeln,<br />

begründen.<br />

4. Beraten = Beurteilen <strong>und</strong> Evaluieren<br />

Beraten, kritisch hinterfragen, reviewen, beurteilen,<br />

Expertise erstellen, gewichten, bewertend ableiten,<br />

übergeordnet betrachten.<br />

Qualitäts-<br />

management<br />

Projektplanung<br />

Ressourcenmanagement<br />

Controlling<br />

& Reporting<br />

Führung<br />

& Konfliktmanagement<br />

Konfigurations-<br />

& Changemanagement<br />

Projektende


im Vorfeld eines Trainings gehört deshalb<br />

auch die Festlegung, welche Mitarbeitenden<br />

für eine effiziente Arbeit welches<br />

Kompetenzniveau benötigen.<br />

Beispiel 1<br />

Entwicklungsprozesse im medizintechnischen<br />

Umfeld optimieren<br />

Die Entwicklungsprojekte eines Herstellers<br />

von medizinischen Hilfsmitteln müssen<br />

den ständig wachsenden Marktanforderungen<br />

gerecht werden. Zum einen<br />

müssen die k<strong>und</strong>enbezogenen Unternehmensbereiche<br />

<strong>und</strong> die verschiedenen<br />

technischen Abteilungen möglichst effizient<br />

zusammenarbeiten, zum anderen gilt<br />

es, auch externe Partner <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Rahmenfaktoren immer stärker einzubeziehen.<br />

Deshalb entschieden sich die<br />

Verantwortlichen zu einer Verbesserung<br />

in Teilbereichen des abteilungsübergreifenden<br />

<strong>Projektmanagement</strong>s.<br />

In der Planungsphase wurden zunächst die<br />

genauen Bedürfnisse des Unternehmens<br />

eruiert. Daraus wurde der Ausbildungsbedarf<br />

bestimmt. Nun folgte die Entwicklung<br />

eines dreistufigen Trainingskonzepts<br />

mit dem Ziel, sowohl die Fähigkeiten der<br />

gesamten Organisation als auch diejenigen<br />

der einzelnen Mitarbeitenden entsprechend<br />

ihren Verantwortlichkeiten auf den<br />

benötigten Stand zu bringen.<br />

In einem ersten Schritt galt es, den theoretischen<br />

Wissensstand in den erforderlichen<br />

Kompetenzbereichen (siehe Abb. 2)<br />

<strong>und</strong> das Verständnis aller Beteiligten auf<br />

ein gleichmässiges Niveau zu heben. Der<br />

Weg dazu führte über eine Mischung aus<br />

herkömmlichem Frontalunterricht <strong>und</strong><br />

stufengerechten Übungen. Die Umsetzung<br />

der Theorie wurde in einem zweiten<br />

Schritt projektspezifisch sichergestellt.<br />

Dazu dienten Workshops, die an<br />

die spezifische Unternehmenssituation<br />

<strong>und</strong> an die tatsächlichen Bedürfnisse der<br />

einzelnen Funktionsstufen angepasst<br />

waren. Ein regelmässiges Coaching während<br />

der ersten Monate stellte in einer<br />

dritten Trainingsstufe die Verankerung<br />

des Gelernten im Arbeitsalltag sicher.<br />

Dabei überprüfte der Trainer in monatlichen<br />

Sitzungen mit jedem Mitarbeiter<br />

unterstützend die konkrete Umsetzung<br />

der neuen Abläufe. Er sorgte also aktiv<br />

dafür, dass das Gelernte umgesetzt, angewendet<br />

<strong>und</strong> permanent verankert wurde.<br />

Beispiel 2<br />

Struktur von Softwareentwicklungs-<br />

prozessen verbessern<br />

Ein grosses Versicherungsunternehmen<br />

war gefordert, den massiv gestiegenen<br />

Anforderungen an die Funktionalität <strong>und</strong><br />

die Qualität der Applikationen langfristig<br />

gerecht zu werden. Es hat deshalb die<br />

Struktur seiner Softwareentwicklungsprozesse<br />

verfeinert. Insbesondere schuf es an<br />

der Schnittstelle zwischen Business <strong>und</strong><br />

IT spezialisierte Rollen für eine effiziente<br />

Anforderungsentwicklung.<br />

Dafür galt es nicht nur die entsprechenden<br />

Mitarbeitenden in ihrer neuen Funktion<br />

zu schulen. Auch die ganze Organisation<br />

musste für die verbesserten Prozesse fit<br />

gemacht werden. Durch ein Coaching in<br />

der ersten praktischen Umsetzungsphase<br />

<strong>und</strong> die Etablierung von Erfahrungsgruppen<br />

gelang es, die neuen Prozesse schnell<br />

<strong>und</strong> langfristig zu etablieren.<br />

Ein Fitnesscheck der ganzen Organisation<br />

in Bezug auf die geplanten Änderungen<br />

bildete den Ausgangspunkt des Trainingskonzepts.<br />

Dabei wurden unter anderem<br />

in einem persönlichen Assessment<br />

die vorhandenen Fachkompetenzen erfasst.<br />

Danach wurde in Lernzielen festgelegt,<br />

welche Mitarbeitenden welche<br />

Kompetenzstufe innerhalb welcher Frist<br />

erreichen müssen. Anhand des individuellen<br />

Trainingsbedarfs <strong>und</strong> der zeitlichen<br />

Priorität konnte für jeden Einzelnen ein<br />

massgeschneidertes Coachingprogramm<br />

erarbeitet werden.<br />

In dessen Rahmen erlernten die beteiligten<br />

Mitarbeitenden die neuen Abläufe<br />

mit individuellen Zielvorgaben im Arbeitsalltag.<br />

Mit dem Ziel einer langfristigen,<br />

selbständigen Prozessoptimierung<br />

der Organisation wurden parallel zum<br />

Vom Wissen zum Können | Mitarbeiterentwicklung<br />

13


Mitarbeiterentwicklung | Vom Wissen zum Können<br />

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Schulung<br />

Um sowohl den Bedürfnissen des einzelnen Mitarbeiters als auch denjenigen der<br />

ganzen Organisation gerecht zu werden, muss sich die Weiterbildung an der<br />

mehrstufigen Kompetenzpyramide (siehe Abb. 1) orientieren. Deren F<strong>und</strong>ament<br />

bildet das «Kennen», das theoretische Wissen. Aus der Theorie wird in einer zweiten<br />

Stufe durch praktische Übungen das «Können», bei dem Wissen selbständig<br />

angewendet werden kann. In einer dritten Stufe steigert das Training unterschiedlicher<br />

Varianten die einfache Anwendung zu einem begründeten, konstruktiven<br />

Umgang mit den Methoden («Vermitteln»). Die Spitze der vierstufigen Pyramide<br />

bildet die Fähigkeit, Methoden, Theorien <strong>und</strong> Anwendungspraktiken zu bewerten,<br />

kritisch zu hinterfragen <strong>und</strong> zu evaluieren («Beraten»).<br />

Das Erreichen jeder dieser vier Stufen setzt spezifische Trainingsmethoden voraus. Aus Unternehmenssicht<br />

macht es jedoch wenig Sinn, alle Mitarbeitenden auf die höchste Kompetenzstufe<br />

zu bringen. Im Alltag nicht angewandtes Wissen geht erfahrungsgemäss schnell<br />

wieder verloren <strong>und</strong> damit auch die Investition, die nötig war, um es aufzubauen. Zur<br />

Zieldefinition im Vorfeld eines Trainings gehört deshalb auch die Festlegung, welche Mitarbeitenden<br />

für eine effiziente Arbeit welches Kompetenzniveau benötigen.


Coaching Erfahrungsgruppen gebildet,<br />

in denen die erarbeiteten «guten Beispiele»<br />

teamübergreifend vorgestellt werden<br />

<strong>und</strong> die unternehmensinterne Praxis<br />

laufend weiterentwickelt wird.<br />

Beispiel 3<br />

Prozesse vereinheitlichen<br />

Ein grösserer Finanzdienstleister will zur<br />

Vereinheitlichung seiner Prozesse den Organisationsgrad<br />

der Softwareentwicklung<br />

erhöhen. Das dafür notwendige, umfangreiche<br />

Trainingsvorhaben basierte auf<br />

einer Kombination aus synchronen <strong>und</strong><br />

asynchronen Lerneinheiten.<br />

In einer ersten Phase ging es darum, die<br />

Einzelkompetenzen auf ein gleichmässiges<br />

Niveau zu heben. Dafür kamen webbasierte<br />

Trainingsmethoden zum Einsatz, bei denen<br />

jeder Mitarbeiter mit Hilfe von rollenspezifischen<br />

Lernmodulen den verlangten<br />

Wissensstand selbständig (asynchron)<br />

erarbeitete. Darauf wurden die Mitarbeitenden<br />

in praxisorientierten Lerngruppen<br />

gemeinsam (synchron) durch einen Trainer<br />

weiterentwickelt.<br />

Dieses Coaching liess viel Platz für<br />

Übungen <strong>und</strong> für den moderierten Erfahrungsaustausch<br />

unter den Mitarbeitenden.<br />

Das aktive Einbinden der Mitarbeitenden<br />

mit ihren Praxiserfahrungen führte zu einer<br />

besseren Verankerung der Abläufe in<br />

der Unternehmenskultur. Die eingesetzten<br />

Workshop-Methoden unterstützten<br />

dies zusätzlich.<br />

Lessons Learned<br />

Der Erfolg von Trainings hängt f<strong>und</strong>amental<br />

vom Engagement der beteiligten<br />

Mitarbeitenden sowie von der schnellen<br />

Verankerung des Erlernten im Arbeitsalltag<br />

ab. Ein Trainingskonzept muss diese<br />

zwei Erfolgsfaktoren gezielt unterstützen.<br />

Ein massgeschneidertes Training fördert<br />

das Mitarbeiterengagement, denn es trägt<br />

den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen<br />

Rechnung <strong>und</strong> ermöglicht ihm<br />

schnelle Erfolgserlebnisse, wobei der Trainingsinhalt<br />

mit Beispielen aus der Praxis<br />

geübt werden muss.<br />

Ein entscheidender Motivationsfaktor ist<br />

zudem der Trainer. Er muss nicht nur über<br />

die notwendige Fachkompetenz verfügen,<br />

sondern auch professionelle didaktische<br />

<strong>und</strong> überdurchschnittliche soziale Kompetenzen<br />

mitbringen, um die Lernenden<br />

aus ihren Reserven locken <strong>und</strong> dafür sorgen<br />

zu können, dass sie die Verantwortung<br />

für ihre Weiterentwicklung selber<br />

übernehmen. Wichtig ist dabei, dass die<br />

Teilnehmenden nicht nur erfahren, was<br />

sie alles noch nicht können, sondern sich<br />

auch bewusst werden, welche Methoden<br />

sie bereits beherrschen <strong>und</strong> erfolgreich<br />

einsetzen.<br />

Für die Verankerung der Kompetenzen<br />

im Unternehmen sind längerfristige Aktivitäten<br />

wie ein Coaching in der ersten<br />

Umsetzungsphase <strong>und</strong> die Etablierung<br />

von Erfahrungsgruppen oder Lernzirkeln<br />

notwendig. Dies gilt umso mehr, wenn<br />

etwa durch Verbesserungen im <strong>Projektmanagement</strong><br />

ganze Organisationseinheiten<br />

weiterentwickelt werden müssen.<br />

Gerade in diesem Fall zeigt sich: Ohne ein<br />

differenziertes <strong>und</strong> professionell durchgeführtes<br />

Training versanden theoretisch<br />

vermittelte Verbesserungen schnell im<br />

Alltagstrott – <strong>und</strong> die Investition verpufft.<br />

Die Anwendung des Gelernten ist<br />

einzufordern.<br />

Alain Gayret<br />

Kontakt: alain.gayret@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Project Management,<br />

Coaching <strong>und</strong> Training<br />

Silvio Tarreghetta<br />

Kontakt: silvio.tarreghetta@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Process Improvement,<br />

Requirements Engineering,<br />

Project Management<br />

David Kurmann<br />

Kontakt: david.kurmann@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Training <strong>und</strong> Coaching,<br />

in Process Improvement,<br />

Requirements Engineering<br />

Vom Wissen zum Können | Mitarbeiterentwicklung<br />

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Requirements Engineering | Den Röstigraben überwinden<br />

Den Röstigraben überwinden<br />

Wie Business <strong>und</strong> Technik die gegenseitige Verständigung verbessern<br />

Business <strong>und</strong> Technik sprechen quasi von Natur aus unterschiedliche Sprachen. Eine effektive Verständigung wird möglich<br />

durch definierte Verantwortliche auf beiden Seiten, gemeinsame Methoden, einheitliche Softwarewerkzeuge <strong>und</strong><br />

eine institutionalisierte Kommunikation. Von Sascha Nussbaumer <strong>und</strong> Marco Stöckli<br />

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Mit dem Marketing, der Strategie der<br />

Geschäftsleitung, dem Verkauf <strong>und</strong> den<br />

Anwendern definieren verschiedene Anspruchsgruppen<br />

Anforderungen an Produkte,<br />

IT-Anwendungen oder Businessprojekte.<br />

Unternehmen bemühen sich,<br />

bei dieser Vielfalt von Stakeholdern den<br />

Umsetzungsprozess effektiv zu strukturieren.<br />

Die meisten definieren deshalb eine<br />

klare Rollenteilung zwischen der Businessseite<br />

<strong>und</strong> den Abteilungen, die die<br />

Anforderungen technologisch oder fachlich<br />

in Projekten umsetzen. Doch häufig<br />

sind die Grenzen zu starr gezogen – <strong>und</strong><br />

darunter leidet die Kommunikation zwischen<br />

Business <strong>und</strong> Technik. Die Folge<br />

sind kostspielige Zusatzarbeiten, wenn<br />

das Produkt die Anforderungen nicht im<br />

ursprünglichen Sinn des Business erfüllt<br />

oder wenn technische Barrieren erst in<br />

einem späten Projektstadium erkannt<br />

werden.<br />

Kommunikationsprobleme zwischen Business<br />

<strong>und</strong> Technik gehören erfahrungsgemäss<br />

zu den grössten Stolpersteinen in<br />

Entwicklungsprojekten. Das hat einen<br />

einfachen Gr<strong>und</strong>: Die Spezialisten in den<br />

beiden Bereichen sprechen unterschiedliche<br />

Sprachen. Sie kommen aus verschiedenen<br />

Fachgebieten, die sich sowohl<br />

in der Ausbildung wie auch in der praktischen<br />

Arbeit kaum überschneiden. Und<br />

auch die persönlichen Interessen sind<br />

unterschiedlich ausgerichtet. Dieser Graben<br />

lässt sich nicht einfach aus der Welt<br />

schaffen. Mit geeigneten Massnahmen<br />

<strong>und</strong> <strong>Strukturen</strong> kann er aber überw<strong>und</strong>en<br />

werden.<br />

So hilft beispielsweise eine über die ganze<br />

Dauer des Produkt-Entwicklungsprozesses<br />

institutionalisierte Kommunikation<br />

zwischen der geschäftlichen <strong>und</strong> der<br />

technischen Seite, Fehlentwicklungen<br />

aufgr<strong>und</strong> von Missverständnissen frühzeitig<br />

zu erkennen. Damit die Verständigung<br />

klappt, genügt es aber nicht, klare<br />

Abläufe zu schaffen sowie auf beiden<br />

Seiten die Rollen <strong>und</strong> Kompetenzen der<br />

Verantwortlichen zu definieren. Wichtig<br />

ist vielmehr auch die Etablierung von<br />

einheitlichen Softwarewerkzeugen <strong>und</strong><br />

Methoden zur beidseitigen Verwaltung<br />

der Anforderungen sowie der Lieferobjekte.<br />

Zudem darf sich die Kommunikation<br />

nicht auf die blosse Übergabe <strong>und</strong><br />

Abnahme der Aufträge beschränken,<br />

sondern muss vom Projektstart an als periodisch<br />

festgelegter Dialog institutionalisiert<br />

werden.


Den Röstigraben überwinden | Requirements Engineering<br />

Kommunikationsprobleme zwischen Business <strong>und</strong> Technik gehören erfahrungsgemäss zu<br />

den grössten Stolpersteinen in Entwicklungsprojekten. Das hat einen einfachen Gr<strong>und</strong>:<br />

Die Spezialisten in den beiden Bereichen sprechen unterschiedliche Sprachen.<br />

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Requirements Engineering | Den Röstigraben überwinden<br />

So hilft beispielsweise eine über die ganze Dauer des Produktentwicklungsprozesses institutionalisierte Kommunikation zwischen der<br />

geschäftlichen <strong>und</strong> der technischen Seite, Fehlentwicklungen aufgr<strong>und</strong> von Missverständnissen frühzeitig zu erkennen. Damit die Verständigung<br />

klappt, genügt es aber nicht, klare Abläufe zu schaffen sowie auf beiden Seiten die Rollen <strong>und</strong> Kompetenzen der Verantwortlichen<br />

zu definieren. Wichtig ist vielmehr auch die Etablierung von einheitlichen Werkzeugen <strong>und</strong> Methoden zur beidseitigen Verwaltung der<br />

Anforderungen sowie der Lieferobjekte.<br />

18<br />

Abb. 1:<br />

Der Weg von der Geschäftsstrategie<br />

zur Systemspezifikation<br />

Abb. 2:<br />

Handshake zwischen Business Analyst <strong>und</strong> Requirements<br />

Engineer während der Anforderungsspezifikation<br />

Projektteam<br />

Requirements Analysis & Specifications<br />

Business Analyst<br />

Business<br />

Requirements<br />

Customer<br />

Requirements<br />

Product<br />

Requirements<br />

��<br />

Technical<br />

Requirements<br />

Subsystem<br />

Specifications<br />

Requirements Engineer<br />

Abt. 1<br />

Team 1<br />

Team 2<br />

Business<br />

Validation<br />

Validation<br />

Validation<br />

Verification<br />

System Engineering<br />

Business Geschäftsstrategie<br />

Fachliche Stakeholder<br />

CEO<br />

Abt. 2 Abt. 3<br />

Business Analyst (Business)<br />

��<br />

IT<br />

Team 1<br />

Requirements Engineer (IT)<br />

Technische Stakeholder<br />

Geschäftsprozesse<br />

Product<br />

Integrated<br />

Systems<br />

System<br />

Components<br />

Subsystem<br />

Business Requirements<br />

�<br />

Use Cases<br />

System Requirements<br />

System Specifications<br />

Detaillierungsgrad<br />

System Development & Testing


Beispiel 1<br />

Flexible <strong>und</strong> geschäftsnahe IT-Systeme<br />

Ein Personentransportunternehmen steht<br />

unter einem wachsenden Konkurrenzdruck.<br />

Nicht nur diverse Anbieter, sondern<br />

auch verschiedene Transportmittel wie<br />

Flugzeug, Eisenbahn, Bus oder Auto buhlen<br />

um die gleichen K<strong>und</strong>en. Der Preisdruck<br />

wächst, <strong>und</strong> das Unternehmen ist<br />

deshalb unter anderem auf flexible Preissysteme<br />

angewiesen, mit denen es schnell<br />

auf neue K<strong>und</strong>enbedürfnisse oder eine<br />

sich ändernde Nachfrage reagieren kann.<br />

Der Schlüssel dafür sind entsprechend<br />

flexible <strong>und</strong> geschäftsnahe IT-Systeme.<br />

Das Unternehmen hat dies erkannt <strong>und</strong><br />

darum auch schon länger Anforderungsmanagementprozesse<br />

mit einem hohen<br />

Reifegrad etabliert.<br />

In einem Verbesserungsschritt sollte nun<br />

die Kommunikation an der Schnittstelle<br />

zwischen IT <strong>und</strong> Business optimiert werden.<br />

Dabei galt das Hauptaugenmerk dem<br />

Aufbau einer konstanten Kommunikation<br />

zwischen den verantwortlichen Business<br />

Analysten auf der fachlichen Seite <strong>und</strong><br />

den Requirements Engineers auf der IT-<br />

Seite, <strong>und</strong> das über den ganzen Projektverlauf<br />

hinweg. Dies wurde durch die<br />

Etablierung von festen Abläufen sowie<br />

einheitlichen Methoden <strong>und</strong> Werkzeugen<br />

erreicht.<br />

Heute beginnt ein Entwicklungsprojekt<br />

mit einer Analyse der Anforderungen auf<br />

der Basis des aktuellen Geschäftsprozessmodells<br />

des ganzen Unternehmens. Anhand<br />

einer Checkliste wird die Relevanz<br />

der einzelnen Unternehmensprozesse<br />

für das geplante Projekt in einer Anforderungsmanagementsoftware<br />

im Detail<br />

erfasst. So wird sichergestellt, dass alle<br />

Systemgrenzen sauber definiert sind <strong>und</strong><br />

keine Bereiche oder Abteilungen vergessen<br />

gehen. Zudem hilft der anfängliche<br />

Fokus auf die Gesamtgeschäftsprozesse,<br />

bei der nachfolgenden Anforderungsdefinition<br />

die übergeordneten Ziele im Auge<br />

zu behalten.<br />

Ausgehend von der Prozessbeschreibung<br />

holt der Business Analyst die Anforderungen<br />

der einzelnen Bereiche bei den<br />

entsprechenden Stakeholdern ab (siehe<br />

Abb. 1). Er lässt sie in Workshops aggregieren<br />

<strong>und</strong> in einem standardisierten Template<br />

in der Anforderungsmanagementsoftware<br />

erfassen. Das Template übergibt<br />

er dem Requirements Engineer auf der IT-<br />

Seite. Dieser analysiert die Anforderungen<br />

auf Basis der Informatiksysteme <strong>und</strong> versucht,<br />

alle Interaktionen anhand von Use<br />

Cases abzubilden. Erkennt er Widersprüche,<br />

technische Barrieren oder zu unpräzise<br />

formulierte Anforderungen, gehen<br />

diese zurück an den Business Analysten.<br />

Den Röstigraben überwinden | Requirements Engineering<br />

19


Requirements Engineering | Den Röstigraben überwinden<br />

20


Dabei verwenden Business Analyst <strong>und</strong><br />

Requirements Engineer über die ganze<br />

Projektdauer hinweg, die gleiche zentrale<br />

Software.<br />

Beispiel 2<br />

Analyse mit Stakeholdermanagement<br />

Ein internationales Unternehmen, das<br />

auf die Entwicklung von medizinischen<br />

Analysegeräten spezialisiert ist, plant die<br />

Weiterentwicklung eines bestehenden<br />

Gerätetyps für spezifische Messungen.<br />

Bei diesem Erweiterungsprojekt ist es entscheidend,<br />

bereits bei der Anforderungs-<br />

analyse alle relevanten Stakeholder einzubinden<br />

(Product Management, Endk<strong>und</strong>en,<br />

Geräteentwicklung, Produktion etc.).<br />

Die Herausforderung besteht darin, die<br />

unterschiedlichen Ansprüche aller Stakeholder<br />

frühzeitig zu erkennen <strong>und</strong><br />

optimal aufeinander abzustimmen. Dies<br />

verlangt ein strukturiertes <strong>Vorgehen</strong> <strong>und</strong><br />

eine intensive Kommunikation an der<br />

Schnittstelle zwischen Business <strong>und</strong> Technik.<br />

Zu diesem Zweck wird das Projekt in<br />

zwei Teile gegliedert: Das erste Teilprojekt<br />

befasst sich mit den businessnahen<br />

Anforderungen wie z.B. der Analyse der<br />

K<strong>und</strong>enansprüche. Dafür ist der Business<br />

Analyst verantwortlich. Bereits in dieser<br />

Phase ist eine erste Abstimmung mit den<br />

entwicklungsnahen Anspruchsgruppen<br />

erforderlich, denn so können technische<br />

Barrieren frühzeitig identifiziert werden.<br />

Im zweiten Teilprojekt leitet der Requirements<br />

Engineer aus den Businessanforderungen<br />

die System- <strong>und</strong> Softwareanforderungen<br />

ab. Er baut dabei auf die<br />

Vorarbeit des Business Analysten auf. Da<br />

die Vorwärts- <strong>und</strong> Rückwärtsverfolgbarkeit<br />

aller Anforderungen über die Grenzen<br />

der Schnittstelle zwischen Business <strong>und</strong><br />

Technik hinaus gewährleistet sein muss,<br />

kommt eine von beiden Seiten gemeinsam<br />

genutzte Verwaltungssoftware zum Einsatz.<br />

Zusätzlich zur softwaretechnischen<br />

Unterstützung wird eine intensive, frühzeitige<br />

<strong>und</strong> fortlaufende Kommunikation<br />

zwischen dem Business Analysten <strong>und</strong><br />

dem Requirements Engineer etabliert.<br />

Sascha Nussbaumer<br />

Kontakt: sascha.nussbaumer@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Businessanalyse,<br />

Requirements Engineering<br />

Marco Stöckli<br />

Kontakt: marco.stoeckli@erni.ch<br />

Beratertätigkeit: Businessanalyse,<br />

Requirements Engineering,<br />

Geschäftsprozessmanagement<br />

Den Röstigraben überwinden | Requirements Engineering<br />

Ausgehend von der Prozessbeschreibung holt der Business Analyst die Anforderungen<br />

der einzelnen Bereiche bei den entsprechenden Stakeholdern ab. Er lässt<br />

sie in Workshops aggregieren <strong>und</strong> in einem standardisierten Template in der Anforderungsmanagementsoftware<br />

erfassen. Das Template übergibt er dem Requirements<br />

Engineer auf der IT-Seite.<br />

Dieser analysiert die Anforderungen auf Basis der Informatiksysteme <strong>und</strong> versucht,<br />

alle Interaktionen anhand von Use Cases abzubilden. Erkennt er Widersprüche,<br />

technische Barrieren oder zu unpräzise formulierte Anforderungen, gehen<br />

diese zurück an den Business Analysten. Dabei verwenden Business Analyst <strong>und</strong><br />

Requirements Engineer über die ganze Projektdauer hinweg, die gleiche zentrale<br />

Software.<br />

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Testing | Die Qualität nachhaltig steigern<br />

Die Qualität nachhaltig steigern<br />

Was klare Verantwortlichkeiten <strong>und</strong> Automatisierung ausmachen können<br />

Softwarequalität lässt sich nicht einfach an die Testingabteilung delegieren. Für eine minimale Fehlerrate müssen auch das<br />

Business <strong>und</strong> die Entwickler ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Eine Automatisierung kann die Qualität zusätzlich<br />

erhöhen <strong>und</strong> den Aufwand senken. Von Marcel Stoop <strong>und</strong> Severin Dietschi<br />

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Applikationsfehler oder Anforderungsumsetzungen,<br />

die nicht den Erwartungen<br />

entsprechen, kosten viel Zeit,<br />

Geld <strong>und</strong> K<strong>und</strong>envertrauen. Dabei lassen<br />

sie sich zu einem grossen Teil vermeiden,<br />

wenn alle Beteiligten ihren Teil der Verantwortung<br />

übernehmen. Die Verantwortung<br />

für die Endabnahme obliegt<br />

dabei in jedem Fall der auftraggebenden<br />

Fachabteilung. Genauso haben die Entwickler<br />

ihren Teil der Qualitätssicherung<br />

zu übernehmen: Sie müssen die Funktionen<br />

in den einzelnen Programmabläufen<br />

überprüfen <strong>und</strong> deren Integration<br />

sicherstellen. Die Testingabteilung ist für<br />

die umfassende Funktionsüberprüfung<br />

auf der Systemebene zuständig.<br />

Wirklich effektiv werden die klar definierten<br />

Verantwortlichkeiten <strong>und</strong><br />

Abläufe, wenn zusätzlich über die Abteilungsgrenzen<br />

hinweg produktiv zusammengearbeitet<br />

wird. So zeigt sich<br />

etwa, dass ein erster Review der vom<br />

Business formulierten Requirements<br />

durch das Testing <strong>und</strong> die Entwicklungsabteilung<br />

hilft, Missverständnissen vorzubeugen.<br />

Auf diese Weise können insbesondere<br />

unpräzise Formulierungen in<br />

einer frühen Phase geklärt werden. Auf<br />

der anderen Seite muss das Testing sein<br />

Know-how zur Produktqualität beitragen.<br />

Dies ist umso wichtiger, als ein kompetentes<br />

Testing ein spezielles Denken<br />

voraussetzt. Der Tester will möglichst<br />

jeden Fall finden, mit dem er einen Fehler<br />

provozieren kann. Dieses destruktive<br />

Denken widerspricht gr<strong>und</strong>sätzlich dem<br />

konstruktiven Mindset, mit dem Business<br />

<strong>und</strong> Entwicklung ihre Projekte vorantreiben.<br />

Ein wichtiges Werkzeug zur Sicherstellung<br />

der gleichbleibenden Qualität der<br />

Tests ist die Automatisierung. Zudem<br />

entlastet sie die Tester von wenig motivierenden,<br />

repetitiven Aufgaben. Bereits<br />

ab zehn Wiederholungen rechnet sich<br />

im Durchschnitt der für die Automatisierung<br />

notwendige Initialaufwand. Vor<br />

allem Regressionstests zur Überprüfung<br />

der Nebenwirkungen einer Modifikation<br />

auf die Gr<strong>und</strong>funktionen in einem neuen<br />

Release können so sicher <strong>und</strong> schnell<br />

durchgeführt werden.<br />

Beispiel 1<br />

Testing nach Releasewechsel<br />

In einer Applikation eines grossen Finanzdienstleisters<br />

häufen sich bei Releasewechseln<br />

die Fehler. Die Verantwortlichen<br />

beschliessen darauf, den<br />

Testingprozess auf Schwachstellen zu<br />

untersuchen <strong>und</strong> entsprechend zu verbessern.<br />

Die Analyse zeigte, dass viele


Die Qualität nachhaltig steigern | Testing<br />

Ein wichtiges Werkzeug zur Sicherstellung der gleichbleibenden Qualität der Tests ist die<br />

Automatisierung. Zudem entlastet sie die Tester von wenig motivierenden, repetitiven<br />

Aufgaben. Bereits ab zehn Wiederholungen rechnet sich im Durchschnitt der für die<br />

Automatisierung notwendige Initialaufwand.<br />

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Testing | Die Qualität nachhaltig steigern<br />

24<br />

Um die Qualität der Software nachhaltig zu steigern, wurde in der Folge der festgeschriebene<br />

Testingprozess verfeinert. Der Softwareentwicklung, dem Testing <strong>und</strong> den Geschäftsabteilungen<br />

wurden genau definierte Verantwortlichkeiten übertragen, die jeweils ihren Ebenen entsprachen.<br />

Dabei müssen die Entwickler <strong>und</strong> die Tester einen gründlichen Review der Anforderungen durchführen,<br />

sobald der Fachbereich die Requirements formuliert hat. Um sicherzustellen, dass die<br />

Tester alle gewünschten Anforderungen mit validen Testcases abgedeckt haben, wurde zudem<br />

eine engere Zusammenarbeit zwischen Testing <strong>und</strong> Business verankert. Dabei nimmt die auftraggebende<br />

Fachabteilung neu einen Review der Testcases vor.<br />

Die Verantwortung für die Endabnahmetests liegt neu mittels einer Unterschriftserklärung explizit<br />

beim Business. Zu dessen Aufgaben gehört auch die Formulierung eigener Testcases zur Prüfung<br />

der richtigen Anforderungsumsetzung. Das so etablierte Mehraugenprinzip trägt entscheidend zur<br />

Qualitätssteigerung bei. Die Testingabteilung steht dem Business bei seinen Prüfungen unterstützend<br />

zur Seite.<br />

Abb. 1:<br />

Informationsrückfluss <strong>und</strong> Klärung<br />

dank präziser Sprache<br />

allgemein verständlich (abnehmend nach unten)<br />

natürliche Sprache<br />

(mündliche Kommunikation,<br />

schriftliche Prosa)<br />

formalisierte Sprache<br />

(schriftlich festgehaltene technische<br />

Anforderungen)<br />

Interpretationsspielraum (nach rechts abnehmend)<br />

Fehler,<br />

Ungenauigkeiten,<br />

Ungewissheiten<br />

stark formalisierte Sprache<br />

(Programmiersprache für automatisierte<br />

Tests)<br />

Eindeutigkeit (nach rechts zunehmend)


der Fehler auf Missverständnisse zurückzuführen<br />

sind. Das Testing ist mit seinen<br />

Prüfungen im guten Glauben zu positiven<br />

Resultaten gekommen. Dass die<br />

Anforderungen gar nicht im Sinne des<br />

Business umgesetzt worden waren, war<br />

für die Tester aus den Informationen, die<br />

ihnen zur Verfügung standen, nicht eindeutig<br />

ersichtlich.<br />

Um die Qualität der Software nachhaltig<br />

zu steigern, wurde in der Folge der<br />

festgeschriebene Testingprozess verfeinert.<br />

Der Softwareentwicklung, dem<br />

Testing <strong>und</strong> den Geschäftsabteilungen<br />

wurden genau definierte Verantwortlichkeiten<br />

übertragen, die jeweils ihren<br />

Ebenen entsprachen. Dabei müssen<br />

die Entwickler <strong>und</strong> die Tester einen<br />

gründlichen Review der Anforderungen<br />

durchführen, sobald der Fachbereich<br />

die Requirements formuliert hat. Um<br />

sicherzustellen, dass die Tester alle gewünschten<br />

Anforderungen mit validen<br />

Testcases abgedeckt haben, wurde zudem<br />

eine engere Zusammenarbeit zwischen<br />

Testing <strong>und</strong> Business verankert.<br />

Dabei nimmt die auftraggebende Fachabteilung<br />

neu einen Review der Testcases<br />

vor.<br />

Die Verantwortung für die Endabnahmetests<br />

liegt neu mittels einer Unterschrifts-<br />

erklärung explizit beim Business. Zu<br />

dessen Aufgaben gehört auch die Formulierung<br />

eigener Testcases zur Prüfung der<br />

richtigen Anforderungsumsetzung. Das<br />

so etablierte Mehraugenprinzip trägt entscheidend<br />

zur Qualitätssteigerung bei.<br />

Die Testingabteilung steht dem Business<br />

bei seinen Prüfungen unterstützend zur<br />

Seite.<br />

Beispiel 2<br />

Optimierung der Testprozesse<br />

Die interne Kommunikationsanwendung<br />

eines Überwachungsunternehmens, das<br />

sehr hohe Sicherheitsstandards erfüllen<br />

muss, ist über die Jahre von einer einfachen<br />

Applikation zu einer komplexen<br />

Anwendung mit diversen Modulen gewachsen.<br />

Um die Qualität der Software<br />

langfristig zu gewährleisten, galt es, auch<br />

das Testing an die gestiegenen Anforderungen<br />

anzupassen. Die ursprünglich<br />

sinnvollen, zu einem grossen Teil noch<br />

mündlichen Abläufe mussten dafür in<br />

strukturierte Prozesse überführt werden.<br />

Zudem wurden sowohl für die Testingabteilung<br />

als auch für die Entwickler <strong>und</strong><br />

für das auftraggebende Business klare<br />

Verantwortlichkeiten definiert.<br />

Im neuen Prozess übernimmt die Entwicklung<br />

die Verantwortung für die einzelnen<br />

Programmabläufe <strong>und</strong> die Inte-<br />

Die Qualität nachhaltig steigern | Testing<br />

25


Testing | Die Qualität nachhaltig steigern<br />

26


gration der Komponenten. Das Testing<br />

prüft das wunschgemässe Funktionieren<br />

auf der Systemebene <strong>und</strong> das Business,<br />

ob die Anforderungen in seinem Sinn erfüllt<br />

werden. Für das Prüfen der Gr<strong>und</strong>funktionen<br />

über alle Module <strong>und</strong> Konfigurationsmöglichkeiten<br />

hinweg wurde<br />

auf der Systemebene eine Automatisierung<br />

des Testings eingeführt. Diese senkt<br />

den Aufwand für sich wiederholende<br />

Prüfungen markant, <strong>und</strong> es steht mehr<br />

Zeit für die genaue Kontrolle der neu<br />

eingeführten Funktionen zur Verfügung.<br />

Das automatisierte Testing brachte nicht<br />

nur eine Arbeitserleichterung. Als interessanten<br />

Nebeneffekt förderte es auch<br />

sehr viele Unvollständigkeiten in den<br />

Anforderungsformulierungen zutage.<br />

Denn im Gegensatz zum menschlichen<br />

Tester, der kleine Unstimmigkeiten häufig<br />

unbewusst abstrahiert, stoppt die Automatisierung<br />

sofort, wenn das Ergebnis<br />

nicht genau der Vorgabe entspricht.<br />

Diese «Sturheit» trägt indirekt dazu<br />

bei, die Qualität der Anforderungs- <strong>und</strong><br />

Testcase-Formulierung zu steigern. Auch<br />

nicht kommunizierte Änderungen in<br />

den vom Geschäftsbereich selbständig<br />

gepflegten Business Rules, die Auswirkungen<br />

auf die Funktion der Gesamtapplikation<br />

haben, werden sofort sichtbar.<br />

Die häufige Anpassung der Regeln<br />

zwischen den Releases ist in der Praxis<br />

eine erhebliche Fehlerquelle.<br />

Durch die definierten Prozesse <strong>und</strong> die<br />

Automatisierung erhält das Business das<br />

Vertrauen, dass die Applikation auf der<br />

Systemebene zuverlässig funktioniert.<br />

Andererseits muss der Geschäftsbereich<br />

im neuen Prozess mit eigenen Testcases<br />

die Verantwortung für die Abnahmeprüfung<br />

seiner Anforderungen selbst<br />

übernehmen.<br />

Marcel Stoop<br />

Kontakt: marcel.stoop@erni.ch<br />

Berufstätigkeit:<br />

Testmanagement,Testdesign,<br />

Testprozessverbesserungen<br />

Severin Dietschi<br />

Kontakt: severin.dietschi@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Testautomatisierung,<br />

Testmanagementsupport<br />

Die Qualität nachhaltig steigern | Testing<br />

Das automatisierte Testing brachte nicht nur eine Arbeitserleichterung. Als interessanten<br />

Nebeneffekt förderte es auch sehr viele Unvollständigkeiten in den<br />

Anforderungsformulierungen zutage. Denn im Gegensatz zum menschlichen Tester,<br />

der kleine Unstimmigkeiten häufig unbewusst abstrahiert, stoppt die Automatisierung<br />

sofort, wenn das Ergebnis nicht genau der Vorgabe entspricht. Diese<br />

«Sturheit» trägt indirekt dazu bei, die Qualität der Anforderungs- <strong>und</strong> Testcase-<br />

Formulierung zu steigern. Auch nicht kommunizierte Änderungen in den vom<br />

Geschäftsbereich selbständig gepflegten Business Rules, die Auswirkungen auf<br />

die Funktion der Gesamtapplikation haben, werden sofort sichtbar. Die häufige<br />

Anpassung der Regeln zwischen den Releases ist in der Praxis eine erhebliche<br />

Fehlerquelle.<br />

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Innovation in Prozess <strong>und</strong> Technologie<br />

ERNI Consulting AG<br />

Talstrasse 82 · CH-8001 Zürich · Tel. +41 44 215 42 00<br />

Casinoplatz 2 · CH-3011 Bern · Tel. +41 31 381 76 11<br />

Bahnhofstrasse 4 · CH-6340 Baar · Tel. +41 41 227 35 00<br />

Rue du Simplon 37 · Postfach 326 · CH-1006 Lausanne · Tel. +41 21 966 55 37<br />

ERNI (Deutschland) GmbH<br />

Orleansstrasse 34 · D-81667 München · Tel. +49 89 62 28 67 88 0<br />

ERNI (Slovakia) s.r.o.<br />

Ševcenkova 34 · SK-851 01 Bratislava · Tel. +421 2 3255 37 37<br />

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