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ERNI Erfahrungsberichte rund um Management-, Prozess- und ...

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<strong>ERNI</strong> <strong>Erfahrungsberichte</strong> <strong>r<strong>und</strong></strong> <strong>um</strong> <strong>Management</strong>-, <strong>Prozess</strong>- <strong>und</strong> Technologiethemen<br />

Experience<br />

NR.53<br />

JUNI 2012<br />

REQUIREMENTS ENGINEERING<br />

Begeistern mit Bildern<br />

REQUIREMENTS MANAGEMENT<br />

Es darf auch einmal Excel sein<br />

TESTMANAGEMENT<br />

Besser <strong>und</strong> günstiger testen<br />

MIGRATIONEN<br />

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold


DOMINIK BISCHOF<br />

dominik.bischof@erni.ch<br />

Business Area Manager bei <strong>ERNI</strong> Schweiz,<br />

Beratungstätigkeit: Project <strong>Management</strong>,<br />

Change <strong>Management</strong>, Workshop-Moderation<br />

EINFACH BESSER WERDEN<br />

Entwicklungsprojekte werden immer komplexer. In dieser Situation<br />

sind es oft verblüffend einfache Tools, Methoden <strong>und</strong> Massnahmen,<br />

mit denen sich die Komplexität beherrschen lässt. Die Erfahrungsberich-<br />

te in diesem <strong>ERNI</strong> Experience zeigen dies eindrücklich auf.<br />

Den Auftakt macht ein Artikel über gemeinsam von Hand gezeichne-<br />

te Visualisierungen. Sie sind nicht nur klarer als Wortprotokolle <strong>und</strong><br />

Powerpoint-Folien, sondern motivieren zudem zur Mitarbeit.<br />

Es folgt ein Text zur Visualisierung im Requirements Engineering.<br />

Wir stellen zwei Beispiele vor, in denen auch mit Tools wie Excel<br />

<strong>und</strong> Powerpoint bei der Erarbeitung der Anforderungen in<br />

kurzer Zeit gute Resultate erzielt wurden.<br />

Im Beitrag z<strong>um</strong> Testen werden Testaufwandschätzungen als einfaches<br />

Mittel zur Effi zienzsteigerung präsentiert. Zudem wird gezeigt, dass auch<br />

das Nearshoring von Testaufgaben keinen grossen Initialaufwand<br />

verursachen muss.<br />

Der letzte Bericht widmet sich dem Thema Migrationen. Als einfache,<br />

aber wirksame Massnahme zur Risikominimierung wird in diesem<br />

vor, in denen... die Auswahl von Projektmitarbeitenden mit ausgepräg-<br />

ten Kommunikationsfähigkeiten vorgestellt.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.<br />

Herzlich<br />

Dominik Bischof


REQUIREMENTS ENGINEERING<br />

BEGEISTERN MIT BILDERN<br />

Gemeinsam erstellte Visualisierungen sorgen für Verständlichkeit<br />

VON DAVID KURMAN UND RETO GURINI 4<br />

REQUIREMENTS MANAGEMENT<br />

ES DARF AUCH EINMAL EXCEL SEIN<br />

Mit businessnaher Visualisierung zu widerspruchsfreien<br />

<strong>und</strong> vollständigen Anforderungen<br />

VON REMO MATHIS UND PATRIC LENGACHER 10<br />

TESTMANAGEMENT<br />

BESSER UND GÜNSTIGER TESTEN<br />

Kleiner Aufwand, grosser Nutzen: Testaufwandschätzung<br />

<strong>und</strong> Nearshoring<br />

VON MARCEL STOOP, STEFAN WEBER UND CÉDRIC ESCHER 16<br />

MIGRATIONEN<br />

SCHWEIGEN IST SILBER, REDEN IST GOLD<br />

Dank Soft Skills Kosten sparen <strong>und</strong> komplexe Projekte<br />

erfolgreich <strong>um</strong>setzen<br />

VON MARCO STÖCKLI UND PATRIK LUSTENBERGER 22<br />

Alle Artikel online: www.erni-consultants.com/experience<br />

EDITORIAL | INHALT 2 | 3


BEGEISTERN MIT BILDERN<br />

Gemeinsam erstellte Visualisierungen<br />

sorgen für Verständlichkeit<br />

Wissen wird heute<br />

oft mit Hilfe von<br />

Powerpoint weitergegeben.<br />

Arbeitsergebnisse werden<br />

mit einem Protokoll erfasst.<br />

Aber in beiden Fällen<br />

sind von Hand gezeichnete<br />

Visualisierungen, die während<br />

einer Sitzung oder<br />

eines Seminars entstehen,<br />

oft geeigneter. Sie sind<br />

verständlicher, verbindlicher<br />

<strong>und</strong> motivieren alle<br />

Teilnehmenden zur aktiven<br />

Mitarbeit.<br />

VON DAVID KURMAN UND RETO GURINI<br />

«Das Ende der Powerpoint-Parade» wurde<br />

vor einigen Monaten im Wirtschaftsteil<br />

der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»<br />

verkündet. Ähnliche Beiträge gab<br />

es auch in anderen Zeitungen <strong>und</strong> in<br />

Radiosendungen. Die Alternative zu<br />

Powerpoint, die dort vorgestellt wurde,<br />

heisst Visual Facilitation. Gemeint sind<br />

damit von Hand gezeichnete Visualisierungen,<br />

die während Gesprächen, Sitzungen<br />

oder auch Schulungen entstehen<br />

<strong>und</strong> die Ergebnisse mit Hilfe von<br />

Bildern <strong>und</strong> Metaphern festhalten.<br />

Noch ist es zu früh, von einem eigentlichen<br />

Trend zu sprechen. Doch die Methode<br />

findet mehr <strong>und</strong> mehr Anhänger.<br />

Dies mit gutem G<strong>r<strong>und</strong></strong>, denn Visual Facilitation<br />

bietet gleich mehrere Vorteile.<br />

Erstens sind die Teilnehmenden wesentlich<br />

aktiver als bei Powerpoint-Präsentationen<br />

oder beim Festhalten der Ergebnisse<br />

in einem Protokoll. In der Regel<br />

greifen sie selbst aktiv in die Gestaltung<br />

der Visualisierung ein. Verwendet man<br />

ein Flip-Chart oder ein Plakat an der<br />

Wand, stehen sie auf <strong>und</strong> zeichnen<br />

selbst Elemente ein oder kleben Post-it-<br />

Zettel auf. Solche Aktivitäten entwickeln<br />

eine Eigendynamik, der sich ka<strong>um</strong><br />

ein Teilnehmer zu entziehen vermag.<br />

Dies führt letztlich zu qualitativ besseren<br />

Arbeitsergebnissen, weil alle Teilnehmenden<br />

ihre Ideen einbringen.<br />

REQUIREMENTS ENGINEERING 4 | 5<br />

Gleichzeitig sind die Resultate auch besser<br />

in der Gruppe abgestützt.<br />

Zweitens lassen sich komplexe Zusammenhänge<br />

einfach aufzeigen <strong>und</strong> sind so<br />

für alle Beteiligten verständlich. Durch<br />

die visuelle Darstellung bleibt dabei stets<br />

der Gesamtzusammenhang im Blickfeld.<br />

Aufg<strong>r<strong>und</strong></strong> des beschränkten Platzes verliert<br />

man sich nicht in Details. So sorgt die<br />

Methode dafür, dass Dinge auf den Punkt<br />

gebracht werden. Die Plakate werden deswegen<br />

häufig nicht nur als visuelle Protokolle<br />

verwendet, die Arbeitsergebnisse<br />

festhalten, sondern dienen in Projekten<br />

immer wieder zur Orientierung.<br />

Drittens ist die Verbindlichkeit der<br />

Plakate grösser als jene von Wortprotokollen.<br />

Während solche Protokolle erst<br />

im Nachhinein entstehen <strong>und</strong> immer Interpretationsspielra<strong>um</strong><br />

bieten, ist das<br />

Plakat, das im Laufe einer Sitzung komplettiert<br />

wird, stets allen Teilnehmenden<br />

vor Augen. Da der Entwicklungsprozess<br />

transparent ist, ist auch stets klar, wie es<br />

zu einem Element oder einer Verbindung<br />

in der visuellen Darstellung kam.<br />

Dies lässt ka<strong>um</strong> Ra<strong>um</strong> für unterschiedliche<br />

Interpretationen.<br />

Die Vorteile von Visual Facilitation können<br />

in ganz unterschiedlichen Situationen<br />

genutzt werden, so für Workshops,<br />

Trainings, Coachings, aber auch in Akquisitionsgesprächen.


Die Alternative zu Powerpoint heisst Visual Facilitation.<br />

Gemeint sind damit von Hand gezeichnete Visualisierungen,<br />

die während Gesprächen, Sitzungen oder auch Schulungen<br />

entstehen <strong>und</strong> die Ergebnisse mit Hilfe von Bildern <strong>und</strong> Metaphern<br />

festhalten. Noch ist es zu früh, von einem eigentlichen<br />

Trend zu sprechen. Doch die Methode findet mehr <strong>und</strong> mehr<br />

Anhänger. Dies mit gutem G<strong>r<strong>und</strong></strong>: Erstens sind die Teilnehmenden<br />

wesentlich aktiver als bei Powerpoint-Präsentationen,<br />

zweitens lassen sich komplexe Zusammenhänge einfach aufzeigen<br />

<strong>und</strong> sind so für alle Beteiligten verständlich <strong>und</strong> drittens<br />

ist die Verbindlichkeit der Plakate grösser als jene<br />

von Wortprotokollen.<br />

Abb. 1: Visualisiertes Projekt-Vorgehensmodell –<br />

Phase 1 für den Know-how-Transfer<br />

REQUIREMENTS ENGINEERING 6 | 7<br />

Abb. 2: Projektvisualisierung: Einführung eines neuen Produktentwicklungsprozesses<br />

(inkl. Publikationen <strong>und</strong> <strong>Prozess</strong>trainings)


Die positive Aufnahme der Visualisierungen beruht<br />

auf mehreren Gründen. Die Methode führt<br />

zur aktiven Teilnahme zunächst skeptischer Teammitglieder.<br />

Mit Plakaten können darüber hinaus<br />

Begriffe unter den Beteiligten geklärt werden. Die<br />

Schnittstellen werden klar. Zudem sorgen visuelle<br />

Darstellungen dafür, dass nichts vergessen wird.<br />

Nicht zuletzt stellen die Plakate aber auch einen<br />

guten Einstiegspunkt für neue Mitarbeitende dar.<br />

Verbindlichkeit, Übersichtlichkeit <strong>und</strong> der aktive<br />

Einbezug aller Personen machen Visual Facilitation<br />

auch zu einer erfolgversprechenden Methode für<br />

Akquisitionsgespräche.


Beispiel 1<br />

VISUAL FACILITATION BEI DER<br />

ERARBEITUNG EINER PRODUKTPORT-<br />

FOLIOSTEUERUNG<br />

Ein Unternehmen aus dem Finanzbereich<br />

will den <strong>Prozess</strong> zur Steuerung des Produktportfolios<br />

neu konzipieren <strong>und</strong> mit<br />

einem neuen Tool unterstützen lassen.<br />

Wie der <strong>Prozess</strong> aussehen soll, ist zu Beginn<br />

nicht klar. In einer Serie von Workshops<br />

sollen die offenen Fragen geklärt<br />

werden.<br />

In den Workshops wird nach der Topdown<br />

Methode vorgegangen. Zuerst klären<br />

die drei bis fünf Teilnehmenden das<br />

Umfeld des <strong>Prozess</strong>es inklusive Input <strong>und</strong><br />

Output. Danach folgt die Identifikation<br />

der vier G<strong>r<strong>und</strong></strong>tätigkeiten Projektaufnahme,<br />

Projektführung, Projektabnahme <strong>und</strong><br />

kontinuierlicher Verbesserungsprozess.<br />

Auf der nächsten Stufe werden dann einzelne<br />

Tätigkeiten näher beschrieben. Bei<br />

sämtlichen Workshops gestalten die Teilnehmenden<br />

gemeinsam Plakate. Zwischen<br />

den Workshops werden auf deren Basis<br />

Reinzeichnungen erstellt. Daraus leitet<br />

man Roadmaps ab, die ebenfalls auf Plakaten<br />

dargestellt werden. Auf ihnen werden<br />

Fragen mit Post-it-Zetteln markiert <strong>und</strong><br />

zwischen den Workshops geklärt.<br />

Dass sich dieses Vorgehen bewährte, war<br />

im Unternehmen auf den ersten Blick zu<br />

sehen. Der <strong>Prozess</strong>verantwortliche hängte<br />

die Plakate hinter seinem Pult auf. Die positive<br />

Aufnahme der Visualisierungen beruhte<br />

auf mehreren Gründen. Die Methode<br />

hatte wie gewünscht auch zur aktiven<br />

Teilnahme zunächst skeptischer Teammitglieder<br />

geführt. Mit den Plakaten<br />

konnten darüber hinaus Begriffe unter<br />

den Beteiligten geklärt werden. Die<br />

Schnittstellen wurden klar. Zudem sorgte<br />

die visuelle Darstellung dafür, dass nichts<br />

vergessen wurde. Nicht zuletzt stellen die<br />

Plakate aber auch einen guten Einstiegspunkt<br />

für neue Mitarbeitende dar. Dies<br />

z<strong>um</strong> Beispiel für diejenigen, welche für<br />

die Evaluation des Tools zur Unterstützung<br />

des <strong>Prozess</strong>es zuständig waren. Verbindlichkeit,<br />

Übersichtlichkeit <strong>und</strong> der<br />

aktive Einbezug aller Personen machen<br />

Visual Facilitation auch zu einer erfolgversprechenden<br />

Methode für Akquisitionsgespräche.<br />

Beispiel 2<br />

AKQUISITION EINES ENTWICKLUNGS-<br />

PROJEKTS<br />

Eine IT-Firma soll Unterstützung in einem<br />

Entwicklungsprojekt leisten. Der zuständige<br />

K<strong>und</strong>enberater besucht den Interessenten<br />

ohne vorgefertigte Präsentation.<br />

Gemeinsam erarbeitet man auf einem<br />

kleinen Plakat eine Übersicht über die zu<br />

erledigenden Arbeiten. Metaphern sorgen<br />

dabei für eine leichtere Verständigung. So<br />

zeichnet der K<strong>und</strong>enberater ein Schiff ein<br />

<strong>und</strong> erläutert damit die verschiedenen<br />

Rollen, die sein Unternehmen im Projekt<br />

einnehmen kann. Es kann entweder beraten<br />

oder auch direkt mitarbeiten. Bezogen<br />

auf die Schiffsmetapher kann es entweder<br />

nur die Navigation übernehmen oder<br />

auch die Ruder <strong>und</strong> das Steuer.<br />

Der Interessent nahm die Methode sehr<br />

positiv auf. Durch die gemeinsame Erarbeitung<br />

fühlte er sich verstanden. Gleichzeitig<br />

konnte er das Plakat für die Kommunikation<br />

mit dem <strong>Management</strong> verwenden.<br />

So viele Vorteile die Methode auch bietet,<br />

sie stellt an die Mitarbeitenden, die sie<br />

verwenden wollen, zwei unverzichtbare<br />

REQUIREMENTS ENGINEERING 8 | 9<br />

Anforderungen. Die wichtigere betrifft die<br />

analytischen Fähigkeiten. Die rä<strong>um</strong>liche<br />

Darstellung auf Papier setzt voraus, dass<br />

die Mitarbeitenden Zusammenhänge <strong>und</strong><br />

Abhängigkeiten auf Anhieb visuell richtig<br />

darstellen können.<br />

Die zweite Voraussetzung betrifft die<br />

zeichnerischen Fähigkeiten. Je ansprechender<br />

das Plakat aussieht, desto besser<br />

ist die Wirkung. Dies lässt sich z<strong>um</strong> einen<br />

durch die richtige Wahl von Metaphern<br />

<strong>und</strong> Symbolen erreichen. Eine Glühbirne<br />

für eine Idee oder eine Haifischflosse zwischen<br />

stilisierten Wellen als Darstellung<br />

für Risiken sind einleuchtende <strong>und</strong> optisch<br />

attraktive Symbole, die recht einfach<br />

zu zeichnen sind. Darüber hinaus lässt<br />

sich einiges trainieren, wie z<strong>um</strong> Beispiel<br />

der Einsatz von Farben. Doch letztlich<br />

wird ein Visual Facilitator immer auch ein<br />

gewisses Mass an zeichnerischem Talent<br />

mitbringen müssen.<br />

<strong>ERNI</strong> – Innovation in Process and Technology<br />

DAVID KURMAN<br />

david.kurmann@erni.ch<br />

Tätigkeit:<br />

Training <strong>und</strong> Coaching,<br />

Process Improvement,<br />

Requirements Engineering<br />

RETO GURINI<br />

reto.gurini@<br />

swissengineeringinstitute.com<br />

Tätigkeit: Leiter Training,<br />

Bildungsmanagement, Trainer<br />

<strong>und</strong> <strong>Management</strong>entwicklung


ES DARF AUCH EINMAL<br />

EXCEL SEIN<br />

Mit businessnaher Visualisierung zu<br />

widerspruchsfreien <strong>und</strong> vollständigen Anforderungen<br />

Visualisierung spielt eine zentrale Rolle bei der Erhebung von Anforderungen.<br />

Denn durch sie bleiben die Ergebnisse für alle Stakeholder verständlich.<br />

Dafür muss man keine komplizierten <strong>Prozess</strong>managementtools verwenden.<br />

Mit einfachen Tools wie Excel <strong>und</strong> Powerpoint lassen sich bei der<br />

Erhebung von Anforderungen in kurzer Zeit gute Resultate erzielen.<br />

VON REMO MATHIS UND PATRIC LENGACHER<br />

Das Erarbeiten von Anforderungen ist<br />

eine wichtige Phase in der Softwareentwicklung.<br />

Werden die Weichen hier<br />

falsch gestellt, entdeckt man die daraus<br />

resultierenden Fehler erst spät. Verschärft<br />

hat sich diese Situation noch<br />

durch das Outsourcing von Entwicklungsaufgaben.<br />

Sind bei solchen Projekten<br />

die Anforderungen nicht wasserdicht,<br />

sind Unstimmigkeiten <strong>und</strong> höhere<br />

Kosten vorprogrammiert.<br />

Erfahrungen zeigen, dass man bei der Erarbeitung<br />

der Anforderungen ein pragmatisches<br />

Vorgehen wählen sollte, welches<br />

zur eigenen Organisation <strong>und</strong> zu den verfügbaren<br />

Ressourcen passt. Auf diese Weise<br />

lassen sich mit verblüffend einfachen<br />

Mitteln gute Resultate erzielen.<br />

Beispiel 1<br />

EXCEL ALS TOOL FÜR DIE ERARBEI-<br />

TUNG VON ANFORDERUNGEN<br />

Bei einem Industrieunternehmen steht<br />

die Beschaffung eines Tools zur Unterstützung<br />

von <strong>Prozess</strong>en an. Als erster Schritt<br />

werden 25 Mitarbeitende in Sachen Re-<br />

quirements <strong>Management</strong> geschult. Aus<br />

den Teilnehmenden des dreitägigen Kurses<br />

wird ein Kernteam mit acht Mitgliedern<br />

aus verschiedenen Abteilungen gebildet.<br />

Sie sind am End-to-End-<strong>Prozess</strong> des<br />

entsprechenden Produkts beteiligt. Hinzu<br />

kommt ein externer Coach.<br />

Da das Unternehmen nicht über erfahrene<br />

Interviewer verfügte, verwarf man<br />

das häufig gewählte Vorgehen, in einem<br />

ersten Schritt Anforderungen mit Hilfe<br />

von Interviews zu erheben. Stattdessen<br />

machte man sich die im Kernteam vorhandenen<br />

Kompetenzen gezielt zu Nutze.<br />

Ein Mitglied des Teams war ein Business<br />

Process Manager. Mit seiner Hilfe<br />

wurden in Workshops die für das neue<br />

Tool relevanten <strong>Prozess</strong>e modelliert.<br />

Ein wichtiges Hilfsmittel bildeten Use<br />

Cases. Von ihnen ausgehend konnte man<br />

nicht nur die Interaktionen zwischen Benutzer<br />

<strong>und</strong> System festlegen, sondern<br />

auch die notwendigen Vorbedingungen<br />

sowie das Endergebnis. <strong>Prozess</strong>e <strong>und</strong> Use<br />

Cases wurden mit Excel visualisiert (siehe<br />

Abbildung 1). Aus den Use Cases konnten<br />

dann einfach die Anforderungen abgeleitet<br />

werden. Damit waren die G<strong>r<strong>und</strong></strong>lagen<br />

für die Toolevaluation geschaffen.<br />

REQUIREMENTS MANAGEMENT 10 | 11


SUP OSR SYSTEM<br />

Abb. 1: Einfache <strong>Prozess</strong>- <strong>und</strong> Use-Case-Modellierung in Excel<br />

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T<br />

ID<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

Phase<br />

<strong>Prozess</strong><br />

Verkauf<br />

Abb. 2: Beispiel einer <strong>Prozess</strong>übersicht im Fehlerfall<br />

Exec<br />

Measur.<br />

VK-Innendienst<br />

Planung<br />

System<br />

Error<br />

Konstruktions-Dis<br />

El. Eng.<br />

Validate<br />

Error<br />

Mech. Eng.<br />

Einkauf<br />

Buchhaltung<br />

Login<br />

Support<br />

Input / Interface<br />

K<strong>und</strong>enanforderung<br />

U V W<br />

<strong>Prozess</strong> Beispiel<br />

X Y<br />

Offertuntrelagen, ähnliche<br />

bestehende bauteile<br />

Zeichnung,<br />

Fix<br />

Error<br />

Upd.<br />

System<br />

Source<br />

Verkauf<br />

El. Eng.<br />

Exec<br />

Systemtest<br />

Start<br />

Systemtest<br />

Activity<br />

Bestellung Beispielprodukt<br />

El. Berechnung erstellen, falls in Offertstadi<strong>um</strong> noch<br />

nicht geschehen<br />

Detailkonstruktion erstellen<br />

Zeichnungen <strong>und</strong> Massblatt erstellen<br />

Materialstamm anlegen<br />

Stücklisten anlegen<br />

Workflow starten zur Abklärung d. Preise (Schätzung)<br />

Show<br />

Result<br />

Validate<br />

Result<br />

Trans<br />

Result<br />

Report<br />

Result<br />

Restart<br />

System<br />

Normal<br />

Use<br />

Erfahrungen zeigen, dass man bei der Erarbeitung der Anforderungen<br />

ein pragmatisches Vorgehen wählen sollte, das zur<br />

eigenen Organisation <strong>und</strong> zu den verfügbaren Ressourcen passt.<br />

Auf diese Weise lassen sich mit verblüffend einfachen Mitteln<br />

gute Resultate erzielen.<br />

System<br />

OfferTool El. Berechnung<br />

KonsTool<br />

Output / Interface<br />

-Liste zu


In diesem Fall erwies sich Excel gleich aus<br />

mehreren Gründen als passendes Tool.<br />

Zunächst entstand eine verständliche,<br />

businessnahe Darstellung der <strong>Prozess</strong>e.<br />

Sie konnte zudem auch noch über mehrere<br />

Seiten übersichtlich ausgedruckt werden.<br />

Des Weiteren klärten sich durch die<br />

gemeinsame Erarbeitung nach <strong>und</strong> nach<br />

der Scope <strong>und</strong> die Verwendung des geplanten<br />

Tools. Schliesslich stand Excel allen<br />

Teammitgliedern zur Verfügung <strong>und</strong><br />

es fielen durch dessen Verwendung keine<br />

zusätzlichen Lizenzgebühren an. Allerdings<br />

hat Excel Grenzen. Zusammenhänge<br />

zwischen <strong>Prozess</strong>en etwa können prak-<br />

tisch nicht dargestellt werden. Das Programm<br />

eignet sich deswegen vor allem für<br />

das Erheben von Anforderungen in kleineren<br />

Projekten wie jenen aus Beispiel 1.<br />

Doch auch wenn es Komplexität zu bewältigen<br />

gilt, muss nicht immer ein dediziertes<br />

Projektmanagementtool z<strong>um</strong><br />

Einsatz kommen. In solchen Fällen ist es<br />

vor allem wichtig, dass man durch eine<br />

geeignete Visualisierung den Überblick<br />

behält. Dabei muss diese Visualisierung<br />

für alle Stakeholder verständlich sein.<br />

Die notwendige businessnahe Visualisierung<br />

kann gut auch mit Powerpoint er-<br />

REQUIREMENTS MANAGEMENT 12 | 13<br />

stellt werden. Solche Darstellungen sind<br />

oft verständlicher als z<strong>um</strong> Beispiel komplexe<br />

Aktivitätsdiagramme.<br />

Beispiel 2<br />

KONSOLIDIERUNG VON MEHREREN<br />

HUNDERT ANFORDERUNGEN<br />

Ein Industrieunternehmen entwickelt<br />

ein komplexes Gerät. Man hat aus den<br />

Erfahrungen der Vergangenheit gelernt<br />

<strong>und</strong> geht bei der Erarbeitung der Anforderungen<br />

besonders gründlich vor. Der<br />

internationale Produktmanager erhebt


Abb. 3: Übersicht mit dem eigentlichen System <strong>und</strong> einzelnen Schnittstellen<br />

Keyboard<br />

Scanner<br />

Touch<br />

Input<br />

Power<br />

Die beiden Beispiele zeigen, dass sich in bestimmten<br />

Situationen im Requirements Engineering gute Ergebnisse<br />

mit einfachen Tools erzielen lassen. Die Qualität der<br />

Anforderungen hängt nicht vom verwendeten Werkzeug ab,<br />

sondern davon, ob die Anforderungen für alle Stakeholder<br />

verständlich sind.<br />

Show<br />

Print<br />

PC Interf. SYSTEM<br />

Speaker<br />

RFID<br />

Periphery<br />

SCREEN<br />

DOCUMENT<br />

SOFTWARE<br />

STORAGE<br />

Receive CONNECT<br />

Send<br />

Paper<br />

Result


K<strong>und</strong>enanforderungen <strong>und</strong> leitet sie<br />

weiter. Gleichzeitig steuern verschiedene<br />

Abteilungen im Unternehmen ihre<br />

Anforderungen bei. Eine dritte Quelle<br />

sind die bereits erarbeiteten Anforderungen<br />

eines ähnlichen Geräts, welches<br />

sich in der Entwicklung befindet.<br />

Auf diese Weise kommen über 400 Anforderungen<br />

zusammen. Nach dem<br />

Sammeln der Anforderungen aus den<br />

verschiedenen Quellen müssen diese in<br />

einem zweiten Schritt konsolidiert werden.<br />

Das Ziel ist eine vollständige <strong>und</strong><br />

widerspruchsfreie Liste, die gleichzeitig<br />

keine überflüssigen Anforderungen<br />

enthält.<br />

Möglich wurde die Konsolidierung<br />

durch eine businessnahe Visualisierung<br />

auf <strong>Prozess</strong>ebene. Dazu wurden in einem<br />

ersten Schritt die <strong>Prozess</strong>e erfasst,<br />

die das neue Gerät ermöglichen sollte.<br />

Die G<strong>r<strong>und</strong></strong>lage bildeten K<strong>und</strong>enanforderungen<br />

sowie Ergebnisse, die der internationale<br />

Projektmanager gemeinsam<br />

mit dem Requirements Manager<br />

erarbeitet hatte. Die einzelnen <strong>Prozess</strong>e<br />

mit ihren Schritten wurden mit Powerpoint-Slides<br />

übersichtlich dargestellt.<br />

Dann wurden die Anforderungen auf<br />

diese Visualisierungen der <strong>Prozess</strong>e abgebildet<br />

(siehe Abbildung 2).<br />

Einige Anforderungen konnten auf diese<br />

Weise nicht abgebildet werden. Sie<br />

betrafen Voraussetzungen wie z<strong>um</strong> Beispiel<br />

das Vorhandensein einer Stromversorgung.<br />

Diese Anforderungen wurden<br />

zusammengefasst <strong>und</strong> für das Erstellen<br />

einer Systemübersicht genutzt.<br />

Die Systemübersicht wieder<strong>um</strong> wurde<br />

mit Hilfe von Powerpoint dargestellt,<br />

<strong>und</strong> die Anforderungen wurden den<br />

einzelnen Komponenten zugeordnet<br />

(siehe Abbildung 3).<br />

In Workshops wurden dann die Anforderungen<br />

mit Hilfe der für alle verständlichen<br />

Visualisierung bereinigt.<br />

Man identifizierte Red<strong>und</strong>anzen <strong>und</strong><br />

Widersprüche. Die Zahl der Anforderungen<br />

sank deutlich, obwohl gleichzeitig<br />

einige Lücken zu Tage traten welche<br />

somit noch geschlossen werden<br />

konnten.<br />

Die beiden Beispiele zeigen, dass sich in<br />

bestimmten Situationen im Requirements<br />

Engineering gute Ergebnisse mit<br />

einfachen Tools erzielen lassen. Die<br />

Qualität der Anforderungen hängt<br />

nicht vom verwendeten Werkzeug ab,<br />

sondern davon, ob die Anforderungen<br />

für alle Stakeholder verständlich sind.<br />

Diese Verständlichkeit ist unter Umständen<br />

mit Excel oder Powerpoint besser<br />

herzustellen als mit manchem<br />

High-End-Produkt. Kommt hinzu, dass<br />

die Tools auch einfach verwendet werden<br />

können <strong>und</strong> keine zusätzlichen<br />

Kosten verursachen. Vor dem Einsatz<br />

eines spezifischen Tools kann es sich<br />

daher lohnen, einfachere Alternativen<br />

zu prüfen.<br />

<strong>ERNI</strong> – Innovation in Process and Technology<br />

REMO MATHIS<br />

remo.mathis@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Project <strong>Management</strong>, Performance<br />

<strong>Management</strong>, Workshop-Moderation<br />

<strong>und</strong> Coaching<br />

PATRIC LENGACHER<br />

patric.lengacher@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Requirements Engineering,<br />

Project <strong>Management</strong><br />

REQUIREMENTS MANAGEMENT 14 | 15


BESSER UND GÜNSTIGER TESTEN<br />

Kleiner Aufwand, grosser Nutzen:<br />

Testaufwandschätzung <strong>und</strong> Nearshoring<br />

Mit der Komplexität neuer<br />

Software steigt die Bedeutung<br />

des Testens. Gleichzeitig<br />

stehen Unternehmen unter<br />

Zeit- <strong>und</strong> Kostendruck.<br />

Testaufwandschätzungen <strong>und</strong><br />

Nearshoring sind sehr unterschiedliche<br />

Massnahmen,<br />

die aber beide diesen Voraussetzungen<br />

Rechnung tragen.<br />

Sie senken die Kosten <strong>und</strong><br />

verbessern gleichzeitig die<br />

Qualität.<br />

VON MARCEL STOOP, STEFAN WEBER<br />

UND CÉDRIC ESCHER<br />

Das Bewusstsein für die Bedeutung des<br />

Testens ist in den letzten Jahren gewachsen.<br />

Dahinter steht ein simples ökonomisches<br />

Fakt<strong>um</strong>. Fehler, die beim Testen entdeckt<br />

werden, sind wesentlich günstiger<br />

zu beheben, als Fehler, die erst im produktiven<br />

Betrieb bemerkt werden. Hinzu<br />

kommt der Reputationsschaden, der<br />

durch fehlerhafte neue Produkte entsteht.<br />

Andererseits ist es auch möglich, wenn<br />

man die Fehlerkosten <strong>und</strong> Testkosten betrachtet,<br />

zu viel zu testen. Denn je mehr<br />

getestet wird, desto höher wird der Aufwand<br />

pro weiterem gef<strong>und</strong>enen Fehler<br />

<strong>und</strong> damit steigen auch die Testkosten<br />

(siehe Abbildung 1).<br />

Mit einer f<strong>und</strong>ierten Testaufwandschätzung<br />

lässt sich beides (zu wenig <strong>und</strong>/oder<br />

zu viel Testen) vermeiden. Sie hat z<strong>um</strong><br />

Ziel, die Test-Intensität (Testaufwand)<br />

ökonomisch sinnvoll wählen zu können,<br />

<strong>um</strong> damit die S<strong>um</strong>me von Testkosten<br />

<strong>und</strong> Fehlerkosten zu minimieren. Für die<br />

Schätzung steht eine ganze Reihe von<br />

Methoden zur Verfügung. Sie reichen<br />

von sehr aufwändigen Ansätzen wie Testpunktanalyse<br />

(TPA) <strong>und</strong> Funktionspunktanalyse<br />

(FPA) bis zu sehr einfachen Vorgehensweisen.<br />

Z<strong>um</strong> Beispiel wird der<br />

Testaufwand häufig auf 40 Prozent des<br />

Entwicklungsaufwands geschätzt.<br />

Die komplexeren Methoden erfordern<br />

relativ grossen Aufwand <strong>und</strong> bleiben<br />

dennoch letztlich subjektiv, denn auch<br />

diese Methoden machen Gebrauch von<br />

subjektiv erzeugten Umrechnungsfaktoren.<br />

Ein besser geeigneter Ansatz geht<br />

von bestehenden Erfahrungen aus <strong>und</strong><br />

liefert aufg<strong>r<strong>und</strong></strong> leicht ermittelbarer Ba-<br />

sisgrössen <strong>und</strong> mit Hilfe einfacher,<br />

nachvollziehbarer Formeln eine realistische<br />

Aufwandschätzung.<br />

Voraussetzung für die Realitätsnähe einer<br />

solchen Schätzung ist die Differenzierung<br />

des Testens in die fünf Aufgaben<br />

<strong>Management</strong>, Vorbereitung, Design,<br />

Ausführung <strong>und</strong> Abschluss. Für jede dieser<br />

Aufgaben wird der Aufwand zunächst<br />

einzeln abgeschätzt. Dabei wird<br />

auf Erfahrungswerte zurückgegriffen,<br />

die mit Indikatoren für die Grösse des<br />

Projektes multipliziert werden.<br />

Beim Testdesign z<strong>um</strong> Beispiel lautet entsprechende<br />

Formel:<br />

(Anzahl Testfälle pro Requirement<br />

x Anzahl Requirements)<br />

x Designzeit für einen einzelnen Testfall.<br />

Die Anzahl Requirements stellt in diesem<br />

Fall den Indikator für die Grösse des Projekts<br />

dar. Die beiden anderen Variablen<br />

beruhen auf Erfahrungen, die in zurückliegenden<br />

Projekten gesammelt wurden.<br />

Beginnt man erstmalig mit dieser<br />

Testaufwandschätzungsmethode, kann<br />

man die Erfahrungswerte von Testern<br />

mit langjähriger Praxis schätzen lassen.<br />

Die realen Werte können dann bei jedem<br />

neuen Projekt erfasst werden. Damit<br />

wird die Schätzung von Projekt zu<br />

Projekt realitätsnäher.<br />

Beim Beispiel Testdesign etwa müssen<br />

bei den Projekten jeweils die Anzahl<br />

kreierter Testfälle, die Gesamtzeit für<br />

die Entwicklung <strong>und</strong> Erfassung dieser<br />

Testfälle, die Zahl der Requirements,<br />

die den Testfällen zu G<strong>r<strong>und</strong></strong>e liegen.<br />

Sammelt man diese Werte, erhält man<br />

schon nach wenigen Projekten mit Hil-


Ein besser geeigneter Ansatz geht von bestehenden<br />

Erfahrungen aus <strong>und</strong> liefert aufg<strong>r<strong>und</strong></strong> leicht<br />

ermittelbarer Basisgrössen <strong>und</strong> mit Hilfe einfacher,<br />

nachvollziehbarer Formeln eine realistische Aufwandschätzung.<br />

Voraussetzung für die Realitätsnähe<br />

einer solchen Schätzung ist die Differenzierung<br />

des Testens in die fünf Aufgaben <strong>Management</strong>,<br />

Vorbereitung, Design, Ausführung <strong>und</strong><br />

Abschluss.<br />

TESTMANAGEMENT 16 | 17


Abb. 1: Verhältnis zwischen Test- <strong>und</strong> Fehlerkosten<br />

KOSTEN<br />

OPTIMUM<br />

Testkosten<br />

Fehlerkosten<br />

AUFWAND<br />

Das Verhältnis zwischen Aufwand <strong>und</strong> Ertrag bei der Einführung<br />

der Testaufwandschätzung ist attraktiv. Der Nutzen<br />

steigt noch dazu mit jedem Projekt, dessen Daten erfasst<br />

<strong>und</strong> für die Schätzung verwendet werden.<br />

Ein solches attraktives Verhältnis kennzeichnet auch das<br />

Nearshoring von Testaufgaben, so verschieden es sonst von<br />

der Testaufwandschätzung sein mag. Für Einsparungen sorgen<br />

beim Nearshoring nicht nur die niedrigeren Löhne der<br />

Tester in Osteuropa, sondern auch die Flexibilität der ausgelagerten<br />

Teams. Der Auftraggeber bezahlt nur für die geleistete<br />

Arbeit <strong>und</strong> muss nicht selbst permanent Ressourcen<br />

bereithalten. Bei Nachfragespitzen ist es zudem möglich zu<br />

skalieren.


fe der oben angeführten Formel eine<br />

realistische Abschätzung des Testdesignaufwandes.<br />

Beispiel 1<br />

EINFÜHRUNG EINER TESTAUFWAND-<br />

SCHÄTZUNG<br />

Ein Industrieunternehmen plant eine Methode<br />

für Testaufwandschätzungen einzuführen.<br />

Es lässt einen <strong>um</strong>fassenden Vorschlag<br />

erarbeiten, der auf der oben vorgestellten<br />

Methode beruht. Die Einführung<br />

erfolgte schrittweise. Dabei wurden die<br />

systematisch zu erfassenden Daten in einem<br />

projektübergreifenden Excel-Sheet<br />

festgehalten. Die Formeln wurden in das<br />

Formular eingesetzt, so dass die Schätzung<br />

quasi automatisch erfolgt.<br />

Das Beispiel zeigt, dass die Einführung<br />

der erfahrungsbasierten Methode nur<br />

begrenzten Aufwand auslöst <strong>und</strong> dieser<br />

noch durch schrittweises Vorgehen auf<br />

einen längeren Zeitra<strong>um</strong> verteilt werden<br />

kann. Die eigentliche Schätzung<br />

selbst erfolgt dann mit Hilfe der Formeln<br />

in einem Excel-Sheet sogar automatisch.<br />

Die Vorteile, die diesem sehr<br />

begrenzten Aufwand gegenüberstehen,<br />

sind bedeutend:<br />

• Die S<strong>um</strong>me von Test- <strong>und</strong> Fehlerkosten<br />

kann optimiert werden.<br />

• Der Aufwand für das Testen wird für<br />

alle Stakeholder transparent.<br />

• Innerhalb eines Unternehmens wird<br />

über alle Projekte hinweg eine einheitliche<br />

Schätzungsmethode verwendet.<br />

• Es wird ersichtlich, welche Testqualität<br />

bei welchem Aufwand geliefert<br />

werden kann.<br />

Das Verhältnis zwischen Aufwand <strong>und</strong><br />

Ertrag bei der Einführung der Testaufwandschätzung<br />

ist attraktiv. Der Nutzen<br />

steigt noch dazu mit jedem Projekt, dessen<br />

Daten erfasst <strong>und</strong> für die Schätzung<br />

verwendet werden.<br />

Ein solches attraktives Verhältnis kennzeichnet<br />

auch das Nearshoring von Testaufgaben,<br />

so verschieden es sonst von<br />

TESTMANAGEMENT 18 | 19<br />

der Testaufwandschätzung sein mag.<br />

Für Einsparungen sorgen beim Nearshoring<br />

nicht nur die niedrigeren<br />

Löhne der Tester in Osteuropa, sondern<br />

auch die Flexibilität der ausgelagerten<br />

Teams. Der Auftraggeber bezahlt nur für<br />

die geleistete Arbeit <strong>und</strong> muss nicht<br />

selbst permanent Ressourcen bereithalten.<br />

Bei Nachfragespitzen ist es zudem<br />

möglich zu skalieren.<br />

Diese Vorteile sind relativ leicht zu erreichen.<br />

Die Einführung von Nearshoring<br />

kann rasch absolviert werden, wenn ein<br />

Unternehmen über einen gut funktionierenden<br />

Testprozess verfügt.<br />

Beispiel 2<br />

ÜBERGABE DES TESTENS AN EINEN<br />

NEARSHORING-PARTNER<br />

In einem Grossunternehmen aus der Finanzbranche<br />

sollen Regressionstests <strong>und</strong><br />

automatisierte Tests an einen Nearshoring-<br />

Partner übergeben werden. Das Unternehmen<br />

verfügt über einen gut eingespielten


Das Beispiel zeigt, wie eingespielt die Übergabe<br />

von Testaufgaben an Nearshoring-Partner ist <strong>und</strong><br />

wie wenig Aufwand sie verursacht. Diesem Aufwand<br />

stehen niedrigere Kosten <strong>und</strong> eine bessere<br />

Skalierbarkeit des Testteams als Nutzen gegenüber.<br />

Daraus ergibt sich auch eine bessere Qualität,<br />

da selbst bei enger Terminplanung genug<br />

Ressourcen z<strong>um</strong> Testen zur Verfügung stehen.<br />

Die Qualität wird gesteigert, weil ausgelagerte<br />

Testteams klare Eingangskriterien für ihre Arbeit<br />

verwenden. Dies führt zu weniger Missverständnissen<br />

zwischen Entwicklern <strong>und</strong> Testern, was das<br />

Risiko von unentdeckten Fehlern senkt.


Testprozess. Sämtliche Beteiligte haben<br />

das gleiche Verständnis von Rollen <strong>und</strong><br />

<strong>Prozess</strong>schritten. Allerdings ist der <strong>Prozess</strong><br />

wenig formalisiert.<br />

In der Startphase wird ein sehr erfahrener<br />

Seniortester mit dem Business- <strong>und</strong><br />

dem Testteam des Grossunternehmens<br />

zusammengebracht. Der Nearshoring-<br />

Partner übernimmt die Organisation<br />

des Aufenthalts vor Ort beim K<strong>und</strong>en.<br />

Das Grossunternehmen sorgt dafür, dass<br />

der Seniortester mit sämtlichen wichtigen<br />

Beteiligten sprechen <strong>und</strong> so das<br />

Know-how optimal aufbauen bzw. übergeben<br />

kann. Teil dieses Know-how-Aufbaus<br />

ist auch die Integration des Seniortesters<br />

in das bestehende Testteam <strong>und</strong><br />

seine Mitarbeit bei der Testdurchführung.<br />

Dank der guten Einbindung <strong>und</strong><br />

der grossen Erfahrung des Seniortesters<br />

kann der Know-how-Aufbau vor Ort bereits<br />

nach drei Wochen erfolgreich abgeschlossen<br />

werden.<br />

Anschliessend baut der Nearshoring-<br />

Partner zusammen mit dem Seniortester<br />

in Osteuropa ein Testteam auf. Gleichzeitig<br />

wird der Zugriff auf die Testinfrastruktur<br />

geregelt. Die Tester greifen mit K<strong>und</strong>enotebooks<br />

remote auf die Infrastruktur<br />

am Sitz des K<strong>und</strong>en zu. Heute stehen<br />

insgesamt bis zu drei Tester bereit, so dass<br />

auch Nachfragespitzen abgefangen werden<br />

können. Die Kommunikation mit<br />

den Teams (verschiedene Entwicklungsteams),<br />

den IT- <strong>und</strong> Entwicklungsverantwortlichen<br />

sowie Vertretern aus<br />

dem Business des Grossunternehmens ist<br />

intensiv. Jede Woche finden virtuelle Statusmeetings<br />

statt. Zudem wird praktisch<br />

täglich telefoniert. Zur Qualitätssicherung<br />

werden semesterweise Qualitätschecks<br />

durchgeführt. Diese werden<br />

mit dem K<strong>und</strong>en besprochen <strong>und</strong> garan-<br />

tieren einen nachhaltigen, den Bedürfnissen<br />

entsprechenden Service.<br />

Das Beispiel zeigt, wie eingespielt die<br />

Übergabe von Testaufgaben an Nearshoring-Partner<br />

unterdessen ist <strong>und</strong> wie<br />

wenig Aufwand sie verursacht. Diesem<br />

Aufwand stehen niedrigere Kosten – <strong>um</strong><br />

etwa 50 Prozent – <strong>und</strong> eine bessere Skalierbarkeit<br />

des Testteams als Nutzen gegenüber.<br />

Daraus ergibt sich auch eine<br />

bessere Qualität, da selbst bei enger Terminplanung<br />

genug Ressourcen z<strong>um</strong> Testen<br />

zur Verfügung stehen. Die Qualität<br />

wird darüber hinaus gesteigert, weil ausgelagerte<br />

Testteams klare Eingangskriterien<br />

für ihre Arbeit verwenden. Dies<br />

führt zu weniger Missverständnissen<br />

zwischen Entwicklern <strong>und</strong> Testern, was<br />

das Risiko von unentdeckten Fehlern<br />

senkt.<br />

Wie die Testaufwandschätzung stellt<br />

auch das Nearshoring eine Massnahme<br />

mit einem attraktiven Kosten-Nutzen-<br />

Profil dar. Beide Massnahmen zeigen,<br />

dass heute mehrere Möglichkeiten zur<br />

Verfügung stehen, die den scheinbar paradoxen<br />

Anforderungen von besseren<br />

Tests <strong>und</strong> zu senkenden Kosten gleichzeitig<br />

gerecht werden.<br />

TESTMANAGEMENT 20 | 21<br />

<strong>ERNI</strong> – Innovation in Process and Technology<br />

MARCEL STOOP<br />

marcel.stoop@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Test Process Improvement,<br />

Testmanager, Testdesigner,<br />

Training<br />

STEFAN WEBER<br />

stefan.weber@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Process Improvement, Project<br />

<strong>Management</strong>, Test <strong>Management</strong><br />

<strong>und</strong> Workshop-Moderation<br />

CÉDRIC ESCHER<br />

cedric.escher@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Software Engineering,<br />

Project <strong>Management</strong>,<br />

Nearshoring


SCHWEIGEN IST SILBER,<br />

REDEN IST GOLD<br />

Dank Soft Skills Kosten sparen <strong>und</strong><br />

komplexe Projekte erfolgreich <strong>um</strong>setzen<br />

Migrationsprojekte, die ein<br />

Unternehmen fit für die<br />

nächsten Jahre machen sollen,<br />

erfordern viel spezifisches<br />

Wissen. Sollen die Projekte<br />

erfolgreich sein, muss man<br />

aber auch für einen fruchtbaren<br />

Austausch der Spezialisten<br />

sorgen <strong>und</strong> dies über die<br />

gesamte Projektdauer hinweg.<br />

Mitarbeiter, die über die notwendigen<br />

Soft Skills verfügen,<br />

<strong>um</strong> die Kommunikation der<br />

Spezialisten in Gang zu setzen,<br />

gehören deswegen in das<br />

Team von jedem komplexen<br />

Projekt.<br />

VON MARCO STÖCKLI<br />

UND PATRIK LUSTENBERGER<br />

IT-Landschaften entwickeln sich laufend<br />

weiter. Nicht immer reichen einfache<br />

Updates, <strong>um</strong> die Systeme auf den neuesten<br />

Stand zu bringen. Dann sind Migrationen<br />

unvermeidlich. Sie stellen praktisch<br />

immer eine Herausforderung dar,<br />

schliesslich soll das System im laufenden<br />

Betrieb wesentlich verändert werden. Zudem<br />

muss die gewählte Technologie zukunftsfähig<br />

sein, da sie die Basis für einen<br />

längeren Zeitra<strong>um</strong> bilden soll.<br />

Deswegen werden in der Regel erfahrene<br />

Fachleute von aussen hinzugezogen. Dabei<br />

ist von Bedeutung, dass nicht nur<br />

technische Spezialisten das Team verstärken,<br />

sondern auch Fachleute mit ausgeprägten<br />

Soft Skills. Zwar sind spezialisierte<br />

Techniker für Migrationen unabdingbar.<br />

Sie verfügen über Erfahrung mit den<br />

Projekten <strong>und</strong> kennen die Best Practices.<br />

Um die Kompetenz von Spezialisten voll<br />

zu nutzen, muss allerdings der Austausch<br />

zwischen ihnen <strong>und</strong> der Business-Seite<br />

sichergestellt werden. Um diesen Austausch<br />

anzuregen, braucht es Teammitglieder<br />

mit ausgeprägten Projektmanagementfähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Soft Skills. Wie<br />

gross der Nutzen sein kann, zeigt das folgende<br />

Beispiel. In diesem Fall war es der<br />

Requirements Engineer, der für den Austausch<br />

verschiedener Beteiligter sorgte.<br />

MIGRATIONEN 22 | 23<br />

Beispiel 1<br />

AUSTAUSCH BEIM REQUIREMENTS<br />

ENGINEERING<br />

In einem Unternehmen wird eine Internetlösung<br />

migriert. Nach einer groben<br />

Erfassung von möglichen Anforderungen<br />

bei den Business-Fachleuten veranstaltet<br />

der Requirements Engineer einen<br />

Workshop. Anwesend sind neben dem<br />

Produktverantwortlichen auch verschiedene<br />

IT-Fachleute. Die Entwickler<br />

bringen viele gute Ideen ein <strong>und</strong> geben<br />

Hinweise auf den Aufwand, den bestimmte<br />

Anforderungen auslösen würden.<br />

Unter anderem diskutiert man gemeinsam<br />

über verschiedene Ideen, <strong>um</strong><br />

Produkte auf dem Bildschirm darzustellen.<br />

Die ursprünglichen Anforderungen<br />

hätten dazu geführt, dass Websitebesucher<br />

viel hätten scrollen müssen, <strong>um</strong><br />

alle Produkte zu sehen. Es sind schliesslich<br />

Entwickler, die vorschlagen, stattdessen<br />

mit Tabs zu arbeiten. Auf diese<br />

Weise können die Website-Besucher mit<br />

einem Klick zwischen den verschiedenen<br />

Produkten wechseln. Der Vorschlag<br />

leuchtet dem Produktverantwortlichen<br />

ein <strong>und</strong> wird entsprechend <strong>um</strong>gesetzt.<br />

Zudem haben nun auch Mitarbeitende,<br />

die für Architektur, Design <strong>und</strong> Entwicklung<br />

zuständig sind, präzisere Vorgaben<br />

<strong>und</strong> können deshalb besser einschätzen,<br />

was der Produktverantwortliche<br />

will.


Der Austausch in der Phase des Requirements<br />

Engineering führt nicht nur zu besseren Lösungen,<br />

sondern ermöglicht auch Kosteneinsparungen.<br />

Denn im Dialog lassen sich sinnvolle Kompromisse<br />

zwischen Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> technischem<br />

Aufwand fi nden.


Abb. 1: Kompetenz-Rad eines Consultants<br />

Soziale<br />

Interaktion<br />

Beziehungsorientierung<br />

Selbstkompetenz<br />

Leistungsorientierung<br />

Informationserschliessung<br />

<strong>und</strong> Problemlösung<br />

Logische<br />

Intelligenz<br />

Branchenkompetenz<br />

Fachkompetenz<br />

Fähigkeit zur<br />

Anpassung an<br />

die Umwelt<br />

Abb. 2: Vertrauensförderung durch Testing<br />

Vertrauen<br />

des K<strong>und</strong>en<br />

hoch<br />

bedingt<br />

vorhanden<br />

gering<br />

Unit-<br />

Tests<br />

Automatisierte<br />

Software-Tests<br />

Systemkompetenz<br />

Teamfähigkeit<br />

Methodenkompetenz<br />

Manuelle End-to-<br />

End-Regressionstests<br />

Typische Schlüsselanforderungen<br />

im Stellenprofi l<br />

der K<strong>und</strong>en<br />

Ergänzende Kompetenzen<br />

(Persönlichkeit, Charakter,<br />

Netzwerk, Emotionen)<br />

User-<br />

Acceptance-Tests<br />

Tests<br />

MIGRATIONEN 24 | 25<br />

Am Anfang von Projekten<br />

ist die Hebelwirkung des<br />

Austausches besonders<br />

gross. Doch gerade bei<br />

komplexen Vorhaben ist<br />

es entscheidend, den Austausch<br />

über den ganzen<br />

Projektverlauf aufrecht zu<br />

erhalten. Solche Projekte<br />

lassen sich nicht komplett<br />

durchplanen. Es tauchen<br />

immer Aufgabenfelder auf,<br />

die sich nicht einfach abarbeiten<br />

lassen, sondern im<br />

engen Kontakt mit den<br />

Stakeholdern erst einmal<br />

geklärt werden müssen,<br />

bevor sie technisch gelöst<br />

werden können. In solchen<br />

Situationen sind Mitarbeitende<br />

im Vorteil, die über<br />

genügend Soft Skills verfügen.


Wer über eine gute Sozialkompetenz <strong>und</strong> einen<br />

technischen Backgro<strong>und</strong> verfügt, ist auch in der<br />

Lage, sich schnell in technische Spezialgebiete<br />

einzuarbeiten. Rekrutiert man einen Mitarbeiter<br />

mit ausgeprägten Soft Skills, muss er deswegen<br />

nicht immer auch technisches Spezialistenwissen<br />

mitbringen. Sind Soft Skills vorhanden <strong>und</strong> mit IT-<br />

Methodenkompetenz gepaart, lässt sich sogar<br />

noch in späten Phasen eines Migrationsprojekts<br />

die Akzeptanz erhöhen.


Der Austausch in der Phase des Requirements<br />

Engineering führt nicht nur<br />

zu besseren Lösungen, sondern ermöglicht<br />

auch Kosteneinsparungen. Denn<br />

im Dialog lassen sich sinnvolle Kompromisse<br />

zwischen Leistungsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> technischem Aufwand finden.<br />

Dies trifft insbesondere auf die sogenannten<br />

nichtfunktionalen Anforderungen<br />

zu, wie z<strong>um</strong> Beispiel die Reaktionszeit.<br />

Bei diesem Merkmal legen die<br />

Stakeholder häufig sehr ehrgeizige Ziele<br />

fest. Meist soll die Antwortzeit des<br />

Systems unter einer Sek<strong>und</strong>e liegen.<br />

Solche Ziele sind zwar oft technisch<br />

machbar,doch der Aufwand ist meist<br />

unverhältnismässig hoch.<br />

Am Anfang von Projekten ist die Hebelwirkung<br />

des Austausches besonders<br />

gross. Doch gerade bei komplexen Vorhaben<br />

ist es entscheidend, den Austausch<br />

über den ganzen Projektverlauf<br />

aufrecht zu erhalten. Solche Projekte<br />

lassen sich nicht komplett durchplanen.<br />

Es tauchen immer Aufgabenfelder auf,<br />

die sich nicht einfach abarbeiten lassen,<br />

sondern im engen Kontakt mit den Stakeholdern<br />

erst einmal geklärt werden<br />

müssen, bevor sie technisch gelöst werden<br />

können. In solchen Situationen<br />

sind Mitarbeitende im Vorteil, die über<br />

genügend Soft Skills verfügen.<br />

Deswegen ist es wichtig, dass im Team neben<br />

den Fachspezialisten auch Mitarbeiter<br />

tätig sind, welche die entsprechenden<br />

Talente mitbringen (siehe Abbildung 1).<br />

Im Einzelnen sind dies:<br />

• die Bereitschaft, Verantwortung zu<br />

übernehmen,<br />

• Problemlösungsorientierung,<br />

• Anpassungsfähigkeit an die Stakeholder<br />

<strong>und</strong> an die Projektsituation,<br />

• Teamfähigkeit <strong>und</strong> Beziehungsorien-<br />

tierung,<br />

• Begabung Informationen zu erschliessen,<br />

• grosse Selbstmotivation.<br />

Wer über diese Fähigkeiten <strong>und</strong> einen<br />

technischen Backgro<strong>und</strong> verfügt, ist<br />

auch in der Lage, sich schnell in technische<br />

Spezialgebiete einzuarbeiten. Rekrutiert<br />

man einem Mitarbeiter mit ausgeprägten<br />

Soft Skills muss er deswegen<br />

nicht immer auch technisches Spezialistenwissen<br />

mitbringen.<br />

Beispiel 2<br />

AKZEPTANZSTEIGERUNG EINER MI-<br />

GRATION BEI SYSTEM- UND ABNAH-<br />

METESTS<br />

In einem Unternehmen des Personentransports<br />

wird ein System abgelöst, wobei<br />

hiermit. eine Basis für die nächsten<br />

zehn Jahre gelegt werden soll. Da das bestehende<br />

System 1:1 abgelöst werden<br />

muss, wird das Projekt hauptsächlich von<br />

der Entwicklungsabteilung vorangetrieben.<br />

In der System- <strong>und</strong> Abnahmetestphase<br />

wird dann das nötige Vertrauen bei<br />

der Fachabteilung <strong>und</strong> dem <strong>Management</strong><br />

aufgebaut. Dazu werden externe Spezialisten<br />

zugezogen, die nicht nur grosse Erfahrung<br />

in Sachen Testen mitbringen,<br />

sondern auch die notwendigen Soft Skills.<br />

Das Testing wird sauber <strong>und</strong> für die Stakeholder<br />

transparent geplant. Während des<br />

gesamten Testens werden sowohl die<br />

Fachabteilung aber auch die Entwickler<br />

eng einbezogen. Gearbeitet wird mit ausgedehnten<br />

manuellen End-to-End-Regressionstests<br />

<strong>und</strong> mit explorativem Testen<br />

(informellem Testentwurfsverfahren, bei<br />

dem der Tester den Entwurf der Tests aktiv<br />

MIGRATIONEN 26 | 27


In jeder Stellenausschreibung werden heute die Bereitschaft<br />

z<strong>um</strong> eigenverantwortlichen Arbeiten <strong>und</strong><br />

Teamfähigkeit gefordert. Gerade bei komplexen, risikoreichen<br />

<strong>und</strong> intensiven Projekten wie Migrationen<br />

orientieren sich Mitarbeitende aber häufi g wieder<br />

an gewohnten Verhaltensmustern: Sie widmen<br />

ihre ganze Energie den technischen Herausforderungen<br />

<strong>und</strong> verlieren dabei den K<strong>und</strong>en aus dem<br />

Blickfeld. Dies birgt die Gefahr von Missverständnissen,<br />

<strong>und</strong> letztlich kann sogar ein Graben zwischen<br />

einzelnen Abteilungen entstehen. Mitarbeitende<br />

mit besonders ausgeprägten Soft Skills verhindern<br />

solche Entwicklungen.


steuert, indem er die Informationen, die er<br />

während des Testens erhält, z<strong>um</strong> Entwurf<br />

neuer, besserer Tests verwendet).<br />

Durch den starken Einbezug der Fachabteilung<br />

bei Regressions- <strong>und</strong> Akzeptanztests<br />

steigt das Vertrauen von K<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> <strong>Management</strong> in die entwickelte Software<br />

<strong>und</strong> deren Qualität markant an (siehe<br />

Abbildung 2). Das Teamwork mit der<br />

Entwicklungsabteilung ist darüber hinaus<br />

erfolgsentscheidend für das Entdecken<br />

schwerer Fehler <strong>und</strong> damit für die Sicherstellung<br />

der Qualität.<br />

Praxisbeispiele wie diese scheinen auf den<br />

ersten Blick lediglich Selbstverständlichkeiten<br />

wiederzugeben. In jeder Stellenausschreibung<br />

werden heute die Bereitschaft<br />

z<strong>um</strong> eigenverantwortlichen Arbeiten<br />

<strong>und</strong> Teamfähigkeit gefordert. Gerade<br />

bei komplexen, risikoreichen <strong>und</strong> intensiven<br />

Projekten wie Migrationen orientieren<br />

sich Mitarbeiter aber häufig wieder an<br />

gewohnten Verhaltensmustern: Sie widmen<br />

ihre ganze Energie der technischen<br />

Herausforderungen <strong>und</strong> verlieren dabei<br />

Ihr Gegenüber aus der Business-Seite oder<br />

dem Kreis der Nutzer aus dem Blickfeld.<br />

Dies birgt die Gefahr von Missverständnissen<br />

<strong>und</strong> letztlich kann sogar ein Graben<br />

zwischen einzelnen Abteilungen entstehen.<br />

Mitarbeiter mit besonders ausgeprägten<br />

Soft Skills verhindern solche<br />

Entwicklungen nicht nur. Ihr Einsatz<br />

führt zu besseren Lösungen <strong>und</strong> kann<br />

grosse Sparpotenziale erschliessen. Sie gehören<br />

deswegen genauso zwingend ins<br />

Team für ein Migrationsprojekt wie die<br />

technischen Spezialisten.<br />

<strong>ERNI</strong> – Innovation in Process and Technology<br />

MARCO STÖCKLI<br />

marco.stoeckli@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Business Analysis, Requirements<br />

Engineering, Process Improvement,<br />

Project <strong>Management</strong><br />

PATRIK LUSTENBERGER<br />

patrik.lustenberger@erni.ch<br />

Beratertätigkeit:<br />

Project <strong>Management</strong>, Requirements<br />

Engineering, Business Analysis<br />

MIGRATIONEN 28 | 29


www.erni-consultants.com/experience<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber<br />

<strong>ERNI</strong> <strong>Management</strong> Services AG<br />

Zürich · Bern · Baar · Lausanne<br />

München · Frankfurt · Barcelona · Bratislava<br />

Redaktion<br />

Adela Papajová <strong>ERNI</strong> (Slovakia) s.r.o.<br />

Tel. +421 2 3255 37 43<br />

leserservice@erni.ch<br />

www.erni.ch/experience<br />

Lektorat<br />

Stefan Kyora,<br />

Mediacontact GmbH, Luzern<br />

Ruedi Häuptli,<br />

Sprachagentur Bahia, Salvador BR<br />

Konzept/Layout<br />

Dieter Nafzger, Katarína Beinrohrová<br />

Produktion<br />

von Ah Druck AG, Sarnen<br />

Auflage<br />

10 000 Expl. dt., 2500 Expl. en.<br />

Erscheint quartalsweise<br />

ISSN 2235-7262<br />

Copyright © 2012<br />

by <strong>ERNI</strong> <strong>Management</strong> Services AG<br />

Alle Rechte vorbehalten.


www.erni-consultants.com

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