DSS-Heft 80-2006
DSS-Heft 80-2006
DSS-Heft 80-2006
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Geschehens waren.“ 9 Hier wird ein für die gesamte Geschichtsschreibung<br />
über die DDR und die NVA charakteristisches Problem sichtbar, nämlich das<br />
Ringen um Deutungshoheit, das im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag<br />
der Gründung der NVA erneut sehr deutlich zu beobachten war. Offenbar<br />
tun sich manche schwer damit einzugestehen, dass es ein für alle verbindliches<br />
Geschichtsbild nicht mehr gibt.<br />
Was die so genannte Deutungshoheit betrifft, handelt es sich um ein inzwischen<br />
als normal empfundenes Phänomen geschichtspolitischer Auseinandersetzung.<br />
In einem eigens diesem Sachverhalt gewidmetem Sammelband<br />
schreibt dessen Herausgeber, ein bekannter Berliner Historiker: „Alle Geschichte<br />
ist eine Geschichte von Kämpfen um die Deutung von Geschichte“<br />
10 , wobei er den Ursprung dieses Gedankens Marx und Engels zuschreibt.<br />
Zu beachten ist hierbei, dass nicht nur die Geschichtswissenschaft unser Bild<br />
von der geschichtlichen Vergangenheit bestimmt. Es wird maßgeblich auch<br />
durch die Medien und in gewissem Maße ebenso durch die Zeitzeugen geprägt.<br />
In einer demokratischen Gesellschaft pflegen zu ein- und demselben<br />
historischen Prozess oder Gegenstand mehrere Geschichtsbilder miteinander<br />
zu konkurrieren. Im Ergebnis solcher Deutungskämpfe bildet sich schließlich<br />
ein Minimalkonsens heraus, der Geschichtsbildern im Stil des König-David-<br />
Berichtes (Stephan Heym) keinen Spielraum läßt. Das aber verlangt, wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen widersprechende Geschichtspolitik und apologetisch<br />
gefärbten Erinnerungen mit wissenschaftlicher Kritik zu begegnen. Das<br />
gilt auch für die Geschichte der NVA und die Wahrnehmungen mancher<br />
Zeitzeugen.<br />
2002 veröffentlichte Generalmajor a.D. Hans-Georg Löffler seine Erinnerungen.<br />
Er hat, wie andere auch, von der Pike auf gedient, war Regimentskommandeur,<br />
Divisionskommandeur, Chef des Stabes im Militärbezirk V (Neubrandenburg)<br />
und zuletzt in einer Verwendung im Ministerium tätig. Mit seinen<br />
Erinnerungen wollte er „so manche unrichtige Darstellung über die Nationale<br />
Volksarmee, über das Leben und Wirken ihrer Soldaten korrigieren helfen.“<br />
11 Sein Buch, das den Zeitraum von 1955 bis 1990 umfasst, enthält eine<br />
Reihe von Problemen und Fragestellungen, die für wissenschaftliche Untersuchungen<br />
anregend sind, zugleich aber einer sorgfältigen Prüfung bedürfen.<br />
Beeindruckend sind seine Wahrnehmungen auf allen Dienstposten, wie sehr,<br />
9 H. Sylla, Die Landstreitkräfte der Nationalen Volksarmee, in: Rührt euch!, a.a.O., S. 174.<br />
10<br />
H. A. Winkler (Hrsg.), Griff nach der Deutungsmacht. Zur Geschichte der Geschichtspolitik in<br />
Deutschland, Göttingen 2004, S. 7.<br />
11<br />
H.-G. Löffler, Soldat im Kalten Krieg, Erinnerungen 1955-1990, Bissendorf 2002, S. 2.<br />
9