DSS-Heft 80-2006
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Trotz zunehmender Extremsituationen in einer sich selbst entwertenden Gesellschaft<br />
und großer innerer Probleme war die NVA jederzeit ein berechenbarer<br />
Faktor. Ihre Soldaten waren führbar, diszipliniert und kooperativ. Obwohl<br />
entgegen verbindlicher Zusagen das Ende ihrer beruflichen Entwicklung<br />
gewiss und ihre Lebensperspektive ungewiss waren, bewahrte die Masse<br />
ihre Ehre und ihr Pflichtbewusstsein. Mit der Auflösung der NVA hat eine<br />
deutsche Armee ihre Existenz aufgegeben, ohne jemals ihre Waffen zu<br />
gebrauchen. Man wird in der deutschen Militärgeschichte nach einer Parallele<br />
lange Ausschau halten müssen.<br />
Waffenbrüderschaft<br />
Ein Rückblick auf die NVA wäre unvollständig, wenn nicht die partnerschaftlichen<br />
Beziehungen sowie der Zweck der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten<br />
Stäben und Truppen in den Vereinten Streitkräften erwähnt würden.<br />
Gerade sie müssen im zeitgeschichtlichen Kontext betrachtet werden. Nachvollziehbar<br />
und auswertbar sind diese Beziehungen anhand offizieller Dokumente,<br />
gemeinsamer Handlungen und der Aktivitäten der daran beteiligten<br />
Soldaten. Nachträglichen Entstellungen durch Unbeteiligte fehlt jede Berechtigung.<br />
Die Waffenbrüderschaftsbeziehungen haben verschiedene Entwicklungsstufen<br />
durchlaufen und wurden durch die aktuelle Militärpolitik des Warschauer<br />
Vertrages geprägt. Zur Erreichung der politischen Zielstellungen – gemeinsame<br />
Erhaltung des Friedens, Sicherung des Status quo in Europa und die militärische<br />
Verteidigung der Staatengemeinschaft – gab es normative politische,<br />
rechtliche und militärische Vorgaben. Kernstück waren die gemeinsame Gefechtsausbildung<br />
und die koordinierte Tätigkeit im Diensthabenden System.<br />
Fast tägliche Arbeitskontakte gab es mit den Vertretern des Vereinten Oberkommandos<br />
bis zur Verbandsebene, die gleichzeitig die Verbindung zu sowjetischen<br />
Truppen unterhielten. Das wichtigste Ergebnis der Waffenbrüderschaftsbeziehungen<br />
bestand darin, dass mit der NVA, im Gegensatz zur<br />
Wehrmacht, eine andere deutsche Armee entstanden war, die kein Nachbarland<br />
mehr fürchten musste. Die NVA-Soldaten waren es, die das Vertrauen<br />
der Menschen in den osteuropäischen Ländern zu deutschen Soldaten entwickelten<br />
und pflegten.<br />
Die NVA hielt diese Beziehungen bis zur Entlassung der DDR aus dem Warschauer<br />
Vertrag offiziell aufrecht. Bei der Aufkündigung des Warschauer Vertrages<br />
betrieb die Politik mit den Armeeangehörigen ein hinterhältiges Spiel.<br />
Dass die Herauslösung der NVA keinesfalls mit dem Vereinten Oberkommando<br />
abgestimmt war, beweisen die Erklärungen des Oberkommandierenden,<br />
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