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Versorgungskosten von Rückenschmerzen und die Bedeutung der ...

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Originalarbeit<br />

Routinedaten deshalb bestenfalls für einen größeren Teil <strong>der</strong> Versicherten<br />

zutreffen. Das Vorkommen sowohl „falsch Positiver“ als<br />

auch „falsch Negativer“ ist nicht auszuschließen. Auch kann z. B.<br />

unter den Nicht-Erwerbstätigen <strong>die</strong> Einschätzung als chronischer<br />

Rückenschmerzpatient ausschließlich über das Kriterium <strong>der</strong><br />

Opioidverordnungen erfolgen, nicht aber über <strong>die</strong> Dauer einer<br />

Arbeitsunfähigkeit. Insgesamt zeigt <strong>die</strong> Analyse jedoch, dass <strong>die</strong><br />

zugr<strong>und</strong>e liegenden Algorithmen <strong>und</strong> <strong>die</strong> weitergehenden Definitionen<br />

aus Perspektive <strong>der</strong> empirisch orientierten Versorgungsforschung<br />

<strong>und</strong> mit Blick auf ges<strong>und</strong>heitsökonomische Zusammenhänge<br />

in <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Schmerzversorgung erstmals eine<br />

operationale Datenstruktur ermöglichen <strong>und</strong> sinnvolle Aussagen<br />

über den spezifischen Versorgungskontext zulassen.<br />

Der auf zwei Jahre begrenzte Beobachtungszeitraum lässt, insbeson<strong>der</strong>e<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Hinweise auf Schmerzchronifizierung,<br />

nur eingeschränkte Aussagen zu. Allerdings kommen<br />

hier auch <strong>die</strong> Stärken <strong>der</strong> Analyse <strong>von</strong> GKV-Routinedaten zur<br />

Geltung. Hierzu zählen vor allem <strong>die</strong> Vorteile, <strong>die</strong> sich aus <strong>der</strong><br />

bloßen Größe <strong>der</strong> untersuchten geschlossenen Kohorte ergeben.<br />

Zudem handelt es sich um eine Datenbasis, <strong>die</strong> aus <strong>der</strong><br />

Versorgung <strong>von</strong> Patienten unter Alltagsbedingungen entstanden<br />

ist <strong>und</strong> <strong>von</strong> daher <strong>die</strong> alltägliche Versorgungspraxis besser<br />

abbildet, als es unter den eingeschränkten Bedingungen, wie<br />

sie beispielsweise in klinischen Stu<strong>die</strong>n vorherrschen, möglich<br />

ist.<br />

Vergleich <strong>der</strong> Ergebnisse mit den Ergebnissen an<strong>der</strong>er<br />

Stu<strong>die</strong>n<br />

Da in unserer Stu<strong>die</strong> nicht <strong>die</strong> absoluten Kostengrößen, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>die</strong> Relationen zwischen den Schmerztypen im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong><br />

stehen, wird auf einen Vergleich <strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en Stu<strong>die</strong>n<br />

berichteten direkten Kosten des Rückenschmerzes verzichtet<br />

(wie z.B. im Review <strong>von</strong> Dagenais et al. 2008 [12] diskutiert).<br />

Eine Differenzierung <strong>von</strong> Rückenschmerzpatienten erfolgt in uns<br />

bekannten Stu<strong>die</strong>n häufig nach dem Schweregrad des Schmerzes.<br />

So gaben in einer in den Jahren 2003 – 2006 in Deutschland<br />

durchgeführten, auf schriftlicher Befragung basierenden Querschnittstu<strong>die</strong><br />

8% [13] bzw. 11% [14] <strong>der</strong> Befragten, <strong>die</strong> an <strong>Rückenschmerzen</strong><br />

litten, starke <strong>Rückenschmerzen</strong> (Korff-Grad II<br />

[15]) an <strong>und</strong> 11% [13] bzw. 14% [14] dokumentierten mit zu Arbeitsunfähigkeit<br />

führende <strong>Rückenschmerzen</strong> (Korff-Grade III<br />

<strong>und</strong> IV). In den GKV-Routinedaten stehen Informationen zum<br />

Korff-Grad nicht zur Verfügung. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Bezugnahme auf<br />

eine hohe Arbeitsunfähigkeit bei Korff-Graden III <strong>und</strong> IV können<br />

wir jedoch einen Vergleich zu den <strong>von</strong> uns als Patienten mit<br />

chronischen <strong>Rückenschmerzen</strong> eingestuften Versicherten ziehen.<br />

Hier haben wir über alle Rückenschmerztypen hinweg bei 2,6%<br />

<strong>der</strong> Versicherten Hinweise auf Schmerzchronifizierung identifiziert<br />

– deutlich weniger als <strong>der</strong> genannten Anteile <strong>von</strong> 11 bzw.<br />

14% an Patienten mit <strong>Rückenschmerzen</strong> entsprechend Korff-<br />

Grad III <strong>und</strong> IV. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass <strong>der</strong><br />

Anteil chronischer Rückenschmerzpatienten in unserer Stu<strong>die</strong><br />

deutlich unterschätzt ist.<br />

Eine Stratifizierung <strong>von</strong> Rückenschmerzpopulationen nach <strong>der</strong><br />

Anzahl <strong>von</strong> Krankheitsepisoden, <strong>die</strong> ebenfalls als Hinweis auf<br />

das Vorliegen einer Chronifizierung verwendet werden können,<br />

erfolgt bei Ritzwoller et al. 2006 [16]. Die Ergebnisse sind konsistent<br />

mit unseren Beobachtungen: Ein kleiner Anteil an Patienten<br />

mit vielen Rückenschmerzepisoden erzeugt hohe direkte<br />

<strong>Versorgungskosten</strong>. Depression erscheint als stark assoziiert mit<br />

vielen Krankheitsepisoden als auch mit hohen Kosten. Opioide<br />

Freytag A et al. <strong>Versorgungskosten</strong> <strong>von</strong> <strong>Rückenschmerzen</strong>… Ges<strong>und</strong>h ökon Qual manag<br />

werden bei Patienten mit vielen Krankheitsepisoden beson<strong>der</strong>s<br />

häufig angewendet.<br />

Kostenvergleiche zwischen Stu<strong>die</strong>n sind prinzipiell limitiert<br />

durch Unterschiede in den eingeschlossenen Leistungen <strong>und</strong> Bewertungsansätzen,<br />

so auch im Hinblick auf <strong>die</strong> gesamten direkten<br />

Kosten für <strong>die</strong> Behandlung chronischer <strong>Rückenschmerzen</strong>.<br />

Dennoch zeigen <strong>die</strong> im Rahmen einer retrospektiven Fragebogenerhebung<br />

<strong>von</strong> Ekman et al. (2005) [17, 18] in Schweden ermittelten<br />

Kostenziffern mit durchschnittlichen 632 € im Jahr<br />

2001 für alle eingeschlossenen <strong>Rückenschmerzen</strong> <strong>und</strong> 3100 €<br />

für Patienten mit chronischen <strong>Rückenschmerzen</strong> bemerkenswert<br />

ähnliche Größenverhältnisse: So betrugen <strong>die</strong> <strong>von</strong> uns ermittelten<br />

rückenschmerzbezogenen <strong>Versorgungskosten</strong> im Jahr 2006<br />

bei Versicherten mit (an<strong>der</strong>en) spezifischen <strong>Rückenschmerzen</strong><br />

ohne Hinweis auf Schmerzchronifizierung 671 € <strong>und</strong> 3093 € bei<br />

Hinweisen auf Chronifizierung.<br />

Die <strong>von</strong> uns ermittelten Anteile <strong>der</strong> Kostenarten an den direkten<br />

Gesamtkosten bei <strong>Rückenschmerzen</strong> stehen nicht voll im<br />

Einklang mit den Ergebnissen an<strong>der</strong>er Stu<strong>die</strong>n, so beispielsweise<br />

bei Wenig et al. [14]: Dort entfällt auf Krankenhauskosten<br />

<strong>der</strong> größte Anteil an den direkten Kosten, gefolgt <strong>von</strong> Heil<strong>und</strong><br />

Hilfsmitteln, ambulanten ärztlichen Leistungen, Rehabilitation<br />

<strong>und</strong> zum Schluss erst Analgetika, während bei den <strong>von</strong><br />

uns betrachteten Versicherten den ambulanten ärztlichen Leistungen<br />

<strong>der</strong> größte Kostenanteil <strong>der</strong> direkten rückenschmerzbezogenen<br />

Kosten (ohne Krankengeld) zukommt, gefolgt <strong>von</strong><br />

Heil- <strong>und</strong> Hilfsmitteln, Analgetika, Krankenhaus <strong>und</strong> Rehabilitationsmaßnahmen.<br />

Gründe für <strong>die</strong>se Unterschiede vermuten<br />

wir vor allem in einem stärker selektierten Patientengut bei<br />

einer Befragung. In den Routinedaten hingegen identifizieren<br />

wir jeden Versicherten als Rückenschmerzpatienten, <strong>der</strong> im<br />

Jahr 2006 mindestens eine schmerzbezogene gesicherte ambulante<br />

o<strong>der</strong> stationäre Diagnose aufwies.<br />

Schlussfolgerung<br />

Eingedenk aller Limitationen, denen GKV-Routinedaten unterliegen,<br />

<strong>und</strong> in <strong>der</strong> Vermutung, dass <strong>der</strong> <strong>von</strong> uns geschätzte Anteil<br />

an Versicherten mit chronischen <strong>Rückenschmerzen</strong> eher unterschätzt<br />

ist, zeigen unsere Untersuchungen, dass <strong>die</strong> durchschnittliche<br />

Leistungsinanspruchnahme <strong>und</strong> <strong>die</strong> damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Kosten bei Versicherten mit <strong>Rückenschmerzen</strong> <strong>und</strong><br />

Hinweisen für eine bereits eingetretene Schmerzchronifizierung<br />

deutlich höher liegen als bei Versicherten, bei denen lediglich<br />

Risikofaktoren für eine zukünftige Schmerzchronifizierung vorliegen.<br />

Die Unterschiede geben einen Hinweis darauf, inwieweit<br />

es sich finanziell lohnen könnte, Schmerzchronifizierung zu vermeiden.<br />

Dass durch <strong>die</strong> Vermeidung einer Schmerzchronifizierung<br />

auch ges<strong>und</strong>heitliche, patientenorientierte Outcomes verbessert<br />

werden würden, liegt auf <strong>der</strong> Hand, auch wenn<br />

Aussagen über eine Verbesserung <strong>von</strong> Parametern zur Beschreibung<br />

<strong>der</strong> „Quality of Life“ bei einer Beschränkung <strong>der</strong> Datenquelle<br />

auf Routineabrechnungsdaten nicht möglich waren. Die<br />

hohen Kosten für Patienten mit chronischen <strong>Rückenschmerzen</strong><br />

stellen außerdem den finanziellen Maßstab dar, an dem sich neben<br />

einer präventiven Vermeidung <strong>der</strong> Schmerzchronifizierung<br />

auch eine wirksame Behandlung chronifizierter Schmerzen zu<br />

orientieren hat, wenn sie über Qualitätsverbesserungen hinaus<br />

auch positive Kosteneffekte bewirken will.<br />

Über <strong>die</strong> adäquaten Mittel zur Erreichung einer Verhin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Rückenschmerzchronifizierung einerseits <strong>und</strong> einer effektiven<br />

Behandlung chronischer Schmerzen an<strong>der</strong>erseits ist damit<br />

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