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Versorgungskosten von Rückenschmerzen und die Bedeutung der ...

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Originalarbeit<br />

Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse geben einen Hinweis darauf,<br />

inwieweit es sich finanziell lohnen könnte, <strong>die</strong> Chronifizierung<br />

<strong>von</strong> <strong>Rückenschmerzen</strong> zu vermeiden. Die hohen Kosten für<br />

chronisch an <strong>Rückenschmerzen</strong> leidende Patienten stellen außerdem<br />

den finanziellen Maßstab dar, an dem sich neben einer<br />

präventiven Vermeidung einer Schmerzchronifizierung auch<br />

eine wirksame Behandlung chronifizierter Schmerzen zu orientieren<br />

hat, wenn sie über Qualitätsverbesserungen hinaus auch<br />

positive Kosteneffekte bewirken will.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

!<br />

<strong>Rückenschmerzen</strong> sind kostenintensiv – zum einen, weil viele<br />

Menschen da<strong>von</strong> betroffen sind, zum an<strong>der</strong>en, weil sie häufig<br />

Ursache <strong>von</strong> Krankmeldungen sind. Hoch sind deshalb insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>die</strong> mit <strong>Rückenschmerzen</strong> verb<strong>und</strong>enen indirekten<br />

Kosten, <strong>die</strong> als Lohnfortzahlung <strong>und</strong> Krankengeld Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> Krankenkassen belasten. Eine telefonische Erhebung im<br />

Jahr 2005 [1] zeigte, dass in Deutschland innerhalb eines Jahres<br />

bis zu 60% <strong>der</strong> Männer <strong>und</strong> bis zu 68% <strong>der</strong> Frauen mindestens<br />

einmal unter <strong>Rückenschmerzen</strong> litten. Bei Männern sind<br />

<strong>Rückenschmerzen</strong> mit 14% <strong>die</strong> häufigste Ursache für Arbeitsausfälle,<br />

bei Frauen mit 11% <strong>die</strong> zweithäufigste [2]. <strong>Rückenschmerzen</strong><br />

sind nach den Kopfschmerzen <strong>die</strong> zweithäufigsten<br />

Beschwerden, mit denen Patienten einen Arzt aufsuchen.<br />

Etwa 80% aller Rückenschmerz-Patienten sind nach zwei Monaten<br />

bereits wie<strong>der</strong> beschwerdefrei. Allerdings kommt es bei<br />

einem Teil <strong>der</strong> Patienten zu episodischem Wie<strong>der</strong>auftreten<br />

<strong>und</strong> bei einem kleineren Teil zu einer Chronifizierung. Nur<br />

etwa 15% aller Rückenschmerzpatienten leiden unter spezifischen<br />

<strong>Rückenschmerzen</strong>, d. h. <strong>Rückenschmerzen</strong> mit eindeutig<br />

feststellbarer Ursache. Bei etwa 85% <strong>der</strong> Patienten mit <strong>Rückenschmerzen</strong><br />

liegt dagegen ein nicht spezifischer Rückenschmerz<br />

vor [2].<br />

Hohe Prävalenzen <strong>und</strong> hohe Kosten sowie ein insgesamt als<br />

kritisch beurteilter Stand <strong>der</strong> Rückenschmerztherapie [3] waren<br />

<strong>die</strong> Gründe, sich im Rahmen eines mehrjährigen Versorgungsforschungsprojekts<br />

auf <strong>der</strong> Basis <strong>von</strong> Routinedaten zur<br />

Versorgung <strong>von</strong> Schmerzpatienten mit vorrangiger Priorität<br />

den Rückenschmerzpatienten zu widmen. Die Stu<strong>die</strong> wurde<br />

initiiert, um neue Informationen über <strong>die</strong> Zusammensetzung<br />

<strong>und</strong> Behandlung <strong>von</strong> Schmerzpatienten aus einer großen Anzahl<br />

<strong>von</strong> GKV-Versicherten unter Alltagsbedingungen zu gewinnen.<br />

Sek<strong>und</strong>ärdatenanalysen zur Versorgung <strong>von</strong> Schmerzpatienten<br />

auf <strong>der</strong> Basis <strong>von</strong> Routinedaten sind noch immer<br />

selten, was darauf zurückzuführen ist, dass eine zufriedenstellende<br />

Identifikation <strong>von</strong> Schmerzpatienten in Routinedaten<br />

bislang nicht möglich war: Eine Selektion anhand <strong>von</strong> ambulant<br />

verordneten Analgetika wäre vermutlich unvollständig,<br />

weil Patienten Schmerzmittel in nicht bekanntem Umfang frei<br />

erwerben <strong>und</strong> <strong>die</strong>se damit in einer solchen Analyse nicht berücksichtigt<br />

würden. Eine Identifikation anhand <strong>von</strong> explizit<br />

schmerzbezogenen Diagnosen leidet daran, dass nur wenige<br />

schmerzbezogene Diagnosen existieren <strong>und</strong> Ärzte durch <strong>die</strong><br />

International Classification of Diseases (ICD) gehalten sind, organ-<br />

<strong>und</strong> nicht symptombezogen zu ko<strong>die</strong>ren. Bei Identifikation<br />

<strong>von</strong> Schmerzpatienten anhand <strong>von</strong> expliziten Schmerzdiagnosen<br />

würde das Kollektiv <strong>der</strong> Schmerzpatienten somit<br />

vermutlich unterschätzt. Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> wurde zunächst<br />

ein Algorithmus zur Identifikation <strong>und</strong> Gruppierung<br />

<strong>von</strong> Schmerzpatienten in Routinedaten entwickelt, <strong>der</strong> auf Di-<br />

Freytag A et al. <strong>Versorgungskosten</strong> <strong>von</strong> <strong>Rückenschmerzen</strong>… Ges<strong>und</strong>h ökon Qual manag<br />

back pain have to be measured, if besides quality improvements<br />

positive cost effects are to be achieved.<br />

agnosemustern aufsetzt, <strong>die</strong> bei Versicherten mit Opioid-Verordnung<br />

häufiger vorkamen als bei Versicherten, <strong>die</strong> keine<br />

analgetische Verordnung verzeichneten. Diese Diagnosemuster<br />

wurden anschließend zu Gruppen (Schmerztypen) zusammengefasst<br />

<strong>und</strong> in eine hierarchische Reihenfolge gebracht. Die Ergebnisse<br />

wurden an<strong>der</strong>norts veröffentlicht [4, 5] <strong>und</strong> bilden<br />

<strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> hier vorgestellten Analysen.<br />

Unter den insgesamt neun <strong>der</strong>art identifizierten Schmerztypen<br />

(1: Krebsbedingte Schmerzen, 2: [an<strong>der</strong>e] spezifische <strong>Rückenschmerzen</strong>,<br />

3: Schmerzen bei Bandscheibenerkrankungen, 4:<br />

arthrosebedingte Schmerzen [inkl. Rheumatoi<strong>der</strong> Arthritis], 5:<br />

Schmerzen bei traumatischen Frakturen; 6: Schmerzen bei<br />

multimorbiden, pflegebedürftigen Patienten, 7: neuropathische<br />

Schmerzen, 8: Kopfschmerzen, 9: nicht spezifische <strong>Rückenschmerzen</strong>)<br />

kommen drei Typen <strong>von</strong> <strong>Rückenschmerzen</strong> vor<br />

(Schmerztypen 2, 3 <strong>und</strong> 9). Diese entsprechen <strong>der</strong> gebräuchlichen<br />

Unterscheidung hinsichtlich spezifischer <strong>und</strong> nicht spezifischer<br />

<strong>Rückenschmerzen</strong>. Im Gegensatz zu nicht spezifischen<br />

<strong>Rückenschmerzen</strong> lassen sich spezifische <strong>Rückenschmerzen</strong><br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Ursache zurückführen<br />

(z.B. Bandscheibenvorfall mit begleiten<strong>der</strong> Wurzelkompression).<br />

Versicherte werden genau einem <strong>der</strong> drei Rückenschmerztypen<br />

zugeordnet, auch wenn sie Diagnosemuster<br />

mehrerer Rückenschmerztypen gleichzeitig aufweisen. Die Zuordnung<br />

erfolgt anhand einer Hierarchie, <strong>die</strong> auf <strong>der</strong> Hypothese<br />

fußt, dass (an<strong>der</strong>e) spezifische <strong>Rückenschmerzen</strong>, <strong>die</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />

Osteoporosen <strong>und</strong> Spondylopathien umfassen, eher<br />

behandlungsleitend sind als Schmerzen bei Bandscheibenerkrankungen;<br />

letztere sind wie<strong>der</strong>um eher behandlungsleitend<br />

als nicht spezifische <strong>Rückenschmerzen</strong>.<br />

Im Folgenden werden Ergebnisse zur Inanspruchnahme <strong>von</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitsleistungen <strong>und</strong> zu den damit verb<strong>und</strong>enen Krankheitskosten<br />

<strong>von</strong> Versicherten <strong>die</strong>ser drei Rückenschmerztypen<br />

gezeigt. Beson<strong>der</strong>es Augenmerk wurde dabei auf den Versuch<br />

gelegt, nach möglichen Hinweisen auf eine Chronifizierung<br />

<strong>der</strong> <strong>Rückenschmerzen</strong> in Routinedaten zu differenzieren. Zur<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Versorgung <strong>von</strong> Rückenschmerzpatienten<br />

sind neben einer optimierten Versorgung bereits chronisch<br />

Kranker <strong>die</strong>jenigen Patienten <strong>von</strong> beson<strong>der</strong>em Interesse, bei<br />

denen zwar ein Risiko besteht, dass <strong>der</strong> Schmerz chronifizieren<br />

könnte, <strong>die</strong> Chronifizierung aber noch nicht eingetreten<br />

ist. Es liegt auf <strong>der</strong> Hand, dass eine Vermeidung <strong>von</strong> Schmerzchronifizierung<br />

mit verbesserten ges<strong>und</strong>heitlichen Outcomes<br />

einhergeht, primär qualitativ, möglicherweise aber auch in finanzieller<br />

Hinsicht. Die Ergebnisse <strong>der</strong> vorliegenden Stu<strong>die</strong><br />

zeigen, welche Leistungsausgaben bei <strong>der</strong> Versorgung <strong>von</strong> Rückenschmerzpatienten<br />

anfallen <strong>und</strong> wie sich <strong>die</strong> Ausgabenvolumina<br />

in Abhängigkeit da<strong>von</strong> unterscheiden, ob <strong>der</strong> Schmerz<br />

eher als Akutschmerz einzustufen ist, ob er zu chronifizieren<br />

droht o<strong>der</strong> ob Hinwiese für eine bereits eingetretene Chronifizierung<br />

bestehen.<br />

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