neu auf dvd - DVDFilmspiegel
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mit Leib und Seele) gingen in<br />
die gleiche Klasse. Und nun, am<br />
Ende des Krieges, wo schon die<br />
Kinder als FLAK-Helfer geopfert<br />
werden, da schreibt Fuchs ihm<br />
einen Brief und bittet ihn, nun<br />
endlich mit dem schrecklichen<br />
Krieg <strong>auf</strong>zuhören. Der Brief<br />
landet freilich bei den Offizieren<br />
des Marschalls und Fuchs<br />
sehr schnell im Gefängnis. Dort<br />
bringt ihn ein Muttermörder<br />
(Mario Adorf) <strong>auf</strong> eine Idee. Und<br />
schnell ergibt sich auch die Gelegenheit,<br />
sie umzusetzen: Weil<br />
der Schulfreund dann doch aus<br />
dem Hintergrund wirkt, erhält<br />
Fuchs die Bescheinigung, nicht<br />
zurechnungsfähig zu sein. Mit<br />
dem „Jagdschein“ übersteht er<br />
den Krieg, kann sogar das Leben<br />
einer Nachbarin retten, der für<br />
das Abhören von Radio London<br />
der Tod droht. Aber nach dem<br />
Krieg scheint es für Fuchs unmöglich,<br />
den Makel der geistigen<br />
Unzurechnungsfähigkeit wieder<br />
los zu werden. Wer ihm helfen<br />
könnte, ist tot, unfähig oder nicht<br />
willens, die wahren Sachverhalte<br />
von damals <strong>auf</strong>zuklären. Erst als<br />
er sich im nächsten Postamt so<br />
rabiat <strong>auf</strong>führt, dass eine <strong>neu</strong>e<br />
Untersuchung angeordnet wird,<br />
wird seine „Normalität“ amtlich<br />
bestätigt. Unglücklicherweise ist<br />
Fuchs nun aber, so geringfügig<br />
der Schaden auch ausfiel, vorbestraft,<br />
und als Vorbestrafter kann<br />
er sich seinen größten Wunsch<br />
nicht erfüllen, nämlich mit seiner<br />
Tochter und ihrem Ehemann<br />
in die USA auszuwandern. Das<br />
Land, das ihm so übel mitgespielt<br />
hat, lässt den Briefträger Ludwig<br />
Fuchs nicht los.<br />
Mehr oder weniger soll diese<br />
Geschichte tatsächlich so passiert<br />
sein; die Geschicke eines<br />
Postschaffners namens Eberhard<br />
Bär dienten Johannes Mario<br />
Simmel als Vorlage. Aber selbst<br />
wenn sie erfunden wäre, scheint<br />
sie doch treffend die Situation<br />
des fortdauernden Wahns zu<br />
charakterisieren. Im Schicksal<br />
seiner Hauptfigur und in den<br />
mit wenigen kräftigen Strichen<br />
skizzierten Nebenfiguren zeigt<br />
sich die Unfähigkeit einer Gesellschaft,<br />
menschlich, politisch und<br />
juristisch angemessen mit der<br />
Vergangenheit umzugehen.<br />
Die einen sind schon wieder<br />
in leitenden Positionen<br />
(denn die Macht, so erkennt<br />
der Briefträger Fuchs, bleibt<br />
an gewissen Leuten einfach<br />
kleben), die anderen verweigern<br />
sich in Selbstmitleid<br />
und Rachsucht. Zu einer<br />
Mitschuld bekennt sich nur<br />
der, der am wenigsten Anlass<br />
dazu hätte: der kleine<br />
Geldbriefträger Fuchs.<br />
„Mein Schulfreund“ war<br />
den einen (einer Minderheit)<br />
als Abrechnung mit<br />
dem Faschismus nicht<br />
scharf genug, den anderen<br />
(der Mehrheit) war selbst<br />
diese anrührende Groteske<br />
schon viel zu viel. Robert<br />
Siodmak verlegte sich in seinen<br />
letzten Filmen <strong>auf</strong> bizarre Karl-<br />
May- und Historienspektakel, bei<br />
denen der Regisseur nicht mehr<br />
recht bei der Sache schien. Seine<br />
letzten Lebensjahre verbrachte<br />
er, verbittert, wie seine Freunde<br />
erzählten, im <strong>neu</strong>en Exil in der<br />
Schweiz. Neben seinen wunderschönen<br />
Arbeiten im Film<br />
Noir wie „The Killers“ oder „Die<br />
Wendeltreppe“, neben – tut mir<br />
leid, Jack Sparrow – dem besten<br />
Piratenfilm aller Zeiten, „Der<br />
rote Korsar“, und neben dem<br />
wahrhaft unheimlichen „Nachts,<br />
wenn der Teufel kam“ ist „Mein<br />
Schulfreund“ der Siodmak-Film,<br />
der in die DVD-Sammlung<br />
gehört.