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€ 2,50 Frühjahr 2011 # 29 Das Globetrotter MaGazin - 4-Seasons.de

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78<br />

Reise<br />

Zwischendurch darf man auch mal die Kulisse bestaunen.<br />

Über 17 Leitern geht es senkrecht und<br />

teilweise noch etwas mehr als senkrecht<br />

nach oben auf <strong>de</strong>n Toblinger Knoten.<br />

A bisserl La Dolce Vita genießen, da steht ihr Flachlandtiroler doch drauf.«<br />

Ich erwäge kurz, ihm mit <strong>de</strong>m Klettersteigset im Rucksack eins überzu zieh<br />

en, schnaube aber nur verächtlich und lasse ihn wortlos sitzen. Warum<br />

sich in dieser einzigartigen Kulisse ärgern lassen, die so bil<strong>de</strong>r buch mäßig<br />

schön ist, dass einem die Tränen vor Rührung kommen könnten.<br />

Auf <strong>de</strong>m Plateau entfaltet die Dolomitenlandschaft endgültig ihre ganze<br />

gebieterische Herrlichkeit. Kathedralenartig streben die Drei Zinnen gen<br />

Himmel, ihre Spitzen geheimnisvoll wolkenverhüllt. Von irgendwoher<br />

zielt ein Sonnenstrahl auf die Große Zinne, das kann man gut und gern<br />

göttliche Beleuchtung nennen. Links <strong>de</strong>r lang gestreckte Patern kofel –<br />

<strong>de</strong>r wird morgen mit Walter, <strong>de</strong>m Chef <strong>de</strong>s Europa Wan<strong>de</strong>rhotels,<br />

Berghotel Tirol, bestiegen –, gera<strong>de</strong>aus die Drei-Zinnen-Hütte, rechts <strong>de</strong>r<br />

markante Fels turm <strong>de</strong>s Toblinger Knotens. Es fällt schwer zu glauben,<br />

dass in so einer Landschaft Menschen noch in <strong>de</strong>r Lage sind, Krieg gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

zu führen. Doch genau über das Plateau verlief im Ersten Welt-<br />

krieg die Front zwi schen Italien und Österreich-Ungarn,<br />

und man lieferte sich von 1915 bis 1917 hier ei nen gna<strong>de</strong>n<br />

losen Stellungskrieg – vor allem um die Vor herr -<br />

schaft über die Gipfel. Denn wer sie kontrollierte,<br />

kontrol lierte das Gebiet. Auch <strong>de</strong>r das Plateau um etwa<br />

200 Meter überragen<strong>de</strong> Toblinger Knoten war als Aussichts<br />

punkt strategisch wertvoll. Heute folgt ein Klettersteig<br />

durch die nordseitigen Kamine <strong>de</strong>r alten Route auf<br />

<strong>de</strong>n Gipfel. Und <strong>de</strong>r ist, um in <strong>de</strong>r Kamin sprache zu bleiben<br />

, ziemlich zugig. Über 17 Leitern geht es senkrecht<br />

und teilweise noch etwas mehr als senkrecht nach oben,<br />

<strong>de</strong>r Rücken meist nur von klarer Höhen luft umspielt.<br />

Kurz umgedreht und man fühlt sich wie ein Vöglein in<br />

<strong>de</strong>n Weiten <strong>de</strong>r Berge. O<strong>de</strong>r vielleicht ein wenig wie <strong>de</strong>r<br />

Huber Alex, <strong>de</strong>r nebenan die Große Zinne free solo bezwungen<br />

hat. Wenn <strong>de</strong>r Schweinehund das jetzt se hen<br />

könnte, aber vor so viel freier Höhe hat <strong>de</strong>r Schiss!<br />

Am »Zwergentod« braucht‘s lange Beine<br />

Und nicht nur Höhenängstliche stoßen beim Aufstieg an<br />

ihre Grenzen, son<strong>de</strong>rn auch kleine Menschen. Am so<br />

genannten »Zwergentod« gilt es, in einem Kamin ohne<br />

Leiter aufzusteigen, die Wän<strong>de</strong> so weit auseinan<strong>de</strong>r,<br />

dass man Beine, zwei Meter lang, dafür braucht. Keine<br />

Bange, die wer<strong>de</strong>n automatisch länger, als sie in Erinnerung<br />

sind, <strong>de</strong>nn umkehren ist nicht mehr. Schließ lich<br />

eine Steilwand queren und einige Leitern mit schwin<strong>de</strong>lerregen<strong>de</strong>m<br />

Nichts im Rücken nach oben und <strong>de</strong>r Gipfel<br />

ist erreicht. Immer noch sind die Spitzen <strong>de</strong>r Zinnen wolken<br />

verhüllt, strotzen vor Erhabenheit, aber nun sind sie<br />

Teil eines 360-Grad-Panoramas, das sich vor einem<br />

streckt, wölbt und <strong>de</strong>hnt, als sei <strong>de</strong>r Toblinger Knoten<br />

das geometrische Zentrum dieser Berge. Ein Pärchen sitzt schon eine<br />

Weile und staunt. Der Mann kramt einen Flachmann aus seinem Rucksack,<br />

wir trinken einen Gipfelschnaps.<br />

Um 6.05 Uhr schleiche ich mich aus <strong>de</strong>m Zimmer, <strong>de</strong>r Schweinehund<br />

schnarcht in seinem Sessel noch vor sich hin. Doch so leicht lässt er sich<br />

nicht abschütteln. Am Frühstücksbüfett steht er plötzlich neben mir,<br />

raunt mir ins Ohr, ob ich <strong>de</strong>n Tag nicht lieber auf <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rschönen<br />

Son nen terrasse <strong>de</strong>s Hotels verbringen wolle, als mit <strong>de</strong>m Walter auf <strong>de</strong>n<br />

blö<strong>de</strong>n Paternkofel zu steigen. »Hau ab«, zische ich und lasse ihn stehen.<br />

Nach<strong>de</strong>m ich Walter über meine blutigen Zehen – das Resultat von zwei<br />

langen Abstiegen – aufgeklärt habe, lässt er Gna<strong>de</strong> walten: Schelmisch<br />

grinsend, wie ich meine, erklärt er, dass wir von <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite direkt<br />

bis zum Plateau fahren. Von dort sei es ein Katzensprung um die Zinnen<br />

herum bis zum Klettersteig auf <strong>de</strong>n Paternkofel. Hat <strong>de</strong>r Wal ter mich gera<strong>de</strong><br />

auch Flachlandtiroler genannt o<strong>de</strong>r habe ich mich verhört? Sei’s<br />

drum. Wenn schon Andy-Warhol-artige Collagen von Luis Trenker die<br />

Hotel lobby zieren, liegt die Vermutung nahe, dass in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Südtirolers<br />

ausnahmslos je<strong>de</strong>r ein Flachlandtiroler ist, <strong>de</strong>r nicht aus <strong>de</strong>m Stand<br />

die Große Zinne bezwingen kann – free solo versteht sich.<br />

Luis Trenker war allerdings nur <strong>de</strong>r berühmteste Gast in Walters Hotel,<br />

sozusagen bloß die Spitze <strong>de</strong>s Eisbergs an Kletterpersönlichkeiten, die mit<br />

Sexten in Verbindung stehen. Die Sextner Brü<strong>de</strong>r Johann und Michel<br />

Inner kofler gelten mit als die wichtigsten Erschließer <strong>de</strong>r Dolomiten, ihre<br />

Erstbesteigung <strong>de</strong>r Kleinen Zinne 1881 als Meilenstein <strong>de</strong>s Klet terns .<br />

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