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weinstubenGespräche<br />
Ganymed 3<br />
DIENER VIELER HERREN<br />
Wolfgang Ghantus, Buchautor und einer <strong>de</strong>r dienstältesten<br />
Englisch-Dolmetscher Deutschlands, zu Gast im 26. WEINSTUBEN-GESPRÄCH<br />
Wolfgang Ghantus (Jahrgang 1930),<br />
Dolmetscher, Übersetzer und<br />
Buchautor, ist am 17. März 2012 zu Gast<br />
bei Dr. Bernd Bräuer im 26. WEINSTU-<br />
BEN-GESPRÄCH gewesen.<br />
Im Mittelpunkt <strong>de</strong>s Gespräches stehen<br />
sein 2011 im Militzke Verlag, Leipzig erschienenes<br />
Buch Ein Diener vieler Herren.<br />
Als Dolmetscher bei <strong>de</strong>n Mächtigen<br />
<strong>de</strong>r Welt und sein spannen<strong>de</strong>s und langes<br />
Arbeits-Leben – Ghantus ist seit über<br />
60 Jahren vor allem als freiberuflicher<br />
Englisch-Dolmetscher tätig.<br />
Bewegend spricht er über seine Kindheit<br />
und seine frühe Jugend in Berlin.<br />
Als Sohn eines Libanesen und einer<br />
Deutschen kommt er im Elternhaus mit<br />
verschie<strong>de</strong>nen Sprachen in Berührung.<br />
Wolfgang Ghantus mit Dr. Bernd Bräuer<br />
Die Liebe zu frem<strong>de</strong>n Sprachen wird<br />
ihm gleichsam in die Wiege gelegt. Mit<br />
seinem Vater besucht er regelmäßig die<br />
Bonhoeffer-Familie. Dietrich (1906 bis<br />
1945) und Klaus (1901 bis 1945) Bonhoeffer,<br />
die kurz vor Kriegsen<strong>de</strong> wegen<br />
ihrer Teilnahme am Attentat auf Hitler<br />
(20. Juli 1944) hingerichtet wer<strong>de</strong>n,<br />
sind bei diesen Besuchen oft anwesend.<br />
Ghantus lernt hier auch <strong>de</strong>n fast gleichaltrigen<br />
Klaus von Dohnanyi (Jahrgang<br />
1928, Enkel von Karl Bonhoeffer und<br />
von 1981 bis 1988 Erster Bürgermeister<br />
von Hamburg) kennen. Anfang Mai<br />
1945, kaum fünfzehnjährig, flieht Ghantus<br />
aus <strong>de</strong>m brennen<strong>de</strong>n Berlin nach<br />
Bernburg ins Anhaltinische, wo seine<br />
Mutter lebt. Nach <strong>de</strong>m Krieg studiert er,<br />
zunächst in Halle an <strong>de</strong>r Saale, später in<br />
Leipzig, Journalistik. Nahezu gleichzeitig<br />
beginnt seine steile Karriere als Englisch-<br />
Dolmetscher für die SED-Größen und<br />
Mächtigen <strong>de</strong>s DDR-Staates, für be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />
Wissenschaftler und Künstler. Er<br />
dolmetscht beispielsweise für Ulbricht,<br />
Honecker und Werner Lamberz – über<br />
<strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong> bei einem Flugzeugabschuss<br />
in Libyen erzählt er nach all <strong>de</strong>n<br />
Jahren noch immer ergreifend. Nur ei-<br />
Annetta Militzke, Geschäftsführerin <strong>de</strong>s<br />
Militzke Verlages<br />
nem Zufall ist es zu verdanken, dass<br />
Ghantus als Dolmetscher <strong>de</strong>s Politikers<br />
nicht in diesem Flugzeug saß. Vielen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />
Persönlichkeiten, die in ihrer<br />
Zeit Geschichte mitgeschrieben haben,<br />
ist er auf vier Kontinenten begegnet. Der<br />
Bogen spannt sich weit von Indira Ghandi<br />
über Che Guevara, Fi<strong>de</strong>l Castro und<br />
Salvador Allen<strong>de</strong> bis hin zu Margaret<br />
Thatcher, die amerikanischen Präsi<strong>de</strong>nten<br />
Bush sen. und Clinton. Die Amtszeit<br />
von Lothar <strong>de</strong> Maiziére als DDR-Ministerpräsi<strong>de</strong>nt<br />
hat er dolmetschend begleitet<br />
und ist dabei auch Angela Merkel, <strong>de</strong>r<br />
heutigen Bun<strong>de</strong>skanzlerin, begegnet.<br />
In seinem Buch erzählt und berichtet<br />
Wolfgang Ghantus sachlich und nüchtern,<br />
nie reißerisch, nie <strong>de</strong>savouierend<br />
über seine Herren und natürlich auch<br />
Damen, <strong>de</strong>nen er als Dolmetscher gedient<br />
hat – ein Erinnerungsbuch, kein<br />
Enthüllungsbuch hat er geschrieben, Geschichte<br />
in Geschichten gleichermaßen<br />
anschaulich wie spannend erzählt. bb<br />
Wolfgang Ghantus<br />
Ein Diener<br />
vieler Herren<br />
Militzke, Leipzig,<br />
207 S., 2011,<br />
17,90 Euro.