PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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10. In den alltäglichen Erfahrungen lesen lernen<br />
zeitig soll das Jahr 2009 in Europa ein Jahr<br />
der Spiritualität werden. Manager ziehen sich<br />
in Klöster zurück und erfolgreiche Sportler<br />
berichten von der helfenden Kraft des (christlichen)<br />
Glaubens (vgl. DER STANDARD,<br />
2. Jänner 2009). Der Religionsunterricht ist<br />
nach wie vor überaus erfolgreich. Er erreicht<br />
in Österreich mehr als 95% der Kinder und<br />
Jugendlichen (vgl. Diözesen, 2008).<br />
Kinder und Jugendliche kommen ohne explizit<br />
christlich geprägte Erfahrung in die Schule,<br />
besuchen den Religionsunterricht, stellen<br />
ihre Fragen, erzählen von ihren Ängsten und<br />
ihrem Suchen. Sie lassen sich von Projekten<br />
christlichen Inhalts ansprechen, lernen religiöses<br />
Sachwissen und haben die Gelegenheit,<br />
religiöse Deutungsmuster in ihr Leben zu<br />
übernehmen. Dies gelingt vor allem dort, wo<br />
die Beziehung Grundlage des Miteinander–<br />
Arbeitens ist. Kinder und Jugendliche wollen<br />
zu Recht das Gefühl haben, dass es um ihre<br />
Anliegen, ihre (erlebten) Geschichten geht,<br />
dass sie als Subjekte wahrgenommen werden.<br />
Erste Schlussfolgerungen<br />
Nun stellt sich immer auch die Frage nach<br />
einem wissenschaftlichen Modell, mit dem es<br />
gelingt, den Anforderungen gerecht zu werden,<br />
die sich im Religionsunterricht stellen.<br />
Ich meine, mit dem Konzept der abduktiven<br />
Korrelation, das mit dem aus dem amerikanischen<br />
Pragmatismus stammenden Begriff<br />
„Abduktion“ arbeitet, fündig geworden zu<br />
sein. „Ausgangspunkt ist die Diskussion um<br />
das Korrelationsprinzip. Die ‚abduktive Korrelation’<br />
weist einen Weg aus der Sackgasse<br />
deduktiver und induktiver Konzepte und erweitert<br />
damit die bisherige Theoriebildung.<br />
Abduktives Schließen wird als ein Prozess der<br />
Hypothesenfindung vorgestellt. Hypothesen<br />
zur Anbahnung von Verständigung und zur<br />
Öffnung eines diskursiven Raumes sind nötig,<br />
wenn beispielsweise Theologinnen und<br />
Theologen sowie christliche Erzieherinnen<br />
und Erzieher mit erklärungsbedürftigen<br />
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Phänomenen oder Äußerungen konfrontiert<br />
werden, auf die sie nicht in traditioneller<br />
Weise antworten können. Durch abduktives<br />
Schließen wird Neues geschaffen” (Ziebertz,<br />
Heil, Prokopf, & Hg., 2003).<br />
Das Konzept der abduktiven Korrelation<br />
will angesichts des skizzierten Dilemmas die<br />
wechselseitige Verschränkung von Tradition<br />
und Lebenswelt in der Balance halten. Dazu<br />
greift es auf das Konzept der Abduktion<br />
zurück, wie es von Charles Sanders Peirce<br />
(1839-1914) formuliert wurde: Abduktion<br />
stellt nach Peirce einen dritten Weg logischer<br />
Schlussfolgerung neben der Deduktion und<br />
der Induktion dar (vgl. Hartshorne, 1958).<br />
Lassen Sie mich das an einem Beispiel aufzeigen:<br />
Bei der Deduktion wird von einem<br />
bekannten Fall anhand einer bekannten Regel<br />
auf ein noch unbekanntes Resultat geschlossen<br />
- Im Fall von Gen 27 ff (Jakobs<br />
Traum …) könnte man z. B. ausgehend von<br />
der Regel, dass alle Menschen, die auf Gott<br />
vertrauen, Gottes Gnade erfahren, darauf<br />
schließen, dass sich Gott Jakob gegenüber,<br />
da er auf Gott vertraut, als gütig und bramherzig<br />
erweisen wird. Ein induktiver Schluss<br />
liegt vor, wenn von einem bekannten Fall<br />
und einem bekannten Resultat auf eine noch<br />
unbekannte Regel geschlossen wird. Auf<br />
das Beispiel von Jakob übertragen hieße das,<br />
dass man von Jakobs Vertrauen auf Gott<br />
(Fall) und der Tatsache, dass er deshalb Gottes<br />
Gnade erfährt (Resultat) darauf schließt,<br />
dass sich Gott allen Menschen, die ihm vertrauen,<br />
gnädig erweist (Regel). (Nach Pierce<br />
geht es im abduktiven Schließen darum, dass<br />
aus einer bekannten Regel anhand eines bekannten<br />
Resultats nach möglichen Fällen gesucht<br />
wird. Wenn sich im Buch Genesis Gott<br />
Jakob gegenüber als barmherzig erwiesen<br />
hat und der Zusammenhang zwischen dem<br />
Vertrauen in Gott und dessen Barmherzigkeit<br />
bekannt ist, so liegt es nahe davon auszugehen,<br />
dass Abraham Gott vertraut hat (vgl.<br />
Riebl, 1995).