PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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Abduktive Korrelation als Modell der<br />
christlichen Erziehung<br />
„Haltet die Augen offen und deckt Geheimnisse<br />
auf, über die Ihr nichts wisst.“<br />
„Das ist es, was ich immer getan habe, Eminenz.<br />
Oder jedenfalls glaube ich das, denn<br />
ich habe vergessen, dass ich‘s getan habe.“<br />
(Eco, 1995)<br />
Gibt es eine adäquate Didaktik für den Religionsunterricht<br />
in der heutigen Zeit? Wie soll<br />
man im Religionsunterricht mit SchülerInnen<br />
umgehen, denen nahezu jeglicher Bezug<br />
zum gelebten Christentum fehlt? Bis vor kurzem<br />
lautete die Antwort auf diese Herausforderungen:<br />
korrelativ! Diese Überzeugung<br />
wurde durch die Debatte um die Korrelationsdidaktik<br />
Anfang dieses Jahrtausends relativiert.<br />
Ist die Entfremdung heutiger Kinder<br />
und Jugendlicher vom christlichen Glauben<br />
nicht zu groß, um überhaupt noch seriöse<br />
Anknüpfungspunkte für christliche Überzeugungen<br />
zu finden? Fehlt es nicht an elementaren<br />
Erfahrungen, die es bräuchte, um<br />
wirklich korrelativ im Religionsunterricht zu<br />
arbeiten? Das Konzept der abduktiven Korrelation,<br />
das hier skizziert wird, versucht Andeutungen<br />
und Hilfestellungen zu geben.<br />
Grundsätzliches<br />
Jakub ist vor drei Monaten mit seinen Eltern<br />
und seiner Schwester aus der Slowakei nach<br />
Eisenstadt gekommen. Sein Vater arbeitet<br />
hier, Jakub ist nicht getauft. Doch die Eltern<br />
wollen, dass er den Religionsunterricht besucht.<br />
Natürlich habe ich nichts dagegen. Es<br />
freut mich. Jakub zeigt sich interessiert, obwohl<br />
er weder das Kreuzzeichen noch andere<br />
explizit christliche Zeichen und Symbole<br />
kennt.<br />
Harald Mandl<br />
In den alltäglichen Erfahrungen lesen lernen<br />
Mit fällt allerdings auf, dass sich Jakub, wenn<br />
wir uns im Sesselkreis hinsetzen, sehr oft direkt<br />
unter dem Kreuz platziert. Manchmal<br />
blickt er auch auffällig zum Kreuz hinauf. In<br />
einer Pause habe ich ihn dann einmal gefragt,<br />
warum er denn so gerne dort sitzt. Seine Antwort<br />
hat mich doch einigermaßen erstaunt:<br />
“Da fühl ich mich geborgen und sicher!” Er,<br />
der kaum über christliches Sachwissen verfügt,<br />
fühlt sich intuitiv zum Kreuz als ein<br />
Symbol des Schutzes und der Geborgenheit<br />
hingezogen.<br />
Mir bestätigt diese Erfahrung, dass nicht ich<br />
es bin, der Korrelatives anregen kann. Nein,<br />
das Eigentliche ist schon passiert, ich bin für<br />
das Ansprechen, das Bewusstmachen zuständig.<br />
Jennifer ist 22 und studiert Pädagogik. Mit<br />
16 ist sie aus der Kirche ausgetreten. Sie hält<br />
damit auch nicht hinterm Berg, im Gegenteil.<br />
In Gesprächen und Diskussionen bringt sie<br />
diese Tatsache oft als Einleitung ihres Statements.<br />
Auffällig an ihr ist, dass sie ein besonders<br />
großes Kreuz an ihrer Halskette trägt<br />
und dass sie ab und an mit einem “Jesus-<br />
T-Shirt” auftaucht. Darauf angesprochen<br />
meint sie kurz: “Jesus ist cool!” Sie meint damit,<br />
dass ihr Jesus imponiert.<br />
Anfang dieses Jahres ist die neueste Statistik<br />
betreffend der Entwicklung der Kirchenaustritte<br />
in Österreich veröffentlicht worden – die<br />
Zahl der Kirchenaustritte steigt (vgl. orf, 13.<br />
Jänner 2009). Religiöse Bindungen nehmen<br />
ab, religiöses Wissen wird weniger, Kirchen<br />
werden leerer – fast könnte man befürchten,<br />
dass sich die Religion aus dem „christlichen<br />
Abendland“ langsam verabschiedet. Gleich-<br />
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10. In den alltäglichen Erfahrungen lesen lernen