PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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9. Ausbildung und Praxis der Sozialpädagogik in Europa<br />
langt, dass speziell ausgebildete Pädagogen<br />
den Kriminellen zur Seite stehen sollen. Die<br />
Armenschulen von Fellenberg und Wehrli in<br />
der Schweiz wurden auf der Grundlage dieser<br />
Ideen Pestalozzis gegründet. 19<br />
Die erste sozialpädagogische Organisation<br />
war die „Gesellschaft für Armenerzieher”<br />
(1844), die bis heute wirksam ist als „Verein<br />
für Schweizerisches Heimwesen - VSA.” 20<br />
Der Pauperismus des 19. Jahrhunderts ist in<br />
unseren Kreisen weit bekannt. Drei Tendenzen<br />
kamen ihm zur Hilfe. Die revolutionäre<br />
Richtung (Marx und Engels) hat nicht an die<br />
pädagogischen Problemlösung gedacht - die<br />
konservative Haltung blieb religiös motiviert.<br />
Durch „innere Mission” und „Caritasbewegung”<br />
wurde so die Entwicklung des Faches<br />
Sozialpädagogik sehr stark beeinflusst,<br />
mit dem Ziel, die Einzelnen und Gruppen<br />
in Krisensituationen zu unterstützen. Auch<br />
die Wirkung der Salesianer und Salvatorianer<br />
ist in diesem Zusammenhang erwähnungswert:<br />
Besondere Betonung hat die Betreuung<br />
von Armen und Inhaftierten bekommen. 21<br />
Die reformerische Richtung hat dann den<br />
Begriff „Heil” durch „Wohlstand” ersetzt.<br />
Doch auch die reformerischen Ideen von<br />
Maria Montessori (1870-1952) waren stark<br />
religiös und ethisch.<br />
2.2. Die Verbreitung der Sozialpädagogik in<br />
Europa<br />
Im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert<br />
ist die Entwicklung der Sozialpädagogik als<br />
Hilfsprofession in Deutschland 22 beendet,<br />
die zunächst nur für Frauen bestimmt war.<br />
Diese Ausbildungsanstalten wurden auch<br />
„Soziale Frauenschulen” genannt. Langsam<br />
bekam die Profession auch in Männerkrei-<br />
19 J. K. Zellweger, Die schweizerischen Armenschulen<br />
nach Fellenbergischen Grundsätzen. (Trogen: Schäpfer Vrlg,<br />
1845).<br />
20 Pelle Hallstedt és Mats Högström, The Recontextualisation<br />
of Social Pedagogy (Malmö: Holmberg, 2005),<br />
21 Johann H. Wichern, „Votum betreffend die Gewinnung<br />
geeigneter Kräfte für den Strafanstaltendienst, 1857”, in<br />
Sämtliche Werke. Band VI. (Hamburg: Lutherisches Vrlg, 1973),<br />
123-130.<br />
22 Heinrich Tuggener, „A szociálpedagógia”, Gyermek-<br />
és Ifjúságvédelem (1990): 40-41.<br />
88<br />
sen einen höheren Wert. Die Theoretiker der<br />
1920ger Jahre, wie z.B. Nohl (1926) haben an<br />
dem Fach planmäßig gearbeitet. Inzwischen<br />
hat die Sozialpädagogik in allen europäischen<br />
Staaten ein Zuhause gefunden, doch<br />
unter verschiedenen Namen wie z.B. Jugendversorger,<br />
Kriminellenbetreuer, Heimerzieher,<br />
Freizeitpädagoge – um nur manche<br />
zu erwähnen. In Frankreich nennt man ihn<br />
einfach Erzieher („educateur”) gegenüber<br />
dem Lehrer („instructeur”). In Belgien und<br />
Spanien findet sich der Begriff „Sozialerzieher”,<br />
in den Niederlanden „Sozialberater”, in<br />
Finnland „Sozialerzieher, Sozialberater aber<br />
auch Gemeindeerzieher”. In Österreich,<br />
Deutschland, der Schweiz und Ungarn ist<br />
der ursprüngliche Name geblieben, in Polen<br />
wird der Namen „Betreuungspädagoge oder<br />
auch Milieupädagoge” verwendet.<br />
Mit dem in allen fast allen EU-Staaten eingeführten<br />
Bologna-Prozess enden auch die<br />
Studien im Bereich Sozialpädagogik mit Bachelor-<br />
und Masterabschlüssen. Deutschland<br />
ratifizierte seine Bachelor- und Masterprogramme<br />
bereits im Jahre 2003. 23<br />
In Ungarn hat man mit der Hochschulausbildung<br />
der Sozialpädagogen im Jahre 1989 an<br />
der Kath. Lehreranstalt in Esztergom begonnen,<br />
mittlerweile wurde bereits von acht Institutionen<br />
im Jahre 2004 die Hochschularchitektur<br />
nach dem Bologna Modell eingeführt.<br />
Ein Konsortium von <strong>Hochschule</strong>n hat das<br />
Masterprogramm für Ungarn in Jahre 2005<br />
ausgearbeitet. Die Westungarische Universität,<br />
Fakultät der Pädagogik, hat bei der Akkreditierungskommission<br />
in Budapest dieses<br />
Studium eingereicht und hat auch ein PhDprogramm<br />
für soziale Fachkräfte konzipiert.<br />
Die Sozialpädagogik hat in Ungarn eine große<br />
Bedeutung. Nach einer wissenschaftlichen<br />
Untersuchung 24 bekamen 83% der Sozialpädagogen<br />
eine Arbeitsstelle, nur 3,4% sind<br />
arbeitslos geblieben. Der Minister des Ar-<br />
23 10 Thesen zur Bachelor- und Masterstruktur in<br />
Deutschland. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom<br />
12.06.2003.<br />
24 Benkö Brigitta, „Az expanzió és következményei a<br />
szociálpedagógus képzésben,” Társadalomkutatás (2006/4): 528.