PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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8. Lernen an der Schnittstelle<br />
Realität prägen häufig soziale Prozesse den<br />
Unterrichtsalltag. Konflikt- und Gewaltsituationen<br />
erfordern Handlungsentscheidungen<br />
von PädagogInnen, bei denen das Wissen<br />
um neuronale Prozesse oft nicht unbedingt<br />
hilfreich ist. Der Aufgabenbereich der PädagogInnen<br />
hat sich sehr stark gewandelt. Sie<br />
haben neben der Erfüllung ihres Bildungsauftrags<br />
unentwegt Erziehungsarbeit zu leisten,<br />
und es kommt vor, dass Unterrichtsarbeit<br />
hinten angestellt wird, um aktuelle oder<br />
bereits eskalierte Konflikte zu bearbeiten<br />
und zu besprechen. Der Schulalltag und auch<br />
Unterrichtsstunden laufen meist nicht nach<br />
Rezept ab. Eine geschaffene lernförderliche<br />
Umgebung kann binnen kurzer Zeit durch<br />
Probleme von einzelnen oder mehreren zu<br />
einer stressbeladenen Lernsituation werden.<br />
.Man stelle sich nun vor, diese nahezu alltäglichen<br />
Konfliktsituationen in der Schulpraxis<br />
würden in ihrem Verlauf determinierten<br />
Gehirnen von SchülerInnen und PädagogInnen<br />
unterliegen, die ihr Fehlverhalten nicht<br />
bewusst steuern, vermeiden oder verändern<br />
könnten. Wenn also das Verhalten jedes/jeder<br />
Einzelnen dieser Gruppe, als natürliche<br />
Vorgänge des biologischen Gehirns, völlig<br />
unbeeinflussbar wären und es keine Einsicht<br />
gebe, wenn es um Prozesse der Verhaltensänderung<br />
geht, so wären LehrerInnen und<br />
SchülerInnen jenen konfliktreichen alltäglichen<br />
Situationen hilflos ausgeliefert. Wie paradox<br />
wäre es nun zu glauben, eine lustvolle<br />
motivierende Lernsituation schaffen zu können,<br />
um die vorhandenen Gehirne in einen<br />
lernwilligen Zustand zu versetzen.<br />
Ein weiteres Spannungsfeld in der Schulpädagogik,<br />
ergibt sich aus einer Entwicklung in<br />
der Bildungslandschaft der letzten Jahre. Da<br />
über das Schulwesen ein Leistungsparadigma<br />
in Form von Bildungsstandards gelegt wird,<br />
stellt sich die Frage, inwieweit individuelles<br />
Lernen, ein grundlegender Faktor von neurowissenschaftlich<br />
orientiertem Unterricht,<br />
in einer standardisierten Leistungsüberprüfung<br />
Platz haben kann. Für die pädagogische<br />
Praxis wird es keine leichte, wenn nicht kaum<br />
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lösbare Aufgabe sein, den Spagat zwischen<br />
der Berücksichtigung der individuellen Lernprozesse<br />
und den Anforderungen der Bildungsstandards<br />
zu vollbringen. Schließlich<br />
müssen alle SchülerInnen zur selben Zeit,<br />
ohne Rücksicht auf ihre Individualität, den<br />
standardisierten Prüfungsaufgaben gerecht<br />
werden.<br />
Abschließend meine ich, dass Lernen zwar<br />
ein biologisches, aber auch ein im kulturellen<br />
Kontext eingebettetes Phänomen des Menschen<br />
darstellt, das von Individuen vollzogen<br />
wird, was mich dazu führt, dass ich es als<br />
zielführend sehen würde, wenn Gehirnforschung<br />
und Pädagogik sich auf einen Weg<br />
begäben, der getragen wird von Dialog und<br />
Diskurs.<br />
Die Welt lässt sich nicht in Schubladen einteilen,<br />
und es lassen sich in kaum einem Lebensbereich<br />
klare, trennende Grenzen ziehen. So<br />
wird es auch künftig in der Entwicklung und<br />
Forschung von Wissenschaftsdisziplinen,<br />
immer wieder Bereiche geben, die interdisziplinäres<br />
Kommunizieren erfordern.<br />
Schließen möchte ich mit einem Zitat von<br />
Franz E. Weinert, der zu Lehren und Lehren<br />
meint:<br />
„Erfolgreicher Unterricht kann auf verschiedene,<br />
aber nicht beliebige Weise praktiziert<br />
werden“ (Weinert .o.J.).<br />
Literatur<br />
Arnold, M. (2006): Brain - Based Learning<br />
and Teaching- Prinzipien und Elemente. In:<br />
Hermann U. (Hrsg.): Neurodidaktik. Grundlagen<br />
und Vorschläge zu gehirngerechtem<br />
Lehren und Lernen. Weinheim und Basel.<br />
Beltz Verlag.<br />
Becker, N. (2006): „Von der Hirnforschung<br />
lernen?“ In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft,<br />
9.Jg./ Beiheft 5, Biowissenschaft<br />
und Erziehungswissenschaft, S.177-200.