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PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland

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8. Lernen an der Schnittstelle<br />

verantwortlich gemacht werden. ‚Ein kaltblütiger<br />

Mörder hat eben das Pech, eine so niedrige<br />

Tötungsschwelle zu haben’ (Speck 2008,<br />

S.57, zit. n. Singer 2003, 65).<br />

Die Fortschritte der Hirnforschung würden<br />

sich nach Singer in tiefgreifenden Veränderungen<br />

unseres Menschenbildes niederschlagen.<br />

Auch Roth räumt dem Menschen<br />

biologisch gesehen keine Sonderstellung ein,<br />

indem er anmerkt das menschliche Gehirn<br />

sei ein typisches Großaffengehirn. Qualitativ<br />

ist bei tierischen Gehirnen alles zu finden,<br />

was bisher ausschließlich dem Menschen zugeschrieben<br />

worden war. Alle Faktoren, die<br />

nicht naturgesetzlich bestimmbar sind, haben<br />

weder Wert noch Bedeutung, da sie ja<br />

schließlich, von naturwissenschaftlicher Seite,<br />

nicht hinreichend erklärt werden können.<br />

Den Menschen bewusst in die Nähe der Tiere<br />

zu rücken, ergibt ein äußerst reduktionistisches<br />

Menschenbild.<br />

Was es bedeutet, den Menschen als Tier oder<br />

Maschine zu sehen, darüber gibt es in neurobiologischen<br />

Beiträgen kaum etwas nachzulesen.<br />

Worin also der Vorteil eines neuen Menschenbildes<br />

liegen sollte, ist nicht wirklich<br />

nachvollziehbar (vgl. Speck 2008, S. 78f).<br />

Resumee<br />

Die Befunde der Hirnforschung haben zurzeit<br />

gesellschaftlich gesehen Konjunktur.<br />

Die Neurowissenschaften scheinen den Versuch<br />

zu starten, das Geistige zu naturalisieren<br />

und finden durch Aussagen, wie jene von<br />

Larry Summers, dass Frauen physiologisch<br />

bedingt geringere Wissbegierde aufweisen<br />

als Männer (dies sei die Ursache, dass Frauen<br />

weniger oft in Spitzenpositionen zu finden<br />

seien) oder der, dass der Mensch nur 10%<br />

seines Gehirns nutze, große Resonanz in einer<br />

breiten Öffentlichkeit (vgl. Borck, 2006<br />

S. 88f).<br />

Es ist zu beobachten, dass naturwissenschaft-<br />

80<br />

liche Befunde vorrangig in Bezug auf didaktische<br />

Maßnahmen, Aufnahme in der Pädagogik<br />

erfahren haben. Geben sie der heftig<br />

kritisierten Schulpädagogik doch Anlass zur<br />

Hoffnung, Unterricht künftig erfolgreicher<br />

und effektiver gestalten zu können.<br />

Das Ansehen der Schule hat in den letzten<br />

Jahren sehr gelitten. Dieser Umstand macht<br />

jenen Bereich zu einem bereitwilligen Empfänger<br />

der neurowissenschaftlichen Botschaften.<br />

Man beachte nur die mediale und<br />

gesellschaftliche Aufmerksamkeit die populärwissenschaftlicher<br />

Literatur, die sich mit<br />

Schule beschäftigt, zukommt. „Der talentierte<br />

Schüler und seine Feinde“ ein kürzlich<br />

erschienenes Buch, das der pädagogischen<br />

Praxis den Vorwurf macht, dass sie den wissenschaftlichen<br />

Fortschritt in keinster Weise<br />

nutzt und in dem Schule als „Talentevernichtungsindustrie“<br />

bezeichnet wird, ist nur ein<br />

Beispiel dafür. Der Verkaufserfolg und die<br />

Vermarktung in Funk- und Fernsehen spiegeln<br />

die gesellschaftliche Haltung der Institution<br />

Schule gegenüber, wider.<br />

Kritik kommt aus allen Gesellschaftsschichten,<br />

und LehrerInnen werden von Menschen<br />

aller Berufssparten in ihrer Qualifikation angezweifelt.<br />

Man gewinnt den Eindruck, dass<br />

diejenigen, die dem Lehrberuf Wertschätzung<br />

entgegenbringen, in der Minderheit<br />

sind.<br />

Diese Situation stellt für LehrerInnen eine<br />

hohe Belastung dar und führt, als ein Faktor<br />

neben den alltäglichen Herausforderungen,<br />

häufig zu Überlastung, Überforderung, und<br />

in machen Fällen auch zu ignorantem Verhalten<br />

ihrerseits neuem Wissen gegenüber.<br />

Wenn nun aus der Neurobiologie die Forderung<br />

nach Motivation ertönt, die Gehirne<br />

erfolgreich arbeiten lässt, so erhebt sich unweigerlich<br />

die Frage, ob dies auf LehrerInnengehirne<br />

nicht übertragbar sei, denn ihre<br />

Gehirne erfahren selten Motivation.<br />

Gerade zu einem Zeitpunkt also, wo BildungspolitikerInnen,<br />

LehrerInnen verzwei-

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