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PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland

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8. Lernen an der Schnittstelle<br />

andererseits der soziokulturelle Bereich, den<br />

er in der “Erste- Person“ Perspektive erfährt<br />

und in dem es um sinnhafte Zuschreibungen<br />

geht. Dies bedeutet, dass von der realen<br />

Erfahrung auszugehen ist, und Menschen in<br />

ihren individuellen Entscheidungen „subjektiv“<br />

frei sind (vgl. Speck, 2008, S. 39).<br />

Zu erwähnen bleibt, dass Libet selbst betont,<br />

dass bewusste geistige Phänomene nicht auf<br />

neuronale Prozesse reduzierbar seien.<br />

Aus psychologischer und pädagogischer<br />

Sicht stellt sich nun die Frage, welche Rolle<br />

die „Person“ nun spiele. Ist er/sie in der<br />

Position eines passiven Ichs? Ein Zuschauer,<br />

der seinem Gehirn ausgeliefert ist? „Ist<br />

er dann gewissermaßen ein bloßer Beifahrer<br />

eines neuronalen Auto- mobile, also einer<br />

Maschine?“ ( Speck 2008, S. 51).<br />

Die Neurophysiologie betont, dass der<br />

Mensch eine Fähigkeit besäße, die ihn doch<br />

von Maschinen unterscheide. Sie bezieht sich<br />

dabei auf das Vermögen des Selbstbewusstseins<br />

von Handlungen und die daraus folgende<br />

von Erfahrung geleitete Selbststeuerung<br />

(vgl. Speck 2008, S.51).<br />

Treffe die Willenlosigkeit des Menschen nun<br />

zu, so würde dies übertragen auf die pädagogische<br />

Praxis bedeuten, dass man lerneifrigen<br />

SchülerInnen erklären müsste, dass er/<br />

sie die Leistungen nur seinem/ ihrem unbewusst<br />

arbeitenden Gehirn verdanke, und<br />

nicht dem eigenen persönlichen Einsatz (vgl.<br />

Speck 2008, S. 52).<br />

Die Konsequenzen eines determinierten<br />

Willens für unser Zusammenleben, z. B. auf<br />

die Ebene von Verantwortung und Schuld<br />

übertragen, wären fatal. Wenn das Gehirn<br />

und nicht das Selbst den Menschen steuert,<br />

so kann es keine persönliche Schuld geben,<br />

und Menschen könnten für ihre Taten nicht<br />

verantwortlich gemacht werden. ‚Ein kaltblütiger<br />

Mörder hat eben das Pech, eine so niedrige<br />

Tötungsschwelle zu haben’ (Speck 2008,<br />

78<br />

S.57, zit. n. Singer 2003, 65).<br />

Die Fortschritte der Hirnforschung würden<br />

sich nach Singer in tiefgreifenden Veränderungen<br />

unseres Menschenbildes niederschlagen.<br />

Auch Roth räumt dem Menschen<br />

biologisch gesehen keine Sonderstellung ein,<br />

indem er anmerkt das menschliche Gehirn<br />

sei ein typisches Großaffengehirn. Qualitativ<br />

ist bei tierischen Gehirnen alles zu finden,<br />

was bisher ausschließlich dem Menschen zugeschrieben<br />

worden war. Alle Faktoren, die<br />

nicht naturgesetzlich bestimmbar sind, haben<br />

weder Wert noch Bedeutung, da sie ja<br />

schließlich, von naturwissenschaftlicher Seite,<br />

nicht hinreichend erklärt werden können.<br />

Den Menschen bewusst in die Nähe der Tiere<br />

zu rücken, ergibt ein äußerst reduktionistisches<br />

Menschenbild.<br />

Was es bedeutet, den Menschen als Tier oder<br />

Maschine zu sehen, darüber gibt es in neurobiologischen<br />

Beiträgen kaum etwas nachzulesen.<br />

Worin also der Vorteil eines neuen Menschenbildes<br />

liegen sollte, ist nicht wirklich<br />

nachvollziehbar (vgl. Speck 2008, S. 78f).<br />

Die <strong>Pädagogische</strong> Sicht<br />

Die Hirnforschung sieht das Gehirn als Teil<br />

der Natur und untersucht es mit naturwissenschaftlichen<br />

Methoden. Natürliche Gesetzmäßigkeiten<br />

bestimmen neuronale Prozesse,<br />

die wiederum das menschliche Wollen und<br />

das menschliche Handeln determinieren. Wovon<br />

wir Menschen meinen, es sei unser Wille,<br />

der der gesetzten Handlung vorausgeht,<br />

wird von einer Instanz verursacht, über die<br />

der Mensch keine Kontrolle hat. Neuronale<br />

Prozesse gehen der bewussten Entscheidung<br />

voran (vgl. Giesinger 2006, S.99).<br />

Neurophysiologisch gesehen ist der freie<br />

Wille eine Illusion, da die Ausführung jedes<br />

Wollens an neuronale Prozesse gebunden<br />

ist, die wiederum den determinierenden<br />

Naturgesetzen unterliegen (vgl. Speck 2008,

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