PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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8. Lernen an der Schnittstelle<br />
Faktenwissen abgefragt wird und nicht, was<br />
Schüler wirklich können.<br />
Auch der Vorwurf, dass die Pädagogik sich<br />
den unpädagogischen Vorgaben und Vorschriften<br />
der Schulpolitik unterworfen hat,<br />
steht im Raum.<br />
Diese Aussagen stellen selbstverständlich<br />
eine Herausforderung für die pädagogische<br />
Praxis dar und nehmen die Pädagogik in die<br />
Pflicht, sich mit den Argumenten, Empfehlungen<br />
und Sichtweisen der Neurowissenschaften<br />
auseinanderzusetzen. Wenn nun<br />
schließlich der Mensch, der im Zentrum des<br />
erziehungswissenschaftlichen Denkens steht,<br />
von Seiten der Hirnforschung auf das Gehirn<br />
reduziert und als willenloses Wesen dargestellt<br />
wird, so ist dies in gleichem, wenn nicht<br />
noch höherem Maße eine Herausforderung,<br />
der sich die Pädagogik zu stellen hat.<br />
Das Verhältnis von Gehirnforschung und<br />
Pädagogik ist als Spannungsverhältnis wahrzunehmen.<br />
Während vonseiten der akademischen<br />
Pädagogik Abwehrreaktionen zu<br />
erkennen sind, meinen Vertreter der Gehirnforschung,<br />
dass das Wissen um die Vorgänge<br />
im Gehirn für Pädagogen einen fundamentalen<br />
Stellenwert in ihrer Arbeit einnehmen<br />
muss, da erfolgreiches Lehren und Lernen<br />
nur auf diesen Erkenntnissen beruhen kann.<br />
Henning Scheich, ein Magdeburger Gehirnforscher,<br />
sieht das Gelingen eines Lernprozesses<br />
folgendermaßen:<br />
Individuelle Erfolgserlebnisse sichern Motivation<br />
und Gedächtnis und klare Lernherausforderungen<br />
verhindern Vermeidungsverhalten.<br />
Nach Scheich beruht erfolgreiches<br />
Lernen auf der richtigen Mischung von<br />
Anregung und Anforderung, Motivation,<br />
Erfolgserlebnissen und neuen Herausforderungen.<br />
Die vereinfachte Formel ist Zufriedenheit<br />
aufgrund von Leistung.<br />
Das gegenwärtige Lehr- und Lernkonzepte<br />
schlecht sind, entspricht der Meinung von<br />
76<br />
ExpertInnen. Lehrende gehen von der Vorstellung<br />
aus, dass Informationsverarbeitung<br />
durch geeignete Instruktionen optimiert werden<br />
kann, ohne dabei Prozesse im Gehirn,<br />
die Lernen ermöglichen oder verhindern, zu<br />
berücksichtigen. Würden Gehirnforschung<br />
und Pädagogik sich auf einen Weg der Zusammenarbeit<br />
begeben, so müsste reformpädagogisches<br />
Wissen, welches in Vergessenheit<br />
geraten war, wieder an Aktualität gewinnen<br />
(vgl. Herrmann 2006, S. 90f).<br />
Der freie Wille<br />
Die Hirnforschung stellt zentrale Elemente<br />
der Pädagogik in Frage. Die Intention der<br />
Pädagogik im Zuge des Bildungsprozesses<br />
zur Entwicklung der Kinder zu willensfreien,<br />
vernünftigen Menschen beizutragen, ist für<br />
Vertreter der Neurobiologie eine Illusion.<br />
Die Pädagogik betrachtet den Menschen als<br />
Person. Aus der naturalistischen Perspektive<br />
der Hirnforschung wird er als Gehirn gesehen,<br />
das durch Erziehung und Unterricht<br />
zwar kausal beeinflusst, aber nicht erzogen<br />
werden kann. Es wird von gehirngerechter<br />
Pädagogik gesprochen, da Gehirne das Zentrum<br />
von Erziehung und Unterricht sind.<br />
Nach Herrmann nimmt das Gehirn Bewertungen<br />
vor, trifft Entscheidungen über Erinnern<br />
und Vergessen und nicht die Person.<br />
Was der Mensch glaubt entschieden zu haben,<br />
hat sein Gehirn vollzogen. Diese Prozesse<br />
würden unbewusst und für den Menschen<br />
unbeeinflussbar ablaufen. Führende<br />
deutsche Hirnforscher wie Singer, Roth und<br />
Prinz meinen, dass der Mensch in seinem<br />
Wollen und Entscheiden nicht frei wäre.<br />
Die pädagogische Rezeption der Hirnforschung<br />
geht vor allem auf Fragen schulischer<br />
Lernprozesse ein, ohne bemerkt zu haben<br />
so meint Giesinger, dass Aussagen einiger<br />
Hirnforscher, dass herkömmliche Verständnis<br />
von Erziehung und Bildung in Frage<br />
stellen. Obwohl Herrmann meint, dass Erkenntnisse<br />
der Hirnforschung von namhaften<br />
PädagogInnen vergangener Zeit schon