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PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland

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6. Bildung in der Lehrer/innen-Bildung?<br />

le von Bildung beschreibt: die Relationen des<br />

Menschen zur Welt, zu anderen Menschen<br />

und zu sich selbst. (vgl. Dörpinghaus, Poenitsch,<br />

Wigger 2006, 144)<br />

Die gegenwärtige Attraktivität des Kompetenzbegriff<br />

begründet sich allerdings nicht<br />

in seiner möglichen Nähe zum Bildungsbegriff,<br />

sondern in einem Kompetenzkonstrukt,<br />

das Kompetenzen als Zusammenspiel<br />

von (1) deklarativem Wissen („savoir“), den<br />

(2) Fertigkeiten und dem prozeduralen Wissen<br />

(„savoir faire“), den (3) persönlichkeitsbezogenen<br />

Kompetenzen („savoir-etre“)<br />

und schließlich noch der (4) Lernfähigkeit<br />

(„savoir-apprendre“) versteht (vgl. Schneider<br />

2005, 16). Die historische Herkunft dieses<br />

Kompetenzbegriffs wurzelt in den psychologischen<br />

Theorien, die, wie Basil Bernstein<br />

(1996) aufgezeigt hat, anti-behavioristisch<br />

und anti-funktionalistisch motiviert sind.<br />

Die Vorstellung, nicht gänzlich von außen<br />

determiniert zu sein, sondern sich als Subjekt,<br />

als aktiven und kreativen Gestalter einer<br />

bedeutungsvollen Welt (z.B. Sprachproduktion<br />

bei Chomsky, Akkommodationsprozesse<br />

bei Piaget) und die Entwicklung seiner<br />

Kompetenzen als selbstregulierten Ausdifferenzierungsprozess<br />

zu begreifen, erscheint<br />

durchaus attraktiv, nicht zuletzt deshalb, weil<br />

damit auch der Versuch, die Entwicklung<br />

des Menschen auf Sozialisationsprozesse zu<br />

reduzieren, obsolet wird. (vlg. Reichenbach<br />

2006, 50). „Noch sympathischer“ - so Reichenbach<br />

- „mag manchen die Behauptung<br />

erscheinen, dass solcherlei Entwicklung nicht<br />

durch formale Lehre vorangetrieben werden<br />

könne“. Folglich - so Reichenbach – „interessiert<br />

dann nur noch die Gestaltung der Ermöglichungsbedingungen<br />

von Lernen und<br />

Entwicklung - und jede andere Bemühung<br />

erscheint als pädagogische Ideologie oder<br />

wenigsten schlechte Pädagogik“. (Reichenbach<br />

2006, 251)<br />

Diese Überlegungen machen unverblümt<br />

deutlich, dass dieses Kompetenzkonstrukt<br />

den Bildungsbegriff längst hinter sicher ge-<br />

56<br />

lassen hat. Deshalb ist es wohl auch nicht<br />

erstaunlich, dass die Voraussetzungen auf<br />

denen dieses Modell basiert, kaum thematisieren<br />

werden. Wenn man diese kritisch unter<br />

die Lupe nimmt, wird offenkundig, dass<br />

eine Pädagogik, die die anti-behavioristische<br />

Vorstellung von der Selbstregulation ernst<br />

nimmt, ihre eigenen Möglichkeiten und den<br />

Menschen überfordert und gleichzeitig unterfordert.<br />

Sie überfordert sich, weil sie sich<br />

zumutet, den perfekten Könner einer Aufgabe<br />

zu produzieren, sie unterfordert sich, weil<br />

sie ihre Aufgabe auf messbare Kompetenzen<br />

reduziert. Sie überfordert den Menschen, indem<br />

sie ihn verpflichtet, sich selbst als Kompetenzsteigerungszentrum<br />

zu sehen, und sie<br />

unterfordert den Menschen, weil sie ihn auf<br />

ein bestimmtes Können festlegt und seine<br />

unendlichen Möglichkeiten nicht mehr anerkennt.<br />

Es war eine der großen Leistungen des Christentums,<br />

die Inkompetenz des Menschen, als<br />

Aufgegebenheit zu begreifen. Der Mensch<br />

als geschaffenes und erlöstes Wesen, sollte<br />

das Bild, das der Schöpfer in ihn hineingelegt<br />

hat, verwirklichen. In der Moderne ist<br />

dieser Gedanke vor allem im Humanismus<br />

weiterverfolgt und entwickelt worden. Auch<br />

in seiner säkularisierten Fassung ist der Bezugspunkt<br />

der Bildung der Mensch selbst.<br />

Kant hat diese These in der Formulierung<br />

vom Menschen „als Zweck seiner selbst“ zugespitzt.<br />

Es wäre wünschenswert, dass in den neuen<br />

<strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong>n Lehrerinnen<br />

und Lehrer nicht nur mit den notwendigen<br />

beruflichen Kompetenzen ausgestattet werden,<br />

sondern, dass sie auch darin unterstützt<br />

werden, gebildete Menschen zu werden.<br />

Wenn die neuen <strong>Pädagogische</strong>n <strong>Hochschule</strong>n<br />

zur Professionalisierung des Lehrberufs<br />

in der Tat beitragen wollen, dann sollten sie<br />

sich darauf besinnen, dass die Bedingung von<br />

Professionalität darin besteht, den Menschen<br />

das Denken und Nachdenken zuzumuten.

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