PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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Die Darbietung des Einmaleins von 6 mit<br />
Eierkartons o. Ä. wird die Aufmerksamkeit<br />
der Kinder auf sich ziehen, verinnerlicht ist<br />
diese Malreihe damit aber noch nicht. Es bedarf<br />
des Wiederholens, immer wieder, bis<br />
zur gesicherten Anwendung.<br />
Außer Acht wird beim Verschmähen des<br />
Übens gelassen, dass Üben von klein auf<br />
zum Leben gehört: vom Laufen-Lernen über<br />
das Spielen eines Instruments bis zu Fertigkeiten,<br />
die im Beruf benötigt werden.<br />
Möglicherweise hängt die Unbeliebtheit mit<br />
der Tatsache zusammen, dass Üben „störanfällig“<br />
ist: „Zum Üben gehört das Scheitern<br />
ebenso wie der wiederholende, erneute<br />
Anlauf, ‚es doch noch zu schaffen‘“ (Ebd.,<br />
S. 282). Brinkmann bringt das Beispiel des<br />
Kindes, das im Greifen sein Ziel verfehlt<br />
und daher versucht, den Handlungsablauf<br />
zu verbessern. Es bezieht sich dabei reflexiv<br />
als Handelnden in den Übungsprozess ein<br />
(Vgl. Brinkmann in: Migutsch 2008, S. 282).<br />
Üben ist demnach nichts von der Person Abgekoppeltes,<br />
im Gegenteil: „Üben geschieht<br />
im Weltverhältnis. Es ist eine spezifische Art<br />
und Weise des In-der-Welt-Seins, ist eine in<br />
die Welt eingelassene und auf die Welt bezogene<br />
Lernhandlung“ (Ebd.).<br />
Prange spricht vom Üben als „Einverleibung“<br />
(Prange 2005, S. 98), „…dass wir uns<br />
das, was sich uns zeigt, was wir sehen und<br />
hören, in der Weise zu eigen machen und einverleiben,<br />
dass wir es üben und so dem Fundus<br />
unserer Fähigkeiten zuführen. Wenn wir<br />
uns nicht darauf einlassen, das mitzumachen<br />
und anzunehmen, was andere schon können,<br />
beschränken wir unser Lernen und bleiben<br />
bestenfalls Betrachter von Fähigkeiten, ohne<br />
sie selber ausüben zu können“ (Ebd. S 98 f.).<br />
Im privaten Bereich mag man sich dem Üben<br />
wohl entziehen, wenn eine gewisse Sportart,<br />
das Erlernen einer Fremdsprache o. Ä. den<br />
Aufwand nicht zu lohnen scheinen. In der<br />
Pflichtschule gibt es diese Freiwilligkeit aber<br />
nicht. Daher muss mit Methodenvielfalt auf<br />
abwechslungsreiches und dennoch effektives<br />
Üben Wert gelegt werden.<br />
Gerade offener Unterricht eignet sich hervorragend<br />
für Übungsphasen. Jedes Kind<br />
kann nicht nur zum aktuellen Bereich, sondern<br />
auch speziell an seinen individuellen<br />
Schwerpunkten, die von der Lehrkraft durch<br />
gezielte Beobachtung festgestellt werden<br />
können, arbeiten und damit üben. Der Lehrer<br />
als Lernberater nimmt auch hier eine<br />
zentrale Position ein: „Unter einer pädagogischen<br />
Bestimmung dieser Lernformen verstehe<br />
ich eine Analyse der sinnhaften und<br />
sinnerzeugenden Prozesse und individuellen<br />
Erfahrungen, die sich in der Interaktion zwischen<br />
Lehrenden und Lernenden aufbauen“<br />
(Brinkmann in: Migutsch 2008, S. 279).<br />
Hier schließt sich der Kreis zur Lehrer-Schüler-Beziehung:<br />
Das Zusammenwirken der<br />
angeführten Komponenten wird zu einem<br />
Unterricht führen, der dem Bildungsauftrag<br />
laut Lehrplan und der Individuallage des einzelnen<br />
Schülers gleichermaßen gerecht wird<br />
und der bewirken wird, dass Schüler und<br />
Lehrer mit Freude ihren Aufgaben nachkommen.<br />
Literatur<br />
Dresselhaus, Günter: Netzwerkarbeit und<br />
neue Lernkultur. Theoretische Grundlagen<br />
und praktische Hinweise für eine zukunftsfähige<br />
Bildungsregion. Münster: Waxmann<br />
Verlag GmbH, 2006.<br />
Gasser, Peter: Neue Lernkultur. Eine integrative<br />
Didaktik. Aarau: Bildung Sauerländer,<br />
1999.<br />
Key, Ellen: Das Jahrhundert des Kindes. Berlin:<br />
S. Fischer Verlag, 1921.<br />
Klika, Dorle: Hermann Nohl. Sein „<strong>Pädagogische</strong>r<br />
Bezug“ in Theorie, Biographie<br />
und Handlungspraxis. Köln: Böhlau Verlag<br />
GmbH & Cie, 2000.<br />
53<br />
5. Die Neue Lernkultur und ihre Bedeutung